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Full text of "Das japanische prisenrecht in seiner anwendung im japanisch-russischen kriege : eine sammlung der japanischen prisenrechtsbestimmungen und der entscheidungen der japanischen prisengerichte"

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1 


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Das 

Japanische  Msenrecht 


in  seiner  Anwendung 

im  japanisch-russischen  Kriege 


Eine  Sammlung  der  japanischen  Prisenrechts- 
bestimmungen  und  der  Entscheidungen   der 
japanischen  Prisengerichte 


übersetzt  und  mit  Unterstützung  des  Auswärtigen  Amts 
und  des  Reichs-Marine-Amts  herausgegeben  von 

Dr.  jur.  K.  Marstrand-Mechlenburg 


Berliiv  1908 
Ernst  Siegfried  JVfittler  und   Sohn 

Königliche  Hoftuchhandlung  '  Kochstraße  68—71 


// 


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.  Das  '^ 

Japanische  Prisenrecht 

in  seiner  Anwendung 

im  japanisch-russischen  Kriege 


Eine  Sammlung  der  japanischen  Prisenrechts- 
bestimmungen  und  der  Entscheidungen   der 
japanischen  Prisengerichte 


Übersetzt  und  mit  Unterstützung  des  Auswärtigen  Amts 
und  des  Reichs-Marine- Amts  herausgegeben  von 

Dr.  jur.  K.  Marstrand-Mechlenburg 


Berlin  1908 
Ernst  Siegfried  Mittler  und  Sohn,  Konigl.  Hofbnchhandlnng 

Kochstraße  68—71 


Alle  Rechte  aus  dem  Gesetze  vom  19.  Juni  1901 
sowie  das  Übersetzungsrecht  sind  vorbehaltea 


Vorwort 


)ie  nachstehende  Arbeit  bezweckt,  in  einer  dem  Westen  zugängigen 
Sprache  ein  Bild  von  der  Anwendung  des  Seekriegsrechts  in  dem 
japanisch-russischen  Krieg  von  seiten  Japans  in  leicht  über- 
sichtlicher Form  zu  bieten. 

Die  Arbeit  macht  keinen  Anspruch  auf  Originalität.  Der  anfängliche 
Plan,  die  japanischen  Prisengerichtsentscheidungen  in  fortlaufendem  Text 
zu  besprechen,  mußte  dem  Wunsche,  keine  Kritik,  sondern  eine  objektive 
Darstellung  zu  geben,  geopfert  werden.  Auch  glaubte  der  Verfasser, 
nachdem  er  Überblick  über  das  gesamte  Material  gewonnen  hatte,  den 
Hauptzweck  schneller  Übersichtlichkeit  des  umfangreichen  Stoffes  nicht 
besser  erreichen  zu  können,  als  indem  er  anstelle  seines  eigenen  Textes 
die  für  diesen  Krieg  japanischerseits  erschienenen  prisenrechtlichen  Be- 
stimmungen setzte  und  diese  mit  erschöpfenden  Verweisungen  auf  das 
Fntscheidungsmaterial  versah.  Dies  um  so  mehr,  als  die  Entscheidungen 
sich  mit  wenigen  Ausnahmen  an  diese  Bestimmungen  halten.  Wo  Ab- 
weichungen vorgekommen  sind,  wird  dies  aus  den  Verweisungen  der 
Fußnoten  leicht  ersichtlich. 

Wie  die  Verordnungen  und  Instruktionen  ist  auch  das  sich  daran 
anschließende  vollständige  Entscheidungsmaterial  mit  Fußnoten  versehen, 
welche  vorzugsweise  ihrerseits  auf  die  genannten  prisenrechth'chen  Be- 
stimmungen  Bezug  nehmen. 

So  ist  die  Arbeit  im  wesentlichen  nur  eine  Übersetzungsarbeit, 
als  welche  sie  aber  bei  der  Authentizität  ihrer  Grundlagen  eine  um  so 
sicherere  Quelle  für  Forschung,  Kritik  und  Nachbildung  abgeben  kann. 

Der  Verfasser  hat  wertvolle  Beiträge  für  die  nachstehende  Arbeit 
erhalten  von  der  Kaiserlich  Deutschen  Botschaft  in  Tokio  und  dem 
Kaiserlich  Deutschen  Generalkonsulat  in  Yokohama. 


—  IV  ~ 

Außerdem  ist  ihm  von  japanischer  Seite  unentbehrliche  Hilfe  zuteil 
geworden.  Vorzugsweise  hat  er  zu  danken 

Seiner  Excellenz  Herrn  Baron  Dr.  Ooto  Shimpei, 
Herrn  Staatsanwalt  Koyama  Matsukichi, 
Herrn  Rechtsanwalt  Dr.  Nagashima  Washitaro, 
Herrn  Rechtsanwalt  Dr.  Jshibashi  Tomokichi, 
sowie  seinen  ständigen  Mitarbeitern,  den   Herren   Kamada  Toshi- 
kuni,  Watanabe  Junnoske  und  Fujikawa  Jiro. 

Twatutia,  Formosa,  Januar  1907. 

Dr.  Mechlenburg. 


Inhaltsverzeichnis. 


Seite 

Abschnitt       I  Kaiserliche  Verordnung  Nr.  20  vom  9.  Februar  1904,  betreffend 

die  Befreiung  russischer  Handelsschiffe  von  der  Beschlagnahme      l 

Abschnitt     II  Instruiction  des  Marineministeriums  Nr.  1  vom  10.  Februar  1904, 

betreffend  die  Kriegsiconterbande 2 

Abschnitt  III  Instruiction  des  Marineministeriums  Nr.  1  vom  9.  Februar  1905, 

betreffend  Abänderung  der  Instruktion  Nr.  1  vom  Jahre  1904  (II)     3 

Abschnitt  IV  Prisengerichtsordnung: 

1)  Organisation  und  Amtsrechte  der  Prisengerichte  und  des  Ober- 

prisengerichts      4 

2)  Prisenuntersuchungsverfahren 5 

Abschnitt     V  Seeprisenordnung: 

1)  Allgemeine  Bestimmungen 10 

2)  Personen,  Dokumente  und  Güter,  welche  als  Kriegskonter- 

bande gelten 12 

3)  Die  Schiffspapiere 14 

4)  Blockade 16 

5)  Gründe  für  Visitierung,  Durchsuchung  und  Aufbringung  .    .     19 

6)  Behandlung  der  aufgebrachten  Schiffe,  ihrer  Ladung  und  ihrer 

Besatzung 21 

7)  Verfahren  bei  der  Aufbringung ?3 

8)  Verfahren  nach  der  Aufbringung 26 

Formular  Nr.  1.  Blockadebekanntmachung 31 

,    2.  Blockadewamung 31 

,    3.  Warnung  über  den  Kriegsausbruch 32 

n  ,4.  Protokoll   über  die   zur  Zeit  der  Aufbringung 

empfangenen  Schiffspapicre 32 

,  5.  Protokoll  über  die  zur  Zeit  der  Aufbringung 
weggeworfen  (zerrissen  oder  versteckt)  ge- 
wesenen Schiffspapiere 33 

,  ,    6.  Aufstellung  über  die  zur  Zeit  der  Aufbringung 

an  Bord  des  Schiffes  gegenwärtig  gewesenen 
Gelder,  Wertsachen  und  sonstigen  wichtigen 

Gegenstände 33 

,  7.  Protokoll  über  die  Umschiffung  der  Mannschaft 
des  aufgebrachten  Schiffes  durch  den  Kriegs- 
schiffskommandanten    34 

.    8.  Protokoll  über  den  Verkauf  der  Ladung  ...    35 
,    9.  Protokoll  über  die  Überführung  des  aufgebrachten 

Schiffes  nach  einem  neutralen  Hafen    ...    36 


—  VI  — 

Abschnitt    V  Seite 

Formular  Nr.  10.  Verzeichnis  des  Proviants,  des  Inventars  und 

der  Ladung  des  aufgebrachten  Schiffes    .    .     36 
,    11.  Protokoll  über  die  während  der  Navigierung 
empfangenen  (weggeworfenen,  zerstörten  oder 
versteckten)  Schiffspapiere  .......     37 

,  ,    12.  Protokoll  über  die  Landung  (Umschiffung)  der 

Besatzung  oder  der  Ladung  des  aufgebrachten 

Schiffes 38 

Englische  Formulare: 

Formular  Nr.    1.  Declaration  of  Blockade 38 

.     2.  Waming  of  Blockade 39 

,     3.  Warning  of  Hostilities 39 

,     6.  Certificate  as  to  Money  and  Valuables  found 

on  board  the  Prize 40 

,    10.  Inventory  of  the  Stores,  Forniture  and  Cargo   * 

of  the  Prize 40 

Abschnitt  VI  Chronologische  Obersicht  über  die  Prisengerichtsentscheidungen    42 
Nr.  1  bis  58.    Vollständige  Sammlung  der  Prisengerichtsent- 
scheidungen   48 

Alphabetisch  nach  den  Namen  der  Schiffe  geordnete  Übersicht 
über  die  Prisengerichtsentscheidungen  siehe  Seite     ....  936 


Anordnung. 


Die  Arbeit  zerfällt  in  sechs  Abschnitte  (I— VI).  Die  Abschnitte  I — V 
enthalten  die  japanischen  Prisenrechtsbestimmungen,  der  Abschnitt  VI 
die  Prisengerichtsentscheidungen. 

Zur  Erreichung  leichter  Übersichtlichkeit  ist  jeder  Seite  am  Rande 
oben  die  Nummer  des  betreffenden  Abschnitts  in  römischer  Ziffer  auf- 
gedruckt. 

Die  Prisengerichtsentscheidungen  sind  chronologisch  nach  dem  Zeit- 
punkt der  Aufbringung  der  Prisen  angeordnet.  Die  Entscheidung  eines 
Prisengerichts  und  die  dazu  gehörige  Entscheidung  des  Oberprisen- 
gerichts sind  jeweils  unter  derselben  Nummer  zusamitiengefaßt.  Die 
Entscheidungen  sind  entsprechend  der  Übersicht  am  Anfang  des  Ab- 
schnitts VI  mit  arabischen  Zahlen  und  Buchstaben  numeriert,  welche 
gleichfalls  am  Rande  der  Seiten  aufgedruckt  sind. 

Sämtliche  Verweisungen  in  den  Fußnoten  beziehen  sich  auf  die 
genannten  Randnummern. 


Abschnitt  I. 

Kaiserliche  Verordnung  Nr.  20  vom 
9.  Februar  1904 

betreffend  die  Befreiung  russischer  Handelsschiffe  von  der 
Beschlagnahme,  i) 

§  1.2)  Die  beim  Inkrafttreten  dieser  Verordnung  in  einem 
japanischen  Hafen  befindlichen  russischen  Handelsschiffe »)  können  bis 
zum  16.  Februar*)  in  diesem  Hafen  ihre  Ladung  löschen  oder  ein- 
nehmen wnd  von  Japan  abreisen,  s) 

§  2.  Die  russischen  Handelsschiffe,  welche  Japan  gemäß  dem 
vorstehenden  Paragraphen  verlassen  haben,  werden,  wenn  sie  ausweis- 
lich von  Schiffspapieren,  die  von  einer  japanischen  Behörde  beglaubigt 
sind,  vor  dem  im  vorstehenden  Paragraphen  bezeichneten  Termin  ihre 
Ladung  gelöscht  oder  eingenommen  haben  und  von  dem  japanischen 
Hafen  abgereist  sind,  und  wenn  es  offenbar  ist,  daß  sie  auf  der  Reise 
von  jenem  Hafen  nach  dem  nächsten  Hafen  der  Heimat  oder  einer 
Pachtung  oder  ihrem  Bestimmungshafen  begriffen  sind,  nicht  auf- 
gebracht. Ausgenommen  sind  jedoch  solche  Fälle,  wo  schon  einmal 
ein  Hafen  der  Heimat  oder  einer  Pachtung  angelaufen  worden  ist. 

§  3. «)  Die  russischen  Handelsschiffe,  ^)  welche  vor  dem  9.  Februar 
1904  von  einem  ausländischen  Hafen  nach  einem  japanischen  Hafen') 
abgereist  sind,  können  in  den  japanischen  Hafen  einlaufen,  dort  sogleich 
ihre  Ladung  löschen «)  und  Japan  verlassen. 

^)  Zweck  der  Verordnung  ist  Schutz  des  japanischen  Handels:  VI  2b;  6;  7;  8;  9. 

«)  Dieser  Paragraph  ist  angezogen  in  VI  2b,  i,  k;  6;  9;  10a;  12;  13;  15. 

»)  Nicht  gültig  für  Fischereifahrzeuge:  VI  6;  7;  8;  9;  10a. 

♦)  Fristverlängerung  nicht  gewährt:  VI  13. 

*)  Reiseunfahigkeit  schützt  nicht:  VI  15. 

*)  Dieser  Paragraph  ist  angezogen  in  VI  la,  b;  3a;  4b;  5a;  7;  8. 

0  Keine  Analogie  zulässig:  VI  la,  b;  4b;  '5a;  7;  8. 

^  Nicht  anwendbar  auf  Schiffe  ohne  Ladung:  VI  3a. 

Maratrand-Meohlenbarff,  Das  J«p«nisch9  Prisenreoht.    B«Dd  I.        (1)  1- 


l 


Abschnitt  II  Instruktion  des  Marlnemlnlsteriums. 

Auf  die  russischen  Handelsschiffe,  welche  Japan  gemäß  dem  vorigen 
Absatz  verlassen  haben,  finden  die  Vorschriften  des  vorstehenden 
Paragraphen  entsprechende  Anwendung. 

§  4.  Auf  die  russischen  Handelsschiffe,  welche  Güter,  deren  Aus- 
fuhr verboten  ist,  Kriegskonterbandepersonen,  Kriegskonterbandegüter 
oder  Kriegskonterbandedokumente  an  Bord  führen,  findet  diese  Ver- 
ordnung keine  Anwendung. 

Zusatzbestimmung. 
Diese  Verordnung  tritt  vom  Tage  der  Veröffentlichung»)  in  Kraft.  ^*') 


*)  Diese  Veroidnung  wurde  mittels  Extrablatts  des  Staatsanzeigers  vom  9.  Februar 
1904  veröffentlicht. 

10)  Keine  rückwirkende  Kraft:  VI  Ib;  2b;  3a;  4b. 


Abschnitt  IL 

Instruktion  des  Marineministeriums  Nr.  1.^^ 

Kriegskonterbande  während  des  japanisch-russischen  Krieges  wird, 
wie  folgt,  bestimmt: 

1.  Folgende  Güter  gelten  als  Kriegskonterbande,  wenn  sie  feind- 
liches Gebiet  zu  passieren  oder  dorthin  oder  an  die  feindliche  Armee  oder 
Marine  zu  gelangen  bestimmt  sind: 

Waffen,  2)  Munition,  Explosivstoffe  und  deren  Materialien  3)  (ein- 
schließlich Blei,  Salpeter,  Schwefel  usw.)  sowie  Maschinen  für  deren 
Verarbeitung,  Zement,*)  Uniformen  und  Ausrüstungsgegenstände  für" 
Armee-  und  Marineangehörige,  Panzerplatten,  Material  für  Bau  und 
Ausrüstung  von  Kriegsschiffen  und  sonstigen  Schiffen  ^)  und  alle  anderen, 
nicht  unter  die  obigen  fallenden  Gegenstände,  welche  nur  zum  Kriegs- 
gebrauch dienen  können. 

2. «)  Folgende  Güter  gelten  nur  dann  als  Kriegskonterbande,  wenn 
sie  für  die  feindliche  Armee  oder  Marine  bestimmt  sind  oder  nach  einem 
Platz  in  Feindesland  gehen,  nach  dessen  Verhältnissen .  angenommen 
werden  muß,  daß  sie  zum  Gebrauch  der  feindlichen  Armee  oder  iVlarine 
dienen  würden: 


*)  Vgl.  hierzu  §§  13,  14  und  18  der  Seeprisenordnung  (V). 

2)  VI  30b,  c;  36.  —  «)  VI  18c;  37a.  —  *)  VI  37a. 

*)  VI  18b;  19h;  30a,  b,  c,  d;  36;  37a;  48a,  b;  55a,  b. 

8)  Abgeändert  durch  Instruktion  des  Marineministeriums  Nr.  1  v.  9.  Februar  1905  (III). 


lüftniktioii  des  Marineministeriums..  Abschnift  II  u.  III 

Nahrungsmittel, ')  Getränke,  8)  Pferde,  Pferdegeschirr, »)  Pferde- 
futter. 10)  Wagen,  Steinkohlen,  ii)  Bauholz^  i«)  Geld,  i»)  G«ld-  und  Silber- 
barren. Materialien  zum  Telegraphen-,  Telephon- 1*)  und  Eisenbahnbau.  ^^) 

3.  Die  unter  den  beiden  obigen  Ziffern  aufgeführten  Güter  gelten 
nicht  als  Konterbande,  wenn  es  als  erwiesen  anzusehen  ist,  daß  sie 
ihrer  Menge  und  Art  nach  speziell  zum  Gebrauch  des  betreffenden 
Schiffes  dienen  sollen. 

Dieses  wird  als  Instruktion  erlassen. 


Am  10.  Februar  1904. 


Der  Marinetninister 

Baron  Yamamoto  Gombe. 


')  VI  18b;  19b,  h;  28a;  30a,  b,  c,  d;  SCj;  37a;  48a,  b;  50a,  b;  55a,  b;  57. 

•)  VI  18b,  c;  19h;  30a,  b,  c.  d.  —  »)  VI  30b,  c.  —  i»)  vi  33b,  c;  34a,  b. 
")  VI  26a,  b;  27  a,  b;  29a.  b;  31a,  b;  32a,  b;  35a,  b;  36;  38;  39a,  b;  40a,  b; 
41;  42;  43a  b;  44a,  b;  45;  46;  49a,  b.  —  '*)  VI  I8c. 

'«)  VI  18c,  d,  e,  f ;  19c,  d,  e,  f,  g,  h.  -  '*)  VI  30b;  37  a,  b.  —  '*)  VI  18c;  30a,  b.  d. 


Abschnitt  III. 

Instruktion  des  Marineministeriums  Nr.  1.^^ 

Die  Instruktion  des  Marineministeriums  Nr.  1  vom  Februar  1904*) 
vird,  wie  folgt,  abgeändert. 

Am  9.  Februar  1905. 

Der  Marinetninister 

Baron  Yamamoto  Gombe. 

In  Ziffer  2  wird  hinter  „Getränke":  „Kleidung  und  deren 
Materialien"  hinzugefügt  und  statt  „Steinkohlen"  wird  „Steinkohlen 
und  sonstige  Brennmaterialien"  gesetzt. 


*)  Vgl.  §  14  der  Seeprisenordnung  (V). 


(i*) 


Abschnitt  IV  Prisengerichtsordnung:  Organisation  und  Amtsrechte. 

Abschnitt  IV. 

Prisengerichtsordnung.  '^ 

Erster  Abschnitt. 

Organisation  und  Amtsreclite  der  Prisengericlite  und  des 
Oberprisengericlits. 

§  1.  In  Prisenangelegenheiten  entscheiden  2)  in  erster  Instanz  die 
Prisengerichte,  in  zweiter  Instanz  das  Oberprisengericht. 

§  2.  Die  Prisengerichte  setzen  sich  zusammen  aus  einem  Prisen- 
gerichtspräsidenten  und  acht   Prisengerichtsräten. 

Zu   Präsidenten   sind   Richter   mit  Chokuninrang^)   zu   ernennen. 

Zu  Räten  sind  Personen  aus  den  nachfolgend  angegebenen  Ständen 
zu  ernennen: 

1.  Richter, 

2.  Marineoffiziere, 

3.  Marineministerialräte  und  -Auditeure, 

4.  Ministerialräte  der  Legislatur, 

5.  Ministerialräte   und  Sekretäre   des   Auswärtigen   Amtes,   Diplo- 
maten und  Konsuln. 

§  3.  Das  Oberprisengericht  setzt  sich  zusammen  aus  einem  Ober- 
prisengerichtspräsidenten und  acht  Oberprisengerichtsräten. 

Der  Präsident  wird  aus  den  Mitgliedern  des  geheimen  Staatsrats 
ernannt. 

Zu  Räten  werden  ernannt:  ein  Mitglied  des  geheimen  Staatsrats, 
zwei  Marineoffiziere,  drei  Richter  des  Kassationshofs,  der  Chef  der 
Legislatur,  der  Direktor  der  politischen  Abteilung  im  Auswärtigen  Amt. 

§  4.  Der  Präsident  eines  Prisengerichts  bzw.  des  Oberprisen- 
gerichts hat  die  Oesamtleitung  der  Geschäfte  des  Prisengerichts  bzw. 
Oberprisengerichts  und  den  Vorsitz  bei  den  Verhandlungen.  Wenn  der 
Präsident  verhindert  ist,  so  kann  er  einen  Rat  des  betreffenden  Prisen- 
gerichts zum  Vorsitzenden  ernennen. 

*)  In  ursprünglicher  Form  veröffentlicht  durch  die  Kaiserliche  Verordnung  Nr.  14J) 
vom  20.  August  1897;  abgeändert  durch  die  Kaiserliche  Verordnung  Nr.  55  vom 
1.  März  1904. 

')  Die  Entscheidung  kann  sich  nur  auf  Einziehung  oder  Freigabe  erstrecken, 
nicht  auf  Schadensersatz  (VI  Ib;  2c,  i,  k;  5d;  25),  Arrestanlegung  (VI  2d).  Darlehns- 
ansprüche  (VI  3b),  Vorzugsrechte  aus  einem  Hilfslohn  (VI  23  c). 

«)  d.  s.  die  Präsidenten  des  Kassationshofs  und  der  Oberlandesgerichte  sowie 
die  Senatspräsidenten  des  Kassationshofs. 

4: 


Prisengerichtsordnung:  Prisenuntersuchungsverfahren.  Abschnitt  IV 

§  5.  Jedem  Prisengericht  sind  drei  Staatsanwälte  und  dem  Ober- 
prisengericht zwei  Staatsanwälte  zugeteilt. 

Dieselben  sind  aus  den  Marineauditeuren,  Staatsanwälten  und 
höheren  Verwaltungsbeamten  zu  ernennen. 

Dem  Oberprisengericht  ist  ein  Sekretär  zugeteilt,  der  aus  den 
höheren  Verwaltungsbeamten  zu  ernennen  ist. 

§  6.  Der  Präsident,  die  Räte  und  Staatsanwälte  der  Prisengerichte 
und  des  Oberprisengerichts  sowie  der  Sekretär  des  Oberprisengerichts 
werden  auf  Vorschlag  des  Premierministers  vom  Kaiser  ernannt. 

§  7.  Bei  jedem  Prisengericht  und  dem  Oberprisengericht  werden 
Gerichtsschreiber  angestellt. 

Die  Präsidenten  berufen  die  Qerichtsschreiber  aus  den  Unter- 
beamten. 

§  8.  Zur  Vornahme  der  Verhandlungen  des  Prisengerichts  bedarf 
es  der  Anwesenheit  von  mindestens  6  Mitgliedern,  einschließlich  des 
Präsidenten,  worunter  2  aus  dem  Richterstand  sein  müssen.  Zur  Vor- 
nahme der  Verhandlungen  des  Oberprisengerichts  bedarf  es  der  An- 
wesenheit von  mindestens  8  Mitgliedern,  einschließlich  des  Präsidenten. 
§  9.  Eröffnung  und  Schließung  der  Prisengerichte  und  des  Ober- 
prisengerichts werden  durch  besondere  Kaiserliche  Verordnung*)  be- 
stimmt. 

Das  Oberprisengericht  wird  in  Tokio  errichtet.  Der  Amtssitz  der 
Prisengerichte  wird  durch  Kaiserliche  Verordnung^)  bestimmt. 


Zweiter  Abschnitt. 
Das  Prisenuntersuchungsverfahren. 

§  10.  Die  Kriegsschiffs-Kommandanten  haben  die  beschlagnahmten 
Schiffe  in  den  Hafen,  in  welchem  sich  ein  Prisengericht  befindet,  zu 
führen  oder  einen  Offizier  ihres  Schiffes  als  Vertreter  an  Bord  des 
beschlagnahmten  Schiffes  zu  schicken  mit  dem  Befehl,  das  Schiff  in 
den  betreffenden  Hafen  zu  führen.  Bei  der  Ankunft  ist  dasselbe  mit 
einer  Aussageschrift  dem  Prisengericht  auszuliefern.  Falls  das  Schiff 
aus  irgendeinem  Grunde  nicht  ausgeliefert  werden  kann,  ist  nur  die 
Aussageschrift  vorzulegen. 

Die  Aussageschrift  muß  die  Gründe  der  Beschlagnahme  sowie 
alle  Tatumstände,  welche  das  Vorgehen  rechtfertigen  sollen,  enthalten. 
Alle  Bücher  und  Dokumente,  die  von  dem  Kapitän  oder  der  Besatzung 


♦)  Kaiserliche  Verordnungen  Nr.  56  vom  1.  März  1904  und  Nr.  34  vom  29.  März  1906. 

*)  Die  Kaiserliche  Verordnung  Nr.  27  vom  10.  Februar  1904  bestimmte  Sasebo 
als  Sitz  des  Prisengerichts.  Die  Kaiserliche  Verordnung  Nr.  56  vom  1.  März  1904 
fügte  zu  Sasebo  noch  Yolcosulca  als  Sitz  eines  Prisengerichts  hinzu. 

5 


Abschnitt  IV  Prisengerichtsordnung:  Prisenuntersuchungsverfahren. 

des  beschlagnahmten  Schiffes  empfangen  worden  sind  oder  sich  an 
Bord  des  Schiffes  gefunden  haben,  sind  beizufügen. 

§  11.  Sobald  der  Präsident  des  Prisengerichts  die  Aussageschrift 
des  §  10  erhalten  hat,  hat  er  für  den  Fall  einen  Prisengerichtsrat  aus 
den  zuständigen  Prisengerichtsräten  zu  ernennen  und  denselben  mit 
dem  Fall  zu  beauftragen. 

Der  beauftragte  Rat  hat  in  Gegenwart  des  Kommandanten  oder 
stellvertretenden  Offiziers  und  des  Kapitäns  des  beschlagnahmten 
Dampfers  die  vorgelegten  Schriftstücke  zu  öffnen  und  ein  Verzeichnis 
derselben  anzufertigen. 

Nach  Beendigung  dieses  Verfahrens  hat  der  beauftragte  Rat  unter 
Zuziehung  des  Kapitäns  des  beschlagnahmten  Schiffes  das  Schiff  und 
die  an  Bord  befindlichen  Güter  zu  besichtigen  und  über  dieselben  ein 
genaues  Verzeichnis  aufzustellen. 

§  12.  Der  beauftragte  Rat  hat  den  Kapitän  und  die  Besatzung 
des  beschlagnahmten  Schiffes  und,  falls  er  es  für  nötig  erachtet,  die 
Besatzung  des  Schiffes,  welches  die  Beschlagnahme  ausgeführt  hat,  sowie 
die  Passagiere  des  beschlagnahmten  Schiffes  zu  vernehmen  und  über 
die  Vernehmung  vom  Gerichtsschreiber  ein  Protokoll  aufnehmen  zu 
lassen. 

Wenn  er  es  für  nötig  erachtet,  kann  der  beauftragte  Rat  zur 
Begutachtung  der  Angelegenheit  einen  Sachverständigen  ernennen  und 
dessen  Gutachten  einfordern. 

§  13.  Wenn  der  beauftragte  Rat  die  Untersuchung  des  Tatbestands 
beendigt  hat,  welche  er  für  die  Entscheidung  darüber  für  nötig  hält, 
ob  die  ganze  Prise  oder  ein  Teil  derselben  zu  nehmen  oder  frei- 
zulassen ist,  hat  er  eine  Untersuchungsschrift  anzufertigen  und  die- 
selbe zusammen  mit  der  Aussageschrift  des  §  10  und  den  dazu  ge- 
hörigen Dokumenten  dem  Staatsanwalt  des  Prisengerichts  zu  übersenden. 

§  14.  Der  Staatsanwalt  hat  für  die  Entscheidung  über  den  Fall 
seinerseits  einen  Schriftsatz  anzufertigen  und  denselben  mit  den  ihm 
übersandten   Akten   dem   Prisengericht  einzureichen. 

Falls  er  es  zur  Aufstellung  seines  Schriftsatzes  für  nötig  hält, 
kann  er  den  beauftragten  Richter  unter  Angabe  der  fraglichen  Tat- 
umstände   um  eine  weitere  Untersuchung  ersuchen. 

§  15.  Wenn  der  Staatsanwalt  in  seinem  Schriftsatz  die  Ansicht 
vertritt,  daß  die  in  Beschlag  genommenen  Sachen  sofort  freizugeben 
seien  und  das  Prisengericht  dies  gleichfalls  anerkennt,  so  hat  das  Prisen- 
gericht sofort  ein  Urteil  auf  Freigabe  zu  erlassen  und  dasselbe  sofort 
dem  Staatsanwalt  zu  übersenden. 

§  16.  Wenn  der  Staatsanwalt  in  seinem  Schriftsatz  geltend  macht, 
daß  eine  Entscheidung  auf  Einziehung  abzugeben  sei,  oder  wenn  das 
Prisengericht  sich  der  Ansicht  des  Staatsanwalts,  daß  die  Prise  sofort 

6 


PriMiigtfichtsordnung:  Prlsenuntersuchungsverfahren.  Abschnitt  IV 

freizulassen  sei,  nicht  anschließt,  hat  das  Prisengericht  das  Bekannt- 
machungsverfahren vorzunehmen. 

In  der  Bekanntmachung  des  vorigen  Absatzes,  welche  im  Staats- 
anzeiger und  in  zwei  in  Japan  erscheinenden  fremdsprachigen  Zeitungen 
zu  veröffentlichen  ist,  sind  die  Interessenten®)  darüber  zu  unterrichten, 
daß  sie  innerhalb  einer  Frist  von  30  Tagen,  ^)  vom  Tage  nach  der  Be- 
kanntmachung an  gerechnet,  schriftlich  reklamieren   können. 

Wenn  nach  Ablauf  der  im  vorigen  Absatz  bezeichneten  Frist 
Reklamationen  nicht  eingegangen  sind,  so  hat  das  Prisengericht  sofort 
zur  Verhandlung  zu  schreiten.  Wenn  der  Staatsanwalt  es  beantragt, 
hat  eine  weitere  Verhandlung  nicht  stattzufinden,  und  das  Urteil  ist 
sofort  zu  erlassen.  Die  Urteilsschrift  ist  sofort  dem  Staatsanwalt  zu 
übersenden. 

§  17.  In  der  Reklamationsschrift  s)  müssen  die  Hauptreklamations- 
punkte aufgezeichnet  sein,  und  die  Beweisschriften  oder  Beweisgegen- 
stände müssen  derselben  beigefügt  werden. 

Reklamanten  können  sich  nur  durch  japanische  Rechtsanwälte*) 
vertreten  ^0)  lassen. 

Falls  der  Reklamant  oder  dessen  Vertreter  in  dem  Amtssitz  des 
Prisengerichts  keinen  Wohnsitz  hat,  hat  er  an  dem  genannten  Orte 
einen  vorübergehenden  Wohnsitz  zu  bestimmen  und  denselben  dem 
Prisengericht  anzumelden,  um  die  Zustellung  von  Schriftstücken  zu 
ermöglichen. 

Falls  diese  Anmeldung  nicht  erfolgt  ist,  sind  die  Schriftstücke 
mit  der  Post  zu  befördern.  In  diesem  Falle  werden  die  in  dieser  Ver- 
ordnung festgelegten  Fristen  vom  Tage  der  Aufgabe  auf  die  Post  an 
gerechnet. 

§  18.  Wenn  in  der  vorgeschriebenen  Frist  Reklamationen  ein- 
gegangen sind,  so  ist  ein  Termin  anzusetzen  und  in  demselben  die 
mündliche  Verhandlung  zu  eröffnen.  Der  Staatsanwalt  und  die 
Reklamanten  müssen  zur  Aussage  zugelassen  werden.  Bei  unbefugter 
Abwesenheit  eines  Reklamanten  ist  die  Verhandlung  gleichwohl  zu  er- 
öffnen. ") 


'}  Der  Begriff  Interessenten  ist  nicht  beschränkt  auf  Eigentümer  (VI  2d;  5k; 
iNb),  doch  sind  Konsuln  als  solche  nicht  zur  Interessenwahrnahme  ihrer  Staatsangehörigen 
befugt  (VI  2g;  5b). 

')  VI  2d;  10b;  18b. 

^)  Telegraphische  Reklamation  unzulässig:  VI  10b. 

®)  VI  2  h.  In  der  zweiten  Instanz  ist  die  Berufungsschrift  von  einem  japanischen 
Rechtsanwalt  zu  zeichnen:  §  23,3. 

^^)  Vertretungsvollmacht  ist  in  schriftlicher  Form  zu  den  Akten  zu  bringen: 
VI  21;  5g. 

")  VI  2h,  1;  6b,  d. 


Abschnitt  IV  Prisengeiichtsordnung:  Prisenuntersuchungsverfahren. 

Nach  Beendigung  der  mündlichen  Verhandlung  ist  das  Urteil  zu 
erlassen  und  auf  der  Stelle  oder  an  einem  besonders  festzusetzenden 
Termin  zu  veröffentlichen.  Bei  Veröffentlichung  des  Urteils  ist  die 
Anwesenheit  des  Reklamanten  nicht  erforderlich. 

§  19.    Wenn  das  Prisengericht  vor  Erlaß  des  Urteils  eine  neue 
Beweiserhebung  für  nötig  hält,  so  kann  es  den  beauftragten   Rat   um ' 
dieselbe  ersuchen. 

Bis  zum  Erlaß  des  Urteils  können  von  dem  Staatsanwalt  und 
Reklamanten  neue  Beweise  und  Tatsachen  vorgebracht  werden. 

Wenn  im  Falle  der  beiden  vorstehenden  Absätze  das  Prisengericht 
es  für  nötig  hält,  kann  aufs  neue  in  die  mündliche  Verhandlung  ein- 
getreten werden. 

§  20.  Ober  weitere,  das  Verhandlungsverfahren  betreffende  Punkte, 
die  in  den  vorstehenden  Paragraphen  nicht  erwähnt  sind,  trifft  das 
Prisengericht  Bestimmung,  i*) 

§  21.  Der  Staatsanwalt  und  die  Reklamanten  können  gegen  das 
Urteil  des  Prisengerichts  bei  dem  Oberprisengericht  Berufung  einlegen. 

§  22.  Die  Berufungsfrist  beträgt  20  Tage,  vom  Tage  der  Ver- 
öffentlichung des  Urteils  oder  der  Zustellung  der  Urteilsschrift  ab  ge- 
rechnet. 

§  23.   Die  Berufungsschrift  ist  bei  dem  Prisengericht  einzureichen. 

In  der  Berufungsschrift  sind  die  Hauptberufungspunkte  genau  an- 
zugeben. 

Die  Berufungsschrift  muß  von  einem  japanischen  Rechtsanwalt 
unterzeichnet  sein. 

Das  Prisengericht  hat  die  Berufung  zu  verwerfen,  wenn  dieselbe 
von  den  gesetzlichen  Formvorschriften  abweicht  oder  die  Frist  abgelaufen 
ist.  Im  Falle  des  Abweichens  von  den  gesetzlichen  Formvorschriften 
kann  das  Prisengericht,  falls  es  sich  um  das  Datum,  die  Adresse  oder 
andere  unwichtige  Punkte  handelt,  den  Reklamanten  zur  Richtigstellung 
auffordern. 

§  24.  Das  Prisengericht  hat,  ausgenommen  im  Fall  der  Verwerfung 
der  Berufung  nach  Maßgabe  des  vorstehenden  Paragraphen,  dem 
Reklamanten  eine  Abschrift  der  Berufungsschrift  des  Staatsanwalts  zu- 
zustellen und  dem  Staatsanwalt  die  Berufungsschrift  des  Reklamanten 
vorzulegen.  Innerhalb  von  10  Tagen  ist  eine  Erwiderungsschrift  ein- 
zureichen. 

Die  im  vorigen  Absatz  erwähnte  Erwiderungsschrift  des  Re- 
klamanten muß  von  einem  japanischen  Rechtsanwalt  unterzeichnet  sein. 

Falls  das  Prisengericht  es  für  nötig  erachtet,  kann  es  die  Fristen 
der  §§  16,  22  und  24  verlängern. 

12)  VI  21;  5  g. 


Pri8engericht8ordnung :  Prisenuntersuchungsverfahren.  Abschnitt  IV 

§  25.  Nach  Ablauf  der  Frist  für  die  Erwiderung  hat  das  Prisen- 
gericht  die  Berufungsakten   dem   Oberprisengericht  zu   übersenden. 

Falls  das  Oberprisengericht  eine  weitere  Untersuchung  des  Tat- 
bestandes oder  der  Beweismittel  für  nötig  hält,  hat  es  die  Akten  dem 
Prisengericht  zurückzusenden  und  eine  neue  Untersuchung  anzuordnen. 

Das  Prisengericht  hat  den  Fall  von  dem  beauftragten  Rat  unter- 
suchen zu  lassen  und  dessen  Aufzeichnungen  dem  Staatsanwalt  und 
dem  Reklamanten  vorzulegen,  bevor  diese  dem  Oberprisengericht  ein- 
geschickt werden. 

§  26.  Das  Oberprisengericht  hat  auf  Grund  der  Akten  zu  ur- 
teilen und  eine  Urteilsschrift  dem  Staatsanwalt  des  Prisengerichts .  erster 
Instanz  und  dem  Reklamanten  zu  übersenden. 

Wenn  die  Urteile  des  Prisengerichts  und  Oberprisengerichts  er- 
lassen sind,  sind  die  Hauptpunkte  im  Staatsanzeiger  zu  veröffentlichen,  i») 

Die  Gerichtssprache  in  den  Prisengerichten  und  im  Oberprisen- 
gericht ist  die  japanische.**) 

Falls  jemand  der  japanischen  Sprache  nicht  mächtig  ist,  so  kann 
ein  japanisch  verstehender  Dolmetscher  gebraucht  werden. 

§  27.  Bestimmungen  betreffend  das  Verfahren  vor  dem  Ober- 
prisengericht sind  von  diesem  selbst  zu  erlassen. 

§  28.  Die  zur  Einziehung  verurteilten  Gegenstände  werden  vom 
Staat  vereinnahmt. 

§  29.  Das  Prisengericht  hat  die  beschlagnahmten  Schiffe  und 
Güter  bis  zur  Fällung  des  Urteils  den  Marinebehörden  zu  übergeben. 

Die  Marinebehörde,  welche  der  Marineminister  bestimmt,  hat  die 
Schiffe  und  Güter  in  Verwahrung  zu  nehmen. 

§  30.  Die  Ausführung  des  Urteils  wird  dem  Staatsanwalt  des  Prisen- 
gerichts übertragen. 

Zur  Ausführung  des  Urteils  kann  der  Staatsanwalt  des  Prisengerichts 
die  Unterstützung  der  Marine-  und  Polizeibehörden  in  Anspruch  nehmen, 

§  31.  Im  Falle,  daß  ein  Schiff  nach  der  besonderen  Lage  des 
Falles  nicht  mitgeführt  werden  kann,  kommen  die  Bestimmungen  dieser 
Verordnung,  soweit  ausführbar,  zur  Anwendung. 

§  32.  Diese  Verordnung  tritt  vom  Tage  des  Erlasses  ^)  an  in  Kraft, 


*')  Die  Texte  der  Obersetzungen  des  Teils  VI  sind  alle  dem  Staatsanzeiger  ent- 
nommen. 

")  VI  33  a. 


9 


Abschnitt  V  Seeprisenordnung:  Allgemeine». 


Abschnitt  V. 

Seeprisenordnung. 


Folgendes  wird  als  Seeprisenordnung  festgesetzt. 
Die  Verordnung  tritt  am  15.  März  1904  in  Kraft. 

Am  7.  März  1904. 

Das  Große  Hauptquartier. 


Kapitel  I. 
Allgemeine  Bestimmungen. 

§  1.  Die  Kaiserlichen  Kriegsschiffe  können  in  Kriegszeiten  i)  2)  in 
Oemäßheit  der  Bestimmungen  dieser  Verordnung  Schiffe  visitieren, 
durchsuchen  und  beschlagnahmen. 

§  2.  Die  Visitierung,  die  Durchsuchung  und  die  Beschlagnahme 
dürfen  nicht  stattfinden  in  neutralen 3)  Hoheitsgewässern*)  und  in  Ge- 
wässern, welche  durch  Vertrag  ausdrücklich  als  außerhalb  des  Kriegs- 
gebiets belegen  bezeichnet  sind,  s) 

§  3.  Die  Landeszugehörigkeit®)  von  Personen  wird  ohne  Rück- 
sicht auf  ihre  Nationalität  nach  dem  Lande  bestimmt,  in  welchem  die- 
selben zurzeit  ihren  Wohnsitz  haben. 

§  4.  Als  Wohnsitz  einer  Person  gilt  der  Ort,  an  welchem  sie  ihre 
ständige')  Niederlassung  hat.  Doch  soll  bei  Kaufleuten  der  Ort,  an 
welchem  sie  ihr  Hauptgeschäft  betreiben,  und  bei  kaufmännischen 
Konsuln  der  Ort,  an  welchem  sie  ihr  kaufmännisches  Geschäft  betreiben, 
als  Wohnsitz  gelten. 

§  5.    Gebiet,  welches  vorübergehend  vom  Feinde  besetzt  ist,  gilt 


1)  Beginn  der  Kriegszeit;  Kriegserklärung:  VI  la,  b;  2b,  c,  m,  n,  o;  3a,  b; 
4b;  5a;  7. 

^)  Das  Recht  der  prisAerichtlichen  Aburteilung  dauert  dagegen  auch  noch  nach 
Wiederherstellung  des  Frieden?  fort:  VI  55a,  b;  56. 

3)  Neutralität  Koreas  verneint:  VI  la;  2b,  c,  i,  k,  m,  n;  3a;  4b;  7;  8. 

*)  3  Meilen  Grenze:  VI  3a;  7;  8. 

*)  Sind  Werften  als  Seegebiet  zu  betrachten?:  VI  16. 

ö)  Wörtlich:  Landescharaicter.  VI  la,  b;  2a,  b,  c,  f,  i,  k,  1,  ra,  n,  o;  4a;  5a, 
c,  d,  e,  f,  h,  i,  k. 

'')  Vorübergehender  Aufenthalt  begründet  keine  feindliche  Landeszugehörig- 
keit: VI  5  a. 

10 


Seeprisenordnung:  Allgemeines.  Abschnitt  V 

mit  Bezug  auf  die  Landeszugehörigkeit  von   Personen,  Schiffen   und 
Gütern  als  Feindesland.») 

§  6.   Folgende  Schiffe  werden  als  feindliche  angesehen: 

1.  Schiffe,  welche  im  Dienst  des  feindlichen  Staats  stehen,»)  auch 
wenn  der  Dienst  ein  vom  Feinde  erzwungener  ist. 

2.  Schiffe,  welche  unter  feindlicher  Flagge  oder  mit  einer  be- 
sonderen Erlaubnis  des  feindlichen  Staats  ^^j  fahren. 

3.  Schiffe,  welche  ganz  oder  teilweise '^)  dem  feindlichen  Staat 
oder  einer  feindlichen  Person  gehören.  ^^)  Ausgenommen  hiervon  sind 
die  Schiffe,  welche  ein  Kaiserlich  japanisches  Schiffszertifikat  besitzen 
oder  mit  einer  besonderen  Erlaubnis  des  Japanischen  Staats  fahren. 

4.  Schiffe,  deren  Eigentum  vor  dem  Kriegsausbruch,  aber  in  Vor- 
aussicht desselben,  oder  während  des  Krieges  vom  feindlichen  Staat 
oder  von  einer  feindlichen  Person  auf  eine  in  Japan  oder  in  einem 
neutralen  Staat  ihren  Wohnsitz  habende  Person  übertragen  worden  ist, 
venn  nicht  der  Nachweis  erbracht  wird,  daß  die  Eigentumsübertragung 
in  gutem  Glauben  und  vollständig  geschehen  ist. 

Wenn  die  Eigentumsübertragung  während  der  Seereise  statt- 
gefunden hat,  eine  tatsächliche  Übergabe  des  Schiffes  aber  noch  nicht 
erfolgt  ist,  so  gilt  die  Eigentumsübertragung  nicht  als  in  gutem  Glauben 
und  vollständig  geschehen. 

§  7.  Als  japanische  Schiffe  werden,  soweit  sie  nicht  nach  den  Be- 
stimmungen des  vorigen  Paragraphen  zu  beurteilen  sind,  die  folgenden 
Schiffe  angesehen: 

1.  Schiffe,  welche  ein  japanisches  Schiffszertifikat  besitzen,  sowie 
Schiffe,  welche  mit  besonderer  Erlaubnis  der  Kaiserlich  Japanischen 
Regierung  fahren. 

2.  Schiffe,  welche  solchen  Personen  gehören,  die  im  Japanischen 
Reiche   ihren  Wohnsitz  haben. 

3.  Schiffe,  deren  Eigentum  vor  dem  Kriegsausbruch,  aber  in  Vor- 
aussicht desselben,  oder  während  des  Krieges  von  einer  Person,  welche 
im  Japanischen  Reich  ihren  Wohnsitz  hat,  auf  eine  Person,  welche  in 
einem  neutralen  Staat  ihren  Wohnsitz  hat,  übertragen  worden  ist,  wenn 
nicht  der  Nachweis  erbracht  werden  kann,  daß  die  Eigentumsübertragung 
in  gutem  Glauben  und  vollständig  geschehen  ist. 

Wenn  die  Eigentumsübertragung  während  der  Seereise  statt- 
gefunden hat,  eine  tatsächliche  Übergabe  des  Schiffs  aber  noch  nicht 
erfolgt  ist,  so  gilt  die  Eigentumsübertragung  nicht  als  in  gutem  Glauben 
und  vollständig  geschehen. 

•j  VI  18b,  c,  d,  e,  f;  19a,  b,  c,  d,  e,  f,  g.  h.  —  »)  VI  50;  58. 

•»)  VI  56.  —  ")  5a.  —  »2)  Besitzverhältnisse  sind  belanglos:  VI  15. 

11 


Abschnitt  V  Seeprisenordnung:  Kriegskonterbande 

§  8.1«)  Die  Landeszugehörigkeit  eines  Gutes  i*)  richtet  sich  nach 
der  Landeszugehörigkeit  des  Eigentümers,  i^) 

§  9.  Die  folgenden  Güter  \{^erden,  ungeachtet  der  Bestimmungen 
des  vorigen  Paragraphen,  für  feindliches  Gut  angesehen : 

L  Güter,  welche  vor  dem  Kriegsausbruch,  aber  in  Voraussicht 
desselben,  oder  während  des  Krieges  von  einem  in  Japan  oder  in  einem 
neutralen  Staat  seinen  Wohnsitz  habenden  Eigentümer  oder  von  einer 
in  seinem  Auftrag  handelnden  Person  an  den  feindlichen  Staat,  an 
eine  feindliche  Person  oder  an  eine  in  deren  Auftrag  handelnde  Person 
verschifft  worden  sind. 

2.  Güter,  deren  Eigentum  vom  feindlichen  Staat  oder  von  einer 
feindlichen  Person  vor  dem  Kriegsausbruch,  aber  in  Voraussicht  des- 
selben, oder  während  des  Krieges  an  eine  in  Japan  oder  in  einem 
neutralen  Staat  ihren  Wohnsitz  habende  Person  übertragen  worden  ist, 
wenn  nicht  der  Nachweis  erbracht  wird,  daß  die  Eigentumsübertragung 
in  gutem  Glauben  und  vollständig  geschehen  ist. 

Wenn  die  Eigentumsübertragung  während  der  Reise  des  Schiffes, 
auf  welchem  die  Güter  verladen  sind,  stattgefunden  hat,  eine  tatsächliche 
Übergabe  aber  noch  nicht  erfolgt  ist,  so  gilt  die  Eigentumsübertragung 
nicht  als  in  gutem  Glauben  und  vollständig  geschehen. 

§  10.  Soweit  Gesetze  und  Verordnungen,  Verträge  und  diese 
Prisenordnung  keine  Bestimmungen  enthalten,  greifen  die  völkerrecht- 
lichen Grundsätze  Platz. 


Kapitel  IL 

Personen,  Dokumente  und  Güter,  welche  als  Kriegs- 
konterbande gelten. 

§  11.  Als  Kriegskonterbandepersonen  gelten  feindliche  Soldaten 
und  andere  Personen,  welche  befördert  werden,  um  beim  Feinde  Kriegs- 
dienst zu  leisten.!«) 

§  12.  Als  Kriegskonterbandedokumente  gelten  alle  Arten  von  amt- 


»•)  VI  Ib;  2a,  b,  c,  f,  i,  k,  1,  ra,  n,  o;  5a,  c,  d,  e,  f,  h,  i,  k. 

*♦)  Wörtlich:  „der  Landescharakter  eines  Guts",  d.  h.  die  Frage,  ob  ein  Gut 
feindlichen  oder  neutralen  Charakter  hat,  entscheidet  sich  nach  dem  entsprechenden 
Charakter  des  Eigentümers,  dessen  Zugehörigkeit  zu  einem  Lande  sich  wiedenim  nach 
seinem  Wohnsitz  bestimmt  (§§  3  und  4). 

1*)  Es  wird  präsumiert,  daß  das  Eigentum  mit  der  Verschiffung  auf  den  Emp- 
fänger übergeht;  Gegenbeweis  liegt  dem  Reklamanten  ob:  VI  2b,  c,  f,  i,  k,  1,  m,  n,  o; 
5  c,  d,  e,  f,  h,  i,  k. 

^«)  Gegebene  Parole  ändert  nicht  die  Kombattanteneigenschaft:  VI  23a. 

12 


Seeprisenordnung:  Kriegskonterbande.  Abschnitt  V 

liehen  Schriftstücken,  welche  zwischen  den  Beamten  der  feindlichen 
Regierung  in  bezug  auf  dienstliche  Angelegenheiten  ausgetauscht  werden. 

Die  zwischen  der  feindlichen  Regierung  und  ihren  in  einem  neu- 
tralen Lande  residierenden  diplomatischen  und  konsularischen  Ver- 
tretern i«)  sowie  die  zwischen  der  feindlichen  Regierung  und  der  Re- 
gierung eines  neutralen  Staats  ausgetauschten  Schriftstücke  bilden  hiervon 
eine  Ausnahme. 

§  13.18)  Folgende  Güter  gelten  als  Kriegskonterbande,  wenn  sie 
nach  feindlichem  Gebiet  oder  an  die  feindliche  Armee  oder  Marine  zu 
gelangen  bestimmt  sind: 

Waffen,  Munition,  Explosivstoffe  und  deren  Materialien  (ein- 
schließlich Blei,  Salpeter,  Schwefel  usw.)  sowie  Maschinen  für  deren 
Verarbeitung,  Zement,  Uniformen  und  Ausrüstungsgegenstände  für 
Armee-  und  Marineangehörige,  Panzerplatten,  Material  für  Bau  und 
Ausrüstung  von  Kriegsschiffen  und  sonstigen  Schiffen  und  alle  anderen, 
nicht  unter  die  obigen  fallenden  Gegenstände,  welche  nur  zum  Kriegs- 
gebrauch  dienen  können. 

§  14.1^)  Folgende  Güter  gelten  nur  dann  als  Kriegskonterbande, 
wenn  sie  für  die  feindliche  Armee  oder  Marine  bestimmt  sind  oder 
nach  einem  Platz  im  Feindesland  gehen,  nach  dessen  Verhältnissen 
angenommen  werden  muß,  daß  sie  zum  Gebrauch  der  feindlichen  Armee 
oder  Marine  dienen  würden : 

Nahrungsmittel,  Getränke,  (Kleidungsstücke  und  deren  Ma- 
terialien), *o)  Pferde,  Pferdegeschirr,  Pferdefutter,  Wagen,  Steinkohle  (und 
andere  Brennmaterialien),  20)  Holz,  Geld,  Gold-  und  Silberbarren  sowie 
.Materialien  zum  Telegraphen-,  Telephon-  und  Eisenbahnbau. 

§  15.  In  der  Regel  ^i)  soll  der  Bestimmungsort  eines  Schiffes  als 
der  Bestimmungsort  seiner  Ladung  gelten. 

§  16.  Wenn  ein  Schiff,  dessen  Bestimmungsort  nicht  in  feind- 
lichem Gebiet  liegt,  unterwegs  einen  Zwischenhafen  anläuft,  welcher 
in  feindlichem  Gebiet  liegt,  oder  wenn  anzunehmen  ist,  daß  das  Schiff 
unterwegs  ein  Kriegsschiff  oder  ein  sonstiges  Schiff  des  Feindes  treffen 
vtill,  so  gilt  sein  Bestimmungsort  als  feindliches  Gebiet. 

§  17.  Wenn  angenommen  werden  muß,  daß  ein  Schiff,  dessen  Be- 
stimmungsort nicht  feindliches  Gebiet  ist,  seine  Ladung  nach  feind- 
lichem   Gebiet  befördert,  so  gilt,  gleichgültig,  ob  es  einmal  in  jenen 

IT)  Desgl.  Dokumente  usw.,  die  eine  neutrale  Regiening  an  ihre  Vertreter  im 
Feindesland  schickt:  VI  2e;  5a. 

1»)  u.  '^  Vgl.  hierzu  die  Stücke  II  und  III  und  deren  Anmerkungen. 

^)  Die  eingeklammerten  Stellen  sind  erst  auf  Grund  der  Instruktion  des  Marine- 
ministeriums  Nr.  1  vom  9.  Februar  1905  hinzugetreten.    Vgl.  Stück  III. 

<i)  Nicht  unbedingt?  Vgl.  Erörterungen  des  Staatsanwalts  in  dem  Berufungs- 
urteil  VI  18c. 

13 


Abschnitt  V  Seeprisenordnung:  Schiffspapiere. 

Bestimmungsort  einlaufen  und  seine  Ladung  landen  sollte  oder  nicht, 
die  Reise  als  eine  einheitliche  und  der  Bestimmungsort  des  Schiffs  als 
von  Anfang  an  in  Feindesgebiet  belegen. 

§  18.  Wenn  in  bezug  auf  Güter,  welche  unter  die  Bestimmungen 
der  Paragraphen  13  und  14  fallen,  nach  deren  Menge  und  Natur  deutlich 
hervorgeht,  daß  dieselben  lediglich  zum  eigenen  Gebrauch  des  frag- 
lichen Schiffes  bestimmt  sind,  so  werden  dieselben  nicht  als  Kriegs- 
konterbande betrachtet. 

§  19.  Wenn  Verdacht  vorhanden  ist,  daß  sich  unter  der  Ladung- 
eines Schiffes  Kriegskonterbande  befindet,  so  soll  der  Kommandant 
des  Kriegsschiffs  das  Manifest,  die  Ausklarierungspapiere  und  die 
sonstigen  Schiffspapiere  prüfen  sowie  den  Schiffskapitän  und  die  Be- 
satzung vernehmen,  um  sich  über  den  Bestimmungsort  des  Schiffes 
sichere  Kunde  zu  verschaffen. 


Kapitel   IIL 

Die  Schiffspapiere. 

§  20.  Im  allgemeinen  gelten  die  im  nachstehenden  aufgeführten 
Dokumente  als  Schiffspapiere: 

1.  Das  Schiffszertifikat. 

Das  Schiffszertifikat  ist  eine  von  dem  Registerbeamten  des  Heimats- 
hafens des  Schiffes  ausgestellte  Urkunde,  welche  enthalten  muß: 
den  Namen   des  Schiffes, 
den  Tonnengehalt, 

den  Vor-  und  Zunamen  des  Kapitäns, 

die  genauen  Angaben  über  die  Art  und  Weise  des  Erwerbs 
des  Schiffes,  Vor-  und  Zunamen  des  eingetragenen 
Eigentümers,  seine  Nationalität  usw. 

2.  Der  Reisepaß. 

Der  Reisepaß  ist  ein  von  der  Regierung  des  Landes,  welchem 
das  Schiff  angehört,  auf  Antrag  visitiertes  Dokument,  in  welchem  unter 
Angabe  der  Besatzung,  der  Passagiere,  der  Güter  und  Handelswaren 
die  Genehmigung  zur  freien  und  ungehinderten  Reise  nachgesucht  wird. 
Er  enthält  in  der  Regel  den  Vor-  und  Zunamen  sowie  den  Wohnsitz 
des  Kapitäns,  ferner  den  Namen,  die  Bauart  und  den  Bestimmungsort 
des  Schiffes. 

3.  Der  Seebrief. 

Der  Seebrief  ist  ein  von  den  Behörden  des  Ausrüstungshafens 
des    Schiffs    ausgestelltes    Dokument,    in    welchem    das    Recht    erteilt 

14 


Seeprlsenordnang:  Schiffepapiere.  Abschnitt  V 

uird***)  unter  Führung  der  Flagge  und  mit  einem  Reisepaß  seines 
Staates  zu  fahren.  In  der  Regel  enthält  er  Angaben  über  Art  und 
Menge  der  Ladung  sowie  über  deren  Eigentümer  und  Bestimmungsort. 

4.  Der  Chartervertrag. 

Der  Chartervertrag  ist  ein  zwischen  dem  Eigentümer  oder  Kapitän 
eines  Schiffes  und  dem  Charterer  abgeschlossener  Vertrag  über  die 
Vermietung  des  Schiffes  im  ganzen  oder  zu  einem  Teil.  Derselbe  ent- 
hält in  der  Regel  Angaben  über  Vor-  und  Zunamen  des  Kapitäns,  über 
den  Namen  des  Schiffes,  über  seine  Bauart,  über  den  Hafen,  woselbst 
das  Schiff  zur  Zeit  des  Vertragsabschlusses  verankert  liegt,  über  Vor- 
und  Zunamen  sowie  den  Wohnsitz  des  Charterers,  über  die  Art  der 
Ladung,  den  Ladehafen  und  den  Löschhafen  sowie  über  die  Fracht. 

5.  Das  Schiffsjournal. 

Das  Schiffsjournal  ist  das  Tagebuch,  welches  der  Kapitän  nach 
den  gesetzlichen  Bestimmungen  des  Heimatlandes  des  Schiffes  führt. 

6.  Das  Privat-Schiffsjournal. 

Das  Privat-Schiffsjournal  ist  das  Tagebuch,  welches  der  Schiffs- 
kapitän   zur   Informierung  für  den   Reeder  führt. 

7.  Der  Schiffsbauvertrag. 

Der  Schiffsbauvertrag  muß  sich  in  allen  solchen  Fällen  auf  dem 
Schiff  vorfinden,  wo  nach  Erbauung  des  Schiffes  ein  Wechsel  in  der 
Person  des  Eigentümers  nicht  stattgefunden  hat,  und  ist  das  Doku- 
ment, aus  welchem  sich  beim  Nichtvorhandensein  eines  Reisepasses, 
einer  Erlaubnis  zur  Ausübung  der  Seefahrt  oder  eines  Schiffszertifikats 
die  Nationalität  des  Schiffes  ergibt. 

8.  Ein  Verkaufsvertrag. 

Verkaufsvertrag  nennt  man  das  Dokument,  durch  welches  der 
Übergang  des  Eigentums  an  einem  Schiff  auf  einen  Käufer  bescheinigt 
vird. 

9.  Die  Konnossemente. 

Die  Konnossemente  sind  Abschriften  der  Urkunden,  a^elche  in 
der  Regel  für  alle  geladenen  Güter  ausgestellt  werden,  und  die  an 
ßord  befindlichen  sind  Abschriften  der  zur  Zeit  der  Verschiffung  von 
dem  Kapitän  dem  Verlader  ausgehändigten  Bescheinigungen.  Sie  ent- 
halten gewöhnlich  Vor-  und  Zunamen  des  Verladers,  Tag  und  Ort 
der  Verladung,  den  Namen  sowie  den  Bestimmungsort  des  Schiffes, 
Art,  Menge  sowie  Bestimmungsort  der  Ladung  und  den  Betrag  der 
Fracht. 

10.  Die  Deklarationen. 

Die  Deklarationen,  welche  unter  allen  Umständen  die  Güter  be- 


21»)  Es  ist  nicht  gesagt,  wem  das  Recht  erteilt  wird.  Doch  läßt  die  grammatische 
Konstruktion  annehmen,  dafi  das 'Recht  dem  Schiff  erteilt  werde,  während  tatsächlich 
der  Seebrief  dem  Kapitän  das  Recht  zur  Fahrt  mit  dem  betreffenden  Schiff  erteilt. 

15 


Abschnitt  V  Seeprisenordnung :  Schiffspapfere. 

gleiten,  enthalten  eine  genaue  Beschreibung  jedes  einzelnen  Stücks,  den 
Wert,  die  Fracht,  die  Angaben  über  den  Zoll  und  die  sonst  darauf 
lastenden  Abgaben,  den  Vor-  und  Zunamen  sowie  Wohnort  des  Ver- 
laders und  des  Ladungsempfängers. 

11.  Das  Ladungsverzeichnis. 

Das  Ladungsverzeichnis  ist  ein  Dokument,  welches  Vor-  und  Zu- 
namen des  Verladers  und  des  Ladungsempfängers  sowie  für  jedes  Stück 
die  Marken  und  Nummern  und  die  Menge  der  darin  enthaltenen  ein- 
zelnen Güter,  desgleichen  eine  mit  dem  Konnossement  übereinstimmende 
Frachtberechnung  enthält,  und  von  dem  Schiffsagenten,  der  die  Aus- 
klarierung des  Schiffs  bei  den  Zollbehörden  besorgt,  und  dem  Kapitän 
unterzeichnet  ist. 

12.  Der  Ausklarierungsschein. 

Der  Ausklarierungsschein  ist  das  Dokument,  welches  dem  Schiff 
von  den  Zollbehörden  des  zuletzt  verlassenen  Hafens  zum  Ausweis 
darüber  gegeben  wird,  daß  es  seinen  Zoll  bezahlt  hat.  Es  enthält 
außerdem  die  Angabe  der  Ladung  und  des  Bestimmungshafens. 

13.  Die  Musterrolle. 

Die  Musterrolle  enthält  Vor-  und  Zunamen,  Alter,  Dienststellung, 
Wohnsitz  und  Geburtsort  jeder  einzelnen  zur  Schiffsbesatzung  gehörigen 
Person. 

14.  Die  Heuerverträge. 

Die  Heuerverträge,  welche  von  den  einzelnen  zu  der  Besatzung 
gehörigen  Personen  unterzeichnet  sind,  enthalten  genaue  Angaben  über 
die  Ausdehnung  der  Seereise  sowie  über  die  Zeitdauer  der  Ausheuerung, 
auf  welche  sich  der  Vertrag  bezieht. 

15.  Die  Gesundheitspässe. 

Die  Gesundheitspässe  sind  Dokumente,  in  welchen  beurkundet 
wird,  daß  in  dem  Ausfahrtshafen  des  Schiffes  keine  ansteckende  Krank- 
heit geherrscht  hat,  und  daß  zur  Zeit  der  Ausfahrt  an  Bord  des  Schiffes 
keine  Fälle  ansteckender  Krankheiten  vorgekommen  sind. 


Kapitel   IV. 

Blockade. '') 

§  21.  Eine  Blockade  gilt  als  effektiv,  wenn  die  feindlichen  Häfen 
oder  Küsten  mit  einer  tatsächlichen  Macht  gesperrt  sind,  welche  aus- 
reicht, um  für  das  Ein-  und  Ausfahren  bzw.  die  Annäherung  von 
Schiffen  an  dieselben  eine  offenbare  Gefahr  darzustellen.  ^3)   Doch  ver- 


22)  Entscheidungen  über  Blockadebmch:  VI  20;  22  a,  b;  24  a,  b;  2^^. 
2')  VI  20;  25.  ''■    '•  ' 

16 


StepriMBordiittiig:  Blockade.  Abschnitt  V 

liert  die  Blockade  nicht  schon  dadurch  ihre  Wirksamkeit,  daß  die  Flotte 
oder  das  Kriegsschiff  wegen  schlechten  Wetters  oder,  um  den  Zweck 
der  Blockade  zu  erreichen,  sich  vorübergehend  von  dem  Blockade- 
gebiet entfernt. 

§  22.  Wenn  eine  Blockade  besteht,  muß  der  Kommandant  des 
Geschwaders  oder  Kriegsschiffs  nach  dem  Formular  Nr.  1  unter  Aus- 
füllung des  Blockadegebiets  und  des  Tags,  von  welchem  an  die  Blockade 
durchgeführt  wird,   eine  Blockadeerklärung  erlassen. 

§  23.  Wenn  eine  Blockade,  nachdem  sie  ihre  Wirksamkeit  ver- 
loren hatte,  aufs  neue  wieder  durchgeführt  wird,  oder  wenn  eine  Ver- 
änderung im  Blockadegebiet  eintritt,  so  ist  eine  neue  Blockadeerklärung 
in  Gemäßheit  des  vorigen  Paragraphen  zu  erlassen. 

§  24.  Sofort  nach  Erlaß  der  Blockadeerklärung  durch  den  Kom- 
mandanten eines  Geschwaders  oder  Kriegsschiffes  hat  derselbe  nach 
den  folgenden  Nummern  zu  verfahren: 

1.  Er  hat  dem  Marineminister  von  dem  Erlaß  der  Blockadeerklärung 
Meldung  zu  machen. 

2.  Er  hat  den  im  Ausland,  soweit  es  dem  Blockadegebiet  be- 
nachbart ist,  residierenden  KaiSerhch  Japanischen  Gesandten  die 
Blockadeerklärung  mit  dem  Ersuchen  mitzuteilen,  die  betreffenden 
fremden  Regierungen  und  die  sämtlichen  bei  denselben  beglaubigten 
diplomatischen  und  konsularischen  Vertreter  von  dem  Bestehen  der 
Blockade  zu  benachrichtigen. 

3.  Er  hat  den  Konsuln  der  Mächte,  welche  in  neutralen  Plätzen 
in  der  Nähe  des  Blockadegebiets  ihren  Amtssitz  haben,  die  Bekannt- 
machung zuzusenden  und  auch  sonst  alle  notwendigen  Schritte  zu  tun, 
um  die   Tatsache  der  Blockade  allgemein   bekannt  werden   zu   lassen. 

4.  Er  hat  nach  Möglichkeit  den  in  Betracht  kommenden  Behörden 
innerhalb  des  Blockadegebiets  sowie  den  Konsuln  der  neutralen  Staaten 
daselbst  unter  Heißung  der  Parlamentärflagge  die  Blockadeerklärung 
mitzuteilen. 

§  25.  Wenn  es  erwiesen  ist,  daß  ein  Kapitän,  sei  es  durch  direkten 
tmpfang  einer  Warnung  seitens  eines  Kaiserlichen  Kriegsschiffs  oder 
durch  öffentliche  oder  private  Nachricht  oder  auf  irgend  eine  andere 
Weise  von  dem  Bestehen  der  Blockade  Kenntnis  gehabt  hat,  so  wird 
dit  Blockade  als  dem    Kapitän   tatsächlich   mitgeteilt  erachtet. 

§  26.  In  folgenden  Fällen  wird  die  Blockade  als  dem  Kapitän  ver- 
mutlich mitgeteilt  erachtet: 

1.  Wenn  anzunehmen  ist,  daß  der  Kapitän  Mitteilung  von  der 
Blockade  erhalten  hat,  weil  den  maßgebenden  Behörden  des  Staats, 
dem  sein  Schiff  angehört,  die  Anzeige  über  das  Bestehen  der  Blockade 
übersandt  worden  und  seitdem  genügende  Zeit  verstrichen  ist,  um  diese 

Mmrsirand-MeohleBbarg,  Du  JapaxüBolie  Prlsenrecht.    Band  I.      (2)  17 


Abschnitt  V  ^eeprisenordnung:  Blockade. 

Behörden  in  die  Lage  zu  setzen,  ihren  Staatsangehörigen  hiervon  Kenntnis 
zu  geben,  ohne  Rücksicht  darauf,  ob  dies  tatsächlich  geschehen  ist 
oder  nicht. 

2.  Wenn  anzunehmen  ist,  daß  der  Kapitän  Mitteilung  von  der 
Blockade  erhalten  hat,  weil  die  Tatsache  allgemein  öffentlich  bekannt 
gegeben  ist. 

§  27.   Folgende  Schiffe  gelten  als  aus  der  Blockade  ausgebrochen: 

1.  Schiffe,  welche  aus  dem  blockierten  Gebiet  entweichen  oder 
zu  entweichen  suchen.  2*) 

2.  Schiffe,  welche  von  einem  aus  dem  Blockadegebiet  aus- 
gebrochenen Schiffe  außerhalb  des  Blockadegebiets  Ladung  übernehmen 
oder  überzunehmen  versuchen. 

§  28.  In  folgenden  Fällen  greifen  für  Schiffe  die  Bestimmungen 
des  vorigen  Paragraphen  nicht  Platz: 

L  Wenn  ein  Schiff  auf  Grund  einer  von  der  Kaiserlichen  Re- 
gierung oder  von  dem  Kommandierenden  des  blockierenden  Geschwaders 
oder  Kriegsschiffes  ausgestellten  besonderen  Erlaubnis  aus  dem  Blockade- 
gebiet ausfährt. 

2.  Wenn  ein  Schiff  ohne  Kenntnis  von  der  Blockade  in  das 
Blockadegebiet  eingelaufen  ist  und  sich  ohne  Ladung  wieder  daraus 
entfernt. 

3.  Wenn  sich  ein  Schiff  zur  Zeit  der  Verhängung  der  Blockade 
im  Blockadegebiet  befand  und  sich  ohne  Ladung  daraus  entfernt. 

4.  Wenn  ein  Schiff  mit  einer  innerhalb  des  Blockadegebiets  vor 
der  Verhängung  der  Blockade  eingenommenen  Ladung  das  Blockade- 
gebiet verläßt. 

§  29.  Folgende  Schiffe  gelten,  wenn  sie  von  der  Blockade  Mit- 
teilung erhalten   haben, *^)  als  in   die  Blockade  eingebrochen: 

L  Schiffe,  welche  die  Blockadelinie  überschreiten  und  in  das 
Blockadegebiet  eindringen  oder  einzudringen  suchen,  ^e) 

>  2.  Schiffe,  welche  sich  in  der  Nähe  des  Blockadegebiets  befinden 
und  von  denen  offenbar  anzunehmen  ist,  daß  sie  nach  dem  Blockade- 
gebiet fahren,  welches  auch  immer  der  aus  ihren  Schiffspapieren  sich 
ergebende  Bestimmungsort  sein  möge. 

3.  Schiffe,  welche  ihre  Ladung  außerhalb  des  Blockadegebiets  auf 
ein  anderes  Schiff  umladen  und  auf  diesem  die  Blockadelinie  passieren 
und  in  das  Blockadegebiet  gelangen  lassen  oder  gelangen  zu  lassen 
versuchen. 

4.  Schiffe,  welche  mit  Bestimmung  nach  einem  blockierten  Hafen 
reisen. 

§  30.  In  den  folgenden  Fällen  greifen  für  Schiffe  die  Bestimmungen 
des  vorigen  Paragraphen  nicht  Platz: 


2*)  VI  20;  25.  —  w)  Vgl.  §§  25,  26.  —  *«;  VI  20;  22a,  b;  24a,  b;  25. 
18 


Seeprisenordnung:  Durchsuchung.  Abschnitt  V 

1.  Wenn  ein  Schiff  eine  von  der  Japanischen  Regierung  oder 
voni  Kommandanten  des  blockierenden  Geschwaders  oder  Kriegsschiffs 
ausgestellte  besondere  Erlaubnis  hat. 

2.  Wenn  darin,  daß  der  Kapitän  eines  Schiffes,  welches  aus  großer 
Entfernung  gekommen  ist,  den  blockierten  Hafen  zum  Bestimmungs- 
hafen gemacht  hat,  indem  er  es  darauf  ankommen  ließ,  ob  die  Blockade 
aufgehoben  sein  würde,  und  mit  der  Absicht,  andernfalls  den  Be- 
stimmungshafen zu  ändern,  ein  Grund  zu  erblicken  ist,  aus  welchem 
das  Schiff  freizulassen  ist. 

3.  Wenn  es  klar  ist,  daß  ein  Kapitän  seine  Absicht,  den  blockierten 
Hafen  als  Bestimmungsort  zu  nehmen,  aufgegeben  hat. 

4.  Wenn  ein  Schiff  wegen  schlechten  Wetters,  Mangels  an  Lebens- 
mitteln oder  sonstiger  unvermeidlicher  Umstände  in  einen  Hafen  ein- 
zulaufen genötigt  ist,  und  weil  ein  anderer  Hafen,  in  den  es  einlaufen 
könnte,  nicht  vorhanden  ist,  in  das  Blockadegebiet  einfährt. 

§  31.  Wenn  die  Blockade  aufgehoben  wird,  ^')  so  hat  der  Kom- 
mandant des  Geschwaders  oder  des  Kriegsschiffs  dies  sofort  dem  Marine- 
minister  zu  melden  und  auch  sonst  alle  erforderlichen  Maßregeln  zu 
ergreifen,  damit  die  Aufhebung  der  Blockade  allgemein  bekannt  wird. 


Kapitel  V. 

Grfinde  für  Visitientng,  Durchsuchung  und  Aufbringung. 

§  32.  Die  Visitierung  und  die  Untersuchung  kann  gegen  jedes 
Privatschiff  ohne  Unterschied  der  Nationalität  zur  Ausüfbung  gebracht 
werden,  wenn  angenommen  werden  muß,  daß  Verdachtsgründe  vor- 
liegen, die  seine  Aufbringung  nötig  machen. 

§  33.  In  dem  Falle,  daß  ein  neutrales  Schiff  von  einem  Kriegs- 
schiff des  Staates,  dem  es  angehört,  geleitet  wird,  darf  die  Visitierung 
und  Durchsuchung  nicht  ausgeübt  werden,  wenn  der  Kommandant 
des  geleitenden  Kriegsschiffs  darüber,  daß  sich  an  Bord  des  fraglichen 
Schiffes  weder  Kriegskonterbandepersonen,  noch  Kriegskonterbande- 
dokumente, noch  Kriegskonterbandegüter  befinden,  sowie,  daß  die 
Schiffspapiere  in  Ordnung  sind,  eine  schriftliche,  von  ihm  unterzeichnete 
Erklärung  abgibt,  in  welcher  auch  die  Nationalität,  der  Ausgangs-  und 
Bestimmungshafen  des  Schiffes  klar  bezeichnet  sind.  Die  vorstehende 
Bestimmung  soll  indessen,  wenn  schwerwiegende  Verdachtsgründe  vor- 
liegen, keine  Anwendung  finden. 


'^)  Aufhebung  der  Blockade   nach  Aufbringung  und  vor  Abgabe  der  prisen- 
gerichtlichen Entscheidung  ist  kein  Grund  für  Freigabe:  VI  25. 

(2*)  .       19 


Abschnitt  V  Seeprisenordnung:  Durchsuchung. 

§  34.  Findet  die  Visitierung  oder  die  ^Durchsuchung  einem  neu- 
tralert ^«j  Postschiff  gegenüber  statt,  so  darf,  wenn  von  einem  auf  dem 
Schiff  mitfahrenden  Postbeamten  des  betreffenden  Staats  die  schrift- 
liche, eidliche  Versicherung  abgegeben  wird,  daß  sich  in  den  Post- 
säcken keine  Kriegskonterbandedokumente  befinden,  die  Durchsuchung 
mit  Bezug  auf  diese  Säcke  nicht  ausgeübt  werden,  es  sei  denn,  daß 
schwerwiegende  Verdachtsgründe  vorliegen. 

§  35.  Sämtliche  feindliche  Schiffe  unterliegen  der  Aufbringung.  ^^) 
Doch  sind  die  im  folgenden  bezeichneten  Schiffe  von  der  Aufbringung 
auszunehmen,  wenn  es  klar  ist,  daß  sie  ausschließlich  ^o)  zu  den  Ar- 
beiten oder  Aufgaben  verwendet  werden,  zu  denen  sie  bestimmt  sind: 

1.  Küstenfischereifahrzeuge,  ^1) 

2.  Schiffe,  welche  zu  wissenschaftlichen,  zu  philanthropischen  oder 
zu  Missionszwecken  ^2)  fahren, 

3.  Schiffe  im  Dienste  von  Leuchttürmen, 

4.  Schiffe   zum    Austausch   von    Kriegsgefangenen. 

§  36.  Japanische  Schiffe,  welche  im  Handelsverkehr  mit  dem 
feindlichen  Staat  oder  mit  feindlichen  Personen  oder  mit  der  Absicht 
solchen  Handelsverkehrs  fahren,  unterliegen  ebenfalls  der  Aufbringung, 
jedoch  sind  Schiffe,  welche  von  dem  Ausbruch  des  Krieges  noch  keine 
Kenntnis  haben  oder  welche  sich  im  Besitz  einer  besonderen  Erlaubnis 
der  Japanischen  Regierung  befinden,  ausgenommen. 

§  37.  Die  im  folgenden  aufgezählten  Schiffe  unterliegen  der  Auf- 
bringung ohne   Rücksicht  auf  ihre  Landeszugehörigkeit :  ^3) 

1.  Schiffe,  welche  Kriegskonterbandepersonen,  »*)  Kriegskonter- 
bandedokumente oder  Kriegskonterbandegüter  3s)  an  Bord  haben. 

2.  Schiffe,  welche  nicht  ordnungsmäßig  mit  Schiffspapieren  ver- 
sehen sind  oder  dieselben  absichtlich  vernichtet  oder  verborgen  haben 
oder  gefälschte  Schiffspapiere  vorweisen,  »e) 

3.  Schiffe,  welche  eine  Blockade  gebrochen  haben.  3'^) 

4.  Schiffe,  von  welchen  ihrer  Ausrüstung  nach  anzunehmen 
ist,  daß  sie  ausgerüstet  worden  sind,  um  für  den  feindlichen  Kriegs- 
dienst bereitgestellt  zu  werden. 

5.  Schiffe,  von  denen  anzunehmen  ist,  daß  sie  im  Interesse  des 


w)  Nicht  feindlichen:  VI  4b. 

2«)  VI  la;  2b;  3a;  4b;  5a;  6;  7;  8;  9;  10a;  13;  14;  15;  16;  50;  54a;  56;  58. 
^)  Fall  des  Lazarettschiffs  ,Orel«:  VI  54a,  b. 
»0  Nicht  Hochseefischereifahrzeuge:  VI  6;  7;  8. 

'^)  Analog  sind  auch  Güter,  welche  Missionen  gehören,  nicht  einzuziehen:  VI  5a. 
»»)  Nicht  Nationalität;  vgl.  §§  5,  6  und  7.  —  »*)  VI  23a. 
s*)  VI  11;  18a;  19a;  21;  26a;  27a;  30a;  31a;   32a;  33b;  34a;   35a;  36;  37a; 
38;  39a;  40a;  41;  42;  43a;  44a;  45;  46;  48a;  49a;  51a;  55a;  57. 
^  VI  21.  —  »')  VI  20;  22a;  24a;  25. 

20 


SaepiiMnordnung:  Aufgebrachte  Schiffe.  Abschnitt  V 

Feindes  Kundschafterdienste  leisten  ^)  oder  Nachrichten  übermitteln  oder 
sonst  offenbar  tätig  sind,  um  den  Feind  zu  unterstützen. 

6.  Schiffe,  welche  sich  der  Visitierung  oder  der  Durchsuchung 
widersetzen. 

7.  Schiffe,  welche  im  Geleit  feindlicher  Kriegsschiffe  fahren. 

§  38.  Von  der  Aufbringung  ist  abzusehen,  wenn  ein  Schiff,  welches 
Kriegskonterbandepersonen,  Kriegskonterbandedokumente  oder  Kriegs- 
konterbandegüter an  Bord  hat,  von  dem  Ausbruch  des  Kriegs  noch 
keine   Kenntnis   hat.  3^) 

Dagegen  kann  der*  Umstand,  daß  der  Kapitän  die  Kriegskonter- 
bandeeigenschaft der  an  Bord  befindlichen  Personen  oder  Dokumente 
oder  Güter  nicht  kannte,  oder  daß  er  zur  Anbordnahme  derselben 
durch  Drohungen  des  Feindes  gezwungen  worden  ist,  nicht  als  Grund 
angenommen  werden,  von  der  Aufbringung  abzusehen. 

§  39.  In  den  nachstehend  aufgeführten  Fällen  können  Schiffe 
ohne   Rücksicht  auf  ihre  Landeszugehörigkeit ^3)  aufgebracht  werden: 

1.  Wenn  ein  Schiff  Schiffspapiere,  mit  denen  es  unbedingt  ver- 
sehen sein  müßte,  nicht  vorweist  oder  wenn  die  Schiffspapiere  nicht 
in  Ordnung  sind.  *ö) 

2.  Wenn  die  Schiffspapiere  widersprechende  Angaben  enthalten,  *<>) 
oder  wenn  die  Auskunft  des  Kapitäns  mit  dem  Inhalt  der  Schiffspapiere 
nicht  im   Einklang  steht. 

3.  Wenn,  ohne  daß  die  Fälle  der  beiden  vorigen  Nummern  vor- 
liegen, auf  Grund  des  Ergebnisses  der  Visitierung  oder  der  Durch- 
suchung dringender  Verdacht  besteht,  daß  das  Schiff  nach  den  Be- 
stimmungen der  §§  35 — 37  aufzubringen  ist. 

Kapitel  VI. 

Behandlung  der  aufgebrachten  Schiffe,  ihrej*  Ladung  und 

ihrer  Besatzung. 

§40.    Feindliche  Schiffe")  werden  eingezogen. *2)  «) 
Die  unter  der  Ladung  der  im  vorigen  Absatz  bezeichneten  Schiffe 
befindlichen")  feindlichen  Güter ^^)  werden  eingezogen. *2)    \x^enn  aber 

~  ^vToO;  53.  —  »«)  VI  11. 

**0  VI  17;  26a;  27a;  29a;  30a;  31a;  32a;  33a;  34a;  35a;  36;  37a;  38;  39a; 
41;  42;  43a;  44a;  45;  46;  48a;  49a;  51a;  55a. 

*»)  VI  la;  2b;  3a;  4b;  5a;  6;  7;  8;  9;  10a;  13;  14;  15;  16;  50;  54a;  56;  58. 

*^  Ungeachtet  Unkenntnis  vom  Kriegszustand:  VI  la,  b;  2b,  i,  k;  3a;  4b; 
:»c,  f,  h;  6;  7;  8. 

♦*)  Das  Recht  der  Einziehung  ist  ein  absolutes:  VI  2d;  3b;  5a,  k. 

♦*)  Gleichgültig,  ob  vor  dem  Kriege  verschifft:  VI  2c,  f,  m,  n;  5d,  e,  f,  h. 

")  VI  Ib;  2b,  c,  f,  i,  k,  1,  m,  n,  o;  4b;  5a,  c,  d,  e,  f.  h,  i,  k;  6;  7;  8;  10a; 
15;  54b;  56;  58. 

•  21 


Abschnitt  V  Seeprisenordnung :  Aufgebrachte  Schiffe. 

ein  solches  Schiff  Kriegsausrüstung  trägt,  so  wird  die  gesamte  Ladung 
eingezogen. 

§  41.  Japanische  Schiffe,  welche  im  Handelsverkehr  mit  dem 
feindlichen  Staat  oder  mit  feindlichen  Personen  oder  mit  der  Absicht 
solchen  Handelsverkehrs  fahren,  werden  eingezogen. 

Die  unter  der  Ladung  solcher  Schiffe  befindlichen,  dem  Schiffs- 
eigentümer gehörigen   und  die  feindlichen  Güter  werden  eingezogen. 

§  42.  Kriegskonterbandepersonen  werden  zu  Kriegsgefangenen  ge- 
macht, *®)  Kriegskonterbandedokumente  werden  eingezogen. 

Schiffe,  welche  Kriegskonterbandepersonen  *7)  oder  -Dokumente  an 
Bord  haben,  sowie  die  den  Eigentümern  ^^j  jer  Schiffe  gehörigen  Güter 
werden  eingezogen.  Wird  indessen  der  klare  Beweis  erbracht,  daß  der 
Kapitän  ohne  sein  Verschulden  die  Sachlage  nicht  kannte,  so  findet  diese 
Bestimmung  keine  Anwendung. 

§  43.  Kriegskonterbandegüter  ^9)  und  die  dem  Eigentümer  derselben 
gehörigen  Güter  ^o)  werden  eingezogen,  ^i)  ^^j 

Ist  der  Eigentümer  eines  Schiffes  zugleich  Eigentümer  von  Kriegs- 
konterbandegütern, welche  auf  dem  Schiff  verladen  sind,  so  wird  das 
Schiff  eingezogen.  53) 

§  44.  Schiffe,  welche  unter  Anwendung  betrügerischer  iVlittel  Kriegs- 
konterbandegüter an  Bord  haben,  sowie  die  dem  Eigentümer  solcher 
Schiffe  gehörigen  Güter  werden  eingezogen.  ^*)  *^) 

§  45.  Schiffe,  welche  eine  Blockade  brechen,  und  deren  Ladung 
werden  eingezogen.^«)  Wenn  indessen  ein  Ladungseigentümer  den  Be- 
weis erbringt,  daß  er  von  der  Sache  nichts  gewußt  hat,  so  ist  seine 
Ladung  freizugeben. 

§  46.  Schiffe,  von  welchen  anzunehmen  ist,  daß  sie  ausgerüstet 
sind,  um  für  den  Kriegsgebrauch  des  Feindes  bereitgestellt  zu  werden, 
sowie  die  dem  Eigentümer  eines  solchen  Schiffes  gehörigen  Güter  werden 
eingezogen. 


♦ß)  VI  22a.  —  *')  VI  23a.  —  *•)  Analoge  Ausdehnung  auf  den  Charterer:  VI  23b. 

")  VI  18b,  c,  d,  e,  f;  19b,  c,  d,  c,  f,  g,  h;  26b;  27b;  28b;  29b;  .30b,  c; 
31b;  32b;  33c;  34b;  35b;  36;  37a;  38;  39b;  40b;  41;  42;  43b;  44b;  45;  46;  48b; 
44b;  45;  46;  48li;  49b;  51b;  55b;  57.  -  ^)  VI  18b,  c;  30«;  37a;  55b. 

*0  GMängm^  ob  die  dem  E^sent&ner  der  Qfiter  gehörige  Konterbande  ab- 
solute oder  rdative  Koiiteibande  ist:  VI  18c. 

•*>  Auch  wenn  nicht  nach  demselben  Orte  verschifft  wie  die  Konterbande:  VI  18c. 

«)  VI  38;  40a;  41;  42;  44a. 

M)  VI  26a;  27a;  29a;  30a;  31a;  32a;  33b;  34a;  35a;  36;  37a;  38;  39a;  41; 
42;  43a;  44a;  45;  46;  48a;  49a;  51a;  55a. 

^)  Es  genügt  indes  schon  zur  Einziehung  des  Schiffes,  daß  dasselbe  einen 
Konterbandetransport  „bezwecict*  oder  .unternommen*  hat:  VI  28a;  40a;  5t.  Dies 
ist  auch  in  allen  Oberprisengerichtsentscheidungen  bezüglich  Konterbandetransports 
(Fälle  unter  Anmerkung  54)  ausgesprochen,  wenn  auch  dort  die  Einziehung  noch 
anderweitig  begründet  ist.  —  *«)  VI  20;  22  a;  24  a;  25. 

22 


Seepri^enordBung:  Aufbiingung.  Abschnitt  V 

§  47.  Schiffe,  von  denen  anzunehmen  ist,  daß  sie  im  Interesse 
des  Feindes  Kundschafterdienste  geleistet  5')  oder  Nachrichten  übermittelt 
haben  oder  sonst  offenbar  tätig  gewesen  sind,  um  den  Feind  zu  unter- 
stützen^*), sowie  die  dem  Eigentümer  eines  solchen  Schiffes  gehörige 
Ladung  werden  eingezogen. 

§  48.  Schiffe,  welche  sich  der  Visitierung  oder  der  Durchsuchung 
\ridersetzt  haben,  sowie  die  dem  Eigentümer  eines  solchen  Schiffes  ge- 
hörige Ladung  werden  eingezogen. 

§  49.  Schiffe,  welche  im  Geleit  feindlicher  Kriegsschiffe  fahren, 
sowie  die  dem  Eigentümer  eines  solchen  Schiffes  gehörige  Ladung 
werden  eingezogen. 

§  50.  Der  Kapitän  und  die  Besatzung  eines  feindlichen  Schiffes 
können  zu  Kriegsgefangenen  gemacht  werden.  Nicht  zulässig  ist  dies 
von  Passagieren  sowie  bezüglich  des  Kapitäns  und  der  Mannschaft 
eines  nichtfeindlichen  Schiffes.  Indessen  können  Personen  festgehalten 
werden,  von  denen  anzunehmen  ist,  daß  sie  als  Zeugen  gebraucht  werden. 


Kapitel  VIL 
Verfahren  bei  der  Aufbringung. 

§  51.  Der  Kriegsschiffskommandant  soll  bei  der  Visitierung  oder 
der  Durchsuchung  nicht  mehr,  als  nötig  ist,  das  Schiff  aus  seinem  ur- 
sprünglichen Kurs  bringen  und  überhaupt  bemüht  sein,  dem  Schiff  so 
wenig  Störung  wie  möglich  zu  verursachen. 

§  52.  Der  Kriegsschiffskommandant  braucht  bei  der  Verfolgung 
eines  Schiffes  die  japanische  Kriegsflagge  nicht  zu  zeigen,  darf  auch 
eine  falsche  Flagge  führen.  Er  muß  aber,  kurz  bevor  er  dem  Schiff 
den  Befehl  erteilt,  anzuhalten,  unbedingt  die  Kaiserlich  Japanische  Kriegs- 
schiffsflagge  heißen. 

§  53.  Unter  keinen  Umständen  darf  der  Kriegsschiffskommandant 
von  dem  zu  visitierenden  oder  zu  durchsuchenden  Schiff  verlangen, 
daß  es  ein  Boot,  Leute  von  der  Besatzung  oder  seine  Schiffspapiere 
usw.  an  Bord  des  Kriegsschiffes  senden  solle. 

§  54.  Der  Kriegsschiffskommandant  hat  zunächst  dem  in  Betracht 
kommenden  Schiff  durch  Flaggensignale  oder  durch  Signale  mit  der 
Dampfpfeife  bekannt  zu  geben,  daß  er  es  zu  visitieren  oder  zu  durch- 
suchen beabsichtigt.  Zur  Nachtzeit  ist  über  der  Kriegsschiffsflagge  eine 
weiße  Laterne  zu  heißen,  welche  an  Stelle  der  Flaggensignale  tritt. 

Wenn  wegen  schlechten  Wetters  die  Absicht  der  Visitierung  in  der 
im  vorigen  Absatz  angegebenen  Weise  nicht  kundgegeben  werden  kann, 


*^  VI  60;  53.  —  w)  VI  54a,  b. 

23 


Abschnitt  V  Seeprisenordnung:  Aufbringung» 

oder  wenn  das  Schiff  den  Signalen  nicht  entspricht,  sind  hintereinander 
zwei  blinde  Schüsse  abzugeben,  und,  wenn  dann  noch  nötig,  ist  ein 
scharfer  Schuß  vorn  am  Schiff  vorbei  zu  feuern. 

Wenn  trotz  der  Beobachtung  der  Bestimmungen  des  vorigen  Ab- 
satzes das  Schiff  dem  Befehl,  anzuhalten,  nicht  Folge  leistet,  ist  zunächst 
ein  scharfer  Schuß  in  die  Takelage  abzugeben  und  nur  zuletzt  darf 
auf  den  Schiffskörper  geschossen  werden. 

§  55.  Wenn  das  Schiff  anhält,  hat  der  Kommandant  einen  Offi- 
zier, dem  er  je  nach  Bedarf  zur  Unterstützung  noch  andere  Offiziere 
beigeben  kann,  zur  Visitierung  in  einem  Boot  an  Bord  des  Schiffes  zu 
schicken. 

Die  Bootsmannschaft  darf  keine  Waffen  tragen,  doch  bestehen 
gegen  die  Mitnahme  der  Waffen  im  Boot  keine  Bedenken. 

Wenn  der  Offizier  dies  beim  Anbordgehen  für  erforderlich  hält^ 
kann  er  bis  zu  zwei  Mann  von  der  Bootsmannschaft  mitnehmen. 

§  56.  Wenn  der  visitierende  Offizier  Verdachtsmomente  erblickt,, 
soll  er  in  höflicher  Form  Einsicht  in  die  Schiffspapiere  fordern.  Wenn 
aber  der  Kapitän  die  Vorzeigung  der  Papiere  verweigert,  so  kann  der 
Offizier  sie  zwangsweise  fordern. 

§  57.  Wenn  der  visitierende  Offizier  nach  Prüfung  der  Schiffs- 
papiere zu  der  Ansicht  kommt,  daß  zu  einer  Aufbringung  des  Schiffs 
kein  Anlaß  vorliegt,  so  hat  er  dasselbe  nach  Einholung  der  Befehle  des 
Kriegsschiffskommandanten  sofort  freizugeben. 

§  58.  Wenn  der  visitierende  Offizier  nach  Prüfung  der  Schiffs- 
papiere zu  der  Ansicht  kommt,  daß  noch  Verdachtsmomente  vorliegen,, 
so  hat  er  zur  Durchsuchung  des  Schiffes  zu  schreiten. 

Wenn  der  visitierende  Offizier  dies  für  erforderlich  hält,  kann  er 
im  Falle  des  vorigen  Absatzes  die  Bootsmannschaft  zu  seiner  Unter- 
stützung an  Bord  kommen  lassen  oder  auch  vom  Kriegsschiff  Unter- 
stützung erbitten. 

§  59.  Die  Durchsuchung  hat  in  Gegenwart  des  Schiffskapitäns 
oder  seines  Vertreters  stattzufinden. 

§  60.  Verschlossene  Räume  oder  Behältnisse  soll  der  Kapitän 
oder  dessen  Vertreter  zu  öffnen  veranlaßt  werden.  Wenn  sie  sich 
weigern,  können  die  den  Umständen  des  Falls  entsprechenden  Maß- 
regeln ergriffen  werden. 

§  61.  Kommt  der  visitierende  Offizier  im  Laufe  der  Durchsuchung 
zu  der  Ansicht,  daß  zu  einer  Aufbringung  des  Schiffes  kein  Anlaß  vor- 
liegt, so  hat  er  die  Untersuchung  zu  unterbrechen  und  das  Schiff 
nach  Einholung  der  Befehle  des  Kriegsschiffskommandanten  sofort  frei- 
zugeben. 

§  62.  Ehe  der  visitierende  Offizier  das  Schiff  verläßt,  hat  er  den 
Kapitän  desselben  zu  befragen,  ob  derselbe  Einwendungen  gegen  das 

24 


Setpiiseiiordnaiig:  Aufbringung.  Abschnitt  V 

bei  der  Visitierung  und  der  Durchsuchung  beobachtete  Verfahren  zu 
erheben  habe.  Ist  dies  der  Fall,  so  hat  er  denselben  zu  veranlassen, 
ihm  eine  schriftliche  Aufzeichnung  über  diese  Einwendungen  zu  über- 
geben. 

§  63.  Der  visitierende  Offizier  hat  in  das  Schiffsjournal  einen  Ver- 
merk einzutragen,  in  welchem  er  genaue  Angaben  über  Zeit  und  Ort 
der  Visitierung  oder  Durchsuchung,  über  den  Namen  des  visitierenden 
Kriegsschiffes,  über  die  Dienststellung  sowie  über  den  Vor-  und  Zu- 
namen seines  Kommandanten  zu  machen,  und  welchen  er  unter  Angabe 
seiner  eigenen  Dienststellung  mit  Vor-  und  Zunamen  zu  unter- 
zeichnen hat. 

§  64.  Handelt  es  sich  um  Schiffe,  welchen  die  Bekanntmachung 
über  eine  Blockade  nicht  zugegangen  war,  oder  um  solche,  welche  in 
Gemäßheit  des  §  30  Ziffer  2  oder  in  Gemäßheit  der  Bestimmungen  der 
§§  36  oder  38  wegen  Unkenntnis  vom  Ausbruch  des  Krieges  der  Auf- 
bringung nicht  unterliegen,  so  hat  der  visitierende  Offizier  in  ihr  Schiffs- 
journal oder  in  diejenigen  Schiffspapiere,  welche  über  die  Staats- 
angehörigkeit des  Schiffes  Auskunft  geben,  nach  Formular  2  oder  3 
eine  Warnung  einzutragen  und  dem  Schiff  zu  befehlen,  umzukehren, 
beziehungsweise  andere  geeignete  Maßregeln  zu  ergreifen,  wie  zum  Bei- 
spiele, das  Schiff  einen  anderen  Kurs  nehmen  zu  lassen '»9)  oder 
dergleichen. 

§  65.  Wenn  dem  Kommandanten  des  Kriegsschiffs  nach  der  Visi- 
tierung  und  der  Durchsuchung  noch  Verdachtsmomente  vorzuliegen 
scheinen,  so  muß  er  zunächst  durch  den  visitierenden  Offizier  ein  Verhör 
des  Kapitäns  vornehmen  lassen ;  erscheint  nach  diesem  Verhör  die  Auf- 
bringung noch  geboten,  so  ist  das  Schiff  aufzubringen. 

§  66.  Bei  der  Entscheidung  der  Frage,  ob  ein  Schiff  aufzubringen 
ist  oder  nicht,  sollen  die  Art  des  Schiffes,  seine  Ausrüstung,  seine  Ladung, 
seine  Schiffspapiere,  sowie  der  Kapitän,  die  Mannschaft  und  deren  Aus- 
sagen berücksichtigt  werden,  ^o) 

§  67.  Wenn  der  Kommandant  des  Kriegsschiffes  beschlossen  hat, 
daß  das  Schiff  aufzubringen  sei,  so  hat  er  dem  Kapitän  die  Gründe  der 
Aufbringung  bekannt  zu  geben  und  einen  Offizier  und  die  erforderKchen 
Unteroffiziere  und  Mannschaften  an  Bord  zu  senden  und  von  dem 
Schiffe  Besitz  zu  ergreifen.  Wenn  aber  infolge  schlechten  Wetters  oder 
aus  sonstigen  Gründen  die  Entsendung  des  Offiziers,  der  Unteroffiziere 
und  der  Mannschaften  untunlich  ist,  so  hat  der  Kriegsschiffskommandant 
das  Schiff  die  Flagge  herunterholen  zu  lassen  und  Befehl  zu  erteilen, 


*«)  VI  11. 

^)  Hieraus  ist  nicht  zu  schließen,  daß  das  Prisengericht  bei  der  Beweisaufnahme 
an  diese  aus  der  Prise  stammenden  Beweismomente  gebunden  ist:  VI  25;  26b;  27b. 
Anders  jedoch  der  Staatsanwalt  VI  29  b,  Anmerkung  4. 

25 


Abschnitt  V  Saepri^enofdnung :  Aufbringung. 

wohin  es  sich  begeben  soll.  Leistet  der  Kapitän  diesem  Befehl  nicht 
Folge,  so  kann  der  Kriegsschiffskommandant  die  nach  den  Umständen 
des  Falls  erforderlichen  Maßregeln  ergreifen. 

§  68.  Wenn  der  Kriegsschiffskommandant  ein  Postschiff  aufgebracht 
hat,  so  hat  er  die  Postsäcke,  soweit  dieselben  unverfänglich  erscheinen, 
in  versiegeltem  Zustand  von  Bord  herauszugeben  und  dafür  Sorge  zu 
tragen,  daß  dieselben  mit  der  nächsten  Gelegenheit  schnell  an  ihren 
Bestimmungsort  gelangen. 

§  69.  Der  Kriegsschiffskommandant  hat  die  Passagiere  des  auf- 
gebrachten Schiffes,  soweit  dieselben  nicht  als  Kriegskonterbandepersonen 
zu  betrachten  oder  soweit  sie  nicht,  weil  ihr  Zeugnis  erheblich  erscheint, 
festzuhalten  sind,  in  einem  möglichst  geeigneten  Hafen  an  Land  gehen 
zu  lassen. 

§  70.  Der  Kriegsschiffskommandant,  der  ein  Schiff  aufgebracht  hat, 
muß,  wenn  sich  später  herausstellt,  daß  die  Aufbringung  nicht  gerecht- 
fertigt war,  das  Schiff  unverzüglich  freigeben. 

§  7L  Der  Kriegsschiffskommandant  hat  in  das  bei  diesem  Kriegs- 
schiff geführte  Schiffsjournal  sämtliche  wichtigen  Tatsachen  in  bezug 
auf  die  Visitierung,  die  Durchsuchung  und  die  Aufbringung  eines  Schiffes 
einzutragen. 

§  72.  Der  Kriegsschiffskommandant  hat  über  die  Visitierung,  die 
Durchsuchung  und  die  Aufbringung  einen  eingehenden  Bericht  ab- 
zufassen und  denselben  zusammen  mit  seinem  eigenen  Gutachten  über 
den  Fall  unverzüglich  dem  Marineminister  einzureichen. 

§  73.  Der  Kriegsschiffskommandant  kann,  falls  er  ein  vom  Feind 
aufgebrachtes  japanisches  oder  neutrales  Schiff  diesem  wieder 
abgenommen  hat,  vorausgesetzt,  daß  dasselbe  noch  nicht  in  einen  feind- 
lichen Hafen  gebracht  oder  vom  Feind  für  Kriegszwecke  gebraucht 
worden  ist,  freilassen. 


Kapitel  VIIL 
Das  Verfahren  nach  der  Aufbringung. 

§  74.  Der  Kriegsschiffskommandant  hat,  sobald  er  von  einem 
Schiff  Besitz  ergriffen  hat,  die  auf  das  Schiff  und  die  Ladung  bezüg- 
lichen Papiere  sowie  sämtliche  sonstigen  an  Bord  befindlichen  Papiere 
mit  Beschlag  zu  belegen  und  sofort  der  Reihe  nach  zu  ordnen,  zu 
numerieren  und  zu  kuvertieren  und  das  Kuvert  mit  seinem  und 
des  Kapitäns  Siegel  oder  Unterschrift  zu  versehen  und  über  den  Vor- 
gang ein  nach  Formular  Nr.  4  abgefaßtes  Protokoll  beizufügen. 

Es  ist  üblich,  daß  dies  Protokoll  von  derjenigen  Person  abgefaßt 

26 


Seeprisenordnung:  Aufbringung.  Abschnitt  V 

wird,  welche  die  beschlagnahmten  Papiere  in  Empfang  genommen  oder 
ausfindig  gemacht  hat. 

§  75.  Wenn  zerstörte  und  weggeworfene  oder  versteckte  Papiere 
aufgelesen  oder  ausfindig  gemacht  worden  sind,  so  hat  der  Kriegs- 
schiffskommandant, wie  im  vorigen  Paragraphen  angegeben,  zu  ver- 
fahren. Indessen  ist  in  diesem  Falle  das  Protokoll  nach  Formular  5  ab- 
zufassen. 

§  76.  Der  Kriegsschiffskommandant  hat  nach  Formular  Nr.  6  eine 
Aufstellung  der  auf  dem  Schiff  vorgefundenen  Gelder,  Wertpapiere  und 
sonstigen  Wertgegenstände  in  2  Exemplaren  anzufertigen,  deren  eines 
er  dem  Kapitän  auszuhändigen  hat. 

§  77.  Der  Kriegsschiffskommandant  hat  womöglich  die  Luken 
des  aufgebrachten  Schiffs  zu  schließen  und  zu  versiegeln  und  dafür 
Sorge  zu  tragen,  daß  sich  niemand  etwas  von  der  Ladung,  vom  Schiffs- 
gerät oder  von  irgendwelchen  im  Schiff  befindlichen  Sachen  aneignen 
kann. 

§  78.  Der  Kommandant  und  die  Offiziere  des  Kriegsschiffs  haben 
sämtlich  dafür  Sorge  zu  tragen,  daß  der  Kapitän  und  die  Besatzung  des 
aufgebrachten  Schiffs  sowie  die  als  Kriegsgefangene  zu  betrachtenden 
Personen  gut  behandelt,  und  daß  sie  bezüglich  ihres  Privateigentums 
geschützt  werden. 

Den  als  Kriegsgefangenen  zu  betrachtenden  Personen  gegenüber 
können,  wenn  dies  erforderlich  erscheint,  Zwangsmaßregeln  zur  'An- 
wendung kommen.  Den  übrigen  auf  dem  Schiff  befindlichen  Personen 
gegenüber  aber  dürfen  Zwangsmaßregeln  nur  aus  ganz  besonderen 
Gründen  zur  Anwendung  gebracht  werden. 

§  79.  Der  Kriegsschiffskommandant  hat  zur  Navigierung  des  auf- 
gebrachten Schiffes  einen  Prisenoffizier  zu  ernennen,  dem  die  er- 
forderlichen Unteroffiziere  und  Mannschaften  beizugeben  sind.  Diese 
hat  er  an  Bord  zu  schicken,  um  unverzüglich  das  Schiff  mit  seiner 
Ladung  nach  dem  nächsten  japanischen  Hafen,  in  welchem  ein  Prisen- 
gericht seinen  Sitz  hat,  oder  einem  in  dessen  Nähe  belegenen  anderen 
japanischen  Hafen  überzuführen. 

§  80.  Der  Kriegsschiffskommandant  kann  den  Kapitän  und  die 
Mannschaft  des  aufgebrachten  Schiffs  ersuchen,  den  Prisenoffizier  nach 
dessen  Weisungen  in  der  Navigierung  des  Schiffes  zu  unterstützen.  Wenn 
diesem  Ersuchen  nicht  entsprochen  wird,  darf  er  keinen  Zwang  aus- 
üben. 

§  8L  Der  Kriegsschiffskommandant  hat  den  Kapitän  und  die 
Mannschaft  des  aufgebrachten  Schiffes,  die  gesamte  Ladung  und  das 
Protokoll  mit  den  beschlagnahmten  Schiffspapieren  auf  dem  beschlag- 
nahmten Schiff  unter  möglichster  Erhaltung  des  zur  Zeit  der  Auf- 
bringung vorhanden  gewesenen  Zustands  zu  befördern. 

27 


Abschnitt  V  Seeprisenordnung:  Aufbringung« 

Der  Kriegsschiffskommandant  hat,  wenn  dies  erforderlich  erscheint, 
solche  unter  seinem  Befehle  stehende  Personen,  welche  imstande  sind, 
die  Tatumstände  der  Aufbringung  zu  bezeugen,  an  Bord  des  auf- 
gebrachten Schiffes  mitfahren  zu  lassen. 

§  82.  Wenn  es  unzweckmäßig  erscheint,  den  Kapitän  und  die  ge- 
samte Mannschaft  mit  dem  Schiff  zu  befördern,  so  hat  der  Kriegsschiffs- 
kommandant zum  mindesten  die  drei  oder  vier  wichtigsten  Personen 
auszusuchen  und  als  Zeugen  mitzusenden,  von  denen  zwei  Kapitän, 
Zahlmeister,  Offiziere  oder  Bootsmann  sein  müssen. 

Die  umgeschiffte  Schiffsmannschaft  soll  ebenfalls  unverzüglich  nach 
demjenigen  Hafen  befördert  werden,  nach  welchem  das  betreffende 
Schiff  fährt. 

§  83.  Im  Falle  des  vorigen  Paragraphen  hat  der  Kriegsschiffs- 
kommandant durch  den  Prisenoffizier  nach  Formular  Nr.  7  ein  Protokoll 
über  die  Umschiffung  der  Mannschaft  und  über  die  Gründe  der  Um- 
schiffung abfassen  zu  lassen. 

§  84.  Befinden  sich  an  Bord  des  Schiffes  leicht  verderbliche  Güter, 
oder  bestehen  sonst  Bedenken  gegen  die  Beförderung  von  Gütern, 
so  hat  der  Kriegsschiffskommandant  die  geeignetsten  unter  seinen  Offi- 
zieren als  Untersuchungskommission  auszuwählen  und  von  ihnen  ein 
Untersuchungsprotokoll  vorlegen  zu  lassen. 

Die  Hauptpunkte  der  Untersuchung  sind  in  das  Schiffsjournal 
einzutragen. 

§  85.  Wenn  die  Untersuchungskommission  berichtet,  daß  sieb 
unter  der  Ladung  Güter  befinden,  gegen  deren  Beförderung  Bedenken 
bestehen,  so  hat  der  Kriegsschiffskommandant  dieselben  am  Orte  der 
Aufbringung  oder  im  nächsten  japanischen  Hafen  oder  auch  mit  Ge- 
nehmigung der  maßgebenden  neutralen  Behörden  in  neutralem  Gebiet 
zum  Verkauf  zu  bringen.  Bestehen  aber  gegen  den  Verkauf  Bedenken, 
so  kann  der  Kriegsschiffskommandant  diejenigen  Maßregeln  ergreifen, 
welche  ihm  geeignet  erscheinen. 

§  86.  Wenn  möglich,  hat  der  Kriegsschiffskommandant  vor  dem 
Verkauf  der  Ladung  einen  Sachverständigen  zu  ernennen  und  denselben 
die  ganze  Ladung  oder  den  zu  verkaufenden  Teil  derselben  schriftlich 
abschätzen  zu  lassen. 

Der  Verkauf  soll  in  Gegenwart  des  Prisenoffiziers  und,  wenn  an- 
gängig, in  Gegenwart  eines  Kaiserlichen  Konsuls  oder  sonstigen  in  der 
Nähe  des  Verkaufsorts  befindlichen  Kaiserlichen  Beamten  stattfindet 
und,  wenn  möglich,  ein  öffentlicher  sein. 

§  87.  Der  Kriegsschiffskommandant  hat  den  Prisenoffizier  zu  ver- 
anlassen, über  das  ganze  Verkaufsverfahren  nach  Formular  Nr.  8  ein 
Protokoll  aufzunehmen  und  dasselbe  zusammen  mit  dem  Untersuchungs- 
protokoll der  Untersuchungskommission,  der  schriftlichen  Abschätzung 

28 


Saeprisenordnung:  Aufbringung.  Abschnitt  V 

des  Sachverständigen,  der  Verkaufsabrechnung  und  den  sonstigen  Ur- 
kunden mit  dem  aufgebrachten  Schiff  zu  befördern. 

§  88.  Bestehen  Bedenken  gegen  die  Überführung  des  aufgebrachten 
Schiffes,  so  hat  der  Kriegsschiffskommandant  die  geeignetsten  unter 
seinen  Offizieren  auszuwählen  und  zur  Untersuchungskommission  zu 
ernennen  und  von  derselben  ein  Untersuchungsprotokoll  vorlegen  zu 
lassen. 

Die  Hauptpunkte  der  Untersuchung  sind  ins  Schiffsjournal  ein- 
zutragen. 

§  89.  Wenn  die  Untersuchungskommission  berichtet,  daß  Bedenken 
gegen  die  Überführung  des  aufgebrachten  Schiffes  bestehen,  so  hat 
der  Kriegsschiffskommandant  dasselbe  nach  dem  nächsten  japanischen 
Hafen  oder  mit  Genehmigung  der  maßgebenden  neutralen  Behörden 
nach  dem  nächsten  neutralen  Hafen  zu  senden. 

§  90.  Im  Falle  des  vorigen  Paragraphen  hat  der  Kriegsschiffs- 
kommandant durch  einen  Prisenoffizier  über  die  Überführung  des  auf- 
gebrachten Schiffes  nach  dem  nächsten  japanischen  beziehungsweise 
neutralen  Hafen  ein  ausführliches  Protokoll  nach  Formular  Nr.  9  auf- 
nehmen zu  lassen  und  dies  zusammen  mit  dem  Untersuchungsprotokoll 
der  Untersuchungskommission  durch  den  genannten  Offizier  mit  den 
Zeugen,  den  Schiffspapieren  und  den  sonstigen  für  die  prisengerichtliche 
Untersuchung  erforderlichen  Urkunden  dem  nächsten  japanischen  Prisen- 
gerichi  zu  übersenden. 

§  91.  In  den  folgenden  Fällen  kann  der  Kriegsschiffskommandant, 
wenn  es  nicht  zu  vermeiden  ist,  das  aufgebrachte  Schiff  vernichten  oder 
die  sonst  nach  Lage  des  Falls  geeigneten  Maßregeln  ergreifen.  Doch 
soll  er,  ehe  er  zur  Vernichtung  oder  den  sonst  nach  Lage  des  Falls 
geeigneten  Maßregeln  schreitet,  die  Besatzung  des  aufgebrachten  Schiffes 
umschiffen  und,  soweit  tunlich,  die  Ladung  umladen,  auch  die  Schiffs- 
papiere und  die  sonstigen  für  die  prisengerichtliche  Untersuchung  er- 
forderlichen Gegenstände  in  Sicherheit  bringen: 

1.  Wenn  das  Schiff  nicht  in  gutem  Zustande  ist  und  wegen  schwerer 
See  nicht  navigiert  werden  kann. 

2.  Wenn  zu  befürchten  ist,  daß  das  Schiff  vom  Feinde  wieder- 
genommen werden  könne. 

3.  Wenn  das  Schiff  nicht  navigiert  werden  kann,  ohne  daß  die 
zur  Sicherheit  des  Kriegsschiffs  notwendige  Mannschaft  entbehrt  werden 
müßte. 

§  92.  Im  Falle  des  vorigen  Paragraphen  hat  der  Kriegsschiffs- 
kommandant den  Prisenoffizier  zu  veranlassen,  ein  Protokoll  darüber 
aufzunehmen,  warum  die  Navigierung  untunlich  war  und  welche  Maß- 
regeln er  im  einzelnen  getroffen  hat,  und  hat  den  genannten  Offizier 
mit  der  umgeschifften  Mannschaft  und  Ladung  sowie  mit  den  Schiffs- 

29 


Abschnitt  V  Seeprisenordnung:  Aufbringung. 

papieren  und  sämtlichen  für  die  prisengerichtliche  Entscheidung  not- 
wendigen Urkunden  und  Gegenständen  an  das  nächste  japanische  Prisen- 
gericht zu  senden. 

§  93.  Der  Prisenoffizier  hat,  wenn  er  selbst  auf  dem  zu  über- 
führenden Schiff  fährt,  nach  Formular  Nr.  10  ein  Verzeichnis  über  den 
Proviant,  das  Inventar  und  die  Ladung  aufzunehmen,  soweit  sie  in 
dem  gegenwärtigen  Zustand  der  Verladung  untersucht  werden  können. 
Er  kann  bei  der  Aufnahme  dieses  Verzeichnisses  den  Kapitän  um  seine 
Unterstützung  ersuchen  und  hat  ihm  eine  von  ihm  selbst  unterzeichnete 
Abschrift  zu  übergeben. 

§  94.  Der  Prisenoffizier  hat  ein  Journal  zu  führen  und  während 
der  Reise  die  das  Schiff,  die  Ladung  und  die  Mannschaft  betreffenden 
Ereignisse  in  dasselbe  einzutragen. 

§  95.  Wenn  der  Prisenoffizier  während  der  Reise  noch  weitere 
Papiere  empfängt  oder  zerstörte  und  weggeworfene  oder  versteckte  Pa- 
piere ausfindig  macht  oder  aufliest,  so  hat  er  dieselben  sofort  zu  ordnen 
und  zu  numerieren  und  sie  einem  nach  Formular  Nr.  11  auf- 
genommenen Protokoll  beizufügen. 

§  96.  Es  ist  Pflicht  des  Prisenoffiziers,  mit  äußerster  Sorgfalt  darauf 
bedacht  zu  sein,  daß  dem  Schiff  und  der  Ladung  während  der  Über- 
führung kein  Schade  zustößt. 

§  97.  Nur  in  Fällen  dringender  Notwendigkeit  darf  der  Prisen- 
offizier die  Mannschaft  oder  die  Ladung  landen  oder  umschiffen.  In 
diesem  Falle  hat  er  über  die  Landung  oder  die  Umschiffung  der  Mann- 
schaft und  der  Ladung  sowie  über  die  Veranlassung  hierzu  ein  Proto- 
koll nach  Formular  Nr.  12  aufzunehmen. 

Die  gelandete  oder  umgeschiffte  Mannschaft  und  Ladung  muß 
auf  geeignete  Weise  unverzüglich  nach  dem  Sitz  eines  japanischen  Prisen- 
gerichts befördert  werden. 

§  98.  Sofort  nach  der  Ankunft  an  dem  Reiseziel  hat  der  Prisen- 
offizier das  aufgebrachte  Schiff  dem  Prisengerichtshof  zu  übergeben 
und  die  Einleitung  des  prisengerichtlichen  Verfahrens  zu  beantragen. 


30 


Seeprisenordnung:  Formulare.  Abschnitt  V 

Formular  Nn  1,    (§  22,) 

Blockadebekanntmachung. 

Ich  erkläre  hiermit  im  Auftrage  der  Kaiserlichen  Regierung,  daß 

am  (Datum)   .... 

(Ort) 

von  (Ort) in Breite Länge 

bis  (Ort)  in  Breite  Länge 

von  Kaiserlichen  Kriegsschiffen  in  ausreichender  Stärke  blockiert  worden 
ist,  daß  diese  Blockade  aufrechterhalten  wird  und  daß  gegen  alle  Schiffe, 
welche  dieselbe  zu  brechen  versuchen,  alle  Zwangsmaßregeln,  welche 
das  Völkerrecht  und  die  Verträge  zwischen  Japan  und  den  neutralen 
Mächten  gestatten,  angewandt  werden  werden. 

(Datum)  ^ 

an  Bord  S.M.  S.  (Name) 

(Name)  

Oberstkommandierender  (Kommandierender)  des 
Geschwaders. 


Formular  Nn  2.    (§  64,) 

Blockadewarnung. 

Ich  habe  heute  im  Auftrage  des  Kommandanten 

(Name) S.M.S.  (Name) 

das  Dampf-  (Segel-)  Schiff  (Name)  

visitiert  und  dasselbe  gewarnt,  daß  (Ort)  

von  (Ort) in Breite Länge 

bis  (Ort)  in  Breite  Länge 

sich  unter  Blockade  befindet. 

(Datum)  

Breite  , Länge 

(Rang,  Name,  Siegel) 

S.  M.  S.  (Name) 


31 


Abschnitt  V  Seeprlsenordnung :  Formulare. 

Formular  Nn  3.    (§  64,) 

Warnung  über  den  Kriegsausbruch. 

Ich  habe  heute  im  Auftrage  des  Kommandanten  (Name)  

S.  M.  S.  (Name) 

das  Dampf-  (Segel-)  Schiff  (Name)  

visitiert  und  dasselbe  gewarnt,  daß  zwischen  Japan  und  

Krieg  ausgebrochen  ist. 

(Datum) 

Breite  Länge 

(Rang,  Name,  Siegel) 

S.  M.  S.  (Name) 


Formular  Nn  4,    (§  74,) 

Protokoll  über  die  zur  Zeit  der  Aufbringung 
empfangenen   Schiffspapiere. 

Name  des  Schiffes  

Name  des  Kapitäns 

1.  Ich  bin  am  (Datum)  bei  der  Auf- 
bringung des  oben  bezeichneten  Schiffes  durch  S.  M.  S.  (Name) 

gegenwärtig  gewesen. 

2.  Ich  habe  alle  bei  der  Aufbringung  des  oben  bezeichneten  Schiffes 
an  Bord  vorhandenen,  unter  Nummer  bis  an- 
liegenden Papiere  damals  empfangen. 

3.  An  dem  Zustand  der  oben  bezeichneten  Papiere  zur  Zeit  des 
Empfangs  ist,  abgesehen  von  ihrer  Numerierung,  keine  Veränderung 
vorgenommen  worden. 

Die  vorstehenden  Tatsachen  werden  hiermit  bescheinigt. 

(Datum)  

(Rang,  Name,  Siegel) 

;  S.  M.  S.  (Name) 


ö2 


^prisenordnung:  Fonnulare»  Abschnitt  V 

Formular  Nn  5.    (§  750 

Protokoll  über  die  zur  Zeit  der  Aufbringung 
weggeworfen  (zerrissen  oder  versteckt)  gewesenen 

Schiffspapiere.  \ 

Name  des  Schiffes  

Name  des  Kapitäns 

1.  Ich  bin  am  (Datum)  bei  der  Auf- 
bringung des  oben  bezeichneten  Schiffes  durch  S.  M.  S.  (Name) 
gegenwärtig  gewesen. 

2.  Ich  habe  (Ort)  

gesehen,  wie  aus  einer  Bordöffnung  des  oben  bezeichneten  Schiffes 
einige  Minuten  (oder  sonstige  Angaben)  vor  der  Aufbringung  (Zahl) 

Bündel  Papiere  ins  Wasser  geworfen  wurden.    Ich   habe 

sofort  ein  Boot  ausgesetzt,  (Zahl)  von  den  Bündeln  waren 

schon   untergegangen,  (Zahl)  von  ihnen  ließ  ich  aber  von 

der  Bootsmannschaft  aufnehmen.  (Bei  Zerreißen  oder  Verstecken  ist 
der  jeweilige  Tatbestand  anzugeben.) 

3.  Die  unter  Nummer  bis  beiliegenden 

Papiere  sind  alle,  die  derzeit  aufgelesen  worden  sind.  An  dem  damaligen 
Zustand  derselben  ist,  abgesehen  von  ihrer  Numerierung,  keine  Ver- 
änderung vorgenommen  worden. 

Die  obigen  Tatsachen  werden  hiermit  bescheinigt. 

Patum)  

(Rang,  Name,  Siegel) 

S.  M.  S.  (Name) 


Formular  Nn  6,    (§  76.) 

Aufstellung  über  die  zur  Zeit  der  Aufbringung  an 
Bord  des  Schiffes  gegenwärtig  gewesenen  Gelder, 
Wertsachen  und  sonstigen  wichtigen  Gegenstände. 

Name  des  Schiffes  

Name  des  Kapitäns 

(Aufstellung  der  Gegenstände) 


MarBtrand-Meohlenburff,  Dm    Japanlsobe  Prisenreoht.    Band  I.      (3)  OO 


Abschnitt  V  Seeprisenordnimg:  Formulare. 

(Hier  ist  jeweils  zu  bemerken,  ob  die  Gelder,  die  Wertsachen  und  die 
sonstigen  wichtigen  Gegenstände  freiwillig  übergeben  worden  sind  oder 
ob  und  wo  dieselben  versteckt  und  gefunden  worden  sind.) 

Daß  das  Obenstehende  eine  wahre  Aufstellung  der  an  Bord  des 

von  mir  am  (Datum) aufgebrachten  Schiffes  vorhanden 

gewesenen  sämtlichen  Gelder,  Wertsachen  und  sonstigen  wichtigen 
Gegenstände  ist,  bescheinige  ich  hiermit. 

Anm.    Eine  Abschrift  dieser  Aufstellung  wurde,  mit  Unterschrift 

versehen,  am  (Datum) dem  Kapitän  des  (Name) 

übergeben,  und 

(Hat  der  Kapitän  Beschwerde  erhoben,  so  ist  dieselbe  hier  kurz  zu  er- 
wähnen.) 

(Datum)  

(Rang,  Name,  Siegel)  

S.  M.  S.  (Name) 

N.  B,   Es  ist  unerläßlich,  eine  Abschrift  der 
Aufstellung  dem  Kapitän  zu  übergeben. 


Fornmlar  Nn  7,    (§  83,) 

Protokoll  über  die  Umschiffung  der  Mannschaft 

des  aufgebrachten  Schiffes  durch  den 

Kriegsschiffs-Kommandanten. 

Name  des  Schiffes 

Name  des  Kapitäns 

1.  Der  Kommandant  S.  M.  S.  (Name)  

(Rang,  Name) hat  am  (Datum) 

auf Breite  und  Länge  das  oben 

bezeichnete  Schiff  aufgebracht. 

2.  Der  genannte  Kommandant  (Rang,  Name)  

ließ  am  (Datum) ,  ehe 

er  das  aufgebrachte  Schiff  nach  einem  Hafen  schickte,  wo  sich  ein 
Prisengericht  befindet,  (Zahl)  von  der  Besatzung  des  ge- 
nannten Schiffes  sich  umschiffen. 

3.  Der  Grund  dieser  Umschiffung  ist 

(Datum)  

Der  Prisenoffizier 

(Rang,  Name,  Siegel)  

S.  M.  S.  (Name) 

34 


SeepriMDordnung:  Fonnulare.  Abschnitt  V 

Formular  Nn  8,    (§  87.) 

ProtokollüberdenVerkaufderLadung. 

Name  des  Schiffes  

Name  des  Kapitäns 

1.  Der  Kommandant  S.  M.  S.  (Name)  

(Rang  und  Name) hat  am  (Datum) 

auf Breite  und Länge  das 

oben  bezeichnete  Schiff  aufgebracht. 

2.  Der  genannte  Kommandant  hat  am  (Datum) 

den  Befehl  erteilt,  die  Ladung  des  aufgebrachten  Schiffes  zu  untersuchen. 

3.  Das  Untersuchungsprotokoll  der  Untersuchungskommission  liegt 
als  Anlage  A  an. 

4.  Auf  dieses  Protokoll  hin  hat  der  Kommandant  mir  den  Befehl 

erteilt,  das  genannte  Schiff  sofort  nach  dem  Hafen  von  

zu  navigieren  und  dort  die  Ladung  öffentlich  zu  verkaufen. 

5.  Die  Ladung  habe  ich  am  (Datum) nach  dem  ge- 
nannten Hafen  befördert  und  durch  die  geeignetsten  Sachverständigen 

(Name)  X und  (Name)  Y  abschätzen 

lassen. 

6.  Ehe  X  und  Y  zur  Schätzung  schritten,  haben  sie  geschworen, 
daß  sie  ihre  Schätzung  unparteiisch  und  gewissenhaft  abgeben  würden. 
Die  Eidesschrift  liegt  als  Anlage  B  an. 

7.  Die  Abschätzungsbescheinigung  des  X  und  Y  liegt  als  An- 
lage C  an. 

8.  Am  (Datum)  habe  ich  den  Befehl  erteilt,  die 

Ladung  in  (Ort) öffentlich  zu  verkaufen.    Die  Anzeige 

über  den  öffentlichen  Verkauf  in  (Ort)  liegt  als  An- 
lage D  an. 

9.  Der  bekanntgemachte  öffentliche  Verkauf  wurde  am  (Datum) 
ausgeführt.  Verkauf  und  Übergabe  der  Ladung  ge- 
schahen in  meinem  Beisein  (oder  dem  eines  Kaiserlichen  Konsuls  oder 
eines  in  der  Nähe  des  Verkaufsortes  befindlichen  Kaiserlichen  Beamten) 
und  vor  meinen  Augen. 

10.  Eine  mir  von  (Name) übergebene  Aufstellung 

über  die  an  ihn  verkaufte  Ladung  liegt  als  Anlage  E  an, 

IL  Die  in  der  anliegenden  Aufstellung  angegebene  Summe  im 

Betrage  von  Yen habe  ich  am  (Datum) 

dem  (Name) übergeben. 

Die  vorstehenden  Tatsachen  bescheinige  ich  hiermit. 

(Datum) 

Der  Prisenoffizier 

(Rang,  Name,  Siegel)  

S.  M.  S.  (Name) 

(3*)  35 


Abschnitt  V  SBeprisenordnung :  Formulare. 

Forrtmlar  Nn  9.    (§  90.) 

Protokoll  über  die  Überführung 

des  aufgebrachten  Schiffes  nach  einem  neutralen 

(nächst  gelegenen  japanischen)  Hafen. 

Name  des  Schiffes  

Name  des  Kapitäns 

1.  Der  Kommandant  S.  M.  S.  (Name)  

(Rang  und  Name) hat  am  (Datum) 

auf  Breite  und  Länge  das  oben  be- 
zeichnete Schiff  aufgebracht. 

2.  Der  genannte  Kommandant  hat  am  (Datum) 

den  Befehl  erteilt,  das  aufgebrachte  Schiff  zu  untersuchen. 

3.  Das  Untersuchungsprotokoll  der  Untersuchungskommission  liegt 
als  Anlage  A  an. 

4.  Auf  dieses  Protokoll  hin  hat  der  Kommandant  mir  den  Befehl 

erteilt,  das  aufgebrachte  Schiff  nach  dem  Hafen  (Name) 

zu  navigieren. 

5.  Zur  Ausführung  dieses  Befehls  bin  ich  am  (Datum)  

in  dem  Hafen  (Name)  angekommen  und  habe  das 

aufgebrachte  Schiff  dem  (Name)  

übergeben. 

Die  vorstehenden  Tatsachen  bescheinige  ich  hiermit. 

(Datum) 

(Rang,  Name,  Siegel)  

S.  M.  S.  (Name) 


FormMlar  Nn  10,    (§  93.) 

Verzeichnis  des  Proviants,   des   Inventars  und 
der  Ladung  des  aufgebrachten  Schiffes. 

Name  des  Schiffes 

Name  des  Kapitäns 

(Verzeichnis)  

Ich  bescheinige  hiermit,  daß  ich  am  (Datum) 

36 


SatprisMordnung:  Formulare.  Abschnitt  V 

den  Befehl  bekommen  habe,  das  genannte  Schiff  behufs  prisengericht- 
licher Untersuchung  nach  dem  Hafen  (Name)  

zu  navigieren,  und  daß  das  oben  angegebene  Verzeichnis  den  Proviant, 
das  Inventar  und  die  Ladung  enthält,  soweit  ich  sie  in  dem  damaligen 
Zustand  der  Verladung  untersuchen  konnte. 

Anmerkung.    Eine  Abschrift  dieses  Verzeichnisses  wurde,  mit 

Unterschrift  versehen,  am  (Datum)  dem  Kapitän  des 

(Name) übergeben,  und 

(Hat  der  Kapitän  Beschwerde  erhoben,  so  ist  dieselbe 

hier  kurz  zu  erwähnen.) 

(Datum) 

Der  Prisenoffizier 

(Rang,  Name,  Siegel)  

S.M.  S.  (Name)  

N.  B.  Es  ist  unerläßlich,  eine  Abschrift 
dieses  Verzeichnisses  dem  Kapitän  zu  über- 
geben. 


Formular  Nn  11>    (§  95,) 

Protokoll  über  die  während  der  Navigierung 

empfangenen   (weggeworfenen,   zerstörten   oder 

versteckten)  Schiffspapiere. 

Name  des  Schiffes 

Name  des  Kapitäns 

1.  Ich  habe  am  (Datum) den  Befehl  erhalten,  das 

genannte  Schiff  behufs  prisengerichtlicher  Untersuchung  nach  dem  Hafen 
(Name) zu  navigieren. 

2.  Auf  dieser  Reise  habe  ich  am  (Datum)  von 

dem  genannten  Kapitän  die  unter  Nr.  1  bis  anliegenden 

Papiere  erhalten.  (Gegebenenfalls  sind  die  Umstände  genau  anzugeben. 
Das  gilt  auch  für  Fälle,  wo  die  Papiere  weggeworfen,  zerstört  oder  ver- 
steckt gewesen  sind.) 

3.  Die  genannten  Papiere  sind  alle,  welche  ich  empfangen  habe, 
und  an  ihrem  damaligen  Zustand  ist,  abgesehen  von  ihrer  Numerierung, 
keine  Veränderung  vorgenommen  worden. 

Die  vorstehenden  Tatsachen  werden  hiermit  bescheinigt. 

(Datum) 

Der  Prisenoffizier 

(Rang,  Name,  Siegel) 

S.  M.  S.  (Name) : 

37 


Abschnitt  V  Seepri8enordnung :  Formulare. 

Formular  Nr.  12>    (§  97.) 

Protokoll   über  die   Landung  (Umschiffung) 
der  Besatzung  oder  der  Ladung  des  aufgebrachten 

Schiffes. 

Name  des  Schiffes  

Name  des  Kapitäns 

1.  Ich  habe  am  (Datum) den  Befehl  erhalten,  das 

genannte  Schiff  behufs  prisengerichtlicher  Untersuchung  nach  dem  Hafen 
(Name) zu  navigieren. 

2.  Auf  dieser  Reise  habe  ich  am  (Datum)  

gelandet  (umgeschifft):  (gelandete  bzw.  umgeschiffte  Gegenstände  oder 
Personen  und  der  betreffende  Ort)  


3.  Die    Gründe    der    Landung    (Umschiffung)    derselben    waren 
folgende:    _ 


Die  vorstehenden  Tatsachen  bescheinige  ich  hiermit. 

(Datum) 

Der  Prisenoffizier 

(Rang,  Name,  Siegel)  

S.  M.  S.  (Name)  


Zum  Vergleich  werden  die  englischen  Obersetzungen  der  Formu- 
lare No,  1,  2,  3,  6  und  10  beigefügt. 

Der  Marineadjutant  des  Großen 
Hauptquartiers. 

Form  Nr.  1  (referred  to  in  Art.  22). 


Declaration  of  Blockade. 

I  hereby  declare  that  on  the  day  of last 

the  ,  from  ,  in  latitude  , 

longitude ,  to in  latitude , 

longitude ,  were  placed  in  a  state  of  Blockade  by  a 

competent  force  of  His  Imperial  Majesty's  Ships  and  are  now  in  such 

38 


Seeprisenordnung:  Formulare.  Abschnitt  V 

State  of  Blockade;  and  that  all  measures  authorized  by  the  Law  of 
Nations  and  the  respective  Treaties  between  the  Empire  of  Japan  and 
the  different  Neutral  Powers  will  be  enforced  on  behalf  of  this  Imperial 
Japanese  Majesty's -Government  against  all  Vessels  whicb  may  attempt 
to  violate  the  Blockade. 

Given  on  board  His   Imperial  Japanese  Majesty's 

Ship  at ....,  this day  of 19 

Signed:  Commander  in  Chief  (Admiral  in 
Command)  of Squadron. 


Form  Nr.  2  (referred  to  in  Art.  64). 
Warning  of  Blockade. 

I  have  visited  the vessel,  the  this  day 

by  the  order  of  Captain   of  His  Imperial  Japanese 

Majesty's   Ship   ,   and   warned   that , 

from   : ,  in  latitude ,  longitude , 

to ,  in   latitude   ,   longitude , 

is  under  Blockade. 

Dated  this day  of 19   

Signed :   

His  Imperial  Japanese  Majesty's  Ship  


Form  Nr.  3  (referred  to  in  Art.  64). 
Warning  of  Hostilities. 

I  have  visited  the  vessel,  the this 

day  by  the  order  of  Captain of  His  Imperial  Japanese 

Majesty's   Ship   :... ,   and   warned   that  the  state   qf  War  has 

existed    and    exists   between    the    Empire   of   Japan    and    the   Empire 

of 

Dated  this day  of 19 

Signed :  •. 

His  Imperial  Japanese  Majesty's  Ship 


39 


Abschnitt  V  Seeprisenordnung :  Foimulare. 

Form  Nn  6  (referred  to  in  Art.  76). 

Certificate  as  to  Money  and   Valuables  found 
on  board  the  Prize. 

The  ,  Master. 

I  the  undersigned  ,  holding  the  rank  of  

in  His  Imperial  Japanese  Majesty's  Navy,  and  commanding: 

His  Imperial  Japanese  Majesty's  Ship  ,  do  hereby  certify 

that  the  following  is  a  correct  account  of  all  Moneys  and  Valuables 

found  on  board  the  above-named  vessel   ,  detained  hy 

me,  as  lawful  Prize  of  War,  on  the  day  of 

19 

(Here  state  the  several  articles,  distinguishing  whether  they  were 
voluntarily  given  up,  or  were  found  concealed,  afid  where) 

Signed:  

Commanding  His   Imperial  Japanese  Majesty's  Ship. 


Note.  —  I  do  hereby  declare  that  on  the day  of 

19 I  deljvered  a  copy,  signed  by  myself,  of  the  above  Certificate 

to  the  Master  of  the  ,  and  that  (here  state 

whether  or  not  the  Master  made  any  objection,  and  if  he  did,  what  the 
nature  of  the  objection  was)  

Signed  this day  of 19 


Commanding  His  Imp.  Jap.  Majesty's  Ship 
(A  copy  of  this  Certificate  must  in 
all  cases  be  delivered  to  the  Master.) 


Form  Nr.  10  (referred  to  in  Art.  93). 

Inventory    of   the   Stores,    Furniture    and    Cargo 

of   the   Prize. 

The  ,  Master. 

I,  ,  holding  the  rank  of  in  His 

Imperial  Japanese  Majesty's  Navy,  and  the  Prize-Officer  in  charge  of 
the  above-named  Vessel,  do  hereby  certify  that  the  following  is  a  correct 
Inventory  of  the  Stores,  Furniture,  and  Cargo  of  the  said  Vessel,  so 

4Ö 


Seeprisenordnung:  Formulare.                                                            Abschnitt  V 
far  as  the  said  can  be  ascertained  without  disturbing  the  Stowage: 

Signed  this day  of 19 - 


Note.  —  I  do  hereby  declare  that  on  the  day  of  

19 ,  I  delivered  a  copy,  signed  by  myself,  of  the  above  Inventory 

to  the  Master  of  the  ,   and   that  (here 

State  whether  or  not  the  Master  made  any  objection,  and  if  he  did,  what 

the  nature  of  the  objection  was)  

Signed  this day  of 19 

(A  copy  of  this  Inventory  must 
be  delivered  to  the  Master). 


il 


Abschnitt  VI. 

Übersicht  über  die  Prisengerichtsentscheidungen 
nach  der  Anordnung  des  Abschnittes  VI. 


1.  „Ekaterinoslav"  (russisch). 

a)  Einziehung  des  feindlichen  Schiffs  und  feindlicher  Ladung. 

b)  Einziehung  feindlicher  Ladung. 

2.  „Mukden"  (russisch). 

a)  Freigabe  nichtfeindlicher  Ladung. 

b)  Einziehung  des  feindlichen  Schiffs  und  feindlicher  Ladung.  Frei- 
gabe nichtfeindlicher  Ladung. 

c)  Einziehung  feindlicher  Ladung. 

d)  Abweisung  der  Reklamation  auf  Freigabe  von  10000  Rubeln 
und  des  Antrags  auf  Arrestanlegung  zugunsten  des  Rekla- 
manteil. 

e)  Freigabe  amtlicher  Schriftstücke  der  französischen  Handels- 
agentur in  Wladiwostok. 

f)  Einziehung  feindlicher'  Ladung. 

g)  Abweisung  der  Reklamation  eines  Konsuls,  weil  dieser  als  solcher 
nicht  zur  Vertretung  befugt. 

h)  Abweisung  der   Reklamation,   weil  Vertreter   kein   japanischer 

Rechtsanwalt, 
i)  Einziehung  feindlicher  Ladung.    Abweisung  der   Reklamation 

auf  Ersatz  der  Frachtkosten, 
k)  wie  bei  i. 

1)  Einziehung  feindlicher  Ladung, 
m)  wie  bei  1. 
n)  wie  bei  1. 
o)  wie  bei  1. 

3.  „Rossia"  (russisch). 

a)  Einziehung  des  feindlichen  Schiffs. 

b)  Abweisung  der  Reklamation  auf  Freigabe  des  Schiffs  wegen  Be- 
stehens eines  neutralen  Vorzugsrechts  an  demselben,  bzw.  Zu- 
erkennung  eines  solchen  an  der  Prise,  bzw.  Befriedigung  des 
zugrunde  liegenden  Anspruchs  durch  den  japanischen  Staat. 

42 


Prisengerichtsentscheidungen.  Abschnitt  VI 

4.  „Argun"  (russisch). 

a)  Freigabe  nichtfeindlicher  Ladung. 

b)  Einziehung  des  feindlichen  Schiffs  und  zugehörigen   Geldes. 

5.  „Manchuria"  (russisch). 

a)  Einziehung  des  feindlichen  Schiffs  und  feindlicher  Ladung.  Frei- 
gabe von  Gütern  einer  Missionsgesellschaft  und  anderer,  nicht- 
feindlicher Ladung. 

b)  Abweisung  der  Reklamation  eines  Konsuls,  weil  dieser  als  solcher 
nicht  zur  Vertretung  befugt. 

c)  Einziehung  feindlicher   Ladung. 

d)  Einziehung  feindlicher  Ladung.  Abweisung  der  Reklamation 
wegen  Ersatzes  der  Frachtkosten. 

e)  Einziehung  feindlicher  Ladung. 

f)  wie  bei  e. 

g)  Abweisung  der  Reklamation  wegen  nicht  formgerechter  Prozeß- 
vollmacht. -' 

h)  Einziehung  feindlicher  Ladung, 
i)  wie  bei  h. 
k)  wie  bei  h. 

6.  „Alexander"  (russisch). 

Einziehung  des  feindlichen  Walfischfängers  und  seiner  Ladung. 

7.  „Michael"  (russisch). 

Wie  bei  6. 

8.  „Nikolai"  (russisch). 

Einziehung  des  feindlichen  Walfischfängers  und  zugehörigen 
Geldes. 

9.  „Kotik"  (russisch). 

Wegnahme  des  feindlichen  Fischerei-  und  Kontrollschiffs. 

10.  „Lesnik"  (russisch). 

a)  Einziehung  des  feindlichen  Hochseefischereifahrzeugs  und  seiner 
Ladung. 

b)  Abweisung  der  Reklamation,  weil  nicht  form-  und  fristgemäß. 

11.  „Hermes"  {norwegisch). 

Freigabe  des  Schiffs  und  seiner  Kohlenladung,  weil  in  Un- 
kenntnis vom  Kriegszustand  befindlich. 

12.  „Nadeschda"  (russisch). 

Einziehung  des  feindlichen  Schiffs. 

13.  „Bobrik"  (russisch). 

Einziehung  des  feindlichen  Hochseefischereischiffs. 

14.  „J  u  1  i  a  d  e"  (russisch). 

Einziehung  des  feindlichen  Dampfboots. 

43 


Abschnitt  VI  PrisengerichtsentscheiduDgen* 

15.  „Manchuria"  (russisch). 

Einziehung   des   in    Reparatur   begriffenen   feindlichen    Schiffs 
und  zugehörigen  Proviants. 

16.  „Thalia"  (russisch). 

Einziehung  des  feindlichen  Dampfboots. 

17.  „Aggi"  (norwegisch). 

Freigabe  des  Schiffs  und  der  nichtfeindlichen   Kohlenladung. 

18.  „Hsiping"  (englisch). 

a)  Freigabe  von  Schiff  und  Nichtkonterbandegütern. 

b)  Einziehung  von  gemischter  Konterbandeladung  und  von  Gütern ^ 
die  Konterbandeeigentümern  gehören.  Abweisung  eines  Teils 
der  Reklamation,  weil  nicht  fristgemäß. 

c)  Einziehung  von  gemischter  Konterbandeladung  und  von  Gütern^ 
welche  Konterbandeeigentümern  gehören.  Freigabe  von  Nicht- 
konterbandegütern. 

d)  Einziehung  einer  Konterbandeladung  von  Geld. 

e)  wie  bei  d. 

f)  wie  bei  d. 

19.  „Peiping"  (chinesisch). 

a)  Freigabe  von  Schiff-  und  Nichtkonterbandegütern. 

b)  Einziehung  einer  Konterbandeladung  von  Lebensmitteln. 

c)  Einziehung  einer  Konterbandeladung  von  Geld. 

d)  wie  bei  c. 

e)  wie  bei  c. 

f)  wie  bei  c. 

g)  wie  bei  c. 

h)  Einziehung  von  gemischten  Konterbandegütern  und  von  Gütern^ 
welche  Konterbandeeigentümern  gehören. 

20.  „George"  (französisch). 

Einziehung  des  Schiffes  wegen  Blockadebruchs. 

21.  „Si-Shan"  (englisch). 

Freigabe  des  Schiffs  und  seiner  Ladung  von  Vieh. 

22.  „Fuping"  (deutsch). 

a)  Einziehung  von   Schiff   und   Ladung  wegen    Blockadebruchs, 

b)  Einziehung  von  67  000  Rubeln. 

23.  „Nigretia"  (englisch). 

a)  Einziehung  des  Schiffs  wegen  Transports  von  Konterbande- 
personen. 

b)  Einziehung  der  Ladung  wegen  Kollusion  des  Ladungseigen- 
tümers bei  dem  Transport  der  Konterbandepersonen. 

c)  Abweisung  der  Reklamation  auf  Festsetzung  eines  Vorzugs- 
rechts an  dem  Schiff  wegen  Anspruchs  auf  Hilfslohn. 


PriMngerichtsentscheidungen.  Abschnitt  VI 

24.  ,,Veteran"  (deutsch). 

a)  Einziehung  des  Schiffs  wegen  Blockadebruchs. 

b)  Einziehung  der  Ladung  wegen  Blockadebruchs. 

25.  „K  i  n  g  A  r  t  h  u  r"  (englisch). 

Einziehung  des  Schiffs  wegen  Blockadebruchs.    Abweisung  der 
Reklamation  wegen  Ersatzes  von  Schaden  und  Kosten. 

26.  „Roseley"  (englisch). 

a)  Einziehung  des  Schiffs  wegen  Transports  einer  Konterbande- 
ladung von  Kohle  unter  Anwendung  betrügerischer  Mittel. 

b)  Einziehung  der  Konterbandeladung  von  Kohle. 

27.  „Le thington"  (englisch). 

a)  wie  bei  26  a. 

b)  wie  bei  26  b. 

28.  „S  c o ts  m  a n"  (englisch). 

a)  Einziehung  des  Schiffs  wegen  Transports  einer  Konterbande- 
ladung von  Kohle. 

b)  wie  bei  26  b. 

29.  „W  i  1  h  e  1  m  i  n  a"  (holländisch). 

a)  Einziehung  des  Schiffs  wegen  Transports  einer  dem  Schiffs- 
eigentümer gehörigen  Konterbandeladung  von  Kohle  unter  An- 
wendung betrügerischer  Mittel. 

b)  Abweisung  der  Reklamation  wegen  mangelnden  rechtlichen 
Interesses.    Einziehung  der  Konterbandeladung  von  Kohle. 

30.  „B  a  w  t  r  y"  (englisch). 

a)  Einziehung  des  Schiffs  wegen  Transports  gemischter  Konter- 
bandeladung unter  Anwendung  betrügerischer  Mittel. 

b)  Einziehung  von  Konterbandeladung  und  von  Gütern,  welche 
dem  Eigentümer  der  Konterbande  gehören. 

c)  wie  bei  b. 

d)  wie  bei  b. 

e)  Freigabe  von  Nichtkonterbandegütern. 

31.  „Oakley"  (englisch). 

a)  wie  bei  26  a. 

b)  wie  bei  26  b. 

32.  „B  u  r  m  a"  (österreichisch-ungarisch). 

a)  wie  bei  26  a. 
•  b)  wie  bei  26  b. 

33.  „M.  S.  Dollar"  (englisch). 

a)  Abweisung  der  Reklamation,  weil  nicht  japanisch  abgefaßt. 

b)  Wegnahme  des  Schiffs  wegen  Transports  einer  Konterbande- 
ladung von  Pferdefutter  unter  Anwendung  betrügerischer  Mittel. 

c)  Wegnahme  der  Konterbandeladung  von  Pferdefutter. 

45 


Abschnitt  VI  Priaengerichtsantscheidungen. 

34.  „Wyefield"  (englisch). 

a)  wie  33  b. 

b)  wie  33  c. 

35.  „Siam"  (österreichisch-ungarisch). 

a)  wie  26  a. 

b)  wie  26  b. 

36.  „Eastry"  (engHsch). 

Freigabe  des  Schiffs  und  seiner  Kohlenladung. 

37.  „Faros"  (deutsch). 

a)  Einziehung  des  Schiffs  wegen  Konterbandetransports  unter  An- 
wendung betrügerischer  Mittel  sowie  der  gemischten  Konter- 
bandeladung. 

b)  Freigabe  von  Nichtkonterbandegütern. 

38.  „Apollo"  (englisch). 

Einziehung  des  Schiffs  wegen  Transports  einer  dem  Schiffs- 
eigentümer gehörigen  Konterbandeladung  unter  Anwendung  be- 
trügerischer Mittel  sowie  der  Konterbandeladung  von   Kohle. 

39.  „Sylviana"  (englisch). 

a)  wie  bei  26  a. 

b)  wie  bei  26  b. 

40.  „P  o  w  d  e  r  h  a  m"  (englisch). 

a)  wie  bei  28  a. 

b)  wie  bei  26  b. 

41.  „Severus"  (deutsch). 

wie  bei  38. 

42.  „Romulus"  (deutsch). 

wie  bei  38. 

43.  „Easby  Abbey"  (englisch). 

a)  wie  bei  26  a. 

b)  wie  bei  26  b. 

44.  „V  e  g  g  a"  (englisch). 

a)  wie  bei  26  a. 

b)  wie  bei  26  b. 

45.  „Venus"  (englisch). 

wie  bei  38. 

46.  „  A  p  h  r  o  d  i  t  e"  (englisch). 

wie  bei  38. 

47.  „S  a  X  0  n  P  r  i  n  c  e"  (englisch).  . 

Freigabe  von  Schiff  und  Ladung. 

48.  „T  a  c  o  m  a"  (amerikanisch). 

a)  Einziehung  des  Schiffs  wegen  Konterbandetransports  unter  An- 
wendung betrügerischer  Mittel. 

b)  Einziehung  der  Konterbandeladung  von  Salzfleisch  pp. 

46 


PrismgorichtseDtscheldimgen.  Abschnitt  VI 

49.  „H  arber  ton"  (englisch). 

a)  wie  26  a. 

b)  wie  26  b. 

50.  „Industrie"  (deutsch). 

Einziehung  des  Schiffs  wegen  Spionage. 

51.  „Henry  Bolckow"  (norwegisch). 

a)  Einziehung  des  Schiffs  wegen  Konterbandetransports  unter  An- 
wendung betrügerischer  Mittel. 

b)  Einziehung  der  Konterbandeladung  von  Mehl. 
32.  „Lincluden"   (englisch). 

Freigabe  von  Schiff  und  Ladung. 

53.  „Q  u  a  n  g  N  a  m"  (französisch). 

Abweisung    der    Reklamation    wegen    mangelnden  rechtlichen 
Interesses.    Einziehung  des  Schiffs  wegen  Spionage. 

54.  „O  r  e  1"  (russisch). 

a)  Einziehung  des  Lazarettschiffs  wegen  Teilnahme  an  den  Kriegs- 
operationen. 

b)  Einziehung  des  dem  Lazarettschiff  zugehörigen  Geldes. 

55.  „Lydia"  (deutsch). 

a)  wie  30  a. 

b)  wie  30  b. 

56.  „A  u  s  t  r  a  1  i  a"  (amerikanisch). 

Einziehung    des  Schiffs    und  der  Ladung  wegen    feindlichen 
Charakters. 

57.  „Antiope"  (englisch). 

Prisengericht :  Freigabe  des  Schiffs.  •  Wegnahme  der  Konter- 
bandeladung von  Salz. 

Oberprisengericht:  Einziehung  des  Schiffs  wegen  Transport  der 
Konterbandeladung  von  Salz. 

58.  „Montara"  (amerikanisch). 

wie  bei  56. 


iT 


Abschnitt  VI  Prisengerichtsentscheidungen:  „Eitaterinoslav'' 


Reklamant:  Die  Gesellschaft  der  russischen  freiwilligen  Flotte 
in  St.  Petersburg,  Rußland,  vertreten  durch  den  Vorsitzenden  Ver- 
waltungsrat Pierre  Faurief. 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  Masushima  Rokuichiro, 
Regierungsbezirk  Kanagawa,  Yokohama  Yamashitacho  Nr.  14. 

In  der  Prisensache,  betreffend  den  russischen  Dampfer  „Ekaterinos- 
lav"  und  seine  Ladung,  wird,  wie  folgt,  entschieden. 

Urteilsformel: 
Der  Dampfer  „Ekaterinoslav"  und  die  auf  ihm  verladenen  22  Ge- 
wehre, 5  Pistolen,  3  Kisten  Munition,  1600  Rubel,  31  Kolli  Möbel, 
4  Kolli  Betten,  1  Kollo  Musikinstrumente,  1  Kollo  Fabrikartikel,  4  Kolli 
Pelzwaren,  Schmiedegeräte  und  2  andere  Warensorten,  1  Schrank, 
2  Kolli  Seidengewebe,  156  Kolli  kupferne  Patronenhülsen  und  eine 
andere  Warensorte  und  1  Kollo  Kleider  werden  eingezogen. 

Tatbestand    und    Gründe: 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „Ekaterinoslav"  steht  im 
Eigentum  der  russischen  Gesellschaft  der  freiwilligen  Flotte,  sein  Heimats- 
hafen ist  Odessa  in  Rußland,  und  er  führt  die  russische  Handelsflagge. 
Am  4.  Februar  1904  lud  er  die  in  der  Urteilsformel  verzeichneten  Güter 
und  fuhr  von  Wladiwostok  in  Rußland  nach  Odessa  im  gleichen  Lande 
ab.  Am  6.  d,  M.,  nach*  9  Uhr  vormittags,  wurde  er  3  Seemeilen  nördlich 
von  Fusan  in  Korea  auf  35^  T  n.  Br.  und  129^  13'  ö.  L:  von  dem 
Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Saiyen"  beschlagnahmt. 

Diese  Tatsachen  sind  nicht  nur  von  dem  Vertreter  der  Reklamation 
anerkannt,  sondern  werden  auch  bewiesen  durch  die  Aussageschrift 
und  das  Güterverzeichnis  des  Vertreters  des  Kommandanten  der 
„Saiyen",  Kapitänleutnants  Yoshimura  Shinsei,  die  Frachtbriefe 
für  die  Güter,  das  Tagebuch,  die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns 
GeorgeSeletzky,  des  ersten  Offiziers  WladimirKicimoff  und 
■des  zweiten  Offiziers  Peter  Rübakoff  vom  Dampfer  „Ekaterinoslav". 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  des  Vertreters  der  Reklamation 
sind  folgende: 

1.  Da  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  weder  Gefechtsrüstung 
trage,  noch  zum   Kriegskonterbandetransport  gedient,  noch  solche  an 

48 


PrisengorichtsentBcheidungon:  „Ekaterinoslav".  Abschnitt  VIi» 

Bord  gehabt  habe,  so  könne  es  nach  der  von  dem  Völkerrechtskongreß 
in  Türin  vom  Jahre  1882  beschlossenen  Seeprisenordnung,  Artikel  23 
Ziffer  3,  nicht  beschlagnahmt  werden. 

2.  Der  Dampfer  sei  in  einer  Entfernung  von  drei. Seemeilen  von  der 
Küste  Koreas,  welches  von  Japan  als  unabhängiger  Staat  angesehen 
ixerde,  d.  h.  innerhalb  der  in  neuerer  Zeit  als  Hoheitsgewässer  an- 
gesehenen 6  Seemeilen  beschlagnahmt  worden.  Dieser  Ort  könne  dem- 
nach nur  als  im  Hoheitsgewässer  eines  neutralen  Staates  belegen  an- 
gesehen werden,  und  daher  müsse  entsprechend  dem  von  dem  Völker- 
rechtskongreß in  Paris  im  Jahre  1895  beschlossenen  Abänderungsent- 
Turf  und  Artikel  8  und  9  der  oben  erwähnten  Seeprisenordnung  die 
Beschlagnahme  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  für  unrecht- 
mäßig erklärt  werden, 

3.  Das  Schiff  sei  auf  der  Reise  von  Wladiwostok  nach  Colombo 
begriffen  gewesen  und  habe  von  der  Kriegseröffnung  erst  bei  der  Be- 
schlagnahme Kenntnis  erhalten.  Daher  könne  es  nach  Artikel  6  der 
oben  erwähnten  Prisenordnung  nicht  mit  Beschlag  belegt  werden.  Da 
ferner  der  Krieg  lediglich  eine  Beziehung  zwischen  den  beteiligten 
Staaten  hervorrufe,  so  habe  er  vor  der  Bekanntmachung  der  Kriegs- 
eröffnung keinen  direkten  Einfluß  auf  die  einzelnen  Untertanen.  Daher 
sei  Reklamant  der  Ansicht,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff 
und  seine  Ladung,  welche  am  6.  Februar,  wo  die  Kriegseröffnung  noch 
nicht  bekannt  gewesen  sei,  beschlagnahmt  worden  seien,  freigegeben 
«erden   müßten. 

Da  die  Kaiserliche  Verordnung  Nr.  20  vom  Jahre  1904  *)  aus  dem 
Gedanken  hervorgegangen  sei,  Schiffe,  welche  von  der  Kriegseröffnung 
keine  Kenntnis  hätten,  nicht  mit  Beschlag  zu  belegen,  so  sei  es  billig, 
daß  auch  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff,  welches  in  Unkenntnis 
der  Kriegseröffnung  von  Feindesland  nach  dem  neutralen  Hafen  Colombo 
zu  fahren  vorgehabt  habe,  nicht  beschlagnahmt  werde. 

4.  Die  modernen  Gelehrten  stünden  auf  dem  Standpunkt,  daß, 
uic  auf  dem  Lande  das  Privatvermögen  unverletzlich  sei,  so  auch  das 
Privateigentum  zur  See  nicht  beschlagnahmt  werden  dürfe.  Da  auch 
der  Völkerrechtskongreß  in  Turin  im  Jahre  1882  dies  beschlossen  und 
der  Friedenskonferenz  im  Haag  im  Jahre  1887  unterbreitet  habe,  so  sei 
diese  Ansicht  zu  einem  bereits  privat  und  öffentlich  anerkannten  Grund- 
satz geworden. 

Da  das  Völkerrecht,  abgesehen  von  den  vertragsmäßigen  oder 
sonstigen  Bestimmungen  der  bedeutenden  souveränen  Staaten  der  Erde, 
aus  den  Prinzipien  entstehe,  welche  Fachgelehrte  des  Völkerrechts  oder 
Staatsregierungen  bei  vorkommenden  Fällen  ausgesprochen  hätten,  so 

Mftritrand-Mdolilenbarff,  Dm  Japanisohe  Prisenreoht.    Band  I.       (4)  ^^ 


Abschnitt  VI^*  Prisengerichtsentscheidungen:  „Ekaterlnoslav"» 

müsse  es  sich  mit  dem  Fortschritt  der  Welt  und  der  Änderung  der  Zeit- 
verhältnisse täglich  fortentwickeln.  Daher  müßten  die  Staaten  den  Drang 
der  Welt  und  die  fortgeschrittenste  Meinung  der  Wissenschaft  in  Rück- 
sicht nehmen  und  die  entwickeltsten  Grundsätze  zur  Anwendung  bringen. 

Aus  Artikel  32  der  genannten  Seeprisenordnung  gehe  es  klar  her- 
vor, daß  Gegenstände,  wie  die  22  Gewehre,  5  Pistolen  und  3  Kisten 
Munition,  welche,  wie  auch  auf  anderen  Schiffen,  zur  Verteidigung 
an  Bord  gehalten  würden,  keinenfalls  als  Konterbande  angesehen  werden 
könnten. 

Aus  diesen  Gründen  werde  die  Freigabe  des  Schiffes  und  seiner 
gesamten  Ladung  beantragt. 

Die  Hauptpunkte  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  sind  folgende: 

Das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  sei  ein  feindliches  und  sei 
nach  Eintritt  des  Krieges  beschlagnahmt  worden.  Da  ferner  Korea 
kein  neutrales  Land  sei,  so  sei  die  Beschlagnahme  gerechtfertigt,  und 
es  müsse  auf  Einziehung  erkannt  werden. 

Was  die  Ladung  angehe,  so  seien  die  Möbel  und  die  alten  Kleider 
als  persönliche  Gebrauchsgegenstände  freizugeben.  Alle  anderen  Güter 
müßten  zur  Einziehung  verurteilt  werden. 

In  dem  vorliegenden  Fall  ist  zu  untersuchen : 

1.  ob  die  von  dem  Kongreß  für  Völkerrechtswissenschaft  in  Turin 
im  Jahre  1882  beschlossene  Seeprisenordnung  und  der  von  dem  Völker- 
rechtskongreß in  Paris  im  Jahre  1895  beschlossene  Abänderungsentwurf 
auf  diesen  Fall  Anwendung  finden  oder  nicht; 

2.  ob  die  hier  verhandelte  Beschlagnahme  rechtmäßig  ist  oder 
nicht; 

3.  ob  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  und  seine  ganze  Ladung 
einzuziehen  ist  oder  nicht. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

1.  Wenn  auch,  wie  der  Reklamant  behauptet  hat,  das  Völkerrecht,, 
abgesehen  von  den  vertragsmäßigen  oder  sonstigen  Bestimmungen  der 
Staaten,  aus  den  Prinzipien  hervorgehe,  welche  Fachgelehrte  des  Völker- 
rechts oder  Staatsregierungen  bei  vorgekommenen  Fällen  ausgesprochen 
haben,  so  kann  man  doch  nicht  behaupten,  daß  die  Erklärung  einer 
einzelnen  Regierung  oder  Gelehrtenbeschlüsse  ohne  weiteres  zu  einer 
Bestimmung  oder  Gewohnheit  des  gegenwärtigen  Völkerrechts  werden. 
Da  nun  die  von  dem  Reklamanten  angezogene,  von  dem  Völkerrechts- 
kongreß in  Turin  im  Jahre  1882  beschlossene  Seeprisenordnung,  der 
der  Friedenskonferenz  im  Haag  im  Jahre  1887  unterbreitete  Entwurf 
und  der  von  dem  Völkerrechtskongreß  in  Paris  im  Jahre  1895  be- 
schlossene Abänderungsentwurf  nur  Vorschläge  der  Gelehrten  zum  Aus- 
druck bringen,  und  ferner  die  Regierungen  der  Mächte  lediglich  erklärt 
haben,  diese  Frage  ihrer  Untersuchung  unterwerfen  zu  wollen,  so  können 

50 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Ekaterinoslav".  Abschnitt  VI^* 

sie  auf  den  vorliegenden  Fall  keine  Anwendung  finden.     Daher  kann 
den  Behauptungen  des  Reklamanten  in  diesem  Punkt  nicht  beigepflichtet  , 
xterden. 

2.  Um  den  zweiten  Punkt  klarzustellen,  muß  zunächst  genau  unter- 
sucht werden,  ob  die  Beschlagnahme  nach  dem  Eintritt  des  Kriegs- 
zustandes erfolgt  ist  oder  nicht. 

Aus  den  Tatsachen,  daß  Rußland  während  der  Verhandlungen  mit 
Japan  über  die  mandschurisch-koreanische  Frage  auf  der  einen  Seite 
seine  Antwort^  grundlos  hinzögerte,  während  es  auf  der  anderen  seine 
Armee  in  der  Mandschurei  und  in  Korea  aufmarschieren  ließ  und  seine 
Kriegsflotte  nach  Port  Arthur  zusammenzog,  geht  deutlich  hervor,  daß 
es  seinerseits  bereits  entschlossen  war,  den  Kampf  gegen  Japan  zu  er- 
öffnen. Japan  übersandte  daraufhin  am  5.  Februar  1904  an  Rußland 
eine  Mitteilung  über  den  Abbruch  der  diplomatischen  Beziehungen 
und  machte  gleichzeitig  seine  Kriegsmacht  mobil,  so  daß  die  japanische 
Hotte  am  6.  Februar  1904,  7  Uhr  morgens,  von  Sasebo  zum  Angriff 
des  russischen  Geschwaders  aufbrach.  Wenn  man  sich  die  damalige 
allgemeine  Situation  und  die  Bewegungen  der  beiderseitigen  Kriegs- 
flotten vergegenwärtigt,  so  muß  man  sagen,  daß  die  Feindseligkeiten 
schon  vor  der  zur  Verhandlung  stehenden  Beschlagnahme  ihren  öffent- 
lichen Anfang  genommen  hatten.  Damit  ist  es  erwiesen,  daß  der  Kriegs- 
zustand zur  Zeit  der  hier  verhandelten  Beschlagnahme  bereits  ein- 
getreten war. 

Der  Reklamant  behauptet,  die  Bekanntmachung  der  Kriegseröff- 
nung sei  für  die  Staatsangehörigen  unentbehrlich,  daher  sei  eine  Be- 
schlagnahme vor  Bekanntmachung  der  Kriegseröffnung  unrechtmäßie- 
Da  es  aber  gegenwärtig  allgemein  völkerrechtlich  anerkannt  ist,  daß  es 
zur  Kriegseröffnung  nicht  unbedingt  einer  Bekanntmachung  bedarf,  so 
ist  diese  Behauptung  des  Reklamanten  unbegründet. 

Was  ferner  den  Ort  der  Aufbringung  angeht,  so  macht  der 
Reklamant  geltend,  daß  ein  Ort  in  3  Seemeilen  Entfernung  von  der 
Küste  Hoheitsgewässer  sei,  aber  da  Korea  tatsächlich  kein  neutraler  Staat 
ist.  so  kann  damit  die  Unrechtmäßigkeit  der  Beschlagnahme  nicht  be- 
gründet werden. 

Da  es  des  weiteren  allgemein  völkerrechtlich  anerkannt  wird,  daß 
ein  feindliches  Schiff,  gleichgültig  ob  es  von  der  Kriegseröffnung  Kennt- 
nis hatte  oder  nicht,  beschlagnahmt  werden  kann,  2)  so  kann,  selbst 
angenommen,  das  Schiff  habe  keine  Kenntnis  von  der  Kriegseröffnung 
gehabt,  aus  diesem  Grunde  die  Beschlagnahme  nicht  für  rechtswidrig 
erachtet  werden. 

Die  Kaiserliche  Verordnung  Nr.  20  vom  Jahre  1904  ist  eineOnaden- 
verordnung,  welche  russische  Handelsschiffe,  die  in  japanischen  Häfen 

*)  V§35. 

(4*)  51 


Abschnitt  VI  !•  Prisengorichtsentscheidungen :  „Ekaterinoslav". 

lagen  oder  vor  dem  9.  Februar  von  einem  ausländischen  Hafen  nach 
«inem  japanischen  Hafen  abgefahren  waren,  von  der  Beschlagnahme 
ausnimmt.  Sie  ist  daher  ihrem  Sinne  nach  auf  das  zur  Verhandlung 
stehende  Schiff,  welches  auf  der  Reise  nach  Odessa  war,  wenn  es  auch 
in  Colombo  anlaufen  wollte,  nicht  auszudehnen,  und  die  Vergünstigung 
kann  diesem  nicht  zuteil  werden.  Die  zur  Verhandlung  stehende  Be- 
schlagnahme ist  demnach  zu  Recht  geschehen. 

3.  Da,  wie  oben  dargetan,  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  ein 
feindliches  ist,  und  die  ihm  gehörigen  22  Gewehre,  5  Pistolen  und 
3  Kisten  Munition  zum  Schutz  des  Schiffes,  die  1600  Rubel  zur  Löhnung 
der  Mannschaft  bestimmt  waren,  so  sind  sie  alle  als  feindliches  Gut  an- 
zusehen und  mit  dem  Schiff  zusammen  als  Prise  einzuziehen.  3) 

Was  ferner  die  in  der  Urteilsformel  aufgeführten  Ladungsgüter  an- 
geht, so  waren  sie  alle  von  Wladiwostok  nach  Odessa  abgesandt  und 
müssen  alle  als  feindliches  Gut  betrachtet*)  und  ebenfalls  als  Prise  ein- 
gezogen werden.*) 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  26.  Mai  1904  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Bei- 
sein des  Staatsanwalts  Mizukami  Chojiro. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Die  Gesellschaft  der  russischen  freiwilligen  Flotte  in 
St.  Petersburg,  Rußland,  vertreten  durch  den  Vorsitzenden  Verwaltungsrat 
Pierre  Faurie f.  ♦ 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Masushima  Rokuichiro, 
Regierungsbezirk  Kanagawa,  Yokohama  Yamashitacho  Nr.  14. 

Am  26.  Mai  1904  hat  das  Prisengericht  in  Sasebo  in  der  Prisen- 
sache, betreffend  den  im  Eigentum  der  russischen  freiwilligen  Flotte 
stehenden  Dampfer  „Ekaterinoslav",  welcher  am  6.  Februar  1904  in  der 
Nähe  von  Fusan  in  Korea  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Saiyen" 
aufgebracht  worden  ist,  ein  Urteil  erlassen,  in  welchem  auf  Einziehung 
des  genannten  Dampfers  sowie  der  auf  ihm  verladenen  22  Gewehre, 
5  Pistolen,  3  Kisten  Munition,  1600  Rubel,  31  Kolli  Möbel,  4  Kolli 
Kleidungsstücke  und  Betten,  1  Kollo  Fabrikartikel,  4  Kolli  Pelzwerk, 
Schmiedegeräte  und  2  andere  Warensorten,  1  Schrank,  2  Kolli  Seiden- 
gewebe, 156  Kolli  kupferne  Patronenhülsen  und  anderes  und  1  Kiste 
Kleidungsstücke  entschieden  worden  ist. 


«j  V  §  40.  -  *)  §§  8,  3  und  4. 
52 


PritengerichtsentBcholdungen:  „Ekaterinoslav"  Abschnitt  VI^» 

Gegen  dieses  Urteil  hat  der  Reklamant,  der  Vorsitzende  Verwaltungs- 
rat Pierre  Faurief  der  Gesellschaft  der  russischen  freiwilligen  Flotte, 
durch  den  Rechtsanwalt  Masushima  Rokuichiro  als  Prozeß- 
vertreter die  Berufung  eingelegt,  welche  im  Ober-Prisengericht  im  Bei- 
sein der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku  und  Dr.  jur.  I s h i w a t a r i 
Binichi  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Vertreters  der  Reklamation 
.Masushima  Rokuichiro  und  deren  Gründe  sind  folgende: 

1.  Da  eine  Erklärung  der  Regierung  eines  Staats  und  ein  Beschluß 
der  Gelehrten  eine  Bestimmung  oder  einen  Gebrauch  des  gegenwärtig 
geltenden  Völkerrechts  darstelle,  so  müsse  die  von  dem  internationalen 
Völkerrechtskongreß  in  Turin  im  Jahre  1882  beschlossene  Seeprisen- 
ordnung, der  der  Friedenskonferenz  im  Jahre  1887  vorgelegte  Entwurf 
und  der  Abänderungsentwurf  des  Völkerrechtskongresses  in  Paris  im 
Jahre  1885  als  Norm  des  geltenden  Völkerrechts  betrachtet  werden. 
Denn  das  Völkerrecht  sei  kein  Gesetz,  es  fehle  an  einem  Gesetzgeber 
\tie  für  die  Gesetze  eines  Staats.  Die  Normierung  und  Verbesserung 
geschehe  in  Erklärungen  der  Regierungen  der  Mächte  und  Beschlüssen 
der  Gelehrten.  Das,  was  eine  Regierung  vorkommendenfalls  erkläre, 
«erde  damit  zum  Völkerrecht.  Derartige  Erklärungen  müßten  mit  dem 
Fortschritte  der  Welt  und  der  Änderung  der  Zeitverhältnisse  ihrerseits 
fortschreitend,  verschieden  ausfallen  und  dürften  nicht  für  einen  Staat 
unveränderlich  bestimmt  bleiben.  Als  Richtschnur  für  das  Völkerrecht 
müsse  eine  den  Umständen  des  Falls  entsprechende,  billige  und  un- 
parteiische Behandlung  gelten,  und  bei  der  Anwendung  der  Be- 
stimmungen des  internationalen  Kriegsrechts  müßten  die  Staaten  der  all- 
gemeinen Forderung  der  Welt  nachgeben  und  unter  Anwendung  der 
fortgeschrittensten  Theorien  das  Prinzip  unparteiischer  Gerechtig- 
keit gegen  die  ganze  Welt  zugrunde  legen.  Ein  Prisengericht  sei 
\frschieden  von  einem  gewöhnlichen  Gerichtshof.  Es  gebe  für  das- 
selbe keine  Bestimmungen,  an  die  es  gebunden  sei.  Wenn  man  sich 
ü()erlege;  was  die  Grundlage  bilde,  auf  der  man  zu  dem  Völkerrecht 
gelangt  sei,  und  was,  darüber  hinausgehend,  als  Richtschnur  für  die 
tntscheidungen  dienen  müsse,  so  müsse  man  zu  dem  Resultat  kommen, 
daß  bei  der  Entscheidung  nach  den  jeweiligen  Umständen  des  Falls 
zu  verfahren  sei,  Reklamant  sei  der  Ansicht,  daß  es  sein  selbstverständ- 
liches Recht  sei,  zu  verlangen,  daß  bei  einer  Reklamation,  welche  er  im 
Jahre  1904,  am  Beginn  des  20.  Jahrhunderts,  erhebe,  der  Untersuchung 
die  höchsten  Prinzipien  zugrunde  gelegt  würden,  zu  denen  die  völker- 
rechtliche Forschung  gelangt  sei.  Die  Ansicht  des  Reklamanten  gehe 
dahin,  daß  nicht  auf  dem  Standpunkt  der  Völkerrechtslehren  des  Westens 
Halt  gemacht  werden  müsse,  sondern  daß  man  noch  neuere  Ansichten 
zugrunde  legen  müsse,  nach. denen  gemäß  der  oben  genannten  Richt- 

53 


Abschnitt  VI^»  Prisengerichtsentscheidungen :  „Ekaterinoslav". 

schnür  selbst  feindliche  Schiffe  und  feindliches  Gut,  wenn  dieses  keine 
Konterbande  sei  und  keine  verbotene  Handlung  oder  Absicht  vorliege, 
auch  ein  direktes  Kriegsbedürfnis  oder  ein  Hindernis  für  die  Kriegs- 
führung nicht  vorhanden  sei,  nicht  weggenommen  werden  könnten. 

Nach  moderner  völkerrechtlicher  Auffassung  geschehe  die  Beschlag- 
nahme als  Kontrolle  im  Interesse  der  Kriegsführung  und  die  Visitierung 
und  Untersuchung  dürfe  über  die  Erreichung  dieses  Zieles  hinaus  nicht 
ausgeübt  werden  und  nicht  den  Charakter  eines  Racheaktes  annehmen. 
Selbst  feindliche  Schiffe  und, feindliches  Out  dürften  daher,  abgesehen 
von  gewissen  Fällen,  nicht  weggenommen  werden.  Reklamant  sei  der 
Ansicht,  daß  eine  Anschauung  wie  die,  man  müsse  den  Feind  durch 
Vernichtung  seiner  Schiffahrt  und  seines  Handels  zur  Übergabe  zwingen, 
in  unser  Jahrhundert,  welches  die  Organe  des  Verkehrs  und  der 
Ökonomie  so  entwickelt  habe,  nicht  übernommen  werden  dürfe.  Dem- 
nach müßten  feindliche  Schiffe,  wenn  man  verbotene  Handlungen  nicht 
annehmen  könne,  da  der  Zweck  der  Kontrolle  erreicht  sei,  sofort  frei- 
gegeben werden. 

Das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  habe  keine  Konterbande  be- 
fördert, auch  sonst  keine  verbotenen  Handlungen  begangen.  Daß  es  in 
Zukunft  derartiges  vorhabe,  sei  nicht  erwiesen.  Es  sei  ein  Schiff,  welches 
in  friedlichen  Handelsgeschäften  verwandt  worden  sei  und  bei  dem 
irgendwelche  Absicht,  den  Kampf  direkt  zu  unterstützen,  nicht  vor- 
liege. Daher  sei  seine  Freisprechung  selbstverständlich.  Dies  um  so 
mehr,  da  niemand  bezweifeln  könne,  daß  Japan,  welches  den  Krieg  mit 
Rußland  geraden  Sinnes  begonnen,  ihn  auch  geraden  Sinnes  zu  Ende 
führen  wolle,  und  es  der  wahren  Absicht  der  Kaiserlichen  Regierung 
entsprechen  müsse,  wenn  man  feindlichen  Schiffen  und  feindlichen 
Gütern,  soweit  bei  dem  Eigentümer  keine  schädigende  Absicht  oder 
Handlung  vorliege,  nach  dem  Grundsatz  unparteiischer  Gerechtigkeit 
für  die  ganze  Welt  dasselbe  weitherzige  Verfahren  angedeihen  lasse  wie 
neutralen  Schiffen  und  Gütern.  Auch  biete  sich  in  dem  jetzigen  Kriege 
die  beste  Gelegenheit,  das  Völkerrecht,  welches  sich  in  den  letzten  zehn 
Jahren  herausgebildet  habe,  anzuwenden  und  nötigenfalls  neue  Beispiele 
zu  schaffen. 

Dafür,  daß  die  Reklamation  begründet  sei,  spreche  auch  die  Tat- 
sache, daß  die  Anschauungen  des  Völkerrechts  sich  nach  und  nach  in 
der  Weise  entwickelt  hätten,  daß  die  Beschränkungen  für  Beschlagnahme 
und  Wegnahme  von  Schiffen  so  vermehrt  worden  seien,  daß  es  nun 
so  viele  Ausnahmebestimmungen  gebe,  daß  man  geradezu-  geneigt  sei, 
die  Ausnahme  zur  Regel  zu  machen. 

Wenn  man  nach  dem  suche,  was  für  den  vorliegenden  Fall  als 
völkerrechtliche  Richtschnur  zu  nehmen  sei,  so  müsse  man  sagen,  daß 
es  nichts  besseres  gebe,  als  die  oben  erwähnte,  von  dem  internationalen 

54 


PrisengerichtsentBcheidungen:  „Ekaterinoslav'S  Abschnitt  VI^» 

Völkerrechtskongreß  in  Turin  beschlossene  Seeprisenordnung  und  daß 
eine  Entscheidung  auf  Grund  der  Artikel  4,  5,  6,  8—10,  23  und  32 
derselben  das  Richtige  treffen  würde.  Diese  Bestimmungen  seien  der 
Niederschlag  der  internationalen  öffentlichen  Meinung,  und  Japan  dürfe 
nicht  zögern,  dieselben  anzunehmen. 

2.  Nach  modernen  völkerrechtlichen  Begriffen  könne,  wenn  auch 
schon  der  Kampf  begonnen  habe,  solange  noch  keine  Bekanntmachung 
über  die  Kriegseröffnung  vorliege,  das  Eigentum  von  Privatpersonen, 
die  von  dem  Kriege  keine  Kenntnis  hätten,  wenn  sie  auch  feindliche 
Staatsangehörige  seien,  nicht  zur  Prise  gemacht  werden.  Wenn  man 
sage,  es  bedürfe  zur  Kriegseröffnung  keiner  Bekanntmachung,  so  gelte 
das  nur  für  die  kriegführenden  Staaten,  treffe  aber  für  die  privaten 
Untertanen  nicht  zu.  Denn  der  Krieg  schaffe  ein  Verhältnis  zwischen 
den  Staaten  als  solchen.  Die  den  Staat  zusammensetzenden  Untertanen 
hätten  als  einzelne  Individuen  zu  dem  Krieg  keine  Beziehung.  Daher 
müsse  der  Friede  für  ihre  Person  und  ihr  Eigentum,  ungeachtet  der 
Kriegseröffnung,  gewahrt  werden. 

Da  ferner  Korea  ein  neutrales  Land  sei,  so  sei  die  zur  Verhandlung 
stehende  Beschlagnahme  von  vornherein  unrechtmäßig.  Nach  dem 
Völkerrecht  sei  für  die  Entscheidung  über  die  Rechtmäßigkeit  oder 
Unrechtmäßigkeit  einer  Beschlagnahme  der  Punkt  ins  Auge  zu  fassen, 
ob  Handlungen  oder  Absichten,  welche  die  kriegsrechtlichen  Be- 
stimmungen verletzten,  vorlägen  oder  nicht.  Wenn  man  ferner  dem 
Sinne  der  Kaiserlichen  Verordnung  Nr.  20  vom  Jahre  1904, 5)  welche 
den  Schutz  derer,  die  von  der  Kriegseröffnung  keine  Kertntnis  hätten, 
bestimme,  so  sei  es  offenbar,  daß  diese  auch  dem  zur  Verhandlung  ' 
stehenden  Schiff  zugute  kommen  müsse.  Deshalb  mache  Reklamant 
auch  diese  Verordnung  für  den  in  dem  vorliegenden  Fall  einzunehmenden 
Standpunkt  geltend. 

3.  Das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  und  seine  Ladung  stünden 
freilich  in  feindlichem  Eigentum.  Aber  die  Beschlagnahme  sei  am  6.  Fe- 
bruar 1904  erfolget,  und  die  Feindseligkeiten  zwischen  Japan  und  Ruß- 
land hätten  erst  am  8.  Februar,  nämlich  mit  dem  Seegefecht  vor  dem 
Hafen  von  Chemulpo,  begonnen.  Das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff 
sei  am  4.  Februar  2*^  p.  m.  von  Wladiwostok  abgefahren  und  bis 
zu  seiner  Aufbringung  an  keinem  Orte  angelaufen.  Daher  habe  es  von 
dem  Abbruch  der  friedlichen  Beziehungen  zwischen  Japan  und  Ruß- 
land keine  Kenntnis  gehabt.  Fs  sei  ferner  ein  Handelsschiff,  welches 
zum  Seehandel  gedient  habe.  Es  lägen  keine  Spuren  dafür  vor,  daß 
es  Gefechtsrüstung  geführt  oder  zum  Konterbandetransport  gedient  habe. 
Da  es  ein  friedliches  Handelsschiff  sei,  so  könne  es  nach  den  Regeln 

55 


Abschnitt  VIi»  Prisengerichteentocheidungen:  „Ekaterinoslav'^ 

des  in  der  Neuzeit  entwickelten  Völkerrechts  allenfalls  beschlagnahmt, 
keinenfalls  aber  eingezogen  werden. 

Im  besonderen  müßten,  wie  in  der  Reklamationsschrift  und  deren 
Ergänzung  dargetan,  die  der  Frau  Kondratowitsch  gehörigen 
3  Kolli  Möbel,  weil  sie  friedliches  Out  und  keine  Konterbande  seien,  frei- 
gegeben werden. 

Aus  diesen  Gründen  sei  das  Urteil  erster  Instanz,  welches  das  zur 
Verhandlung  stehende  Schiff  und  seine  Ladung  für  gute  Prise  erkläre 
und  ihre  Einziehung  verfüge,  rechtswidrig.  Es  werde  daher  Verwerfung^ 
dieser  Entscheidung  und  Freigabe  des  Schiffs  und  seiner  Ladung  be- 
antragt. 

Die  Erwiderung  des  Staatsanwalts  beim  Prisengericht  zu  Sasebo,- 
Yamamoto  Tatsurokuro,  ist,  wie  folgt : 

Die  Berufungsbegründung  sei  freilich  sehr  lang,  enthalte  aber  recht 
wenig  Behauptungen,  die  mit  der  vorliegenden  Sache  direkt  in  Beziehung: 
stünden.    Ihr  Kern  sei  der,  daß  der  Reklamant  wünsche: 

daß  die  Beschlüsse  des  Völkerrechtskongresses  in  Turin  im 
Jahre  1882,  welche  das  entwickeltste  und  unübertroffene 
Völkerrecht  darstellten,  angewandt  und  noch  darüber  hinaus 
neue  Beispiele  geschaffen  würden.  Das  Urteil  erster  Instanz 
habe  dies  nicht  getan  und  sei  rechtswidrig. 

Das  Völkerrecht  werde  indes  gebildet  durch  die  von  den  Staaten 
allgemein  anerkannten  und  in  ihrem  Verkehr  untereinander  von  ihnen, 
selbst  befolgten  Gewohnheiten  und  Rechtsbestimmungen.  Bestim- 
mungen, wie  die  von  dem  Reklamanten  angezogenen,  seien  lediglich 
.  Beschlüsse  von  Gelehrten,  welche  nicht  die  allgemeine  Anerkennung 
der  Staaten  genössen  und  daher  nicht  ohne  weiteres  angenommen  werden 
könnten. 

Was  nun  die  anderen  Beruf ungsgründe  angehe,  so  sei  die  Ansicht 
des  mit  dem  Schriftsatz  für  die  mündliche  Verhandlung  beauftragten 
Staatsanwalts  bereits  klar  ausgesprochen  und,  da  neue  Gründe  nicht 
geltend  gemacht  seien,  so  sei  eine  Erwiderung  überflüssig. 

Das  Urteil  erster  Instanz  sei  demnach  rechtmäßig  und  gebe  keiner- 
lei Grund  zu  Aussetzungen.  Es  werde  daher  Verwerfung  der  Be- 
rufung beantragt. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

L  Was  die  von  dem  Reklamanten  angezogenen,  von  dem  inter- 
nationalen Völkerrechtskongreß  in  Turin  beschlossene  Seeprisenordnung 
angeht,  so  ist  ihr  Inkrafttreten  lediglich  von  einer  Körperschaft  be- 
deutender Gelehrter  gewünscht  worden  und  die  Staaten  haben  sie  ihrer 
Prüfung  unterwerfen  wollen.  Sie  hat  aber  keine  völkerrechtlich  bindende 
Kraft.  Es  wäre  daher  ein  Fehlgriff,  wenn  man  heute  auf  ihrer  Grund- 
lage Fragen  des  Seeprisenwesens  entscheiden  wolle. 

56 


Prisengericht$ent8choidungon :  „Ekaterinoslav".  Abschnitt  VI  > » 

Wenn  man  auch  nicht  behaupten  kann,  daß  bei  einem  Prisengericht 
die  Leistung  in  dem  Punkte,  daß  es  bei  der  Erledigung  seiner  Fälle 
das  Landesgesetz  und  das  Völkerrecht  zu  befolgen  hat,  von  der  Be- 
handlung der  Geschäfte  in  einem  gewöhnlichen  Gerichtshof  nicht  ver- 
schieden ist,  so  besteht  doch  zwischen  den  beiden  in  dem  Punkte,  daß 
sie  die  Gesetze  befolgen  und  nach  den  gesetzlichen  Anordnungen 
arbeiten  müssen,  kein  Unterschied.  Eine  Argumentation,  wie  die  des 
Reklamanten,  welche  nach  Willkür  einen  humanitären  Lehrsatz  wie  „Un- 
parteiische Gerechtigkeit  für  die  ganze  Welt"  zitiert  und  danach  die 
Aufgaben  für  eine  Zeit  wie  die  jetzige  bemessen  will,  berücksichtigt  nicht, 
daß  der  Krieg  bei  dem  heutigen  Staatenverkehr  eine  unvermeidliche 
Tatsache  ist;  und  man  kann  dem  natürlich  nicht  beistimmen,  wenn  der 
Reklamant  versucht,  zu  leugnen,  daß  nach  dem  geltenden  Völkerrecht 
das  Recht,  Seeprisen  zu  machen,  eine  der  Befugnisse  ist,  welche  den 
Staaten  im  Kriegszustande  zustehen.  Daher  ist  der  Grundsatz  des  gel- 
tenden Völkerrechts,  daß  während  eines  Krieges  feindliche  Schiffe  und 
auf  ihnen  verladene  Güter  zur  Prise  gemacht  werden  können,  ohne  daß 
man  die  Absichten  oder  Handlungen  der  Reeder  oder  der  Besatzung 
zu  berücksichtigen  braucht,  durchaus  billig  und  das  Urteil  erster  Instanz, 
welches  diesen  Grundsatz  angewandt  hat,  zutreffend. 

2.  Korea  hat  für  den  Krieg  zwischen  Rußland  und  Japan  von 
Anfang  an  zu  der  Landung  der  japanischen  Truppen  in  seinem  Gebiet 
und  dem  Passieren  derselben  seine  Zustimmung  gegeben.  Auch  hat 
sich  der  Krieg  anfangs  innerhalb  des  Hoheitsgebiets  von  Korea  ab- 
gespielt. Daher  kann  Korea  nicht  als  neutral  im  gewöhnlichen  Sinne 
des  Worts  erachtet  werden.  Wenn  der  Reklamant  daher  aus  dem  Orte 
der  Beschlagnahme  die  Wirkungslosigkeit  derselben  ableiten  will,  so  ist 
schon  die  Grundlage  seiner  Behauptung  irrig. 

Die  Kaiserliche  Verordnung  Nr.  20  schafft  mit  Bezug  auf  die 
Beschlagnahme  feindlicher  Schiffe  eine  besondere  Vergünstigung,  die 
indes  nur  solchen  feindlichen  Schiffen  zugute  kommt,  bei  denen  be- 
sondere Umstände  zutreffen.  Eine  Anwendung  derselben  unter  Er-^ 
Weiterung  des  in  ihr  bestimmten  Umfangs  ist  daher  nicht  möglich. 
Da  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  auf  seiner  Reise  von 
Wladiwostok  in  Rußland  nach  Odessa  gleichfalls  in  Rußland  auf  der 
See  bei  Korea  beschlagnahmt  worden  ist,  so  ist  das  ein  Fall,,  der  an 
der  Vergünstigung  der  Kaiserlichen  Verordnung  keinen  Anteil  nimmt. 

Da  es  femer  völkerrechtlich  allgemein  anerkannt  ist,  daß  feindliche 
Schiffe,  auch  wenn  sie  von  der  Kriegseröffnung  keine  Kenntnis  haben, 
zu  Prisen  gemacht  werden  können,  so  steht  die  Tatsache,  daß  das  zur 
Verhandlung  stehende  Schiff  von  dem  Bestehen  des  Kriegszustands 
zwischen  Japan  und  Rußland  nichts  gewußt  hat,  der  Beschlagnahme 
nicht  entgegen. 

57 


Abschnitt  VIi»  Prisengerichtsentscheidungen:  „Ekaterinoslav". 

Des  weiteren  ist  es  völkerrechtlich  allgemein  anerkannt,  daß  der 
Grundsatz  der  Unverletzlichkeit  des  Privatvermögens  für  Seeprisen  keine 
Anwendimg  findet.  Punkt  2  der  Berufung  ist  daher  in  allen  Teilen 
unbegründet. 

3.  Der  Zeitpunkt  des  Beginns  des  Kriegszustands  ist  nicht  unbedingt 
der  Augenblick,  wo  die  beiden  streitenden  Mächte  das  erste  Kanonen- 
feuer wechseln.  Wenn  auch  nur  durch  weniger  drastische  Ausführung 
der  Kriegsabsicht  oder  durch  Abgabe  einer  Kriegserklärung  oder  einer 
derselben  gleichstehenden  Mitteilung  der  Wille  zu  kämpfen  offenbart 
worden  ist,  so  ist  mit  dem  Zeitpunkt  der  Kriegszustand  als  eingetreten 
zu  erachten. 

Da  nun  während  der  japanisch-russischen  Verhandlungen  be- 
treffend die  Unabhängigkeit  und  territoriale  Integrität  Chinas  und  Koreas 
Rußland  durch  sein  unangemessenes  Verhalten,  welches  die  Hoffnung 
auf  Erhaltung  des  Friedens  unmöglich  machte,  und  durch  fortwährende 
Kriegsrüstungen  seine  Absicht,  uns  mit  Waffengewalt  zu  unterwerfen, 
klar  bewies,  so  sandte  unsere  Regierung  am  5.  Februar  1904  eine  In- 
struktion bezüglich  Abbruchs  der  diplomatischen  Beziehungen  an  unseren 
Gesandten  in  Rußland,  und  gleichzeitig  traf  unser  Kriegsgeschwader 
seine  Vorbereitungen  und  fuhr  am  folgenden  Tage,  dem  6.  Februar,  mit 
der  Bestimmung,  den  Kampf  aufzunehmen,  von  dem  Kriegshafen  Sasebo 
ab  und  nahm  auf  der  Fahrt,  also  während  der  Kriegszeit,  das,  wie  bekannt, 
für  den  Kriegsgebrauch  der  feindlichen  Regierung  zur  Verfügung  zu 
stellende,  hier  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  in  Beschlag.  Dies  war 
eben  nichts  anderes  als  eine  solche  Ausführung  der  Kriegsabsicht,  und 
man  muß  sagen,  daß  der  japanisch-russische  Krieg  mit  diesem  Zeitpunkt 
seinen  Anfang  genommen  hat.  Der  6.  Februar  vorigen  Jahres,  d.  h. 
der  Tag,  an  welchem  das  Kaiserliche  Kriegsschiff  „Saiyen"  das  zur  Ver- 
handlung stehende  Schiff  aufbrachte,  liegt  daher  bereits  in  der  Kriegs- 
zeit. Unfraglich  war  daher  die  Beschlagnahme  des  zur  Verhandlung 
stehenden  Schiffes  gerechtfertigt  und,  da,  wie  bereits  oben  dargetan,  das 
Schiff  und  die  auf  ihm  befindliche  feindliche  Ladung  der  Wegnahme 
unterliegen,  so  hat  das  Urteil  erster  Instanz,  welches  ihre  Einziehung 
verfügt,  vollkommen  richtig  entschieden. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden : 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  30.  Mai  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


58 


Prisengerichtsehtscheidungen :  „Ekaterinoslav'^  Abschnitt  VI  i» 

Reklamant:  Die  Filiale  der  deutschen  offenen  Handelsgesellschaft 
Kunst  &  A 1  b  e  r  s  in  Nagasaki,  vertreten  durch  den  Prokuristen 
August  Oese,  Nagasaki,  Oura  8. 

In  der  Prisensache  betreffend  Ladungsstücke  des  russischen 
Dampfers   „Ekaterinoslav"   wird,   wie  folgt,   entschieden: 

U  r  t  e  i  1  s  f  o  r  m  e  1 : 

Die  auf  dem  Dampfer  „Ekaterinoslav"  verladenen  Güter,  nämlich 
l  Kiste  Musikinstrumente,  1  Kollo  Fabrikartikel,  4  Kolli  Blasebälge  und 
anderes  und   1    Kollo  Kästen  werden  eingezogen. 

Die  Reklamation  betreffend  die  Fracht  für  die  Güter  und  Reise- 
kosten wird  abgewiesen. 

Tatbestand    und    Gründe: 

Die  in  der  Urteilsformel  verzeichneten  Güter  sind  auf  dem 
russischen  Dampfer  „Ekaterinoslav''  verladen  und  von  der  Filiale  der 
deutschen  offenen  Handelsgesellschaft  Kunst  &  Albers  in  Wladi- 
wostok an  die  Filiale  derselben  Firma  in  Odessa  versandt  worden.  Auf 
der  Reise  dahin  wurden  sie  am  6.  Februar  1904,  nach  9  Uhr  vormittags, 
3  Seemeilen  nördlich  von  dem  koreanischen  Hafen  Fusan,  von  dem 
Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Saiyen"  zusammen  mit  dem  genannten  Schiff 
beschlagnahmt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  schriftliche  Aussage  des 
Vertreters  des  Kommandanten  der  „Saiyen'',  Kapitän leutnants  Yoshi- 
mura  Shinsei,  das  Schiffszertifikat  der  „Ekaterinoslav",  die  Fracht- 
briefe und  die  Vemehmungsprotokolle  des  Kapitäns  George  Se- 
letzky,  des  ersten  Offiziers  Wladimir  Kisimoff  und  des  zweiten 
Offiziers  Peter  Rübakoff  des  genannten  Dampfers. 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  des  Reklamanten  sind  fol- 
gende : 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  stünden  im  Eigentum  der 
von  dem  Reklamanten  vertretenen  offenen  Handelsgesellschaft  Kunst 
&  Albers,  und  sie  seien,  da  die  genannte  Firma  eine  neutrale  deutsche 
Fimia  sei.  neutrales  Gut.  Neutrales  Gut  auf  feindlichem  Schiff  könne, 
abgesehen  von  Kriegskonterbande,  nicht  eingezogen  werden.  Es  werde 
daher  Freigabe  der  gesamten  zur  Verhandlung  stehenden  Güter,  welche 
keine  Konterbande  sei,  beantragt. 

Femer  werde  Erstattung  der  Fracht  für  die  zur  Verhandlung 
stehenden  Güter  im  Betrage  von  64  Rubel  37  Kopeken  und  der  aus 
Anlaß  des  Erscheinens  des  Reklamanten  vor  dem  Prisengericht  ver- 
auslagten Reisekosten  von  50  Yen  beantragt. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  sind  folgende : 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  seien,  wenn  sie  auch  im 

59 


Al^schnitt  VI^^  Prisongerichtsontscheidungen :  „Ekaterinoslav". 

Eigentum  einer  neutralen  Person  stünden,  offenbar  feindlich,  weil  sie 
von  dem  feindlichen  Wladiwostok  nach  dem  feindlichen  Odessa  ver- 
schifft worden  seien. 

Feindliches  Gut  auf  feindlichem  Schiff  unterliege  aber,  gleich- 
gültig ob  es  Konterbande  sei  oder  nicht,  der  Einziehung. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Nach  dem  geltenden  Völkerrecht  kann  feindliches  Out  auf  feind- 
lichem Schiff,  gleichviel  ob  Konterbande  oder  nicht,  zu  Kriegszeiten 
eingezogen  werden.  Ob  Güter  feindlich  sind  oder  nicht,  bestimmt  sich 
nicht  nach  der  Nationalität  des  Eigentümers,  sondern  nach  seinem  Wohn- 
sitz und  bei  Kaufleuten  nach  dem  Ort,  an  welchem  sie  ihre  Handels- 
niederlassung haben.  1) 

Die  Eigentümer  der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter,  die  Firma 
Kunst  &  Albers,  ist  freilich  eine  deutsche  Firma,  sie  betreibt 
indes  in  Wladiwostok  und,.  Odessa  mit  eigenen  Filialen  Handelsgeschäfte. 
Da  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  von  der  Filiale  der  genannten 
Firma  in  Wladiwostok  an  die  Filiale  derselben  Firma  in  Odessa  ver- 
schifft wurden,  so  ist  es  erwiesen,  daß  sie  feindliche  Güter  sind. 

Als  solche  müssen  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter,  weil 
sie  auf  dem  feindlichen  Dampfer  „Ekaterinoslav"  verladen  und  nach  dem 
Eintreten  des  Kriegszustands  zwischen  Japan  und  Rußland  beschlag- 
nahmt worden  sind,  wenn  sie  auch  keine  Konterbande  sind,  eingezogen 
werden.  2) 

Was  den  Antrag  betreffend  die  Fracht-  und  Reisekosten  angeht, 
so  liegt  die  Entscheidung  hierüber  nicht  im  Bereich  des  Prisengerichts, 
und  die  Reklamation  über  diesen  Punkt  muß  abgewiesen  werden. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  26.  Mai  1Q04  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Beisein 
des  Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurokuro. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Die  Filiale  der  offenen  Handelsgesellschaft  Kunst 
&  Albers  in  Nagasaki,  Oura  Nr.  8,  vertreten  durch  den  Prokuristen 
A.  Gese. 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  IshibashiTomokichi,  Na- 
gasaki, Togiyamachi  Nr.  41. 

Am  26.  Mai  1904  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der  Prisen- 
sache  betreffend   Ladungsstücke   des  am   6.   Februar   1904   bei   Fusan 

1)  V  §§  8,  3  u.  4.  -  2)  V  §  42,  2. 
60 


PrJsengerichtsontBchoidungon :  „Ekaterinoslav*^  Abschnitt  VI  ^^ 

in  Korea  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Saiyen"  beschlagnahmten, 
der  russischen  Gesellschaft  der  freiwilligen  Flotte  gehörigen  Dampfers 
„Ekaterinoslav"  ein  Urteil  gefällt,  in  welchem  auf  Einziehung  der  auf 
diesem  Dampfer  verladenen  folgenden  Güter:  1  Kollo  Musikinstrumente, 
1  Kollo  Fabrikartikel,  4  Kolli  Blasebälge  und  sonstige  Schmiedegeräte, 
I  Kollo  Kästen,  erkannt  und  die  Reklamation  für  die  Fracht  dieser 
Güter  abgewiesen  worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  der  Reklamant,  der  Prokurist  A.  G  e  s  e  der 
Filiale  der  offenen  Handelsgesellschaft  Kunst  &  Albers,  durch  den 
Rechtsanwalt  Ishibashi  Tomokichi  als  Prozeßvertreter  die  Be- 
rufung eingelegt,  welche  im  Beisein  der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Kei- 
roku  und  Jshiwatari  Binichi  im  Oberprisengericht  geprüft 
worden   ist. 

Die  Hauptberufungspunkte  des  Vertreters  der  Reklamatfon  Ishi- 
bashi Tomokichi  und  deren  Begründung  sind  folgende: 

1.  Die  Beschlagnahme  der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  sei 
mit  der  Aufbringung  des  Dampfers  „Ekaterinoslav"  zusammen  am  6.  Fe- 
bruar 1904,  9  Uhr  vormittags,  also  während  noch  Frieden  zwischen 
Japan  und  Rußland  bestand,  erfolgt.  Die  Annahme  der  Entscheidung 
erster  Instanz,  daß  die  Beziehungen  zwischen  Japan  und  Rußland  am 
5.  Februar  abgebrochen  seien  und  der  Kriegszustand  bereits  an  diesem 
Tage  eingetreten  sei,  beruhe  auf  einer  Entstellung  der  ihr  zugrunde 
liegenden  Tatsachen.  Außerdem  sei  es  eine  unzureichende  Begründung, 
«enn  man  einfach  den  5.  Februar  nenne,  ohne  die  Stunde  genau  an- 
zugeben. Nach  dem  von  dem  Minister  der  Auswärtigen  Angelegen- 
heiten, K  o  m  u  r  a ,  veröffentlichten  Protokoll  über  die  diplomatischen 
Verhandlungen  sei  das  Telegramm,  welches  die  Instruktion  für  den  in 
St.  Petersburg  akkreditierten  Gesandten  Kurino  bezüglich  des  Ab- 
bruchs der  diplomatischen  Beziehungen  mit  der  russischen  Regierung 
enthalten  habe,  am  5.  Februar,  nachmittags;  2  Uhr,  abgesandt  worden. 
Diese  Mitteilung  sei  der  russischen  Regierung  von  dem  genannten  Ge- 
sandten am  6.  Februar,  4  Uhr  nachmittags,  abgegeben  worden.  Daher 
habe  am  5.  Februar  noch  kein  Kriegszustand  bestanden.  Dieses  Tele- 
gramm des  Ministers  der  Auswärtigen  Angelegenheiten  stelle  nur  die 
interne  Mitteilung  des  Willens  der  Japanischen  Regierung  dar,  sei  aber 
noch  keine  Verlautbarung  derselben  nach  außen.  Erst  am  6.  Februar, 
4  Uhr  nachmittags,  sei  diese  Absicht,  die  diplomatischen  Beziehungen 
abzubrechen,  von  dem  japanischen  Gesandten  der  russischen  Regierung 
gegenüber  zum  Ausdruck  gebracht  worden.  Daß  am  5.  Februar  noch 
kein  Krieg  bestanden  habe,  gehe  auch  aus  der  Tatsache  hervor,  daß  die 
Zollbehörde  in  Nagasaki  an  diesem  Tage  für  den  Dampfer  Mukden^) 
und  dessen  Ladung  die  Ausklarierungspapiere  ausgestellt  habe. 

")  „Mukden"  ist  ein  russischer  Dampfer  gewesen.    (VI.  2  b.) 

61 


Abschnitt  VI^^»  Prlsengerichtsentscheidungen :  „Ekaterinoslav*'. 

2.  Der  Ort,  an  welchem  der  in  Frage  stehende  Dampfer  und  seine 
Ladung  aufgebracht  worden  seien,  liege  3  Seemeilen  nörlich  von  Fusan 
in  Korea.  Korea  habe  aber  vor  Abbruch  der  diplomatischen  Beziehungen 
zwischen  Japan  und  Rußland  sich  für  neutral  erklärt  und  habe  bis  zum 
Abschluß  der  Allianz  mit  Japan  am  27.  Februar  1904  diese  Stellung 
gewahrt.  Es  bedürfe  daher  nicht  vieler  Worte,  um  darzutun,  daß  die 
zur  Verhandlung  stehende  Beschlagnahme,  weil  der  Ort,  an  dem  sie 
vollzogen  worden  sei,  nach  dem  Völkerrecht  in  dem  Hoheitsgebiet  eines 
neutralen  Staates  liege,  rechtswidrig  sei. 

3.  Wenn  man  aber  annehme,  Korea  sei  nicht  neutral,  so  hätten 
in  seinen  Hoheitsgewässern,  in  derselben  Weise  wie  in  den  japanischen, 
die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  den  Schutz  der  §§  3.  und  1  der 
Kaiserlichen  Verordnung  Nr.  20  vom  Jahre  1904*)  erhalten  und  der 
Beschlagnahme  entgehen  müssen. 

4.  Da  der  Absender  der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  von  dem 
Eintritt  des  Kriegszustands  zwischen  Japan  und  Rußland  keine  Kenntnis 
gehabt  habe,  so  stehe  es  außer  Zweifel,  daß  er  keine  böse  Absicht, 
Japan  zu  schädigen  und  dem  Feind  zu  nützen,  gehabt  habe.  Daher 
müßten  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  in  dem  von  den  Ar- 
tikeln 6,  23  und  30  der  von  dem  internationalen  Völkerrechtskongreß 
im  Jahre  1882  beschlossenen  und  den  Regierungen  der  Mächte  unter- 
breiteten Seeprisenordnung  vorgeschriebenen  Sinne  behandelt  werden. 
Denn  das  Völkerrecht  besitze  keine  besondere  gesetzliche  Formulierung, 
sondern  entnehme  seine  Grundsätze  den  Ansichten  einer  Anzahl  der 
Gelehrten  und  den  von  einer  Anzahl  der  Staaten  anerkannten  Rechts- 
regeln. 

5.  Da  der  Krieg  ein  Verhältnis  zwischen  Staaten  begründe,  zu  dem 
die  Individuen  in  keiner  direkten  Beziehung  stünden,  so  müsse  in  der- 
selben Weise  wie  auf  dem  Lande  der  Grundsatz  der  Unverletzlichkeit 
des  Privatvermögens  auch  für  die  See  zur  Ausführung  kommen  und 
es  müsse  anerkannt  werden,  daß  Privatvermögen,  wenn  es  auch  im  Eigen- 
tum feindlicher  Staatsangehöriger  stehe,  nicht  zum  Objekt  einer  Weg- 
nahme gemacht  werden  dürfe.  Reklamant  hoffe  daher,  daß  Japan  mit 
den  bisher  als  Gewohnheit  befolgten  schlechten  Präzedenzen,  feindliches 
Gut  zur  See  wegzunehmen,  im  Interesse  der  Humanität  und  des  Friedens 
aufräumen  werde  und  den  Grundsatz  der  Unverletzlichkeit  des  Privat- 
vermögens zur  Ausführung  bringen  werde. 

6.  Absender  und  Empfänger  der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter 
hätten  freilich  ihren  Wohnsitz  in  feindlichem  Gebiet,  seien  aber  von  neu- 
traler Nationalität.  Daher  seien  die  Güter  Eigentum  Neutraler  und 
könnten  nicht  eingezogen  werden. 

62 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Ekaterinoslav^^  Abschnitt  VIi^ 

7.  Der  durch  unrechtmäßiges  Vorgehen  des  Staats  von  dem 
Reklamanten  tatsächlich  erlittene  Schaden  müsse  von  dem  betreffenden 
Staat  billiger^'-eise  ersetzt  werden,  und  das  Prisengericht  sei  zur  Ent- 
scheidung zuständig,  da  ein  Antrag  auf  Ersatz  des  Schadens  aus  einer 
Beschlagnahme  unter  den  Begriff  „Prisenangelegenheiten"  des  §  1  der 
Prisengerichtsordnung*)  falle. 

Aus  diesen  Gründen  werde  beantragt,  daß  unter  Verwerfung  des 
Urteils  erster  Instanz  eine  Entscheidung  gefällt  werde,  auf  Grund  deren 
die  in  dem  Tenor  des  erstinstanzlichen  Urteils  aufgeführten  Güter  frei- 
gegeben würden  und  dem  Staate  der  Ersatz  der  Frachtkosten  von  64 
Rubel  37  Kopeken  auferlegt  werde. 

Die  Erwiderung  des  Staatsanwalts  beim  Prisengericht  in  Sasebo, 
Yamamoto   Tatsurokuro,   ist   folgende: 

1.  Der  Reklamant  sage  in  seinem  ersten  Beruf ungspunkte : 

Da  der  Dampfer  „Ekaterinoslav"  von   dem   Kaiserlichen 
Kriegsschiff  „Saiyen"  am  6.  Februar  1904,  9  Uhr  vormittags, 
beschlagnahmt  worden  sei,  so  sei  diese  Beschlagnahme,  weil 
vor  Eintreten  des  Kriegszustands  zwischen  Japan  und  Ruß- 
land, geschehen.     Die  Annahme  des  Urteils  erster  Instanz, 
daß  der  Kriegszustand  mit  Absendung  der  Mitteilung  be- 
treffend den  Abbruch  der  Beziehungen  am  5.  Februar  ein- 
getreten sei,  sei  eine  Entstellung  der  Tatsachen. 
Darauf  sei  zu  erwidern,  daß  Rußland  während  der  diplomatischen 
Veihandlungen  über  die  koreanisch-mandschurische  Frage  auf  der  einen 
Seite  absichtlich  seine  Antwort  hingezögert,  auf  der  anderen  zu  Land 
und  zu   Wasser  sich  zum   Kriege  gerüstet   und,  als  diese   Rüstungen 
vollendet  gewesen,  seine  Truppen  zu  Wasser  und  zu  Lande  vorgeschoben 
iiabe,  um  Japan  zu  erdrücken.  Daraus,  daß  das  Port  Arthur-Geschwader 
«ich  schon  gefechtsklar  vor  dem  Hafen  gesammelt  habe,  sei  es  klar  ge- 
worden, daß   Rußland  sich  zum  Kampfe  entschlossen  habe.    So  habe 
Japan  schließlich  die  Beziehungen  abgebrochen,  seinen  Gesandten  aus 
Rußland  zurückgezogen  und  am  selben  Tage  dem  Geschwader  Befehl 
gegeben,  die  feindliche  Flotte  aufzusuchen  und  anzugreifen.    Daraufhin 
i6  unsere  vereinigte  Kriegsflotte  am  6.  Februar,  7  Uhr  vormittags,  von 
Sasebc»  aufgebrochen.    Dies  sei  die  Antwort  auf  die  russische  Heraus- 
forderung gewesen.    Da  die  beiden  Geschwader  derartig  in  Gefechts- 
bereitschaft einander  gegenüber  gestanden,  so  hätten,  wenn  sie  auch 
nicht   miteinander   in    Berührung   gekommen    wären    und    noch    kein 
Kanonenfeuer   ausgetauscht   hätten,   die   Feindseligkeiten   damit   bereits 
begonnen  und  der  Kriegszustand  seinen  Anfang  genommen.    Daß  daher 
das  Geschwader  auf  seiner  Fahrt  ein  feindliches  Schiff  beschlagnahmt 

•)  IV. 

63 


Abschnitt  ITI^^  Prisengerichtsentscheidungen:  „Eicaterinoslav". 

habe,  sei  eine  durchaus  rechtmäßige  Ausübung  seiner  kriegsrechth'chen 
Befugnisse  gewesen. 

2.  Der  Reklamant  behaupte, 

daß  der  Ort  der  Beschlagnahme  3  Seemeilen  nördlich  von 
Fusan  in  Korea,  also  in  neutralem  Hoheitsgewässer,  liege, 
und  daß  die  Beschlagnahme  ungerechtfertigt  sei. 
Aber  nach  dem  jetzt  geltenden  Völkerrecht  liege  ein  Ort  in  3  Seemeilen 
Entfernung  vom  Lande  in  der  offenen  See,  nicht  im  Gebietsgewässer. 
Aber  selbst  angenommen,  er  liege  im  Gebietsgewässer  und  Korea  sei  ein 
neutraler  Staat,  so  stehe  doch  das  Recht  der  Beschwerde  gegen  Ver- 
letzung der  Neutralität  ausschließlich  dem  betreffenden  Staat  zu  und 
könne  keinenfalls  als  Grund  für  die  Freilassung  eines  feindlichen  Schiffes 
oder  seiner  Ladung  geltend  gemacht  werden. 

3.  Die  erste  Hälfte  des  dritten  Punktes  der  Berufung  sei  durch  das 
in  der  vorigen  Ziffer  Gesagte  bereits  erledigt.  Des  weiteren  mache  der 
Reklamant  Anspruch  auf  die  Vergünstigung  der  Kaiserlichen  Verordnung 
Nr.  20.  Da  aber  diese  Verordnung  am  9.  Februar  veröffentlicht  und 
von  diesem  Tage  an  in  Kraft  zu  treten  bestimmt  gewesen  sei,  so  sei  nach 
allgemeinen  Rechtsanschauungen  offenbar,  daß  sie  auf  einen  in  der 
Vergangenheit  liegenden  Fall  keine  Anwendung  finden  könne. 

4.  Der  Reklamant  bringe  vor, 

der  Absender  der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  habe 
weder  zur  Zeit  der  Verschiffung  derselben  in  Wladiwostok 
noch  auch  danach  bis  zur  Beschlagnahme  von  dem  Eintreten 
des  Kriegszustands  Kenntnis  gehabt,  daher  seien  die  Güter 
nach    der    von    dem    Völkerrechtskongreß    in    Turin     be- 
schlossenen Seeprisenordnung  freizugeben. 
Das  Völkerrecht  heiße  indes  die  Wegnahme  feindlicher  Schiffe  und  Güter 
gut  ohne  Rücksicht  auf  Kenntnis  oder  Unkenntnis  von   dem   Kriegs- 
zustand.    Die   Beschlüsse   des   Gelehrtenkongresses   in   Turin    könnten 
nicht  als  Völkerrecht  anerkannt  werden  und  fänden  daher  auf  den  vor- 
liegenden Fall  keine  Anwendung. 

5.  Der  Reklamant  sage, 

es  entspreche  nur  unparteiischer  Gerechtigkeit,  daß  das  Privat- 
vermögen wie  auf  dem  Lande  so  auch  zur  See  als  unverletzlich 
angesehen  werde  und  er  erwarte  daher  die  Verwirklichung 
dieses  Grundsatzes. 
Da  jedoch  das  Völkerrecht  gebildet  werde  durch  die  von  den  zivilisierten 
Mächten  allgemein   anerkannten   und   in   ihrem  Verkehr  untereinander 
von  ihnen  selbst  befolgten  Rechtsbestimmungen,  so  sei  es  unmöglich, 
daß  Japan  allein  den  genannten  Grundsatz,  wenn  er  auch  der  Billig- 
keit entsprechen  möge,  annehme. 

€4 


PrftMierichtsentscheidungen:  „Ekaterinoslav".  Abschnitt  VI^i» 

6.  Der  Reklamant  führe  an, 

daß  das  Urteil  erster   Instanz  die  Landeszugehörigkeit  der 
Waren  unter  Verwerfung  des  Nationalitätsprinzips  nach  dem 
Domizilprinzip    bestimmt    habe.     Aus    dem    Domizilprinzip 
würde  indes  die  seltsame  Ansicht  zu  folgern  sein,  daß  ein 
Japaner,  welcher  in  Rußland  lebe,  als  Feind  anzusehen  sei. 
Dies  vertrage  sich  nicht  mit  dem  nationalen  Gedanken  des 
japanischen  Staats. 
Da  aber  Out,  welches  im  Feindesland  sei,  gleichgültig  in  wessen  Eigen- 
tum, als  Vermögensquelle  des  feindlichen  Staats  dem  feindlichen  Krieger 
zugute  komme,  so  sei  es  nicht  schwer  einzusehen,  daß  der  Charakter 
solchen  Guts  feindlich  sei.    Daher  sei  das  Domizilprinzip  als  das  den 
Verhältnissen  am  besten  entsprechende  von  Japan  angenommen,  und 
die  auf  Grund  desselben  gegebene  Entscheidung  sei  richtig. 

7.  Der  Reklamant  sei  der  Ansicht,  daß  der  Reklamationspunkt 
betreffend  den  Schadensersatz  unter  den  Ausdruck  „Prisenangelegen- 
heiten" des  §  1  der  Prisenordnung  falle,  und  die  Abweisung  desselben 
ungerechtfertigt  sei.  Es  gehe  indes  aus  der  Prisenordnung  deutlich 
hervor,  daß  das  Prisengericht  sich  mit  der  Untersuchung  über  die 
Rechtmäßigkeit  oder  Unrechtmäßigkeit  von  Prisen  und  mit  der  Ent- 
scheidung über  Wegnahme  oder  Freigabe  zu  beschäftigen  und  in  einer 
rein  zivilrechtlichen  Frage,  wie  der  eines  Schadensersatzes,  nicht  zu 
befinden  habe.  Daß  Prisenangelegenheiten  Ansprüche,  wie  die  auf 
Schadensersatz,  umfassen  sollten,  müsse  als  eine  willkürliche  Behauptung 
abgewiesen  werden. 

Aus  diesen  Gründen  sei  die  Berufung  ungerechtfertigt  und  müsse 
abgewiesen  werden. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

Der  Zeitpunkt  des  Beginns  des  Kriegszustands  ist  nicht  unbedingt 
der  Augenblick,  wo  die  beiden  streitenden  Mächte  das  erste  Kanonen- 
feuer wechseln.  Wenn  auch  nur  durch  weniger  drastische  Ausführung 
der  Kriegsabsicht  oder  durch  Abgabe  einer  Kriegserklärung  oder  einer 
derselben  gleichstehenden  Mitteilung  der  Wille  zu  kämpfen  offenbart 
Torden  ist,  so  ist  mit  diesem  Zeitpunkt  der  Kriegszustand  als  eingetreten 
zu  erachten. 

Da  nun  während  der  japanisch-russischen  Verhandlungen  betreffend 
die  Unabhängigkeit  und  territoriale  Integrität  Chinas  und  Koreas  Ruß- 
land durch  sein  unangemessenes  Verhalten,  welches  die  Hoffnung  auf 
Erhaltung  des  Friedens  unmöglich  machte,  und  durch  fortwährende 
Kriegsrüstungen  seine  Absicht,  uns  mit  Waffengewalt  zu  unterwerfen, 
klar  bewies,  so  sandte  unsere  Regierung  am  5.  Februar  des  Jahres 
1904  eine  Instruktion  bezüglich  Abbruchs  der  diplomatischen  Be- 
ziehungen an  unseren  Gesandten  in  Rußland,  und  gleichzeitig  traf  unser 

Mar itrand-Meohlen barer,  Das  i*paniflche  Prisonreclit.    Band  I.     (5)  65 


Abschnitt  VH^  PrisengdrichtsentscheiduAgen:  „Ekaterinoslav'^ 

Kriegsgeschwader  seine  Vorbereitungen  und  fuhr  am  folgenden  Tage, 
dem  6.  Februar,  mit  der  Bestimmung,  den  Kampf  aufzunehmen,  von 
dem  Kriegshafen  Sasebo  ab  und  nahm  auf  der  Fahrt,  also  während 
der  Kriegszeit,  das,  wie  bekannt,  für  den  Kriegsgebrau'ch  der  feindlichen 
Regierung  bereit  zu  stellende  hier  in  Frage  stehende  Schiff  in  Beschlag. 
Dies  war  eben  nichts  anderes  als  eine  solche  Ausführung  der  Kriegs- 
absicht, und  man  muß  sagen,  daß  der  japanisch-russische  Krieg  mit 
diesem  Zeitpunkt  seinen  Anfang  genommen  hat. 

Daher  ist  Punkt  1  der  Berufung,  welcher  behauptet,  daß  die  zur 
Verhandlung  stehenden  Güter  vor  der  Kriegseröffnung  beschlagnahmt 
seien  und  daher  die  Beschlagnahme  rechtswidrig  sei,  unbegründet. 

Korea  hat  für  den  Krieg  zwischen  Japan  und  Rußland  von  Anfang 
an  zu  der  Landung  der  japanischen  Truppen  in  seinem  Gebiet  und  dem 
Passieren  derselben  seine  Zustimmung  gegeben.  Auch  hat  sich  der 
Krieg  anfangs  innerhalb  des  Hoheitsgebiets  von  Korea  abgespielt.  Daher 
kann  Korea  nicht  als  neutral  im  gewöhnlichen  Sinne  des  Worts  erachtet 
werden.  Wenn  der  Reklamant  demnach  aus  dem  Orte  der  Beschlag- 
nahme die  Wirkungslosigkeit  derselben  ableiten  will,  so  ist  schon  die 
Grundlage  seiner  Behauptung  irrig,  und  damit  fällt  dieser  Berufungs- 
punkt hin. 

Die  Kaiserliche  Verordnung  Nr.  20  vom  Jahre  1904  schafft  mit 
Bezug  auf  die  Beschlagnahme  feindlicher  Schiffe  eine  besondere  Ver- 
günstigung, welche  russischen  Schiffen,  die  zur  Zeit  ihres  Inkrafttretens 
in  japanischen  Häfen  lagen  oder  vor  dem  9.  Februar  von  einem  aus- 
ländischen Hafen  nach  einem  japanischen  Hafen  abgefahren  waren, 
zugute  kommen  sollte.  Daher  kann  ein  Eigentümer  von  Ladung  auf 
dem  Dampfer  „Ekaterinoslav",  welcher  von  Wladiwostok  nach  Odessa 
fuhr,  diese  Verordnung  nicht  geltend  machen  und  die  Güter  können 
der  Beschlagnahme  nicht  entgehen. 

Die  internationalen  Gebräuche  erblicken  darin,  daß  die  Kriegs- 
eröffnung unbekannt  war  und  daß  die  Absicht,  den  kriegführenden 
Staaten  zu  schaden  oder  zu  nützen,  nicht  vorlag,  keinen  Grund,  weshalb 
Güter  mit  feindlichem  Charakter  der  Wegnahme  entgehen  sollten. 

Des  weiteren  ist  es  völkerrechtlich  anerkannt,  daß  der  Grundsatz 
der  Unverletzlichkeit  des  Privatvermögens  für  die  See  nicht,  wie  im 
Landkrieg,  zu  beobachten  ist. 

Was  femer  die  von  dem  Reklamanten  angezogenen  Beschlüsse 
eines  internationalen  Völkerrechtskongresses  angeht,  so  ist  ihre  Durch- 
führung lediglich  der  Wunsch  einer  Körperschaft  bedeutender  Gelehrter, 
welcher  noch  der  völkerrechtlichen  Forschung  unterzogen  wird,  und 
sie  haben  nicht  die  Geltung  von  Vorschriften,  die  der  vorliegenden 
•Entscheidung  zugrunde  gelegt  werden   müßten^ 

Auch  ist  es  von  der  völkerrechtlichen  Praxis  anei^kannt,  daß  die 

66  . 


Prjsengerichtsentscheidungen:  „Mukden".  Abschnitt  VI^» 

Landeszugehörigkeit  von  Gütern  nach  dem  Domizilprinzip  entschieden 
werden  kann,  und  das  Oberprisengericht  ist  der  Ansicht,  daß  dies  der 
Billigkeit  entspricht. 

Daher  müssen  die  Punkte  3 — 6  der  Berufung  abgewiesen  werden. 

Die  Befugnisse  eines  Prisengerichts  gehen  über  die  in  der  Prisen- 
ordnung bestimmte  Untersuchung  und  Entscheidung  über  die  Frage 
der  Rechtmäßigkeit  von  Prisen  nicht  hinaus.  Angelegenheiten,  wie  mög- 
licherweise aus  Beschlagnahmen  entstehende  Schadensersatzansprüche^ 
liegen  dagegen  außerhalb  seiner  Kompetenz.  Daher  ist  die  Ablehnung 
des  sich  hierauf  beziehenden  Reklamationspunktes  seitens  des  Gerichts 
erster  Instanz  zutreffend  und  auch  dieser  Berufungspunkt  unbegründet. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  30.  Mai  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


In  Sachen  des  am  6.  Februar  1904,  2  Uhr  45  Minuten  nachmittags, 
im  Hafen  von  Fusan  von  dem  Kaiserlich  Japanischen  Kriegsschiff 
„Heiyen"  beschlagnahmten  russischen  Handelsschiffs  „Mukden"  und 
seiner  Ladung  wird  bezüglich  der  in  dem  besonders  beigefügten  Ver- 
zeichnis aufgeführten  Güter  nach  Einsicht  des  Schriftsatzes  des  Staats- 
anwalts, wie  folgt,  entschieden. 

Bezüglich  der  in  dem  beigefügten  Verzeichnis  aufgeführten,  von 
der  Firma  Holme,  Ringer&Co.  verschifften  und  für  O  r  i  n  e  f  f  be- 
stimmten Güter,  nämlich  einer  Kiste  Bettgestelle  und  einer  Kiste  Bett- 
matratzen, welche  in  Nagasaki  auf  der  „Mukden''  mit  Bestimmung  nach 
Wonsang  in  Korea  verladen  waren;  sowie  bezüglich  der  von  der  Firma 
Mactavish  &  Lehmann  verschifften,  für  Wakefield  bestimmten 
einen  Kiste  Arzneiwaren,  welche  in  Shanghai  auf  dem  genannten  Dampfer 
mit  Bestimmung  nach  Wonsang  verladen  war,  muß  nach  den  Angaben 
des  Ladungsverzeichnisses  und  nach  der  Natur  der  Waren  angenommen 
Verden,  daß  dieselben  dem  in  Korea  ansässigen  Grineff  beziehungs- 
weise Wakefield  gehören. 

Bezüglich  femer  des  von  Matsumoto  an  Matsumoto  ver- 
schifften Geldschranks  sowie  bezüglich  der  von  MoriyaanNishijima 
verschifften  Güter,  nämlich  eines  Kollo  Schirme  und  acht  anderer  Waren- 
sorten, welche  in  Nagasaki  mit  Bestimmung  nach  Wonsang  in  Korea 
verladen  waren,  muß  angenommen  werden,  daß  sie  im  Eigentum  von 
japanischen  Staatsangehörigen  stehen,  die  in  Korea  ansässig  sind. 

(5-)  67 


Abschnitt  VI«»» 


Prisengeiichtsentscheidungen :  „Mukden'^ 


Daher  werden  alle  diese  Güter,  unbeschadet  der  Rechtmäßigkeit 
ihrer  Beschlagnahme,  weil  keine  besonderen  Gründe  für  ihre  Einziehung 
vorliegen,  sofort  freigegeben.  ^) 

Gegeben  am  24.  Februar  1Q04. 

(Unterschriften.) 

Qüterverzeichnis« 


Name  der  Güter 

Zahl 

Absender 

Empfänger 

Eiserne  Bettstellen    .    . 

1  Kiste 

Holme,  Ringer  &  Co. 

Grineff 

Bettmatratzen  dazu  . 

1  Kiste 

do. 

do. 

Eiserner  Geldschrank 

1  Stück 

Matsumoto 

Matsumoto 

Schirme 

1  Kollo 

Moriya 

Nishijima 

Nahrungsmittel 

1  Kiste 

do. 

do. 

Bücher     .    .    . 

1  Kiste 

do. 

do. 

Schinken 

1  Kiste 

do. 

do. 

Äpfel  .    .    . 

2  Kisten 

do. 

do. 

Bambus  .    . 

69  Bund 

do. 

do. 

Bauholz  .    . 

2  Kisten 

do. 

do. 

Porzellan 

1  Kiste 

do. 

do. 

Wachskerzen 

1  Kiste 

do. 

do. 

Arzneiwaren 

1  Kiste 

Mactavish  &  Lehmann 

Wakefield 

Reklamant:  Die  ostchinesische  Eisenbahngesellschaft  in  St. 
Petersburg,   vertreten   durch   den  Vizepräsidenten   Wenzel. 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  Nagashima  Washitaro, 
Tokio,  Kyobashiku,  Kagacho  Nr.  10. 

In  der  Prisensache  betreffend  den  russischen  Dampfer  „Mukden" 
und  die  auf  demselben  verschiffte  Ladung  wird,  wie  folgt,  entschieden : 

Urteilsformel: 
Der  Dampfer  „Mukden"  und  die  in  dem   beigefügten  Ladungs- 
verzeichnis unter  Nr.  1  bis  45,  47  bis  52  und  54  bis  56  aufgeführten 
Güter  werden  eingezogen,  die  unter  Nr.  46  und  53  aufgeführten  Güter 
werden  freigegeben. 

Tatbestand  und  Gründe: 
Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „Mukden"  ist  Eigentum 
der  russisch-ostchinesischen  Eisenbahngesellschaft,  sein  Heimatshafen  ist 
der  russische  Pachthafen  Dalny  in  China,  er  führt  die  russische  flagge 


0  V  §§  8.  3  und  4. 


68 


PriMngericbtsentscheidungen ;  „Mukden",  Abschnitt  VI>i» 

und  dient  zum  Transport  von  Passagieren,  Gütern  und  Postsachen 
zvischen  Shanghai  in  China,  Fusan  in  Korea,  Nagasaki  in  Japan  und 
Wladiwostok  in  Rußland.  Am  5.  Februar  verließ  der  Dampfer  den 
Hafen  von  Nagasaki  mit  Bestimmung  nach  Wladiwostok  und  wurde 
am  6.  desselben  Monats  während  seines  Aufenthalts  im  Hafen  von 
Fusan  um  2*^  nachmittags  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Heiyen" 
beschlagnahmt.  Unter  der  Ladung,  welche  ohne  Ausnahme  für 
Empfänger  in  Wladiwostok  bestimmt  war,  befinden  sich  eine  Kiste 
für  amtlichen  Gebrauch  bestimmte  Registerpapiere  und  ein  Kollo  Flaggen, 
welche  dem  in  Wladiwostok  ansässigen  französischen  Handelsagenten 
gehören. 

Diese  Tatsachen  hat  nicht  nur  der  Reklamant  anerkannt,  sondern 
sie  gehen  auch  hervor  aus  dem  Protokoll  des  Stellvertreters  des  Kom- 
mandanten des  Kriegsschiffes  „Heiyen",  Kapitänleutnants  Yoshimura 
Shinsei,  aus  den  Vernehmungsprotokollen  des  ersten  Offiziers  der 
„Mukden*',  Serge  Wiszniowski,  und  des  zweiten  Offiziers,  A 1  e  x - 
ander  Iwano witsch  Kanajeff,  aus  dem  Schiffsjournal,  dem 
Ladungsverzeichnis,  den  Ausklarierungspapieren  des  Zollamts  in  Naga- 
saki, dem  Permit  der  Nagasaki  Quarantäne-Station,  aus  den  Protokollen 
der  mündlichen  Verhandlungen  in  Sachen  der  Reklamationen  Nr.  6  und 
Nr.  12 1)  betreffend  die  Beschlagnahme  des  Dampfers  „Mukden"  und  den 
Aussagen  des  französischen  stellvertretenden  Vizekonsuls  in  Nagasaki 
0.  Goudareau. 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  des  Vertreters  der  Reklamation 
sind  folgende: 

1.  Japan  und  Rußland  seien  in  den  Kriegszustand  eingetreten  mit 
der  Seeschlacht  bei  Port  Arthur  am  8.  Februar  1904  und  nicht  mit  der 
Mitteilung  Japans  an  Rußland  über  den  Abbruch  der  diplomatischen  Be- 
ziehungen. Daher  habe  die  zur  Verhandlung  stehende  Beschlagnahme 
zu  einer  Zeit  stattgefunden,  die  vor  dem  Eintreten  der  beiden  Mächte 
in  den  Kriegszustand  liege,  und  das  Schiff  müsse  daher  freigelassen 
«erden. 

2.  Selbst  angenommen,  die  beiden  Mächte  seien  zur  Zeit  der  Mit- 
teilung über  den  Abbruch  der  diplomatischen  Beziehungen  in  den  Kriegs- 
zustand eingetreten,  so  müsse  doch,  da  diese  Mitteilung  durch  den  Ge- 
sandten Kurino  am  6.  Februar,  4  Uhr  nachmittags,  stattgefunden  habe, 
die  Beschlagnahme  aber  am  selben  Tage  um  2"  p.  m.  vorgenommen 
worden  sei,  also  in  eine  vor  Eintreten  des  Kriegszustandes  liegende  Zeit 
falle,  das  Schiff  freigegeben  werden. 

3.  Nach  der  Pariser  Seerechtserklärung  vom  Jahre  1856  könnten 
Güter,  welche  Neutralen  gehörten,  nicht  beschlagnahmt  werden.    Daher 


»)  VI  2  c  und  g. 

69 


Abschnitt  Vl^i»  Prisengerichtsentscheidungen:  ,,Mukden". 

seien  die  in  der  Bekanntmachung  des  Staatsanzeigers  als  der  Ostasiatischen 
Gesellschaft  gehörig  verzeichneten  Güter,  weil  sie  der  in  Wladiwostok 
ansässigen  Firma  Marcerou,  Schreter&Co.  gehörten,  freizulassen. 

4.  Wenn  das  Schiff  freigelassen  werde,  so  müsse  auch  die  Ladung 
freigegeben  werden. 

5.  Da  die  Beschlagnahme  in  den  koreanischen  Hoheitsgewässern 
stattgefunden  habe,  so  sei  die  Frage,  ob  Korea  als  neutral  anzusehen 
sei  oder  nicht,  klarzustellen.  Da  ferner  die  Angehörigen  kriegsführender 
Staaten  von  dem  Kriegszustand  erst  durch  die  Bekanntmachung  der 
Kriegserklärung  erführen,  so  sei  das  zur  Verhandlung  stehende,  vor  der 
Veröffentlichung  des  Kaiserlichen  Erlasses  bezüglich  der  Kriegserklärung 
beschlagnahmte  Schiff  freizulassen.  Ferner  sei  es  freizugeben,  weil  der 
Sinn  der  Kaiserlichen  Verordnung  Nr.  20  vom  Jahre  1904  2)  auf  Schiffe, 
welche,  wie  das  vorliegende,  vor  Eröffnung  des  Krieges  Japan  verlassen 
hätten  und  auf  der  Reise  begriffen  gewesen  seien,  zutreffe. 

Die  Hauptpunkte  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  sind  folgende: 

Die  eine  für  den  französischen  Handelsagenten  bestimmte  Kiste  mit 

Registerpapieren    (amtlichen    Schriftstücken)   sowie    ein    Kollo    Flaggen 

seien  freizugeben;  das  Schiff  dagegen  und  die  übrige  Ladung  sei,  weil 

sämtliche  Anführungen  des   Reklamanten  grundlos  seien,  einzuziehen. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Rußland  hat  während  der  diplomatischen  Verhandlungen  mit  Japan 
über  die  mandschurische  und  koreanische  Frage  seine  Antwort  beständig 
verzögert  und  in  Entsendung  seiner  Truppen  in  die  Mandschurei  und 
nach  Korea  hinein  sowie  in  der  Konzentration  seines  Geschwaders  nach 
Port  Arthur  lebhafte  kriegerische  Tätigkeit  entwickelt  und  seinen  Ent- 
schluß, den  Kampf  mit  Japan  aufzunehmen,  deutlich  gezeigt.  Daraufhin 
hat  Japan  am  5.  Februar  1904  seine  Erklärung  an  Rußland  über  den  Ab- 
bruch der  diplomatischen  Beziehungen  abgesandt  und  sich  zugleich 
in  Kriegsbereitschaft  gesetzt.  Am  folgenden  Tage,  dem  6.  Februar  1904, 
7  Uhr  morgens,  brach  die  japanische  Flotte  zum  Angriff  des  russischen 
Geschwaders  von  Sasebo  auf.  Wenn  man  sich  die  Bewegungen  der 
beiderseitigen  Geschwader  und  die  allgemeine  Situation  zu  der  Zeit  ver- 
gegenwärtigt, so  muß  man  sagen,  daß  die  Feindseligkeiten  bereits  vor 
der  zur  Verhandlung  stehenden  Beschlagnahme  ihren  öffentlichen  An- 
fang genommen  hatten.  Es  ist  daher  klar,  daß  zur  Zeit  der  Beschlag- 
nahme der  Kriegszustand  bereits  eingetreten  waf,  und  die  Frage,  ob 
die  Kriegserklärung  veröffentlicht  war  oder  nicht,  ist  belanglos. 

Die  Kaiserliche  Verordnung  Nr.  20  vom  Jahre  1904  3)  begründet 
eine  ausnahtnsweise  Vergünstigung  der  Befreiung  von  der  Beschlagnahme 

*)  I.  -  •)  I. 
70 


PriseDgerichtsentscheidungen :  „Mukderi". 


Abschnitt  VI«* 


lediglich  für  russische  Handelsschiffe,  welche  sich  in  japanischen  Häfen 
befunden  haben  oder  vor  dem  9.  Februar  von  einem  ausländischen 
Hafen  nach  einem  japanischen  Hafen  aufgebrochen  sind.  Auf  Schiffe 
jedoch,  welche,  wie  das  vorliegende,  vor  dem  genannten  Tage  von 
einem  japanischen  Hafen  nach  einem  feindlichen  Hafen  aufgebrochen 
sind,  kann  die  Vergünstigung  dieser  Kaiserlichen  Verordnung  nicht  aus- 
gedehnt werden. 

Da  ferner  offenbar  Korea  tatsächlich  kein  neutrales  Land  ist,  so 
kann  gegen  die  Berechtigung  zur  Ausübung  einer  Beschlagnahme  in 
ieinen  Hoheitsgewässern  nichts  eingewendet  werden. 

Da  deshalb  die  Beschlagnahme  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Schiffes  zu  Recht  geschehen  ist,  so  ist  dasselbe  einzuziehen.*) 

Was  die  Schiffsladung  angeht,  so  ist  die  eine  Kiste  Registerpapiere 
{amtliche  Schriftstücke)  und  ein  Kollo  Flaggen,  weil  für  den  in  amt- 
licher Eigenschaft  in  Wladiwostok  ansässigen  französischen  Handels- 
agenten bestimmt,  freizugeben.  Die  übrigen  Güter  sind  jedoch,  als 
feindliche  Güter  auf  feindlichem  Schiff,  sämtlich  einzuziehen.*) 

Der  Vertreter  des  Reklamanten  hat  bezüglich  der  im  Staatsanzeiger 
als  der  Ostasiatischen  Gesellschaft  gehörig  verzeichneten  Güter  geltend 
gemacht,  daß  dieselben  der  in  Wladiwostok  ansässigen  französischen 
Firma  Marcerou,  Schreter  &  Co.  gehörten,  folglich  als  Eigentum 
eines  Neutralen  und  nicht  als  feindliche  Güter  zu  behandeln  seien. 
Aber  der  Charakter  von  Gütern  als  feindlicher  bestimmt  sich  nicht  nach 
der  Nationalität,  sondern  nach  dem  Wohnsitz  des  Eigentümers«)  und, 
da  der  Eigentümer  der  Güter  freilich  französische  Staatsangehörigkeit 
besitzt,  indes  in  Wladiwostok,  d.  h.  im  Gebiete  des  Feindes  ansässig 
ist  und  dort  Handel  treibt,  so  sind  die  Güter  feindlich  und  können  der 
Einziehung  nicht  entgehen. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 


Verkündet  am  26.  Mai  1904  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Beisein 
des  Staatsanwalts  Mizukami  Chojiro. 

(Unterschriften.) 
Ladungsverzeichnis  des  Dampfers  „Mttkden'^ 


Nr 

Güter 

Stück 

Absender 

Empfänger 

1 

2 
3 

lOOOO  Rubel  .... 

Musikinstrumente    .    . 
Schreibmaschinen    .    . 

1  Kiste 

1  Kiste 
10  Kisten 

Russ.-Chines.  Bank, 

Nagasaki 

Ahrens  &  Co. 

Kunst  &  Albers 

Russ.-Chin.  Bank, 
Wladiwostok 

Kunst  &  Albers 

*)  V  §  40.  1.  -  »)  V  §  40.  2.  —  8)  V  §§  8.  3  und  4. 


71 


Abschnitt  VI«»» 


PrisengeiichtsentscheMungen ;  „Mukden'^. 


Nr. 

Güter 

Stück 

Absender 

Empfänger 

4 

Walfischöl 

5  Fafi 

Graf  Kayserling 

Feger 

5 

Parfümerien    .... 

3  Kisten 

Ahrens  &  Co. 

6 

Glasröhren 

2  Kisten 
1  Kiste 

7 

Glasgeräte 

8 

Senfsamen 

2  Kisten 
1  Kiste 
1  Kiste 
150  Kolli 
75  Kisten 

»1 
ff 

9 

Gewürze 

10 

Bücher 

11 

Zitronen 

12 

Apfelsinen 

13 

Reis 

lOOOSack 
1  Kiste 

Holme,  Ringer  &  Co. 
Boeddinghaus  . 

Choorin  &  Co. 

14 

Qlasgeräte 

15 

59  Kisten 
100    „ 

Chu  Yen  Cheng. 

16 

Apfelsinen 

Yuang  Gee  Tse 

17 

n                ..... 

50    „ 

Yeng  Kiung 

Lieh  Ta  Hang 

18 

50    „ 
16  Kolli 

Holme,  Ringer  &  Co. 

>) 

19 

Phonographennoten 

20 

Getrocknetes  Obst  .    . 

50  Kisten 

» 

21 

n                             j»          •        • 

10  Kolli 

» 

22 

Getrocknete  Pflaumen 

200  Kisten 

>i 

23 

Getrocknete  Äpfel   .    . 

99    „ 

»> 

24 

Drogen 

1  Kollo 

Boeddinghaus 

Köhler,  Apotheke 

25 

Maschinenteile     .    .    . 

1  Kiste 

Ahrens  &  Co. 

26 

Notizbücher    .... 

1  Kollo 

»> 

27 

Stahlgeräte      .... 

1  Kollo 

Clarkson  &  Co. 

Clarkson  &  Co. 

28 

Musikinstrumente     .    . 

5  Kisten 

Mess.  Maritimes, 
Shanghai 

Schreter  &  Co.,. 
Wladiwostok 

29 

Parfümerien    .... 

3    „ 

)) 

>» 

30 

Gußeiserne  Möbel  .    . 

5    „ 

>> 

»» 

31 

Telegraphenapparate    . 

1  Kiste 

Great  Northern 
Shanghai 

Telegraph  Co., 
Wladiwostok 

32 

Phonographenröhren    . 

2  Kisten 

Giyumann  &  Co. 

Yumpozan 

33 

Zinkblech 

22  Stück 

P.  0.  &  Co. 

M 

34 

Teeproben 

1  Kiste 

Siemssen  &  Co. 

Kunst  &  Albers 

35 

Nägel 

1768  Faß 

Shewan,  Tomes  &  Co. 

1) 

36 

Wagen  ...... 

45  Kisten 

)) 

>» 

37 

Porzellangegenstände  . 

2  Kolli 

Siemssen  &  Co., 
Shanghai 

Kunst  &  Albers» 
Wladiwostok 

38 

1  Kollo 

)> 

39 

Eisenwaren     .... 

17  Kisten 

n 

40 

»» 

.    . 

6    „ 

n 

41 

Äxte  .... 

300Stück 

42 

Bücher  .    .    . 

1  Kiste 
1  Stück 

' 

43 

Maschinenteile 

•    • 

» 

72 


Prisragerichtsentscheldiuigen:  „Mukden'^ 


Abschnitt  VI«>> 


Nr. 

Güter 

Stück 

Absender 

• 

Empfänger 

44 

Muster  u.  Verzeichnisse 

1  Kiste 

Siemssen  &  Co. 

Kunst  &  Albers 

45 

Margarine 

1      „ 

>> 

)) 

46 

Registerpapiere    .    .    . 

1      „ 

East  Asiatic  Co., 
Shanghai 

» 

47 

Öl 

1  Faß 

n 

48 

Essig 

1    „ 

j> 

49 

Konserven 

25  Kisten 

)) 

50 

Geldschränlce  u.  Zubehör 

4    „ 

>> 

51 

>»                  i> 

2    „ 

)} 

52 

Fabrikartikel 

12    „ 

Carlowitz  &  Co., 
Shanghai 

Kunst  &  Albers, 
Wladiwostok 

53 

Flaggen 

1  Kollo 

Mess.  Maritimes, 
Shanghai 

Schreter  &  Co., 
Wladiwostok 

54 

i> 

1     „ 

P.  0.  &  Co, 

Adolsruk 

55 

i> 

1     „ 

)) 

Ovesen 

56 

Gasbrenner     .... 

1     „ 

TradingCo.,  Shanghai 

Taylor, 
Wladiwostok 

Reklamant:  Die  ostchinesische  Eisenbahngesellschaft  in  St. 
Petersburg,   Rußland,  vertreten   durch   den  Vizepräsidenten  WenzeL 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  Nagashima  Washitaro, 
Tokio,  Kyobashiku  Kagacho  Nr.  10. 

Am  26.  Mai  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der  Prisensache 
betreffend  den  am  6.  Februar  1904  im  Hafen  von  Fusan  von  dem 
Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Heiyen"  aufgebrachten  russischen  Dampfer 
.,Mukden"  und  dessen  Ladung  auf  Einziehung  des  Dampfers  und  die 
in  dem,  dem  Urteil  beigefügten,  Ladungsverzeichnis  unter  Nr.  1  bis  45, 
47  bis  52,  54  bis  56  aufgeführten  und  auf  Freigabe  der  unter  Nr.  46 
und  53  aufgeführten  Güter  entschieden. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  der  Rechtsanwalt  NagashimaWashi- 
laro  als  Prozeßvertreter  der  ostchinesischen  Eisenbahngesellschaft,  ver- 
treten durch  den  Vizepräsidenten  Wenzel,  die  Berufung  eingelegt. 
Dieselbe  ist  von  dem  Oberprisengericht  im  Beisein  der  Staatsanwälte 
Tsutsuki  Keiroku  und  Ishiwatari  Binichi  geprüft  worden. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Vertreters  der  Reklamation 
Nagashima  Washitaro  sind  folgende:  Es  werde  Aufhebung  des 
Urteils  erster  Instanz,  soweit  auf  Einziehung  erkannt  sei,  und  Freilassung^ 
des  Dampfers  und  dessen  Ladung  beantragt,  und  zwar  aus  folgenden 
Gründen : 


73 


Abschnitt  Vl^b  Prisengerichtsentscheidungen:  „Mukden". 

1.  Da  die  Beschlagnahme  des  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfers 
im  Hafen  von  Fusan  am  6.  Februar  1904,  2*^  nachmittags,  stattgefunden 
habe,  der  Kriegszustand  zwischen  Japan  und  Rußland  aber  erst  am 
8.  Februar  desselben  Jahres,  nämlich  mit  der  Seeschlacht  bei  Port  Arthur, 
eingetreten  sei,  so  sei  die  Beschlagnahme,  weil  früher  geschehen,  un- 
gerechtfertigt. 

2.  Selbst  wenn  man  aber  das  Eintreten  des  Kriegszustands  auf 
den  Zeitpunkt  der  Mitteilung  von  dem  Abbruch  der  diplomatischen 
Beziehungen  verlege,  so  sei  doch,  da  der  Gesandte  Kur  in  o  diese 
Mitteilung  dem  russischen  Minister  der  Auswärtigen  Angelegenheiten 
am  6.  Februar,  nachmittags  4  Uhr,  gemacht  habe,  die  Beschlagnahme 
vor  Eintreten  des  Kriegszustandes  ausgeübt  worden,  und  deshalb  müsse 
die  Freilassung  erfolgen. 

3.  Die  unter  der  Ladung  befindlichen,  in  der  Bekanntmachung 
des  Staatsanzeigers  als  der  ostasiatischen  Gesellschaft  gehörig  verzeich- 
neten Güter  seien  von  der  Firma  Marcerou,  Schreter  &  Co.  auf 
einem  der  französischen  ostasiatischen  Gesellschaft  gehörigen  Dampfer 
für  Wladiwostok  verschifft  und  auf  die  „Mukden"  umgeladen  worden. 
Da  diese  Güter  am  Bestimmungsorte  gegen  Aushändigung  der  Kon- 
nossemente zu  überantworten  gewesen  wären,  so  seien  sie,  solange 
sie  noch  nicht  im  Bestimmungshafen  angekommen  seien,  noch  Eigentum 
des  Absenders.  Es  sei  auch  besonders  zu  bemerken,  daß  die  Güter 
von  dem  Absender  auf  einem  französischen  Postdampfer  verschifft  und 
daß  sie  nur  zufällig  auf  ein  feindliches  Handelsschiff  umgeladen  worden 
seien. 

4.  Ebenso  seien  die  unter  Nr.  31  aufgeführten  Güter  Eigentum 
der  dänischen  „Great  Northern  Telegraph  Company",  sie  seien  gegen 
Aushändigung  des  Konnossements  auszuliefern  und  stünden,  solange 
sie  noch  nicht  im  Bestimmungshafen  angekommen  seien,  noch  im 
Eigentum  des  Absenders. 

5.  Im  Falle  der  Freilassung  des  Schiffes  müßten  auch  die  auf  dem- 
selben verschifften  Güter  freigelassen  werden. 

6.  Da  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  im  Hafen  von  Fusan 
aufgebracht  worden  sei,  so  sei  es  bei  Abgabe  eines  prisengerichtlichen 
Erkenntnisses  von  Wichtigkeit,  zu  entscheiden,  ob  Korea  ein  neutraler 
oder  für  die  Kriegszeit  mit  Japan  verbündeter  Staat  sei.  Bedauerlicher- 
weise habe  aber  das  Urteil  des  Prisengerichts  von  Sasebo  die  völker- 
rechtliche Stellung  Koreas  nicht  klargelegt. 

7.  Die  russischen  Staatsangehörigen  hätten,  solange  die  Kriegs- 
erklärung nicht  veröffentlicht  sei,  keine  Gelegenheit  gehabt,  von  der- 
selben Kenntnis  zu  erlangen.  Daher  sei  die  Beschlagnahme  des  hier 
verhandelten  Dampfers,  welche  vor  der  Veröffentlichung  dieser  Kriegs- 
erklärung stattgefunden  habe,  ungerechtfertigt. 

74 


Priaengerichtsentscheidungen:  y,Mukden".  Abschnitt  VI^i» 

8.  Da  der  Dampfer  am  5.  Februar  1Q04  von  Nagasaki  aufgebrochen 
und  am  6.  des&lben  Monats,  2**  nachmittags,  während  seines  Aufenthalts 
in  Fusan  beschlagnahmt  worden  sei,  so  müsse  er,  wenn  man  den  wahren 
Sinn  der  Kaiserlichen  Verordnung  Nr.  20  vom  Jahre  1904  auf  ihn  an- 
wende, freigegeben  werden. 

9.  Die  in  dem,  dem  Urteil  des  Prisengerichts  zu  Sasebo  beigefügten 
Ladungsverzeichnis  unter  Nr.  28  bis  30  und  46  bis  51  aufgeführten  Güter 
seien  Eigentum  von  Bürgern  der  neutralen  französischen  Republik,  die 
unter  Nr.  28  bis  30  verzeichneten  Güter  seien  auf  einem  Dampfer  der 
.Messageries  Maritimes,  die  Güter  unter  Nr.  46  bis  51  auf  einem  Dampfer 
der  französischen  ostasiatischen  Gesellschaft  verschifft  worden  und  erst 
in  Shanghai  auf  die  „Mukden"  umgeladen.  Wenn  diese  Umladung  auf 
einen  russischen  Dampfer  nicht  stattgefunden  hätte,  würden  die  Güter 
dem  Unfall  der  Beschlagnahme  entgangen  sein.  Das  Sasebo-Prisengericht 
habe  diesen  Punkt  gar  nicht  in  Erwägung  gezogen,  und  der  Reklamant 
könne  sich  damit  nicht  einverstanden  erklären. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  des  Sasebo- 
Prisengerichts,  Yamamoto  Tatsurokuro,  sind  folgende: 

Der  Kriegszustand  zwischen  Japan  und  Rußland  sei  mit  der  Zeit 
eingetreten,,  wo  die  beiden  Kriegsflotten  Vorbereitungen  zum  Kampf 
getroffen  hätten,  und  man  könne  aus  der  Tatsache,  daß  sie  kein  Feuer 
ausgetauscht  hätten,  nicht  die  Behauptung  ableiten,  daß  sie  nicht  schon 
öffentlich  feindlich  einander  gegen  übergetreten  wären.  Das  russische 
Geschwader  habe  in  der  Absicht,  unser  Geschwader  anzugreifen,  seine 
Vorbereitungen  getroffen  und  sei  am  4.  oder  5.  Februar  aus  dem 
Hafen  von  Port  Arthur  ausgelaufen.  Unser  Geschwader  seinerseits 
sei.  um  einen  Gegenangriff  zu  machen,  am  6.  Februar,  morgens  7  Uhr, 
von  dem  Kriegshafen  Sasebo  aufgebrochen.  Damit  sei  zwischen  den 
beiden  Landern  der  Kriegszustand  begründet  gewesen. 

Es  sei  ein  allgemeiner  völkerrechtlicher  Grundsatz,  daß  mit  der 
Übergabe  der  Güter  an  einen  Seeverfrachter  die  Gefahr  des  Seetransports 
und  das  Eigentum  an  den  Gütern  auf  den  Empfänger  übergingen. 

Dadurch,  daß  die  Güter  auf  der  Reise  auf  einen  anderen  Dampfer 
umgeladen  worden  seien,  habe  sich  in  der  Vermutung  bezüglich  des 
E^ientutnsrechts  nichts  geändert. 

In  der  Tatsache,  daß  die  Güter  am  Bestimmungsort  gegen  Aus- 
lieferung der  Konnossemente  zu  übergeben  seien,  könne  man  keineswegs 
einen  besonderen  Vertrag  erblicken,  welcher  den  Übergang  des  Eigen- 
tumsrechts aufschiebe,  denn  diese  Tatsache  sei  ganz  allgemeine  kauf- 
männische Übung. 

Es  sei  gerechtfertigt,  daß  die  Güter,  welche  nach  Feindesland 
bestimmt  und  auf  feindlichem  Schiff  verladen  worden  seien,  als  feind- 
liche betrachtet  worden  wären. 

75 


Abschnitt  ITltb  Prisengeiichtsentscheidungen:  „Mukden"« 

Es  sei  zweifellos  richtig,  daß  im  Falle,  daß  das  zur  Verhandlung 
stehende  Schiff  freigegeben  würde,  auch  die  auf  demselben  verschifften 
Güter  freizugeben  seien,  aber  da  die  Aufbringung  von  feindlichen  Schiffen 
und  Gütern  eine  rechtmäßige  Betätigung  des  Rechts  der  Kriegführung 
sei,  so  könnten  sie  auch  in  diesem  Falle  der  Beschlagnahme  nicht  ent- 
gehen. 

Was  die  Behauptung,  Korea  sei  zurzeit  kein  neutrales  Land, 
angehe,  so  gründe  sich  dieselbe  auf  der  mandschurisch-koreanischen 
Frage.  Das  bekanntlich  den  Kern  dieser  Frage  bildende  Bestreben,  die 
Integrität  der  Mandschurei  und  Koreas  aufrechtzuerhalten,  habe  zur 
offenbar  notwendigen  Folge,  daß  Korea  ebenso  wie  die  Mandschurei 
tatsächlich   den   Kriegsschauplatz  darstelle. 

Ferner  sei  Unkenntnis  feindlicher  Schiffe  oder  Güter  von  dem 
Bestehen  des  Kriegszustands  kein  Grund,  weshalb  dieselben  der  Auf- 
bringung nicht  unterworfen  sein  sollten. 

Der  alleinige  Zweck  der  Kaiserlichen  Verordnung  Nr.  20  sei  der, 
den  heimischen  Handelsverkehr  vor  Schädigung  zu  schützen.  Des- 
halb gewähre  sie  als  eine  Ausnahme  von  dem  sonst  zu  Kriegszeiten 
bestehenden  Recht  der  Beschlagnahme  feindlicher  Kriegsschiffe  die  Ver- 
günstigung, daß  für  eine  gewisse  Frist  die  Prisenmaßnahmen  suspendiert 
sein  sollten.  Demnach  sei  es  unzulässig,  diese  Verordnung  auf  Fälle, 
die  sich  nicht  mit  ihrem  genauen  Wortlaut  deckten,  anwenden  zu  wollen. 
Da  der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  zur  Zeit  des  Erlasses  der- 
Kaiserlichen  Verordnung  sich  weder  in  einem  japanischen  Hafen  be- 
funden habe,  noch  auf  der  Fahrt  nach  einem  solchen  begriffen  gewesen, 
sondern  bereits  vor  Veröffentlichung  derselben  beschlagnahmt  worden 
sei,  so  könne  er  selbstverständlich  die  Vergünstigung  der  Kaiserlichen 
Verordnung  nicht  in  Anspruch  nehmen. 

Daher  sei  der  Staatsanwalt  der  Ansicht,  daß  das  Urteil  erster 
Instanz  voll  begründet  und  die  Berufung  zu  verwerfen  sei. 

Die  vorliegende  Entscheidung  wird,  wie  folgt,  begründet: 

Der  Berufungsreklamant  behauptet  in  seinem  ersten  Punkte,  daß 
die  Beschlagnahme  vor  Eintreten  des  Kriegszustands,  nämlich  vor  der 
am  8.  Februar  1904  stattgehabten  Seeschlacht  bei  Port  Arthur  vor- 
genommen und  deshalb  ungerechtfertigt  sei.  Er  behauptet  ferner  im 
Punkte  2,  daß  die  Beschlagnahme  auch  vor  der  Mitteilung  vom  Abbruch 
der  diplomatischen  Beziehungen  seitens  des  Gesandten  Kurino  an 
den  russischen  Minister  des  Äußern  geschehen  sei  und  daß  deshalb  das 
Schiff  gutes  Anrecht  auf  Freilassung  habe.  Aber  es  ist  unbestreitbar, 
daß  die  Eröffnung  eines  Krieges  nicht  von  dem  ersten  Feuern  der 
Kanonen  der  kriegsführenden  Mächte  abhängig  ist,  und  es  ist  ebenso 
unbestreitbar,  daß  eine  Kriegserklärung  oder  die  Übermittelung  einer 
solchen  an  den  andern  Teil  hierbei  nicht  entscheidend  ist,  daß  viel- 

76 


Prisengerlchtsentscheidungen:  „Mllkden'^  Abschnitt  VI<b 

mehr  selbstredend   die  Verwirklichung  der  Kampfesabsicht  oder  jede 
sonstige  Manifestation  derselben  den  Kriegszustand  ins  Leben  ruft.    Da 
nun  während  der  japanisch-russischen  Verhandlungen   Rußland  durch 
sein  unangemessenes  Verhalten,  welches  die  Hoffnung  auf  Erhaltung 
des  Friedens  unmöglich  machte,  und  durch  fortwährende  Kriegsrüstungen 
seine  Absicht,  uns  mit  Waffengewalt  zu  unterwerfen,  klar  bewies,  so 
sandte  unsere  Regierung  am  5.  Februar  des  Jahres  1904  eine  Instruktion 
bezüglich  Abbruchs  der  diplomatischen  Beziehungen  an  unseren  Ge- 
sandten in  Rußland,  und  gleichzeitig  traf  unser  Kriegsgeschwader  seine 
Vorbereitungen  und  fuhr  am  folgenden  Tage,  am  6.  Februar,  mit  der 
Bestimmung,  den  Kampf  zu  eröffnen,  von  Sasebo  ab  und  nahm  auf  der 
Fahrt,  da  es  eben  schon  Kriegszeit  war,  das  der  russischen  freiwilligen 
Flotte  angehörige,  für  den   Kriegsgebrauch   der  russischen   Regierung 
bestimmte   Dampfschiff   „Ekaterinoslav''    in    Beschlag.     Dies   war   eine 
deutliche  Ausführung  der  Kampfesabsicht,  und  die  erst  später  erfolgte 
Beschlagnahme  des  hier  in   Frage  kommenden   Dampfers  kann  daher 
nicht  als  ungerechtfertigt  bezeichnet  werden;  dies  um  so  weniger,  als 
sie  auch   nach   der  am   6.   Februar   um  2   Uhr  nachmittags  erfolgten 
Mitteilung  unserer  Regierung  an  den  bei  unserem  Hofe  akkreditierten 
russischen  Gesandten  betreffend  den  Abbruch  der  diplomatischen  Be- 
ziehungen stattgefunden  hat.    Punkt  1  und  2  der  Berufung  sind  daher 
grundlos. 

Der  Berufungsreklamant  behauptet  in  Punkt  3  und  4  der  Be- 
rufungsschrift, daß  die  in  der  Bekanntmachung  des  Staatsanzeigers  als 
der  ostasiatischen  Gesellschaft  gehörig  und  ferner  die  unter  Nr.  31  ver- 
zeichneten Güter  im  Eigentum  der  Absender  stünden  und  daher  frei- 
zugeben seien.  Es  ist  jedoch  eine  nach  Ansicht  des  Oberprisengerichts 
den  Verhältnissen  gerechtwerdende  völkerrechtliche  Gewohnheit,  daß 
Güter,  welche  von  Personen,  die  außerhalb  des  Feindesgebiets  ihren 
Wohnsitz  haben,  an  einen  Empfänger  im  Feindesgebiet  zur  Kriegs- 
zeit auf  feindlichem  Schiffe  versandt  werden,  den  Charakter  feindlicher 
Güter  tragen  und  demgemäß  der  Einziehung  unterliegen.  Von  dieser 
Regel  kann  nicht  nach  der  Art  der  Umstände,  unter  welchen  die  Ver- 
ladung auf  das  feindliche  Schiff  geschehen  ist,')  eine  Abweichung  ge- 
troffen werden.  Daher  sind  Punkt  3  und  4  der  Berufung  unbegründet. 
Solange  die  Notwendigkeit,  das  Schiff  freizulassen,  nicht  nach- 
gewiesen wird,  ist  Punkt  5  als  Grund  für  die  Freilassung  der  Güter 
kraftlos. 

Der  Reklamant  erklärt  es  in  Punkt  6  seiner  Berufungsgründe  für 
bedauerlich,  daß  das  erstinstanzliche  Urteil  die  völkerrechtliche  Stellung 
Koreas  nicht  klargestellt  habe,  aber  da  Korea  als  neutral  im  gewöhnlichen 


^  d.  h.  also  in  diesem  Falle:  ob  sie  zuvor  auf  einem  neutralen  Schiff  verladen 
und  spater  auf  das  feindliche  Schiff  umgeladen  worden  sind. 

77 


Abschnitt  VI<ii  PrisengerJchtsentscheidungen :  „Mukdan''. 

Sinne  des  Worts  nicht  betrachtet  werden  kann,  so  kann  aus  der  Tat- 
sache, daß  die  Beschlagnahme  in  seinen  Hoheitsgewässern  stattgefunden 
hat.  ein  Vorwurf  gegen  dieselbe  nicht  erhoben  werden.  Daher  kann 
auch  die  Behauptung,  daß  das  Urteil  des  Sasebo-Prisengerichts,  welches 
die  tatsächlich  nicht  bestehende  Neutralität  Koreas  dartut,  unvollständig 
sei,  weil  es  sich  des  weiteren  über  die  Stellung  Koreas  in  keine  Er- 
örterung eingelassen   habe,  nicht  aufrechterhalten  werden. 

Punkt  7  der  Berufung  sagt,  daß  die  Beschlagnahme  ungerecht- 
fertigt sei,  weil  sie  vor  Veröffentlichung  der  Kriegserklärung  stattgefunden 
habe.  Es  ist  aber  völkerrechtlich  anerkannt,  daß,  wenn  Staaten  einmal 
in  den  Kriegszustand  eingetreten  sind,  jeder  derselben,  gleichviel  ob 
die  Angehörigen  des  feindlichen  Staats  von  dieser  Tatsache  Kenntnis 
haben  oder  nicht,  sein  Beschlagnahmerecht  ausüben  kann.  Daher 
ist  die  Behauptung  des  Reklamanten  grundlos. 

Der  Berufungsreklamant  sagt  im  Punkt  8  seiner  Gründe,  daß  nach 
der  Kaiserlichen  Verordnung  Nr.  20  vom  Jahre  1904  das  zur  Ver- 
handlung stehende  Schiff  freigelassen  werden  müsse.  Aber  einmal  findet 
die  Kaiserliche  Verordnung  auf  das  Schiff  keine  Anwendung,  weil  das- 
selbe am  5.  Februar  1904  Nagasaki  verlassen  hat  und  bei  seinem  Auf- 
enthalt in  Fusan  aufgebracht  worden  ist.  Sodann  aber  beschränkt  sich 
die  Vergünstigung  der  Befreiung  von  der  Beschlagnahme  der  genannten 
Kaiserlichen  Verordnung  auf  friedlichem  Zwecke  dienende  Privatschiffe, 
kann  dagegen  auf  Schiffe,  die  als  Eigentum  der  feindlichen  Regierung 
anzusehen  sind,  keine  Anwendung  finden.  Die  ostchinesische  Eisen- 
bahngesellschaft hatte  zwar  im  Anfang  das  Aussehen  einer  privaten 
Gesellschaft,  aber  in  der  von  dem  russischen  Verkehrsministerium  ver- 
öffentlichten Schiffsstatistik  für  Russisch-Ostasien  werden  alle  der  ost* 
chinesischen  Eisenbahngesellschaft  gehörigen  Schiffe  unter  die  im  Eigen- 
tum der  Regierung  stehenden  Fahrzeuge  gerechnet.  Ferner  hat  die 
russische  Regierung  den  Ersatz  der  bei  den  nordchinesischen  Wirren 
im  Jahre  1900  von  der  ostchinesischen  Eisenbahngesellschaft  erlittenen 
Schäden  als  vom  russischen  Staat  erlittener  Schäden  reklamiert.  Man 
muß  also  annehmen,  daß  die  russische  Regierung  selbst  die  ostchinesische 
Eisenbahngesellschaft  in  Wirldichkeit  als  ein  Regierungsunternehmen  be- 
trachtet. Auch  wenn  man  den  Zweck  dieser  Gesellschaft  und  ihre 
Beamtenorganisation  ansieht,  so  kann  man  nicht  zu  dem  Schluß  kommen, 
daß  sie  ein  Privatunternehmen  sei.  Das  zur  Verhandlung  stehende 
Schiff  ist  demnach  als  im  Eigentum  der  russischen  Regierung  stehend 
anzuerkennen,  und  die  Kaiserliche  Verordnung  Nr.  20  findet  selbst- 
redend keine  Anwendung. 

Auch  Punkt  9  der  Berufungsgründe  muß  für  unbegründet  erklärt 
werden,  da,  wie  bereits  im  Punkt  3  dargetan,  die  Umstände,  welche 
die  Verschiffung  von  Gütern  mit  feindlichem  Charakter  auf  feindlichen 

78 


PriMigerichtsentschoidungon:  „Mukden^^  Abschnitt  VI>» 

Schiffen  begleiten  mögen,  nicht  den  geringsten  Einfluß  auf  das  Beschlag- 
nahmerecht der  kriegführenden  Macht  haben  können, 
ts  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Im  Oberprisengericht  am  3.  Juli  1905. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Der  im  Regierungsbezirk  Nagasaki,  Nagasaki, 
Deshima  Nr.  4,  wohnhafte  deutsche  Kaufmann  C.  E.  Boedding- 
haus. 

Bezüglich  der  auf  dem  russischen  Dampfer  „Mukden"  verschifften 
Güter  wird,  wie  folgt,  entschieden: 

Urteilsformel: 
Die  auf  dem  Dampfer  „Mukden"  verschifften  Güter,  nämlich 
ein  Korb  Kuhlymphe  und  60  Kisten  Glasgeräte,  werden  eingezogen, 

Tatbestand    und    Gründe: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter,  nämlich  Kuhlymphe  und 
Olasgeräte,  welche  auf  dem  Dampfer  „Mukden*'  verschifft  waren,  wurden 
auf  der  Reise  nach  Wladiwostok  am  6.  Februar  1904  im  Hafen  von 
Fusan  zusammen  mit  der  „Mukden"  von  dem  Kaiserlich  Japanischen 
Kriegsschiff  „Heiyen"  mit  Beschlag  belegt.  ^    . 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Vertreters  des  Kommandanten  der  „Heiyen",  Kapitänleutnant  Yoshi- 
mura  Shinsei,  und  dessen  Bescheinigung  über  den  Ladungsbestand, 
die  Vernehmungsprotokolle  des  1.  Offiziers  Serge  Wiszniowski 
und  des  2.  Offiziers  Alexander  Iwanowitsch  Kanajeff,  das 
Tagebuch,  das  Ladungsverzeichnis  und  die  Konnossemente  der 
„Mukden"   sowie   die   Aussagen   des   Prozeßvertreters. 

Die  Hauptpunkte  der  Verteidigung  des  Reklamanten  sind  folgende: 

Die  Aufbringung  der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  sei  nicht 
nur  aus  dem  Grunde  unrechtmäßig,  daß  sie  in  den  Hoheitsgewässern 
eines  neutralen  Staats  geschehen  sei,  sondern  die  Güter  müßten  auch, 
Teil  die  Absenduiig  vor  der  Kriegseröffnung  zwischen  Japan  und  Ruß- 
land stattgefunden  habe  und  weil  das  Eigentumsrecht  dem  Reklamanten 
zustehe,  freigegeben  werden. 

Auch  müßten  die  von  dem  Reklamanten  gezahlten  Seeversicherungs- 
prämien, die  Frachtspesen  und  die  Kosten  für  die  zum  Erscheinen  vor 
dem  Prisengericht   unternommene   Reise  ihm   ersetzt  werden. 

79 


Abschnitt  VI'«  Prisongerichtsontschoidungon:  „Mukden". 

Die  Ansicht  des  Staatsanwalts  geht  in  den  Hauptpunkten  dahin, 
daß  die  Güter,  weil  die  Beschlagnahme  zu  Recht  erfolgt  sei,  nicht  frei- 
zugeben seien,  und  daß  ferner  die  Entscheidung  über  die  Vergütung 
der  Seeversicherungsprämien,  der  Fracht  und  der  Reisekosten  nicht  zur 
Kompetenz  -des  Prisengerichts  gehörten. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Es  ist  völkerrechtlich  anerkannt,  daß  das  Eigentumsrecht  an  Gütern, 
welche  für  einen  im  Feindesland  ansässigen  Empfänger  verschifft  und 
abgesandt  werden,  i)  mangels  gegenteiligen  Beweises  von  dem  Moment 
der  Verschiffung  an  sofort  auf  den  Empfänger  im  Feindesland  übergeht, 
und  daß  die  Güter  damit  durchaus  feindlichen  Charakter  erwerben.  Es 
steht  somit  außer  Frage,  daß  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter 
feindliche  sind. 

Der  Reklamant  behauptet,  daß  die  Beschlagnahme,  weil  in  einem 
neutralen  Hafen  erfolgt,  zu  Unrecht  geschehen  sei,  aber  es  ist  klar, 
daß  Korea  tatsächlich  zur  Zeit  nicht  ein  neutrales  Land  ist. 

Da  die  Güter  als  feindliche  Güter  anzusehen  sind,  die  auf  feind- 
lichem Schiff  verladen  worden  sind,  so  erübrigt  es  sich,  danach  zu 
fragen,  ob  ihre  Absendung  während  des  Krieges  erfolgt  sei  oder  nicht. 

Daher  sind   dieselben   einzuziehen.  2) 

Was  ferner  den  von  dem  Reklamanten  behaupteten  Anspruch  auf 
Erstattung  von  Versicherungs-,  Fracht-  und  Reisegeldern  angeht,  so 
gehört  die  Entscheidung  hierüber  nicht  in  den  Bereich  des  Prisen- 
gerichts. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsförmel  entschieden. 

Verkündet  am  26.  Mai  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Beisein  des 
Staatsanwalt  MizukamiChojiro. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Der  chinesische  Staatsangehörige  Y  u  e  n  T  s  u 
Chong,  wohnhaft  im  Regierungsbezirk  Hioge,  Kobe,  Shimoyamate- 
dori  Ichome  Nr.  99. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Moriya  Konoske,  Tokio, 
Kyobashiku,  Sayegicho  Nr.  5, 

Rechtsanwalt  Shimizu  Ichitaro,  Tokio,  Kyobashiku,  Hiyo- 
shicho  Nr.  2, 

Rechtsanwalt  Imamura  Rikisaburo,  Tokio,  Kandaku,  Ima- 
gawakoji  Nichome  Nr.   14. 


')  V.  §§  8,  3  und  4.  —  «)  V.  §  40,  2. 
80 


Priseigerichtseiitscholclungoii:  „Mukdon".  Abschnitt  VI>' 

In  Sachen  von  Ladungsstücken  des  russischen  Dampfer  „Mukden" 
vird,  vie  folgt,  entschieden: 

Urteilsf  ormei: 
Die  Reklamation  wird  abgewiesen. 

Tatbestand   und    Gründe: 

Die  Hauptpunkte  des  Prozeßvertreters  Moriya  Konoske  sind 
folgende : 

Die  russisch-chinesische  Bank,  Aktiengesellschaft,  habe  behauptet, 
gegen  den  Reklamanten  Ansprüche  zu  haben,  die  während  dessen  Be- 
schäftigung  bei  derselben  als  Kompradore  entstanden  seien,  und  habe 
am  26.  Juni  1903  eine  Klage  auf  Rückleistung  von  175  971,10  Yen  und 
am  25.  Juli  desselben  Jahres  eine  solche  auf  Rückleistung  von  70  000  und 
47  555,54  Yen  bei  dem  Landgericht  in  Tokio  angestrengt.  Der  Reklamant 
habe  dagegen  am  10.  Juli  desselben  Jahres  Widerklage  auf  535  307  Yen 
Schadensersatz  erhoben.  Dieser  Prozeß  sei  noch  anhängig.  Als  der 
Reklamant  erfahren  habe,  daß  die  Aktiengesellschaft  russisch-chinesische 
Bank  ihre  Filiale  zu  schließen  und  sich  nach  der  Heimat  zurückzuziehen 
im  Begriff  stände,  habe  er  zur  Sicherung  der  Vollstreckung  einen  Arrest 
auf  das  bewegliche  körperliche  Vermögen  der  russisch-chinesischen  Bank 
beantragt,  und  am  12.  Februar  1904  habe  das  Landgericht  zu  Tokio 
einen  Arrestbefehl  für  359335,90  Yen  des  beweglichen  körperlichen 
Vermögens  der  russisch-chinesischen  Bank  erlassen,  bei  dessen  Aus- 
führung jedoch  nur  7600  Yen  arretiert  worden  seien,  so  daß  ein  Fehl- 
betrag  von   351  735,90  Yen   nachbleibe. 

Unter  der  Ladung  des  am  7.  Februar  1904  von  dem  japanischen 
Kriegsschiff  „Tatsuta"  beschlagnahmten  russischen  Dampfers  „Mukden" 
befänden  sich  10000  Rubel,  welche  der  russisch-chinesischen  Bank  ge- 
hörten. Wenn  diese  10000  Rubel  eingezogen  würden,  könne  der  Re- 
klamant  den   erwähnten   Arrest   nicht   verwirklichen.     Er   hoffe   ilaher 

1.  daß  die  genannten  10000  Rubel,  weil  sie  Eigentum  der  Russisch- 
chinesischen  Bank  seien,  freigegeben  würden; 

2.  daß  gleichzeitig  mit  der  Freigabe  auf  die  10000  Rubel  ein 
Arrest  zur  Sicherung  der  Vollstreckung  des  Anspruchs  des  Reklamanten 
gelegt  würde; 

3.  daß,  wenn  dem  Antrag  des  Punktes  nicht  stattgegeben  werde, 
die  genannten  10000  Rubel  aber  aus  einem  anderen  Grunde  freigegeben 
Türden,  zur  Sicherung  der  Vollstreckung  der  Forderung  des  Reklamanten 
der  Arrest  auf  dieselben  gelegt  würde. 

Zum  Beweise  seiner  vorstehenden  Behauptungen  hat  der  Reklamant 
den  Arrestbefehl  sowie  Abschriften  der  Akten  über  das  Arrestverfahren 
gegen  das  bewegliche  körperliche  Vermögen  der  russisch-chinesischen 

M  ar  Sir  an  d-Meohlen  bar  ff,  Das  Japanische  Prisenrecht.    Band  I.       (6)  81 


Abschnitt  VI>'  Prisengerichtsentscheidungon:  „MukdiBii"» 

Bank  und  das  weitere  noch  zu  erledigende  Verfahren  in  dieser  Sache 
vorgelegt. 

Die  Hauptpunkte  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  sind  folgende: 
Nach  dem  Vorbringen  des  Prozeßvertreters  könne  dem  Reklamanten 
ein  direktes  Interesse  an  den  zur  Verhandlung  stehenden  10000  Rubeln 
nicht  zuerkannt  werden.  Daher  könne  er  auch  die  Reklamation  nicht 
anstellen.  Angenommen  aber,  er  könne  sie  anstellen,  so  läge  doch  ein 
Grund  für  die  Freigabe  der  10000  Rubel  nicht  vor.  Auch  sei  er  der 
Ansicht,  daß  das  Prisengericht  nicht  in  der  Lage  sei,  auf  Prisen  Arreste 
zu  legen,  so  daß  auch  damit  der  Antrag  auf  Anlegung  des  Arrests  hin- 
fällig sei. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Der  §  16  der  japanischen  Prisengerichtsordnung  i)  bestimmt,  daß- 
Interessenten,  welche  Reklamationen  erheben  wollen,  innerhalb  einer 
von  dem  auf  die  Bekanntmachung  folgenden  Tage  an  zu  rechnenden 
Frist  von  30  Tagen  eine  Reklamationsschrift  einzureichen  haben  und 
daß  nach  Ablauf  dieser  Frist  eingehende  Reklamationen  abzuweisen 
sind.  Da  nun  das  unterzeichnete  Gericht  die  Bekanntmachung  be- 
treffend eventuelle  Reklamationen  mit  Bezug  auf  die  zur  Verhandlung 
stehenden  10  000  Rubel  am  1.  März  1904  im  Staatsanzeiger  veröffentlicht 
hat,  so  ist  es  klar,  daß  nach  30  Tagen  vom  folgenden  Tage  an  gerechnet 
Reklamationen  nicht  mehr  erhoben  werden  konnten. 

Das  Gericht  hat  von  der  Reklamationsschrift  vom  18.  März  1904 
Kenntnis  genommen.    Darin  wird  gesagt,  daß 

unter  der  Ladung  des  russischen  Dampfers  „Mukden"  sich 
10  000  Rubel  befänden,  welche  der  russisch-chinesischen 
Bank  gehörten.  Wenn  diese  10  000  Rubel  eingezogen  würden,, 
könne  der  Reklamant  den  erwähnten  vorläufigen  Arrest  nicht 
verwirklichen.  Dadurch  würden  seine  Interessen  verletzt. 
Der  Passus,  in  welchem  das  Petitum  gestellt  wird,  lautet  folgender- 
maßen : 

„Auf  Grund  des  von  dem  Landgericht  in  Tokio  unter  der 
Aktennummer  P  36/1904  erlassenen  Arrestbefehls  gegen  das 
bewegliche  körperliche  Vermögen  der  russisch-chinesischen 
Bank  wird  der  Arrest  auf  die  auf  dem  russischen  Dampfer 
„Mukden"  verschifften,  der  russisch-chinesischen  Bank  ge- 
hörigen 10000  Rubel  beantragt". 
Es  ist  daher  gänzlich  außer  Zweifel,  daß  die  zur  Verhandlung: 
stehende  Reklamation  sich  nur  auf  Anlegung  des  Arrestes  bezieht. 

Bei  dem  am  20.  April  1904  stattgehabten  Termin  zur  mündlichen 

Verhandlung   hat   alsdann    der   Prozeßvertreter    einen    neuen    Antrag,. 

/ 

')  IV. 
82 


Priseagoriclitseiitschof düngen :  „Mukden".  Abschnitt  VI>« 

nämlich  auf  Freigabe  der  10000  Rubel  gestellt.  Er  hat  dann  auch 
ein  vom  selben  Tage  datiertes  Schriftstück  eingereicht,  in  welchem  er 
seinen  Antrag  dargelegt  hat.  Da  nun  die  Anlegung  eines  Arrestes  zur 
Sicherung  der  Zwangsvollstreckung  dient  und  von  der  Freigabe,  welche 
den  Hauptpunkt  für  das  Prisengericht  bildet,  ihrer  Natur  nach  grund- 
verschieden ist,  so  ist  es  unzulässig,  einen  Antrag  auf  Arrest  nachträglich 
durch  einen  Antrag  auf  Freigabe  zu  ergänzen.  Mangels  irgendwelchen 
Zusammenhangs  kann  daher  der  Antrag  auf  Freigabe,  weil  nach  Ab- 
lauf der  gesetzlich  vorgeschriebenen  Frist  gestellt,  nicht  mehr  an- 
genommen werden. 

Auch  kann  aus  dem  Grunde,  daß  die  Prisengerichtsordnung  über 
die  Zulässigkeit,  für  Interessenten  Arreste  anzulegen,  Bestimmungen 
nicht  enthält,  dem  Arrestantrag  nicht  stattgegeben  werden. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  26.  Mai  1904  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Bei- 
sein des  Staatsanwalts  Mizukami  Chojiro. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Der  stellvertretende  Vizekonsul  der  französischen 
Republik  in  Nagasaki,  G.  Goudareau. 

In  Sachen  der  Beschlagnahme  eines  Stücks  der  Ladung  des 
russischen   Dampfers  „Mukden"  wird,  wie  folgt,  entschieden. 

Urteilsformel: 
Die  auf  dem  Dampfer  „Mukden"  verschiffte  kleine  Kiste  mit  amt- 
lichen Schriftstücken  wird  freigegeben. 

Tatbestand   und   Gründe: 

Die  in  dem  französischen  Hafen  Marseille  auf  dem  der  ostasiatischen 
Gesellschaft  gehörigen  Dampfer  „Gambodje"  verladene,  in  Shang- 
hai auf  den  der  russisch-ostchinesischen  Eisenbahngesellschaft  gehörigen 
Dampfer  „Mukden"  umgeladene,  zur  Verhandlung  stehende  kleine  Kiste 
(Marke  L.  P.  I.),  bestimmt  für  den  in  Wladiwostok,  Rußland,  ansässigen 
französischen  Handelsagenten  ist  am  6.  Februar  1904  im  Hafen  von 
Fusan  zusammen  mit  dem  erwähnten  Dampfer  „Mukden"  von  dem 
Kaiserlich  japanischen  Kriegsschiff  „Heiyen"  mit  Beschlag  belegt  worden. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussage  des  Re- 
klamanten, die  von  ihm  vorgelegten  Schriftstücke,  die  schriftliche  Aus- 

(6»)  83 


Abschnitt  VI>f  Prisongorichtsontscheidungon:  „Mukden'^. 

sage  des  Stellvertreters  des  Kommandanten  des  ,, Heiyen",  Kapitän- 
leutnants Yoshimura  Shinsei,  die  Vernehmungsprotokolle  des 
1.  Offiziers  Serge  Wiszniowski  und  des  2.  Offiziers  Alexander 
Iwanowitsch  Kanajef,  das  Ladungsverzeichnis,  die  Konnossemente 
und  das  Tagebuch  des  genannten  Dampfers. 

Der  Reklamant  macht  geltend,  daß  die  zur  Verhandlung  stehenden 
Schriftstücke  freizugeben   seien,   weil   sie  amtliche   Schriftstücke  seien. 

Die  Ansicht  des  Staatsanwalts  geht  in  der  Hauptsache  dahin,  daß  * 
Hie  zur  Verhandlung  stehenden  Gegenstände,  welche  im  Eigentum  des 
französischen  Handelsagenten  in  Wladiwostok  stünden,  in  Anbetracht 
der  Natur  derselben  dem  Antrag  des  Reklamanten  entsprechend  frei- 
zugeben seien. 

Das  Gericht  ist  der  Ansicht,  daß,  wie  das  Völkerrecht  bestimmt, 
daß  Schriftstücke,  welche  ein  neutraler  Staat  an  einen  seiner,  im  Gebiet 
der  kriegführenden  Parteien  ansässigen,  Beamten  schickt,  respektiert 
werden  müssen,  die  zur  Verhandlung  stehenden  Gegenstände,  nämlich 
eine  Kiste  amtliche  Schriftstücke,  freizugeben  sind. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  26.  Mai  1904  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Beisein 
des  Staatsanwalts  Mizukami  Chojiro. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Der  chinesische  Staatsangehörige  Jak  Y  u  k 
Changi)  und  Yam  Shiu  Heng,  wohnhaft  in  Nagasaki,  Hiro- 
baba  Nr.  6. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Shida  Söichi,  Regierungs- 
bezirk Nagasaki,   Kreis  Nishisonoki,  Dorf  Okushi. 

In  Sachen  der  Beschlagnahme  von  Ladungsstücken  des  Dampfers 
„Mukden"  wird,  wie  folgt,  entschieden. 

Urteilsformel: 
Die  auf  dem  Dampfer  „Mukden"  verschifften  100  Kisten  Apfel- 
sinen werden  eingezogen. 

Tatbestand   und   Gründe: 
Die   zur  Verhandlung  stehenden,   auf   dem   russischen    Dampfer 
„Makden"  verschifften   100  Kisten  Apfelsinen  wurden  am  6.  Februar 


^)  Die  Reklamationen  der  beiden  Chinesen  sind  in  allem  gleich,  und  die  Urteile 
wörtlich  übereinstimmend. 

84 


Prisengorichtsentscheidungen :  ^,Mukden'^  Abschnitt  VI  > f 

1904  im  Hafen  von  Fusan,  Korea,  zusammen  mit  dem  Dampfer  „Mukden" 
von  dem  Kaiserlich  japanischen  Kriegsschiff  „Heiyen"  beschlagnahmt. 

Diese  Tatsachen  sind  nicht  nur  von  dem  Prozeßvertreter  anerkannt, 
sondern  werden  auch  bewiesen  durch  die  schriftliche  Aussage  des  Stell- 
vertreters des  Kommandanten  der  ,,Heiyen",  Kapitänleutnants  Yoshi- 
mura  Shinsei,  das  Vernehmungsprotokoll  des  1.  Offiziers  Serge 
Wiszniowski  und  des  2.  Offiziers  Alexander  Iwanowitsch 
Kanajef  sowie  das  Ladungsverzeichnis  des  genannten  Dampfers. 

Die  Hauptpunkte  des  Prozeßvertreters  sind  folgende: 

Da  am  5.  Februar  1904  zwischen  Japan  und  Rußland  der  Kriegs- 
zustand eingetreten  sei,  so  könnten  feindliche  Güter  natürlich  beschlag- 
nahmt werden.  Da  aber  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  auf 
Grund  eines  gewöhnlichen,  vorher  abgeschlossenen  kaufmännischen 
Kontraktes  an  den  in  Wladiwostok  in  Rußland  ansässigen  Chinesen 
Yuen  Tak  Chi  und  Lee  Chim  Hang  abgesandt  gewesen  seien, 
so  seien  sie  weder  feindliche  Güter,  noch  seien  sie  Kriegsmaterial  oder 
Lebensmittel  für  Truppen.  Da  ferner  die  Güter  vor  Eintritt  des  Kriegs- 
zustands auf  der  „Mukden"  verschifft  seien,  so  liege  kein  Grund  für 
ihre  Beschlagnahme  vor  und  er  beantrage  ihre  sofortige  Freigabe. 

Der  Staatsanwalt  erklärt  die  Gründe  des  Prozeßvertreters  für  völlig 
haltlos  und  beantragt  die  Einziehung  der  Güter. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Nach  den  Bestimmungen  und  der  Praxis  des  Völkerrechts  können 
feindliche  Güter  auf  feindlichem  Schiff,  gleichgültig,  ob  sie  Konterbande 
sind  oder  nicht,  oder  ob  sie  vor  der  Kriegseröffnung  verschifft  sind 
oder  nicht,  beschlagnahmt  werden.  Der  Charakter  der  Güter  als  feind- 
licher bestimmt  sich  nach  dem  Wohnsitz  des  Eigentümers  2)  und  das 
Eigentumsrecht  steht  mangels  Gegenbeweises  dem  Empfänger  zu. 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  sind  auf  der  „Mukden", 
einem  feindlichen  Schiff,  verladen  worden  mit  Bestimmung  für  einen 
seit  langer  Zeit  in  Wladiwostok  in  Handelsgeschäften  ansässigen  Emp- 
fänger, und  der  Reklamant  hat  nicht  bewiesen,  daß  das  Eigentumsrecht 
an  den  Gütern  ihm  selbst  zusteht.  Sie  sind  daher  als  feindliche  Güter 
zu  erkennen  und  einzuziehen,  s) 

Es  wird  folglich  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  26.  Mai  1904  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Bei- 
sein des  Staatsanwalts  Mizukami  Chojiro. 

(Unterschriften.) 
*)  V.  §§  8,  3  und  4.  —  •)  V.  §  40. 


85 


Abschnitt  VI«t  Prisongerichtsentscholdungon:  „Mukden''. 

Reklamant:  Der  stellvertretende  Vizekonsul  der  französischen 
JRepublik  in  Nagasaki,  O.  Qoudareau. 

In  Sachen  der  Beschlagnahme  von  Ladungsstücken  des  russischen 
Dampfers  „Mukden"  wird  wie  folgt  entschieden. 

Urteilsformel: 
Die  Reklamation  wird  abgewiesen. 

Tatbestand   und   Gründe: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter,  nämlich  eine  Kiste  mit 
Kleiderparfüm  und  zehn  weitere  Stücke,  sind  in  Shanghai  in  China  von 
den  französischen  Dampfern  „Ernest  Simons"  und  „Cambodje"  auf 
den  der  russisch  -  ostchinesischen  Eisenbahngesellschaft  gehörigen 
Dampfer  „Mukden"  umgeladen  und  nach  Wladiwostok  abgesandt 
worden.  Sie  wurden  am  6.  Februar  1904  im  Hafen  von  Fusan,  Korea, 
von  dem  Kaiserlich  japanischen  Kriegsschiff  „Heiyen"  zusammen  mit 
dem  genannten  Dampfer  beschlagnahmt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  schriftliche  Aussage 
des  Stellvertreters  des  Kommandanten  der  „Heiyen",  Kapitän leutnants 
Voshimura  Shinsei,  die  Vernehmungsprotokolle  des  1.  Offiziers 
Serge  Wiszniowski  und  des  2.  Offiziers  Alexander  Iwano- 
witsch  Kanajef,  das  Ladungsverzeichnis,  die  Konnossemente  und 
das  Schiffsjournal  des  genannten  Dampfers. 

Der  Reklamant  macht  geltend : 

Die  Verschiffer  der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  seien  die 
französische  Postdampfergesellschaft  und  die  ostasiatische  Gesellschaft, 
und  er  habe  die  Pflicht,  die  Interessen  französischer  Bürger  zu  schützen. 
Da  seit  Ausbruch  des  Krieges  die  Verkehrsverbindungen  gestört  seien, 
so  sei  es  für  den  Empfänger  nicht  möglich,  die  Reklamation  zu  erheben. 
Daher  reiche  er  in  seiner  amtlichen  Eigenschaft  als  stellvertretender 
Vizekonsul  die  Reklamation  ein  und  beantrage  die  Freigabe  der  Güter, 
weil  sie  keine  Kriegskonterbande  seien. 

Der  Staatsanwalt  bringt  dagegen  im  wesentlichen  folgendes  vor: 

Es  sei  nicht  angängig,  Konsularbeamten  lediglich  aus  dem  Grunde, 
daß  ihnen  die  Pflicht  der  *  Interessenwahrnahme  für  ihre  Landes- 
angehörigen obliege,  als  Interessenten  im  Sinne  der  Prisengerichtsord- 
nung ^)  anzuerkennen.  Daher  entspreche  die  zur  Verhandlung  stehende 
Reklamation  nicht  den  gesetzlichen  Vorschriften. 

Im  übrigen  seien  die  in  Frage  stehenden  Güter  feindliche  Güter 
und  als  solche  einzuziehen.  Nur  das  eine  Kollo,  welches  französische 
Landesflaggen  für  den  französischen  Handelsagenten  in  Wladiwostok 
enthalte,  sei  zurückzugeben. 

^)  iv;§  16. 


Prisengerichtsentschoidungen :  „Mukdön'f.  Abschnitt  VI  >  » 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht : 

Einem  Konsulatsbeamten  liegt  die  von  dem  Reklamanten  behauptete 
Pflicht  zur  Wahrnähme  der  Interessen  seiner  Landesangehörigen  in 
seinem  Amtsbezirk  allerdings  ob,  aber  deshalb  kann  er  sich  noch  nicht 
ohne  weiteres  als  Interessenten  im  Sinne  des  §  16  der  Prisengerichts- 
ordnung erklären.  Zudem  sind  auch  weder  Absender  noch  Empfänger 
der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  Landesangehörige  des  Rekla- 
manten, die  seinem  Amtsbezirk  unterstehen.  Daher  kann  die  vorliegende 
Reklamation  nicht  aJs  gesetzmäßig  erachtet  werden. 

Da  schon  die  Reklamation  an  und  für  sich  nicht  den  gesetzlichen 
Bestimmungen  entspricht,  so  ist  dieselbe  abzuweisen,  ohne  daß  über 
die  sonstigen  Anführungen  des  Reklamanten  Entscheidung  getroffen 
wird. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  26.  Mai  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Beisein  des 
Staatsanwalts  Mizukami  Chojiro. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  The  East  Asiatic  Company  in  Shanghai,  vertreten 
durch  die  Prokuristen  A.  Petersen  und  Iwan  Andersen. 

Bevollmächtigter:    Der  englische  Staatsangehörige  Frederic 
Ringer,  Regierungsbezirk  Nagasaki,  Nagasaki,  Ouramachi  Nr.  7. 

In  Sachen  der  Beschlagnahme  von  Ladungsstücken  des  »*ussischen 
Dampfers  „Mukden"  wird,  wie  folgt,  entschieden. 

Urteilsformel: 
Die  zur  Verhandlung  stehende  Reklamation  wird  abgewiesen. 

Tatbestand   und   Gründe: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter,  nämlich  Papier  für  Ge- 
schäftsbücher und  fünf  weitere  Warenarten,  welche  auf  dem  Dampfer 
der  russisch-ostchinesischen  Eisenbahngesellschaft  „Mukden"  verladen 
und  für  Wladiwostok  bestimmt  waren,  wurden  am  6.  Februar  1904 
im  Hafen  von  Fusan  von  dem  Kaiserlich  japanischen  Kriegsschiff 
,.Heiyen"  zusammen  mit  dem  genannten  Dampfer  beschlagnahmt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  schriftliche  Aussage 
des  Stellvertreters  des  Kommandanten  des  „Heiyen",  Kapitänleutnants 
Yoshimura  Shinsei,  die  Vernehmungsprotokolle  des  1.  Offiziers 

87 


Abschnitt  VI>i  Prisongorichtseiitscheidungoii :  „Mukden'^ 

Serge  Wiszniowski  und  des  2.  Offiziers  Alexander  Iwano- 
witsch  Kanajef,  das  Ladungsverzeichnis,  die  Konnossemente  und 
das  Schiffsjournal  des  genannten  Dampfers. 

Der  Bevollmächtigte  des  Reklamanten  hat  im  wesentlichen  geltend 
gemacht,  daß  die  Güter,  weil  vor  Ausbruch  des  Krieges  verschifft  und 
im  Eigentum  einer  neutralen  Handelsfirma  stehend,  freizugeben  seien, 

Reklamant  ist  trotz  erhaltener  Ladung  zum  Termin  zur  mündlichen 
Verhandlung  nicht  erschienen. 

Der  Staatsanwalt  sagt  im  wesentlichen,  daß  der  Vertreter  des  Re- 
klamanten die  zur  Erhebung  der  Reklamation  gesetzlich  vorgeschriebenen 
Erfordernisse  nicht  erfülle.  Die  Güter  seien  als  feindliche  einzuziehen. 
Nur  das  unter  denselben  befindliche  Papier  für  Geschäftsbücher  müsse,, 
weil  für  den  amtlichen  Gebrauch  der  in  Wladiwostok  ansässigen  fran- 
zösischen Handelsagentur  bestimmt,  freigegeben  werden. 

Das  Gericht  ist  der  folgenden  Ansicht : 

Der  Bevollmächtigte  des  Reklamanten  hat  freilich  eine  schriftliche 
Vollmacht  der  in  Shanghai  ansässigen  Prokuristen  der  East  Asiatic  Com- 
pany und  hat  mit  Bezug  auf  die  zur  Verhandlung  stehende  Reklamation 
eine  Reklamationsschrift  eingereicht.  Aber  nach  §  17,  Abs.  2  der  Prisen- 
gerichtsordnung i)  beschränkt  sich  die  Vertretungsbefugnis  von  Rekla- 
manten auf  japanische  Rechtsanwälte.  Die  zur  Verhandlung  stehende 
Reklamation  ist  daher  nicht  dem  Gesetze  gemäß  erfolgt. 

Da  so  die  Reklamation  schon  an  und  für  sich  nicht  dem  Gesetze 
entspricht,  so  ist  sie  abzuweisen,  ohne  daß  über  die  sonstigen  An- 
führungen des  Bevollmächtigten  der  Reklamantin  Entscheidung  getroffen 
wird. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  26.  Mai  1904  im  Prisengericht  in  Sasebo  im  Beisein 
des  Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurokuro. 

^  (Unterschriften.) 

Reklamant:  Die  Filiale  der  Firma  Kunst  &  Albers,  Nagasa- 
kiken, Nagasaki  Oura  8,  vertreten  durch  den  deutschen  Reichsangehörigen 
A.  Gese. 

In  der  Prisensache  betreffend  die  an  Bord  des  russischen  Dampfers 
„Mukden"   befindlichen   Güter  wird,  wie  folgt,  entschieden: 

Urteilsformel: 
Die  an  Bord  des  Dampfers  „Mukden''  verschifften  10  Kisten  Schreib- 
maschinen werden  eingezogen.   Die  Reklamation  wegen  der  Fracht  der 
genannten  Güter  wird  abgewiesen. 

88 


PrlMBgericIitseiitschoidungeii;  „Mukden".  Abschnitt  VI>> 

Tatbestand   und   Gründe: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  10  Kisten  Schreibmaschinen  sind 
am  5.  Februar  1904  von  der  in  Nagasaki  befindlichen  Filiale  der  deut- 
schen Firma  Kunst  &  Albers  auf  dem  der  russisch-ostasiatischen 
Eisenbahngesellschaft  gehörigen  Dampfer  „Mukden"  für  die  Firma  Kunst 
&  Albers  in  Wladiwostok  verschifft  und  am  6.  Februar  1904  von  dem 
Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Heiyen"  im  Hafen  von  Fusan  in  Korea  zu- 
sammen mit  dem  genannten  Dampfer  beschlagnahmt  worden. 

Diese  Tatsachen  hat  nicht  nur  der  Reklamant  anerkannt,  sondern 
sie  gehen  auch  hervor  aus  dem  Protokoll  des  Stellvertreters  des  Kom- 
mandanten des  Kriegsschiffs  „Heiyen",  Kapitänleutnants  Yoshimura 
Shinsei,  aus  den  Vernehmungsprotokollen  des  1.  Offiziers  Serge 
Wiszniowski  und  des  2.  Offiziers  Alexander  Iwanowitsch 
Kanajeff  vom  Dampfer  „Mukden",  aus  dem  Ladeverzeichnis,  den 
Frachtscheinen  und  dem  Logbuch  des  genannten  Dampfers. 

Die  Hauptpunkte  der  Reklamation  sind  folgende: 

1.  Verschiff  er  und  Empfänger  der  zur  Verhandlung  stehenden 
lü  Kisten  Schreibmaschinen  seien  Angehörige  eines  neutralen  Staats, 
Daher  seien  die  Güter,  welclje  keine  Kriegskonterbande  seien,  neutrale 
Güter. 

2.  Die  Güter  hätten  am  5.  Februar  1904  den  Hafen  von  Nagasaki 
verlassen  und  seien  am  6.  Februar,  also  noch  vor  Veröffentlichung 
der  japanischen  Kriegserklärung,  beschlagnahmt  worden. 

3.  Da  die  Güter  in  neutralem  Gebiet,  nämlich  dem  koreanischen 
Hafen  Fusan,  beschlagnahmt  worden  seien,  so  müßten  sie  nach  Artikel  3 
der  Pariser  Seerechtsdeklaration  vom  Jahre  1856  freigegeben  werden. 

Außerdem  beanspruche  der  Reklamant  Ersatz  der  Frachtkosten  im 
Betrage  von  42  Yen. 

Der  Staatsanwalt  erklärt  in  der  Hauptsache  die  Reklamationsgründe 
alle  für  haltlos  und  beantragt  Einziehung  der  Schreibmaschinen. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Die  Frage,  ob  Güter  feindliche  sind,  bestimmt  sich  nicht  nach  der 
.Nationalität  des  Eigentümers,  sondern  nach  dessen  Wohnsitz,  i) 

Es  ist  ein  allgemeiner  Rechtsgrundsatz,  daß  mangels  gegenteiligen 
Beweises  das  Eigentum  von  Gütern  vom  Tage  der  Verschiffung  an  auf 
den  Empfänger  übergeht.  Der  Reklamant  hat  diesen  Gegenbeweis  be- 
züglich seines  Eigentumsrechts  an  den  Gütern  nicht  erbracht,  daher 
sind  dieselben  als  im  Eigentum  des  Empfängers  in  Wladiwostok  stehend 
und  somit  als  feindUche  Güter  anzusehen. 

Es  entspricht  den  modernen  völkerrechtlichen  Anschauungen,  daß 
Güter   auf   feindlichem    Schiffe,   wenn   sie   erwiesenermaßen    feindliche 


')  V.  §§  8.  3  und  4. 

8d 


Abschnitt  VI«  Prisongorichtsontscheldungon ;  „Mukden^^ 

Güter  sind,  gleichgültig,  ob  sie  Kriegskonterbande  sind  oder  nicht,  zu 
Kriegszeiten  beschlagnahmt  werden  können.  Der  Reklamant  erklärt  die 
Beschlagnahme  für  unrechtmäßig,  weil  ,sie  vor  Veröffentlichung  der 
Kriegserklärung  und  in  neutralem  Gebiete  geschehen  sei.  Es  ist  jedoch 
unzweifelhaft  das  Recht  eines  kriegsführenden  Staates,  zu  Kriegszeiten 
Prisen  aufzubringen,  ungeachtet  ob  eine  Kriegserklärung  veröffentlicht 
worden  ist  oder  nicht.  *)  Am  6.  Februar  sind  aber  Japan  und  Rußland 
in  das  Verhältnis  von  kriegführenden  Mächten  zu  einander  getreten. 
Ferner  kann  Korea  tatsächlich  nicht  als  ein  neutraler  Staat  betrachtet 
werden.  Die  hier  verhandelte  Beschlagnahme  ist  demgemäß  zu  Recht 
ausgeführt,  und  die  beschlagnahmten  10  Kisten  Schreibmaschinen  sind 
einzuziehen.  ^) 

Was  die  von  dem  Reklamanten  vorgebrachte  Frachtreklamation 
angeht,  so  ist  dieser  Reklamationspunkt  abzuweisen,  da  die  Entscheidung 
hierüber  nicht  zur  Kompetenz  des  Prisengerichtshofes  gehört. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  26.  Mai  1904  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Beisein 
des  Staatsanwalts  Mizukami  Chojiro. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  A.  Gese,  Vertreter  der  Filiale  der  Firma  Kunst 
&  Albers,  Regierungsbezirk  Nagasaki,  Nagasaki,  Oura  8. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  IshibashiTomokichi,  Re- 
gierungsbezirk Nagasaki,  Nagasaki,  Togiyamachi  41. 

Am  26.  Mai  1904  hat  das  Prisengericht  in  Sasebo  in  der  Prisensache 
betreffend  die  auf  dem  russischen  Dampfer  „Mukden"  verladene  und  mit 
demselben  am  6.  Februar  1904  in  dem  koreanischen  Hafen  Fusan  von 
dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Heiyen"  aufgebrachte  Ladung  dafür  ent- 
schieden, daß  die  auf  dem  Dampfer  „Mukden"  verschifften  10  Kisten 
Schreibmaschinen  einzuziehen  seien.  Die  Reklamation  wegen  der  Fracht 
der  genannten  Güter  wurde  abgewiesen.  Gegen  diese  Entscheidung  hat 
der  Reklamant,  der  Vertreter  der  Filiale  der  Firma  Kunst  &  Albers, 
A.  Gese,  durch  den  Rechtsanwalt  Ishibashi  Tomokichi  als  Pro- 
zeßvertreter die  Berufung  eingelegt.  Diese  ist  vom  Oberprisengericht 
im  Beisein  der  Staatsanwälte  des  Oberprisengerichts  Tsutsuki  Kei- 
roku  und  Dr.  jur.  Ishiwatari  Binichi  geprüft  worden. 

Die  Hauptberuf ungspunkte  des  Vertreters  der  Reklamation  sind 
folgende : 

«)  V.  §§  1  und  35.  -  »)  V.  §  40. 

90 


Prisengericbtseiitscbof düngen :  „Mukden'^  Abschnitt  VI>i 

Es  werde  Aufhebung  des  Urteils  erster  Instanz,  Freilassung  der  er- 
mähnten beschlagnahmten  Gegenstände  und  Ersatz  der  Frachtkosten 
von  42  Yen  durch  den  japanischen  Staat  beantragt,  und  zwar  aus  fol- 
genden Gründen: 

1.  Die  Beschlagnahme  der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  durch 
das  Kaiserliche  Kriegsschiff  „Heiyen"  habe  am  6.  Februar  1904,  2**  Mi- 
nuter nachmittags,  zusammen  mit  der  Beschlagnahme  des  Dampfers 
„Mukden"  stattgefunden.  Nach  dem  vom  Minister  der  Auswärtigen 
Angelegenheiten  Komura  veröffentlichten  Protokoll  über  die  diplo- 
matischen Verhandlungen  habe  der  Gesandte  Kur  in  o  das  Ultimatum 
erst  um  4  Uhr  nachmittags  des  6.  Februar  der  russischen  Regierung 
zugestellt.  Daher  habe  die  Beschlagnahme  vor  dem  Entstehen  des 
Knegszustandes  stattgefunden  und  sei  deshalb  nicht  zu  rechtfertigen. 
Daß  vor  dem  6.,  nämlich  am  5.  Februar,  noch  kein  Kriegszustand  be- 
standen habe,  gehe  klar  hervor  aus  der  Tatsache,  daß  das  Zollamt 
in  Nagasaki,  eine  Kaiserlich  Japanische  Behörde,  für  den  Dampfer 
.^Vlukden''  und  seine  Ladung  die  Ausklarierungspapiere  und  die  Lade- 
erlaubnis gewährt  habe. 

2.  Der  Zeit  in  Fusan  2**  p.  m.  am  6.  Februar  entspreche  in  der 
russischen  Hauptstadt  die  Zeit  um  7  a.  m.  des  6.  Februar.  Das  Urteil 
erster  Instanz  hätte  nur  von  der  Annahme  ausgehend,  daß  der  Abbruch 
der  diplomatischen  Beziehungen  vor  7  a.  m.  des  6.  Februar  stattgefunden 
hätte,  zur  Verurteilung  der  hier  verhandelten  Güter  kommen  können; 
jetzt  aber,  wo  es  klar  sei,  daß  man  dies  nicht  mehr  annehmen  könne, 
sei  die  Entscheidung  erster  Instanz  hinfällig. 

3.  Der  Ort  der  Beschlagnahme  des  fraglichen  Dampfers  sei  Fusan 
in  Korea.  Korea  sei  mindestens  bis  zum  Abschluß  der  Allianz  mit  Japan 
am  27.  Februar  1904  ein  neutraler  Staat  gewesen.  Das  Urteil  erster  In- 
stanz stelle  aber  geradeweg  die  Behauptung  auf,  Korea  könne  de  facto 
nicht  als  neutraler  Staat  betrachtet  werden.  Weshalb  es  nicht  als  solcher 
betrachtet  werden  könne,  und  ob  es,  wenn  es  nicht  als  neutral  gelte, 
als  Feindesland  anzusehen  sei  oder  ob  es,  mit  Rücksicht  auf  den  Kriegs- 
zustand als  Japans  Verbündeter  gelte,  der  mit  ihm  Hand  in  Hand  zu 
gehen  habe,  alles  das  habe  das  Urteil  erster  Instanz  nicht  klargestellt, 
sondern,  ohne  irgendwelche  Beweise  zugrunde  zu  legen,  willkürliche 
Behauptungen  aufgestellt.  Deshalb  müsse  das  Urteil  aufgehoben  und 
auf  Freilassung  der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  erkannt  werden. 

4.  Wenn  man  Korea  im  Sinne  der  ersten  Entscheidung  als  nicht 
neutral,  vielmehr  für  die  Dauer  des  Krieges  als  eine  Erweiterung  Japans 
ansähe,  so  müsse  man,  da  dann  Fusan  als  eine  Hafenbucht  Japans  gelte, 
den  zur  Verhandlung  stehenden  Gütern  wie  auch  hauptsächlich  dem 

91 


'■'^ 


Abschnitt  VI<i  Prlsengerichtsentscheidungen :  „Mukden". 

Schiff  selbst  den  Schutz  der  Kaiserlichen  Verordnung  Nr.  20  vom  Jahre 
1904*)  angedeihen  lassen. 

5.  Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  seien  am  5.  Februar 
1904  in  Nagasaki  verladen  worden,  und  der  Reklamant  habe  weder  damals 
noch  auch  zur  Zeit  der  Aufbringung  derselben  irgendwelche  Kenntnis 
von  dem  Kriege  gehabt,  so  daß  ihm  der  Vorwurf,  er  habe  den  Feind 
unterstützen  und  Japan  schädigen  wollen,  nicht  gemacht  werden  könne. 
Daher  könnten  die  Güter  nach  den  Anschauungen  der  von  der  Gesell- 
schaft für  internationale  Rechtswissenschaft  im  Jahre  1882  den  Mächten 
unterbreiteten  Seeprisenordnung  nicht  beschlagnahmt  werden.  Freilich 
habe  Japan  nicht  ausdrücklich  erklärt,  daß  es  diese  anerkenne,  aber, 
da  das  Völkerrecht  keine  besondere  gesetzliche  Formulierung  besitze^ 
sondern  seine  Grundsätze  aus  den  Ansichten  einer  Anzahl  der  Ge- 
lehrten und  den  von  einer  Anzahl  der  Staaten  anerkannten  Rechts- 
regeln entnehme,  so  müsse  Bestimmungen,  wie  den  hier  angezogenen,, 
alle  Beachtung  gezollt  werden. 

6.  Da  der  Krieg  zwischen  Staaten  als  solchen  ein  Verhältnis  be- 
gründe, zu  dem  die  Individuen  in  keiner  direkten  Beziehung  stünden,, 
so  ergebe  sich  der  natürliche  Grundsatz,  daß  das  Privatvermögen  zu 
Wasser  wie  zu  Lande  unverletzbar  sei,  und  es  müsse  als  richtig  anerkannt 
werden,  daß  dasselbe,  soweit  es  sich  nicht  um  Kriegskonterbande  handele,, 
selbst  wenn  es  im  Eigentum  eines  feindlichen  Staatsangehörigen  stehe,, 
nicht  zum  Objekt  einer  Beschlagnahme  gemacht  werden  dürfe.  Reklamant 
hoffe  daher,  daß  Japan  sich  nicht  nach  dem  schlechten  Vorgange  und 
den  eigenmächtig  aufgestellten  Grundsätzen  von  Mächten  richten  werde^ 
welche  um  Vorteils  willen  die  Rechtslogik  verdrehten  und  verwirrten, 
sondern  daß  es  zu  einer  Zeit,  wo  es  gegen  den  Feind  der  Humanität 
und  des  Weltfriedens  kämpfe,  neben  seiner  nationalen' Machtentwicklung: 
auch  die  Förderung  von  Recht  und  Vernunft  im  Auge  behalten  werde. 
Daher  müsse  es  jetzt  seine  Größe  beweisen,  indem  es  auch  für  das 
Privatvermögen  zur  See  den  Grundsatz  der  Unverletzlichkeit  zur  Aus- 
führung bringe. 

7.  Transportgüter  gingen  erst  mit  dem  Augenblick,  wo  sie  im  Be- 
stimmungsort angekommen  und  ausgehändigt  worden  seien,  in  das  Eigen- 
tum des  Empfängers  über,  und  der  Verschiff  er  verliere  keineswegs  mit 
dem  Moment  der  Verschiffung  sein  Eigentumsrecht  an  den  Gütern. 
Er  habe  vielmehr  selbstredend  bis  zur  Ankunft  der  Güter  im  Be- 
stimmungsort und  Ablieferung  an  den  Empfänger  die  Rechte  und  Ver- 
antwortlichkeit des  Eigentümers.  Zum  Beispiel  habe  er  im  Falle  Ver- 
lustes der  Güter  dem  Schiffsherrn  gegenüber  Recht  auf  Schadensersatz; 
und  ebenso  legten  der  8.  Abschnitt  des  3.  Buches  und  der  3.  Abschnitt 

*)  I. 
92 


PriMBgerJchtsentschef düngen :  „Mukden".  Abschnitt  VI  >  < 

des  5  Buches  unseres  Handelsgesetzbuches  dem  Ladungsempfänger 
die  Verpflichtung  zur  Leistung  der  Fracht-  und  sonstigen  Kosten  erst 
dann  auf,  wenn  er  die  Güter  ausgehändigt  erhalten  habe.  Es  läge  kein 
Grund  vor,  allein  für  das  Völkerrecht  andere  Rechtsnormen  anzunehmen. 
Es  sei  daher  außer  Zweifel,  daß  die  hier  verhandelten  Güter,  welche 
dem  Empfänger  nicht  ausgehändigt  worden  seien,  Eigentum  des  in 
Nagasaki  ansässigen  deutschen  Reklamanten  seien.  Wolle  man  das 
Nationalitätsprinzip  anwenden,  so  sei  der  Verschiffer  Angehöriger  eines 
neutralen  Staats;  lege  man  das  Domizilprinzip  zugrunde,  so  sei  er  als 
Japaner  zu  behandeln.  Von  welchem  Punkte  man  den  Fall  auch  an- 
>ehe,  könne  man  die  Güter  nicht  als  feindliche  betrachten  und  für 
konfisziert  erklären. 

8.  Es  sei  billig,  daß  der  Staat  für  den  an  Frachtkosten  von  dem 
Reklamanten  durch  unrechtmäßiges  Vorgehen  des  Staats  tatsächlich  er- 
littenen Schaden  aufkomme,  da  man  annehmen  müsse,  daß  der  Aus- 
druck „Prisensache''  des  §  1  der  Prisenordnung  5)  alles,  was  zu  der 
hier  verhandelten   Sache  Beziehung  habe,  in  seinen   Sinn   einschließe. 

Die  Hauptpunkte  des  Schriftsatzes  des  Staatsanwalts  beim  Sasebo- 
Prkengericht,   Hayashi  Ei  j  uro,  besagen : 

Was  man  völkerrechtlich  als  Kriegszeit  bezeichne,  nehme  seinen 
Anfang  mit  öffentlichen,  aus  der  Absicht,  den  Kampf  zu  beginnen, 
henorgegangenen  feindseligen  Handlungen.  Schon  ehe  Japan  und  Ruß- 
land über  die  mandschurische  und  koreanische  Frage  diplomatische 
Verhandlungen  eröffnet  gehabt  hätten,  habe  Rußland  einerseits  absichtlich 
ieine  Antwort  immer  hinausgeschoben,  auf  der  andern  Seite  durch 
umfangreiche  Kriegsvorbereitungen  Japan  gegenüber  seinen  Entschluß, 
zu  kämpfen,  deutlich  gezeigt.  Daraufhin  habe  Japan  am  5.  Februar 
1904  seine  an  Rußland  gerichtete  Mitteilung  über  den  Abbruch  der 
diplomatischen  Beziehungen  abgesandt,  und  sein  Geschwader  sei  am 
6.  Februar,  um  7  Uhr  morgens,  vom  Kriegshafen  Sasebo  aufgebrochen, 
um  die  russische  Flotte  zu  bekämpfen.  Diese  Handlung  stelle  sich  als 
eine  mit  der  Absicht,  den  Kampf  zu  beginnen,  vorgenommene  Hand- 
lung dar. 

Da  es  feststehe,  daß  die  Beschlagnahme  des  Dampfers  „Mukden" 
nach  diesem  Zeitpunkt  stattgefunden  habe,  so  sei  daher  die  Entscheidung 
in  dem  Urteil  erster  Instanz,  daß  es,  wenn  man  den  Stand  der  diplo- 
matischen Beziehungen  zwischen  Japan  und  Rußland  und  die  Be- 
legungen der  beiden  Geschwader  in  Betracht  ziehe,  klar  sei,  daß  der 
Kriegszustand  bereits  vorher  bestanden  habe,  zu  Recht  getroffen  worden. 

Für  die  Behauptung,  daß  Korea  kein  neutraler  Staat  sei,  bedürfe 
es  angesichts  dessen,  daß  es  selber  sich  zu  schützen  nicht  imstande  sei, 
und  wenn  man  das  Ziel  dieses  Krieges  sich  vor  Augen  halte,  eines  Be- 

93 


Abschnitt  VI<i  Prisengerichteentocheidungen :  „Mukden'^ 

weises  nicht,  da  alles  dies  aus  der  allgemein  bekannten  Lage  der  Dinge 
von  selbst  klar  hervorgehe.  Zur  Entscheidung  darüber,  ob  die  Beschlag- 
nahme zu  rechtfertigen  sei  oder  nicht,  genüge  es,  da  das  Beschlagnahme- 
recht nach  dem  Völkerrecht  in  neutralen  Häfen  oder  neutralen  doheits- 
gewässern  nicht  vorgenommen  werden  dürfe,  vollkommen,  festzustellen, 
ob  Korea  neutral  sei  oder  nicht,  und  eine  Entscheidung  darüber,  ob 
es  als  feindliches  oder  als  verbündetes  Land  anzusehen  sei,  wäre  voll- 
kommen überflüssig.  Daher  könne  in  der  Tatsache,  daß  das  Urteil 
erster  Instanz  lediglich  behauptet  habe,  Korea  sei  kein  neutrales  Land, 
nichts  Ungerechtes  erkannt  werden.  Ebenso  erübrige  es  sich,  die  be- 
langlose Behauptung  des  Reklamanten,  das  Urteil  erster  Instanz  ver- 
trete die  Ansicht,  Korea  sei  eine  Allonge  Japans,  zu  beantworten. 

Ferner  könnten  die  von  der  Gesellschaft  für  internationale  Rechts- 
wissenschaft im  Jahre  1882  gefaßten  Beschlüsse,  welche  lediglich  die 
Privatansichten  von  Gelehrten  repräsentierten,  für  die  Gegenwart  noch 
nicht  als  völkerrechtliche  Norm  anerkannt  werden. 

Daß  man  auf  feindlichem  Schiff  befindliche  feindliche  Güter,  wenn 
sie  auch  Privatvermögen  seien,  einziehen  könne,  sei  ein  fundamentaler 
Grundsatz  des  gegenwärtigen  Völkerrechts  und  finde  sich  gleichermaßen 
in  der  Pariser  Erklärung  von  1856  wie  in  der  japanischen  Prisenordnung 
ausgesprochen.  Es  sei  selbstredend,  daß  man  diesen  Grundsatz  auf 
den  vorliegenden  Fall  zur  Anwendung  bringe. 

Die  Frage,  ob  Güter  feindlich  seien  oder  nicht,  entscheide  sich 
nach  dem  Wohnsitz  des  Eigentümers,  und  Güter,  welche  an  einen  im 
Feindesland  ansässigen  Empfänger  abgesandt  seien,  gälten,  mangels 
ausdrücklichen  Gegenbeweises,  von  dem  Zeitpunkt  der  Absendung  an 
als  in  das  Eigentum  des  Empfängers  übergegangen.  Da  nun  der  Emp- 
fänger der  hier  verhandelten  Güter  in  dem  zum  Feindesland  gehörigen 
Wladiwostok  ansässig  sei,  und  der  Reklamant  keinen  Beweis  beigebracht 
habe,  daß  die  Güter  zur  Zeit  der  Aufbringung  noch  im  Eigentum 
des  Absenders  standen,  so  sei  die  Ansicht  des  erstinstanzlichen  Urteils, 
daß  die  Güter  feindliche  Güter  seien,  rechtmäßig. 

Da  nach  der  Prisengerichtsordnung  die  Entscheidung  über  die 
Schadensersatzforderung  nicht  zur  Kompetenz  der  Prisengerichte  gehöre, 
so  habe  das  erstinstanzliche   Urteil  dieselbe  mit   Recht  abgewiesen. 

Die  Berufung  müsse  daher,  weil  alle  vorgebrachten  Gründe  un- 
haltbar seien,  abgewiesen  werden. 

Die  vorliegende   Entscheidung  wird,  wie  folgt,   begründet: 

Der  Reklamant  erklärt  die  Beschlagnahme  der  hier  verhandelten 
Güter  zusammen  mit  dem  Dampfschiff  „Mukden''  für  ungerechtfertigt, 
weil  sie  am  6.  Februar  2*^  p.  m.,  das  heißt  vor  Entstehung  des  Kriegs- 
zustandes, stattgefunden  habe.     Die  Eröffnung  des  Krieges  fällt  aber 

94 


PriseBgerichtsentscheidungen:  „Mukden".  Abschnitt  VI<f 

nicht  unbedingt  mit  dem  ersten  Austausch  von  Kanonenfeuer  unter 
den  beiden  Streitmächten  zusammen,  auch  ist  sie  nicht  unbedingt  von 
der  Abgabe  einer  Kriegserklärung  oder  einer  dieser  gleichstehenden 
Mitteilung  abhängig.  Wenn  auch  nur  eine  weniger  drastische  Aus- 
führung der  Kriegsabsicht  oder  andere  Manifestation  des  Willens  zu 
kämpfen,  vorliegt,  so  ist  damit  der  Kriegszustand  eingetreten. 

Da  nun  während  der  japanisch-russischen  Verhandlungen  Ruß- 
land durch  sein  unangemessenes  Verhalten,  welches  die  Hoffnung  auf 
Erhaltung  des  Friedens  unmöglich  machte,  und  durch  fortwährende 
Kriegsrüstungen  seine  Absicht,  uns  mit  Waffengewalt  zu  unterwerfen, 
klar  bewies,  so  sandte  unsere  Regierung  am  5.  Februar  des  Jahres  1904 
eine  Instruktion  bezüglich  Abbruchs  der  diplomatischen  Beziehungen 
an  unsern  Gesandten  in  Rußland,  und  gleichzeitig  traf  unser  Kriegs- 
geschwader seine  Vorbereitungen  und  fuhr  am  folgenden  Tage,  dem 
6.  Februar,  mit  der  Bestimmung,  den  Kampf  aufzunehmen,  von  dem 
Kriegshafen  von  Sasebo  ab  und  nahm  auf  der  Fahrt,  also  während  der 
Kriegszeit,  das  der  russischen  freiwilligen  Flotte  angehörige,  für  den 
Kriegsgebrauch  der  russischen  Regierung  bereitzustellende  Dampfschiff 
„Ekaterinoslav"  in  Beschlag.  Dies  war  eben  nichts  anderes  als  eine 
Ausführung  der  Kriegsabsicht,  und  die  erst  später  erfolgte  Beschlag- 
nahme des  hier  in  Frage  kommenden  Dampfers  kann  daher  nicht  als 
ungerechtfertigt  bezeichnet  werden;  dies  um  so  weniger,  als  sie  auch 
nach  der  am  6.  Februar  um  2  Uhr  nachmittags  erfolgten  Mitteilung 
unserer  Regierung  an  den  bei  unserem  Hofe  akkreditierten  russischen 
Gesandten  betreffend  den  Abbruch  der  diplomatischen  Beziehungen 
stattgefunden  hat.    Punkt  1  und  2  der  Berufung  sind  daher  grundlos. 

Punkt  3  der  Berufung  behauptet,  daß  zum  mindesten  bis  zum 
27.  Februar  1904,  das  heißt  bis  zum  Abschluß  des  japanisch-koreanischen 
Bündnisses,  Korea  neutral  gewesen  und  daß  dies  ein  Grund  für  die 
Freilassung  der  in  Frage  stehenden  Prise  sei.  Aber  da  Korea  von 
Anfang  an  für  diesen  Krieg  sein  Einverständnis  gegeben  hat,  daß  die 
japanischen  Truppen  in  Korea  landen  und  durch  dasselbe  passieren 
dürften,  auch  der  Krieg  sich  von  Anfang  an  in  seinem  Gebiete  ab- 
gespielt hat,  so  kann  es  nicht  als  neutral  im  gewöhnlichen  Sinne  des 
^'orts  bezeichnet  werden.  Auch  läßt  sich  dagegen,  daß  das  Sasebo- 
Prisengericht  neben  seiner  Behauptung,  Korea  sei  nicht  neutral,  keine 
weiteren  Erörterungen  über  die  Natur  der  Stellung  Koreas  getroffen 
habe,  nichts  einwenden.    Daher  ist  auch  Punkt  3  der  Berufung  grundlos. 

Da  aus  der  Tatsache,  daß  Korea  nicht  neutral  ist,  durchaus  nicht 
gefolgert  werden  kann,  daß  Fusan  ein  japanischer  Hafen  ist,  so  fällt 
auch  Punkt  4  der  Berufung  hin. 

Auf  den  Punkt  5  der  Berufung  ist  zu  erwidern,. daß  der  Reklamant 

95 


Abschnitt  VI  <i  Prisengerichtoentocheidungen :  „Mukden". 

dort  lediglich  eine  wissenschaftliche  Ansicht  anführt,  welcher  jedoch 
bis  jetzt  noch  nicht  der  Charakter  einer  völkerrechtlichen  Form  bei- 
gelegt werden  kann. 

Der  Punkt  6  der  Berufung  ist  lediglich  ein  persönlicher  Wunsch 
des  Reklamanten.  Das  Völkerrecht  erkennt  dagegen  tatsächlich  an,  daß 
Güter,  wenn  sie  auch  Privateigentum  sind,  deshalb  nicht  minder  ein 
Objekt  der  Beschlagnahme  zur  See  sind.  Daher  sind  auch  Punkt  5 
und  6  der  Berufung  als  unhaltbar  zurückzuweisen. 

Im  Punkt  7  seiner  Berufung  sagt  der  Reklamant,  die  Güter  stünden 
im  Eigentum  des  Verschiffers  und  könnten  daher  nicht  als  feindliche 
Güter  eingezogen  werden.  Es  ist  aber  völkerrechtliche  Bestimmung, 
daß  Güter,  welche  von  einer  außerhalb  Feindesgebiet  ansässigen  Person 
auf  feindlichem  Schiffe  an  einen  im  Feindesgebiet  wohnhaften  Empfänger 
abgesandt  werden,  als  feindHche  gelten  und  eingezogen  werden  können. 
Das  Oberprisengericht  ist  der  Ansicht,  daß  diese  Bestimmung  den  Ver- 
hältnissen durchaus  gerecht  wird,  und  verwirft  deshalb  Punkt  7  der 
Berufung. 

Auch  der  Ansicht  des  Punktes  8  der  Berufungsgründe,  daß  das 
Urteil  erster  Instanz  die  Schadenersatzforderung  für  Fracht  zu  Unrecht 
abgewiesen  habe,  kann  nicht  beigepflichtet  werden,  da  nach  den  Be- 
stimmungen unserer  Prisengerichtsordnung  die  Prüfung  von  Schaden- 
ersatzforderungen  nicht  zur   Amtsbefugnis   der  Prisengerichte   gehört. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  verworfen. 

Am  3.  Juli  1905  im  Oberprisengericht. 
(Unterschriften.) 


Reklamant:  A.  Gese,  Vertreter  der  Filiale  der  Firma  H.  Ah- 
rens  &  Co.,  Regierungsbezirk  Nagasaki,  Nagasaki,  Oura  8. 

In  der  Prisensache  betreffend  die  Ladung  des  russischen  Dampfers 
„Mukden''  wird,  wie  folgt,  entschieden: 

Urteilsformel: 
Die  an  Bord  des  Dampfers  „Mukden''  verschifften  Güter,  nämhch : 
1   Kiste   Bücher,   3    Kisten    Parfüm,    1    Kiste   Glasgeräte, 
2  Kisten  Glasröhren,  2  Kisten  Senfsamen,  1  Kiste  Gewürze 
und  Chemikalien,  150  Kolli  Zitronen,  75  Kisten  Apfelsinen, 
1  Kiste  Musikinstrumente,  1  Kollo  Notizbücher  und  1  Kiste 
Instrumente 
werden  eingezogen. 

96 


Prisengerlchtsentscheidungen:  „Mukden".  Abschnitt  VI<k 

Die  Reklamation  wegen  der  Fracht-,  Umlade-  und  Reisekosten  wird 
abgewiesen. 

Tatbestand   und   Gründe: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  Bücher  und  die  unter  den  anderen 
10  Punkten  aufgeführten  Güter  sind  am  5.  Februar  1904  von  dem 
Reklamanten  in  Nagasaki  auf  dem  russischen  Dampfer  „Mukden"  mit 
Bestimmung  nach  Wladiwostok  in  Rußland  verschifft  und  am  6.  Februar 
desselben  Jahres  nachmittags  im  Hafen  von  Fusan  von  dem  japanischen 
Kriegsschiff  „Heiyen"  zusammen  mit  dem  genannten  Dampfer  beschlag- 
nahmt worden.  Diese  Tatsachen  gehen  klar  hervor  aus  dem  Protokoll 
des  Stellvertreters  des  Kommandanten  des  Kriegsschiffs  „Heiyen'', 
Kapitanleutnants  Yoshimura  Shinsei,  aus  den  Vernehmungs- 
schriften des  1.  Offiziers  Serge  Wiszniowski  und  des  2.  Offiziers 
Alexander  Iwanowitsch  Kanajeff  des  Dampfers  „Mukden", 
aus  dem  Ladungsverzeichnis,  den  Frachtscheinen  und  dem  Logbuch 
des  genannten  Dampfers. 

Die  Hauptreklamationspunkte  sind  folgende: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  seien  vor  der  Veröffent- 
lichung der  Kriegserklärung  verschifft  und  vor  der  Eröffnung  der  Feind- 
seligkeiten in  einem  neutralen  koreanischen  Hafen  aufgebracht  worden. 
Da  sie  femer  keine  Kriegskonterbande  seien  und  die  Empfänger  neutrale 
Staatsangehörige,  nämlich  Deutsche  und  Italiener  seien,  so  könnten  sie 
nach  Artikel  3  der  Pariser  Deklaration  vom  Jahre  1856  nicht  beschlag- 
nahmt werden,  und  der  Reklamant  beantrage  deshalb  ihre  Freilassung. 
Femer  beantragte  er  den  Ersatz  der  Fracht-  und  Umladespesen  sowie 
der  ihm  durch  die  auf  Ladung  des  Prisengerichts  dorthin  zwecks 
Reklamation    unternommene   Reise  erwachsenen    Kosten. 

Der  Staatsanwalt  bezeichnet  in  der  Hauptsache  die  Gründe  des 
Reklamanten  alle  für  haltlos  und  erklärt  die  Güter,  da  die  Empfänger 
derselben  im  feindlichen  Gebiet  ansässig  und  die  Güter  deshalb  als 
feindliche  zu  betrachten  seien,  für  gute  Prise. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht : 

Nach  den  gegenwärtigen  völkerrechtlichen  Bestimmungen  und  Ge- 
bräuchen sind  Güter  auf  feindlichem  Schiff,  gleichviel  ob  Kriegskonter- 
bande oder  nicht,  feindliche  Güter  und  können,  ungeachtet  ob  vor  Ver- 
öffentlichung der  Kriegserklärung  verladen  oder  nicht,  selbstverständlich 
während  der  Kriegszeit  mit  Beschlag  belegt  werden.  Nun  sind  die  zur 
Verhandlung  stehenden  Güter  auf  dem  feindlichen  Dampfer  „Mukden" 
nach  dem  feindlichen  Wladiwostok  versandt  worden  und,  wenn  auch 
der  größte  Teil  von  ihnen  für  dort  ansässige  Deutsche  und  Italiener 
bestimmt  war,  so  erklärt  das  Gericht  dieselben  doch  für  feindliche, 
da  sich  die  Frage,  ob  Güter  feindliche  sind  oder  nicht,  nicht  nach  der 
Nationalität  des   Eigentümers,  sondern  nach   dem  Wohnsitz  desselben 

Mftrstrand-Meohlenburg,  Das  Japanische  Prisenreoht.    Band  1.       (7)  97 


Abschnitt  VI<k  Prisengerichtsentocheidungen:  „Mukden". 

bestimmt,  i)  die  Eigentümer  der  gesamten  hier  verhandelten  Güter  aber 
im  Feindesland  ansässig  sind. 

Außerdem  ist  es,  wenn  man  den  Stand  der  diplomatischen  Be- 
ziehungen zwischen  Japan  und  Rußland  und  die  Bewegungen  der  beiden 
Geschwader  in  Betracht  zieht,  klar,  daß  der  Kriegszustand  bereits  vorher 
bestanden  hat.  Daher  kann  man  nicht  behaupten,  daß  die  Beschlag- 
nahme vor  Eröffnung  des  Krieges  stattgefunden  hat. 

Da  es  ferner  klar  ist,  daß  Korea  zurzeit  nicht  neutral  gewesen 
ist,  so  kann  man  die  in  einem  koreanischen  Hafen  stattgehabte  Beschlag- 
nahme nicht  für  rechtswidrig  erklären. 

Aus  diesen  Erwägungen  müssen  die  Reklamationsgründe  alle  für 
grundlos  erachtet  werden. 

Was  den  Ersatz  der  Fracht-,  Umlade-  und  Reisekosten  angeht,  so- 
liegt  die  Entscheidung  hierüber  nicht  im   Bereich   des  Prisengerichts. 

Es  wird  demnach  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden.  2) 

Verkündet  im  Prisengericht  zu  Sasebo  am  26.  Mai  1904  im  Beisein 
des  Staatsanwalts  Mizukami  Chojiro. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  A.  Gese,  Vertreter  der  Filiale  der  Firma  H.  Äh- 
ren s  &  Co.,   Regierungsbezirk  Nagasaki,   Nagasaki,  Oura  8. 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  IshibashiTomokichi,  Re- 
gierungsbezirk Nagasaki,  Nagasaki,  Togiyamachi  41. 

Am  26.  Mai  1904  hat  das  Prisengericht  in  Sasebo  in  der  Prisen- 
sache betreffend  die  auf  dem  russischen  Dampfer  „Mukden"  verladene 
und  mit  demselben  am  6.  Februar  1904  in  dem  koreanischen  Hafen 
Fusan  von  dem  japanischen  Kriegsschiff  „Heiyen''  aufgebrachte  Ladung 
dahin  entschieden,  daß  die  auf  dem  Dampfer  „Mukden''  verschifften 
Güter,  nämlich:  1  Kiste  Bücher,  3  Kisten  Parfüm,  1  Kiste  Glasgeräte,. 
2  Kisten  Glasröhren,  2  Kisten  Senfsamen,  1  Kiste  Gewürze  und  Chemi- 
kalien, 150  Kolli  Zitronen,  75  Kisten  Apfelsinen,  1  Kiste  Musikinstrumente,. 
1  Kollo  Notizbücher  und'l   Kiste  Instrumente  einzuziehen  seien. 

Die  Reklamation  wegen  der  Fracht-,  Umlade-  und  Reisekosten 
wurde  abgewiesen. 

Gegen  diese  Entscheidung  hat  der  Reklamant,  der  Vertreter  der 
Filiale  der  Firma  H.  Ahrens  &  Co.,  A.  Gese,  durch  den  Rechts- 
anwalt Ishibashi  Tomokichi  als  Prozeßvertreter  die  Berufung  ein- 

0  V.  §§  8,  3  und  4.  —  »)  V.  §  40. 

«8 


Priseagerichtsentscheidungen :  MMukden".  Abschnitt  VI  <k 

gelegt  Diese  ist  vom  Oberprisengericht  im  Beisein  der  Staatsanwälte 
des  Oberprisengerichts,  Tsutsuki  Keiroku  und  Dr.  jur.  Ishiwa- 
tari  Binichi,  geprüft  worden. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Vertreters  der  Reklamation, 
Ishibashi  Tomokichi,  sind  folgende: 

Es  werde  Aufhebung  des  Urteils  erster  Instanz,  Freilassung  der 
enrähnten  beschlagnahmten  Gegenstände  und  Ersatz  der  Fracht-  und 
Umladekosten  von  88,  56  Yen  durch  den  japanischen  Staat  beantragt, 
und  zwar  aus  folgenden  Gründen : 

1.  Die  Beschlagnahme  der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  durch 
das  Kriegsschiff  „Heiyen"  habe  am  6.  Februar  1904,  2  Uhr  45  Minuten 
nachmittags,  zusammen  mit  der  Beschlagnahme  des  Dampfers  „Mukden'' 
stattgefunden.  Nach  dem  vom  Minister  der  Auswärtigen  Angelegenheiten, 
Komura,  veröffentlichten  Protokoll  über  die  diplomatischen  Ver- 
handlungen habe  der  Gesandte  K  u  r  i  n  o  das  Ultimatum  der  russischen 
Regierung  erst  um  4  Uhr  nachmittags  des  6.  Februars  zugestellt.  Daher 
habe  die  Beschlagnahme  vor  dem  Entstehen  des  Kriegszustandes  statt- 
gefunden, und  sei  deshalb  nicht  zu  rechtfertigen.  Daß  vor  dem  6., 
nämlich  am  5.  Februar,  noch  kein  Kriegszustand  bestanden  habe,  gehe 
klar  hervor  aus  der  Tatsache,  daß  das  Zollamt  in  Nagasaki,  eine  Kaiserlich 
japanische  Behörde,  dem  Dampfer  „Mukden"  und  seiner  Ladung  die 
Ausklarierungspapiere  und  die  Ladeerlaubnis  gewährt  habe. 

2.  Der  Zeit  in  Fusan  2**  p.  m.  am  6.  Februar  entspreche  in  der 
russischen  Hauptstadt  die  Zeit  um  7  a.  m.  des  6.  Februars.  Das  Urteil 
erster  Instanz  hätte  nur  von  der  Annahme  ausgehend,  daß  der  Abbruch 
der  diplomatischen  Beziehungen  vor  7  a.  m.  des  6.  Februars  statt- 
i;cfunden  hätte,  zur  Verurteilung  der  hier  verhandelten  Güter  kommen 
können;  jetzt  aber,  wo  es  klar  sei,  daß  man  dies  nicht  mehr  annehmen 
könne,  sei  die  Entscheidung  erster  Instanz  hinfällig. 

3.  Der  Ort  der  Beschlagnahme  des  fraglichen  Dampfers  sei  Fusan 
in  Korea.  Korea  sei  mindestens  bis  zum  Abschluß  der  Allianz  mit  Japan 
am  27.  Februar  1904  ein  neutraler  Staat  gewesen.  Das  Urteil  erster 
Instanz  stelle  aber  geradeweg  die  Behauptung  auf,  Korea  könne  de 
facto  nicht  als  neutraler  Staat  betrachtet  werden.  Weshalb  es  nicht 
als  solcher  betrachtet  werden  könne  und  ob  es,  wenn  es  nicht  als 
neutral  gelte,  als  Feindesland  anzusehen  sei,  oder  ob  es  mit  Rücksicht 
auf  den  Kriegszustand  als  Japans  Verbündeter  gelte,  der  mit  ihm  Hand 
in  Hand  zu  gehen  habe,  alles  das  habe  das  Urteil  erster  Instanz  nicht 
klargestellt,  sondern,  ohne  irgendwelche  Beweise  zugrunde  zu  legen, 
vrillkurliche  Behauptungen  aufgestellt.  Deshalb  müsse  das  Urteil  auf- 
gehoben und  auf  Freilassung  der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter 
erkannt  werden. 

4.  Wenn  man  Korea  im  Sinne  der  ersten  Entscheidung  als  nicht 

(?•)  99 


Abschnitt  Vl^k  Prisengeiichtoentscheidungen:  „Mukden". 

neutral,  vielmehr  für  die  Dauer  des  Krieges  als  eine  Erweiterung  Japans 
ansehe,  so  müsse  man,  da  dann  Fusan  als  eine  Hafenbucht  Japans  gelte, 
den  zur  Verhandlung  stehenden  Gütern  wie  auch  hauptsächlich  dem 
Schiff  selbst  den  Schutz  der  Kaiserlichen  Verordnung  Nr.  20  vom  Jahre 
1904  angedeihen  lassen. 

5.  Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  seien  am  5.  Februar 
1904  in  Nagasaki  verladen  worden,  und  der  Reklamant  habe  weder 
damals  noch  auch  zur  Zeit  der  Aufbringung  derselben  irgendwelche 
Kenntnis  von  dem  Kriege  gehabt,  so  daß  ihm  der  Vorwurf,  er  habe 
den  Feind  unterstützen  und  Japan  schädigen  wollen,  nicht  gemacht 
werden  könne.  Daher  könnten  die  Güter  nach  den  Anschauungen  der 
von  der  Gesellschaft  für  internationale  Rechtswissenschaft  im  Jahre  1882 
den  Mächten  unterbreiteten  Seeprisenordnung  nicht  beschlagnahmt 
werden.  Freilich  habe  Japan  nicht  ausdrücklich  erklärt,  daß  es  diese 
anerkenne,  aber,  da  das  Völkerrecht  keine  besondere  gesetzliche  Formu- 
lierung besitze,  sondern  seine  Grundsätze  aus  den  Ansichten  einer  An- 
zahl der  Gelehrten  und  den  von  einer  Anzahl  der  Staaten  anerkannten 
Rechtsregeln  entnehme,  so  müsse  Bestimmungen,  wie  den  hier  an- 
gezogenen,   alle    Beachtung   gezollt   werden. 

6.  Da  der  Krieg  zwischen  den  Staaten  als  solchen  ein  Verhältnis 
begründe,  zu  dem  die  Individuen  in  keiner  direkten  Beziehung  stünden, 
so  ergebe  sich  der  natürliche  Grundsatz,  daß  das  Privatvermögen  zu 
Wassei  wie  zu  Lande  unverletzbar  sei,  und  es  müsse  als  richtig  an- 
erkannt werden,  daß  dasselbe,  soweit  es  sich  nicht  um  Kriegskonterbande 
handele,  selbst  wenn  es  im  Eigentum  eines  feindlichen  Staatsangehörigen 
stehe,  nicht  zum  Objekt  einer  Beschlagnahme  gemacht  werden  dürfe. 
Reklamant  hoffe  aber,  daß  Japan  sich  nicht  nach  dem  schlechten  Vor- 
gange und  den  eigenmächtig  aufgestellten  Grundsätzen  von  Mächten 
richten  werde,  welche  um  Vorteils  willen  die  Rechtslogik  verdrehten 
und  verwirrten,  sondern  daß  es  zu  einer  Zeit,  wo  es  gegen  den  Feind 
der  Humanität  und  des  Weltfriedens  kämpfe,  neben  seiner  nationalen 
Machtentwicklung  auch  die  Förderung  von  Recht  und  Vernunft  im 
Auge  behalten  werde.  Daher  müsse  es  jetzt  seine  Größe  beweisen, 
indem  es  auch  für  das  Privatvermögen  zur  See  den  Grundsatz  der 
Unverletzlichkeit   zur   Ausführung  bringe. 

7.  Transportgüter  gingen  erst  mit  dem  Augenblick,  wo  sie  im 
Bestimmungsort  angekommen  und  ausgehändigt  worden  seien,  in  das 
Eigentum  des  Empfängers  über,  und  der  Verschiffer  verliere  keines- 
wegs mit  dem  Moment  der  Verschiffung  sein  Eigentumsrecht  an  den 
Gütern.  Er  habe  vielmehr  selbstredend  bis  zur  Ankunft  der  Güter 
im  Bestimmungsort  und  Ablieferung  an  den  Empfänger  die  Rechte 
und  Verantwortlichkeit  des  Eigentümers.  Zum  Beispiel  habe  er  im  Falle 
Verlustes  der  Güter  dem  Schiffsherrn  gegenüber  Recht  auf  Schadens- 

100 


Pritengerichtsentscheidungeii:  ,,lllukden".  Abschnitt  Vl^k 

ersatz:  und  ebenso  legten  der  8.  Abschnitt  des  3.  Buches  und  der 
3.  Abschnitt  des  5.  Buches  unseres  Handelsgesetzbuches  dem  Ladungs- 
empfänger die  Verpflichtung  zur  Leitung  der  Fracht-  und  sonstigen 
Kosten  erst  dann  auf,  wenn  er  die  Güter  ausgehändigt  erhalten  habe. 
Es  läge  kein  Grund  vor,  allein  für  das  Völkerrecht  andere  Rechts- 
normen anzunehmen.  Es  sei  daher  außer  Zweifel,  daß  die  hier  ver- 
handelten Güter,  welche  dem  Empfänger  nicht  ausgehändigt  worden 
seien,  Eigentum  des  in  Nagasaki  ansässigen  deutschen  Reklamanten  seien. 
Wolle  man  das  Nationalitätsprinzip  anwenden,  so  sei  der  Verschiffer 
Angehöriger  eines  neutralen  Staats;  lege  man  das  Domizilprinzip  zu- 
grunde, so  sei  er  als  Japaner  zu  behandeln.  Von  welchem  Punkte 
man  den  Fall  auch  ansehe,  könne  man  die  Güter  nicht  als  feindliche 
betrachten   und  für  konfisziert  erklären. 

8.  Es  sei  billig,  daß  der  Staat  für  den  an  Frachtkosten  von  dem 
Reklamanten  durch  unrechtmäßiges  Vorgehen  des  Staats  tatsächlich  er- 
littenen Schaden  aufkomme,  da  man  annehmen  müsse,  daß  der  Aus- 
druck „Prisensache"  des  §  1  der  Prisenordnung  alles,  was  zu  der  hier 
verhandelten  Sache  Beziehung  habe,  in  seinen  Sinn  einschließe. 

Die  Hauptpunkte  des  Schriftsatzes  des  Staatsanwalts  beim  Sasebo- 
Prisengericht,  Hayashi  Ei  j  uro,  besagen : 

Was  man  völkerrechtlich  als  Kriegszeit  bezeichne,  nehme  seinen 
Anfang  mit  öffentlichen,  aus  der  Absicht,  den  Kampf  zu  beginnen, 
her\wgegangenen  feindseligen  Handlungen.  Schon  ehe  Japan  und  Ruß- 
land über  die  mandschurische  und  koreanische  Frage  diplomatische 
Verhandlungen  eröffnet  gehabt  hätten,  habe  Rußland  einerseits  absichtlich 
seme  Antwort  immer  hinausgeschoben,  auf  der  anderen  Seite  durch 
umfangreiche  Kriegsvorbereitungen  Japan  gegenüber  seinen  Entschluß, 
zu  kämpfen,  deutlich  gezeigt.  Daraufhin  habe  Japan  am  5.  Februar 
1904  seine  an  Rußland  gerichtete  Mitteilung  über  den  Abbruch  der 
diplomatischen  Beziehungen  abgesandt,  und  sein  Geschwader  sei  am 
n.  Februar,  um  7  Uhr  morgens,  vom  Kriegshafen  von  Sasebo  auf- 
gebrochen, um  die  russische  Flotte  zu  bekämpfen.  Diese  Handlung 
>telle  sich  als  eine  mit  der  Absicht,  den  Kampf  zu  beginnen,  vor- 
genommene  Handlung  dar. 

Da  es  feststehe,  daß  die  Beschlagnahme  des  Dampfers  „Mukden" 
nach  diesem  Zeitpunkte  stattgefunden  habe,  so  sei  daher  die  Ent- 
>cheidung  in  dem  Urteil  erster  Instanz,  daß  am  6.  Februar  der  Kriegs- 
zustand zwischen  Japan  und  Rußland  bereits  bestanden  habe,  zu  Recht 
.getroffen  worden. 

Für  die  Behauptung,  daß  Korea  kein  neutraler  Staat  sei,  bedürfe 
c>  angesichts  dessen,  daß  es  selber  sich  zu  schützen  nicht  imstande 
j»ei,  und  wenn  man  das  Ziel  dieses  Krieges  sich  vor  Augen  halte,  eines 
Beveises  nicht,   da  alles  dies  aus  der  allgemein   bekannten   Lage  der 

101 


Abschnitt  VI<k  Prisengerichtsentocheidungen:  „Hlukden". 

Dinge  von  selbst  klar  hervorgehe.  Zur  Entscheidung  darüber,  ob  die 
Beschlagnahme  zu  rechtfertigen  sei  oder  nicht,  genüge  es,  da  das 
Beschlagnahmerecht  nach  dem  Völkerrecht  in  neutralen  Häfen  oder 
neutralen  Hoheitsgewässern  nicht  vorgenommen  werden  dürfe,  voll- 
kommen, festzustellen,  ob  Korea  neutral  sei  oder  nicht,  und  eine  Ent- 
scheidung darüber,  ob  es  als  feindliches  oder  als  verbündetes  Land 
anzusehen  sei,  wäre  vollkommen  überflüssig.  Daher  könne  in  der  Tat- 
sache, daß  das  Urteil  erster  Instanz  lediglich  behauptet  habe,  Korea  sei 
kein  neutrales  Land,  nichts  Ungerechtes  erkannt  werden.  Ebenso  er- 
übrige es  sich,  die  belanglose  Behauptung  des  Reklamanten,  das  Urteil 
erster  Instanz  vertrete  die  Ansicht,  Korea  sei  eine  Allonge  Japans,  zu 
beantworten. 

Ferner  könnten  die  von  der  Gesellschaft  für  internationale  Rechts- 
wissenschaft im  Jahre  1882  gefaßten  Beschlüsse,  welche  lediglich  die 
Privatansichten  von  Gelehrten  repräsentierten,  für  die  Gegenwart  noch 
nicht  als   völkerrechtliche   Norm   anerkannt  werden. 

Daß  man  auf  feindlichem  Schiff  befindliche  feindliche  Güter,  wenn 
sie  auch  Privatvermögen  seien,  einziehen  könne,  sei  ein  fundamentaler 
Grundsatz  des  gegenwärtigen  Völkerrechts  und  finde  sich  gleichermaßen 
in  der  Pariser  Erklärung  von  1856  wie  in  der  japanischen  Prisenordnung 
ausgesprochen.  Es  sei  selbstredend,  daß  man  diesen  Grundsatz  auf 
den  vorliegenden  Fall  zur  Anwendung  bringe. 

Die  Frage,  ob  Güter  feindlich  seien  oder  nicht,  entscheide'  sich 
nach  dem  Wohnsitz  des  Eigentümers,  und 'Güter,  welche  an  einen  im 
Feindesland  ansässigen  Empfänger  abgesandt  seien,  gälten,  mangels  aus- 
drücklichen Gegenbeweises,  von  dem  Zeitpunkt  der  Absendung  an  als 
in  das  Eigentum  des  Empfängers  übergegangen.  Da  nun  der  Empfänger 
der  hier  verhandelten  Güter  in  dem  zum  Feindesland  gehörigen  Wladi- 
wostok ansässig  sei,  und  der  Reklamant  keinen  Beweis  beigebracht  habe, 
daß  die  Güter  zur  Zeit  der  Aufbringung  noch  im  Eigentum  des  Ab- 
senders standen,  so  sei  die  Ansicht  des  erstinstanzlichen  Urteils,  daß 
die  Güter  feindliche  Güter  seien,  rechtmäßig. 

Da  nach  der  Prisengerichtsordnung  die  Entscheidung  über  die 
Schadensersatzforderung  nicht  zur  Kompetenz  der  Prisengerichte  gehöre, 
so   habe  das  erstinstanzliche   Urteil  dieselbe  mit   Recht  abgewiesen. 

Die  Berufung  müsse  daher,  weil  alle  vorgebrachten  Gründe  un- 
haltbar seien,  abgewiesen  werden. 

Die  vorliegende  Entscheidung  wird  wie  folgt  begründet: 

Der  Reklamant  erklärt  die  Beschlagnahme  der  hier  verhandelten 
Güter  zusammen  mit  dem  Dampfschiff  „Mukden''  für  ungerechtfertigt, 
weil  sie  am  6.  Februar  1904  2**  p.  m.,  das  heißt  vor  Entstehen  des 
Kriegszustandes,  stattgefunden  habe.  Die  Eröffnung  des  Krieges  fällt 
nicht   unbedingt  mit  dem   ersten   Austausch   von   Kanonenfeuer   unter 

102 


PiisanQSricIitsentscheidungen:  ,»Mukden".  Abschnitt  VI<k 

den  beiden  Streitmächten  zusammen,  auch  ist  sie  nicht  unbedingt  von 
der  Abgabe  einer  Kriegserklärung  oder  einer  dieser  gleichstehenden 
Mitteilung  abhängig.  Wenn  auch  nur  eine  weniger  drastische  Aus- 
führung der  Kriegsabsicht  oder  andere  Manifestation  des  Willens,  zu 
kämpfen,  vorliege,  so  ist  damit  der  Kriegszustand  eingetreten. 

Da  nun  während  der  japanisch-russischen  Verhandlungen  Ruß- 
land durch  sein  unangemessenes  Verhalten,  welches  die  Hoffnung  auf 
Erhaltung  des  Friedens  unmöglich  machte,  und  durch  fortwährende 
Kriegsrüstungen  seine  Absicht,  uns  mit  Waffengehalt  zu  unterwerfen, 
klar  bewies,  so  sandte  unsere  Regierung  am  5.  Februar  des  Jahres  1904 
eine  Instruktion  bezügHch  Abbruchs  der  diplomatischen  Beziehungen 
an  unsern  Gesandten  in  Rußland,  und  gleichzeitig  traf  unser  Kriegs- 
geschwader seine  Vorbereitungen  und  fuhr  am  folgenden  Tage,  dem 
6,  Februar,  mit  der  Bestimmung,  den  Kampf  aufzunehmen,  von  dem 
Kriegshafen  Sasebo  ab,  und  nahm  auf  der  Fahrt,  also  während  der 
Kriegszeit,  das  der  russischen  freiwilligen  Flotte  angehörige,  für  den 
Kriegsgebrauch  der  russischen  Regierung  bereitzustellende  Dampfschiff 
„Ekaterinoslav"  in  Beschlag.  Dies  war  eben  nichts  anderes  als  eine 
Ausführung  der  Kriegsabsicht,  und  die  erst  später  erfolgte  Beschlag- 
nahme des  hier  in  Frage  kommenden  .Dampfers  kann  daher  nicht  als 
ungerechtfertigt  bezeichnet  werden;  dies  um  so  weniger,  als  sie  auch 
nach  der  am  6.  Februar,  nachmittags  2  Uhr,  erfolgten  Mitteilung  unserer 
Regierung  an  den  bei  unserem  Hofe  akkreditierten  russischen  Gesandten 
betreffend  den  Abbruch  der  diplomatischen  Beziehungen  stattgefunden 
hat.    Punkt  1  und  2  der  Berufung  sind  daher  grundlos. 

Punkt  3  der  Berufung  behauptet,  daß  zum  mindesten  bis  zum 
27.  Februar  1904,  das  heißt  bis  zum  Abschluß  des  japanisch-koreanischen 
Bündnisses,  Korea  neutral  gewesen  und  daß  dies  ein  Grund  für  die 
Freilassung  der  in  Frage  stehenden  Prise  sei.  Aber  da  Korea  von 
Anfang  an  für  diesen  Krieg  sein  Einverständnis  gegeben  hat,  daß  die 
japanischen  Truppen  in  Korea  landen  und  durch  dasselbe  passieren 
dürften,  auch  der  Krieg  sich  von  Anfang  an  in  seinem  Gebiet  abgespielt 
hat,  so  kann  es  nicht  als  neutral  im  gewöhn Hchen  Sinne  des  Wortes 
bezeichnet  werden.  Wenn  aber  Korea  nicht  im  gewöhnlichen  Sinne 
neutral  ist,  so  kann  die  in  seinen  Hoheitsgewässern  erfolgte  Beschlag- 
nahme nicht  als  widerrechtlich  bezeichnet  werden.  Auch  läßt  sich  da- 
gegen, daß  das  Sasebo-Prisengericht  neben  seiner  Behauptung,  Korea 
sei  nicht  neutral,  keine  weiteren  Erörterungen  über  die  Natur  der  Stellung 
Koreas  getroffen  habe,  nichts  einwenden.  Daher  ist  auch  Punkt  3 
der  Berufung  grundlos. 

Da  aus  der  Tatsache,  daß  Korea  nicht  neutral  ist,  durchaus  nicht 
gefolgert  werden  kann,  daß  Fusan  ein  japanischer  Hafen  ist,  so  fällt 
auch  Punkt  4  der  Berufung  hin. 

103 


Abschnitt  VI<i  Prisengerichtsentscheidungen:  „Mukden". 

Auf  den  Punkt  5  der  Berufung  ist  zu  erwidern,  daß  der  Reklamant 
dort  lediglich  eine  wissenschaftliche  Ansicht  anführt,  welcher  jedoch 
bis  jetzt  noch  nicht  der  Charakter  einer  völkerrechtlichen  Norm  bei- 
gelegt werden  kann. 

Der  Punkt  6  der  Berufung  ist  lediglich  ein  persönlicher  Wunsch 
des  Reklamanten.  Das  Völkerrecht  erkennt  dagegen  tatsächlich  an,  daß 
Güter,  wenn  sie  auch  Privateigentum  sind,  deshalb  nicht  minder  ein 
Objekt  der  Beschlagnahme  zur  See  sind.  Daher  sind  auch  Punkt  5- 
und  6  der  Berufung  als  unhaltbar  zurückzuweisen. 

Im  Punkt  7  seiner  Berufung  sagt  der  Reklamant,  die  Güter  stünden, 
im  Eigentum  des  Verschiffers  und  könnten  daher  nicht  als  feindliche 
Güter  eingezogen  werden.  Es  ist  aber  völkerrechtliche  Bestimmung,, 
daß  Güter,  welche  von  einer  außerhalb  Feindesgebiet  ansässigen  Person 
auf  feindlichem  Schiff  an  einen  im  Feindesgebiet  wohnhaften  Empfänger 
abgesandt  werden,  als  feindliche  gelten  und  eingezogen  werden  Können. 
Das  Oberprisengericht  ist  der  Ansicht,  daß  diese  Bestimmung  den  Ver- 
hältnissen durchaus  gerecht  wird,  und  verwirft  deshalb  Punkt  7  der 
Berufung. 

Auch  der  Ansicht  des  Punktes  8  der  Berufungsgründe,  daß  das 
Urteil  erster  Instanz  die  Schadensersatzforderung  für  Fracht-  und  Um- 
ladekosten  zu  Unrecht  abgewiesen  habe,  kann  nicht  beigepflichtet  werden, 
da  nach  den  Bestimmungen  unserer  Prisengerichtsordnung  die  Prüfung^ 
von  Schadensersatzforderungen  nicht  zur  Amtsbefugnis  der  Prisen- 
gerichte gehört. 

Es  wird  daher  wie  folgt  entschieden : 
Die  Berufung  wird  verworfen. 

Am  3.  Juli  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Der  englische  Staatsangehörige  Frederic  Rin- 
ger, Nagasaki,  Oura  Nr.  7,  in  Firma  der  Handels-  und  Schiffsagentur- 
gesellschaft Holme,  Ringer  &  Co. 

•    In   der  Prisensache  betreffend  Ladung  des  russischen   Dampfers 
„Mukden''  wird  wie  folgt  entschieden: 

Urteilsformel: 
Die  auf  dem  Dampfer  „Mukden''  verladenen  1000  Sack  japanischer 
Reis  und  360  Kolli  getrocknetes  Obst  und  16  Polyphone  werden  ein- 
gezogen. 

104 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Hlukden".  Abschnitt  VI>i 

Tatbestand   und  Gründe: 

Die  in  der  Urteilsformel  verzeichneten  Güter  sind  von  dem  Rekla- 
manten  in  Nagasaki  auf  dem  russischen  Dampfer  „Mukden'*  verladen 
und  am  6.  Februar  1904,  2  Uhr  45  Minuten  nachmittags,  auf  der  Reise 
nach  Wladiwostok  im  Hafen  von  Fusan  von  dem  Kaiserlichen  Kriegs* 
schiff  „Heiyen"  zusammen  mit  dem  genannten  Schiff  beschlagnahmt 
vorden. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Vertreters  des  Kommandanten  der  „Heiyen",  Kapitänleutnants  Yoshi- 
mura  Shinsei,  die  Vernehmungsprotokolle  des  1.  Offiziers  der 
„Mukden",  Serge  Wiszniowski,  und  des  2.  Offiziers  Alex- 
ander Iwanowitsch  Kanajeff,  das  Ladungsverzeichnis,  die 
Konnossemente  und  das  Schiffsjournal  des  genannten  Dampfers. 

Der  Reklamant  hat  Ladung  zur  mündlichen  Verhandlung  erhalten, 
ist  aber  nicht  erschienen.  *) 

Die  Hauptpunkte  der  in  der  Reklamationsschrift  niedergelegten 
Reklamation  sind  folgende: 

Der  zur  Verhandlung  stehende  japanische  Reis  sei  von  dem  Rekla- 
manten auf  Bestellung  der  Firma  Choorin  &  Co.  in  Wladiwostok 
in  Nagasaki  eingekauft  und  während  des  Transports  an  die  genannte 
Firma  beschlagnahmt  worden.  Da  der  Reis  noch  nicht  am  Bestimmungs- 
ort  angekommen  und  folglich  der  Kaufpreis  noch  nicht  bezahlt  sei,  so 
stehe  der  Reis  noch  im  Eigentum  des  Reklamanten  und  habe  keinerlei 
Beziehungen  zu  der  russischen  Regierung. 

Die  360  Kolli  getrocknetes  Obst  und  16  Polyphone,  welche  von 
S.  Francisco  auf  dem  japanischen  Dampfer  „Nippon  Maru"  nach 
Nagasaki  gekommen  und  von  dem  Reklamanten  auf  die  „Mukden'* 
umgeladen  und  nach  Wladiwostok  geschickt  worden  seien,  stünden 
gleichfalls  im   Eigentum  verschiedener  einzelner  Personen. 

Es  werde  daher  die  Auslieferung  aller  zur  Verhandlung  stehenden 
Güter  an  den  Reklamanten  beantragt. 

Die  Hauptpunkte  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  gehen  dahin,  daß 
die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  alle  für  Personen,  welche  ihren 
Wohnsitz  im  feindlichen  Wladiwostok  hätten,  bestimmt  seien  und  da- 
her als  feindliches  Gut  auf  feindlichem  Schiff  der  Wegnahme  verfallen 
mußten. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Nach  den  Bestimmungen  und  Gebräuchen  des  geltenden  Völker- 
rechts kann  feindliches  Gut  auf  feindlichem  Schiff  mit  Recht  weg- 
genommen  werden.     Die   Frage,   ob  Güter  feindlich   sind  oder  nicht, 

')  IV.  §  18. 

105 


Abschnitt  VI^"»  Prisengerichtsentocheidungen:  „Mukden**. 

bestimmt  sich  nach  dem  Wohnsitz  des  Eigentümers,-)  und  die  Frage, 
ob  sie  der  feindlichen  Regierung  gehören  oder  nicht,  ist  unerheblich. 

Ferner  werden  Güter,  welche  an  einen  feindlichen  Empfänger 
abgesandt  worden  sind,  als  feindliche  Güter  betrachtet  und,  wenn  die 
Interessenten  das  Gegenteil  behaupten  wollen,  so  liegt  der  Beweis  hier- 
für ihnen  ob. 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  sind  auf  dem  feindlichen 
Dampfer  „Mukden"  verladen  und  von  amerikanischen  und  japanischen 
Absendern  an  Empfänger  im  feindlichen  Wladiwostok  abgesandt 
worden.  Da  der  Reklamant  für  die  Behauptung,  daß  die  Güter  nicht 
feindlich  seien,  keinen  Beweis  erbracht  hat,  so  ist  diese  Behauptung 
als  unbegründet  anzusehen  und  die  Güter  sind  als  feindliche  Güter 
einzuziehen. ») 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  26.  Mai  1904  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Beisein 
des  Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurokuro. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Frederic  Ringer,  Chef  der  Firma  Holme, 
Ringer  &  Co.,   Nagasaki,  Gura,  Nr.  7. 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  ShigefujiTsurutaro,  Na- 
gasaki, Hikijimachi,  Nr.  33. 

Die  gegen  das  Urteil  des  Prisengerichts  zu  Sasebo  vom  14.  Juni 
1904  in  Sachen  von  Ladungsstücken  des  beschlagnahmten  Dampfers 
„Mukden"  eingelegte  Berufung  wird  abgewiesen,  weil  der  Prozeßvertreter 
keine  ausreichenden  Beweisdokumente  für  seine  Prozeßvollmacht  bei- 
gebracht hat.*) 

•     Am  3.  Juli  1905. 

Das  Oberprisengericht. 


Reklamanten:  Der  amerikanische  Kaufmann  Arthur  W.  Tay- 
lor in  Wladiwostok,  Rußland,  und 

der  amerikanische  Staatsangehörige  D.  H.  Blake,  Prokurist  der 
American  Trading  Company,  Regierungsbezirk  Kanagawa,  Yokohama, 
Yamashitacho  Nr.  28. 


*)  V.  §§  8,  3  und  4.  —  ')  V.  §  40,  2.  —  *)  IV.  §  20. 
106 


Prisangerichtsentscheidungen:  „Mukden''.  Abschnitt  VI  >"■ 

Prozeßvertreter  der  beiden  Reklamanten:  Rechtsanwalt 
Akiyama  Genzo,  Regierungsbezirk  Kanagawa,  Yokohama,  Yama- 
shitacho  Nr.  75. 

In  der  Prisensache  betreffend  Ladungsstücke  des  russischen 
Dampfers  „Mukden"  wird,  wie  folgt,  entschieden: 

U  r  t  e  i  I  s  f  o  r  m  e  1 : 
Die   auf   dem    Dampfer   „Mukden''   verladenen    1723   Faß   Nägel 
und  1  Kollo  Gasbrenner  werden  eingezogen. 

Tatbestand  und   Gründe: 

Die  auf  dem  Dampfer  „Mukden"  verladenen  Nägel  und  Gas- 
brenner wurden  auf  der  Reise  nach  Wladiwostok  am  6.  Februar  1904 
im  Hafen  von  Fusan  in  Korea  zusammen  mit  dem  genannten  Dampfer 
von  dem   Kaiserlichen   Kriegsschiff  „Heiyen"  beschlagnahmt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  und 
das  Güterverzeichnis  des  Stellvertreters  des  Kommandanten  der  „Heiyen", 
Kapitänleutnants  Yoshimura  Shinsei,  die  Vernehmungsprotokolle 
des  1.  Offiziers  der  „Mukden",  Serge  Wiszniowski,  und  des 
2.  Offiziers,  Alexander  IwanowitschKanajeff,  das  Tagebuch, 
das  Ladungsverzeichnis  und  die  Konnossemente  des  genannten  Dampfers 
sowie  die  Aussagen  des  Vertreters  der  Reklamation. 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  des  Vertreters  der  Reklamation 
sind  folgende: 

Der  Bestimmungsort  der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  sei 
freilich  feindliches  Gebiet,  aber  zur  Zeit  ihrer  Verschiffung  hätten  Japan 
und  Rußland  noch  keine  Kriegserklärungen  abgegeben,  auch  hätten 
die  Feindseligkeiten  noch  nicht  begonnen  gehabt. 

Da  die  Güter  im  Eigentum  des  neutralen  Empfängers  stünden  und 
keine  Kriegskonterbande  seien,  so  müßten  sie  freigegeben  werden. 

Die  Ansicht  des  Staatsanwalts  geht  im  wesentlichen  dahin,  daß 
die  Güter  erwiesenermaßen  feindliche  Güter  auf  feindlichem  Schiff  seien; 
daß  die  Behauptungen  des  Reklamanten  völlig  unbegründet  und  die 
Güter  einzuziehen  seien. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Feindliches  Gut  auf  feindlichem  Schiff,  gleichviel  ob  Konterbande 
oder  nicht,  gleichviel  auch  ob  vor  der  Kriegseröffnung  verschifft  oder 
nicht,  kann  mit  Recht  eingezogen  werden.^) 

Es  steht  nach  dem  Völkerrecht  außer  Zweifel,  daß  die  Frage,  ob 
Guter  feindlich  sind,  sich  ungeachtet  der  Nationalität  des  Eigentümers 
nach  dessen  Wohnsitz  bestimmt.  2) 


>)  V.  §  40.  —  2)  V.  §§  8,  3  und  4. 

107 


Abschnitt  Vl^m"  Prisengerichtoentscheidungen :  „Mukden". 

Wenn  man  die  obigen  Tatsachen  betrachtet,  so  muß  es  für  er- 
wiesen erachtet  werden,  daß  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter 
feindliches  Gut  auf  feindlichem  Schiff  darstellen  und  daß  kein  Grund 
für  ihre  Freigabe  vorliegt. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  26.  Mai  1904  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Beisein 
des  Staatsanwalts  MizukamiChojiro. 

(Unterschriften.) 


Reklamanten:  Die  amerikanische  Staatsangehörige  Kaufmann 
Sarah  Elizabeth  Smith  in  Wladiwostok,  Rußland,  und  der 
amerikanische  Staatsangehörige  D.  H.  Blake,  Prokurist  der  American 
Trading  Company,  Regierungsbezirk  Kanagawa,  Yokohama,  Yamashi- 
tacho  Nr.  28. 

Prozeßvertreter  der  beiden  Reklamanten:  Rechtsanwalt 
Akiyama  Genzo,  Regierungsbezirk  Kanagawa,  Yokohama,  Yama- 
shitacho  Nr.  75. 

In  der  Prisensache  betreffend  Ladungsstücke  des  russischen 
Dampfers  „Mukden''  wird  wie  folgt  entschieden: 

Urteilsformel: 
Die  auf  dem  Dampfer  „Mukden"  verladenen  45  Kisten  Wagen 
werden  eingezogen. 

Tatbestand  und   Gründe: 

Die  auf  dem  Dampfer  „Mukden''  verladenen  Wagen  wurden  auf 
der  Reise  nach  Wladiwostok  am  6.  Februar  1904  im  Hafen  von  Fusan 
in  Korea  zusammen  mit  dem  genannten  Dampfer  von  dem  Kaiserlichen 
Kriegsschiff  „Heiyen''   beschlagnahmt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  und 
das  Güterverzeichnis  des  Stellvertreters  des  Kommandanten  der  „Heiyen", 
Kapitänleutnants  Yoshimura  Shinsei,  die  Vernehmungsprotokolle 
des  1.  Offiziers  der  „Mukden'',  Serge  Wiszniowski,  und  des 
2.  Offiziers  Alexander  Iwanowitsch  Kanajeff,  das  Tagebuch, 
das  Ladungsverzeichnis  und  die  Konnossemente  des  genannten  Dampfers 
sowie  die  Aussagen  des  Vertreters  der  Reklamation. 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  des  Vertreters  der  Reklamation 
sind  folgende: 

Der  Bestimmungsort  der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  sei 

108 


PriMiigerichtseiitscheidungen:  „Mukden''. 


Abschnitt  VI«"" 


freilich  feindliches  Gebiet,  aber  zur  Zeit  ihrer  Verschiffung  hätten  Japan 
und  Rußland  noch  keine  Kriegserklärungen  abgegeben,  auch  hätten 
die  Feindseligkeiten  noch  nicht  begonnen  gehabt. 

Da  die  Güter  im  Eigentum  des  neutralen  Empfängers  stünden 
und  keine  Kriegskonterbande  seien,  so  müßten  sie  freigegeben  werden. 

Die  Ansicht  des  Staatsanwalts  geht  im  wesentlichen  dahin,  daß 
die  Güter  erwiesenermaßen  feindliche  Güter  auf  feindlichem  Schiff  seien, 
daß  die  Behauptungen  des  Reklamanten  völlig  unbegründet  und  die 
Güter  daher  einzuziehen  seien. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Feindliches  Gut  auf  feindlichem  Schiff  kann,  gleichviel  ob  Konter- 
bande oder  nicht,  gleichgültig  auch  ob  vor  der  Kriegseröffnung  ver- 
schifft oder  nicht,  mit  Recht  eingezogen  werden. 

Es  steht  nach  dem  Völkerrecht  außer  Zweifel,  daß  die  Frage,  ob 
Güter  feindlich  sind,  sich  ungeachtet  der  Nationalität  des  Eigentümers 
nach  dessen   Wohnsitz  bestimmt.') 

Wenn  man  die  obigen  Tatsachen  betrachtet, '  so  muß  es  für  er- 
wiesen erachtet  werden,  daß  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter 
feindliches  Gut  auf  feindlichem  Schiff  darstellen  und  daß  kein  Grund 
für  ihre  Freigabe  vorliegt.*) 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  26.  Mai  1904  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Beisein 
des  Staatsanwalts  Mizukami  Chojiro. 

(Unterschriften.) 


Reklamanten:  Arthur  W. 
Taylor,  wohnhaft  in  Wladi- 
wostok, Ostsibirien,  Rußland,  und 
D.  H.  B 1  a  k  e ,  Prokurist  der  Ameri- 
can Trading  Company,  Regierungs- 
bezirk Kanagawa,  Yokohama,  Ya- 
mashitacho  Nr.  28. 


Reklamanten:  Sarah  Eliza- 
beth S  m  i  t  h ,  wohnhaft  in  Wladi- 
wostok, Ostsibirien,  Rußland,  und 
D.  H.  B 1  a  k  e,  Prokurist  der  Ameri- 
can Trading  Company,  Regierungs- 
bezirk Kanagawa,  Yokohama,  Ya- 
mashitacho  Nr.  28. 


Prozeßveftreter  der  beiden  Reklamanten:  Rechtsanwalt 
Akiyama  Genzo,  Regierungsbezirk  Kanagawa,  Yokohama,  Yama- 
shitacho  Nr.  75. 


•)  V.  §§  8,  3  und  4.  —  ♦)  V.  §  40. 


109 


Abschnitt  VI>">"  Prisengerichtsentscheidungen:  ,,Mulcden''. 

Am*)  26.  Mai  1904  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der  Prisen- 
sache betreffend  Ladung  des  am  6.  Februar  1904  im  Hafen  von  Fusan 
in  Korea  von  dem  KaiserHchen  Kriegsschiff  „Heiyen''  beschlagnahmten 
russischen  Dampfers  „Mukden"  ein  Urteil  erlassen,  in  welchem  auf 
Einziehung  der  auf   dem   genannten   Dampfer  verladenen 


1723  Faß  Nägel  und  1  Kollo  Gas- 
brenner erkannt  worden  ist.  Gegen 
dieses  Urteil  haben  die  Rekla- 
manten Arthur  W.  Taylor  und 
der  Prokurist  der  American  Tra- 
ding    Company,    D.    H.    Blake, 


45  Kisten  Waren  erkannt  worden 
ist.  Gegen  dieses  Urteil  haben  die 
Reklamanten  Sarah  Elizabeth 
Smith  und  der  Prokurist  der 
American  Trading  Company,  D.  H. 
Blake, 


durch  den  Rechtsanwalt  Akiyama  Genzo  als  Prozeßvertreter  die 
Berufung  eingelegt,  welche  im  Beisein  der  Staatsanwälte  I  s  u  t  s  u  k  i 
Keiroku  und  Dr.  jur.  Ishiwatari  Binichi  beim  Oberprisen- 
gericht geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptberufungspunkte  des  Vertreters  der  Reklamation,  Aki- 
yama Genzo,  sind  folgende : 

Das  Urteil  des  'Prisengerichts  zu  Sasebo,  in  welchem  auf  Einziehung 
der  auf  dem  Dampfer  „Mukden"  verladenen 
17765)  Faß  Nägel  und  1  Kollo  Gas-  |  45   Kisten   Wagen 
brenner  j 

entschieden  worden  sei,  sei  unrechtmäßig.  Es  werde  Aufhebung  dieses 
Urteils  und. Freigabe  der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  beantragt, 
und   zwar  aus  folgenden   Gründen: 

1.  Die  zur  Verhandlung  stehenden  ]  1.  Die  zur  Verhandlung  stehenden 
Nägel   und   Gasbrenner  j  Wagen 

seien  im  September  1903  in  New  York,  Amerika,  verschifft,  am  1.  Fe- 
bruar 1904  in  Shanghai  auf  den  der  ostchinesischen  Eisenbahngesellschaft 
gehörigen  Dampfer  „Mukden''  umgeladen  und  auf  der  Fahrt  nach 
Wladiwostok  am  6.  Februar,  2  Uhr  40  Minuten  nachmittags,  im  Hafen 
von  Fusan  in  Korea  zusammen  mit  dem  genannten  Dampfer  beschlag- 
nahmt worden.  Da  am  6.  Februar  der  Kampf  zwischen  Rußland  und 
Japan  noch  nicht  begonnen  gehabt  habe,  so  könne  man  diesen  Tag  nicht 
als  Kriegszeit  bezeichnen.  Es. sei  aber  unbestreitbar,  daß  Prisen  nur 
zur  Kriegszeit  gemacht  werden  dürften.  Der  Kriegszustand  zwischen 
Staaten  entstehe  dadurch,  daß  die  am  Kampfe  beteiligten  Mächte  tat- 
sächlich die  ^Feindseligkeiten  begännen ;  er  nehme  dagegen  seinen  An- 
fang nicht  mit  einem  Ultimatum  oder  mit  Vorbereitungen  für  den  Kampf. 
Was  daher  das  Verhältnis  zwischen  Japan  und  Rußland  am  6.  Februar 

*)  Diese  beiden  Entscheidungen  sind  nur  in  der  Person  des  Reklamanten  und 
in  dem  Reklamationsobjekt  verschieden.  Daher  sind  sie  hier  kollateral  angeordnet 
worden. 

'^)  Im.  Urteil  I.  Inst.     1723  Faß. 

110 


Prlaragericbtsentscheidungen:  „Mukden".  Abschnitt  VI>mi» 

1904  angehe,  so  liege  dieser  Tag  zwar  nach  der  Abgabe  des  Ultimatums, 
und  die  Kriegs  Vorbereitungen  seien  bereits  getroffen  gewesen,  aber  tr.otz- 
dem  könne  man  nicht  sagen,  daß  die  Kriegszeit  bereits  begonnen  gehabt 
habe.  Demnach  habe  Japan  zu  dieser  Zeit  noch  nicht  die  Befugnisse 
einer  kriegführenden  Macht  ausüben  dürfen,  und  die  zur  Verhandlung 
stehende  Beschlagnahme  stehe  nicht  im  Einklang  mit  den  Bestimmungen 
des  Völkerrechts. 

Sejbst  aber  wenn  man  einmal  annehme,  daß  der  6.  Februar  be- 
reits in  die  Kriegszeit  falle,  so  sei  doch  die  Beschlagnahme  im  Hafen 
von  Fusan  in  Korea  geschehen.  Korea  sei  zu  der  Zeit  noch  mit  keinem 
der  beiden  Kaiserreiche  in  Bündnis  gewesen  und  müsse  als  ein  un- 
abhängiges neutrales  Land  angesehen  werden.  Es  sei  aber  unbestreitbar, 
daß  eine  Beschlagnahme  in  neutralen  Hoheitsgewässern  das  Völker- 
recht verletze   und  widerrechtlich  sei. 

2.  Wie  aus  den  Ladungspapieren  der  „Mukden'*  hervorgehe,  sei  die- 
selbe Eigentum  der  ostchinesischen  Eisenbahngesellschaft  in  Shanghai 
und  gehöre  nicht  zu  Rußland.  Selbst  aber  zugegeben,  das  Schiff  stehe 
im  russischem  Gebrauch  und  führe  die  russische  Flagge  oder  stehe  ganz 
oder  teilweise  im  Eigentum  russischer  Untertanen,  so  sei  doch  Ruß- 
land am  6.  Februar  noch  nicht  als  Feind  anzusehen  gewesen.  Daher 
sei  das  genannte  Schiff  nicht  als  Feindesschiff  anzusehen,  und  die  Ent- 
scheidung, welche  dies  annehme  und  die  zur  Verhandlung  stehenden 
Güter  für  Ladung  eines  feindlichen  Schiffs  erklärt  habe,  sei  unzutreffend. 

3.  Nach  dem  im  Artikel  3  der  Pariser  Seerechtsdeklaration  vom 
Jahre  1856  ausgesprochenen  Grundsatz  könne  neutrale  Ladung  auf 
Schiffen  feindlichen  Charakters  nicht  beschlagnahmt  werden.  Das 
Beschlagnahmerecht  beschränke  sich  lediglich  auf  feindliche  Ladung. 
Zur  Entscheidung  über  die  Frage,  ob  Ladung  feindlich  sei  oder  nicht, 
gebe  es  zwei  Prinzipien.  Das  eine  gehe  nach  der  Nationalität,  das  andere 
nach  dem  Wohnsitz  des  Eigentümers.  Von  dem  modernen  Völker- 
recht werde  zweifellos  als  das  natürlichste  und  vernünftigste  das 
Nationalitätsprinzip  und  nicht  das  Domizilprinzip  angesehen. 

Der  in  Wladiwostok  ansässige  Arthur  W.  Taylor  habe  die  zur 
Verhandlung  stehenden  Güter  von  der  in  New  York  in  Amerika  nieder- 
lassigen American  Trading  Company  gekauft.  Wenn  man  annehme, 
daß  einem  solchen  Vertrag  die  Kraft  innewohne,  das  Eigentum  zur  Zeit 
der  Verschiffung  übergehen  zu  lassen,  so  seien  die  zur  Verhandlung 
stehenden  Güter  freilich  Eigentum 
des  Taylor.  |   der  Smith. 

Wenn  man  aber  diese  Kraft  der  Eigentumsübertragung  nicht  annehme, 
^0  stünden  die  Güter  nach  wie  vor  im  Eigentum  des  Verkäufers,  der 
American  Trading  Company.  Das  Urteil  erster  Instanz  habe  aber  über 
die  Wirkung  des  Eigentumsübergangs  nach  dem  Völkerrecht  keine  Unter- 

111 


Abschnitt  VI>«"  Prisengerichtsentscheidungen:  „Mukden". 

suchung  angestellt,  und  daher  könne  die  Entscheidung,  so  wie  sie  ab- 
gegeben sei,  nicht  als  zutreffend  erachtet  werden. 

Wenn  man  auch  annehme,  das  Eigentumsrecht  sei  bereits  auf  den 
Käufer  übergegangen  und 


die  oben  erwähnte  Smith  sei 
Eigentümerin  der  zur  Verhandlung 
stehenden  Güter,  so  seien,  weil  die 
Smith  von  Nationalität  ^  Ameri- 
kanerin sei, 


der  oben  erwähnte  Taylor  sei 
Eigentümer  der  zur  Verhandlung 
stehenden  Güter,  so  seien,  weil 
Taylor  von  Nationalität  Ameri- 
kaner sei, 
die  Güter  der  Nationalität 
Taylors  [  der  S  m  i  t  h 

entsprechend  von  neutraler  Landeszugehörigkeit.  Demnach  könnten 
sie  nach  der  Pariser  Seerechtsdeklaration  nicht  weggenommen  werden, 
und  die  Entscheidung  des  Prisengerichts  erster  Instanz,  daß  die  Güter 
feindlich  seien  und  eingezogen  werden  müßten,  sei  ungesetzlich.  Das 
von  diesem  Gericht  als  völkerrechtlicher  Grundsatz  anerkannte  Domizil- 
prinzip sei  nur  englisches  Prinzip,  das  man  nicht  als  einen  internationalen 
Grundsatz  hinstellen  könne.  Nach  diesem  Prinzip  werde  übrigens  dem 
Vertrag  die  Kraft  der  Übertragung  des  Eigentums  an  den  Gütern  von  dem 
Zeitpunkt  der  Verschiffung  nicht  zuerkannt,  wie  das  im  Gegenteil  bei 
dem  französischen  Nationalitätsprinzip  der  Fall  sei,  bei  welchem  im 
Einklang  mit  den  gewöhnlichen  Handelsgebräuchen  die  Verantwortung 
für  die  Güter  nach  der  Verschiffung  bei  dem  Käufer  liege  und  dem- 
gemäß die  Kraft  des*  Vertrages,  das  Eigentum  auf  den  Käufer  über- 
gehen zu  lassen,  anerkannt  sei.  Das  Gericht  erster  Instanz  habe,  un- 
geachtet dieser  Verschiedenheit  in  den  beiden  Prinzipien,  einfach  ge- 
sagt, das  Domizilprinzip  werde  völkerrechtlich  nicht  in  Zweifel  gezogen, 
und  sei  diesem  ohne  Verständnis  blindlings  gefolgt,  wobei  es  aber 
die  Frage  der  Eigentumsübertragung  übersehen  habe.  Man  könne  daher 
nicht  behaupten,  daß  das  Urteil  die  Wahrheit  erschöpfe.  Denn  wenn 
man  im  vorliegenden  Falle  dem  englischen  Prinzip  gefolgt  sei,  so  stehe 
das  Eigentum  nach  wie  vor  beim  Verkäufer,  der  American  Trading 
Company  in  New  York,  und  die  Landeszugehörigkeit  der  Güter  sei 
unbestreitbar  neutral. 

4.  Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  seien  bereits  im  Sep- 
tember 1903  abgesandt  worden,  d.  h.  etwa  ein  halbes  Jahr  vor  der 
Kriegseröffnung,  welche  doch  offenbar  nicht  vorausgesehen  worden  sei. 
Ihrem  Charakter  nacli  seien  die  Güter  unfraglich  keine  Konterbande. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  beim  Prisen- 
gericht zu   Sasebo,   Hayashi  Ei j  uro,  sind  folgende: 

Es  sei  völkerrechtlich  allgemein  anerkannt,  daß  die  Zeit  der  Aus- 
übung des  Seeprisenrechts  nicht  unbedingt  mit  dem  Feuern  der  Ka- 
nonen ihren  Anfang  nehme,  daß  vielmehr  in  die  Zeit,  wo  dieses  Recht 

112 


Priseigericiltsentschetdttngen:  ,,Mukden''.  Abschnitt  VI<m 

ausgeübt  werden  könne,  schon  eingetreten  werde,  wenn  nur  irgendeine 
Tätigkeit  gezeigt  werde,  die  als  feindliches  Vorgehen  angesehen  werden 
müsse.  Seit  Anfang  der  Eröffnung  der  diplomatischen  Verhandlungen 
zwischen  Japan  und  Rußland  über  die  mandschurisch-koreanische  Frage 
habe  Rußland  auf  der  einen  Seite  seine  Antwort  absichtlich  hingezögert, 
auf  der  anderen  große  Kriegsvorbereitungen  getroffen  und  Japan  gegen- 
über seinen  Entschluß,  den  Kampf  zu  eröffnen,  dargetan.  Daraufhin 
habe  Japan  am  5.  Februar  1904  seine  Erklärung  betreffend  den  Ab- 
bruch der  diplomatischen  Beziehungen  an  Rußland  abgeschickt  und 
das  japanische  Geschwader  sei  am  6.  Februar,  vormittags  7  Uhr,  zum 
Kampf  gegen  die  russische  Kriegsflotte  von  Sasebo  aufgebrochen.  Da 
die  Feindseligkeiten  somit  schon  vor  der  zur  Verhandlung  stehenden 
Beschlagnahme  ihren  öffentlichen  Anfang  genommen  hätten,  so  sei  die 
Behauptung,  daß  die  Beschlagnahme  mit  Rücksicht  auf^  die  Zeit,  zu  der 
sie  vorgenommen,  wirkungslos  sei,  unzutreffend. 

Ferner  sei  es,  ohne  viel  Worte  zu  machen,  klar,  daß  Korea  nach 
dem  Zweck  des  Krieges  und  mit  Rücksicht  auf  den  Mangel  der  Fähig- 
keit, sich  selbst  zu  schützen,  tatsächlich  nicht  neutral  sei.  Auch  habe 
es  dadurch,  daß  es  nach  der  Kriegseröffnung  eine  Neutralitätserklärung 
nicht  abgegeben  habe,  bewiesen,  daß  es  keinen  vollständig  neutralen 
Stand  besitze.  Daher  seien  auch  in  diesem  Punkte  die  Behauptungen 
des  Prozeßvertreters  unhaltbar. 

Was  die  Landeszugehörigkeit  des  Dampfers  „Mukden"  angehe,  so 
gehe  aus  den  Schiffspapieren  klar  hervor,  daß  er  der  ostchinesischen 
Eisenbahngesellschaft  gehöre,  und  es  bestehe  daher  kein  Raum  für 
Zweifel  darüber,  daß  es  ein  feindliches  Schiff  sei. 

Nach  der  allgemeinen  völkerrechtlichen  Anschauung  bestimme  sich 
die  Landeszugehörigkeit  von  Gütern  nach  dem  Wohnsitz  des  Eigen- 
tümers und  das  Eigentum  an  Gütern  müsse  mangels  Gegenbeweises 
als  dem  Empfänger  zustehend  angesehen  werden.  Es  sei  daher  un- 
bestreitbar, daß  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter,  welche  an  eine 
in  Wladiwostok  ansässige  Person  versandt  worden  seien,  weil  kein  Beweis 
vorliege,  daß  das  Eigentum  einem  anderen  als  dem'  Empfänger  zustehe, 
feindlichen  Charakters  seien. 

Da  so  die  Güter  feindliche  Güter  auf  einem  feindlichen  Schiff  seien, 
so  entspreche  es  den  allgemeinen  völkerrechtlichen  Grundsätzen,  der 
Pariser  Seerechtsdeklaration  und  der  japanischen  Prisenordnung,  daß 
sie,  gleichviel  ob  Konterbande  oder  nicht,  gleichgültig  auch  ob  in  Vor- 
aussicht des  Krieges  abgesandt  oder  nicht,  eingezogen  werden  müßten. 

Kurz,  die  Berufung  sei  in  allen  Punkten  unbegründet,  das  Urteil 
erster  Instanz  in  allem  zutreffend,  und  es  werde  daher  Verwerfung 
der  Berufung  beantragt. 

Das  vorliegende  Urteil  wird  wie  folgt  begründet: 

M «r 8 tr«nd-MechIen bürg,  Das  japanische  Prlsenreoht.    Band  I.     (8)  113 


Abschnitt  VI>"*"  Prisengerichtsentscheidungen:  ,,lllukden". 

Der  russische  Dampfer  „Mukden''  ist  zusammen  mit  den  zur  Ver- 
handlung stehenden  Gütern  im  Hafen  von  Fusan  in  Korea  am  6.  Fe- 
bruar  1904,  2   Uhr  40  Minuten   nachmittags,   beschlagnahmt  worden. 

Die  Kriegseröffnung  fällt  nicht  unbedingt  mit  dem  Moment  des 
ersten  Austauschs  von  Kanonenfeuer  zusammen,  auch  ist  sie  nicht  unter 
allen  Umständen  von  einer  Kriegserklärung  oder  einer  dieser  gleich- 
kommenden Mitteilung  abhängig.  Wenn  vielmehr  auch  nur  eine  weniger 
drastische  Ausführung  der  Kriegsabsicht  oder  sonst  eine  Manifestation 
des  Willens  zu  kämpfen  vorliegt,  so  ist  damit  der  Kriegszustand  ein- 
getreten. 

Da  nun  während  der  japanisch-russischen  Verhandlungen  Rußland 
durch  sein  unangemessenes  Verhalten,  welches  die  Hoffnung  auf  Er- 
haltung des  Friedens  unmöglich  machte,  und  durch  fortwährende  Kriegs- 
rüstungen seine  Absicht,  uns  mit  Waffengewalt  zu  unterwerfen,  klar 
bewies,  so  sandte  unsere  Regierung  am  5.  Februar  des  Jahres  1904 
eine  Instruktion  bezüglich  Abbruchs  der  diplomatischen  Beziehungen 
an  unseren  Gesandten  in  Rußland,  und  gleichzeitig  traf  unser  Kriegs- 
geschwader seine  Vorbereitungen  und  fuhr  am  folgenden  Tage,  den 
6.  Februar,  mit  der  Bestimmung,  den  Kampf  aufzunehmen,  von  dem 
Kriegshafen  Sasebo  ab  und  nahm  auf  der  Fahrt,  also  während  der 
Kriegszeit,  das  der  russischen  freiwilligen  Flotte  angehörige,  wie  bekannt, 
für  den  Kriegsgebrauch  der  russischen  Regierung  bereitzustellende 
Dampfschiff  „Ekaterinoslav"  in  Beschlag.  Dies  war  eben  nichts  anderes 
als  eine  Ausführung  der  Kriegsabsicht,  und  die  erst  später  erfolgte 
Beschlagnahme  des  hier  in  Frage  kommenden  Dampfers  kann  daher 
nicht  als  ungerechtfertigt  bezeichnet  werden;  dies  um  so  weniger,  als 
sie  auch  nach  der  am  6.  Februar,  um  2  Uhr  nachmittags,  erfolgten 
Mitteilung  unserer  Regierung  an  den  bei  unserem  Hofe  akkreditierten 
russischen  Gesandten  betreffend  den  Abbruch  der  diplomatischen  Be- 
ziehungen stattgefunden  hat.  Daher  muß  die  Begründung  des  Rekla- 
manten, daß  am  6.  Februar  der  Krieg  zwischen  Japan  und  Rußland 
noch  nicht  eröffnet  gewesen,  die  an  diesem  Tage  vorgenommene  Be- 
schlagnahme daher  nicht  zu  Recht  geschehen  sei,  als  unzutreffend  be- 
zeichnet werden. 

Da  ferner  Korea  für  den  Krieg  zwischen  Japan  und  Rußland  von 
Anfang  an  zu  der  Landung  der  japanischen  Truppen  in  seinem  Gebiet 
und  dem  Passieren  derselben  seine  Zustimmung  gegeben  hat,  der  Krieg 
sich  auch  anfangs  innerhalb  seines  Hoheitsgebiets  abgespielt  hat,  kann 
Korea  nicht  als  ein  neutraler  Staat  im  gewöhnlichen  Sinne  des  Worts 
erachtet  werden.  Die  Widerrechtlichkeit  der  zur  Verhandlung  stehen- 
den Beschlagnahme  kann  daher  mit  der  Tatsache,  daß  sie  in  koreanischem 
Gebietsgewässer  geschehen  ist,  nicht  begründet  werden. 

Der  Reklamant  behauptet  zwar,  daß  die  zur  Verhandlung  stehenden 

114 


Prisengeiichtsentscheidungen :  „Mukden".  Abschnitt  VI<"mi 

Güter  auf  einem  nicht  feindlichen  Schiff  verladen  worden  seien,  aber 
au-s  den  Schiffspapieren  geht  hervor,  daß  der  Dampfer  „Mukden"  der 
russischen  ostchinesischen  Eisen bahngesellschaft  gehört.  Auch  die  von 
dem  Reklamanten  herangezogenen  Konnossemente  beweisen  das  Gegen- 
teil nicht  im  geringsten. 

Die  ostchinesische  Eisenbahngesellschaft  sieht  zwar  äußerlich  wie 
eine  Privatgesellschaft  aus.  Aber  in  der  von  dem  russischen  Verkehrs- 
ministerium veröffentlichten  Schiffsstatistik  für  russisch  Asien  werden 
alle  der  ostchinesischen  Eisenbahngesellschaft  gehörigen  Schiffe  unter 
die  im  Eigentum  der  Regierung  stehenden  Fahrzeuge  gerechnet.  Ferner 
hat  die  russische  Regierung  den  Ersatz  der  bei  den  nordchinesischen 
Wirren  vom  Jahre  1900  von  der  ostchinesischen  Eisenbahngesellschaft' 
erlittenen  Schäden  als  vom  Staat  erlittener  Schäden  bei  der  chinesischen 
Regierung  reklamiert.  Man  muß  also  annehmen,  daß  die  russische 
Regierung  selbst  die  ostchinesische  Eisenbahngesellschaft  in  Wirklich- 
keit als  ein  Regierungsunternehmen  betrachtet.  Auch  wenn  man  den 
Zweck  dieser  Gesellschaft  und  ihre  Beamtenorganisation  ansieht,  so 
kann  man  nicht  zu  dem  Schluß  kommen,  daß  sie  ein  Privatunternehmen 
sei.  Schon  aus  dieser  einen  Tatsache  ergibt  sich  ohne  jeden  Raum 
für  Zweifel,  daß  die  „Mukden"  ein  feindliches  Schiff  ist. 

Der  Reklamant  behauptet,  daß  am  6.  Februar  Rußland  noch  nicht 
als  ein  feindliches  Land  anzusehen  gewesen  sei.  Wie  aber  schon  oben 
auseinandergesetzt,  ist  dieser  Punkt  der  Berufung  unbegründet. 

Daß  die  Landeszugehörigkeit  von  Gütern  sich  nach  dem  Wohn- 
sitz des  Eigentümers  bestimmen  läßt,  daß  ferner,  wenn  Personen, 
die  außerhalb  des  Feindeslandes  wohnen,  zur  Kriegszeit  Güter  auf  feind- 
lichem Schiff  an  einen  Empfänger  im  Feindesgebiet  schicken,  diese 
Gütei  feindlichen  Charakter  haben  und  folglich  eingezogen  werden 
können,  ist  von  der  völkerrechtlichen  Praxis  anerkannt  und  auch  das 
Überprisengericht  erachtet  dies  für  billig.  Wenn  auch  der  Reklamant 
sagt,  daß  von  dem  modernen  Völkerrecht  zweifellos  als  das  natürlichste 
und  vernünftigste  das  Nationalitätsprinzip  und  nicht  das  Domizilprinzip 
angesehen  werde,  so  ist  das  lediglich  eigene  Ansicht  des  Reklamanten 
und  kann  nicht  als  ausreichende  Grundlage  für  die  Verwerfung  der 
erstinstanzlichen    Entscheidung   erachtet   werden. 

Ferner  bringt  der  Reklamant  vor,  daß  selbst,  wenn  das  eng- 
lische Prinzip  für  den  vorliegenden  Fall  als  zutreffend  angenommen 
«orden  sei,  doch  das  Eigentum  nach  wie  vor  bei  dem  Verkäufer  bleibe 
und  die  Landeszugehörigkeit  der  Güter  neutral  sei.  Das  Prisengericht 
hat  aber  gar  nicht  von  einem  fremden  Lande  anerkannte  Prinzipien 
zur  Anwendung  zu  bringen  und,  da  die  Landeszugehörigkeit  von  Gütern, 
die  auf  feindlichem  Schiff  an  einen  Empfänger  im  Feindesland  geschickt 

(8»)  115 


Abschnitt  VI<"»  Prisengericbtsentscheidungen :  „Nukäen'-. 

werden,  sich,  wie  oben  ausgeführt,   bestimmt,  so  ist  auch  dieser  Be- 
rufungspunkt hinfällig. 

Schließlich  macht  der  Reklamant  geltend,  daß  die  Güter  ohne 
Voraussicht  des  Krieges  abgesandt  worden  und  keine  Konterbande  seien. 
Aber  da  feindliches  Out  auf  feindlichem  Schiff,  gleichgültig  ob  Konter- 
bande oder  nicht,  gleichviel  auch  ob  in  Voraussicht  des  Krieges  ver- 
schifft oder  nicht,  eingezogen  werden  kann,  so  bedarf  dieser  Punkt 
keiner  besonderen  Erörterung. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  3.  Juli  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Die  Filiale  der  russisch-chinesischen  Bank  in  Naga- 
saki, Ouramachi  Nr.  9,  vertreten  durch  den  Prokuristen,  den  franzö- 
sischen Staatsangehörigen  J.  Carpentier. 

Prozeßvertreter:  Die  Rechtsanwälte  Nagashima  Washi- 
taro,  Tokio,  Kyobashiku  Kagacho  Nr.  10,  EnyaTsunetaro,  Tokio 
Kyobashiku,  Motosukiyacho  Ichome  Nr.  1,  Hidaka  Naoji,  Tokio 
Kyobashiku   Kagacho  Nr.  10. 

In  der  Prisensache  betreffend  Ladung  des  russischen  Dampfers 
„Mukden"   wird,   wie  folgt,   entschieden: 

Urteilsformel: 
Die  auf  dem   Dampfer  „Mukden''   verladene   1  Kiste  mit  10  000 
Rubel  wird  eingezogen. 

Tatbestand   und   Oründe: 

Die  zur  Verhandlung  stehende  1  Kiste  mit  10000  Rubel  ist  von 
dem  Reklamanten  am  5.  Februar  1904  im  Hafen  von  Nagasaki  auf  dem 
Dampfer  der  russisch-ostchinesischen  Eisenbahngesellschaft  „Mukden" 
verladen  und  an  die  Filiale  der  russisch-chinesischen  Bank  in  Wladi- 
wostok abgesandt  worden.  Am  6.  Februar  d.  J.  wurde  sie  im  Hafen 
von  Fusan  in  Korea  zusammen  mit  dem  genannten  Dampfer  von  dem 
Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Heiyen''  beschlagnahmt. 

Diese  Tatsachen  sind  nicht  nur  von  den  Vertretern  der  Rekla- 
mation anerkannt  worden,  sondern  werden  auch  bewiesen  durch  die 
eingereichten    Beweisdokumente,    die    Aussageschrift    und   das    Güter- 

116 


Prisengerichtsentschef düngen:  „Mukden''.  Abschnitt  VI 2t 

Verzeichnis  des  Stellvertreters  des  Kommandanten  der  „Heiyen",  Kapitän- 
leutnants Yoshimura  Shinsei,  die  Vernehmungsprotokolle  des 
I.Offiziers  der  „Mukden",  Serge  Wiszniowski  und  des  2.  Offi- 
ziers, Alexander  Iwanowitsch  Kanajeff,  das  Ladungs- 
verzeichnis, die  Konnossemente  und  das  Schiffsjournal  des  genannten 
Dampfers. 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  der  Vertreter  der  Reklamation 
sind  folgende: 

1.  Der  Kriegszustand  zwischen  Japan  und  Rußland  sei  am 
S.  Februar  1904  mit  der  Seeschlacht  bei  Port  Arthur  eingetreten,  nicht 
aber  mit  der  Absendung  der  Mitteilung  der  japanischen  Regierung 
an  Rußland  betreffend  den  Abbruch  der  diplomatischen  Beziehungen 
am  6.  Februar.  Daher  sei  die  Beschlagnahme  des  russischen  Dampfers 
„Mukden"  unrechtmäßig  gewesen  und  auch  die  auf  demselben  ver- 
ladenen zur  Verhandlung  stehenden  Güter  müßten  unfraglich  freigegeben 
«erden. 

2.  Selbst  angenommen,  der  Kriegszustand  sei  zur  Zeit  der  Über- 
sendung der  Mitteilung  von  dem  Abbruch  der  diplomatischen 
Beziehungen  eingetreten,  so  habe  doch  der  Gesandte  K  u  r  i  n  o  die- 
selbe erst  am  6.  Februar,  nachmittags  4  Uhr,  dem  russischen  Minister 
der  Auswärtigen  Angelegenheiten  übermittelt.  Da  die  Beschlagnahme 
aes  Dampfers  „Mukden"  aber  bereits  um  2  Uhr  40  Minuten  nach- 
mittags desselben  Tages  erfolgt  sei,  so  sei  sie  widerrechtlich  und  die 
zur  Verhandlung  stehenden   Güter  müßten   freigegeben  werden. 

3.  Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  seien  freilich  von  der 
Filiale  der  russisch-chinesischen  Bank  in  Nagasaki  an  die  Filiale  der 
genannten  Bank  in  Wladiwostok  versandt  worden  und  die  russisch- 
chinesische Bank  habe  ihre  Hauptniederlassung  in  Rußland,  aber  die 
Filiale  in  Nagasaki,  welche  in  dieser  Sache  reklamiere,  sei  nach  japa- 
nischem Handelsrecht  als  Filiale  eingetragen  und  habe  noch  nach  der 
Kriegseröffnung  zwischen  Japan  und  Rußland  ihre  Geschäfte  in  Japan 
tortgesetzt.  Daher  müßten  die  von  ihr  abgesandten  zur  Verhandlung 
stehenden  Güter  .freigegeben  werden. 

Die  Hauptpunkte  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  gehen  dahin,  daß 
die  Behauptungen  der  Vertreter  der  Reklamation  völlig  unbegründet 
und  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  als  feindliche  zu  betrachten 
und  einzuziehen  seien. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Wenn  man  sich  die  diplomatischen  Beziehungen  zwischen  Japan 
und  Rußland  zu  der  damaligen  Zeit  und  die  Bewegungen  der  beider- 
>ntigen  Kriegsflotten  vergegenwärtigt,  so  muß  man  sagen,  daß  die  Feind- 
>eligkeiten  zwischen  den  beiden  Mächten  schon  vor  der  Beschlagnahme 
des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  ihren  öffentlichen  A-nfang  ge» 

117 


Abschnitt  VI>«  Prisengerichtsentscheidungen:  „Mukden''. 

nommen  hatten,  und  es  ist  daher  klar,  daß  zu  dieser  Zeit  der  Kriegs- 
zustand bereits  eingetreten  war. 

Daher  sind  die  von  den  Vertretern  der  Reklamation  in  den  Punkten 
1  und  2  gestellten  Anträge  auf  Freigabe  der  Güter  unbegründet. 

Ferner  wird  vorgebracht,  daß  der  Reklamant  nach  den  japanischen 
Gesetzesbestimmungen  seine  Eintragung  als  Filiale  bewirkt  und  in  Japan 
Handelsgeschäfte  betrieben  habe.  Die  Frage,  ob  Güter  feindlich  sind 
oder  nicht,  bestimmt  sich  jedoch  nach  dem  Wohnsitz  des  Eigen- 
tümers, a)  und  es  muß  angenommen  werden,  daß  an  einen  im  Feindes- 
land ansässigen  Empfänger  versandte  Güter  mit  der  Absendung  in  das 
Eigentum  des  Empfängers  übergegangen  sind,  sofern  nicht  ausdrücklicher 
Gegenbeweis  vorliegt.    Die  Beweislast  hierfür  liegt  dem  Reklamanten  ob. 

Da  aber  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  auf  dem  russischen 
Dampfer  „Mukden''  an  die  in  Wladiwostok  befindliche  Filiale  der  russisch- 
chinesischen Bank  versandt  worden  sind,  und  die  Vertreter  der  Rekla- 
mation über  den  erwähnten  Punkt  keinerlei  Beweis  erbracht  haben,  so 
ist  auch  die  Behauptung  des  Punktes  3  unbegründet. 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  sind  daher,  weil  auf  feind- 
lichem Schiff  befindlich,  mit  Recht  beschlagnahmt  worden,  denn  sie 
haben,  weil  der  Empfänger  eine  Person  ist,  die  im  Feindesland  kauf- 
männische Geschäfte   betreibt,  feindlichen  Charakter. «) 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  26.  Mai  1904  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Beisein 
des  Staatsanwalts  Mizukami  Chojiro. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Die  Filiale  der  russisch-chinesischen  Bank  in  Naga- 
saki, Oura  Nr.  9,  vertreten  durch  den  Prokuristen  G.  Carpentier. 

Prozeßvertreter:  Die  Rechtsanwälte  Nagashima  Washi- 
taro,  Tokio,  Kyobashiku  Kagacho  Nr.  10,  EnyaTsunetaro,  Tokio, 
Kyobashiku  Motosukiyacho,  Ichome  Nr.  1,  Hidaka  Naoji,  Tokio, 
Kyobashiku,  Kagacho  Nr.  10. 

Am  26.  Mai  1904  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der  Prisen- 
sache betreffend  Ladung  des  am  6.  Februar  1904  im  Hafen  von  Fusan 
in  Korea  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Heiyen''  beschlagnahmten 
russischen  Dampfers  „Mukden'*  auf  Einziehung  der  auf  demselben  ver- 
ladenen einen  Kiste  mit  10  000  Rubel  entschieden. 


*)  V.  §§  8,  3  und  4.  —  -)  V.  §  40. 
118 


PriMsgerichtsentschetdungen:  „Mukden"«  Abschnitt  VI  2« 

Gegen  dieses  Urteil  hat  der  Reklamant,  der  Prokurist  der  Filiale 
der  russisch-chinesischen  Bank  in  Nagasaki,  G.  Carpentier,  durch 
die  Rechtsanwälte  Nagashima  Washitaro,  Enya  Tsunetaro 
und  H  i  d  a  k  a  N  a  o  j  i  als  Prozeßvertreter  die  Berufung  eingelegt,  welche 
im  Beisein  der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku  und  Dr,  jur. 
Ishivatari  Binichi  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptberufungspunkte  der  Vertreter  der  Reklamation  sind 
folgende  • 

Es  werde  Aufhebung  des  Urteils  erster  Instanz  und  Freigabe  der 
zur  Verhandlung  stehenden  Güter  beantragt,  und  zwar  aus  folgenden 
Gründen : 

1.  Der  Dampfer  „Mukden'',  auf  welchem  die  zur  Verhandlung 
stehenden  Güter  verschifft  worden  seien,  sei  am  6.  Februar  1904,  nach- 
mittags 2  Uhr  40  Minuten,  im  Hafen  von  Fusan  in  Korea  beschlag- 
nahmt worden.  Der  Kriegszustand  zwischen  Japan  und  Rußland  könne 
erst  als  am  8.  Februar  mit  der  Seeschlacht  vor  Port  Arthur  eingetreten 
angesehen  werden.  Vor  diesem  Zeitpunkt  hätte  die  Beschlagnahme 
der  „Mukden"  nicht  stattfinden  dürfen.  Daher  müßten  auch  die  zur 
Verhandlung  stehenden  Güter  freigegeben  werden. 

2.  Selbst,  wenn  man  annehme,  der  Kriegszustand  sei  mit  der 
Übersendung  der  Mitteilung  von  dem  Abbruch  der  diplomatischen  Be- 
ziehungen eingetreten,  so  habe  doch  der  Gesandte  Kurino  diese  Mit- 
leilung  dem  russischen  Minister  der  Auswärtigen  Angelegenheiten  erst 
am  6.  Februar,  4  Uhr  nachmittags,  übergeben  und  die  Beschlagnahme, 
welche  am  selben  Tage  um  2  Uhr  40  Minuten  nachmittags  erfolgt 
sei,  sei  daher  unrechtmäßig  und  auch  die  auf  dem  Dampfer  verschifften 
Güter  müßten   freigegeben   werden. 

3.  Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  seien  von  der  Filiale 
der  russisch-chinesischen  Bank  in  Nagasaki  an  die  Filiale  derselben 
Firma  in  Wladiwostok  versandt  worden.  Wenn  auch  die  Hauptnieder- 
lassung der  russisch-chinesischen  Bank  in  Rußland  sei,  so  sei  doch 
die  in  dieser  Sache  .reklamierende  Filiale  nach  den  Bestimmungen  des 
japanischen  Handelsrechts  eingetragen  und  habe  selbst  noch  nach  der 
Kriegseröffnung  ihre  Geschäfte  in  Japan  fortgesetzt.  Daher  seien  die 
diesem  Reklamanten  gehörenden  Güter,  wenn  auch  das  Schiff  beschlag- 
nahmt worden  sei,  trotzdem  freizugeben. 

Das  Gericht  erster  Instanz  behaupte,  daß  der  Reklamant  sein 
Eigentum  nicht  bewiesen  habe.  Dasselbe  werde  aber  durch  das  Kon- 
nossement klar  bewiesen.  Denn  da  nur  der  Inhaber  des  Konnossements 
die  Auslieferung  der  Güter  im  Bestimmungshafen  erlangen  könne,  die 
Konnossemente  aber  nicht  angekommen,  sondern  beschlagnahmt  seien 
so  stünden  die  Güter  noch  unverändert  im  Eigentum  des  Absenders. 

119 


Abschnitt  VI>«  Prisengerichtsentscheidungen:  „Mokden". 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  beim  Prisen- 
gericht zu  Sasebo  Hayashi  Ei  j  uro  sind  folgende: 

Was  man  völkerrechtlich  als  Kriegszeit  bezeichne,  nehme  seinen 
Anfang  nicht  unbedingt  mit  dem  ersten  Austausch  von  Kanonenfeuer; 
schon  mit  weniger  drastischem  feindseligen  Vorgehen,  welches  der  Kriegs- 
absicht entspringe,  trete  man  in  die  Kriegszeit  ein.  Dies  sei  in  der 
völkerrechtlichen  Wissenschaft  und  Praxis  unbestritten. 

Schon  ehe  Japan  und  Rußland  über  die  mandschurisch-koreanische 
Frage  diplomatische  Verhandlungen  eröffnet  gehabt  hätten,  habe  Ruß- 
land einerseits  absichtlich  seine  Antwort  immer  hinausgeschoben,  auf 
der  anderen  Seite  durch  umfangreiche  Kriegsvorbereitungen  Japan  gegen- 
über seinen  Entschluß  zu  kämpfen  deutlich  gezeigt.  Daraufhin  habe 
Japan  am  5.  Februar  1904  seine  an  Rußland  gerichtete  Mitteilung  über 
den  Abbruch  der  diplomatischen  Beziehungen  abgesandt  und  sein  Ge- 
schwader sei  am  6.  Februar,  um  7  Uhr  morgens  vom  Kriegshafen  Sasebo 
aufgebrochen,  um  die  russische  Flotte  zu  bekämpfen.  Diese  Handlung^ 
stelle  sich  als  eine,  mit  der  Absicht  den  Kampf  zu  beginnen,  vor- 
genommene Handlung  dar. 

Da  es  erwiesen  sei,  daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Beschlag- 
nahme nach  diesen  Ereignissen  geschehen  sei,  so  sei  die  Entscheidung 
der  ersten   Instanz   durchaus  nicht  rechtswidrig. 

Die  Landeszugehörigkeit  von   Gütern   bestimme  sich   nach   dem 
Wohnsitz  des  Eigentümers  und  das  Eigentum  an  Gütern,  welche  an 
einen  Empfänger  in  Feindesland  versandt  würden,  gehe  mit  dem  Moment 
der  Absendung  auf  den  Empfänger  über. 
Der  Reklamant  behaupte,  daß 

der  Inhaber  der  Konnossemente  die  Auslieferung  der  Güter 
erst  im  Ankunftshafen  erlangen  könne.    Da  nun  die  Güter 
noch  nicht  im  Bestimmungsort  angekommen,  vielmehr  mit 
Beschlag  belegt  seien,  so  stünden  sie  nach  wie  vor  im  Eigen- 
tum des  Absenders.    Die  Konnossemente  bewiesen  deutlich 
das  Eigentum  des  Reklamanten. 
Da  eine  kriegführende  Partei  indessen  in  sämtliche   Rechte  des 
feindlichen  Staats  eintrete,  so  müsse  man   Güter,  welche  zur  Kriegs- 
zeit für  einen  feindlichen  Empfänger  bestimmt  seien,  mit  der  Beschlag- 
nahme   als    diesem    abgeliefert    ansehen.     Daher    könne    auch    dieser 
Berufungspunkt  nicht  anerkannt  werden. 

Es  werde,  weil  alle  Berufungspunkte  nicht  stichhaltig  seien,  Ver- 
werfung der  Berufung  beantragt. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 
Der  Reklamant  bringt  in  seinem  ersten  Berufungspunkt  vor,  daß 
der  Kriegszustand  zwischen  Japan  und  Rußland  am  8.  Februar  1Q04 
mit  der  Seeschlacht  vor   Port  Arthur  begonnen   habe  und   daß   eine 

120 


Pritengerichtsentscheidungen:  „Mukden".  Abschnitt  VI< 

vor  dieser  Zeit  vollzogene  Beschlagnahme  nicht  rechtmäßig  sei.  Im 
zweiten  Berufungspunkt  behauptet  er,  daß  die  Beschlagnahme  des  in 
Frage  stehenden  Dampfers  vor  der  Abgabe  der  Erklärung  über  den 
Abbruch  der  diplomatischen  Beziehungen  durch  den  Gesandten  K  u  r  i  n  o 
an  den  russischen  Minister  der  Auswärtigen  Angelegenheiten  geschehen 
und  daß  das  Schiff  daher  freizugeben  sei. 

Die  Kriegseröffnung  fällt  aber  nicht  unbedingt  mit  dem  Moment 
des  ersten  Austausches  von  Kanonenfeuer  zusammen,  auch  ist  sie  nicht 
unter  allen  Umständen  von  einer  Kriegserklärung  oder  einer  dieser 
gleichkommenden  Mitteilung  abhängig.  Sobald  nur  eine,  wenngleich 
veniger  drastische,  Ausführung  der  Kriegsabsicht  oder  sonst  eine  Mani- 
festation des  Willens  zu  kämpfen  vorliegt,  so  ist  damit  der  Kriegs- 
zustand eingetreten. 

Da  nun  während  der  japanisch-russischen  Verhandlungen  Ruß- 
land durch  sein  unangemessenes  Verhalten,  welches  die  Hoffnung  auf 
Erhaltung  des  Friedens  unmöglich  machte,  und  durch  fortwährende 
Kriegsrüstungen  seine  Absicht,  uns  mit  Waffengewalt  zu  unterwerfen, 
klar  bewies,  so  sandte  unsere  Regierung  am  5.  Februar  des  Jahres  1904 
eine  Instruktion  bezüglich  Abbruchs  der  diplomatischen  Beziehungen 
an  unseren  Gesandten  in  Rußland,  und  gleichzeitig  traf  unser  Kriegs- 
geschwader seine  Vorbereitungen  und  fuhr  am  folgenden  Tage,  dem 
6.  Februar,  mit  der  Bestimmung,  den  Kampf  aufzunehmen,  von  dem 
Kriegshafen  Sasebo  ab  und  nahm  auf  der  Fahrt,  also  während  der 
Kriegszeit,  das  der  russischen  freiwilligen  Flotte  angehörige,  wie  be- 
kannt für  den  Kriegsgebrauch  der  russischen  Regierung  bereitzustellende 
Dampfschiff  „Ekaterinoslav"  in  Beschlag.  Dies  war  eben  nichts  anderes, 
als  eine  Ausführung  der  Kriegsabsicht,  und  die  erst  später  erfolgte 
Beschlagnahme  des  hier  in  Frage  kommenden  Dampfers  kann  daher 
nicht  als  ungerechtfertigt  bezeichnet  werden;  dies  umsoweniger,  als 
sie  auch  nach  der  am  6.  Februar,  um  2  Uhr  nachmittags  erfolgten 
Mitteilung  unserer  Regierung  an  den  bei  unserem  Hofe  akkreditierten 
russischen  Gesandten  betreffend  den  Abbruch  der  diplomatischen  Be- 
ziehungen stattgefunden  hat.  Daher  sind  Punkt  1  und  2  der  Berufung 
beide  unbegründet. 

Im  dritten  Punkt  der  Berufung  heißt  es,  daß  die  Güter  bis  zur 
Ankunft  im  Bestimmungsort  im  Eigentum  des  Reklamanten  stünden 
und  daher  freizugeben  seien.  Es  ist  aber  von  der  völkerrechtlichen 
Praxis  anerkannt,  daß  Güter,  welche  von  einem  Absender  außerhalb 
des  feindlichen  Gebiets  zur  Kriegszeit  auf  feindlichem  Schiff  an  einen 
feindlichen  Empfänger  versandt  werden,  feindlichen  Charakter  haben 
und  demgemäß  der  Einziehung  unterliegen.  Auch  das  Oberprisengericht 
hält  diesen  Standpunkt  für  billig  und  so  ist  auch  dieser  Punkt  der 
Berufung  unbegründet. 

121 


Abschnitt  VI3i  Prisengerichtsentscheidungen:  „Rossia'* 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden : 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  3.  JuU  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Die  Firma  Rouß  &  Co.  in  St.  Petersburg,  ver- 
treten durch  ihren  Prokuristen  Seestrand. 

Prozeßvertreter:  Der  Rechtsanwalt  Gorai  Kinzo,  Tokio, 
Kyobashiku  Maruyacho  Nr.  4. 

Unterbevollmächtigter:  Rechtsanwalt  Hidaka  Naoji,  ebenda- 
selbst Kagacho  Nr.  10. 

In  der  Prisensache  betreffend  den  russischen  Dampfer  „Rossia" 
wird,  wie  folgt,  entschieden: 

Urteilsformel: 
Der  Dampfer  „Rossia''  wird  eingezogen. 

Tatbestand   und   Gründe: 

Der  Dampfer  „Rossia''  steht  im  Eigentum  der  russischen  Firma 
R  o  u  ß  &  C  o.  in  St.  Petersburg,  sein  Heimatshafen  ist  St.  Petersburg, 
er  führt  die  russische  Handelsflagge  und  dient  zum  Güter-  und  Per- 
sonentransport. 

Am  14.  Dezember  1903  wurde  der  Dampfer  von  der  Firma  Kunst 
&  Albers  in  Wladiwostok  durch  Vermittlung  der  Agenten  der  Reeder, 
der  Firma  Bryner,  Kousnetzoff  &  Co.  gechartert  und  transpor- 
tierte wiederholt  Kohlen  von  Karatsu  nach  Dalni. 

Am  28.  Januar  1904  trat  der  Dampfer  seine  dritte  Reise  von 
Karatsu  an,  fuhr  am  5.  Februar  d.  J.  wieder  von  Dalni  ab,  erhielt 
auf  der  Rückreise  nach  Karatsu  am  7.  d.  M.,  6  Uhr  30  Minuten  vor- 
mittags, bei  Kuchinbahoi  in  Korea  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff 
„Tatsuta"  den  Befehl  zu  stoppen  und  wurde  des  weiteren  von  dem 
Kriegsschiff  „Taichu  Maru"   beschlagnahmt. 

Zu  der  Zeit  befand  sich  keine  Ladung  an  Bord. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  uhd 
die  Bescheinigung  über  die  Ladung  des  Stellvertreters  des  Kommandanten 
der  „Taichu Maru",  Kapitänleutnants  Yoshimura  Shinsei,  die  Ver- 
nehmungsprotokolle des  Kapitäns  Peter  Orünberg  und  des  2,  Offi- 
ziers A.  Timoratt,  das  Schiffszertifikat,  den  Chartervertrag,  das  Tage- 
buch des  genannten  Dampfers  und  die  Ausklarierungspapiere  des  Hafen- 
amts in  Dalni. 

122 


PriMngerichtsentscheidungen:  „Rossia".  Abschnitt  VI^i 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  des  Vertreters  der  Reklamation 
sind  folgende: 

1.  Da  die  Beschlagnahme  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Dampfers  am  7.  Februar,  d.  h.  einen  Tag  vor  der  Eröffnung  des  Krieges 
zixischen  Japan  und  Rußland,  dem  8.  Februar,  stattgefunden  habe, 
so  sei  sie,  weil  vor  der  Kriegszeit  geschehen,  völkerrechtlich  ungerecht- 
fertigt. 

2.  Das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  müsse  unter  Anwendung 
der  Gnadenbestimmung  des  §  3  der  Kaiserlichen  Verordnung  Nr.  20 
lom  9.  Februar  1904 1)  von  der  Beschlagnahme  ausgenommen  werden. 
Da  die  Befreiung  von  der  Beschlagnahme  natürlich  die  Befreiung  von 
der  Einziehung  in  sich  schließe,  so  stehe  dem  Schiff,  wenn  es  auch  vor 
dem  9.  Februar  beschlagnahmt  worden  sei,  da  die  Einziehung  bis  jetzt 
noch  nicht  verfügt  sei,  dem  Zweck  der  Kaiserlichen  Verordnung  ent- 
sprechend, die  Befreiung  von  der  Einziehung  zu.  Ferner  sei  der  Gedanke, 
aus  dem  die  Befreiung  von  der  Beschlagnahme  verordnet  worden  sei, 
der,  Privateigentum  zur  See  zu  schützen.  Daher  müsse  das  Prisen- 
gericht diesen  völkerrechtlichen  Grundsatz  auch  auf  eine  vor  Ver- 
öffentlichung der  Kaiserlichen  Verordnung  ausgeübte  Beschlagnahme 
anwenden. 

3.  Es  gehe  aus  den  Aussagen  des  Kapitäns  hervor,  daß  die  Be- 
schlagnahme in  Entfernung  von  5  bis  6  Seemeilen  von  Ku-chin-bahoi 
in  Korea  erfolgt  sei.  Die  moderne  Völkerrechtswissenschaft  stehe  auf 
dem  Standpunkt,  daß  das  Hoheitsgewässer  eines  Staats  bis  6  Seemeilen 
von  der  Küste  reiche.  Daher  sei  die  zur  Verhandlung  stehende  Be- 
schlagnahme in  einem  neutralen  Hoheitsgewässer  erfolgt  und  demgemäß 
unrechtmäßig. 

Aus  diesen  Gründen  werde  die  Freigabe  des  zur  Verhandlung 
stehenden  Schiffes  beantragt. 

Die  Hauptpunkte  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  sind  folgende: 

Die  zur  Verhandlung  stehende  Beschlagnahme  sei  nach  dem  Ab- 
bruch der  Beziehungen  zwischen  Japan  und  Rußland,  also  nach  Ein- 
treten des  Kriegszustands  vorgenommen  und  sei  daher  rechtmäßig. 

Die  Kaiserliche  Verordnung  Nr.  20  könne  nicht  auf  vor  ihr  liegende 
Fälle  von  Beschlagnahmen  rückwirkend  angewandt  werden.  Zur  Rück- 
wirkung auf  die  Vergangenheit  bedürfe  es  einer  ausdrücklichen  Be- 
stimmung. 

Da  ferner  die  Theorie,  welche  das  Hoheitsgewässer  mit  6  See- 
meilen annehme,  nicht  allgemein  anerkannter  völkerrechtlicher  Grund- 
satz und  da  es  außerdem  unbegründet  sei,  Korea  als  neutrales  Land 
zu  betrachten,  so  sei  die  zur  Verhandlung  stehende  Beschlagnahme, 

123 


Abschnitt  VI««  Prisengerichtsentscheidungen:  „Rossia". 

selbst  wenn   man  annehme,   sie  sei  in   koreanischem   Oebietsgewässer 
erfolgt,  nicht  widerrechtlicJi. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

1.  Aus  den  Tatsachen,  daß  Rußland  während  der  Verhandlungen 
mit  Japan  über  die  mandschurisch-koreanische  Frage  auf  der  einen  Seite 
seine  Antwort  grundlos  hinzögerte,  während  es  auf  der  anderen  seine 
Armee  in  der  Mandschurei  und  in  Korea  aufmarschieren  ließ,  und  seine 
Kriegsflotte  nach  Port  Arthur  zusammenzog,  geht  deutlich  hervor,  daß 
es  seinerseits  bereits  entschlossen  war,  den  Kampf  gegen  Japan  zu 
eröffnen.  Japan  übersandte  daraufhin  am  5.  Februar  1904  an  Ruß- 
land eine  Mitteilung  über  den  Abbruch  der  diplomatischen  Beziehungen 
und  machte  gleichzeitig  seine  Kriegsmacht  mobil,  so  daß  die  japanische 
Flotte  am  6.  Februar  1904,  7  Uhr  vormittags,  von  Sasebo  zum  Angriff 
des  russischen  Geschwaders  aufbrach.  Wenn  man  die  damalige  all- 
gemeine Situation  und  die  Bewegungen  der  beiderseitigen  Kriegsflotten 
sich  vergegenwärtigt,  so  muß  man  sagen,  daß  die  Feindseligkeiten  schon 
vor  der  zur  Verhandlung  stehenden  Beschlagnahme  ihren  öffentlichen 
Anfang  genommen  hatten.  Da  hiermit  zugleich  der  Kriegszustand  ein- 
getreten ist,  so  ist  die  Beschlagnahme  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Schiffs,  weil  sie  in  Ausübung  der  Rechtsbefugnisse  einer  kriegführenden 
Partei  vorgenommen  worden  ist,  rechtmäßig. 

2.  Es  ist  unbestreitbar,  daß  die  Kaiserliche  Verordnung  Nr.  20 
vom  Jahre  1904  mit  Befreiung  von  der  Beschlagnahme  die  Befreiung 
von  der  Einziehung  meint.  Aber  die  Verordnung  findet  nur  Anwendung 
auf  die  nach  dem  Tage  ihres  Inkrafttretens,  also  nach  dem  9.  Fe- 
bruar, fallenden  Beschlagnahmen.  Die  Annahme,  daß  sie  auch  auf 
eine  Beschlagnahme  vor  dem  9.  Februar  anzuwenden  sei,  ist  in  An- 
betracht dessen,  daß  sie  eine  ausdrückliche  Bestimmung,  die  ihr  rück- 
wirkende Kraft  beilegt,  nicht  enthält,  eine  falsche  Auslegung.  Noch 
weniger  kann  aber  die  Verordnung,  wie  aus  ihrem  Wortlaut  klar  hervor- 
geht, auf  Schiffe  angewandt  werden,  die,  wie  das  zur  Verhandlung 
stehende,  keine  Ladung  zum  Löschen  an  Bord  führen. 

Der  Reklamant  behauptet,  daß  für  Fälle,  die  vor  dem  Inkraft- 
treten der  Kaiserlichen  Verordnung  liegen,  die  Befreiung  auch  vom 
völkerrechtlichen  Standpunkt  aus  erfolgen  müsse.  Da  aber  die  Beschlag- 
nahme feindlicher  Schiffe  zur  Kriegszeit  ein  allgemeiner  Grundsatz  des 
Völkerrechts  ist,  *)  so  kann  es  nicht  mit  dem  Völkerrecht  begründet  ^ 
werden,  wenn  man  die  Vergünstigung  der  Befreiung  für  einen  außer- 
halb der  landesgesetzlichen  Ausnahmebestimmung  liegenden  Fall  in  An- 
spruch nehmen  will. 

3.  Da  nach  allgemeiner  völkerrechtlicher  Anschauung  das  Hoheits- 

')  V.  §  1. 
124 


Priseiifparichtsentscheidungen:  „Rossia''.  Abschnitt  VI«« 

gewisser  sich  über  einen  Bereich  von  3  Seemeilen  von  der  Küste 
erstreckt,  so  ist  die  Beschlagnahme  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Schiffs,  welche  in  einer  Entfernung  von  5  bis  6  Seemeilen  von 
Ku-chin-bahoi  in  Korea,  also  auf  offener  See  erfolgt  ist,  durchaus  nicht 
rechtswidrig  und  die  Behauptungen  des  Prozeßvertreters  über  diesen 
Punkt  sind  unhaltbar. 

Aus  den  obigen  Gründen  ist  die  Beschlagnahme  des  zur  Ver- 
handlung stehenden  Schiffs  rechtmäßig  und  das  Schiff  muß  eingezogen 
werden.  ^) 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 


Verkündet  am  26.  Mai  1904  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Bei- 
sein des  Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurokuro. 


(Unterschriften.) 


Reklamant:  Compagnie  Rouß  in  St.  Petersburg,  vertreten 
durch  den  Prokuristen  Seestrand. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Qorai  Kinzo,  Tokio,  Koji- 
machiku  Fujimicho  Shichome  Nr.  4  bei  Kawamoto  Jujiro. 

Am  26.  Mai  1904  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der  Prisen- 
sacht betreffend  den  russischen  Dampfer  „Rossia'',  welcher  am  7.  Fe- 
bruar 1904  bei  Ku-chin-bahoi  in  Korea  von  dem  Kaiserlichen  Kriegs- 
schiff „Taichu  Maru''  aufgebracht  worden  ist,  ein  Urteil  gefällt,  in 
welchem  auf  Einziehung  des  Dampfers  „Rossia''  erkannt  worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  der  Reklamant,  der  Prokurist  der  Compagnie 
Rouß  in  Rußland,  durch  den  Rechtsanwalt  Gorai  Kinzo  alsProzeß- 
\ertreter  die  Berufung  eingelegt,  welche  im  Beisein  der  Staatsanwälte 
beim  Oberprisengericht,  Tsutsuki  Keiroku  und  Dr.  jur.  Ishi- 
Tatashi  Binichd  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptberufungspunkte  des  Vertreters  der  Reklamation,  des 
Rechtsanwalt  Gorai  Kinzo,  und  die  Hauptpunkte  ihrer  Begründung 
sind  folgende: 

1.  Das  Urteil  erster  Instanz  habe  bei  der  Festlegung  des  Anfangs 
des  japanisch-russischen  Krieges  falsche  Tatsachen  angenommen  und 
das  Völkerrecht  falsch  angewandt. 

Es  sei  zutreffend,  wenn  das  Urteil  den  Beginn  des  Krieges  auf  den 
Beginn  der  Feindseligkeiten  lege,  es  sei  aber  verkehrt,  daß  es  diese  Felnd- 

»)  V.  §  40. 

125 


Abschnitt  VI««  Prisengerichtsentscheidungen :  „Rossia"'. 

Seligkeiten  nach  der  damaligen  Situation  und  den  Bewegungen  der  beiden 
Geschwader  beurteile  und  annehme,  daß  sie  bereits  vor  dem  7.  Fe- 
bruar bestanden  hätten.  Die  vor  der  Seeschlacht  bei  Chemulpo  anr 
8.  Februar,  5  Uhr  nachmittags,  liegenden  Bewegungen  der  beiden  Ge- 
schwader und  die  damalige  Situation  seien  nicht  derart,  daß  sie  als 
Anfang  der  Feindseligkeiten  anzusehen  seien.  Daher  sei  die  Aufbringung 
des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  vor  der  Kriegseröffnung  vor- 
genommen und  das  Schiff  sei  unfraglich  freizugeben. 

2.  Das  Urteil  erster  Instanz  behaupte,  daß 

die  Kaiserliche  Verordnung  Nr.  20  vom  9.  Februar  in  Er- 
mangelung einer  ausdrücklichen  Bestimmung  auf  Handels- 
schiffe, die  vor  dem  9.  Februar  beschlagnahmt  worden  seien, 
keine  Anwendung  finde.    Ferner  gehe  aus  ihrem  Wortlaut 
klar  hervor,  daß  sie  nicht  zutreffe  auf  Handelsschiffe,  welche 
wie  das  zur  Verhandlung  stehende  keinerlei  zu  löschende 
Ladung  an  Bord   hätten. 
Der  wahre  Sinn  dieser  Kaiserlichen  Verordnung  lasse  eine  der- 
artige, allzu  einseitige  und  enge  Auslegung  nicht  zu.    Sie  finde  daher 
mit  Recht  Anwendung  auf  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff. 

3.  Das  Urteil  erster  Instanz  führe  aus,  daß 

der  Bereich  des  Gebietsgewässers  nach  allgemeiner  Ansicht 
nach    dem    jetzt    geltenden    Völkerrecht   3    Seemeilen    von 
der  Küste   messe,   daß   daher   die   Beschlagnahme  des   zur 
Verhandlung  stehenden  Schiffes,  welche  5  bis  6  Seemeilen 
von   Ku-chin-bahoi   in    Korea  geschehen   sei,   als   eine   Be- 
schlagnahme auf  offener  See  rechtmäßig  gewesen  sei. 
Reklamant  sei  der  Ansicht,  daß  es  vielmehr  der  allgemein  jetzt 
geltenden   völkerrechtlichen   Anschauung  entspreche,   daß   der  Bereich 
des  Hoheitsgewässers  6  Seemeilen  von  der  Küste  betrage  und  das  zur 
Verhandlung  stehende  Schiff,  weil  die  Beschlagnahme  in  dem  Hoheits- 
gewässer eines  neutralen  Staats  geschehen  sei,  freigegeben  werden  müsse. 
Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  beim  Prisen- 
gericht in  Sasebo  sind  folgende: 

Die  Prüfung  der  von  dem  Reklamanten  eingereichten  Berufungs- 
schrift habe  ergeben,  daß  ihre  drei  Punkte  schon  bei  der  mündlichen 
Verhandlung  über  die  vorliegende  Reklamation  beantwortet  worden 
:jelen,  so  daß,  wenn  man  auf  die  vorliegende  Berufung  erwidern  wolle, 
das  nur  auf  eine  Wiederholung  der  von  dem  Staatsanwalt  im  Prisen- 
gericht  vorgebrachten  Erwiderung  hinauslaufen  würde.  Da  die  Be- 
rufung keinerlei  neue  Gründe  vorbringe,  so  sei  eine  Entgegnung  über- 
flüssig. 

Der  Staatsanwalt  beantrage  daher,  seine  in  den  Verhandlungs- 
protokollen niedergelegte  Ansicht  als  Erwiderung  auf  diese  Berufung 

126 


PriseDgerichtsentscheidungen:  „Rossia".  Abschnitt  VI*» 

anzunehmen   und   die   in   allen   Punkten   unbegründete   Berufung  ab- 
zuweisen. 

Das  vorliegende  Urteil  wird  wie  folgt  begründet: 
Die  von  dem  Oberprisengericht  kraft  seines  Amtes  als  erstes  vor- 
genommene Prüfung  der  Rechtmäßigkeit  der  Berufung  hat  ergeben, 
daß  der  Reklamant,  der  Prokurist  Seestrand  der  Compagnie  Rouß 
in  St.  Petersburg,  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  „Rossia''  als 
im  Eigentum  der  Firma  Compagnie  Rouß  in  St.  Petersburg  stehend 
bezeichnet  und  seine  Freigabe  bei  dem  Prisengericht  in  Sasebo  betrieben 
und  in  der  Folge  gegen  das  Urteil  desselben  bei  dem  unterzeichneten 
Oberprisengericht  die  Berufung  erhoben  hat.  Was  das  Eigentum  eines 
aufgebrachten  Schiffs  angeht,  so  muß  in  Ermangelung  eines  klaren 
Gegenbeweises  den  an  Bord  des  Schiffes  vorgefundenen  Schiffspapieren 
Glauben  geschenkt  werden.  Wenn  man  aber  nach  dem  zur  Zeit  der 
Beschlagnahme  auf  dem  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfer  vorhanden 
gewesenen  Schiffszertifikat  geht,  so  steht  das  Schiff  im  Eigentum  der 
russischen  Oroßkaufleute  Sarato witsch  und  Morduco witsch  in 
Kronstadt,  Rußland,  und  es  kann  nicht  angenommen  werden,  daß  es 
Eigentum  der  oben  genannten  Compagnie  Rouß  ist.  Daher  ist  die 
Berufung,  gleichgültig,  ob  die  Berufungsgründe  zutreffen  oder  nicht, 
zu  verwerfen. 

Es  wird  daher  wie  folgt  entschieden : 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  30.  Mai  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  William  Harrison  Oill,  von  der  englischen 
Firma  W.  H.  Oill  &  Co.,  Regierungsbezirk  Hiogo,  Kobe,  Kyomachi 
Nr.  74. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Sakurai  Ikkyu,  eben- 
daselbst, Kitanagadori  Shichome  Nr.  54. 

In  Sachen  der  Reklamation  einer  Forderung  gegen  die  Eigentümer 
des  russischen  Dampfers  „Rossia"  wird,  wie  folgt,  entschieden. 

Urteilsformel: 
Die  Reklamation  wird  abgewiesen. 

Tatbestand   und   Gründe: 
Der  Prozeßvertreter  macht  folgende  Hauptpunkte  geltend:    Der 
Dampfer  sei   am    14.   November   1903   in   Kobe  eingelaufen   und   der 

127 


Abschnitt  VI3f  Prisengerichtsentscheidungen:  ,,Rossia'\ 

Reklamant  habe  während  der  Zeit  bis  zur  Abfahrt  desselben  am  31. 
Dezember  desselben  Jahres  im  Auftrage  der  Agentur  der  Eigentümer 
des  Dampfers  „Rossia"  in  Wladiwostok  verschiedene,  für  die  Fort- 
setzung der  Reise  notwendige  Ausgaben  bestritten.  Im  ganzen  habe 
sich  seine  Forderung  auf  18116.91  Yen  belaufen.  Davon  habe  er 
von  den  Ladungseigentümern  für  Fracht  3043.51  Yen  eingenommen  und 
es  stehe  ihm  somit  gegen  die  Eigentümer  des  Dampfers  noch  eine 
Forderung  von  15  073.40  Yen  zu.  Während  diese  Forderung  noch 
nicht  beglichen  gewesen  sei,  wäre  der  Dampfer  am  7.  Februar  1904 
von  einem  Kaiserlich  japanischen  Kriegsschiff  beschlagnahmt  worden. 
Um  die  Begleichung  dieser  Forderung  zu  erlangen,  werde  folgendes 
geltend  gemacht: 

1.  Schon  mit  Rücksicht  auf  die  Ansprüche,  die  ein  Neutraler  an 
der  Prise  habe,  sei  die  „Rossia"  freizugeben.  Wenn  diese  Behauptung 
nicht  anerkannt  werden  könne,  so  sei  zu  berücksichtigen,  daß  das  Schiff 
am  7.  Februar  1904,  um  7  Uhr  vormittags,  mit  Beschlag  belegt  worden 
sei;  daß  die  Mitteilung  der  Erklärung  betreffend  den  Abbruch  der 
Beziehungen,  welche  von  Japan  am  6.  Februar  an  die  russische  Re- 
gierung abgegeben  worden  sei,  wenn  auch  die  Zeit  der  Übermittlung 
nicht  genau  bekannt  sei,  nach  aller  Wahrscheinlichkeit  mittags  um  12 
Uhr  erfolgt  sei.  Dem  entspreche  in  Japan  und  Korea  ein  Zeitpunkt  nach 
8  Uhr  vormittags  des  7.  Februar.  Demnach  sei  die  Aufbringung  des 
genannten  Schiffes  vor  der  Kriegszeit  erfolgt,  sie  sei  daher  unrechtmäßig, 
und  der  Dampfer  müsse  freigegeben  werden. 

2.  Wenn  die  Freilassung  des  Dampfers  „Rossia''  nicht  bewilligt 
werde,  so  werde  in  Ansehung  des  Anspruchs  des  Reklamanten  an 
das  Schiff  um  Zuerkennung  eines  Vorzugsrechts  an  der  Prise  gebeten. 

3.  Wenn  den  in  Punkt  1  und  2  dargelegten  Reklamationsgründen 
nicht  stattgegeben  werden  sollte,  so  werde  um  Entscheidung  in  dem 
Sinne  gebeten,  daß  die  Staatskasse  zur  Befriedigung  des  Anspruchs  des 
Reklamanten  verpflichtet  würde. 

Zum  Beweise  der  Existenz  seines  Anspruchs  überreiche  der  Rekla- 
mant die  mit  Nr.   1    bis  20  bezeichneten  Beweisstücke. 

Die   Hauptpunkte   der   Ansicht   des   Staatsanwalts  sind   folgende: 

Die  Ausführungen  des  Prozeßvertreters  bezüglich  der  Freigabe  des 
Dampfers  „Rossia"  seien  grundlos. 

Was  den  Anspruch  des  Reklamanten  angehe,  so  hafte  derselbe, 
wenn  die  gemachten  Ausgaben  zur  Erhaltung  des  Schiffes  oder  Fort- 
setzung der  Reise  notwendig  gewesen  wären,  allerdings  der  Theorie  nach, 
wenn  das  Schiff  eingezogen  würde,  dieser  Prise  weiter  an.  Aber  nach 
dem  Wortlaut  der  japanischen  Prisengerichtsordnung  sei  es  zweifelhaft, 
ob  eine  Entscheidung  über  einen  derartigen  Anspruch  gegeben  werden 
könne  oder  nicht. 

128 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Argun^'.  Abschnitt  VI^« 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Die  Existenz  des  zur  Verhandlung  stehenden  Anspruchs  des  Rekla- 
manten vird  als  durch  die  von  dem  Prozeßvertreter  beigebrachten 
Beweismittel  und  das  von  dem  unterzeichneten  Gerichtshof  abgelegte 
Zeugnis  des  Kapitäns  des  Dampfers  ,,Rossia",  Peter  Grünberg, 
bewiesen  erachtet. 

Zu  Punkt  1 :  Da  es  aber  klar  erwiesen  ist,  daß  die  Beschlagnahme 
nach  dem  am  6.  Februar  1904  erfolgten  Kriegsausbruch  vorgenommen 
worden  ist,  so  ist  die  Behauptung  des  Prozeßvertreters  des  Reklamanten, 
da>  Schiff  sei  vor  der  Kriegszeit  beschlagnahmt  worden,  hinfällig.  Daher 
bt  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  eine  gute  Prise.  Wenn  es  aber 
eine  gute  Prise  ist,  so  kann  damit,  daß  es  in  Rechtsansprüchen  neutraler 
Peßonen  befangen  ist,  ein  Anspruch  auf  Freigabe  nicht  begründet 
werden. 

Zu  Punkt  2:  Wenn  auch  die  Ansprüche  des  Reklamanten  aus 
Ausgaben  entspringen,  die  für  die  Fortsetzung  der  Reise  des  Schiffes 
notwendig  gewesen  sind,  so  steht  ihm  doch  nicht  nur  nach  den  Ge- 
MTtzen  Japans  ein  Vorzugsrecht  an  der  Prise  nicht  zu,  sondern  auch 
nach  dem  Völkerrecht  wird  das  Recht  des  Captors  an  einer  ein- 
zuziehenden Prise,  welche  im  Eigentum  des  Feindes  steht,  als  absolut 
erachtet,  und  ein  Dritter  kann  gegen  dieselbe  keinerlei  Forderungen 
Geltend  machen.  Daher  ist  auch  Punkt  2  des  Prozeßvertreters  des 
Reklamanten  unbegründet. 

Zu  Punkt  3 :  Daß  der  Reklamant  keine  Ersatzforderung  gegen  die 
Staatskasse  geltend  machen  kann,  geht  schon  aus  dem  Vorhergesagten 
\ün  selbst  hervor;  im  übrigen  ist  aber  auch  das  Prisengericht  zur  Ent- 
^cheidung  über  eine  Ersatzpflicht  der  Staatskasse  nicht  zuständig. 

Aus  diesen  Gründen  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  ent- 
schieden. 

Verkündet  im  Prisengericht  zu  Sasebo  am  26.  Mai  1904  im  Beisein 
des  Staatsanwalts   Yamamoto  Tatsurokuro. 

(Unterschriften.) 


In  Sachen  des  am  7.  Februar  1904  um  etwa  4  Uhr  nachmittags 
an  der  Südwestküste  von  Korea  in  der  Nähe  von  Laimpo  von  dem 
Kaiserlich  japanischen  Kriegsschiff  „Azuma''  aufgebrachten  russischen 
Handelsschiffs  „Argun''  und  seiner  Ladung  wird  bezüglich  der  in  dem 
besonders  beigefügten  Verzeichnis  aufgeführten  Güter  nach  Einsicht 
des  Schriftsatzes  des  Staatsanwalts,  wie  folgt,  entschieden. 

Sfarstrand-Meclilenbareri  Das  japanische  Prisenrocht.    Band  I.      (9)  129 


Abschnitt  VI** 


Prisengerichtsentscheidungen :  ,,Arguii"» 


Bezüglich  der  in  dem  besonders  beigefügten  Verzeichnis  auf- 
geführten, am  6.  Februar  1904  in  Dalni  in  der  Mandschurei  mit  Be- 
stimmung für  Nagasaki  verschifften  Güter  muß  nach  den  Angaben 
des  Ladungsverzeichnisses,  der  Natur  der  Güter  und  der  Zeit  der  Ver- 
schiffung angenommen  werden,  daß  sie  im  Eigentum  von  Personen 
stehen,  die  in  Japan  ihren  Wohnsitz  haben,  i) 

Daher  werden  diese  Güter  alle,  unbeschadet  der  Rechtmäßigkeit 
ihrer  Beschlagnahme,  in  Ermangelung  sonstiger  Gründe  für  ihre  Ein- 
ziehung sofort  freigegeben. 

Gegeben  am  24.  Februar  1904. 

(Unterschriften  der  Richter.) 


VIUICI  1 

irci  ACiciiiii^a 

Gegenstand 

Stückzahl 

Absender 

Empfänger 

Möbel 

Shoyu    

Leere  Fässer  .... 

Bier 

Möbel 

Hüte 

Bettzeug 

Kleidungsstücke  .    .    . 
Shoyu    

9 
45 
6 
4 
1 
1 
1 
3 
35 

Umeda 

Oishi 

Hirose 

do. 
Nissei  Yoko 

j  Agentur  der  ostchin. 
\    Eisenbahn-Gesell- 
[            Schaft 

Kobayashi 
Oishi 
Tsutsui 
do. 
Nissei  Yoko 

Agentur  der  ost- 
chin. Eisenbahn- 
1      Gesellschaft 

Reklamant:  Die  ostchinesische  Eisenbahngesellschaft  in  St. 
Petersburg,   Rußland,  vertreten   durch   den  Vizepräsidenten  Wenzel. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Nagashima  Washitaro, 
Tokio,  Kyobashiku  Kagacho  Nr.  10. 

In  der  Prisensache  betreffend  den  russischen  Dampfer  „Argun" 
wird,  wie  folgt,  entschieden: 


U  r  t  e  i  1  s  f  o  r  m  e  1 : 
Der  Dampfer  „Argun"  und  die  an  Bord  befindlichen  311   Rubel 
russischen  Geldes  werden  eingezogen. 


*)  V.  §§  8,  3  und  4. 


130 


Prisengerichtsentscheidungen :  nArgun".  Abschnitt  VI^^ 

Tatbestand   und   Oründe: 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „Argun''  steht  im  Eigen- 
tum der  russischen  ostchinesischen  Eisenbahngesellschaft,  sein  Heimats- 
hafen ist  der  russische  Pachthafen  Dalni  in  China  und  er  dient  zum 
Personen-,  Güter-  und  Postverkehr.  Am  6.  Februar  1904  ist  er  von 
Dalni  abgefahren  und  auf  der  Reise  nach  Nagasaki  in  Japan  am  7.  des- 
ielben  Monats,  nachmittags  4  Uhr,  an  der  Südwestküste  Koreas  in 
der  Gegend  von  Phal-ku-kai  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Azuma'* 
aufgebracht  worden.  Später  wurde  er  an  das  Kriegsschiff  „Tainan 
Maru"  überliefert. 

An  Bord  befanden  sich  zu  der  Zeit  311  Rubel  russischen  Geldes. 

Diese  Tatsachen  sind  von  dem  Vertreter  der  Reklamation  an- 
erkannt und  werden  außerdem  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Stellvertreters  der  „Tainan  Maru",  Kapitänleutnants  Yoshimura 
Shinsei,  die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns  der  „Argun'',  Carl 
Gärtner,  und  des  1. Offiziers  Alexander  Schtscherbinin,  das 
Schiffszertifikat,  den  Meßbrief,  ein  Schiffsbesichtigungszertifikat  und  das 
Tagebuch  des  genannten   Dampfers. 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  des  Vertreters  der  Reklamation 
>ind  folgende: 

1.  Es  sei  völkerrechtlich  bestimmt,  daß  der  Zeitpunkt,  mit  welchem 
der  Kriegszustand  beginne,  der  gleiche  sei  wie  der,  an  welchem  der 
tatsächliche  Kampf  seinen  Anfang  nehme.  Da  aber  die  Aufbringung 
des  vorliegenden  Falls  am  Tage  vor  der  Seeschlacht  bei  Port  Arthur, 
also  vor  Anfang  des  tatsächlichen  Kampfes,  stattgefunden  habe,  so  sei 
das  Schiff  freizugeben. 

2.  Da  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  ein  Handelsschiff  sei, 
iO  stehe  ihm  die  Vergünstigung  der  Kaiserlichen  Verordnung  Nr.  20  zu.  ^) 

3.  Da  der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  Postsachen  an  Bord 
Ijehabt  habe,  so  sei  er  nach  dem  Standpunkt  der  Kriegsvölkerrechts- 
ui<vsenschaft  freizugeben. 

4.  Wenn  so  der  Dampfer  freizugeben  sei,  müsse  auch  das  ihm 
zugehörige  Geld  freigegeben  werden. 

5.  Da  die  Aufbringung  in  koreanischen  Hoheitsgewässern  aus- 
geführt sei,  so  müsse  die  Frage,  ob  Korea  neutral  sei  oder  nicht,  klar- 
v'cstellt  werden. 

Da  außerdem  die  feindlichen  Staatsangehörigen  erst  nach  Ver- 
öffentlichung der  Kriegserklärung  von  dem  Kriegszustand  Kenntnis  er- 
hielten, so  müsse  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff,  weil  es  vor  der 
\eröffentlichung  des  Kaiserlichen  Erlasses,  welcher  die  Kriegserklärung 
enthalte,  aufgebracht  sei,  freigegeben  werden. 

(9*)  •  131 


Abschnitt  VI^^  Prisengerichtsentscheidungen:  ,^rgun". 

Die  Ansicht  des  Staatsanwalts  geht  in  den  Hauptpunkten  dahin, 
daß  die  vorliegende  Reklamation  völlig  unbegründet  sei  und  daß  der 
zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  und  das  ihm  zugehörige  Geld  ein- 
gezogen werden  müsse. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Aus  den  Tatsachen,  daß  Rußland  während  der  diplomatischen  Ver- 
handlungen mit  Japan  über  die  mandschurisch-koreanische  Frage  auf 
der  einen  Seite  seine  Antwort  grundlos  hinzögerte,  während  es  auf 
der  anderen  seine  Armee  in  der  Mandschurei  und  in  Korea  auf- 
marschieren ließ  und  seine  Kriegsflotte  nach  Port  Arthur  zusammen- 
zog» geht  deutlich  hervor,  daß  es  seinerseits  bereits  entschlossen  war, 
den  Kampf  gegen  Japan  zu  eröffnen.  Japan  übersandte  daraufhin  am 
5.  Februar  1904  an  Rußland  die  Mitteilung  über  den  Abbruch  der 
diplomatischen  Beziehungen  und  machte  gleichzeitig  seine  Kriegsmacht 
mobil,  so  daß  die  japanische  Flotte  am  6.  Februar  1904,  7  Uhr  morgens, 
von  Sasebo  zum  Angriff  des  russischen  Geschwaders  aufbrach.  Wenn 
man  die  Bewegungen  der  beiderseitigen  Kriegsflotten  und  die  damalige 
allgemeine  Situation  sich  vergegenwärtigt,  so  muß  man  sagen,  daß  die 
kriegerische  Tätigkeit  schon  vor  der  zur  Verhandlung  stehenden  Be- 
schlagnahme ihren  öffentlichen  Anfang  genommen  hatte.  Damit  ist 
es  erwiesen,  daß  der  Kriegszustand  zur  Zeit  der  hier  verhandelten 
Beschlagnahme  bereits  eingetreten  war,  und  es  ist  belanglos,  ob  die 
Aufbringung  vor  oder  nach  der  Kriegserklärung  stattgefunden  hat. 

Da  ferner  die  Kaiserliche  Verordnung  Nr.  20  vom  Jahre  1904 
vom  Tage  des  Erlasses,  d.  i.  vom  9.  Februar  des  Jahres,  in  Kraft  ge- 
treten ist,  so  kann  sie  auf  die  Zeit  davor  nicht  rückwirkend  angewandt 
werden.  Sie  kann  aber  auch  aus  dem  Grunde  nicht  zur  Anwendung 
kommen,  weil  nach  den  Reglements  der  Schiffahrtsabteilung  der  ost- 
chinesischen Eisenbahngesellschaft  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff 
im  Kriegsfall  gänzlich  zum  Gebrauch  für  die  russische  Regierung  und 
die  russische  Kriegsmacht  zur  Verfügung  zu  stellen  sein  würde.  Denn 
unter  diesen  Verhältnissen  würde  die  Freigabe  des  Schiffes  eine  Ver- 
mehrung der  feindlichen  Kriegsstärke  bedeuten.  Die  genannte  Kaiser- 
liche Verordnung  will  ihre  Vergünstigung  nur  unverfänglichen  Handels- 
schiffen zukommen  lassen  und  darf  nicht  so  ausgelegt  werden,  daß 
sie  auch  auf  Schiffe  wie  das  zur  Verhandlung  stehende  Anwendung 
findet. 

Es  ist  völkerrechtlich  anerkannt,  daß  feindliche  Postschiffe  mangels 
eines  besonderen  Abkommens  unter  den  kriegsführenden  Staaten  ebenso 
wie  die  anderen  feindlichen  Schiffe  zur  Kriegszeit  der  Aufbringung 
unterliegen,  2)   und   die   Ausführungen   des  Vertreters  der   Reklamation 

2)  V.  §  34. 
132 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Argun''.  Abschnitt  VI^^ 

sind  nur  die  Wiedergabe  von  Vorschlägen  Gelehrter,  welche  nicht  ohne 
)xeiteres  angenommen  werden  können. 

Da  es  ferner  klar  am  Tage  liegt,  daß  Korea  tatsächlich  kein  neu- 
traler Staat  ist,  so  kann  gegen  die  Berechtigung  zur  Ausführung  einer 
Beschlagnahme  in  seinen  Hoheitsgewässern  nichts  eingewendet  werden. 

Aus  diesen  Gründen  ist  die  zur  Verhandlung  stehende  Rekla- 
mation nicht  begründet  und  der  Dampfer  „Argun''  muß  eingezogen 
«erden.  *) 

Danach  ist  es  selbstverständlich,  daß  auch  das  dem  Dampfer  zu- 
gehörige russische  Geld  einzuziehen  ist. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  26.  Mai  1904  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Bei- 
sein des  Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurokuro. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Die  ostchinesische  Eisenbahngesellschaft  in  St. 
Petersburg,  vertreten  durch  den  Vizepräsidenten  Wenzel. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Nagashima  Washitaro, 
Tokio,  Kyobashiku  Kagacho  Nr.   10. 

Am  26.  Mai  1904  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der  Prisen- 
sache, betreffend  den  am  7.  Februar  1904  an  der  Südwestküste  Koreas 
in  der  Gegend  von  Phal-ku-kai  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff 
..Azuma"  beschlagnahmten,  der  ostchinesischen  Eisenbahngesellschaft 
m  St.  Petersburg  gehörigen  Dampfer  „Argun''  und  die  ihm  zugehörigen 
311  Rubel  russischen  Geldes  ein  Urteil  gefällt,  in  welchem  auf  Ein- 
ziehung des  Dampfers  „Argun''  und  der  ihm  zugehörigen  311  Rubel 
russischen  Geldes  erkannt  worden  ist.  Gegen  dieses  Urteil  hat  der 
Reklamant,  der  Vizepräsident  der  ostchinesischen  Eisenbahngesellschaft 
in  St.  Petersburg,  Rußland,  durch  den  Rechtsanwalt  Nagashima 
Tashitaro  als  Prozeß  Vertreter  die  Berufung  eingelegt,  welche  im 
Oberprisengericht  im  Beisein  der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku 
und  Ishiwatari  Binichi  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Vertreters  der  Reklamation 
Nagashima  Washitaro  sind  folgende: 

Am  26.  Mai  1904  habe  das  Prisengericht  zu  Sasebo  ein  Urteil 
verkündet,  in  welchem  auf  Einziehung  des  Dampfers  „Argun"  und  der 
ihm  zugehörigen    311    Rubel    russischen    Geldes   erkannt   worden    sei. 

»)  V.  §  40. 

133 


Abschnitt  VI^^  Prisengerichtsentscheidunyen :  ,Arguii'\ 

Es  werde  aus  folgenden  Gründen  Verwerfung  dieses  Urteils  und  Frei- 
gabe des  genannten  Dampfers  und  seiner  Güter  beantragt. 

1.  Das  Gericht  erster  Instanz  habe  behauptet,  der  Kriegszustand 
sei  am  6.  Februar  1904,  7  Uhr  morgens,  eingetreten,  als  nämlich  die 
japanische  Flotte  zum  Angriff  des  russischen  Geschwaders  von  Sasebo 
aufgebrochen  sei.  Reklamant  sei  indes  der  Ansicht,  daß  der  Kriegs- 
zustand erst  mit  dem  tatsächlichen  Kampf  beginne.  Da  aber  der  tat- 
sächliche Kampf  seinen  Anfang  erst  am  8.  Februar  vorigen  Jahres  ge- 
nommen habe,  so  hätte  der  Dampfer  nicht  beschlagnahmt  werden  dürfen. 

2.  Da  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  am  6.  Februar  1904 
von  Dalni  abgefahren  und  auf  der  Reise  nach  Nagasaki  begriffen  ge- 
wesen sei,  als  man  es  am  7.  Februar,  nachmittags  4  Uhr,  an  der  Süd- 
westküste Koreas  in  der  Nähe  von  Phal-ku-kai  mit  Beschlag  belegt 
habe,  so  stehe  ihm  die  Vergünstigung  der  Kaiserlichen  Verordnung 
Nr.  20  vom  Jahre  1904  zu.  Das  Gericht  erster  Instanz  habe  indes 
die  dem  Sinn  der  Kaiserlichen  Verordnung  zuwiderlaufende  Ansicht 
vertreten,  daß  dieselbe,  weil  sie  vom  Tage  ihrer  Veröffentlichung  an 
in  Kraft  getreten  sei,  keine  rückwirkende  Kraft  habe.  Auch  könne  sie 
auf  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  keine  Anwendung  finden, 
weil  dasselbe  nach  den  Reglements  der  Schiffahrtsabteilung  der  ost- 
chinesischen Eisenbahngesellschaft  im  Krieg  zum  Gebrauch  für  die  rus- 
sische Regierung  oder  die  russische  Kriegsmacht  bereitzustellen  sei. 
Denn  die  Freigabe  des  Schiffes  würde  eine  Vermehrung  der  Kriegs- 
stärke des  Feindes  bedeuten,  und  die  Kaiserliche  Verordnung,  welche 
ihre  Vergünstigung  nur  unverfänglichen  Handelsschiffen  zuerkenne, 
könne  nicht  so  ausgelegt  werden,  daß  sie  auch  auf  Schiffe  wie  das  vor- 
liegende Anwendung  finde. 

Reklamant  mache  demgegenüber  geltend,  daß  der  Brauch,  nach 
dem  zu  Zeiten  starken  Bedarfs  Eisenbahnen  und  Dampfschiffe  dem 
Staat  zur  Verfügung  gestellt  würden,  in  allen  Ländern  bestehe,  ohne 
daß  jedoch  selbstverständlich  die  Schiffe,  solange  .kein  Gebrauch  hier- 
von gemacht  werde,  etvcas  anderes  als  reine  Handelsschiffe  seien.  Es 
möge  ja  anderweitig  Grund  vorliegen  können,  ein  solches  Handels- 
schiff nicht  freizugeben,  wie  man  aber  für  ein  noch  nicht  requiriertes 
Schiff  aus  dem  möglichen  Eintreten  der  Requisition  ein  Schuldmoment 
konstruieren  könne,  sei  dem  Reklamanten  unverständlich. 

3.  Da  das  genannte  Schiff  Postsachen  an  Bord  führe,  so  müsse 
es  nach  dem  Standpunkt  der  völkerrechtlichen  Wissenschaft  freigegeben  * 
werden.     Dies  sei  nicht  nur  ein  Vorschlag  von  Völkerrechtsgelehrten, 
sondern    müsse    als  ein    anerkannter    Grundsatz    des  fortgeschrittenen 
Völkerrechts  erachtet  werden. 

4.  Wenn   das   Schiff  freizugeben   sei,    so   müsse   auch   das   ihm 

134 


Piisengeiichtsentscheidungen:  „Argun".  Abschnitt  VI^^ 

zugehörige  Geld,  welches  das  Schicksal  des  Schiffes  zu  teilen   habe, 
freigegeben  werden. 

5.  Da  die  Aufbringung  des  genannten  Schiffes  in  koreanischem 
Gebietsgewässer  erfolgt  sei,  so  sei  es  einer  der  wichtigsten  Punkte  für 
die  prisengerichtliche  Entscheidung,  die  völkerrechtliche  Stellung  Koreas 
dahin  klarzustellen,  ob  es  ein  neutraler  oder  ein  verbündeter  Staat  sei. 
Es  se'  bedauerlich,  daß  das  Gericht  erster  Instanz  lediglich  die  Be- 
hauptung aufgestellt  habe,  Korea  sei  den  tatsächlichen  Umständen  nach 
offenbar  kein  neutraler  Staat,  daß  es  aber  unterlassen  habe,  die  Stellung 
Koreas  näher  zu   bezeichnen. 

6.  Wenn  auch  der  Kriegszustand  zwischen  den  Staaten  als  solchen 
mit  der  Eröffnung  des  tatsächlichen  Kampfes  seinen  Anfang  nehme, 
so  könnten  doch  die  feindlichen  Untertanen  erst  durch  die  Veröffent- 
lichung der  Kriegserklärung  von  dem  Kriegszustand  Kenntnis  erlangen, 
und,  da  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  vor  der  Veröffentlichung 
der  Kriegserklärung  von  Dalni  abgefahren  sei,  so  habe  es  keine  Mög- 
lichkeit gehabt,  von  dem  Kriegszustand  Kenntnis  zu  erhalten.  Daher 
könne  es  nicht  beschlagnahmt  werden. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  beim  Prisen- 
gericht zu   Sasebo  Yamamoto  Tatsurokuro  sind  folgende : 

Die  Berufung  sei  in  allen  Punkten  unzutreffend  begründet  und 
müsse  abgewiesen  werden.    Sie  stütze  sich  auf  folgende  Punkte: 

.1.  Die  Entscheidung  des  Gerichts  erster  Instanz,  daß  der  Kriegs- 
zustand eingetreten  sei,  als  das  japanische  Geschwader  am  6.  Februar 
1904  von  Sasebo  aufgebrochen  sei,  um  die  russische  Flotte  anzugreifen, 
sei  unzutreffend. 

Nach  ciem  Abbruch  der  friedlichen  Beziehungen  trete  indes  der 
Kriegszustand  sofort  ein,  ohne  daß  die  kleinste  Zeit  dazwischen  ver- 
fließe. Wenn  die  meisten  modernen  Völkerrechtslehrer  behaupteten, 
daß  der  tatsächliche  Kampf  den  Kriegszustand  ins  Leben  rufe,  so  be- 
deute das  nur,  daß  es  dazu  der  Veröffentlichung  einer  Kriegserklärung 
nicht  bedürfe;  es  solle  jedoch  nicht  heißen,  daß  vor  dem  eigentlichen 
Kampf  kein  Kriegszustand  bestehe.  Zu  dem  Kriege  zwischen  Japan 
und  Rußland  sei  es  in  der  Weise  gekommen,  daß  Rußland  während  der 
diplomatischen  Verhandlungen  mit  Japan  über  die  mandschurisch-korea- 
nische Frage  absichtlich  seine  Antwort  hingezögert,  dabei  unaufhörlich 
Kriegsrüstungen  getroffen  und  nach  deren  Vollendung  seine  Streitmacht 
zu  Wasser  und  zu  Lande  vorgeschoben  habe,  um  Japan  mit  Gewalt 
zu  unterdrücken.  Das  Geschwader  in  Port  Arthur  sei  bereits  in  Kriegs- 
öereitschaft  aus  dem  Hafen  ausgelaufen.  So  sei  es  schließlich  Japan 
to  geworden,  daß  Rußland  nicht  beabsichtige,  friedlich  zu  verhandeln, 
und  so  habe  es  am  5.  Februar  endlich  die  Beziehungen  abgebrochen, 
^inen  Gesandten  aus  Rußland  zurückgezogen  und  dem  Geschwader 

135 


Abschnitt  VI^^  Prisengerichtsentscheidungen:  »Argun"* 

zugleich  Befehl  gegeben,  die  feindliche  Flotte  aufzusuchen  und  anzu- 
greifen. Dieser  zur  Selbsterhaltung  nötige  Schritt  sei  die  Antwort  auf 
die  russische  Forderung  gewesen,  und  man  könne  wohl  behaupten, 
daß  mit  diesem  einen  Befehl  die  Feindseligkeiten  in  die  Existenz  ge- 
treten seien,  spätestens  sei  dies  aber  der  Fall,  als  am  nächsten  Tage, 
am  6.  Februar,  morgens  7  Uhr,  das  japanische  Geschwader  von  Sasebo 
aufgebrochen  sei.  Damit,  daß  so  die  beiden  Flotten  sich  in  Gefechts- 
bereitschaft gegenübergestanden  hätten,  hätten  die  Feindseligkeiten  be- 
reits offen  begonnen,  wenn  die  Flotten  auch  noch  nicht  miteinander 
sogleich  in  Berührung  gekommen  seien  und  noch  kein  Kanonenfeuer 
ausgetauscht  hätten.  Deshalb  sei  auch  der  Kriegszustand  bereits  zu 
dieser  Zeit  eingetreten  gewesen,  und  die  Beschlagnahme  eines  feind- 
lichen Schiffes  sei  eine  rechtmäßige  Ausübung  kriegsrechtlicher  Befug- 
nisse gewesen. 

2.  Der  Reklamant  führe  an,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende 
Schiff,  welches  am  7.  Februar  1904  in  koreanischem  Hoheitsgewässer 
beschlagnahmt  worden  sei,  Anspruch  auf  die  Anwendung  der  Kaiser- 
lichen Verordnung  Nr.  20  vom  selben  Jahre  habe. 

Es  sei  indes  ein  allgemeiner  juristischer  Grundsatz,  daß  Gesetze 
keine  rückwirkende  Kraft  hätten,  und  ebenso  sei  es  völkerrechtliches 
Grundprinzip,  daß  feindliche  Schiffe  zur  Kriegszeit  beschlagnahmt 
werden  könnten.  Die  Kaiserliche  Verordnung,  welche  eine  Ausnahme 
von  der  Aufbringung  nur  für  eine  gewisse  Frist  und  nur  für  eine  be- 
stimmte Art  von  Schiffen  aufstelle,  müsse  auf  das  strengste  ausgelegt 
werden,  und  es  sei  unzulässig,  sie  analog  anzuwenden.  Daher  sei  es 
unhaltbar,  diese  Verordnung,  welche  mit  dem  Tage  der  Veröffent- 
lichung, dem  9.  Februar,  in  Kraft  zu  treten  bestimmt  sei,  für  einen 
Fall  anzuziehen,  der  zwei  Tage  vor  diesem  Zeitpunkt  liege. 

Nach  dem  Gesagten  seien  die  weiteren  Erörterungen  darüber,  daß 
das  Schiff  der  ostchinesischen  Eisenbahngesellschaft  unterstehe  usw., 
die  darauf  hinausgingen,  daß  das  Schiff  ein  Regierungsschiff  sei  und  als 
solches  die  Vergünstigung  eines  gewöhnlichen  Handelsschiffs  nicht  be- 
anspruchen könne,  für  die  Reklamation  unwesentlich,  und  es  erübrige 
sich,  darauf  einzugehen. 

3.  Der  Reklamant  mache  geltend,  daß  das  zur  Verhandlung 
siehende  Schiff  Postsachen  an  Bord  gehabt  habe,  und  daher  nach  An- 
sicht der  völkerrechtlichen  Wissenschaft  freizugeben  sei.  Dem  sei  je- 
doch entgegenzuhalten,  daß  verschieden  von  Fällen  neutraler  Schiffe, 
für  welche  besondere  Verträge  vorlägen,  bei  feindlichen  Schiffen,  welche 
Post  an  Bord  hätten,  nur  diese  Postsachen  nicht  beschlagnahmt  würden. 
Für  Freigabe  der  feindlichen  Schiffe  selbst  und  der  übrigen  Ladung 
bestehe  indes  nicht  der  geringste  Grund. 

136 


PriseDgericIitsentscheidungen:  ,,Argun".  Abschnitt  VI  ^b 

4.  Mit  diesem  Punkte  stimme  der  Staatsanwalt  überein,  so  daß 
derselbe  keiner  Beantwortung  bedürfe. 

5.  Dieser  Punkt  erörtere  nur  etwas,  was  der  Reklamant  für  be- 
dauerlich, nicht  aber  für  rechtswidrig  halte,  und  bedürfe  daher  gleich- 
falls keiner  Erwiderung. 

6.  Der  Reklamant  bringe  vor,  weil  die  Angehörigen  des  feind- 
lichen Staats  erst  durch  die  Veröffentlichung  der  Kriegserklärung  von 
dem  Kriegszustand  erführen,  sei  eine  Beschlagnahme  vor  Veröffent- 
lichung dieser  Erklärung  unzulässig. 

Dies  sei  indes  nicht  zutreffend,  da  bei  Beschlagnahme  feindlicher 
Schiffe  die  Unkenntnis  der  feindlichen  Staatsangehörigen  von  dem  Kriegs- 
zustand für  die  Rechtmäßigkeit  der  Beschlagnahme  unerheblich  sei. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

Punkt  1  der  Berufung  besagt,  der  Kriegszustand  beginne  erst 
mit  dem  tatsächlichen  Kampf.  Da  der  tatsächliche  Kampf  zwischen 
Japan  und  Rußland  seinen  Anfang  erst  am  8.  Februar  1904  genommen 
habe,  so  hätte  der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  nicht  beschlag- 
nahmt werden  dürfen. 

Es  wird  indes  allgemein  angenommen,  daß  der  Kriegszustand  nicht 
mit  dem  Augenblick,  wo  die  feindlichen  Mächte  das  erste  Kanonenfeuer 
auswechseln,  beginnt,  sondern  mit  dem  Zeitpunkt,  wo  die  Absicht, 
Krieg  zu  eröffnen,  in  irgend  einer  Weise  manifestiert  wird.  Es  steht 
daher  außer  Zweifel,  daß  mit  dem  Zeitpunkt,  wo  die  Kriegsabsicht  in  die 
Verwirklichung  tritt,  eine  Erklärung  über  die  Kriegseröffnung  erlassen 
oder  übersandt  wird,  oder  dergl.,  der  Kriegszustand  seinen  Anfang 
nimmt.  Weil  nun  die  Kriegsabsicht  bereits,  ehe  Japan  und  Rußland 
am  8.  Februar  1904  bei  Port  Arthur  Kanonenfeuer  auswechselten,  schon 
am  6.  Februar  manifestiert  wurde,  so  fällt  der  7.  Februar  bereits  in  die 
Zeit  nach  Beginn  des  Kriegszustands.  Daher  ist  die  Behauptung  des 
Reklamanten,  daß  der  Zeitpunkt  des  Beginns  des  Kriegsz-ustands  der 
S.  Februar  sei,  unbegründet. 

In  Punkt  2  der  Berufung  wird  gesagt,  es  sei  vom  Reklamanten 
geltend  gemacht  worden,  daß  dem  zur  Verhandlung  stehenden  Schiff 
auf  Grund  der  Kaiserlichen  Verordnung  Nr.  20  vom  Jahre  1904  Be- 
freiung von  der  Beschlagnahme  zukomme.  Das  Gericht  erster  Instanz 
habe  aber  die  Ansicht  aufgestellt,  daß  diese  Kaiserliche  Verordnung 
erst  vom  Tage  der  Veröffentlichung  in  Kraft  getreten  sei  und  keine 
rückwirkende  Kraft  besitze.  Auch  könne  sie  nur  für  unverfängliche 
Handelsschiffe  in  Betracht  kommen  und  auf  das  zur  Verhandlung 
stehende  Schiff  nicht  angewandt  werden,  da  dasselbe  der  ostchinesischen 
Eisenbahngesellschaft  gehöre  und  im  Kriegsfall  für  den  Gebrauch  der 
russischen   Regierung  und   der  russischen   Kriegsmacht  zur  Verfügung 

137 


Abschnitt  Vl^k  Prisengerichtsentscheidungen:  „Argun". 

zu  stellen  sei.    Die  daraufhin  ergangene  Entscheidung,  daß  die  Beschlag- 
nahme rechtmäßig  sei,  sei  unzutreffend. 

Wenn  man  aber  den  Charakter  der^  Schiffe,  welche  der  ostchinesi- 
scher. Eisen  bah  ngesellschaft  gehören,  einer  Untersuchung  unterwirft,  so 
kann  man  nur  zu  der  Ansicht  kommen,  daß  sie  Staatsdampfer  sind,  welche 
der  russischen  Regierung  gehören.  Denn  die  leitenden  Personen  in  der 
Schiffahrtsabteilung  dieser  Gesellschaft  sind  Marineoffiziere  und  andere 
Beamte;  die  zurzeit  in  Wladiwostok  befindlichen  Leiter  sind  ein  Kor- 
vettenkapitän und  ein  Spezialbeamter  des  Finanzministeriums.  Wenn 
man  ferner  in  der  vom  russischen  Verkehrsministerium  im  Jahre  1902 
herausgegebenen  Statistik  über  die  Flußschiffe  im  asiatischen  Rußland 
den  TeU  betreffend  die  das  Amurwassergebiet  befahrenden  Schiffe  prüft, 
so  findet  man  als  Gesamtzahl  für  Dampfer:  163,  für  andere  Schiffe:  198. 
Darunter  sind  45  Dampfer  und  66  andere  Schiffe  als  Regierungsfahr- 
zeuge bezeichnet.  Wenn  man  daneben  aber  die  einzelnen  Eigentümer 
der  Dampfer  und  anderen  Schiffe  betrachtet,  so  findet  man,  daß,  wenn 
man  nicht  die  der  ostchinesischen  Eisenbahngesellschaft  gehörigen  19 
Dampfer  und  60  anderen  Schiffe  mit  unter  die  Regierungsschiffe  rechnet, 
die  oben  für  diese  genannte  Gesamtzahl  nicht  erreicht  werden  kann. 
Wenn  man  des  weiteren  die  Tatsache  mit  in  Erwägung  zieht,  daß  der 
bei  den  nordchinesischen  Wirren  im  Jahre  1900  von  der  ostchinesischen 
Eisenbahngesellschaft  erlittene  Schaden  nicht  für  russische  Staats- 
angehörige, sondern  für  den  Staat  reklamiert  wurde,  so  kann  man  nur 
zu  der  Überzeugung  kommen,  daß  die  Schiffe,  welche,  wie  das  zur  Ver- 
handlung stehende,  der  ostchinesischen  Eisenbahngesellschaft  unter- 
stehen, tatsächlich  der  russischen  Regierung  gehörige  Schiffe  sind. 

Oberflächlich  betrachtet,  bezieht  sich  die  von  der  Kaiserlichen 
Verordnung  Nr.  20  vom  Jahre  1904  bestimmte  Befreiung  von  der  Be- 
schlagnahme auf  russische  Handelsschiffe  schlechthin.  Wenn  man  aber 
auf  den  letz.ten  Grund  für  den  Erlaß  dieser  Verordnung  zurückgeht,  so 
will  sie  solche  Handelsschiffe  russischer  privater  Individuen  vor  der 
Härte  der  Beschlagnahme  schützen,  welche  zu  Anfang  des  Krieges 
von  demselben  keine  Kenntnis  hatten,  und  in  einem  japanischen  Hafen 
lagen  oder  vor  Inkrafttreten  der  genannten  Kaiserlichen  Verordnung 
von  einem  ausländischen  Hafen  nach  einem  japanischen  Hafen  ab- 
gefahren waren.  Unfraglich  ist  aber  die  Vergünstigung  der  Verordnung 
auf  Schiffe,  die  im  Eigentum  der  Regierung  stehen,  nicht  auszudehnen. 
Wenn  man  daher  auch,  wie  der  Reklamant  geltend  macht,  die  Ansicht 
des  Gerichts  erster  Instanz,  daß  die  Kaiserliche  Verordnung  keine  Rück- 
wirkung auf  die  Zeit  vor  ihrem  Inkrafttreten  habe,  als  unrichtig  bezeichnen 
will,  so  trifft  doch  andererseits  aus  den  oben  ausgeführten  Gründen  die 
Berufungsbegründung  gleichfalls  nicht  zu. 

Punkt  3  der    Berufung    macht    geltend,     daß    nach    den    fort- 

138 


PriMaaerichtsentscheidungen:  ,,Argan".  Abschnitt  VI^n 

geschrittenen  Prinzipien  der  Wissenschaft  und  des  Völkerrechts  das 
zur  Verhandlung  stehende  Schiff  freizugeben  sei,  weil  es  zur  Zeit  der 
Aufbringung  Post  an  Bord  geführt  habe.  Diese  Behauptung  ist  jedoch 
nicht  zutreffend,  da  weder  das  bestehende  Völkerrecht  noch  auch  die 
japanischen  Bestimmungen  die  Befreiung  eines  feindlichen  Schiffes  aus 
dem  Grunde,  daß  es  Post  an  Bord  führt,  anerkennt. 

Im  Punkt  5  behauptet  der  Reklamant,  da  die  Aufbringung  des 
genannten  Schiffes  in  koreanischem  Qebietsgewässer  erfolgt  sei,  so  sei 
CS  ein  für  die  Entscheidung  wichtiger  Punkt,  festzustellen,  ob  Korea 
ein  neutraler  oder  verbündeter  Staat  sei.  Es  sei  bedauerlich,  daß  das 
Gericht  erster  Instanz  darüber  nicht  entschieden  habe. 

Da  aber  Korea  von  Anfang  an  für  den  Krieg  zwischen  Rußland 
und  Japan  zu  der  Landung  der  japanischen  Truppen  in  koreanischem 
Gebiet  und  dem  Passieren  derselben  seine  Zustimmung  gegeben  hat, 
sich  der  Krieg  auch  anfänglich  innerhalb  des  Hoheitsgebiets  von  Korea 
abgespielt  hat,  so  kann  Korea  nicht  als  neutral  im  gewöhnlichen  Sinne 
des  Worts  erachtet  werden.  Daher  ist  dieser  Punkt  der  Berufung  un- 
begründet. 

Im  Punkt  6  macht  der  Reklamant  geltend,  daß  die  feindlichen 
Staatsangehörigen  erst  durch  die  Bekanntmachung  der  Kriegserklärung 
von  der  Kriegseröffnung  Kenntnis  erhielten  und  daß  daher  das  zur 
Verhandlung  stehende  Schiff,  welches  vor  der  Bekanntmachung  der 
Kriegserklärung  aufgebracht  worden  sei,  nicht  für  gute  Prise  erklärt 
Terden  könne. 

Wenn  aber  einmal  der  Krieg  eröffnet  ist,  so  kann  jede  Partei, 
gleichgültig  ob  die  Angehörigen  der  Gegenpartei  von  der  Kriegseröffnung 
^rissen  oder  nicht,  nach  Ansicht  des  geltenden  Völkerrechts  sein  Be- 
schlagnahmerecht ausüben.  Daher  ist  auch  dieser  Punkt  der  Berufung 
unhaltbar. 

In  Punkt  4  der  Berufung  äußert'  der  Reklamant,  daß  das  dem 
Schiff  gehörige  Geld  das  Schicksal  des  Schiffes  teile  und  daher, 
*enn  dieses  freigegeben  werde,  gleichfalls  freizugeben  sei.  Da  aber 
die  Aufbringung  des  Schiffes,  wie  oben  an  den  einzelnen  Berufungs- 
punkten dargetan,  rechtmäßig  ist,  so  ist  auch  kein  Grund  vorhanden, 
das  von  der  Aufbringung  betroffene  Geld  freizugeben. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  25.  April  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


139 


Abschnitt  Vl^a  Prisengerichtsentscheidungen:  „Mancburia". 

Reklamant:  Die  russisch-ostasiatische  Dampfergesellschaft  in  St. 
Petersburg,  Rußland,  vertreten  durch  den  Generaldirektor  B  e  n  i  s  - 
lawski. 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  Nagashima  Washitaro, 
Tokio,  Kyobashiku  Kagacho  Nr.  10. 

In  Sachen  der  Beschlagnahme  des  russischen  Dampfers  „Man- 
churia"  und  seiner  Ladung  wird,  wie  folgt,  entschieden : 

Urteilsformel: 
Der  Dampfer  „Manchuria"  und  die  in  dem  beigefügten  Verzeichnis 
unter   Nr.  1  bis  6,   8  bis  Q4,   96,   98  bis  207,   210  bis  246   aufgeführten 
Güter  werden  eingezogen.     Die  unter  Nr.  7,  95,  97,  208  und  209  auf- 
geführten Güter  werden  freigegeben. 

Tatbestand   und   Gründe: 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „Manchuria"  steht  im 
Eigentum  der  russisch-ostasiatischen  Dampfergesellschaft,  sein  Heimats- 
hafen ist  St.  Petersburg  in  Rußland,  er  führt  die  russische  Handelsflagge 
und  dient  zum  Passagier-  und  Gütertransport.  Auf  der  im  November 
1903  von  St.  Petersburg  aus  angetretenen  Reise  nach  Port  Arthur  wurde 
er  am  9.  Februar  1904,  9  Uhr  vormittags,  18  Seemeilen  südöstlich 
von  Port  Arthur  von  dem  Kaiserlich  japanischen  Kriegsschiff  „Tatsuta" 
mit  seiner  Ladung  aufgebracht. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  und 
Bescheinigung  des  Vertreters  des  Kommandanten  der  „Tatsuta'',  Kapitän- 
leutnants Kihara  Seiske,  die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns 
K.  Prahl  und  des  1.  Offiziers  O.  Tampio,  das  Schiffszertifikat,  das 
Logbuch,  das  Ladungsverzeichnis  und  das  Privatschiffsjournal  des  ge- 
nannten Dampfers. 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  des  Prozeßvertreters  des  Rekla-. 
manten  sind  folgende: 

1.  Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  sei  zwar  russischer 
Nationalität  und  stehe  im  Eigentum  der  russisch-ostasiatischen  Dampfer- 
gesellschaft, aber  die  meisten  Teilhaber  seien  Dänen.  Daher  sei  der 
Dampfer  freizugeben. 

2.  Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  sei  am  9.  Februar, 
also  vor  Veröffentlichung  der  japanischen  Kriegserklärung,  aufgebracht 
worden.  Da  eine  vor  Veröffentlichung  der  Kriegserklärung  vor- 
genommene Beschlagnahme  unrechtmäßig  sei,  so  müsse  der  Dampfer 
freigegeben  werden. 

3.  Nach  dem  Sinne  der  Kaiserlichen  Verordnung  Nr.  20  vom 
Jahre  1904  müsse  der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  freigegeben 
werden. 

140 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Manchuria".  Abschnitt  VI^« 

4.  Da  der  Dampfer  freizugeben  sei,  so  müsse  auch  seine  Ladung 
treigegeben  werden.  Auch  wenn  der  Dampfer  nicht  freigegeben  werden 
sollte,  so  seien  doch  die  in  dem  Verzeichnis  unter  Nr.  2,  212  bis  225  auf- 
geführten Güter  bei  neutralen  Staatsangehörigen  versichert  und  müßten 
«egen  der  Rechte  dieser  freigegeben  werden. 

Die   Hauptpunkte   der   Ansicht  des   Staatsanwalts  sind   folgende: 

Da  die  Behauptungen  des  Prozeßvertreters  sämtlich  unbegründet 

Miien,  so  müsse  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  eingezogen  werden. 

Da  die  unter  Nr.  7,  95  und  97  des  Verzeichnisses  aufgeführten 

Güter  nicht  feindlich  seien,  so  seien  sie  freizugeben. 

Die  unfer  Nr.  208  und  209  verzeichneten  Güter  stünden  im 
Eigentum  von  Missionen,  seien  keine  feindlichen  Güter  und  müßten 
deshalb  freigegeben  werden. 

Das  Gericht  ist  der  folgenden  Ansicht: 

Nach  dem  Völkerrecht  kann  ein  feindliches  Schiff,  weil  der  größte 
Teil  des  Eigentumsrechts  an  demselben  neutralen  Staatsangehörigen  zu- 
steht, der  Beschlagnahme  nicht  entgehen.  ^)  Wenn  daher  auch  der 
i^Tößte  Teil  der  Aktien  der  Gesellschaft,  welcher  das  zur  Verhandlung 
>tehende  Schiff  gehört,  in  Händen  dänischer  Staatsangehöriger  ist,  so 
kann  damit  die  Freigabe  des  Schiffes  nicht  begründet  werden. 

Nachdem  am  6.  Februar  zwischen  Japan  und  Rußland  der  Kriegs- 
zustand eingetreten  war,  konnten  die  beiden  Staaten,  obwohl  keine 
Kriegserklärung  veröffentlicht  war,  ihre  Kriegsrechte  ausüben.  2)  Die 
arr.  9.  Februar  vorgenommene  Beschlagnahme  ist  daher  rechtmäßig. 

Aus  diesen  Gründen  müssen  die  Behauptungen  des  Vertreters 
der  Reklamation  in  Punkt  1,  2  und  eingangs  4  für  unbegründet  erachtet 
Verden. 

Es  bedarf  keiner  Erörterung,  daß  die  Kaiserliche  Verordnung  Nr.  20 
\<)rn  Jahre  1904  3)  auf  Schiffe,  welche  von  feindlichem  Gebiet  nach 
temdlichem  Gebiet  fahren,  keine  Anwendung  finden  kann.  Daher  ist 
juch  Punkt  3  der  Berufung  unhaltbar. 

Da  ferner  das  Recht  an  einer  Prise  nach  dem  Völkerrecht  ein 
absolutes  ist,  welches  keinerlei  andere  Rechtsansprüche  neben  sich  an- 
erkennt, so  entbehrt  auch  die  zweite  Hälfte  des  Punktes  4  der  Be- 
kundung. 

Die  unter  Nr.  7,  95  und  97  des  Verzeichnisses  aufgeführten  Güter 
können  indessen  nicht  als  feindliche  Güter  angesehen  werden  und  sind 
rreizugeben. 

Die  Güter  unter  Nr.  208  und  209  können  nach  dem  völkerrechtlich 
anerkannten  Prinzip  der  Unverletzlichkeit  religiöser  Institute,  weil  sie 
rür  eint  im  feindlichen  Gebiet  tätige  dänische  Missionsgesellschaft  und 

')  V.  Ziffer  3  und  §  35.  —  •^)  V.  §  1.  —  ')  I. 

141 


Abschnitt  VI** 


Prisengeiichtsentscheidungen :  nManchuria". 


für  den  täglichen  Gebrauch  ihrer  Missionare  bestimmt  sind,  nicht  ein- 
gezogen werden. 

Außerdem  sind  die  unter  Nr.  209  verzeichneten  Güter  auch  aus 
dem  Grunde  freizugeben,  weil  sie  für  eine  nur  vorübergehend*)  im 
Feindesland  aufenthältliche  neutrale  Person  bestimmt  sind. 

Die  übrigen  Güter  sind  erwiesenermaßen  feindliche  s)  und  müssen 
demnach  eingezogen  werden.  ®) 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  26.  Mai  1904  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Beisein 
des  Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurokuro. 

(Unterschriften.) 


Ladungsverzeichnis  des  Dampfers  t,Manchuria''. 


Nr. 

Art  und  Inhalt 

Anzahl 

Verlader 

Empfänger 

St  Petersburg: 

Wladiwostok: 

1 

Lampen  und  Gläser 

26  Kisten 

J.  J.  Abolink 

Ussurische  Bahn- 
verwaltung 
Order 

2 

Papier 

286  Ballen 

Paul  Forostowski 

3 

Thermometer  .    .    . 

1  Kiste 

Wassidlo  &  Co. 

Haf.  V.Wladiwostok 

4 

Kontor-Formulare    . 

3  Kisten 

Ko.  Singer 

Ko.  Singer 

5 

Nähmaschinenöl .    . 

1  Faß 

»> 

» 

6 

Ölkannen  u.  Gummi- 

ringe   

1  Kiste 

}» 

}) 

7 

Eisenbahnkarten  .    . 

1  Kiste 

A.  A.  Hin 

G.  Li,  Kais.  Chin. 
Handelsagent 

8 

Nahrungs-Konserven 

für  Truppen    .    . 

314  Kisten 

I.  Ismailowskisch. 

Bezirks-Intend.  d. 

9 

Nahrungs-Konserven 

Proviantamt 

Amur.  Armee-Bez. 

für  Truppen    .    . 

314  Kisten 

2. 

}) 

10 

Feuerpumpen  mit 

St.  Petersburger 

Artillerie-Depot 

Zubehör      .    .    . 

3  Kolli 

Artillerie-Depot 

11 

Eisen-  u.  Gasröhren 

5  Kolli 

» 

>» 

12 

Telegraphen-Mate- 

Elektr. Abt.  des 

Chef-Ingenieur  der 

rialien     .... 

4  Kisten 

Ing.-Departements 

Wladiwostok-Fest. 

13 

Streichhölzer  .    .    . 

50      „ 

W.  A.  Lapschin 

Order 

14 

)) 

200      „ 

i> 

j> 

15 

1» 

150      „ 

ii 

» 

16 

i> 

50      „ 

»> 

»1 

17 

Seife 

150      „ 

A.  M.  Dschukoff 

>» 

4)  V.  —  »)  V.  §§  8,  3  und  4.  —  •)  V. 


142 


Priseogerichtsentscheldungen:  MManchuiia". 


Abschnitt  VI»« 


Nr. 

Art  und  Inhalt 

Anzahl 

1          = 
Verlader 

Empfänger 

St.  Petersburg: 

Wladiwostok: 

18 

Kosmetische  Waren 

6  Kisten 

St.  Petersburger 
Chem.  Laborator. 

E.  Sawarsinoi 

19 

Apotheker-Waren     . 

30          n 

Schtol  &  Schmidt 

See-Hospital 

20 

Grüne  Seife    .    .    . 

5  Faß 

n                           n 

n 

21 

Elektr.  Batterien  für 

Elektr.  Abteilung 

Chef-Ingenieur  der 

Minen     .... 

12  Kolli 

d.Ing.-Departmts. 

Fest.  Wladiwostok 

22 

Telegr.  Artikel    .    . 

135     , 

Haupt-Ing.-Depot 

Ingen.- Verwalt.  der 
FestWladiwostok 

23 

Sprengstoffe   .    .    . 

14     , 

n 

ff 

24 

Telegr.  Materialien  . 

1» 

n 

ff- 

•25 

Eisendraht .... 

23     . 

n 

ff 

26 

Frachtbriefe    .    .    . 

24  Kisten 

Haupt-Verwaltung 
d.Ussurisch.Bahn 

Ussurische  Bahn- 
Verwaltung 

27 

Kettenteile.    .    .    . 

1  Kiste 

n 

ff 

28 

Brückenbogen     .    . 

3  Kolli 

n 

ff 

29 

Brückenbaumaterial . 

12     , 

n 

ff 

30 

Papier 

10  Ballen 
42      , 

P.  S.  Andruff 

n 

Order 

31 

n 

32 

» 

14      , 

n 

•33 

Roste 

464  Kolli 

A.  E.  Stelp 

n 

34 

Eisen  und  Stahl .    . 

842      , 

35 

Eiserne  Klammern  . 

3      , 

n 

36 

Eisen  und  Stahl .    . 

584      , 

n 

37 

Eiserne  Röhren   .    . 

520      , 

n 

38 

Werg 

16      » 

39 

10      , 

40 

n                •        • 

Ziegelsteine 

\  !  ! 

76      , 

n 

41 

Werg      .    . 

31      . 

42 

Packungen  u. 
tuch   .    . 

Segel- 

6     , 

ft 

43 

Ziegelsteine 

•    ■    • 

2600  Stück 

n 

44 

Segeltuch   . 

,    . 

14  Kolli 

n 

45 

Leder     .    . 

2      . 
1      , 

n 

46 

Zement  .    . 

47 

Schiffstau   . 

. 

6      . 

n 

48 

Instrumente 

3      . 

n 

49 

Thermometer 

,    , 

3      , 

n 

50 

Leitungsdraht 

. 

1      , 

n 

51 

Granaten    . 

,    , 

145  Stück 

n 

52 

Gerät     .    . 

2  Kolli 

53 

1      . 

54 

1»         •    • 
Granatenhülsei 

n    aus 

*             Tt 

n 

Messing . 

.    , 

269      , 

n 

ff 

55 

Granatenhülsei 

1   aus 

Messing .    , 

. 

40      „ 

n 

ff 

56 

Gerät     .    .    . 

2      , 
1      . 

ff 

57 

Springfedem  . 

•    • 

ff 

ff 

143 


Abschnitt  V   »• 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Mancburia*' 


Nr. 

Art  und  Inhalt 

Anzahl 

Verlader 

Empfänger 

St.  Petersburg: 

Wladiwostok: 

58 

Gerät 

3  Kolli 

A.  E.  Stelp 

Order 

59 

Messing-Granat- 

hülsen    .... 

200 

1» 

n 

n 

60 

Hülsen  u.  Zinkkasten 

141 

n 

1) 

n 

61 

Eiserne  Kasten    .    . 

28 

n 

n 

p 

62 

Messing-Hülsen  .    . 

100 

n 

n 

n 

63 

Soda 

26 

yt 

» 

n 

64 

n 

17 

n 

V 

fi 

65 

»        .       .       t       .       .       . 

101 

n 

n 

n 

66 

n         ...... 

25 

n 

it 

n 

67 

Salzgehaltmesser     . 

1 

n 

n 

n 

68 

Webwaren  usw.  .    . 

3 

n 

n 

n 

69 

Kabel 

2 

1» 

n 

y> 

70 

Springfedem  .    .    . 

1 

n 

n 

n 

71 

Telegraphendraht  u. 

' 

Elemente     .    .     . 

6 

n 

rt 

n 

72 

Elemente,  Gläser  u. 
Gummiringe  für 

Minen     .... 

2 

n 

n 

n                                    • 

73 

Granaten  u.  Spreng- 

stoff    

1308 

n 

» 

n 

74 

Granaten,  Schieß- 

pulver und  anderes 

2 

rt 

n 

n 

75 

Kitt 

1 

n 

n 

n 

76 

Soda 

23 

n 

n 

n 

77 

Spiritus 

53 

n 

rt 

rt 

78 

Pulver 

129 

n 

n 

n 

79 

Patronenhülsen, 

Zünder  und  Pulver 

218 

n 

n 

n 

80 

DestiUierapparate 

4 

n 

St.  Petersburg: 

Dalni: 

81 

Papier 

135 

n 

Verwaltung  der 
chin.  Eisenbahn 

Verwaltung  der 
chin.  Eisenbahn 

82 

Pappe    .    .    .    .    . 

20 

n 

n 

83 

Krankenkleider    .    . 

6- 

fi 

n 

84 

Seife 

15 

n 

» 

85 

n 

15 

y> 

„ 

86 

n 

15 

n 

» 

87 

n 

20 

rt 

„ 

88 

Zündhölzer     .    .    . 

200 

it 

W.  A.  Lapschin 

Port  Arthur: 

89 

Glühlampen  mit  Zu- 

behör     .... 

84 

n 

E.  Tilmans  &  Co. 

Order 

90 

Billards  u.zugehörige 

Schiefertafeln  .    . 

6 

rt 

n 

» 

91 

Blechmaschinen  und 

Gronmeyer  & 

Meyer 

Zubehör.    .    .    . 

1 

f> 

Trautscholt 

144 


PrtoM 

gerichtsentscheidiingen 

:  .Mukden*. 

Abschnitt  VI»« 

Nr. 

Art  und  Inhalt 

Anzahl 

Verlader 

Empfänger 

St.  Petersburg: 

Port  Arthuf: 

92 

Klosetts      .    ;    .     . 

14  Kolli 

F.  San  Galli 

Suworoff 

93 

Gufieiseme  Säulen  . 

1      . 

n 

ft 

94 

Offiziers-Säbel     .    . 

2      , 

P.  E.  Setnenoff 

Magazin  der  Offi- 
ziers-Vereinigung 

95 

Geogr.  Karten     .     . 

2      . 

A.  Hin 

Tue  Jin  Fan, 

Hankow 

96 

Eisenbahnkarten  .    . 

1      . 

n 

Lin,  Dolmetscher, 
Ing.  der  chin. 
Bahn  Charbin 

97 

» 

2      . 

n 

H.  Si,  Shanghai 

98 

Thermometer  .    .    . 

1      . 

Wossidlo  &  Co. 

Haf.  V.Port  Arthur 

99 

Billards  u.zugehOrige 

Schiefertafeln  .    . 

3      , 

A.  Freiberg 

Order 

100 

Kosmetische  Waren 

23      „ 

St.  Petersburger 
ehem.  Laborato- 
rium 

Magazin  der  Offi- 
ziers-Vereinigung, 
Kwantung 

101 

BQcher 

3      . 

Co.  M.  O.  Wolf 

K.  A.  Smoloff 

102 

n             

1      . 

» 

1» 

103 

Seife 

50      . 

A.  M.  Dschukoff 

Order 

104 

Ji 

100      „ 

»     » 

1» 

106 

p 

25      . 

» 

n 

106 

Zigarettenhülsen .    . 

256      , 

J.  D.  Dunajewsky 

J.  D.  Dunajeswky 

107 

Nautisch.Instrumente 

Hauptverwalt.  der 

Direkt,  d.  Leucht- 

und Kompasse     . 

6      « 

Hydogr.  Abteiig.- 

türme  u.Hafenamt 

108 

Zubehörf.  Geschütze 

1      . 

St.  Petersburger 
Artillerie-Depot 

Kwantunger 
Festungsartillerie 

109 

Konserven  .... 

4167      , 

1.  Ismail.  Verpro- 
viantier.-Magazin 

Intendant  d.Kwan- 
tung-Gebiets 

110 

B                            .... 

4167      , 

»           . 

j» 

111 

Petroleummotore 

6  Stück 

A.  A.  Elisejeff 

A.  A.  Elisejeff 

112 

Zündhölzer     .    .    . 

30  Kolli 

W.  A.  Lapschin 

Order 

113 

m                          ... 

50      , 

n 

n 

114 

M                                   ... 

50      . 

n 

n 

115 

•           •           • 

50      , 

» 

n 

116 

n                        ... 

50      , 

n 

n 

117 

n                        ... 

100      , 

fi 

n 

118 

Gufieiseme   Wasser- 

leitungsröhren .    . 

693  Stück 

E.  Tilmans 

E.  Tümans 

119 

Rund-Messing     .    . 

4  Kolli 

A.  E.  Stelp 

Order 

120 

Eisenroste  .... 

60  Stück 

n 

121 

9     •  •  ■  • 

51      . 

n 

122 

»     .  .  •  . 

213      , 

n 

123 

Ankerlcetten    .    .    . 

2         n 

n 

124 

Röhren 

100      , 

fi 

125 

Stahl 

5  Kolli 

» 

126 

Kohlenbehälter    .    . 

278  Stück 

n 

127 

Eiserne  Ketten    .    . 

2         n 

» 

» 

Hai 

strand-Heehlenbnrg, 

Dm  Japanische  ] 

Prisenreoht.    Band  I. 

(10)                 145 

Abschnitt  VI»« 


Prisengerichtsentscheidungen  i  »Mukden ' 


Nr. 

Art  und  Inhalt 

Anzahl 

Verlader 

Empfänger 

St  Petersburg: 

Port  Arthur: 

128 

Scheiben  und  Klam- 

mem   

3  Kolli 

A.  E.  Stelp 

Order 

129 

Webwaren  .... 

9      , 

» 

1» 

130 

Soda 

4      , 

n 

fi 

131 

Draht 

9      , 

rt 

n 

132 

Ballon  und  Zubehör 

54      . 

n 

» 

133 

Eiserne  Klammern  u. 

Haken    .... 

1      , 

n 

» 

134 

Eisenstäbe  fürSchiffe 

5      . 

n 

» 

135 

Schläuche  .... 

2      . 

n 

n 

136 

Geschirr  usw. .    ,    . 

17      , 

n 

n 

137 

Röhren 

6      , 

n 

n 

138 

Lumpen     .... 

206      » 

n 

» 

139 

Senkbleie   .... 

1      , 

n 

n 

140 

Kleider 

1      , 

n 

n 

141 

Bindfaden  .... 

3      , 

n 

$t 

142 

Schaufeln  .... 

15      , 

n 

n                        • 

143 

Kirchengeräte      .    . 

1      . 

» 

n 

144 

Bolzen  ..... 

1      . 

n 

ji 

145 

Werg 

33      , 

n 

r> 

146 

Papier 

1      . 

n 

y> 

147 

Leder 

1      , 

n 

r» 

148 

Geschirr     .... 

3      . 

n 

rt 

149 

Kalk  ...... 

1      « 

n 

ft 

150 

Röhren 

4      . 

n 

ft 

151 

Wasserdichte  Mäntel 

4      , 

n 

n 

152 

Schrauben  .... 

2      , 

n 

n 

153 

Springfedem  .    .    . 

1      „ 

n 

n 

154 

Spiegel 

1      , 

n 

1» 

155 

Kragen  und  Man- 

schetten .... 

1      . 

r> 

n 

156 

Elekt.  Zubehör   .    . 

1.      , 

n 

n 

157 

Maschinenpackungen 

1      , 

» 

n 

158 

Zylinder     .... 

1      , 

rt 

n 

159 

Talg 

3      „ 

n 

n 

160 

Dampfpumpen    .    . 

4      , 

ti 

jt 

161 

Bilderrahmen  .    .    . 

6      . 

f» 

n 

162 

Papier,  Schrauben 

usw .• 

8      , 

rt 

n 

163 

Trossen  

1      „ 

n 

n 

164 

Platten  für  Röhren  . 

1      , 

n 

n 

165 

Matrosen-Anzüge     . 

7      , 

r> 

n 

166 

Trossen 

11      , 

n 

n 

167 

Maschinenöl   .    .    . 

278  Faß 

n 

n 

168 

Leder  für  Kragen    . 

1  Kolli 

n 

n 

169 

Schiffs-Laternen  und 

anderes  .... 

34      . 

n 

n 

146 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Mukden". 


Abschnitt  VI  8« 


Nr. 

Art  und  Inhalt 

Anzahl 

Verlader 

Empfänger 

St  Petersburg: 

Port  Arthur: 

170 

Kupferröhren  .    .    . 

65  Kolli 

A.  E.  Stelp 

Order 

171 

Gelenkschafte     .    . 

4      . 

n 

n 

172 

Maschinenöl    .    .    . 

151  Faß 

n 

n 

173 

Spuckn3pfe     .    .    . 

1  Kolli 

n 

» 

174 

Wagen  

7      , 

n 

i> 

175 

Lichte 

34      , 

n 

n 

176 

Seife 

37      , 

n 

n 

177 

Schläuche  .... 

6      . 

1» 

n 

178 

Soda 

5      , 

n 

n 

179 

Schrauben  .... 

1          n 

n 

n 

180 

Maschinenöl    .    .    . 

46      „ 

» 

n 

181 

Talg 

66      . 

1» 

n 

182 

M            • 

76      , 

n 

n 

183 

Diverses  Geschirr    , 

10      , 

n 

n 

184 

Kupferröhren  .    .    . 

21      . 

f» 

n 

185 

Zylinder-  und  Ventil- 

klappen .... 

1      , 

n 

1» 

186 

Schotten-Verschlüsse 

2      „ 

n 

II 

187 

Raketen-Bojen     .    . 

8      , 

» 

» 

188 

Kupferne  Kessel 

6      , 

f» 

» 

189 

Webwaren  .... 

2      , 

n 

n 

190 

Asbest 

39      . 

n 

n 

191 

Wagen.Thermometer 

usw 

5      . 

n 

n 

192 

Spiritus 

52      , 

n 

n 

193 

Kautschukringe   .    . 

1      . 

n 

n 

194 

Schiffebetten  .    .    . 

3      , 

, 

n 

195 

Elektr.  Zubehör  .    . 

19      . 

n 

n 

196 

Schießbaumwolle 

1      - 

» 

n 

197 

Kautschukringe   .    . 

1      . 

n 

n 

198 

Kautschukringe  und 

anderes  .... 

1      , 

n 

rt 

199 

Schlüssel  u.  anderes 

4      , 

n 

• 

200 

Verschlussklappen 
für  Schiffstoren,  aus 
Messing  und  Guß- 

eisen    

4      . 

n 

n 

201 

Elektr.  Leitungsdraht 

6      . 

n 

n 

202 

Raketen      .... 

21      , 

„ 

» 

203 

Zinkblech  .... 

3      . 

n 

it 

204 

Ruderschrauben  .    . 

1      » 

n 

n 

205 

Rumkorff  sehe  Spi- 

ralen   

7      , 

n 

j» 

206 

Schiffsmaschinenöl  . 

21  Faß 

Akt.  Sels.DetOst- 
asiatiske  Komp., 
Kopenhagen 

The   East   Asiatic 
Company  Ltd. 

207 

Maschinenteile    .    . 

21  Kolli 

Mekaniske  Verk- 
stad,  Stockholm 

Kunst  &  Albers 

(10*) 


147 


Abschnitt  VI»« 

Prisengeiichtsentscheidungen:  .Mukden*. 

Nr. 

Art  und  Inhalt 

Anzahl 

Verlader 

Empfänger 

St  Petersburg: 

Port  Arthur: 

208 

Verschiedenes     .    . 

1  Kiste 

J.  Olesen,  Kopen- 
hagen 

Danish  Lutheran 
Mission 

209 

Betten  und  verschie- 

The Danish  Missior 

1  Kathrine  Nielsen 

denes      .... 

2  Kolli 

Society,   Kopen- 
hagen 

210 

Muster 

1      . 

Akt.-Sels.DetOst- 
asiatiske  Komp., 
Kopenhagen 

AktieselskabetDet 
OstasiatiskeKom- 
pagni 

211 

Reis 

8  Sack 

Colombo: 

Dalni: 

212 

Schwarzer  Tee    .    . 

1042  Kolli 

A.  Koosenetzoff  & 
Co. 

A.  Koosenetzoff  & 
Co. 

213 

n                      »           •        • 

520      , 

n 

n 

214 

1»                     11           .        . 

99      ,('/«) 

Finlay  Muir  &  Co. 
Colombo: 

Order 
Moskau:  via 
Dalni, 

215 

n                    n           •       • 

58      , 

PeekBros.&Winch 

Ltd.  D.  D.  Gro- 
reebnikoff 

216 

n                    »           •       • 

75      , 

Theodor  &  Rawlin 

Order 

217 

Tee   ; 

79      , 

Stcherbatchoff, 
Tschokoff  &  Co. 

n 

218 

f,          ...... 

202      , 

n 

Colombo: 

Tschelgabinsk 
via  Dalni: 

219 

rt 

559      „ 

Molchanoff, 
Pechatnoff  &  Co. 

Order 

220 

Ceylon-Tee     .    .    . 

336      , 

Stcherbatchoff, 
Tschokoff  &  Co. 

n 

221 

n                   »            .        .        . 

375      . 

Colombo: 

n 

Moskau  via 
Dalni: 

222 

Tee 

596      , 

Rodewald  &Heath 

Order 

223 

Ceylon-Tee     .    .    . 

613      „     . 

Stcherbatchoff, 
Tschokoff  &  Co. 

n 

224 

Tee 

513      , 

Rodewald  ÄHeath 

» 

225 

Ceylon-Tee     .    .    . 

299      , 

Stcherbatchoff, 
Tschokoff  &  Co. 

n 

226 

Bolzen  und  Platten 

F.  L.  Smidt  &  Co., 

n 

aus  Eisen    .    .    . 

303      , 

Kopenhagen 
Honkong: 

Dalni  für  Order 
Wladiwostok: 

227 

Zünder  .    .    .    ,    . 

1      , 

Butterfield&Swire 

Clarkson  &  Co. 

228 

Reis 

200  Sack 

On  Wo  Tai 

Yee  Tai 

229 

n         •'«... 

307     , 

Yue  We  Loong 
•      Honkong: 

Hu  Young  Sang 
Dalni: 

230 

Seidenwaren  .    .    . 

8     , 

Tsun  Tai 

Wing  Kee 

231 

n 

Silberwaren     .    .    . 
Wollendecken     ,    . 

1  Kollo 
1      , 

Wo  Cheong  Loong 

n 

Kwong  Lee  Yuen 

1» 

148 


Priseigerichtseiitschefdungen :  •Manchuria*. 


Abschnitt  VI  »• 


Nr. 

Art  und  Inhalt 

Anzahl 

Verlader 

Empfänger 

Honkong: 

Dalni: 

232 

Kleider 

1  Kollo 

On  Wo  Tai 
Honkong: 

Tak  Wo  &  Co. 
Port  Arthur: 

233 

Rum 

30  Faß 

China  SugarRefin- 
ing  Cy.  Ltd. 

Ginsburg  &  Co. 

234 

Spirituosen     .    .    . 

6  Krüge 

Lee  Yuen  Cheung 

Yun  Cheung  Chun 

235 

Gesalzene  Fische    . 

1  Kollo 

n 

n 

236 

Biskuits 

1      . 

yt 

» 

•237 

Papier,    getrocknete 

Waren,  Tabak  usw. 

4  Kolli 

n 

n 

238 

Räucherkerzen    .    . 

5      , 

n 

n 

239 

Räucherblumen   .    . 

1      , 

n 

» 

240 

Gesalzene  Gemüse . 

2      . 

» 

» 

241 

Essig 

2  Krüge 

n 

» 

242 

Feuerwerk  .... 

1  Kollo 

M 

n 

243 

Papierwaren    .    .    . 

1      , 

11 

n 

244 

Taschentflcher,  Ziga- 

retten usw. .    .    . 

1      , 

n 

n 

245 

Brauner  Zucker  .    . 

2  Kolli 

n 

Singapore: 

ff 

Wladiwostok: 

246 

Schwarzer  Pfeffer   , 

5  Sack 

Stcherbatchoff, 
Tschokoff  &  Co. 

Order 

Reklamant:  Russisch-ostasiatische  Dampfergesellschaft  in  St. 
Petersburg,   vertreten  durch  den  Generaldirektor  Benislawski. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Nagashima  Washitaro, 
Tokio.  Kyobashiku,  Kagacho  Nr.  10. 

Am  26.  Mai  1Q04  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  Sachen  des 
am  9.  Februar  1904,  18  Seemeilen  südöstlich  von  Port  Arthur  von  dem 
Kaiserlich  japanischen  Kriegsschiff  „Tatsuta"  beschlagnahmten  russischen 
Dampfers  „Manchuria"  und  dessen  Ladung  auf  Einziehung  des  Dampfers 
und  der  in  dem,  dem  Urteil  beigefügten,  Ladungsverzeichnis  unter 
Nr.  1  bis  6,  8  bis  94,  98  bis  207,  210  bis  246,  aufgeführten  Güter  und 
auf  Freilassung  der  unter  Nr.  7,  95,  97,  208  und  209  aufgeführten 
üQter  entschieden. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  der  Rechtsanwalt  Nagashima  Washi- 
taro als  Prozeßvertreter  der  russisch-ostasiatischen  Dampfergesellschaft, 
vertr'eten  durch  den  Generaldirektor  Benislawski,  die  Berufung  ein- 
gelegt, welche  von  dem  Oberprisengericht  im  Beisein  der  Staatsanwälte 
Tsutsuki  Keiroku  und  Ishiwatari  Binichi  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Prozeßvertreters  des  Rekla- 
manten, Nagashima  Washitaro,  sind  folgende: 

1.  Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  sei  zwar  russischer 
Nationalität  und  stehe  im  Eigentum  der  russisch-ostasiatischen  Dampfer- 

149 


Abschnitt  VIS«  Prisengerichtsentscheidungen:  .Manchuria*. 

gesellschaft,  aber  die  meisten  Teilhaber  dieser  Gesellschaft  seien  Dänen. 
Daher  sei  der  Dampfer  freizugeben. 

2.  Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  sei  am  9.  Februar  1904, 
also  vor  Veröffentlichung  der  japanischen  Kriegserklärung,  aufgebracht 
worden.  Zwar  träten  die  Staaten  als  solche  mit  dem  Moment  der 
tatsächlichen  Eröffnung  des  Kampfes  zueinander  in  das  Verhältnis 
kriegführender  Parteien,  aber,  da  die  privaten  Angehörigen  der  feind- 
lichen Staaten  von  dem  Kriegszustand  erst  durch  Veröffentlichung  der 
Kriegserklärung  erführen,  so  sei  eine  Beschlagnahme  vor  Veröffentlichung 
der  Kriegserklärung  unrechtmäßig. 

3.  Es  sei  auch  im  Sinne  der  Kaiserlichen  Verordnung  Nr.  20  vom 
Jahre  1904,  das  Schiff  freizugeben;  denn,  da  das  Schiff  im  November 
1Q03  von  St.  Petersburg  abgefahren  und  auf  der  Fahrt  nach  Port  Artjiur 
begriffen,  am  9.  Februar  1904,  vormittags  9  Uhr,  also  zu  einer  Zeit, 
wo  es  noch  keine  Gelegenheit  gehabt  habe,  von  dem  Kriegszustand 
Kenntnis  zu  erhalten,  18  Seemeilen  südöstlich  von  Port  Arthur  auf- 
gebracht worden  sei,  so  finde  die  genannte  Kaiserliche  Verordnung 
auf  diesen  Fall  Anwendung. 

4.  Die  Ladung  des  Dampfers  müsse,  soweit  keine  besonderen 
Gründe  für  das  Gegenteil  vorlägen,  mit  dem  Dampfer  freigegeben 
werden. 

Zusatz  zu  Nr.  1  der  Beruf ungsgründe : 

Es  sei  nicht  zu  bestreiten,  daß  der  zur  Verhandlung  stehende 
Dampfer  Eigentum  der  russisch-ostasiatischen  Dampfergesellschaft  sei; 
wenn  aber  auch  der  Dampfer  vom  zivilrechtlichen  Standpunkte  aus 
als  im  Eigentum  einer  russischen  juristischen  Person  stehend  zu  be- 
trachten sei,  so  entscheide  sich  doch  die  Frage  der  Beschlagnahme 
nach  völkerrechtlichen  Gesichtspunkten,  und  da  handele  es  sich  darum 
zu  untersuchen,  welche  Individuen  in  ihren  Rechten  verletzt  seien. 
Da  aber  erwiesenermaßen  der  größte  Teil  der  Aktien  der  russisch- 
ostasiatischen  Dampfergesellschaft  in  dänischen,  also  neutralen  Händen 
sei,  so  müsse  das  Schiff  rechtmäßigerweise  freigegeben  werden. 

Zusatz  zu  Nr.  2  der  Berufungsgründe: 

Die  von  der  Reklamation  Nr.  5')  betroffenen,  in  dem,  dem  Urteil 
beigefügten,  Ladungsverzeichnis  unter  Nr.  89,  90  und  118  aufgeführten 
Güter  seien  von  der  in  St.  Petersburg  ansässigen  deutschen  Firma 
Ewald  Tillmanns  &  Co.  auf  dem  zur  Verhandlung  stehenden 
Dampfer  nach  Port  Arthur  verschifft  und  auf  der  Reise  dorthin  be- 
schlagnahmt worden.  Dies  gehe  aus  den  mit  dem  Schiff  zusammen 
beschlagnahmten  Dokumenten  hervor.  Da  nun  Güter  Angehöriger  neu- 
traler Staaten,  die  ihren  Bestimmungsort  gar  nicht  erreicht  hätten,  nicht 

')  VI.  5  f. 
150 


Prisengerichtsentschef düngen:  .Manchuriä*.  Abschnitt  Vl^a 

aU  feindliche  betrachtet  werden  könnten,  so  müßten  die  bezeichneten 
Güter  freigelassen  werden. 

Zusatz  zu  Nr.  3  der  Berufungsgründe : 

Da  die  Güter,  welche  unter  Nr.  2  und  Nr.  212  bis  222  des  dem 
Urteil  beigefügten  Ladungsverzeichnisses  aufgeführt  seien,  bei  Ange- 
hörigen neutraler  Staaten  versichert  seien,  so  bedeute  die  Nichtfreigabe 
derselben  eine  Verletzung  der  Rechte  Neutraler.  Da  nun  schließlich 
der  Grad  dieser  Verletzung  ein  sehr  großer  sei,  so  müßten  die  Güter 
freigegeben  werden,  und  es  sei  widerrechtlich,  die  Freigabe  kurzerhand 
mit  dei  Begründung,  das  Recht  der  Beschlagnahme  sei  ein  absolutes, 
abzulehnen. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  Y^mamoto 
Tatsurokuro  vom  Prisengericht  in.Sasebo  sind  folgende: 

Der  Reklamant  behaupte  in  Punkt  1,  daß  das  zur  Verhandlung 
stehende  Schiff,  wenn  es  auch  russische  Nationalität  habe,  dennoch 
freigegeben  werden  müsse,  weil  der  größte  Teil  der  Aktien  der  russisch- 
ostasiatischen  Dampfergesellschaft  in  dänischen  Händen  sei. 

Es  sei  aber  Kriegsvölkerrecht,  daß  ein  Schiff,  welches  die  Nationalität 
des  feindlichen  Staates  besitze  und  unter  feindlicher  Flagge  führe,  gleich- 
viel ob  die  Aktionäre  zum  größten  Teil,  ja  ob  sie  alle  Angehörige 
neutraler  Staaten  seien,  als  feindliches  Schiff  anzusehen  sei.  Als  solches 
unterliege  daher  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  mit  Recht  der 
Beschlagnahme  und  der  Einziehung. 

In  Punkt  2  sage  der  Reklamant,  das  zur  Verhandlung  stehende 
Schiff  sei  am  9.  Februar  1904,  also  vor  der  Kriegserklärung,  beschlag- 
nahmt worden.  Diese  Beschlagnahme  sei  nicht  zu  rechtfertigen,  da 
die  privaten  Individuen,  wenn  auch  die  Staaten  als  solche  schon  mit 
dem  tatsächlichen  Beginn  des  Kampfes  in  den  Kriegszustand  einge- 
treten seien,  von  dem  Bestehen  des  Kriegszustandes  erst  durch  die 
Veröffentlichung  der  Kriegserklärung  erführen. 

Derartige  Gründe  fänden  aber  weder  in  den  zwischen  den  zivi- 
lisierten Staaten  bestehenden  völkerrechtlichen  Gebräuchen,  noch  in 
der  Wissenschaft  Anerkennung.  Es  erübrige  sich  daher  zu  erörtern, 
daß  ein  feindliches  Schiff,  welches  von  dem  Kriegszustande  nichts  wisse, 
deshalb  der  Aufbringung  nicht  entgehen  könne. 

In  Punkt  3  mache  der  Reklamant  geltend,  daß  der  zur  Verhand- 
lung stehende  Dampfer  nach  dem  Sinne  der  Kaiserlichen  Verordnung 
Nr.  20  vom  Jahre  1904  freizugeben  sei,  weil  er  zur  Zeit  der  Beschlag- 
nahme von  dem  Kriegszustand  keine  Kenntnis  gehabt  habe. 

Da  indes  diese  Kaiserliche  Verordnung  eine  Ausnahme  von  dem 
allgemeinen  kriegsvölkerrechtlichen  Grundsatz  darstelle,  demzufolge  ein 
kriegführender  Staat  die  Handelsschiffe  des  Feindes  auf  offener  See 
und  in   den    beiderseitigen    Hoheitsgewässern   beschlagnahmen   könne, 

151 


Abschnitt  VI*«  Prisengerichtsentscheidungen:  .Manchuria'. 

so  müsse  diese  Verordnung  eher  eng  ausgelegt  werden,  als  auf  Fälle, 
die  der  klarbestimmte  Wortlaut  nicht  vorsehe,  in  Anwendung  gesetzt 
werden.  Deshalb  könne  der  fragliche  Dampfer,  wenn  er  auch  die 
Reise  gemacht  habe,  ohne  von  dem  Kriegszustand  etwas  zu  wissen, 
da  er  nach  dem  als  Feindesgebiet  zu  betrachtenden  Port  Arthur  be- 
stimmt gewesen  sei,  also  zweifellos  nicht  unter  die  §§  1  und  3  der  ge- 
nannten Kaiserlichen  Verordnung  falle,  die  Vergünstigung  derselben 
nicht  genießen. 

In  Punkt  4  erkläre  der  Reklamant,  die  Ladung  des  zur  Verhand- 
lung stehenden  Dampfers  müsse,  soweit  nicht  besondere  Gründe  vor- 
lägen, mit  dem  Schiffe  freigegeben  werden. 

Die  Frfige,  ob  die  Güter  Kriegskonterbande  seien  oder  nicht, 
komme  indes,  da  sie  als  feindliche  Güter  auf  feindlichem  Schiff  be- 
findlich anzusehen  seien,  gar  nicht  in  Betracht,  und  ihre  Einziehung 
sei  rechtmäßig. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende 
Schiff  als  Feindesschiff  anzusehen  ist.  Denn  es  führte  zur  Zeit  der  Be- 
schlagnahme die  feindliche  Flagge,  hatte  ein  feindliches  Schiffszertifikat 
und  stand  im  Eigentum  der  russisch-ostasiatischen  Dampfergesellschaft 
in  St.  Petersburg.  Der  Reklamant  macht  zwa^  geltend,  der  Dampfer 
sei  freizulassen,  weil  die  meisten  Aktien  der  genannten  Gesellschaft 
in  dänischen  Händen  seien  und  somit  das  Recht  neutraler  Staats- 
angehöriger verletzt  werden  würde.  Aber  wenn  auch  der  größte  Teif 
der  Aktien  der  Gesellschaft,  welcher  der  fragliche  Dampfer  gehört, 
in  Händen  von  Neutralen  ist,  so  hat  das  auf  die  Eigenschaft  des 
Schiffes  als  eines  feindlichen  keinen  Einfluß,  und  Punkt  1  der  Berufungs- 
gründe nebst  Zusatz  können  nicht  anerkannt  werden. 

Da,  wie  oben  ausgeführt,  die  Eigenschaft  des  Schiffes  als  eines 
feindlichen  durchaus  unbestreitbar  ist,  so  konnte  dasselbe  mit  dem 
Entstehen  des  Kriegszustands  auch  vor  der  Kriegserklärung  zu  Recht 
beschlagnahmt  werden,  und  damit  fällt  Punkt  2  der  Berufung  hin. 

Die  Fahrt  des  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfers  deckt  sich 
unzweifelhaft  nicht  mit  irgend  einem  Falle  der  §§  1  bis  3  der  Kaiser- 
lichen Verordnung  Nr.  20  vom  Jahre  1904,  und  die  Anwendung  dieser 
Verordnung  auf  Schiffe,  welche,  wie  das  in  Frage  stehende,  ton  feind- 
lichem Gebiet  nach  feindlichem  Gebiet  fahren,  ist  durchaus  unzulässig. 
Deshalb  ist  auch   der  dritte  Punkt  der  Berufungsgründe  hinfällig. 

Es  ist  völkerrechtlich  anerkannt,  daß,  soweit  das  Beschlagnahme- 
recht in  Betracht  kommt,  die  Landeszugehörigkeit  von  Gütern  nach 
dem  Domizilprinzip  bestimmt  werden  kann,  und  das  Oberprisengericht 
ist  der  Ansicht,  daß  diese  Theorie  der  Logik  der  tatsächlichen  Verhält- 
nisse entspricht.     Zugegeben,  wie  der   Reklamant  behauptet,   daß   die 

152 


Prisengerichtsentscheidungen :  .Manchuria".  Abschnitt  Vis» 

in  dem,  dem  Urteil  des  Sasebo-Prisengerichts  beigefügten  Ladungs- 
verzeichnis unter  Nr.  89,  90  und  118  aufgeführten  Güter  im  Eigentum 
des  Verschiffers,  der  Firma  Ewald  Tillmanns  &  Co.  in  St.  Peters- 
burg stehen,  so  sind  sie,  weil  diese  Firma  völkerrechtlich  als  feindlich 
anzusehen  ist,  feindliche  Güter;  und  auf  feindlichem  Schiff  befindlich, 
unterliegen  sie  deshalb  mit  Recht  der  Aufbringung;  so  ist  der  Zusatz 
*zum  Punkt  2  der  Berufungsgründe  haltlos. 

Was  ferner  die  oben  erwähnten,  unter  Nr.  2,  212  bis  222  des  Ver- 
zeichnisses aufgeführten  Güter  angeht,  so  unterliegen  auch  sie,  weil 
sie  auf  feindlichem  Schiff  nach  feindlichem  Gebiet  verschifft  waren, 
der  Aufbringung.  Denn  wenn  sie  auch,  wie  vom  Reklamanten  geltend 
gemacht,  bei  neutralen  Staatsangehörigen  versichert  sind,  so  entsteht 
doch  mit  einem  solchen  Versicherungsvertrag  kein  Grund  für  Heraus- 
gabe feindlichen  Gutes  und  auch  der  Zusatz  zu  Punkt  3  der  Berufung 
muß  als  unbegründet  abgelehnt  werden. 

Was  alle  übrigen,  nach  dem  Urteil  des  Sasebo-Prisengerichts  ein- 
zuziehenden Güter  anbetrifft,  so  ist,  da  sie  auf  dem  zur  Verhandlung 
stehenden  feindlichen  Schiff  nach  feindlichem  Gebiet  verschifft  waren, 
die  Entscheidung  des  genannten  Urteils  zu  Recht  bestehend  und  Punkt  4 
der  Berufungsbegründung  ist  zu  verwerfen. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden : 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Im  Oberprisengericht  am  17.  Januar  1905. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Frederic  Ringer,  dänischer  Konsul  in  Naga- 
saki, wohnhaft  in  Nagasaki,  Gura  Nr.  7. 

In  Sachen  der  Beschlagnahme  von  Ladungsstücken  des  russischen 
Dampfers  „Manchuria"  wird,  wie  folgt,  entschieden. 

Urteilsformel: 
Die  zur  Verhandlung  stehende  Reklamation  wird  abgewiesen. 

Tatbestand  und  Gründe: 
Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter,  nämlich  3  Kisten  mit  Bett- 
zeug, Büchern  und  verschiedenen  anderen  Gegenständen,  sind  von  der 
christlichen  Missionsgesellschaft  in  Kopenhagen,  Dänemark,  an  die 
dänische  Missionsgesellschaft  in  Port  Arthur  abgesandt  und  auf  dem 
der  russisch-ostasiatischen  Dampfergesellschaft  gehörigen  Dampfer  „Man- 
churia"  verschifft  worden.  Am  30.  Januar  1904  verließen  sie  Hongkong 
und  wurden  auf  der  Reise  nach  Port  Arthur  am  9.  Februar  desselben 

153 


Abschnitt  Vis»  Prisengerichtsentscheidungen :  .Manchuria** 

Jahres,  vormittags,  auf  der  See  bei  Port  Arthur  von  dem  Kaiserlich 
japanischen  Kriegsschiff  „Tatsuta"  zusammen  mit  dem  genannten 
Dampfer  beschlagnahmt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Reklamationsschrift, 
die  schriftliche  Aussage  des  Stellvertreters  des  Kommandanten  der 
„Tatsuta'',  Kapitänleutnants  Kihara  Seiske,  die  Vernehmungsproto- 
kolle des  Kapitäns  K.  Prahl  und  des  1.  Offiziers  ,0.  Tampio,  das 
Ladungsverzeichnis  und  das  Schiffsjournal  des  genannten  Dampfers. 

Der  Reklamant  bringt  vor,  er  erhebe  die  Reklamation  in  ::einer 
Eigenschaft  als  Konsul  Seiner  Majestät  des  Königs  von  Dänemark.  Die 
zur  Verhandlung  stehenden  Güter  seien  bestimmt  für  dänische  Staats- 
angehörige in  Port  Arthur,  seien  weder  Kriegskonterbande  noch  Ver- 
mögensstücke feindlicher  Staatsangehöriger  und  könnten  deshalb  nicht 
eingezogen  werden. 

Der  Reklamant  ist  bei  dem  Termin  zur  mündlichen  Verhandlung, 
trotzdem  ihm  derselbe  bekannt  gegeben  war,  nicht  erschienen. 

Der  Staatsanwalt  sagt  in  den  Hauptpunkten,  die  Reklamation  sei 
nicht  gesetzmäßig,  da  die  Eigenschaft  als  Konsul  nicht  ohne  weiteres 
die  eines  Interessenten  im  Sinne  de»  Prisenordnung  nach  sich  zöge. 

Was  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  angehe,  so  seien  sie 
alle  für  die  dänische  Missionsgesellschaft  bestimmte  Bücher  und  Gegen- 
stände des  täglichen  Gebrauchs,  die  keine  Kriegskonterbande  darstellten, 
sondern  lediglich  als  Gegenstände,  die  religiösen  Zwecken  zugute  kämen, 
anzusehen  seien.  Ihre  Freigabe  entspreche  daher  dem  Gedanken  des 
Schutzes  religiöser  Bestrebungen. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Nach  §  16,  Abs.  2  der  Prisengerichtsordnung  i)  ist  eine  wesent- 
liche Bedingung  für  die  Erhebung  einer  Reklamation,  das  Vorhanden- 
sein rechtlichen  Interesses.  Der  Reklamant  hat  jedoch  mit  Bezug  auf 
die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  keinerlei  Interesse  nachgewiesen. 
Wenn  er  lediglich  auf  Grund  seiner  Eigenschaft  als  dänischer  Konsul 
im  Interesse  seiner  Schutzgenossen  reklamiert,  so  kann  ihm  weder  die 
Eigenschaft  eines  Reklamanten  noch  auch  die  des  Stellvertreters  eines 
solchen  zuerkannt  werden.  Der  Reklamant  hat  aber  nicht  bewiesen, 
daß  er  von  den  Interessenten  irgendwelche  Reklamationsvollmachten 
erhalten  hat,  und  es  ist  daher  anzunehmen,  daß  er  nicht  imstande 
gewesen  ist,  die  nach  §  17,  Abs.  2  der  Prisengerichtsordnung  vor- 
geschriebene Vollmacht  beizubringen.  Daher  ist  die  zur  Verhandlung 
stehende  Reklamation  nicht  gesetzmäßig. 

Da  die  Reklamation  schon  an  und  für  sich  den  gesetzlichen  Vor- 
schriften  nicht  entspricht,  so  muß  sie  abgewiesen  werden,   ohne  daß 

»)  IV. 
154 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Manchuria'.  Abschnitt  Vis« 

über  die  weiteren   Anführungen   des   Reklamanten    Entscheidung    ge- 
troffen werden  kann.*) 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  26.  Mai  1904  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Beisein 
des  Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurokuro. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Die  Filiale  der  Firma  JardineMatheson&Co., 
Hauptagentur  der  China  Sugar  Refining  Company,  vertreten  durch  ihren 
Prokuristen,  den  englischen  Staatsangehörigen  Reginald  Walter 
HcyshamWood. 

In  Sachen  der  Beschlagnahme  von  Ladungsstücken  des  russischen 
Dampfers  „Manchuria"  wird,  wie  folgt,  entschieden. 

Urteilsformel: 
Die  auf  dem  Dampfer  „Manchuria"  verladenen  30  Fässer  Rum 
xi  erder  eingezogen. 

Tatbestand  und  Gründe: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  30  Fässer  Rum  wurden  auf  Be- 
stellung der  russischen  Firma  Ginsburg  &  Co.  in  Port  Arthur  von 
der  engl,  offenen  Handelsgesellschaft  Jardine,  Matheson  &Co.  in 
Hongkong  am  30.  Januar  1904  auf  dem  der  russisch-ostasiatischen 
Dampfergesellschaft  gehörigen  Dampfer  „Manchuria''  verschifft  und  auf 
demselben  an  die  Firma  Ginsburg&Co.  abgeschickt.  Am  9.  Februar 
desselben  Jahres,  vormittags,  wurden  dieselben  auf  der  Reise  nach  Port 
Arthur  in  den  dortigen  Gewässern  zusammen  mit  dem  genannten 
Dampfer  von  dem  Kaiserlich  japanischen  Kriegsschiff  „Tatsuta"  be- 
schlagnahmt. 

Diese  Tatsachen  sind  nicht  nur  von  dem  Reklamanten  anerkannt, 
sondern  sie  werden  auch  bewiesen  durch  die  schriftliche  Aussage  des 
Vertreters  des  Kommandanten  der  „Tatsuta",  des  Kapitänleutnants 
Kihara  Seiske,  die  Verhandlungsprotokolle  des  Kapitäns  K.  Prahl 
und  des  1.  Offiziers  O.  Tampio,  das  Ladungsverzeichnis  und  das 
Schiffsjournal  des  genannten  Dampfers. 

Der  Reklamant  bringt  in  der  Hauptsache  vor,  daß  die  zur  Ver- 
handlung stehenden  Fässer  Rum  freilich  auf  Bestellung  des  Empfängers 
G  i  n  s  b  u  r  g  abgesandt  worden  seien,  daß  aber  vermöge  der  getroffenen 


')  Ober  die  reklamierten  Gegenstände  ist  entschieden  in  VI  5  a. 

155 


Abschnitt  VIS«  Prisengerichtsentscheidungen:  .IHanchuria*. 

Vereinbarung,  daß  der  Kaufpreis  für  dieselben  erst  nach  ihrer  Landung 
In  Port  Arthur  gezahlt  werden  solle,  die  Waren,  solange  sie  nicht  in  die 
Hände  des  Empfängers  gelangt  seien,  noch  im  Eigentum  der  Absender, 
der  China  Sugar  Refining  Company  stünden  und  deshalb  freizugeben 
seien. 

Der  Staatsanwalt  macht  dagegen  geltend,  daß  das  Eigentum  an 
den  zur  Verhandlung  stehenden  Gütern  nicht  als  dem  Reklamanten 
zustehend  erachtet  werden  könne,  daß  dieselben  daher  als  Eigentum 
des  dem  feindlichen  Staat  angehörigen  Empfängers  für  gute  Prise  zu 
erklären  seien. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Es  ist  ein  allgemein  anerkannter  Rechtsgrundsatz,  daß  das  Eigen- 
tum an  Handelswaren,  welche  auf  Bestellung  versandt  werden,  gleich- 
viel ob  der  Kaufpreis  zur  Zeit  der  Versendung  schon  bezahlt  ist  oder 
nicht,  mangels  einer  besonderen  Abmachung  mit  der  Zeit  der  Ab- 
sendung auf  den  Empfänger  übergeht.  Da  aber  die  zur  Verhandlung 
stehenden  30  Fässer  Rum  auf  Bestellung  an  die  russische  Firma  0  i  n  s  - 
b  u  r  g  &  C  o.  in  Port  Arthur  versandt  worden  sind,  und  da  der  Rekla- 
mant bezüglich  des  Zeitpunkts  des  Eigentumsübergangs  keinerlei  gegen- 
teilige Beweise  hat  beibringen  können,  so  ist  es  billig  anzunehmen, 
daß  das  Eigentumsrecht  an  den  genannten  Gütern  zur  Zeit  der  Beschlag- 
nahme auf  die  russische  Firma  übergegangen  war. 

Da  nun  diese  der  russischen  Firma  gehörigen  Güter  auf  einem 
russischen  Schiff  verladen  worden  sind,  so  sind  sie  als  feindliche  Güter 
auf  feindlichem  Schiff  für  gute  Prise  zu  erklären  ^)  und  einzuziehen.  ^) 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  26.  Mai  1904  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Beisein 
des  Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurokuro. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Der  deutsche  Reichsangehörige  A.  Gese-,  Proku- 
rist der  Firma  Kunst  &  Albers  in  Nagasaki,  Oura  Nr.  9. 

In  Sachen  der  Beschlagnahme  von  Ladungsstücken  des  russischen 
Dampfers  „Manchuria"  wird,  wie  folgt,  entschieden: 

Urteilsformel: 
Die     auf     dem    Dampfer    „Manchuria"    verladenen     14    Kisten 
Maschinenteile  werden  eingezogen. 

')  V.  §§  8,  3  und  4.  —  2)  §  40. 
156 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Manchuria'.  Abschnitt  Vis^ 

Die  Reklamation  bezüglich  der  Fracht  für  die  genannten  Güter 
vird  abgewiesen. 

Tatbestand  und  Gründe: 
Die  zur  Verhandlung  stehenden  14  Kisten  Maschinenteile  sind  von 
der  Mekaniska  Verkstad  in  Stockholm,  Schweden,  mrt  Bestimmung  für 
die  deutsche  Kommanditgesellschaft  Kunst  &  Albers  in  Port  Arthur 
auf  dem  der  russisch-ostasiatischen  Dampfergesellschaft  gehörigen 
Dampfer  ,,Manchuria"  verschifft  und  abgesandt  worden.  Auf  dieser 
Reise  wurden  sie  am  7.  Februar  vormittags  von  dem  Kaiserlich  japa- 
nischen Kriegsschiff  „Tatsuta"  zusammen  mit  dem  genannten  Dampfer 
auf  der  Höhe  von  Port  Arthur  mit  Beschlag  belegt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Reklamationsschrift, 
die  Aussageschrift  des  Vertreters  des  Kommandanten  des  beschlag- 
nehmenden Kriegsschiffs,  Kapitänleutnants  Kihara  Seiske,  die  Ver- 
nehmungsprotokolle des  Kapitäns  K.  Prahl,  des  1.  Offiziers  O.  Tam- 
pio,  das  Ladungsverzeichnis  und  das  Schiffsjournal  des  genannten 
Dampfers. 

Die  Hauptpunkte  des  Reklamanten  sind  folgende: 
Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  stünden  im  Eigentum  der 
Fmpfänger  Kunst  &  Albers,  einer  deutschen  Firma.  Die  Güter 
seien  vor  Eröffnung  des  Kriegs  verschifft.  Sie  müßten  daher  als  neu- 
trale Güter  behandelt  und  freigegeben  werden.  Ferner  beantrage  der 
Reklamant  Ersatz  von  311.80  Yen  Frachtkosten  für  die  genannten  Güter. 
Zur  mündlichen  Verhandlung  ist  der  Reklamant  trotz  erhaltener 
Ladung  nicht  erschienen. 

Die   Hauptpunkte  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  sind  folgende: 
Da  die  Anführungen  des  Reklamanten  sämtlich  unbegründet  seien, 
so  müßten  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  als  feindliche  Güter 
auf  feindlichem  Schiff  eingezogen  werden. 
Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Es  ist  ein  allgemeiner  Grundsatz,  daß  die  Frage,  ob  Güter  feindlich 
sind  oder  nicht,  sich  ungeachtet  der  Nationalität  des  Eigentümers  nach 
dessen  gegenwärtigem  Wohnsitz  entscheidet,  i)  Obwohl  demnach  der 
Empfänger,  die  Firma  Kunst  &  Albers,  eine  deutsche  Kommandit- 
gesellschaft ist,  müssen  doch  die  ihr  gehörigen,  zur  Verhandlung  ste- 
henden Güter,  weil  sie  ein  Handelsgeschäft  in  dem  feindlichen  Port 
.\rthur  hat,  für  feindliche  Güter  erachtet  werden. 

Dem  weiteren  Vorbringen  des  Reklamanten,  daß  die  zur  Ver- 
handlung stehenden  Güter  vor  der  Kriegszeit  verschifft  worden  seien, 
ist  entgegenzuhalten,  daß  es  ein  allgemein  anerkannter  Grundsatz  des 
Xölkerrechts  ist,  daß  feindliche  Güter  auf  feindlichem  Schiff  zur  Kriegs- 


')  V.  §§  8,  3  und  4. 

157 


Abschnitt  VI>'  Prisengerichtsentscheidungen:  .Manchuria'. 

zeit  unbekümmert  um  die  Zeit  ihrer  Verschiffung  beschlagnahmt  werden 
können. 

Daher  sind  die  zur  Verhandlung  stehenden  14  Kisten  Maschinen- 
teile für  gute  Prise  zu  erklären  und  einzuziehen.*) 

Was  den  Antrag  bezüglich  der  Frachtkosten  angeht,  so  liegt  die 
Entscheidung  hierüber  nicht  im  Bereich  des  Prisengerichts,  und  die 
Reklamation  über  diesen  Punkt  muß  abgewiesen  werden. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  26.  Mai  1904  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Beisein 
des  Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurokuro. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  A.  Qese,  deutscher  Reichsangehöriger,  Prokurist 
der  Firma  Kunst  &  Albers,  Kommanditgesellschaft,  Nagasaki  Oura 
Nr.  8. 

Prozeßvertreter:  Ishibashi  Tomokichi.,  Nagasaki,  Togi- 
yamachi  Nr.  41. 

Am  26.  Mai  1904  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  Sachen 
der  am  9.  Februar  1904  18  Seemeilen  südöstlich  von  Port  Arthur  von 
dem  Kaiserlich  japanischen  Kriegsschiff  „Tatsuta''  beschlagnahmten,  an 
Bord  des  russischen  Dampfers  „Manchuria"  verschifften  14  Kisten 
Maschinenteile  auf  Einziehung  derselben  erkannt  und  die  Reklamation 
bezüglich  der  Fracht  der  genannten  Güter  abgewiesen.  Gegen  dieses 
Urteil  hat  der  Prozeßvertreter  des  Reklamanten  A.  G  e  s  e ,  der  Rechts- 
anwalt Ishibashi  Tomokichi,  die  Berufung  eingelegt,  welche  im 
Oberprisengericht  im  Beisein  der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku 
und  Ishiwatari  Binichi  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  und  Gründe  der  Berufung  des  Prozeßvertreters 
Ishibashi  Tomokichi  sind  folgende: 

1.  Der  Verschiffer  der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  sei  eine 
in  Stockholm,  Schweden,  niederlässige,  also  neutrale  Maschinenbau- 
gesellschaft. Die  Empfängerin  der  Güter  sei  die  deutsche  Firma  Kunst 
&  Albers  in  Port  Arthur,  also  eine  im  Feindesland  ansässige,  neutrale 
Gesellschaft. 

Das  Urteil  erster  Instanz  nehme  an,  daß  das  Eigentum  an  den 
Gütern  dem  Empfänger  zustehe,  dieselben  daher  feindlichen  Charakter 
trügen.  Reklamant  sei  der  Ansicht,  daß  das  Eigentumsrecht  erst  nach 
Ankunft    im    Bestimmungshafen    und    Ablieferung   an    den    Empfänger 

^)  V.  §  40. 
158 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Manchuria".  Abschnitt  VI  6' 

auf  diesen  übergehe  und  daß  der  Absender  dasselbe  nicht  mit  dem 
Zeitpunkt  der  Verschiffung  verliere.  Berechtigung  und  VerpfHchtung 
mit  Bezug  auf  die  Güter  trage  bis  zum  Zeitpunkt  ihrer  Ankunft  im 
Bei^tiinmungshafen  und  Ablieferung  an  den  Empfänger  selbstverständlich 
der  Absender.  So  bestimme  zum  Beispiel  das  japanische  Handels- 
gesetzbuch im  8.  Abschnitt  des  3.  Buches  und  im  3.  Abschnitt  des 
5.  Buches,  daß  im  Falle  des  Unterganges  der  Güter  der  Absender 
gegen  den  Reeder  Anspruch  auf  Schadensersatz  habe  und  daß  der 
Empfänger  erst  nach  Empfang  der  Güter  zur  Leistung  von  Fracht- 
und  sonstigen  Kosten  verpflichtet  sei.  Es  sei  nicht  begründet,  lediglich 
weil  die  vorliegende  Sache  dem  Völkerrecht  unterstehe,  derartige  Rechts- 
bestimmungen umzudrehen.  Da  nun  die  zur  Verhandlung  stehenden 
Güter  während  der  Reise  und  ehe  sie  an  den  Empfänger  abgeliefert  ge- 
wesen, mit  Beschlag  belegt  worden  seien,  so  stehe  zweifellos  das  Eigen- 
tum an  denselben  noch  dem  Absender  zu  und  der  Reklamant  habe  die 
Reklamation  nur  in  der  Eigenschaft  eines  Interessenten  ^)  erhoben.  Wenn 
aber  so  die  Güter  als  im  Eigentum  des  neutralen  Absenders  stehend 
anzusehen  seien,  so  erwürben  sie  damit  die  Eigenschaft  neutraler  Güter 
und  seien,  weil  nicTht  Kriegskonterbande,  gemäß  Artikel  3  der  Pariser 
Seerechtsdeklaration   unzweifelhaft  freizugeben. 

2.  Selbst  aber  wenn  man  den  einen  Punkt  zugebe  und  die  Güter 
als  im  Eigentum  des  Empfängers  stehend  betrachte,  so  müsse  man  sie 
doch  für  neutrale  Güter  erklären. 

Das  Urteil  erster  Instanz  habe  die  Frage  nach  der  Neutralität 
der  Güter  nach  dem  Wohnsitz  des  Eigentümers  entschieden  und  die 
Nationalität  desselben  nicht  berücksichtigt.  Es  habe  das  Domizilprinzip 
anerkannt  und  das  Nationalitätsprinzip  abgelehnt.  Reklamant  sei  aber 
der  Ansicht,  daß  das  Nationalitätsprinzip  der  Billigkeit  entspreche.  Denn 
aus  dem  Domizilprinzip  würde  sich  die  wunderliche  Argumentation  er^ 
geben,  daß  ein  in  Rußland  lebender  Japaner  als  Feind  anzusehen  sei. 
Wenn  auch  ein  derartig  seltsames  Prinzip  in  Europa  Kurs  habe,  so  sei 
es  doch  mit  der  nationalen  Idee  Japans  nicht  in  Einklang  zu  bringen. 
Es  sei  daher  rechtmäßig,  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  als 
neutrale    zu   betrachten    und   freizugeben. 

3.  Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  seien  Ende  1903  von  der 
Maschinenbaugesellschaft  in  Schweden  verladen  worden.  Diese  habe 
veder  damals  noch  zur  Zeit  der  Aufbringung  der  Güter  irgendwelche 
Kenntnis  von  dem  möglichen  Entstehen  bzw.  Bestehen  des  Kriegs- 
zustandes zwischen  Rußland  und  Japan  gehabt,  so  daß  ihr  der  Vorwurf, 
diesen  Transport  zur  Schädigung  der  Interessen  Japans  oder  Unter- 
stutzung  des  Feindes  vorgenommen  zu  haben,  nicht  gemacht  werden 

■)  Also  nicht  als  Eigentümer. 

159 


Abschnitt  VI^^  Prisengerichtsentscheidungen:  .IHanchuria"« 

könne.  Daher  könnten  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  nach 
Artikel  6,  23  und  30  der  von  dem  Kongreß'  für  internationale  Rechts- 
wissenschaft im  Jahre  1882  den  Mächten  unterbreiteten  Seeprisenordnung 
nicht  eingezogen  werden.  Freilich  sei  Japan  diesen  Bestimmungen  nicht 
ausdrücklich  beigetreten,  aber,  da  das  Völkerrecht  überhaupt  keine  be- 
stimmte gesetzliche  Formulierung  besitze,  vielmehr  die  von  einer  Anzahl 
Gelehrten  aufgestellten  und  von  einer  Anzahl  von  Staaten  anerkannten 
Rechtsregeln  die  völkerrechtlichen  Grundsätze  bildeten,  so  verdienten 
die  erwähnten  Bestimmungen  alle  Beachtung. 

4.  Da  der  Krieg  ein  Verhältnis  zwischen  den  Staaten  als  solchen 
begründe,  zu  dem  die  Individuen  in  keiner  direkten  Beziehung  stünden, 
so  müsse  für  Güter  zur  See  wie  für  die  zu  Lande  der  Grundsatz  der 
Unverletzlich keit  des  Privatvermögens  gelten,  woraus  sich  als  logische 
Folge  ergebe,  daß  auch  das  Privatvermögen  feindlicher  Staatsangehöriger, 
soweit  es  nicht  Konterbande  sei,  nicht  zum  Objekt  einer  Beschlagnahme 
gemacht  werden  dürfe.  Reklamant  hoffe  daher,  daß  Japan  sich  nicht 
nach  dem  schlechten  Vorgange  und  den  eigenmächtig  aufgestellten 
Grundsätzen  von  Mächten  richten  werde,  welche  um  Vorteils  willen 
die  Rechtslogik  verdrehten  und  verwirrten,  sondern  daß  es  zu  einer 
Zeit,  wo  es  gegen  den  Feind  der  Humanität  und  des  Weltfriedens  kämpfe, 
neben  seiner  nationalen  Machtentwicklung  auch  die  Förderung  von  Recht 
und  Vernunft  im  Auge  behalten  werde.  Daher  müsse  es  jetzt  seine 
Größe  beweisen,  indem  es  auch  für  das  Privatvermögen  zur  See  den 
Grundsatz  der  Unverletzlichkeit  zur  Ausführung  bringe. 

5.  Der  durch  unrechtmäßiges  Vorgehen  des  Staates  von  dem  Rekla- 
manten erlittene  Schaden  an  Fracht  müsse  billigerweise  vom  Staate 
wieder  ersetzt  werden.  Die  erste  Instanz  habe  die  Entscheidung  über 
diese  Schadensersatzfrage  als  außer  ihrer  Kompetenz  liegend  abgewiesen. 
Reklamant  sei  indes  der  Ansicht,  daß  der  Ausdruck  „Prisenangelegen- 
heiten'' des  §  1  der  Prisengerichtsördnung  auch  diesen  Punkt,  welcher 
mit  dei  Hauptreklamation  in  rechtlichem  Zusammenhang  stehe,  in  sich 
schließe. 

Der  Staatsanwalt  Hayashi  Ei  j  uro  vom  Sasebo  Prisengericht 
macht  hiergegen  folgende  Hauptpunkte  geltend: 

Punkt  1  und  2  der  Berufungsschrift  gehe  dahin,  daß  ganz  all- 
gemein Frachtgüter  bis  zum  Zeitpunkt  der  Ankunft  im  Bestimmungs- 
ort und  der  Ablieferung  an  den  Empfänger  im  Eigentum  des  Ab- 
senders stünden  und  daß  daher  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter, 
weil  ihr  Absender  eine  in  Stockholm  in  Schweden  niederlässige,  neu- 
trale Maschinenbaugesellschaft  sei,  nicht  eingezogen  werden  könnten; 
ferner  daß,  selbst  wenn  man  annähme,  die  Güter  stünden  im  Eigentum 
des  Empfängers,  sich  ihre  Nationalität  nicht  nach  dem  Wohnsitz,  sondern 
nach  der  Nationalität  des  Eigentümers  richtete. 

160 


Prisengerichtsentscheidungen:  »Manchuria*.  Abschnitt  VIS' 

Es  sei  jedoch  die  verbreitete  völkerrechtliche  Anschauung,  daß  die 
Frage,  ob  Güter  feindlich  seien  oder  nicht,  sich  nach  dem  Wohnort 
des  Eigentümers  entscheide,  und  daß  Güter,  welche  an  einen  im  Feindes- 
land wohnenden  Empfänger  abgesandt  seien,  mangels  besonderen  gegen- 
teiligen Beweises  mit  dem  Zeitpunkt  der  Absendung  als  in  das  Eigen- 
tum des  Empfängers  übergegangen  anzusehen  seien.  Daher  seien  die 
zur  Verhandlung  stehenden  Güter,  weil  sie  für  einen  im  feindlichen 
Port  Arthur  ansässigen  Empfänger  bestimmt  gewesen  seien  und  weil 
kein  klarer  Beweis  dafür  vorliege,  daß  das  Eigentumsrecht  an  denselben 
zur  Zeit  der  Beschlagnahme  noch  dem  Absender  zugestanden  habe, 
in  dem  erstinstanzlichen  Urteil  zu  Recht  als  feindliche  erkannt,  und 
das  Urteil  auf  Einziehung  sei  gerechtfertigt. 

Im  3.  Punkte  behaupte  der  Reklamant,  die  zur  Verhandlung 
stehenden  Güter  seien  Ende  1903  in  Schweden  von  der  Maschinenbau- 
gesellschaft verladen,^  welche  weder  damals  noch  zur  Zeit  der  Auf- 
bringung der  Güter  von  dem  eventuellen  Entstehen  des  Kriegszustands 
zTischen  Japan  und  Rußland  irgendwelche  Kenntnis  gehabt  habe,  so 
daß  ihr  der  Vorwurf  der  Schädigung  der  Interessen  Japans  nicht  ge- 
macht werden  könne.  Daher  könnten  die  zur  Verhandlung  stehenden 
Güter  nach  den  in  Artikel  6,  23  und  30  der  von  dem  Kongreß  für 
internationale  Rechtswissenschaft  im  Jahre  1882  beschlossenen  Seeprisen- 
ordnung enthaltenen  Prinzipien  nicht  beschlagnahmt  werden. 

Diese  Bestimmungen  gingen  jedoch  über  die  Bedeutung  von  Privat- 
ansichten Gelehrter  nicht  hinaus  und  könnten  zurzeit  noch  nicht  als 
Grundsatze  des  Völkerrechts  betrachtet  werden.  Eine  Pflicht,  sie  an- 
zunehmen, bestehe  daher  nicht. 

Im  Punkte  4  sage  der  Reklamant,  da  der  Krieg  ein  Verhältnis 
zwischen  den  Staaten  als  solchen  begründe,  zu  dem  die  Individuen  in 
keiner  direkten  Beziehung  stünden,  so  müsse  für  Güter  zur  See  in 
gleicher  Weise  wie  für  solche  zu  Lande  der  Grundsatz  der  Unverletzlich- 
keit des  Privatvermögens  gelten.  Selbst  feindliches  Privateigentum  dürfe 
daher,  soweit  es  sich  nicht  um  Kriegskonterbande  handele,  nicht  zum 
Objekt  einer  Beschlagnahme  gemacht  werden. 

Bezüglich  von  Gütern  zur  See  erkenne  jedoch  sowohl  die  Pariser 
Seerechtsdeklaration  von  1856  wie  auch  die  japanische  Prisengerichts- 
ordnung den  fundamentalen  Grundsatz  an,  daß  feindliche  Güter  auf 
feindlichem  Schiff,  auch  wenn  sie  Privateigentum  seien,  eingezogen 
Verden  könnten.  Es  sei  daher  selbstverständlich,  daß  dieser  Grundsatz 
in  dem  vorliegenden  Falle  angewendet  werde. 

Im  Punkt  5  führe  der  Reklamant  an,  daß  das  Prisengericht  erster 
Instanz  über  seinen  Antrag  auf  Schadenersatz  Entscheidung  hätte  treffen 
müssen. 

Die  Prisengerichtsordnung  bestimme  jedoch,  daß  die  Prisengerichte 

Mtrstr»nd-Meohlenbarg,  Dm  japaniflohe  Priaenreoht.    Band  1.      (11)  161 


Abschnitt  VIS'  Prisengerichtsentscheidiuigen :  .Manchuria*- 

nur  über  Prisenangelegenheiten  zu  entscheiden  hätten,  und,  da  demnach 
Schadenersatzforderungen  nicht  in  ihren  Amtsbereich  gehörten,  so  sei 
dieser  Antrag  des  Reklamanten  von  dem  Gericht  erster  Instanz  zu 
Recht  abgewiesen  worden. 

Aus  diesen  Gründen  werde  die  Abweisung  der  Berufung  be- 
antragt. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  sind  von  der  „Mekaniska 
Verkstad''  in  Stockholm,  Schweden,  auf  dem  der  russisch-ostasiatischen 
Dampfschiffahrtsgesellschaft  gehörigen  Dampfer  „Manchuria"  an  die 
Kommanditgesellschaft  Kunst  &  Albers  in  dem  russischen  Pacht- 
gebiet Port  Arthur  abgesandt  worden.  Auf  der  Reise  dorthin  wurden 
sie  am  9.  Februar  1904,  also  nach  Eröffnung  des  Krieges  zwischen 
Japan  und  Rußland,  18  Seemeilen  südöstlich  von  Port  Arthur,  zusammen 
mit  dem  genannten  Schiff  von  dem  Kaiserlich  japanischen  Kriegsschiff 
„Tatsuta''  mit  Beschlag  belegt. 

Es  ist  völkerrechtliche  Praxis,  Gütern,  welche  zu  Kriegszeiten  von 
Personen,  die  in  neutralem  Lande  wohnen,  an  einen  im  feindüchen 
Gebiet  wohnhaften  Empfänger  auf  feindlichem  Schiff  versandt  werden^ 
feindlichen  Charakter  beizulegen  und  ihre  Einziehung  zu  gestatten. 
Das  Oberprisengericht  ist  der  Ansicht,  daß  dies  den  tatsächlichen  Ver- 
hältnissen gerecht  wird. 

Der  Prozeßvertreter  der  Berufung  sagt  in  seinem  ersten  Punkt,  die 
zur  Verhandlung  stehenden  Güter  stünden  im  Eigentum  des  Absenders,, 
der  in  Stockholm,  Schweden,  niederlässigen  „Mekaniska  Verkstad";  da 
dieser  Absender  eine  neutrale  Gesellschaft  sei,  so  trügen  die  zur  Ver- 
handlung stehenden  Güter  neutralen  Charakter  und  könnten  nicht  ein- 
gezogen werden.  Dieser  erste  Punkt  der  Berufung  ist  aber  aus  dem 
oben  angeführten  Grunde  nicht  haltbar. 

Im  Punkt  2  sagt  der  Berufungsreklamant,  wenn  man  die  Güter 
für  Eigentum  des  Empfängers,  der  Kommanditgesellschaft  Kunst  & 
A 1  b  e  r  s  in  Port  Arthur,  ansehe,  so  seien  sie  trotzdem  neutral,  da  diese 
Gesellschaft  deutscher  Nationalität  sei.  Denn  es  sei  ungerechtfertigt, 
wenn  das  Prisengericht  zu  Sasebo  als  Norm  für  die  Bestimmung  der 
Nationalität  der  Güter  das  Nationalitätsprinzip  verwürfe  und  das 
Domizilprinzip  anerkenne.  Nach  völkerrechtlicher  Praxis  kann  jedoch 
bei  der  Bestimmung  der  Landeszugehörigkeit  von  Gütern  das  Domizil- 
prinzip zur  Anwendung  kommen,  und  das  Oberprisengericht  steht  auf 
dem  Standpunkt,  daß  dieses  den  Verhältnissen  am  besten  Rechnung 
trägt.    Daher  ist  Punkt  2  der  Berufung  unbegründet. 

Punkt  3  der  Berufung  besagt,  daß  die  Güter  vor  der  Kriegs- 
eröffnung verschifft  worden  seien;  daß  die  Absenderin  weder  zur  Zeit 
der  Verschiffung  von   dem    möglichen    Eintreten,   noch   zur  Zeit   der 

162 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Manchuria'.  Abschnitt  Vis« 

Aufbringung  von  dem  erfolgten  Eintritt  des  Kriegszustands  zwischen 
Japan  und  Rußland  Kenntnis  gehabt  habe;  daß  die  Verschiffung  weder 
zum  Nutzen  des  Feindes  noch  in  der  Absicht,  Japan  zu  schädigen, 
geschehen  sei  und  daß  die  Güter  deshalb  der  Einziehung  nicht  unter- 
liegen könnten.  Nach  Völkerrechtsbrauch  ist  aber  darin,  daß  die 
Güter  vor  der  Kriegseröffnung  verladen  worden  sind,  daß  der  Kapitän 
oder  der  Absender  von  der  Kriegseröffnung  keine  Kenntnis  hatten,  daß 
die  Verschiffung  der  Güter  ohne  Absicht  der  Unterstützung  des  Feindes 
oder  Schädigung  des  anderen  Teiles  geschehen  ist,  kein  Grund  zu 
sehen,  weshalb  Güter  mit  feindlichem  Charakter  der  Aufbringung  ent- 
gehen sollten.    Daher  ist  auch  Punkt  3  der  Berufung  grundlos. 

Punkt  4  der  Berufungsgründe  trägt  eine  wissenschaftliche  Theorie 
vor,  die  indes  bis  jetzt  keine  Bestimmung  des  Völkerrechts  ist,  und  damit 
fällt  auch  dieser  Punkt  der , Berufung  hin. 

Im  Punkt  5  erklärt  der  Reklamant  es  für  unrechtmäßig,  daß  das 
Sasebo-Prisengericht  die  Reklamation  wegen  der  Fracht  abgewiesen  habe, 
aber  da  unsere  Prisengerichtsordnung  die  Prüfung  von  Schadenersatz- 
ansprüchen nicht  dem  Tätigkeitsbereich  der  Prisengerichte  unterstellt 
hat  so  entbehrt  auch  dieser  Beruf ungspunkt  der  Begründung. 

Daher  wird,  wie  folgt,  entschieden : 

Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  17.  Januar  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Der  naturalisierte  englische  Staatsuntertan  Y  u  H  o  i 
Chou,  wohnhaft  in  Hongkong  Queens  Road  Central,  Victoria  Street 
136—138. 

ProzeBvertreter;  Rechtsanwalt  IshibashiTomokichi,  Na- 
Nagasaki,  Togiyamachi  Nr.  41. 

In  Sachen  der  Beschlagnahme  von  Ladungsstücken  des  russischen 
Dampfers  „Manchuria"  wird,  wie  folgt,  entschieden: 

Urteilsformel: 
Die  auf  dem  Dampfer  „Manchuria"  verschifften  8  Kisten  Seiden- 
tücher werden  eingezogen. 

Tatbestand   und   Gründe: 
Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  wurden  von  dem  Rekla- 
manten am  1.  Februar  1904  auf  dem  in  Hongkong  liegenden  russischen 

(11*)  163 


Abschnitt  VI^^  Prisengerichtsentscheidungen;  .Manchuria". 

Dampfer  „Manchuria''  verladen  und  an  Wing  Kee  im  russischen 
Pachtgebiet  Dalni  abgesandt.  Am  9.  Februar  desselben  Jahres,  vor- 
mittags 9  Uhr,  wurden  sie  auf  der  Höhe  von  Port  Arthur  zusammen 
4nit  dem  genannten  Dampfer  von  dem  Kaiserlich  japanischen  Kriegs- 
schiff „Tatsuta"  beschlagnahmt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Stellvertreters  des  Kommandanten  des  beschlagnehmenden  Schiffs,  des 
Kapitänleutnants  Kihara  Seiske,  die  Vernehmungsprotokolle  des 
Kapitäns  K.  Prahl  und  des  2.  Offiziers  des  genannten  Dampfers 
O.  Tampio,  das  Schiffsjournal,  das  Ladungsverzeichnis  und  die 
Konnossemente. 

Die  Hauptpunkte  des  Vertreters  des  Reklamanten  sind  folgende : 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  seien  Eigentum  des  neutralen 
Reklamanten  und  keine  Kriegskon terbandt.  Sie  seien  vor  Eröffnung 
des  Krieges  zwischen  Japan  und  Rußland  abgeschickt  und  könnten  aus 
diesen  Gründen  nicht  beschlagnahmt  werden. 

Die  Ansicht  des  Staatsanwalts  ist  im  wesentlichen  folgende: 

Es  sei  keine  Spur  eines  Beweises  dafür  vorhanden,  daß  die  zur 
Verhandlung  stehenden  Güter  im  Eigentum  des  neutralen  Absenders 
stünden.  Sie  seien  feindliche  Güter  auf  feindlichem  Schiff.  Daher 
müsse  das  Urteil  die  Beschlagnahme  gutheißen. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Es  ist  von  den  Bestimmungen  und  Gewohnheiten  des  jetzt  gel- 
tenden Völkerrechts  anerkannt,  daß  feindliche  Güter  auf  feindlichem 
Schiff,  gleichgültig  ob  sie  Konterbande  sind  und  ob  sie  vor  dem  Kriege 
abgeschickt  sind  oder  nicht,  zu  Kriegszeiten  natürlich  der  Beschlagnahme 
unterliegen. 

Da  ferner  der  Charakter  von  Gütern  als  feindlichen  Gütern  sich 
nach  dem  Wohnsitz  des  Eigentümers  bestimmt,  i)  so  sind  Güter,  welche 
von  einem  Absender  in  einem  neutralen  Lande  an  einen  Empfänger 
in  feindlichem  Gebiet  abgeschickt  werden,  als  im  Eigentum  des 
Empfängers  im  Feindesgebiet  stehend  anzusehen  und  der  Gegenbeweis 
muß  von  den  Interessenten  geführt  werden. 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  sind  auf  dem  feindlichen 
Dampfer  „Manchuria''  verschifft  und  an  ein  in  dem  feindlichen  Pacht- 
gebiet Dalni  niederlässiges  Handelshaus  abgeschickt  worden.  Es  wird 
nicht  bestritten,  daß  die  Aufbringung  nach  der  Kriegseröffnung  statt- 
gefunden hat. 

Da  der  Prozeßvertreter  des  Reklamanten  lediglich  die  Behauptung 
aufstellt,  die  Güter  stünden  im  Eigentum  des  Absenders,  welcher  ein 
neutraler  Staatsangehöriger  sei,  ohne  indes  irgendwelchen  Beweis  hier- 


0  V.  §§  8,  3  und  4. 
164 


Prisengerichtsentscheidungeii:  .Manchurla'.  Abschnitt  Vis 

für  zu  erbringen,  so  sind  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  als 
feindliche  Güter  auf  feindlichem  Schiff  einzuziehen.  2) 
Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  26.  Mai  1904  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Beisein 
des  Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurokuro. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Vu  Hoi  Chou,  naturalisierter  englischer  Staats- 
angehöriger, wohnhaft  in  Hongkong,  Queen's  Road  Central,  Victoria- 
Street  Nr.  136—138. 

ProzeBvertreter:    Rechtsanwalt    Ishibashi    Tomokichi, 
Nagasaki,  Togiyamachi  Nr.  41. 

Am  26.  Mai  1904  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  Sachen  der 
Beschlagnahme  der  auf  dem  russischen  Dampfer  „Manchuria"  ver- 
schifften 8  Kisten  Seiden tücher,  welche  am  9.  Februar  1904  18  Seemeilen 
südöstlich  von  Port  Arthur  zusammen  mit  dem  genannten  Dampfer 
von  dem  Kaiserlich  japanischen  Kriegsschiff  „Tatsuta"  beschlagnahmt 
worden  sind,  ein  Urteil  gefällt,  in  welchem  auf  Einziehung  der  genannten 
Güter  erkannt  wird.  Gegen  dieses  Urteil  hat  der  Vertreter  des  Rekla- 
manten Yu  Hoi  Chou,  der  Rechtsanwalt  IshibashiTomokichi, 
die  Berufung  eingelegt,  welche  im  Oberprisengericht  im  Beisein  der 
Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku  und  Ishiwatari  Binichi  ge- 
prüft worden  ist. 

Die  Berufungspunkte  des  Prozeßvertreters  Ishibashi  Tomo- 
kichi und  deren  Begründung  sind  folgende: 

1.  Der  Verlader  der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  sei  der  in 
Hongkong  wohnhafte  naturalisierte  englische  Staatsuntertan  Yu  Hoi 
Chou,  also  ein  neutraler  Staatsangehöriger,  der  Empfänger  Wing 
Kee  in  Dalni,  ein  neutraler  Staatsangehöriger  in  feindlichem  Gebiet  an- 
sässig. Das  Urteil  erster  Instanz  habe  dahin  erkannt,  daß  die  Güter  im 
Eigentum  des  Empfängers  stünden  und  daher  feindlichen  Charakter 
hätten.  Frachtgüter  gingen  aber  erst  nach  Ankunft  im  Bestimmungs- 
hafen und  Ablieferung  an  den  Empfänger  in  das  Eigentum  dieses  über, 
und  der  Absender  verliere  keineswegs  sein  Eigentum  mit  dem  Moment 
der  Verschiffung.  Der  Absender  sei  Träger  der  Rechte  und  Ver- 
pflichtungen mit  Bezug  auf  die  Frachtgüter,  solange  dieselben  noch 
nicht  im  Bestimmungshafen  eingetroffen  und  dem  Empfänger  abgeliefert 

*)  V.  §  40. 

165 


Abschnitt  VI  <  •  Prisengerichtsentscheidungen :  .  Manchuria' . 

seien.  So  bestimme  zum  Beispiel  das  japanische  Handelsgesetzbuch 
im  8.  Abschnitt  des  3.  Buches  und  im  3.  Abschnitt  des  5.  Buches, 
daß  im  Falle  des  Untergangs  der  Güter  der  Ablader  gegen  den  Reeder 
Anspruch  auf  Schadenersatz  habe  und  daß  der  Empfänger  erst  nach 
Empfang  der  Güter  zur  Leistung  von  Fracht-  und  sonstigen  Kosten 
verpflichtet  sei.  Es  sei  nicht  begründet,  lediglich  weil  die  vorliegende 
Sache  dem  Völkerrecht  unterstehe,  die  angeführten  Rechtsbestimmungen 
umzudrehen.  Da  nun  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  während 
der  Reise  und  ehe  sie  dem  Empfänger  ausgeliefert  gewesen,  mit  Be- 
schlag belegt  worden  seien,  so  stehe  zweifellos  das  Eigentum  an  denselben 
noch  dem  Absender  zu.  Wenn  aber  so  die  Güter  als  im  Eigentum  des 
Absenders  stehend  anzusehen  seien,  so  erwürben  sie  damit  die  Eigen- 
schaft neutralen  Gutes  und  seien,  weil  nicht  Kriegskonterbande  gemäß 
Artikel  3  der  Pariser  Seerechtsdeklaration,  unzweifelhaft  freizugeben. 

2.  Selbst  aber  wenn  man  den  einen  Punkt  zugebe,  daß  die  zur 
Verhandlung  stehenden  Güter  als  im  Eigentum  des  Empfängers  stehend 
zu  betrachten  seien,  so  müßten  sie  dennoch  als  neutrales  Gut  erachtet 
werden.  Das  Urteil  erster  Instanz  habe  die  Frage  nach  der  Neutralität 
der  Güter  nach  dem  Wohnsitz  des  Eigentümers  entschieden  und  die 
Nationalität  desselben  nicht  berücksichtigt;  es  habe  das  Domizilprinzip 
anerkannt  und  das  Nationalitätsprinzip  abgelehnt.  Reklamant  sei  aber 
der  Ansicht,  daß  das  Nationalitätsprinzip  der  Billigkeit  entspreche.  Denn 
aus  dem  Domizilprinzip  würde  sich  die  wunderliche  Argumentation 
ergeben,  daß  ein  in  Rußland  lebender  Japaner  als  Feind  anzusehen  sei. 
Wenn  auch  ein  derartig  seltsames  Prinzip  in  Europa  Kurs  haben  möge, 
so  sei  es  doch  mit  der  nationalen  Idee  des  Kaiserreichs  Japan  nicht  in 
Einklang  zu  bringen.  Es  sei  daher  rechtmäßig,  die  zur  Verhandlung 
stehenden  Güter  als  neutrale  zu  betrachten  und  freizugeben. 

3.  Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  seien  am  1.  Februar 
1904  von  dem  Reklamanten  in  Hongkong  verschifft  worden.  Derselbe 
habe  weder  damals  noch  auch  zur  Zeit  der  Aufbringung  der  Güter 
irgendwelche  Kenntnis  von  dem  möglichen  Entstehen  bzw.  Bestehen 
des  Kriegszustandes  zwischen  Japan  und  Rußland  gehabt,  so  daß  ihm 
der  Vorwurf,  diesen  Transport  zur  Schädigung  der  Interessen  Japans 
oder  Unterstützung  des  Feindes  vorgenommen  zu  haben,  nicht  gemacht 
werden  könne.  Daher  könnten  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter 
nach  Artikel  6,  23  und  30  der  von  dem  Kongreß  für  internationale  Rechts- 
wissenschaft im  Jahre  1882  den  Mächten  unterbreiteten  Seeprisenordnung 
nicht  eingezogen  werden.  Freilich  sei  Japan  diesen  Bestimmungen  nicht 
ausdrücklich  beigetreten,  aber,  da  das  Völkerrecht  überhaupt  keine  be- 
stimmte gesetzliche  Formulierung  besitze,  vielmehr  die  von  einer  An- 
zahl Gelehrter  aufgestellten  und  einer  Anzahl  von  Staaten  anerkannten 

166 


PrMeB0ericht8entscheldungen:  ,Manchuria'.  Abschnitt  VI&« 

Rechtsregeln  die  völkerrechtlichen  Grundsätze  bildeten,  so  verdienten 
die  erwähnten  Bestimmungen  alle  Beachtung. 

4.  Da  der  Krieg  ein  Verhältnis  zwischen  den  Staaten  als  solchen 
begründe,  zu  dem  die  Individuen  in  keiner  direkten  Beziehung  stünden, 
so  müsse  für  Güter  zur  See  in  gleicher  Weise  wie  für  die  zu  Lande  der 
Grundsatz  der  Unverletzlichkeit  des  Privatvermögens  gelten,  woraus 
sich  als  logische  Folge  ergäbe,  daß  auch  das  Privatvermögen  feindlicher 
Staatsangehöriger,  soweit  es  nicht  Konterbande  sei,  nicht  zum  Objekt 
einer  Beschlagnahme  gemacht  werden  dürfe.  Reklamant  hoffe  daher, 
daß  Japan  sich  nicht  nach  dem  schlechten  Vorgange  und  den  eigen- 
mächtig aufgestellten  Grundsätzen  von  Mächten  richten  werde,  welche 
um  Vorteils  willen  die  Rechtslogik  verdrehten  und  verwirrten,  sondern 
daß  es  zu  einer  Zeit,  wo  es  gegen  den  Feind  der  Humanität  und  des  Welt- 
friedens kämpfe,  neben  seiner  nationalen  Machtentwicklung  auch  die 
Förderung  von  Recht  und  Vernunft  im  Auge  behalten  werde.  Daher 
müsse  es  jetzt  seine  Größe  beweisen,  indem  es  auch  für  das  Privat- 
vermögen zur  See  den  Grundsatz  der  Unverletzlichkeit  zur  Ausführung 
bringe. 

Die  Erwiderung  des  Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurokuro 
vom  Prisengericht  zu  Sasebo  besagt  in  den  Hauptpunkten  folgendes: 

Der  Reklamant  sage  in  seinem  ersten  Berufungspunkte,  das  Urteil 
erster  Instanz  habe  dahin  entschieden,  dkß  das  Eigentumsrecht  an  den 
Gütern  dem  Empfänger  zustehe  und  daß  dieselben  daher  feindliche 
Güter  seien.  Es  sei  jedoch  nicht  der  Fall,  daß  das  Eigentumsrecht  an 
den  Gütern,  solange  dieselben  nicht  am  Bestimmungsort  eingetroffen 
und  dem  Empfänger  ausgeliefert  seien,  auf  diesen  übergehe  und  der 
Absender  das  Eigentum  an  ihnen  verliere  usw. 

Demgegenüber  macht  der  Staatsanwalt  geltend:  Nach  dem  zur- 
zeit von  den  Mächten  anerkannten  öffentlichen  Völkerrecht  liege  die 
Gefahr  des  Transports  von  gewöhnlichen  Handelswaren  dem  Empfänger 
ob,  und  mit  dem  Zeitpunkt,  wann  die  Waren  in  die  Hände  des  See- 
verfrachters ausgeliefert  seien,  würden  sie  Eigentum  des  Empfängers. 
In  Friedenszeiten  beachte  man  mit  Bezug  auf  Güter  zur  See  wohl  eine 
Übereinkunft  der  Beteiligten,  aber  in  Kriegszeiten  erkenne  man  ihre  be- 
sonderen Abmachungen  nicht  an,  sondern  erkläre  für  einen  feindlichen 
Empfänger  bestimmte  Güter  für  feindlich.  Ebenso  würden  im  umge- 
kehrten Fall,  wo  der  Empfänger  der  Güter  ein  neutraler  Staatsangehöriger 
sei,  wenn  auch  das  Eigentum  tatsächlich  nicht  dem  feindlichen  Absender 
zustehe,  die  Güter  doch  für  feindliche  angesehen,  sofern  nicht  der  Beweis 
geführt  würde,  daß  bereits  völliger  Eigentumswechsel  eingetreten  sei 
und  daß  dem  Verkäufer  mit  Bezug  auf  die  Waren  keinerlei  Bedingungen 
und  Rechte  zustünden.  Da  bezüglich  von  Gütern  auf  feindlichem  Schiff 
vermutet  würde,  daß  sie  feindlich  seien,  so  liege  der  Gegenbeweiß  dem 

167 


Abschnitt  Vis«  Prisengerichtsentscheidungen:  .Manchuria*. 

Eigentümer  ob.  Da  der  Empfänger  im  vorliegenden  Fall,  wo  er  ein  im 
Feindesgebiet  ansässiger  neutraler  Staatsangehöriger  sei,  der  dort  ein 
Handelsgewerbe  betreibe,  so  sei  es  unter  Zugrundelegung  des  von  Japan 
angenommenen  Prinzips  der  dauernden  Niederlassung 3)  bei  Bestimmung; 
der  Landeszugehörigkeit  desselben  klar,  daß  er  als  Feind  zu  betrachten 
sei.   Unbestreitbar  seien  daher  auch  die  Güter  feindlich. 

In  Punkt  2  erkläre  der  Reklamant,  es  vertrage  sich  nicht  mit  der 
nationalen  Idee  des  Kaiserreichs  Japan,  daß  dasselbe  das  Domizilprinzip 
bei  der  Bestimmung  der  Nationalität  von  Gütern  angenommen  habe. 
Diese  Argumentation  des  Reklamanten  sei  grundlos,  denn  angenommen, 
ein  Eigentümer  von  Gütern  habe  seinen  dauernden  Wohnsitz  im  Feindes- 
land, so  seien  die  Güter  eine  Vermögensquelle  für  den  feindlichen  Staat 
und  würden  unter  dem  Schutz .  und  der  Verwaltung  der  feindlichen 
Regierung  zu  einem  Teil  der  Einnahme  derselben  und  somit  zu  Material 
für  den  Kriegsgebrauch.  Da  auch  solche  Güter  im  Bedarfsfalle  der 
Requisition  der  feindlichen  Regierung  unterstünden,  so  müsse  man  sie 
natürlich  als  feindliche  ansehen. 

Im  Punkt  3  mache  der  Reklamant  geltend,  daß  zur  Zeit  der  Ver- 
schiffung die  Kriegseröffnung  nicht  habe  vorausgesehen  werden  können 
und  daß  selbst  bei  der  Aufbringung  die  Tatsache  des  Bestehens  des 
Kriegszustandes  nicht  bekannt  gewesen  sei.  Daher  seien  nach  der  von 
dem  Kongreß  von  Völkerrechtsgelehrten  in  Turin  beschlossenen  See- 
prisenordnung die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  freizugeben. 

Die  Bedeutung  dieses  Beschlusses  des  Gelehrtenkongresses  gehe,, 
so  erwidert  der  Staatsanwalt,  jedoch  über  die  eines  von  demselben 
geäußerten  Wunsches  nicht  hinaus,  und  da  derselbe  nicht  als  allgemeine 
Gewohnheit  des  jetzt  geltenden  Völkerrechts  angesehen  werden  könne,, 
so  brauche  er  nicht  befolgt  zu  werden.  Vielmehr  seien  Güter,  wie  die 
zur  Verhandlung  stehenden,  nämlich  feindliche  Güter  auf  feindlichem 
Schiff,  entsprechend  der  Pariser  Seerechtsdeklaration  einzuziehen. 

Was  Punkt  4  der  Berufung  angehe,  so  behandele  er  eine  Streitfrage, 
die  mit  der  vorliegenden  Sache  in  keinem  direkten  Zusammenhang- 
stehe  und  eine  Erwiderung  auf  denselben  sei  daher  nicht  nötig. 

Es  werde  daher  die  Abweisung  der  vorliegenden  Berufung  be- 
antragt. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  sind  von  Yu  Hoi  Chou 
in  Hongkong  auf  dem  der  russisch-ostasiatischen  Dampfergesellschaft 
gehörigen  Dampfer  „Manchuria"  an  Wing  Kee  im  russischen  Pacht- 
gebiet Dalni  verschifft  und  abgeschickt  worden.  Auf  der  Reise  wurden 
sie  am   9.   Februar  1904,  also  nach   Eröffnung  des  Krieges  zwischeit 

')  V.  §  4. 
168 


Pritengerichtsentscheidungen:  „Manchuria*.  Abschnitt  VI^» 

Japan  und  Rußland,  18  Seemeilen  südöstlich  von  Port  Arthur,  zusammen 
mit  dem  genannten  Schiff  von  dem  Kaiserlich  japanischen  Kriegsschiff 
„Tatsuta"  mit  Beschlag  belegt. 

Es  ist  völkerrechtliche  Praxis,  Gütern,  welche  zu  Kriegszeiten  von 
Personen,  die  in  neutralem  Lande  wohnen,  an  einen  im  feindlichen 
Gebiet  ansässigen  Empfänger  auf  feindlichem  Schiff  versandt  werden, 
feindlichen  Charakter  beizulegen  und  ihre  Einziehung  zu  gestatten.  Das 
Oberprisengericht  ist  der  Ansicht,  daß  dies  der  Logik  der  Verhältnisse 
entspricht. 

Der  Prozeßvertreter  der  Berufung  sagt  in  seinem  ersten  Punkt, 
die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  stünden  im  Eigentum  des  Ab- 
senders Yu  Hoi  Chou  in  Hongkong.  Da  dieser  Absender  eine  neu- 
trale Person  sei,  so  trügen  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  neu- 
tralen Charakter  und  könnten  nicht  eingezogen  werden.  Dieser  Punkt 
der  Berufung  ist  aber  aus  den  oben  ausgeführten  Gründen  nicht  haltbar. 

Im  Punkt  2  macht  der  Berufungsreklamant  geltend,  auch  wenn 
man  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  als  im  Eigentum  des 
Empfängers  Wing  Kee  in  Dalni  stehend  erkläre,  so  seien  sie  doch 
neutral,  da  der  genannte  Wing  Kee  ein  neutraler  Staatsuntertan  sei. 
Denn  es  sei  ungerechtfertigt,  wenn  das  Prisengericht  zu  Sasebo  als  Norm 
für  die  Bestimmung  der  Landeszugehörigkeit  der  Güter  das  Nationalitäts- 
prinzip verwerfe  und  das  Domizilprinzip  anerkenne. 

Nach  völkerrechtlicher  Praxis  kann  jedoch  bei  der  Bestimmung 
der  Landeszugehörigkeit  von  Gütern  das  Domizilprinzip  zur  Anwendung 
kommen,  und  das  Oberprisengericht  steht  auf  dem  Standpunkt,  daß  dies 
den  Verhältnissen  in  vernünftiger  Weise  Rechnung  trägt  Daher  ist 
Punkt  2  der  Berufung  unbegründet. 

Punkt  3  der  Berufung  besagt,  daß  die  Güter  vor  der  Kriegs- 
eröffnung verschifft  worden  seien,  daß  die  Absender  weder  zur  Zeit 
der  Verschiffung  noch  zur  Zeit  der  Aufbringung  von  dem  möglichen 
beziehungsweise  erfolgten  Eintreten  des  Kriegszustandes  zwischen  Japan 
und  Rußland  Kenntnis  gehabt  habe;  daß  die  Verschiffung  weder  zum 
Nutzen  des  Feindes  noch  in  der  Absicht,  Japan  zu  schädigen,  geschehen 
sei  und  daß  die  Güter  deshalb  der  Einziehung  nicht  unterliegen  könnten. 

Nach  Völkerrechtsbrauch  ist  aber  darin,  daß  die  Güter  vor  der 
Kriegseröffnung  verladen  worden  sind,  daß  der  Kapitän  oder  die  Ab- 
sender von  der  Kriegseröffnung  keine  Kenntnis  haben,  daß  die  Ver- 
schiffung der  Güter  ohne  Absicht  der  Unterstützung  des  Feindes  und 
der  Schädigung  des  anderen  Teils  geschehen  ist,  kein  Grund  zu  sehen, 
deshalb  Güter  mit  feindlichem  Charakter  der  Aufbringung  entgehen 
sollten     Daher  ist  auch  Punkt  3  der  Berufung  grundlos. 

Punkt  4  der  Berufungsgrün  de  trägt  eine  wissenschaftliche  Theorie 

169 


Abschnitt  VI '  '^  Piisengerichtsentscheidungen :  .Manchuria* . 

vor,  die  indes  bis  jetzt  keine  Bestimmung  des  Völkerrechts  ist,  und  damit 
fällt  auch  dieser  Punkt  der  Berufung  hin. 
Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden : 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  17.  Januar  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Der  deutsche  Reichsangehörige  E.  T  i  1 1  m  a  n  n  s  , 
Chef  der  Firma  E.  T  i  1 1  m  a  n  n  s  &  C  o.  in  St.  Petersburg. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  IshibashiTomokichi,  Na- 
gasaki.  Togiyamachi  Nr.  41. 

In  Sachen  der  Beschlagnahme  von  Ladungsstücken  des  russischen 
Dampfers  „Manchuria"  wird,  wie  folgt,  entschieden : 

Urteilsformel: 
Die  auf  dem  Dampfer  „Manchuria"  verladenen  84  Kisten  Lampen 
und  Zubehör,  6  Billards  mit  zugehörigen  Schieferplatten  und  693  eiserne 
Wasserleitungsrohre  werden  eingezogen. 

Tatbestand   und   Gründe: 

Die  auf  dem  der  russisch-ostasiatischen  Dampfergesellschaft  ge- 
hörigen Dampfer  „Manchuria"  verladenen,  zur  Verhandlung  stehenden 
Güter,  nämlich  Lampen  und  Zubehör,  Billards  und  zugehörige  Schiefer- 
platten und  eiserne  Wasserleitungsrohre  wurden  auf  der  Reise  nach  dem 
russischen  Pachthafen  Port  Arthur  am  9.  Februar  1904  auf  der  Höhe 
von  Port  Arthur  zusammen  mit  dem  genannten  Dampfer  von  dem 
Kaiserlich  japanischen  Kriegsschiff  „Tatsuta"  beschlagnahmt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  schriftliche  Aussage 
des  Stellvertreters  des  Kommandanten  des  beschlagnehmenden  Schiffs, 
Kapitänleutnants  KiharaSeiske,  die  Vernehmungsprotokolle  des 
Kapitäns  K.  P  r  a  h  1  und  des  1 .  Offiziers  O.  T  a  m  p  i  o ,  das  Schiffsjournal, 
das  Ladeverzeichnis  der  „Manchuria"  und  die  Aussagen  des  Prozeß- 
vertreters. 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  des  Prozeßvertreters  sind 
folgende : 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  stünden  im  Eigentum  eines 
Angehörigen  des  neutralen  deutschen  Reichs  und  könnten,  da  sie  nicht 
als  Konterbande  anzusehen  seien,  nach  der  Pariser  Seerechtsdeklaration 

170 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Manchuria*.  Abschnitt  VI^^* 

vom  Jahre  1856  und  nach  der  japanischen  Prisenordnung  nicht  ein- 
gezogen werden. 

Selbst  aber  angenommen,  die  Güter  seien  nicht  neutral,  so  müßten 
sie  doch,  weil  sie  vor  der  Kriegseröffnung  verschifft  worden  und  in 
Unkenntnis  von  der  Kriegseröffnung  nicht  für  Zwecke  des  Feindes  be- 
stimmt gewesen  seien,  auch  nicht  zum  direkten  Kriegsgebrauch  des 
Feindes  hätten  dienen  können,  nach  Ansicht  des  internationalen  Völker- 
rechtskongresses vom  Jahre  1882  freigegeben  werden. 

Auch  stünden  die  modernen  Völkerrechtsgelehrten  auf  dem  Stand- 
punkt, daß  das  Privatvermögen  zur  See  in  gleicher  Weise  wie  das  zu 
Lande  für  unverletzlich  erklärt  werden  müsse.  Reklamant  hoffe,  daß 
dieser  Grundsatz  in  Anwendung  gesetzt  würde  und  daß  die  Freigabe 
der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  erfolge. 

Die  Ansicht  des  Staatsanwalts  geht  im  wesentlichen  dahin,  daß  die 
Ausführungen  des  Prozeßvertreters  sämtlich  unbegründet  und  die  zur 
Verhandlung  stehenden  Güter  einzuziehen  seien. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Es  steht  nach  dem  Völkerrecht  außer  Zweifel,  daß  die  Frage,  ob 
Güter  feindlich  sind  oder  nicht,  sich  ungeachtet  der  Nationalität  des 
Eigentüniiers  nach  dessen  Wohnsitz  bestimmt,  i)  Es  bedarf  daher  keiner 
«eiteren  Erörterungen  über  den  feindlichen  Charakter  der  zur  Ver- 
handlung stehenden  Güter. 

Von  der  Pariser  Seerechtsdeklaration  und  der  japanischen  Prisen- 
ordnung wird  aber  in  gleicher  Weise  ausgesprochen,  daß  feindliche  Güter 
auf  feindlichem  Schiff,  gleichgültig  ob  sie  Konterbande  sind  oder  nicht, 
einzuziehen  sind. 

Die  des  weiteren  von  dem  Reklamanten  angezogenen  Ansichten 
eines  internationalen  Völkerrechtskongresses  und  der  modernen  Völker- 
rechtsgelehrten haben  lediglich  den  Wert  von  Privatmeinungen,  die  man 
nicht  als  Grundsätze  des  Völkerrechts  ansehen  kann. 

Da  somit  keinerlei  Gründe  für  die  Freigabe  der  zur  Verhandlung 
stehenden  Güter  vorliegen,  wird  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  28.  Mai  1904  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Beisein 
des  Staatsanwalts  VamamotoTatsurokuro. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Der  deutsche  Reichsangehörige  E.  T  i  1 1  m  a  n  n  s ,  In- 
haber der  Firma  E.  T  i  1 1  m  a  n  n  s  &  C  o.  in  St.  Petersburg,  Admiralitäts- 
quai Nr.  6. 

')  V.  §§  8.  3  und  4. 

171 


Abschnitt  VI^^  Prisengerichtsentscheidungen :  .Manchuria'. 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  Ishibashi  Tomokichi, 
Nagasaki,  Togiyamachi  Nr.  41. 

Am  28.  Mai  1904  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  Sachen  der 
an  Bord  des  am  9.  Februar  1904,  18  Seemeilen  südöstlich  von  Port 
Arthur,  von  dem  Kaiserlich  Japanischen  Kriegsschiff  „Tatsuta"  beschlag- 
nahmten russischen  Dampfers  „Manchuria"  verschifften  84  Kisten 
Lampen  mit  Zubehör,  6  Kisten  Billards  mit  Schieferplatten  und  693 
Wasserleitungsrohre  ein  Urteil  gefällt,  in  welchem  auf  Einziehung  dieser 
Güter  erkannt  wird.  Gegen  dieses  Urteil  hat  der  Rechtsanwalt  Ishi- 
bashi Tomokichi  als  Prozeßvertreter  des  Reklamanten  E.  T i  1 1  - 
manns  Berufung  eingelegt.  Diese  Berufung  ist  im  Oberprisengericht 
im  Beisein  der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku  und  Ishiwatari 
B  i  n  i  c  h  i  geprüft  worden. 

Die  Hauptberufungspunkte  des  Prozeßvertreters  Ishibashi 
Tomokichi  sind  folgende : 

1.  Der  Verschiffer  der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  sei  der 
in  Rußland  ansässige  deutsche  Reichsangehörige  E.  Till  manns,  also 
ein  neutraler  Staatsangehöriger.  Der  Empfänger  sei  die  Filiale  des  Ver- 
schiffers  in  Port  Arthur,  ebenfalls  von  neutraler  Nationalität.  Das  Urteil 
erster  Instanz  habe  die  Frage,  ob  die  Güter  feindlich  oder  neutral  seien, 
ohne  die  Nationalität  des  Eigentümers  zu  berücksichtigen,  nach  dem 
Wohnsitz  desselben  entschieden.  Reklamant  sehe  den  Grund  nicht  ein, 
weshalb  man  das  Nationalitätsprinzip  zugunsten  des  Domizilprinzips  auf- 
geben solle,  er  sei  vielmehr  der  Ansicht,  daß  es  billiger  sei,  die  Frage  der 
Neutralität  von  Gütern  nach  dem  Nationalitätsprinzip  zu  entscheiden. 
Denn  für  die  Handlungen  von  Angehörigen  der  feindlichen  Nation  sei  die 
Liebe  zum  Vaterland  und  der  Haß  gegen  den  Feind  bestimmend  ganz 
anders  wie  bei  einem  Neutralen,  für  dessen  Verhalten  daher  auch  ein  ganz 
anderer  Maßstab  angelegt  werden  müsse.  Wenn  man  die  Domiziltheorie 
anerkenne,  so  könne  der  wunderliche  Fall  eintreten,  daß  ein  in  Rußland 
ansässiger  Japaner  als  Angehöriger  des  feindlichen  Staats  behandelt 
würde,  was  mit  der  nationalen  Idee  des  Kaiserreichs  Japan  nicht  in  Ein- 
klang gebracht  werden  könne.  Da  daher  die  fraglichen  Güter,  gleich- 
viel ob  sie  Eigentum  des  Verschiffers  oder  des  Empfängers  seien,  neutrale 
Waren  ^eien,  so  müßten  sie,  weil  keine  Kriegskonterbande,  nach  Artikel  3 
der  Pariser  Seerechtsdeklaration  vom  Jahre  1856  freigegeben  werden. 

2.  Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  seien  Ende  des  Jahres 
1903  verladen  worden,  und  der  Reklamant  habe  weder  damals  noch  auch 
zur  Zeit  der  Aufbringung  irgendwelche  Kenntnis  von  dem  möglichen 
Entstehen  beziehungsweise  dem  Bestehen  des  Kriegszustandes  zwischen 
Japan  und  Rußland  gehabt,  so  daß  ihm  der  Vorwurf,  er  habe  diesen 
Transport  zur  Schädigung  der  Interessen  Japans  und  Unterstützung  des 
Feindes  vorgenommen,  unmöglich  gemacht  werden  könne.    Daher  seien 

172 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Manchuria".  Abschnitt  VI^^ 

die  Güter  nach  Artikel  6,  23  und  30  der  von  dem  Kongreß  für  inter- 
nationale Rechtswissenschaft  im  Jahre  1882  den  Mächten  unterbreiteten 
Prisenordnung  freizugeben.  Freilich  sei  Japan  diesen  Bestimmungen 
nicht  ausdrücklich  beigetreten,  aber,  da  das  Völkerrecht  überhaupt  keine 
bestimmte  gesetzliche  Formulierung  besitze,  vielmehr  die  von  einer  An- 
zahl Gelehrter  aufgestellten  und  von  einer  Anzahl  von  Staaten  an- 
erkannten Rechtsregeln  die  völkerrechtlichen  Grundsätze  bildeten,  so 
verdienten  die  erwähnten  Bestimmungen  alle  Beachtung. 

3.  Da  der  Krieg  ein  Verhältnis  zwischen  den  Staaten  als  solchen 
begründe,  zu  dem  die  Individuen  in  keiner  direkten  Beziehung  stünden, 
so  müsse  für  Güter  zur  See  in  gleicher  Weise  wie  für  die  zu  Lande 
der  Grundsatz  der  Unverletzlichkeit  des  Privatvermögens  gelten,  woraus 
>ich  als  logische  Folge  ergebe,  daß  auch  das  Privatvermögen  feindlicher 
Staatsangehöriger,  soweit  es  sich  nicht  um  Konterbande  handele,  nicht 
zum  Objekt  einer  Beschlagnahme  gemacht  werden  dürfe.  Reklamant 
hoffe  daher,  daß  Japan  sich  nicht  nach  dem  schlechten  Vorgange  und 
den  eigenmächtig  aufgestellten  Grundsätzen  von  Mächten  richten  werde, 
Teiche  um  Vorteils  willen  die  Rechtslogik  verdrehten  und  verwirrten, 
sondern  daß  es  zu  einer  Zeit,  wo  es  gegen  den  Feind  der  Humanität 
und  des  Weltfriedens  kämpfe,  neben  seiner  nationalen  Machtentwicklung 
auch  die  Förderung  von  Recht  und  Vernunft  im  Auge  haben  werde. 
Daher  müsse  es  jetzt  seine  Größe  beweisen,  indem  es  auch  für  das 
Privatvermögen  zur  See  den  Grundsatz  der  Unverletzlichkeit  zur  Aus- 
fuhrung   bringe. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  Y  a  m  a  m  o  t  o 
Tatsurokuro  vom  Sasebo-Prisengericht  sind  folgende: 

Der  Prozeßvertreter  erkläre  das  Urteil  erster  Instanz  für  ungerecht- 
fertigt, weil  dasselbe  das  Nationalitätsprinzip  verworfen  und  das  Domizil- 
prinzip angenommen  habe.  Zur  Zeit  der  Verschiffung  der  Güter  sei 
der  Krieg  noch  nicht  eröffnet  gewesen,  und  auch  zur  Zeit  der  Auf- 
bringung habe  der  Verschiffer  von  dem  Bestehen  des  Kriegszustands 
noch  nichts  gewußt.  Privatvermögen  zur  See  sei  in  gleicher  Weise 
Tie  solches  zu  Lande  für  unverletzlich  zu  erachten. 

Wenn  man  indes  die  unter  den  zivilisierten  Mächten  bestehenden 
völkerrechtlichen  Bestimmungen  und  Gebräuche  prüfe,  so  ergebe  sich 
die  Haltlosigkeit  dieser  Ausführungen  des  Reklamanten. 

Die  weitere  Behauptung  des  Reklamanten,  daß,  wenn  man  die 
Landeszugehörigkeit  von  Gütern  nach  der  Domiziltheorie  bestimme, 
der  ^mnderHche,  mit  dem  nationalen  Gedanken  des  Kaiserreiches  Japan 
unvereinbare  Fall  eintreten  könne,  daß  ein  in  Rußland  ansässiger  Japaner 
als  Angehöriger  des  feindlichen  Staates  behandelt  werden  würde,  sei 
lediglich  eine  Privatansicht  des  Vertreters  des  Reklamanten,  die  kaum 
anderweitig  Anhänger  finden   dürfte.     So  sei  es  völlig  unhaltbar,  in 

173 


Abschnitt  VI^^^  Prisengerichtsentscheidungen :  »Manchuria*. 

einem  Falle,  wo  die  Güter  unzweifelhaft  feindlich  seien,  ihnen  die 
Neutralität  zusprechen  und  auf  Grund  der  Pariser  Deklaration  vom 
Jahre  1856  ihre  Freilassung  fordern  zu  wollen.  In  Fällen,  wo 
feindliche  Güter  auf  feindlichem  Schiff  verladen  seien,  sei  es  durch- 
aus nur  die  Realisierung  ihres  Rechts  als  kriegsführender  Staat,  wenn 
die  eine  oder  andere  der  kämpfenden  Parteien,  gleichviel  ob  der  Kriegs- 
zustand bekannt  sei,  gleichviel  auch,  ob  es  sich  um  Kriegskonterbande 
handele  oder  nicht,  derartige  Güter  beschlagnahme. 

Daher  müsse  die  Berufung  abgewiesen  werden. 

Das  vorliegende  Urteil  ward  folgendermaßen   begründet: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  wurden  von  E.  Till- 
manns &  Co.  in  St.  Petersburg  auf  dem  der  russisch-ostasiatischen 
Dampfergesellschaft  gehörigen  Dampfer  „Manchuria''  an  die  in  dem 
russischen  Pachthafen  Port  Arthur  bestehende  Filiale  des  Verschiffers 
geschickt  und  am  9.  Februar  1904,  also  nach  Eröffnung  des  Krieges 
zwischen  Japan  und  Rußland,  auf  der  Reise  18  Seemeilen  südöstlich 
von  Port  Arthur  auf  offener  See  zusammen  mit  dem  genannten  Dampfer 
von  dem  Kaiserlich  japanischen  Kriegsschiff  „Tatsuta"  beschlagnahmt- 

Es  ist  völkerrechtliche  Praxis,  Gütern,  welche  zu  Kriegszeiten  von 
Personen,  die  in  neutralem  Lande  wohnen,  an  einen  im  feindlichen  Gebiet 
ansässigen  Empfänger  versandt  werden,  feindlichen  Charakter  beizulegen 
und  ihre  Einziehung  zu  gestatten.  Das  Oberprisengericht  ist  der  Ansicht, 
daß  dies  den  tatsächlichen  Verhältnissen  gerecht  wird. 

Im  Punkt  1  seiner  Berufung  sagt  der  Prozeßvertreter,  der  Ver- 
schiffer  der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  sei  der  in  Rußland  an- 
sässige deutsche  Reichsangehörige  E.  T  i  1 1  m  a  n  n  s ,  also  ein  Angehöriger 
eines  neutralen  Staats.  Neutral  sei  gleichfalls  der  Empfänger  der  Güter 
in  Port  Arthur,  nämlich  die  Filiale  des  Verschiffers,  und  das  Sasebo- 
Prisengericht  habe  zu  Unrecht  geurteilt,  indem  es  bei  Bestimmung  der 
Landeszugehörigkeit  der  Güter  nicht  das  Nationalitätsprinzip,  sondern 
das  Domizilprinzip  als  Norm  aufstelle. 

Das  Oberprisengericht  ist. jedoch  der  Ansicht,  daß  die  durch  die 
völkerrechtliche  Praxis  anerkannte  Berechtigung,  die  Landeszugehörigkeit 
von  Gütern  nach  dem  Domizilprinzip  zu  entscheiden,  dem  diesen  Ver- 
hältnissen zugrundeliegenden  Gedanken  am  besten  entspricht,  und  ver- 
wirft daher  den  ersten  Punkt  der  Berufung. 

In  Punkt  2  der  Berufung  sagt  der  Reklamant,  die  zur  Verhandlung 
stehenden  Güter  seien  vor  der  Kriegszeit  verladen  worden  und  der  Ver- 
schiffer  habe  weder  damals  noch  auch  zur  Zeit  der  Aufbringung  derselben 
irgendwelche  Kenntnis  von  dem  möglichen  Entstehen,  bezw.  dem  Be- 
stehen des  Kriegszustands  zwischen  Japan  und  Rußland  gehabt,  so  daR 
ihm  der  Vorwurf,  er  habe  diesen  Transport  zur  Schädigung  der  Interessen 
Japans  und  zur  Unterstützung  des  Feindes  vorgenommen,  unmöglich  ge- 

174 


PriMBgerichtsentscheidungen:  .Manchuria".  Abschnitt  VI^^i 

macht  werden  könne.   Daher  könnten  die  Güter  nicht  eingezogen  werden. 

Die  Völkerrechtspraxis  erkennt  aber  in  der  Tatsache,  daß  die  Ver- 
schiffung von  Gütern  vor  der  Kriegszeit  erfolgt  ist,  daß  weder  der 
Kapitän  noch  der  Verschiffer  von  der  Eröffnung  des  Kriegs  Kenntnis 
hatten,  daß  die  Verschiffung  nicht  in  der  Absicht  geschehen  ist,  dem 
einen  der  kriegführenden  Staaten  zu  schaden  und  dem  anderen  zu  helfen, 
keinen  Grund,  feindliche  Güter  von  der  Beschlagnahme  auszunehmen. 
Daher  ist  Punkt  2  der  Berufung  unbegründet. 

Punkt  3  der  Berufungsgründe  trägt  eine  wissenschaftliche  Theorie 
vor,  die  bis  jetzt  nicht  als  Bestimmung  des  Völkerrechts  angesehen  werden 
kann,  und  damit  fällt  Punkt  3  der  Berufung  hin. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden : 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Im  Oberprisengericht  am  17.  Januar  1905. 


Reklamant:  Der  deutsche  Reichsangehörige  Henry  Schmidt, 
wohnhaft  in  Hamburg. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Akao  Hikosaku,  Yokohama, 
Motohamacho  shichome  Nr.  46. 

In  Sachen  der  Reklamation  von  Ladungsstücken  des  russischen 
Dampfers  „Manchuria"  wird,  wie  folgt,  entschieden: 

Urteilsformel: 
Die  Reklamation  wird  abgewiesen. 

Tatbestand  und  Gründe: 
Der  Vertreter  der  Reklamation  behauptet,  von  dem  Reklamanten 
bevollmächtigt  zu  sein,  die  Freigabe  der  in  Frage  stehenden  375  Kisten 
Ceylon  Tee  zu  betreiben.  Er  hat  jedoch  keine  formgerechte  Vollmacht 
eingereicht,  sondern  lediglich  eine  telegraphische  Vollmacht  beigebracht. 
Das  Prisengericht  hat  danach,  weil  diese  telegraphische  Vollmacht  nicht 
ausreichend  ist,  angeordnet,  daß  der  Vertreter  eine  schriftliche  form- 
gerechte Vollmacht  zur  Ergänzung  beschaffe.  Der  Vertreter  zeigte  sich 
damit  einverstanden,  bat  um  eine  angemessene  Fristverlängerung  und 
diesem  Antrag  wurde:  stattgegeben.  Die  festgesetzte  Frist  lief  jedoch  ab, 
ohne  daß  der  Vertreter  der  Reklamation  die  Vollmacht  eingereicht  hätte. 
Dagegen  stellte  er  die  Behauptung  auf,  daß,  weil  die  Prisengerichts- 
ordnung bezüglich  der  Form  der  Prozeßvollmacht  keinerlei  Vorschriften 
enthalte,  die  Bestimmungen  des  Zivilrechts  anzuwenden  seien  und  daß 
nach  diesen  für  die  Vollmacht  die  einfache  Willenserklärung  ausreichend 

175 


Abschnitt  Vl^g  Prisengerichtsentscheidungen:  .INanchuria*. 

sei.  Er  beantrage  daher,  daß  die  bereits  eingereichte  telegraphische 
Vollmacht  für  gesetzmäßig  anerkannt  werde. 

Die  Ansicht  des  Staatsanwalts  geht  im  wesentlichen  dahin,  da  der 
Prozeßvertreter  eine  formgerechte  Vollmacht  nicht  beigebracht  habe,  sei 
er  kein  gesetzmäßiger  Vertreter.  Demnach  sei  seine  Reklamation  un- 
wirksam und  der  vorliegende  Fall  bedürfe  keiner  weiteren  Prüfung,  denn 
eine  Reklamation  sei  überhaupt  nicht  entstanden. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Da  in  §  20  der  Prisengerichtsordnung  i)  bestimmt  ist,  daß  das 
Prisengericht  über  das  Verfahren  vor  demselben  Anordnungen  treffen 
kann,  und  das  unterzeichnete  Prisengericht  bestimmt  hat,  daß  die  Be- 
vollmächtigung für  die  Vertretung  einer  Reklamation  vermittels  einer 
formgerechten  schriftlichen  Urkunde  zu  geschehen  hat,  widrigenfalls 
sie  kraftlos  ist,  so  ist  es  unbestreitbar,  daß  diese  Bestimmung  zu  be- 
folgen war. 

Der  Vertreter  der  Reklamation  behauptet,  daß  die  Seegerichts- 
ordnung bezüglich  der  Form  der  Vertretungsvollmacht  keinerlei  Be- 
stimmungen treffe,  und  daß  daher  die  einfache  Willenserklärung,  welche 
das  Zivilrecht  anerkenne,  ausreichend  sei.  Wenn  sich  aber  auch  die 
Rechtsverhältnisse  einer  Vollmacht  nach  dem  Zivilgesetzbuch  entscheiden, 
so  kann  man  doch  nicht  behaupten,  daß  ein  für  allemal  Formvorsjchriften 
zur  Verlautbarung  der  vollmachtlichen  Rechtsverhältnisse  überflüssig 
seien. 

Obwohl  nun  das  Prisengericht  nach  Maßgabe  der  von  ihm  auf- 
gestellten Bestimmungen  eine  formgerechte  schriftliche  Vollmacht  für 
unerläßlich  erklärte  und  zur  Nachlieferung  einer  solchen  eine  angemessene 
Fristverlängerung  bewilligte,  hat  der  Vertreter  der  Reklamation  die  Voll- 
macht während  der  festgesetzten  Frist  nicht  beigebracht,  und  er  kann 
daher  von  dem  Prisengericht  nicht  als  zur  Vertretung  des  Reklamanten 
befugt  anerkannt  werden.  Die  vorgebrachte  Reklamation  ist  daher,  weil 
von  einer  unbefugten  Person  erhoben,  nicht  dem  Gesetz  entsprechend. 

Da  so  die  Reklamation  nicht  dem  Gesetze  entspricht,  so  erübrigt 
es  sich,  den  von  ihr  betroffenen  Fall  weiter  zu  prüfen. 

Die  Reklamation  ist  daher  abzuweisen  und  es  wird  wie  in  der 
Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  31.  Mai  1904  im  S^sebo-Prisengericht  im  Beisein 
des  Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurokuro. 

(Unterschriften.) 


0  IV. 
176 


Prisengerichtsentscheidungen:  «Manchuria".  Abschnitt  Vl^^fl 

Reklamant:  Henry  Schmidt,  deutscher  Reichsangehöriger, 
wohnhaft  in  Hamburg,  Deutschland. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  AkaoHikosaku,  Regierungs- 
bezirk Kanagawa,  Yokohama,  Motochamacho  shichichome  Nr.  46. 

Am  31.  Mai  1904  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  Sachen  der 
Beschlagnahme  der  auf  dem  russischen  Dampfer  „Manchuria"  ver- 
schifften 375  Kisten  Ceylon-Tee,  welche  am  9.  Februar  1904  18  See- 
meilen südöstlich  von  Port  Arthur  von  dem  Kaiserlich  Japanischen  Kriegs- 
schiff „Tatsuta"  beschlagnahmt  worden  sind,  ein  Urteil  gefällt,  in  welchem 
die  betreffende  Reklamation  abgewiesen  wurde.  Gegen  dieses  Urteil  hat 
der  Vertreter  des  Reklamanten  Henry  Schmidt,  der  Rechtsanwalt 
AkacHikosaku,die  Berufung  eingelegt,  welche  im  Oberprisengericht 
im  Beisein  der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku  und  Ishiwatari 
Binichi  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptberufungspunkte  des  Prozeßvertreters  des  Reklamanten 
Akao  Hikosaku  und  deren  Gründe  sind  folgende : 

Der  Prozeßvertreter  habe  als  Beweisurkunde  für  seine  Vertretungs- 
befugnis ein  von  der  japanischen  Behörde  beglaubigtes  Telegramm  an 
das  Prisengericht  in  Sasebo  eingeschickt.  Obwohl  aber  aus  diesem  seine 
Vertretungsbefugnis  klar  hervorgehe,  habe  das  genannte  Prisengericht 
es  nicht  für  eine  beweiskräftige  Urkunde  anerkannt  und  nach  mehreren 
Verhandlungsterminen  das  nicht  zu  rechtfertigende  Urteil  gefällt,  daß 
die  Reklamation  abzuweisen  sei. 

In  dem  Verhandlungstermin  am  6.  Mai  1904  habe  das  Prisengericht 
erster  Instanz  dem  Prozeßvertreter  aufgelegt,  bis  zum  26.  Mai  seine 
Prozeßvollmacht  zu  ergänzen.  Da  aber  ein  einmaliger  Briefwechsel 
zwischen  dem  Reklamanten  und  dem  Prozeßvertreter  mindestens  80  Tage 
in  Anspruch  nehme,  und  selbst,  ^x^enn  er  die  Übersendung  der  Vollmacht 
tclegraphisch  erbeten  hätte,  hierzu  über  40  Tage  nötig  wären,  so  habe 
er.  ^eil  er  nicht  imstande  gewesen  wäre,  während  der  verlängerten  Frist 
die  Vollmacht  beizubringen,  aufs  neue  um  Fristverlängerung  gebeten. 
OiN  Prisengericht  erster  Instanz  habe  indessen  diesem  Antrag  nicht 
stattgegeben,  und  so  sei  es,  dadurch  daß  das  Prisengericht  eine  dem 
ProzeBvertreter  unmögliche  Handlung  angeordnet  habe,  zur  Abweisung 
der  Reklamation  gekommen. 

Nach  §  643  des  japanischen  Zivilgesetzbuchs  bestehe  ein  Auf- 
trag, wenn  ein  Teil  einem  anderen  die  Besorgung  eines  Rechtsgeschäfts 
übertrage  und  der  andere  die  Besorgung  übernehme.  Wenn  also  der 
Reklamant  den  Vertreter  telegraphisch  beauftragt  habe,  die  Freigabe 
der  375  Kisten  Tee  zu  beantragen,  und  der  Vertreter  die  Besorgung 
dieses  Geschäfts  übernehme  und  mit  der  Reklamation  bereits  begonnen 
feabe,  so  müsse  behauptet  werden,  daß  die  gesamten  Vertretungs- 
befugnisse nunmehr  dem  Vertreter  zustünden. 

MarBtrand-Meolileiibarir«  Dm  japanlsohe  Prisenreoht.    Band  I.     (12)  177 


Abschnitt  Vl^fl  Prisengerichtsentscheidungen:  .Manchuria*. 

Obwohl  §  17  der  Prisengerichtsordnung  die  Formalitäten  der  Rekla- 
mation regele,  sei  doch  nichts  über  die  Beurkundung  der  Befugnisse  eines 
Prozeßvertreters  gesagt.  Es  sei  daher  unfraglich,  daß  dieselbe  ebensowohl 
telegraphisch  als  durch  sonstige  Schriftstücke  geschehen  könne.  Die 
Art  der  Beurkundung  der  Vertretungsbefugnis  habe  mit  dem  Prisen- 
verfahren nichts  zu  tun.  Das  Prisengericht  zu  Sasebo  habe  aber 
erklärt,  daß  die  Art  der  Beurkundung  der  Vollmacht  mit  dem 
Prisenverfahren  im  Zusammenhang  stehe,  und  habe,  obwohl  die  be- 
stehenden Gesetze  Formvorschriften  für  die  Vollmacht  nicht  ent- 
hielten und  daher  eine  nur  telegraphische  Vollmacht  kein  Hindernis 
darstelle,  dahin  entschieden,  daß  es  einer  formgerechten  Vollmacht 
bedürfe.  Da  aber  in  der  Entscheidung  nicht  klar  gesagt  sei,  was  diese 
sogenannte  formgerechte  Vollmacht  sei,  könne  er  dies  nicht  mit  Sicher- 
heit wissen.  Wenn  man  Unterschrift  und  Siegel  des  Reklamanten  ver- 
lange, so  wäre  das  Resultat,  daß  der  Vertreter,  weil  der  Reklamant 
ein  Siegel  nicht  führe,  überhaupt  eine  Reklamation  nicht  erheben  könne,, 
was  doch  wohl  ein  gar  zu  ungerechter  Schluß  sei. 

Daher  werde  Aufhebung  des  Urteils  des  Prisengerichts  von  Sasebo 
und  Freigabe  der  dem  Reklamanten  gehörigen  375  Kisten  Ceylon-Tee 
beantragt. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  Yamamoto 
Tatsurokuro  vom  Prisengericht  in  Sasebo  sind  folgende: 

Es  sei  zweifellos  richtig,  daß  die  Vollmacht  sich  in  ihren  recht- 
lichen Beziehungen  nach  dem  Zivilrecht  richte.  Daraus  aber,  daß  das 
Zivilgesetzbuch  keine  Formvorschriften  für  eine  Prozeßvertretung  wie 
die  vorliegende  enthalte,  könne  man  doch  nicht  ableiten,  daß  die  ein- 
fache Willenserklärung  dafür  genüge.  Derartige  Formvorschriften  be- 
zögen sich  auf  'das  Verfahren,  und  es  sei  unbestreitbar,  daß  in  Zivilsachen 
die  Vorschriften  der  Zivilprozeßordnung  zu  befolgen  seien.  Gerade 
wie  daher  eine  dem  Artikel  64  der  Zivilprozeßordnung  nicht  ent- 
sprechende Vollmacht  ungültig  sei,  so  sei  die  vorliegende  Reklamation 
ohne  Gültigkeit,  weil  der  Prozeß  Vertreter  das  vorgeschriebene  Prisen- 
verfahren nicht  beobachtet  habe.  Bezüglich  von  Prisensachen  bestimme 
§  16,  Absatz  2  der  Prisengerichtsordnung,  daß  innerhalb  einer  Frist  von 
30  Tagen  reklamiert  werden  könne;  §  17,  Absatz  2,  daß  Reklamanten 
sich  nur  durch  japanische  Rechtsanwälte  vertreten  lassen  könnten;  §  20, 
daß  über  weitere,  das  Verhandlungsverfahren  betreffende  Punkte,  die 
in  dem  vorstehenden  Artikel  nicht  erwähnt  seien,  das  Prisengericht  Be- 
stimmung treffe.  Daraufhin  habe  das  Prisengericht  zu  Sasebo,  als  der 
Fall  zuerst  aufgetreten  sei,  bestimmt,  daß  in  gleicher  Weise,  wie  im 
Zivilprozeß,  schriftliche  Vollmacht  erforderlich  sein  solle.  In  Fällen, 
wo  sich  die  Reklamanten  in  einem  fernen  Orte  befunden  hätten,  sei, 
wenn  die  Beibringung  der  vorgeschriebenen  schriftlichen  Vollmacht  inner- 

178 


Prisengerichtsentscheidungen:  .INanchuria.*.  Abschnitt  Visg 

halb  der  Frist  nicht  möglich  gewesen  sei,  zunächst  auf  Grund  einer 
telegraphischen  Vollmacht  sowohl  die  Reklamation  erhoben  als  auch 
die  mündliche  Verhandlung  vorgenommen.  Es  sei  indes  von  den  Rekla- 
manten nachträgliche  Ergänzung  der  Vollmacht  durch  eine  formgerechte 
schriftliche  Urkunde  verlangt  worden,  und  alle  Prozeßvertreter  hätten 
auf  Grund  dieses  Verfahrens  ihr  Urteil  erhalten.  Nur  der  Vertreter 
des  vorliegenden  Falls,  AkaoHikosaku,  behaupte,  nachdem  ihm  eine 
ausreichende  Fristverlängerung  gewährt  worden  sei  und  die  schrift- 
liche Vollmacht  durch  sein  eigenes  Verschulden  nicht  rechtzeitig  ein- 
getroffen sei,  daß  die  Prisenvorschriften  eine  bestimmte  Form  für  die 
Vollmacht  nicht  vorschrieben  und  daß  mit  einem  Telegramm  dem  Er- 
forderlichen genügt  sei.  In  gewissem  Sinne  sei  freilich  ein  Telegramm 
auch  eine  Urkunde  und  man  könne  sagen,  daß  eine  telegraphische  Voll- 
macht auch  eine  schriftliche  Vollmacht  sei.  Aber  es  sei  eine  allgemeine 
Regel,  daß  derartige  Urkunden  eigenhändig  gezeichnet  oder  gesiegelt 
sein  müßten.  Daher  sei  es  unbestreitbar,  daß  ein  Telegramm,  welches 
alles  dies  entbehre,  eine  Urkunde  in  diesem  Sinne  nicht  darstelle.  Die 
in  dem  Urteil  erster  Instanz  ausgesprochene  Abweisung  der  Reklamation, 
weil  ein  Beweisdokument  für  die  Vertretungsbefugnis  nicht  vorgebracht 
worden  sei,  die  Reklamation  daher  den  gesetzlichen  Vorschriften  nicht 
entspreche,  sei  daher  zu  Recht  geschehen,  und  die  dem  Urteil  ge- 
machten Vorwürfe  seien  durchaus  unbegründet. 

Die  Berufung  müsse  daher  abgewiesen  werden. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

Der  Prozeß  Vertreter  Akao  Hikosaku  hat,  wie  aus  den  Akten 
hervorgeht,  seine  Vertretungsbefugnis  lediglich  durch  eine  von  dem 
Postamt  in  Yokohama  beglaubigte  Telegrammabschrift  bewiesen,  und, 
da  er  der  Anordnung  des  Prisengerichts  erster  Instanz,  seine  Vertretungs- 
befugnis in  schriftlicher  Beglaubigung  beizubringen,  nicht  nachgekommen 
ist,  so  ist  ein  Urteil  auf  Abweisung  der  Reklamation  ergangen.  Hierbei 
ist  auf  Grund  von  §  20  der  Prisengerichtsordnung  lediglich  ein  Grund- 
satz angewandt  worden,  welcher  eine  charakteristische  und  für  die  be- 
treffenden Behörden  beim  Verfahren  unbedingt  zu  beobachtende  Vor- 
schrift aller  Prozeßordnungen  ist. 

Das  Prisengericht  zu  Sasebo  hat  vor  Fällung  des  Urteils  der 
telegraphischen  Vollmacht  die  Anerkennung  verweigert  und  unter  Zu- 
grundelegung des  obengenannten,  für  die  Vollmacht  maßgebenden  Para- 
graphen eine  bestimmte  Frist  vorgeschrieben  und  die  Ergänzung  der 
telegraphischen  Vollmacht  durch  eine  schriftliche  Urkunde  angeordnet. 
Wenn  der  Prozeßvertreter  behaupten  wollte,  daß  seine  Reklamation 
den  gesetzlichen  Vorschriften  entspreche,  so  hätte  er  innerhalb  der  vom 
Prisengericht  vorgeschriebenen  Frist  sich  nach  dem  von  demselben  voi- 
geschriebenen  Verfahren  richten,  und  die  Vertretungsbefugnis  durch  eine 

(12*)  179 


Abschnitt  VISh  Prisengerichtsentscheldungen:  .Manchuria*. 

schriftliche  Urkunde  beweisen  müssen.  Da  das  Prisengericht  bei  Erlaß 
dieser  Anordnung  durchaus  befugt  war,  eine  seiner  Ansicht  nach  an- 
gemessene Frist  zu  stellen,  so  durfte  der  Prozeßvertreter  von  dieser 
Frist  nicht  abweichen.  Es  ist  unmöglich  zu  bestreiten,  daß  die  Vor- 
■schriften  über  den  Beweis  der  Vertretungsbefugnis  einen  Teil  des  Prozeß- 
rechts in  Prisensachen  bilden  müssen,  da  dieselben  für  die  Frage,  ob  die 
Reklamation   zu   Recht   besteht,   von   entscheidender  Wichtigkeit  sind. 

Aus  diesen  Gründen  kann  weder  die  Behauptung  des  Prozeß- 
vertreters, daß  das  Gericht  erster  Instanz  ihm  durch  Festsetzung  der  Frist 
etwas  Unmögliches  auferlegt  habe,  noch  auch  die,  daß  durch  das  Tele- 
gramm zwischen  ihm  und  dem  Reklamanten  das  Vollmachtsverhältnis 
tatsächlich  begründet  sei,  als  stichhaltig  anerkannt  werden. 

Die  Entscheidung  des  Gerichts  erster  Instanz,  daß  der  Reklamant 
sich  bei  Erhebung  der  Reklamation  nicht  an  die  Prozeßvorschriften  ge- 
halten habe,  und  die  damit  begründete  Abweisung  der  Reklamation  ist 
daher  zu  Recht  getroffen,  und  es  wird,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  7.  Januar  1905  im  Oberprisengericht. 


Reklamant:  Der  chinesische  Staatsuntertan  An  Wo  Tai  in 
Hongkong. 

Prozeß  Vertreter:  Rechtsanwalt  Ikoma  Takehiko,  Nagasaki, 
Higashifurukawamachi. 

In  Sachen  der  Beschlagnahme  von  Ladungsstücken  des  russischen 
Dampfers  „Manchuria"  wird,  wie  folgt,  entschieden: 

Urteilsformel: 
Die  auf  dem  Dampfer  „Manchuria''  verladenen  200  Säcke  China- 
reis und  1   Kiste  Kleidungsstücke  werden  eingezogen. 

Tatbestand  und  Gründe: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  wurden  in  Hongkong  auf 
dem  russischen  Dampfer  „Manchuria"  verladen,  die  200  Säcke  China- 
reis mit  Bestimmung  nach  Wladiwostok,  die  eine  Kiste  Kleidungsstücke 
mit  Bestimmung  nach  dem  russischen  Pachtgebiet  Dalni.  Am  9.  Februar 
1904  wurden  sie  auf  der  Höhe  von  Port  Arthur  zusammen  mit  dem 
genannten  Dampfer  von  dem  Kaiserlich  Japanischen  Kriegsschiff  „Tat- 
suta''  beschlagnahmt. 

Die  Tatsachen  sind  von  dem  Vertreter  des  Reklamanten  anerkannt 
und  werden   außerdem   bewiesen   durch   die   Aussageschrift  des  Stell- 

180 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Manchuria*.  Abschnitt  Vl^h 

Vertreters  des  Kommandanten  des  beschlagnehmenden  Schiffs,  Kapitän- 
leutnants Kihara  Seiske,  die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns 
K.  P  r  a  h  1  und  des  1 .  Offiziers  O.  T  a  m  p  i  o ,  das  Tagebuch,  das  Ladungs- 
verzeichnis und  die  Konnossemente  vom  Dampfer  „Manchuria". 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  des  Prozeßvertreters  sind 
folgende : 

1.  Da  die  Wissenschaft  auf  dem  Standpunkt  stehe,  daß  das  Privat- 
vermögen  zur  See  wie  solches  zu  Lande  unverletzlich  sein  müsse,  so 
müßten  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  in  Befolgung  dieses 
Grundsatzes  freigegeben  werden. 

2.  Nach  der  Pariser  Seerechtsdeklaration  vom  Jahre  1856  könnten 
neutrale  Güter  auf  feindlichem  Schiff,  sofern  sie  nicht  Konterbande 
seien,  nicht  beschlagnahmt  werden.  Die  zur  Verhandlung  stehenden 
Güter  seien  vor  Eröffnung  des  Krieges  von  einem  neutralen  Absender 
an  einen  neutralen  Empfänger  versandt  worden  und  seien  nicht  Konter- 
bande. Da  der  unter  den  Gütern  befindliche  Reis  nur  als  Nahrung 
für  Chinesen  diene,  und  auch  die  Kleidungsstücke  lediglich  für  den  Ge- 
brauch des  vorübergehend  in  Dalni  aufenthältlichen  chinesischen  Eigen- 
tümers bestimmt  seien,  so  sei  es  klar,  daß  die  zur  Verhandlung  stehenden 
Güter  nicht  zum  Kriegsgebrauch  des  Feindes  verwandt  werden  könnten. 
Ls  werde  daher  die  Freigabe  der  Güter  beantragt. 

Die  Ansicht  des  Staatsanwalts  geht  in  der  Hauptsache  dahin,  daß 
die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter,  da  sie  für  Empfänger,  die  im 
Feindesland  wohnhaft  seien,  bestimmt  gewesen,  als  diesen  gehörig  und 
daher  als  feindlich  zu  erachten  seien. 

Es  werde  daher  ihre  Einziehung  beantragt. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Nach  den  Bestimmungen  und  der  Praxis  des  gegenwärtigen  Völker- 
rechts kann  feindliches  Gut  auf  feindlichem  Schiff,  ob  Konterbande 
oder  nicht,  ob  vor  dem  Kriege  verschifft  oder  nicht,  ob  für  den  Kriegs- 
^ebrauch  des  Feindes  dienlich  oder  nicht,  beschlagnahmt  werden,  und 
die  Frage,  ob  Güter  feindlich  sind  oder  nicht,  bestimmt  sich  nach  dem 
Wohnsitz  des  Eigentümers,  nicht  nach  dessen  Nationalität.^^ 

Ferner  wird  bezüglich  von  Gütern,  die  von  einem  Absender  in 
neutralem  Gebiet  an  einen  Empfänger  im  feindlichen  Gebiet  abgeschickt 
>ind,  angenommen,  daß  dieselben  in  das  Eigentum  des  Empfängers  über- 
gegangen sind.  Wenn  der  Interessent  das  Gegenteil  geltend  machen 
^ill,  so  liegt  ihm  der  Gegenbeweis  ob. 

Da  nun  von  den  zur  Verhandlung  stehenden  Gütern  die  200 
Säcke  Reis  an  einen  Empfänger  in  Wladiwostok,  die  1  Kiste  Kleidungs- 
stücke an  einen   Empfänger  in  dem  als  Feindesland  zu  betrachtenden 


0  V.  §§  8,  3  und  4. 

181 


Abschnitt  VISb  Prisengerichtsentscheidungen:  .INanchuria*. 

Pachtgebiet  Dalni  versandt  worden  sind  und  der  Prozeßvertreter  des 
Reklamanten  für  seine  Behauptung,  die  Güter  stünden  im  Eigentum 
des  neutralen  Absenders,  nicht  den  geringsten  Beweis  erbracht  hat,  so 
kann  diese  Behauptung  nicht  anerkannt  werden,  und  die  zur  Verhand- 
lung stehenden  Güter  unterliegen  in  Gemäßheit  der  Pariser  Seerechts- 
deklaration vom  Jahre  1856  als  feindliche  Güter  auf  feindlichem  Schiff 
der  Einziehung.  2) 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  26.  Mai  1904  im  Prisengericht  zu  Sasebo  Im  Bei- 
sein des  Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurokuro. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Der  in  Hongkong  wohnhafte  chinesische  Staats- 
untertan An  Wo  Tai. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  IkomaTakehiko,  Nagasaki, 
Higashifurukawamachi. 

Am  26.  Mai  1904  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  Sachen  der 
auf  dem  russischen  Dampfer  „Manchuria",  welcher  am  9.  Februar  1904 
18  Seemeilen  südöstlich  von  Port  Arthur  von  dem  Kaiserlich  Japanischen 
Kriegsschiff  „Tatsuta''  beschlagnahmt  worden  ist,  verschifften  200  Säcke 
Reis  und  1  Kiste  Kleidungsstücke  auf  Einziehung  derselben  erkannt. 
Gegen  dieses  Urteil  hat  der  Prozeßvertreter  des  Reklamanten  A  n  W  o 
1  a i ,  der  Rechtsanwalt  Ikoma  Takehiko,  die  Berufung  eingelegt, 
welche  im  Oberprisengericht  im  Beisein  der  Staatsanwälte  Tsutsuki 
K e i r o k u  und  Is|iiwatari  Binichi  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Prozeßvertreters  Ikoma 
Takehiko  und  ihre  Begründung  sind  folgende: 

Der  Berufungsreklamant  habe  in  Unkenntnis  des  Kriegszustandes 
zwischen  Japan  und  Rußland  200  Sack  chinesischen  Reis,  um  sie  durch 
den  Leiter  seiner  Niederlassung  in  Wladiwostok  als  Nahrungsmittel  an 
dort  lebende  Chinesen  verkaufen  zu  lassen,  an  diesen  abgesandt. 

Ferner  habe  sein  Bekannter,  der  chinesische  Staatsuntertan  Kwon  g 
Chaw,  Faktor  der  chinesischen  Firma  Tack  Woo  &  Co.  in  Dalni, 
wohnhaft  in  Hongkong,  wo  er  die  Geschäfte  der  Firma  besorge,  und 
nur  in  •  Angelegenheiten  der  Firma  auf  einige  Monate  je  nach  Ablauf 
der  Geschäfte  in  Dalni  aufhältlich,  ihn  schriftlich  gebeten,  Kleidungs- 
stücke, die  er  zum  Wechseln  brauche,  von  seiner  Frau  zu  holen  und  ihm 
zu  schicken.  Dies  habe  er  dessen  Frau  erzählt,  habe  von  ihr  die 
Kleider  erhalten  und  sie  an  die  genannte  Firma  adressiert 

*)  V.  §  40. 
182 


PriseDgerichtsentscheidungen:  «Manchuria*.  Abschnitt  Vis» 

Diese  Güter  habe  der  Reklamant  am  1.  Februar  auf  den  im  Hafen 
VOM  Hongkong  liegenden  Dampfer  der  russisch-ostasiatischen  Dampfer- 
gesellschaft „Manchuria"  verschifft  und  abgesandt. 

Am  6.  Februar  1904  habe  Japan  die  diplomatischen  Beziehungen  mit 
Rußland  abgebrochen  und  eine  Erklärung  dahin  abgegeben,  daß  es  nach 
eigenen  Entschließungen  verfahren  werde.  Schließlich  sei,  nachdem 
cie  beiden  Geschwader  Kanonenfeuer  ausgetauscht  hätten,  der  Krieg  für 
eröffnet  angesehen,  und  am  9.  Februar  der  Dampfer  „Manchuria"  auf  der 
Höht  von  Port  Arthur  von  dem  Kaiserlich  japanischen  Kriegsschiff  „T^- 
tsuta"  aufgebracht  worden.  Mit  dem  Schiff  zusammen  sei  der  er- 
vJhnte  Reis  und  die  Kleidungsstücke  beschlagnahmt  worden. 

Aber  diese  Güter  seien  Eigentum  eines  neutralen  Staatsangehörigen 
und  ihrem  Charakter  nach  keine  Kriegskonterbande.  Auch  seien  sie 
nicht  für  die  russische  Armee  oder  Marine  verschifft  worden  und  hätten 
auch  nicht  an  diese  geliefert  werden  sollen..  Daher  läge  ein  Grund  für 
ihre  Beschlagnahme  nicht  vor.  Das  Sasebo-Prisengericht  habe  die  Güter 
für  feindliche  erklärt  und  auf  ihre  Einziehung  entschieden.  Diese  Ent- 
scheidung sei  unrechtmäßig  und  es  werde  dagegen  die  Berufung  er- 
hoben. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  Yamamoto 
Tatsurokuro  vom  Prisengericht  in  Sasebo  sind  folgende: 

Der  Absender  der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  mache  als 
Berufungsreklamant  geltend,  daß  er  von  dem  Kriegszustand  keine  Kennt- 
nis gehabt  habe,  daß  die  Güter  neutral  und  keine  Konterbande  seien, 
daß  sie  nicht  an  die  russische  Armee  oder  Marine  verschifft  worden 
seien  und  nicht  an  diese  hätten  geliefert  werden  sollen,  daß  folglich  kein 
Grund  für  ihre  Beschlagnahme  vorliege. 

Die  genannten  Güter  seien  indessen  auf  einem  feindlichen  Handels- 
schiff verladen  und  nach  dem  feindlichen  Dalni  bestimmt  gewesen.  Es 
sei  erwiesen,  daß  sie  im  Eigentum  eines  in  Dalni  ansässigen  und  dort 
Handel  treibenden  Chinesen  stünden.  Daher  seien  sie  feindliche  Güter 
und  könnten  nicht  für  neutral  erklärt  werden.  Was  den  Punkt  anlange, 
daß  der  Eigentümer  der  Kleider  nicht  mit  der  Absicht  dauernden  Wohn- 
sitzes in  Dalni  ansässig  gewesen,  sondern  nur  auf  einige  Monate  dort 
aufenthältlich  gewesen  sei,  so  hätte  der  Reklamant,  dem  die  Beweislast 
hierfür  obläge,  dies  beweisen  müssen.  Der  Prozeßvertreter  habe  dies 
jedoch  nur  einmal  mündlich  behauptet,  ohne  dafür  Beweis  zu  führen, 
daher  seien  die  Güter  füglich  als  feindlich  zu  erkennen.  Die  Tatsache, 
daß  der  Kriegszustand  nicht  bekannt  gewesen  sei,  könne  feindliche  Güter 
auf  feindlichem  Schiff,  wie  im  vorliegenden  Falle,  nicht  der  Beschlag- 
nahme entziehen. 

Es  werde  daher  Verwerfung  der  Berufung  beantragt. 

Das  vorliegende  Urteil  wird  wie  folgt  begründet : 

183 


Abschnitt  Vl'h  Prisengerichtsentscheidungen:  .Mancharia'. 

Die  von  dem  in  Hongkong  wohnhaften  An  Wo  Tai  auf  dem 
der  russisch-ostasiatischen  Dampfergesellschaft  gehörigen  Dampfer 
„Manchuria"  verschifften  und  für  den  in  Wladiwostok  ansässigen  Y  e  e 
Tai  bestimmten  200  Sack  Reis  und  die  für  die  in  dem  russischen 
Pachtgebiet  Dalni  niederlässige  Firma  Tack  Woo  &  Co.  bestimmte 
eine  Kiste  Kleidungsstücke  sind  auf  der  Reise  am  9.  Februar  1904,  also 
nach  Eröffnung  des  japanisch-russischen  Krieges,  18  Seemeilen  süd- 
östlich von  Port  Arthur  zusammen  mit  dem  genannten  Dampfer  von 
dem  Kaiserlich  Japanischen  Kriegsschiff  „Tatsuta''  beschlagnahmt  worden. 

Es  ist  von  der  völkerrechtlichen  Praxis  anerkannt,  und  das  Ober- 
prisengericht erachtet  dies  als  den  Verhältnissen  gerecht  werdend,  daß 
Güter,  welche  von  Personen  mit  neutralem  Wohnsitz  zur  Kriegszeit  auf 
feindlichem  Schiff  an  einen  Empfänger  im  Feindesgebiet  abgesandt 
werden,  feindlichen  Charakters  sind  und  daher  der  Einziehung  verfallen. 

Der  Prozeßvertreter  behauptet  freilich,  die  200  Säcke  Reis  seien 
neutrale  Güter  und  könnten  nicht  beschlagnahmt  werden.  Das  Ober- 
prisengericht ist  jedoch  der  Ansicht,  daß  die  Anerkennung  des  Domizil- 
prinzips der  Logik  der  Verhältnisse  entspricht,  und  daher  ist  die  Be- 
hauptung des  Reklamanten,  daß  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter 
neutralen  Charakters  seien,  unbegründet. 

Des  weiteren  behauptet  der  Prozeßvertreter,  daß  die  an  den  vorüber- 
gehend in  Dalni  aufenthältlichen  Faktor  der  Firma  Tack  Woo  &  Co., 
den  Chinesen  Kwong  Chaw  versandte  Kiste  mit  Kleidungsstücken 
neutral  sei  und  nicht  beschlagnahmt  werden  könne.  Das  Ladungs- 
verzeichnis und  die  Konnossemente  aber  w^eisen  die  Firma  Tack  Woo 
&  Co  in  Dalni  als  Empfänger  aus,  und  demgegenüber  ist  das  Eigen- 
tum des  Kwong  Chaw  an  diesen  Gütern  sowie  sein  nur  vorüber- 
gehender Aufenthalt  in  Dalni  nicht  bewiesen  worden.  Daher  sind  die 
Behauptungen  des  Prozeßvertreters  bezüglich  dieses  Punktes  als  un- 
begründet zu  erachten. 

Ferner  führt  der  Reklamant  an,  daß  die  Verschiffung  der  zur  Ver- 
handlung stehenden  Güter  vor  der  Kriegseröffnung  erfolgt  sei  und  daß 
er  von  der  Kriegseröffnung  zwischen  Japan  und  Rußland  keine  Kenntnis 
gehabt  habe.  Da  aber  nach  Völkerrechtspraxis  feindliche  Güter  deshalb 
nicht  der  Aufbringung  entgehen  können,  weil  sie  vor  der  Kriegseröffnung 
verschifft  sind  oder  der  Verschiffer  von  der  Kriegseröffnung  keine  Kennt- 
nis gehabt  hat,  so  ist  auch  dieser  Punkt  der  Behauptungen  des  Prozeß- 
vertreters hinfällig. 

Es  wird  daher  wie  folgt  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  17.  Januar  1905  im  Oberprisengericht. 
184 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Manchuria'.  Abschnitt  VI*^ 

Reklamant:  Yue  Wo  Loong  in  Hongkong. 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  IkomaTakehikO;  Nagasaki, 
Higashifurukawamachi. 

In  Sachen  der  Beschlagnahme  von  Ladungsstücken  des  russischen 
Dampfers  „Manchuria''  wird,  wie  folgt,  entschieden: 

Urteilsformel: 
Die  auf  dem   Dampfer  verladenen   307  Säcke  Chinareis  werden 
eingezogen. 

Tatbestand  und  Gründe: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  307  Säcke  Chinareis  wurden  mit 
Bestimmung  für  Wladiwostok  in  Hongkong  auf  dem  russischen  Dampfer 
„Manchuria"  verschifft  und  am  9.  Februar  1904  auf  der  Höhe  von 
Port  Arthur  zusammen  mit  dem  genannten  Dampfer  von  dem  Kaiserlich 
Japanischen  Kriegsschiff  „Tatsuta''  beschlagnahmt. 

Diese  Tatsachen  sind  von  dem  Vertreter  des  Reklamanten  anerkannt 
und  werden  außerdem  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des  Stell- 
vertreters des  Kommandanten  des  beschlagnehmenden  Schiffs,  Kapitän- 
leutnants Kihara  Seiske,  die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns 
K.  Prahl  und  des  1.  Offiziers  O.  Tampio  vom  Dampfer  „Manchuria'^ 
das  Tagebuch  und  das  Ladungsverzeichnis. 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  des  Prozeßvertreters  sind 
folgende : 

1.  Da  die  Wissenschaft  auf  dem  Standpunkt  stehe,  daß  das  Privat- 
vermögen zur  See,  wie  solches  zu  Lande  unverletzlich  sein  müsse,  so 
müßten  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  in  Befolgung  dieses 
Grundsatzes  freigegeben  werden. 

2.  Nach  der  Pariser  Seerechtsdeklaration  vom  Jahre  1856  könnten 
neutrale  Güter  auf  feindlichem  Schiff,  sofern  sie  nicht  Konterbande 
seien,  nicht  beschlagnahmt  werden.  Die  zur  Verhandlung  stehenden 
Güter  seien  vor  Eröffnung  des  Krieges  von  einem  neutralen  Absender 
an  einen  neutralen  Empfänger  versandt  worden  und  seien  nicht  Konter- 
bande.    Daher   müßten  sie  freigegeben  werden. 

Die  Ansicht  des  Staatsanwalts  geh^  im  wesentlichen  dahin,  daß  die 
Behauptungen  des  Prozeßvertreters  des  Reklamanten  sämtlich  grundlos 
seien  und  daß  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  als  feindliche 
einzuziehen  seien. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Nach  den  Bestimmungen  und  der  Praxis  des  gegenwärtigen  Völker- 
rechts können  feindliche  Güter  auf  feindlichem  Schiff  gleichviel  ob 
Konterbande   oder   nicht,   beschlagnahmt  werden,   und   die   Frage,   ob 

185 


Abschnitt  VI*!  Prisengerichtsentscheidungen:  .Manchuria*. 

Güter  feindliche  sind  oder  nicht,  bestimmt  sich  nach  dem  Wohnsitz 
des  Eigentümers.  1) 

Ferner  wird  bezüglich  von  Gütern,  die  von  einem  Absender  in 
neutralem  Gebiet  an  einen  Empfänger  im  Feindesland  versandt  worden 
sind,  in  Ermangelung  gegenteiligen  Beweises  angenommen,  daß  dieselben 
mit  dem  Zeitpunkt  der  Verschiffung  in  das  Eigentum  des  Empfängers 
übergehen.  Der  Beweis  über  diesen  Punkt  ist  also  von  dem  Reklamanten 
zu  erbringen. 

Da  nun  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  auf  dem  der  russisch- 
ostasiatischen  Dampfergesellschaft  gehörigen  Dampfer  „Manchuria"  mit 
Bestimmung  für  einen  in  Wladiwostok  wohnhaften  Empfänger  ver- 
schifft worden  sind  und  der  Prozeßvertreter  des  Reklamanten  für  seine 
Behauptung,  die  Güter  stünden  im  Eigentum  des  neutralen  Absenders, 
nicht  den  geringsten  Beweis  erbracht  hat,  so  kann  diese  Behauptung 
nicht  anerkannt  werden,  und  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter 
unterliegen  in  Gemäßheit  der  Pariser  Seerechtsdeklaration  vom  lahre 
1856  als  feindliche  Güter  auf  feindlichem  Schiff  der  Einziehung.  2) 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  26.  Mai  1904  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Bei- 
sein des  Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurokuro. 

(Unterschriften.) 


Reklamant;  Der  chinesische  Staatsuntertan  Yue  Wo  Loong, 
wohnhaft  in  Hongkong. 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  Ikoma  Takehiko,  Naga- 
saki, Higashifurukawamachi. 

Am  26.  Mai  1904  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  Sachen  der 
Beschlagnahme  von  307  Sack  chinesischen  Reis,  welche  auf  dem  russi- 
schen Dampfer  „Manchuria''  verschifft  und  mit  diesem  zusammen  am 
9.  Februar  1904  18  Seemeilen  südöstlich  von  Port  Arthur  von  dem 
Kaiserlich  Japanischen  Kriegsscliiff  „Tatsuta"  beschlagnahmt  worden 
waren,  ein  Urteil  auf  Einziehung  dieser  Güter  erlassen.  Gegen  dieses 
Urteil  hat  der  Prozeßvertreter  des  Reklamanten  Yue  Wo  Loong,  der 
Rechtsanwalt  Ikoma  Takehiko,  die  Berufung  eingelegt,  welche  im 
Oberprisengericht  im  Beisein  der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku 
und   Ishiwatari  Binichi  geprüft  worden  ist. 


*)  V.  §§  8,  3  und  4.  —  2)  V.  §  40. 
186 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Manchuria".  Abschnitt  VI>i 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Prozeßvertreters  des  Rekla- 
manten  Ikoma  Takehiko  und  deren   Begründung  sind  folgende: 

Der  Reklamant  habe  ohne  Kenntnis  von  der  Eröffnung  des  Krieges 
zvcischen  Japan  und  Rußland  am  1.  Februar  1904  307  Sack  chinesischen 
Reis  für  den  Leiter  seiner  Filiale  „Kwong  Tai  Seng''  in  Wladiwostok, 
den  chinesischen  Staatsuntertan  Au  Yong  Pang,  mit  der  Absicht 
sie  durch  ihn  an  dort  wohnende  Chinesen  verkaufen  zu  lassen,  auf 
dem  in  Hongkong  liegenden  Dampfer  der  russisch-ostasiatischen 
Dampfergesellschaft  „Manchuria"  verschifft.  Nach  ihrer  Abreise,  am 
0.  Februar,  habe  Japan  die  diplomatischen  Beziehungen  mit  Rußland 
abgebrochen  und  eine  Erklärung  dahin  abgegeben,  daß  es  nach  eigenen 
tntschließungen  verfahren  werde.  Schließlich  sei,  nachdem  die  beiden 
Geschwader  Kanonenfeuer  ausgetauscht  hätten,  der  Krieg  für  eröffnet 
angesehen  und  am  9.  Februar  der  Dampfer  „Manchuria"  auf  der  Höhe 
von  Port  Arthur  von  dem  Kaiserlich  Japanischen  Kriegsschiff  ., Tatsuta" 
aufgebracht  worden.  Hierbei  sei  auch  der  genannte  Reis  beschlag- 
nahmt worden. 

Diese  Ladungsstücke  seien  aber  Eigentum  eines  neutralen  Staats- 
angehörigen und  ihrem  Charakter  nach  keine  Kriegskonterbande.  Auch 
seien  sie  nicht  für  die  russische  Armee  oder  Marine  verschifft  worden 
und  hätten  auch  nicht  an  diese  geliefert  werden  sollen.  Daher  liege 
ein  Grund  für  ihre  Beschlagnahme  nicht  vor.  Das  Sasebo-Prisengericht 
habe  die  Güter  für  feindliche  erklärt  und  auf  ihre  Einziehung  ent- 
schieden. Diese  Entscheidung  sei  unrechtmäßig  und  es  werde  dagegen 
die  Berufung  erhoben. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  Yamamoto 
Tatsurokuro  vom  Prisengericht  in  Sasebo  sind  folgende: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  seien  Handelswaren,  welche 
an  einen  im  Handelsgewerbe  in  Wladiwostok  ansässigen  chinesischen 
Staatsuntertan  auf  einem  feindlichen  Schiff  versandt  worden  seien.  Sie 
seien  daher  feindliche  Güter  und  unterlägen,  wenn  sie  auch  keine  Konter- 
bande seien,  der  Einziehung. 

Da  ferner  nach  den  Gewohnheiten  und  Bestimmungen  des  gegen- 
wärtigen Völkerrechts  die  Tatsache,  daß  der  Absender  von  der  Er- 
öffnung des  Krieges  nichts  gewußt  habe,  kein  Grund  sei,  weshalb  Güter, 
«ie  die  im  vorliegenden  Falle,  der  Beschlagnahme  entgehen  sollten, 
so  sei  das  Urteil  erster  Instanz  gerechtfertigt  und  die  Berufung  un- 
begründet. 

Es  werde  deshalb  Abweisung  der  Berufung  beantragt. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

Die  von  dem  in  Hongkong  wohnenden  Yue  Wo  Loong  auf 
dem  der  russisch-ostasiatischen  Dampfergesellschaft  gehörigen  Dampfer 
„Manchuria"    verschifften    und    für   den    in    Wladiwostok   wohnhaften 

187 


Abschnitt  Vl^k  Prisengerichtsentscheidungen:  .Manchuria'. 

Kwong  Tai  Seng  bestimmten  zur  Verhandlung  stehenden  Oüter 
sind  auf  der  Reise  dorthin  am  9.  Februar  1904,  also  nach  Eröffnung 
des  japanisch-russischen  Krieges,  18  Seemeilen  südöstlich  von  Port  Arthur 
zusammen  mit  dem  genannten  Dampfer  von  dem  Kaiserlich  Japanischen 
Kriegsschiff  „Tatsuta"  beschlagnahmt  worden. 

Es  ist  von  der  völkerrechtlichen  Praxis  anerkannt,  und  das  Ober- 
prisengericht erachtet  dies  als  den  Verhältnissen  gerecht  werdend,  daß 
Güter,  welche  von  Personen  mit  neutralem  Wohnsitz  zur  Kriegszeit  auf 
feindlichem  Schiff  an  einen  Empfänger  im  Feindesgebiet  abgesendet 
werden,  feindlichen  Charakters  sind  und  daher  der  Einziehung  unter- 
liegen. 

Der  Prozeß  Vertreter  behauptet  freilich,  die  200  Säcke  Reis  seien 
neutrale  Güter  und  könnten  nicht  beschlagnahmt  werden.  Das  Über- 
prisengericht ist  jedoch  der  Ansicht,  daß  die  Anerkennung  des  Domizil- 
prinzips der  Logik  der  Verhältnisse  entspricht,  und  daher  ist  die  Be- 
hauptung des  Reklamanten,  daß  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter 
neutralen  Charakters  seien,  unbegründet. 

Ferner  führt  der  Reklamant  an,  daß  die  Verschiffung  der  zur  Ver- 
handlung stehenden  Güter  vor  der  Kriegseröffnung  erfolgt  sei  und 
daß  er  von  der  Kriegseröffnung  zwischen  Japan  und  Rußland  keine 
Kenntnis  gehabt  habe.  Da  aber  nach  Völkerrechtspraxis  feindliche  Güter 
deshalb  nicht  der  Aufbringung  entgehen  können,  weil  sie  vor  der 'Kriegs- 
eröffnung verschifft  sind  oder  der  Verschiffer  von  der  Kriegseröffnung 
keine  Kenntnis  gehabt  hat,  so  ist  auch  dieser  Punkt  der  Behauptungen 
des  Prozeßvertreters  hinfällig. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  17.  Januar  1905  im  Oberprisengericht. 


Reklamant:  Die  in  London  niederlässige  Bankfirma  Fred  er  ic 
Haß  &  Co.,  vertreten  durch  ihren  Prokuristen,  den  englischen  Staats- 
angehörigen F.  H.  Hill,  wohnhaft  in  Yokohama  Yamashitacho  Nr.  71. 

Prozeßvertreter;  Rechtsanwalt  Masushima  Rokuichiro, 

ebendaselbst  Nr.   14. 

In  Sachen  der  Beschlagnahme  von  Ladungsstücken  des  russischen 
Dampfers  „Manchuria''  wird,  wie  folgt,  entschieden: 

Urteilsformel: 
Die  auf   dem   Dampfer  „Manchuria''   verladenen   513   Kolli   Tee 
(gezeichnet  v)  ^"d  596  Kolli  Tee  (gezeichnet  □)  werden  eingezogen. 

188 


Pri$engericht8ent8cheidungen:  .Manchurta*.  Abschnitt  Vl^k 

Tatbestand    und    Gründe: 

Die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  Tee  ist  in  Colombo  auf 
dem  der  russisch-ostasiatischen  Dampfergesellschaft  gehörigen  Dampfer 
„Manchuria"  verschifft  und  mit  Bestimmung  nach  Moskau  abgesandt 
worden.  Auf  der  Reise  nach  Port  Arthur  wurde  sie  am  9.  Februar  1904, 
9  Uhr  vormittags,  zusammen  mit  dem  genannten  Dampfer  von  dem 
Kaiserlich  Japanischen  Kriegsschiff  ,,Tatsuta"  auf  der  Höhe  von  Port 
Arthur  beschlagnahmt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Reklamationsschrift, 
die  Aussageschrift  des  Stellvertreters  des  Kommandanten  des  beschlag- 
nehmenden Schiffs,  Kapitän leutnants  Kihara  Seiske,  die  Ver- 
nehmungsprotokolle des  Kapitäns  K.  Prahl  und  des  1.  Offiziers 
0.  Tampio,  das  Ladungsverzeichnis  und  das  Schiffsjournal  des  ge- 
nannten Dampfers. 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  des  Prozeßvertreters  des  Rekla- 
manten sind  folgende: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  seien  von  der  Firma  Rode- 
Tald  &  Heath  in  Colombo  am  11.  Januar  1904  mit  Konnossementen, 
die  für  Order  der  genannten  Firma  ausgestellt  waren,  auf  dem  Dampfer 
,,Manchuria"  verschifft  und  mit  der  Bestimmung  nach  Moskau  in  Ruß- 
land via  Dalni  abgeschickt  worden,  wo  sie  an  die  Order  der  Absender 
abgeliefert  werden  sollten. 

1-  Da  der  Absender  der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  es  in 
seinem  Belieben  gehabt  habe,  mit  denselben  je  nach  Zahlung  oder 
Nichtzahlung  des  Betrags  des  von  ihm  gezogenen  Wechsels  zu  verfahren, 
so  seien  die  Güter  zur  Zeit  der  Aufbringung  noch  Eigentum  des  neu- 
tralen Absenders  gewesen  und  könnten  daher  nicht  als  Feindesgut  ein- 
gezogen werden. 

2.  Da  der  Reklamant  den  erwähnten  Warenwechsel  acceptiert  und 
Zahlung  dafür  geleistet  habe,  so  habe  er  bedeutendes  Interesse  an  'den  zur 
Verhandlung  stehenden  Gütern  und  beantrage  ihre  Freigabe. 

Die  Ansicht  des  Staatsanwalts  geht  im  wesentlichen  dahin,  daß 
die  Ausführungen  des  Prozeßvertreters  des  Reklamanten  unbegründet 
und  die  Güter  einzuziehen  seien. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Der  Reklamant  macht  geltend,  daß  die  zur  Verhandlung  stehenden 
Güter,  weil  sie  an  die  Order  des  Absenders  in  Moskau  abzuliefern 
Taren,  zur  Zeit  der  Aufbringung  noch  im  Eigentum  der  neutralen 
Absender  gestanden  hätten  und  daher  nicht  für  feindlich  erklärt  werden 
könnten. 

Aus  den  von  dem  Prozeßvertreter  des  Reklamanten  vorgelegten 
Beveisdokumenten  Nr.  II  1  und  2  geht  jedoch  hervor,  daß  der  Ab- 
sender die  596  Kolli  Tee  (gezeichnet  Q)  auf  das  Konto  der  Teehandlung 

189 


Abschnitt  Vl^k  Prisengerichtsentscheidungen:  .Manchuria". 

Medowjesew's  Erben  in  Moskau  gesetzt  und  einen  Warenwechsel 
darüber  gezogen  hat,  dessen  Prima  er  an  diese  Firma  schickte..  Daher 
ist  die  genannte  Gesellschaft  als  die  Empfängerin  anzusehen.  Die  513 
Kolli  Tee  (gezeichnet  v)  waren  an  W.  J.  Popoff  &  Co.  in  Moskau 
abgeschickt.  Daß  diese  Firma  die  Empfängerin  ist,  muß  nach  den 
Beweisstücken  III  1  und  2  und  nach  der  Obersetzung  des  von  dem 
Reklamanten  an  den  Prozeßvertreter  gerichteten  Telegramms  vom  25.  Mai 
dieses  Jahres  als  erwiesen  erachtet  werden.  Lediglich  dadurch,  daß 
die  Konnossemente  auf  Order  lauten,  kann  die  obige  Annahme  nicht 
umgestoßen  werden. 

Nach  dem  Völkerrecht  müssen  feindliche  Güter  auf  feindlichem 
Schiff,  gleichviel  ob  sie  vor  der  Kriegseröffnung  verschifft  worden  sind 
oder  nicht,  eingezogen  werden,  und  die  Frage,  ob  Güter  feindlich  sind 
oder  nicht,  bestimmt  sich  nach  dem  Wohnsitz  des  Eigentümers.  ^)  Ferner 
wird  bezüglich  von  Gütern,  die  von  einem  Absender  in  neutralem 
Gebiet  an  einen  Empfänger  im  Feindesland  versandt  werden.  In  Er- 
mangelung gegenteiligen  Beweises  angenommen,  daß  dieselben  mit  dem 
Zeitpunkt  der  Verschiffung  in  das  Eigentum  des  Empfängers  über- 
gehen. 

Da  der  Prozeßvertreter  diesen  Gegenbeweis  nicht  erbracht  hat, 
so  muß  angenommen  werden,  daß  die  zur  Verhandlung  stehenden 
Güter  zur  Zeit  der  Aufbringung  bereits  in  das  Eigentum  einer  feindlichen 
Person  übergegangen  waren.  Da  so  die  genannten  Güter  feindliche 
sind,  so  kann  Punkt  1  der  Ausführungen  des  Reklamanten  nicht  an- 
erkannt werden. 

Da  die  Güter  feindliche  sind  und  nach  Völkerrecht  das  Recht 
des  Captors  an  feindlichem  Gut  absolut  ist,  so  können  irgendwelche 
anderen  Rechtsansprüche  an  dieselben  nicht  anerkannt  werden.  So  ist 
auch  Punkt  2  der  Behauptungen  des  Prozeßvertreters  des  Reklamanten 
hinfällig. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden.*) 

Verkündet  am  27.  Mai  1904  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Bei- 
sein des  Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurokuro. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Die  in  London  niederlässige  Bankfirma  Fred  er  ic 
Haß  &  Co.,  vertreten  durch  ihren  Prokuristen,  den  englischen  Staats- 
angehörigen F.  H.  Hill,  Yokohama,  Yamashitacho  71. 


')  V.  §§  8,  3  und  4.  —  ^j  y.  §  40. 
190 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Manchuria".  Abschnitt  VI^i^ 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  Masushima  Rokuichiro, 
wohnhaft  ebendaselbst,  Yamashitacho  14. 

Am  27.  Mai  1904  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  Sachen  der 
Beschlagnahme  von  513  Kolli  Tee,  gezeichnet  v»  und  596  Kolli  Tee, 
gezeichnet  □,  welche  auf  dem  russischen  Dampfer  „Manchuria"  ver- 
schifft und  zusammen  mit  diesem  am  9.  Februar  1904  18  Seemeilen 
südöstlich  von  Port  Arthur  von  dem  Kaiserlich  Japanischen  Kriegs- 
schiff „Tatsuta"  beschlagnahmt  worden  waren,  auf  Einziehung  der- 
selben erkannt.  Gegen  dieses  Urteil  hat  der  Prozeßvertreter  des  Rekla- 
manten, des  Prokuristen  F.  H.  Hill  der  Londoner  Bankfirma  F  r  e  d  e  r  i  c 
Haß  &  Co.,  der  Rechtsanwalt  Masushima  Rokuichiro,  die  Be- 
rufung eingelegt,  welche  im  Oberprisengericht  im  Beisein  der  Staats- 
anwälte Tsutsuki  Keiroku  und  Ishiwatari  Binichi  geprüft 
worden  ist. 

Die  Hauptberufungspunkte  des  Prozeßvertreters  Masushima 
Rokuichiro  und  ihre  Begründung  sind  folgende : 

1.  Das  Urteil  erster  Instanz  habe  die  von  dem  Reklamanten  be- 
haupteten Tatsachen  falsch  verstanden.  Es  werde  dort  als  Vorbringen 
des  Reklamanten  aufgeführt,  daß  die  Güter  nach  den  von  der  Firma 
Rodew'aid  &  Heath  in  Colombo  ausgestellten,  auf  Order  lau- 
tenden Konnossementen  auf  der  „Manchuria"  zu  verschiffen  und  über 
Dalni  gehend  an  die  Order  des  Absenders  in  Moskau  abzuliefern  waren, 
Reklamant  habe  indes  den  Ausdruck  „an  die  Order  des  Absenders  in 
Moskau"  nicht  gebraucht.  Punkt  II,  1  und  Punkt  III,  1  der  Reklamation 
uolle  vielmehr  mit  den  Worten  „Ablieferung-Orderperson-Absender" 
klar  machen,  daß  das  Verfügungsrecht  über  die  genannten  Güter  der 
neutralen  Firma  Rodewald  &  Heath  zustehe.  In  dem  in  den 
Punkten  II,  1  und  III,  1  der  Reklamation  sich  findenden  Passus  „Ab- 
lieferung-Orderperson-')  Absender"  sei,  wie  geschrieben,  unter  „Order- 
person" der  Absender  in  Colombo  zu  verstehen.  Das  bedeute,  daß  es 
vollständig  in  der  Hand  des  Absenders  gelegen  habe,  den  Empfänger 
zu  bestimmen.  Wenn,  wie  im  vo'Hiegenden  Falle,  der  jeweilige  Besteller 
keine  Barzahlung  geleistet  habe,  sondern,  wie  es  handelsüblich  sei,  die 
Transaktion  gegen  Wechsel  geschehe,  so  entstünden  die  obligatorischen 
Rechtsbeziehungen  zwischen  Absender  und  Empfänger  erst  nach  Akzep- 
tation  durch  das  darin  liegende  Zahlungs versprechen  des  Akzeptanten. 
Bis  zur  Zahlung  des  Wechselbetrags  stehe  das  Recht  der  Verfügung 
über  die  Güter  und  somit  der  Bestimmung,  an  wen  sie  auszuliefern 


*)  Um  das  von  dem  Prozefivertreter  behauptete  Mifiverständtiis  in  der  Ober- 
setzung vetstilndlich  zu  machen,  mufite  das  Wort  .sashizunin'  mit  »Orderperson*  wört- 
lich übertragen  werden.  Das  Ausdruck  ist  zweideutig.  Der  Prozefivertreter  versteht 
darunter  die  Person,  welche  die  Order  zu  geben  hat,  und  er  sagt,  das  Gericht  habe 
fälschlich  darunter  die  Person  verstanden,  auf  welche  die  Order  laute. 

191 


Abschnitt  Vl^k  Prisengerichtsentscheidungen:  .Manchuria'. 

seien,  dem  Absender  zu.  Dies  sei  vom  Handelsrecht,  welches  einen 
Teil  des  Völkerrechts  bilde,  anerkannt. 

Da  ferner  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  während  des  See- 
transports beschlagnahmt  worden  seien,  so  liege  noch  nicht  einmal 
ein  Übergang  des  Besitzrechts  auf  einen  Dritten  vor.  Das  Eigentums- 
recht stehe  daher  unverändert  dem  Absender  zu.  (S.  die  Ergänzung  2 
der  Beruf ungsgründe  vom  26.  September  1904). 

Das  Urteil  erster  Instanz  habe  diesen  wichtigen  Punkt  falsch  ver- 
standen und  sei  daher  unzutreffend. 

2.  Das  Urteil  erster  Instanz  habe  angenommen,  daß  die  Tee- 
handlung Medowjesew's  Erben  in  Moskau  die  Empfängerin  der 
unter  den  zur  Verhandlung  stehenden  Gütern  befindlichen  mit  H  ge- 
zeichneten 596  Kolli  Tee  sei,  weil  die  Absender  das  Konto  dieser 
Firma  dafür  belastet  und  ihr  ein  Exemplar  des  dafür  gezogenen  Waren- 
wechsels geschickt  habe.  Ebenso  habe  das  erstinstanzliche  Urteil,  da 
die  A  gezeichneten  513  Kolli  Tee  an  die  gleichfalls  in  Moskau  nieder- 
lässige Firma  W.  J.  Popoff  versandt  worden  seien,  angenommen, 
daß  diese  die  Empfängerin  sei.  Die  Annahme  sei  unrichtig,  denn  sie 
berücksichtige  nicht  die  in  Punkt  II,  1  und  III,  1  der  Reklamation 
sich  findenden  Worte  „Ablieferungs-Orderperson-Absender''  und  lasse 
so  völlig  außer  acht,  daß  hier  die  in  Punkt  1  dargelegte  handelsübliche 
Art  der  Transaktion  vorliege.  Die  Trassierung  des  für  diesen  Tee  aus- 
gestellten Warenwechsels  sei  geschehen,  um  bis  zum  Akzept  des 
Wechsels,  d.  h.  bis  zur  Zahlung  seines  Betrags  das  Eigentumsrecht 
an  den  Gütern  nicht  auf  den  Empfänger  übergehen  zu  lassen.  Daher 
seien  auch  die  Konnossemente  von  dem  Absender  in  der  Weise  aus- 
gestellt, daß  sie  an  seine  Order  auszuliefern  gewesen  wären.  Sie  seien 
daher  verschieden  von  gewöhnlichen  Konnossementen,  in  welchen  der 
Absender  den  Empfänger  der  von  ihm  abgesandten  Güter  bestimmt 
benenne.  Da  in  dem  vorliegenden  Fall  die  Wechsel  noch  nicht  von 
den  beiden  genannten  Firmen,  vielmehr  nur  von  dem  Reklamanten 
akzeptiert  seien,  so  könnten  die  beiden  Firmen,  selbst  wenn  sie  die 
genannten  Konnossemente  empfangen  haben  würden,  doch  die  Waren 
nicht  ausgehändigt  erhalten.  Tatsächlich  hätten  sie  aber  die  Konnosse- 
mente nicht  empfangen,  und  man  könne  daher  nicht  behaupten,  daß 
sie   das   Eigentumsrecht  erworben   hätten. 

Da  demnach  das  Eigentumsrecht  an  den  zur  Verhandlung 
stehenden  Gütern  dem  neutralen  Absender,  einem  englischen  Staats- 
angehörigen zustehe,  so  seien  dieselben  nicht  feindlich.  (Vgl.  die 
Ergänzung  der  Beruf  ungsgründe  vom  13.  Juni  1904  und  desgleichen 
vom  7.  Oktober  desselben  Jahres  Nr.  3). 

3.  Das  Urteil  erster  Instanz  habe  bezüglich  der  zur  Verhandlung 
stehenden  Güter  entschieden,  daß  nach  dem  Völkerrecht  feindliche  Güter 

192 


Priwngerichtsentscheidungen:  «Manchuria*.  Abschnitt  Vl'k 

auf  feindlichem  Schiff,  gleichgültig  ob  sie  vor  der  Kriegseröffnung  ver- 
schifft seien  oder  nicht,  selbstverständlich  der  Beschlagnahme  unter- 
lägen; daß  die  Frage,  ob  Güter  feindlich  seien  oder  nicht,  sich  nach 
dem  Wohnort  des  Eigentümers  bestimme;  und  daß  Güter,  welche  von 
einem  in  neutralem  Gebiet  ansässigen  Absender  an  einen  Empfänger 
in  Feindesgebiet  entsandt  würden,  in  Ermanglung  ausdrücklichen 
Gegenbeweises  mit  der  Absendung  in  das  Eigentum  des  Empfängers 
übergingen.  Diese  Entscheidung  widerlaufe  dem  Recht.  Denn  nach 
der  japanischen  Prisenordnung  bestimme  sich  die  Landeszugehörigkeit 
von  Gütern  nach  der  Landeszugehörigkeit  des  Eigentümers.  Was  aber 
das  Eigentum  an  den  zur  Verhandlung  stehenden  Gütern  angehe,  so 
gehe  bereits  aus  Punkt  II,  1  und  III,  1  der  Reklamation  klar  hervor, 
daß  es  der  Firma  Rodewald  &  Heath  zustehe  und  daß  das 
Urteil  erster  Instanz  die  oben  dargelegten  Handelsgebräuche  nicht  ver- 
standen und  daher  falsch  entschieden  habe. 

4.  Ebenso  sei  die  Entscheidung  des  Urteils  erster  Instanz  un- 
zutreffend, daß,  weil  der  Gegenbeweis  nicht  erbracht  sei,  angenommen 
Verden  müsse,  daß  das  Eigentum  an  den  zur  Verhandlung  stehenden 
Gütern  zur  Zeit  der  Beschlagnahme  bereits  auf  eine  feindliche  Person 
übergegangen  gewesen  sei. 

Wie  nämlich  aus  Punkt  1  der  Reklamation  hervorgehe,  so  seien, 
da  sowohl  der  Absender  wie  auch  der  Reklamant  neutrale  englische 
Staatsangehörige  seien,  die  Güter  neutral. 

Ferner  sei  es  eine  Handelsgewohnheit,  die  einen  Teil  des  Völker- 
rechts bilde,  daß  ein  Absender,  solange  der  Besteller  den  dem  Preis 
der  Güter  entsprechenden  Wechselbetrag  noch  nicht  gezahlt  habe,  wenn 
ein  Krieg  ausbreche,  jederzeit  die  Ablieferung  der  Waren  zu  verhindern 
berechtigt  sei.  (Vgl.  Ergänzung  Nr.  1  der  Berufungsgründe  vom 
7.  Oktober  1904.) 

5.  Das  Urteil  erster  Instanz  habe  das  Recht  der  Beschlagnahme 
für  absolut  erklärt  und  entschieden,  daß  die  Rechtsansprüche  des  Rekla- 
manten an  den  zur  Verhandlung  stehenden  Gütern  nicht  zu  beachten 
seien. 

Der  Reklamant  sei,  wie  bereits  erwähnt,  neutraler  Nationalität  und 
sei  der  Akzeptant  der  für  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  ge- 
zogenen Wechsel  und  sei  dadurch  verpflichtet,  die  Transaktionssumme 
darzuleihen.  Er  sei  im  Besitz  der  richtig  indossierten  Konnossemente, 
«eiche  die  Herleitung  des  Eigentumsrechts  an  den  zur  Verhandlung 
:>tehenden  Gütern  bewiesen,  daher  habe  er  rechtliches  Interesse  an 
denselben.  (Vgl.  die  Ergänzung  Nr.  1  der  Berufungsgründe  vom 
-t).  September  1904,  desgleichen  Nr.  2  vom  7.  Oktober  desselben  Jahres,  . 
desgleichen   vom  25.  Oktober  desselben  Jahres.) 

6.  Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  seien  etwa  einen  Monat 

Varstrand-Mochlenburff,  Das  japanische  Prisenrocht.    Band  I.       (13)  lad 


Abschnitt  Vl^k  Prisengerichtsentscheidungen:  .Manchuria*. 

vor  Ausbruch  des  Krieges  verschifft  worden.  Weder  die  Reederei  noch 
die  Absender  hätten  von  der  Kriegseröffnung  etwas  gewußt.  Ferner 
sei  die  Beschlagnahme  vor  der  Veröffentlichung  der  Kriegserklärung 
geschehen,  und  daher  sei  die  Beschlagnahme  unrechtmäßig. 

7.  Nach  der  im  Jahre  1882  von  dem  Kongreß  für  internationale 
Rechtswissenschaft  in  Turin  beschlossenen  Seeprisenordnung  könne 
feindliches  Privatvermögen  erst  nach  Eröffnung  des  Krieges  beschlag- 
nahmt werden.  Auch  beschränke  sich  die  Beschlagnahme  von  feind- 
lichen Schiffen  und  deren  Ladung  auf  solche  Fälle,  wo  der  Kapitän 
von  dem  Kriege  Kenntnis  gehabt  habe  und  wo  erwiesenermaßen  ein 
den  Zwecken  des  Feindes  dienender  oder  nach  einem  feindlichen  Platz 
bestimmter  verbotener  Transport  vorliege.  Diese  Bestimmungen  seien 
von  der  öffentlichen  Meinung  der  ganzen  Welt  anerkannt,  und  es  sei 
außer  Zweifel,  daß  auch  Japan  nicht  zögern  werde,  die  Billigkeit  der- 
selben anzuerkennen.  Es  werde  daher  um  eine  Entscheidung  im  Sinne 
dieser  Bestimmungen  gebeten. 

8.  Absatz  3  der  Pariser  Seerechtsdeklaration  vom  Jahre  1856  ver- 
werfe es,  daß  Güter,  welche,  wie  die  zur  Verhandlung  stehenden,  er- 
wiesenermaßen im  Eigentum  neutraler  Personen  stünden,  als  gute  Prise 
verurteilt  werden  dürften. 

9.  Ein  Prisengericht  sei  verschieden  von  den  gewöhnlichen  Landes- 
gerichten. Während  diese  sich  genau  an  die  Gesetze  ihres  Landes 
zu  halten  hätten,  sei  ein  Prisengericht  an  keine  völkerrechtlichen  Qesetzes- 
normen  gebunden.  Es  müsse  bei  Erlaß  einer  Entscheidung  nach  den 
besonderen  Verhältnissen  des  Falles  urteilen.  Eine  Prisengerichts- 
entscheidung sei  daher  verschieden  von  einem  richterlichen  Urteil.  Die 
Bestimmungen  und  Gewohnheiten  des  Völkerrechts  kämen  dafür  ledig- 
lich höchstens  als  Material  in  Betracht.  Reklamant  hoffe  daher,  daß 
die  neueren  Normen  des  Völkerrechts  anerkannt  und  mit  ihrer  An- 
wendung in  der  Praxis  hier  ein  Anfang  gemacht  werde. 

Der  Staatsanwalt  beim  Sasebo-Prisengericht,  Yamamoto  Tat- 
surokuro,  hat  hierauf  im  wesentlichen  folgendes  erwidert: 

Der  Berufungsreklamant  behaupte  in  Punkt  1,  das  Urteil  erster 
Instanz  habe  die  von  dem  Reklamanten  aufgeführten  Tatsachen  falsch 
verstanden.  Es  werde  dort  von  „Gütern,  welche  an  die  Order  des 
Absenders  in  Moskau  abzuliefern  seien"  gesprochen.  Der  Reklamant 
habe  aber  einen  derartigen  Ausdruck  nicht  gebraucht.  Der  Sinn 
des  Ausdrucks  „Ablieferung -Orderperson -Absender"  sei,  wie  ge- 
schrieben, dahin  zu  verstehen,  daß  die  Firma  Rodewald  &  Heath 
das  Verfügungsrecht  über  die  Güter  hätte.  Das  Urteil  erster  Instanz 
gründe  sich  daher  auf  einer  irrtümlichen  Annahme  und  sei  unzutreffend. 

Demgegenüber  sei  zu  bemerken,  daß  das  Urteil  die  Behauptungen 
des  Reklamanten  nur  in  den  Hauptpunkten  wiedergebe  und  daß  die 

194 


Prisengerichtsentscheidungen:  ,,Manchuria'.  Abschnitt  VI'^ 

von  dem  Reklamanten  eingereichten  Dokumente  und  Erklärungen  dort 
nicht  in  voller  Länge  verzeichnet  seien.  Es  bedürfe  jedoch  kaum  einer 
Erörterung,  daß  es  genüge,  den  Sinn  richtig  wiederzugeben,  wenn  auch 
der  Wortlaut  verschieden  sein  möge.  Wenn  der  Reklamant  sage,  daß 
die  Güter  an  eine  von  dem  Absender  in  Colombo  benannte  Person 
in  Moskau  abzuliefern  sei,  so  weiche  dies  von  dem  im  Urteil  Ge- 
schriebenen, nämlich  daß  die  Güter  an  die  Order  des  Absenders  in 
Moskau  abgeliefert  werden  sollten,  dem  Sinne  nach  nicht  im  geringsten 
ab.  Wenn  der  Berufungsreklamant  diesen  Satz  so  auslegen  wolle,  als 
ob  das  Urteil  habe  sagen  wollen,  der  Absender  sei  in  Moskau  ansässig,  *) 
so  müsse  im  Gegenteil  dem  Berufungsreklamanten  vorgeworfen  werden, 
daß  er  das  Urteil  mißverstanden  habe,  denn  die  in  Moskau  befindliche 
Person  sei  dort  nicht  als  Absender,  sondern  als  Empfänger  bezeichnet. 

2.  Der  Reklamant  erkläre,  daß  die  Annahme  des  erstinstanzlichen 
Urteils,  die  Empfänger  der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  seien 
die  Teehandlung  Medowjesew's  Erben  und  die  Firma  W.  J. Popoff 
in  Moskau,  unrichtig  sei.  Denn  diese  Annahme  berücksichtige  nicht 
die  in  den  Beweisdokumenten  sich  findenden  Worte  „ Ablieferung - 
Orderperson  -  Absender"  und  lasse  damit  eine  handelsübliche  Gewohn- 
heit völlig  außer  Acht. 

Demgegenüber  müsse  gesagt  werden,  daß  es  freilich  im  allgemeinen 
bei  kaufmänm'schen  Transaktionen  üblich  sei,  Waren,  welche  auf  Be- 
stellung verschickt  würden,  nach  Ankunft  gegen  Zahlung  auszuhändigen 
und  daß  ebenso  üblicherweise  bei  großen  Entfernungen  die  Zahlung 
in  der  Weise  erfolge,  daß  ein  Konnossement  als  Sicherheit  gegeben 
und  daraufhin  ein  Warenwechsel  gezogen  würde,  dessen  Inhaber  als- 
dann von  dem  Käufer  der  Waren  Zahlung  gegen  den  Wechsel  erhalte. 
Aber  auch  für  derartige  Güter  gelte  auf  allen  Meeren  der  Grundsatz, 
daß  das  Eigentum  an  ihnen  mit  der  Verschiffung  sogleich  auf  den 
Empfänger  übergehe.  Daher  müßten  Güter,  welche  auf  die  eben  be- 
schriebene Transaktionsweise  von  einem  neutralen  Lande  nach  feind- 
lichem Gebiet  transportiert  würden,  als  feindliche  Güter  angesehen 
Verden  und  der  Beschlagnahme  und  Einziehung  unterliegen  können. 
In  Friedenszeiten  freilich  bestünden  mit  Bezug  auf  den  Eigentums- 
öbergang  vom  Verkäufer  auf  den  Käufer  auf  Grund  der  Abmachungen 
unter  den  Beteiligten  oder  besonderen  Handelsgewohnheiten  Ausnahmen, 
und  die  tatsachlich  bestehenden  Umstände  fänden  dann,  wie  der  Rekla- 
mant es  geltend  mache,  auch  Berücksichtigung.  In  Kriegszeiten  jedoch 
Türden  bei  Seebeschlagnahmen  derartige  Ausnahmen  nicht  berücksich- 
tigt, denn  wenn  man  sie  berücksichtige,  so  würde  es  dahin  kommen, 
daß  überhaupt  kein  Gut  zur  See  beschlagnahmt  werden  könne. 

*)  Der  Staatsanwalt  hat  offenbar  den  Gedankengang  des  Prozefivertreters  gar 
nicht  vefstanden. 

(13*)  195 


Abschnitt  Vl^k  Prisengeiichtsentscheidungen:  •■anchuria*. 

3.  Reklamant  sage:  das  Urteil  erster  Instanz  habe  bezüglich  der 
2ur  Verhandlung  stehenden  Güter  entschieden,  daß  nach  Völkerrecht 
feindliche  Güter  auf  feindlichem  Schiff,  gleichgültig  ob  sie  vor  der 
Kriegseröffnung  verschifft  seien  oder  nicht,  selbstverständlich  der  Be- 
schlagnahme unterlägen;  daß  die  Frage,  ob  Güter  feindliche  seien  oder 
nicht,  sich  nach  dem  Wohnort  des  Eigentümers  bestimme;  und  daß 
Güter,  welche  von  einem  in  neutralem  Gebiet  ansässigen  Absender 
an  einen  Empfänger  im  Feindesgebiet  versandt  würden,  in  Ermanglung 
ausdrücklichen  Gegenbeweises  mit  der  Absendung  in  das  Eigentum 
des  Empfängers  übergingen.  Diese  Entscheidung  widerliefe  dem  Recht. 
Denn  nach  der  japanischen  Prisenordnung  bestimme  sich  die  Landes- 
zugehörigkeit von  Gütern  nach  der  Landeszugehörigkeit  des  Eigen- 
tümers usw. 

Der  Reklamant  habe  oft  erörtert  und  behaupte  dies  auch  jetzt 
wieder  in  Punkt  9  der  Berufungsschrift,  daß  die  Entscheidung  eines 
Prisengerichts  von  einem  richterlichen  Urteil  verschieden  sei;  daß  es 
keine  Gesetze  gäbe,  welche  angewandt  werden  müßten;  daß  weder 
Präzedenzen  noch  Prisenordnungen  irgendwie  verbindlich  seien.  Trotz- 
dem sage  der  'Reklamant  jetzt,  die  erstinstanzliche  Entscheidung  laufe 
der  japanischen  Prisenordnung  zuwider  und  sei  ungesetzmäßig.  Da- 
mit setze  sich  der  Reklamant  mit  seinen  eigenen  Argumenten  in  Wider- 
spruch. Aus  der  japanischen  Prisenordnung  vom  15.  März  1904  gehe 
übrigens  klar  hervor,  daß  Japan  das  Domizilprinzip  angenommen  habe. 
Es  heiße  dort: 

§  3.  Die  Landeszugehörigkeit  von  Personen  wird  ohne 
Rücksicht  auf  ihre  Nationalität  nach  dem  Lande  bestimmt, 
in  welchem  sie  zurzeit  ihren  Wohnsitz  haben. 

§  4.  Als  Wohnsitz  einer  Person  gilt  der  Ort,  an  welchem 
sie  für  die  Dauer  ansässig  ist.  Doch  gilt  für  Kaufleute  der 
Ort,  wo  sie  ihr  Hauptgeschäft,  und  für  kaufmännische 
Konsuln  der  Ort,  an  welchem  sie  ihr  Handelsgewerbe  be- 
treiben, als  Wohnsitz. 

§  8.  Die  Landeszugehörigkeit  von  Gütern  bestimmt  sich 
nach  der  Landeszugehörigkeit  des  Eigentümers. 
Da  es  entschieden  sei,  daß  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  im 
Eigentum  des  in  Moskau  wohnhaften  Empfängers  stünden,  so  müßten 
sie  nach  der  japanischen  Prisenordnung  als  feindliche  Güter  angesehen 
werden.  Wenn  sogar  der  Reklamant  die  japanische  Prisenordnung  an- 
erkenne, so  sei  es  doch  \x'ohl  nur  richtig,  daß  auch  der  Staatsanwalt 
diejenigen  Bestimmungen  dieser  Prisenordnung,  welche  auf  den  vor- 
liegenden Fall  zuträfen,  in  Anwendung  setze. 
§  9  am  gleichen  Orte  heiße  es: 

Die  folgenden  Güter  werden  ohne  Rücksicht  auf  die  Be- 

196 


Priseaffericbtseiitscheldungeii:  .Manchuria*.  Abschnitt  Vl^k 

Stimmungen  des  vorigen  Paragraphen  sämtlich  als  feindliches 
Out  angesehen: 

1.  Güter,  welche  vor  dem  Krieg,  aber  in  Erwartung  des 
Krieges  oder  während  des  Krieges  von  einem  in  Japan  oder 
in  einem  neutralen  Staat  seinen  Wohnsitz  habenden  Eigen- 
tümer oder  von  einer  in  seinem  Auftrag  handelnden  Person 
an  den  feindlichen  Staat,  eine  feindliche  Person  oder  an  eine 
in  deren  Auftrag  handelnde  Person  verschifft  sind. 
Es  sei  mit  Recht  zu  vermuten,  daß  die  Absender,  welche  ihre  Güter 
an  Bord  eines  Schiffes  verlüden,  welches  bereits,  wie  die  „Manchuria", 
eine  große  Menge  von  Kriegskonterbande  für  die  russische  Armee  und 
Marine  an  Bord  gehabt  habe,  den  Krieg  vorausgesehen  hätten.   Daher 
sei  auch  nach  dem  oben  zitierten  Paragraphen  das  zur  Verhandlung 
stehende  Urteil  rechtmäßig. 

4.  Der  Reklamant  behaupte,  daß  die  Entscheidung,  das  Eigentum 
an  den  zur  Verhandlung  stehenden  Gütern  sei  in  Ermanglung  eines  von 
dem  Reklamanten  gelieferten  Beweises  als  zur  Zeit  der  Beschlagnahme 
bereits  auf  eine  feindliche  Person  übergegangen  zu  erachten,  wider- 
rechtlich sei.  Es  erübrige  sich,  auf  diese  Behauptung,  welche  dieselben 
Gründe  wie  Punkt  2  enthielte,  hier  nochmals  einzugehen. 

5.  Der  Reklamant  bringe  vor,  daß  das  Urteil  erster  Instanz  un- 
rechtePK'eise  das  Bestehen  rechtlichen  Interesses  des  Reklamanten  ab- 
gestritten habe.  Das  Urteil  habe  jedoch  die  Ansicht,  daß  der  Reklamant 
kein  Rechtsinteresse  habe,  nicht  vertreten,  sondern  nur  dargetan,  daß 
das  Beschlagnahmerecht  absolut  sei  und  Pfandrechte  und  sonstige 
Rechtsansprüche   besiege.     Es  sei  daher  durchaus  nicht  rechtswidrig. 

6.  Der  Reklamant  mache  geltend,  daß  die  zur  Verhandlung 
>tehenden  Güter  bereits  einen  Monat  vor  der  Kriegseröffnung  verschifft 
Torden  seien  und  daß  die  Beschlagnahme  vor  Bekanntmachung  der 
Kiiegseröffnung  geschehen  und  daher  unrechtmäßig  sei.  Was  indes 
die  Beschlagnahme  feindlicher  Schiffe  angehe,  so  gehe  auch  aus  Ar- 
tikel 5  der  von  dem  Reklamanten  als  das  entwickeltste  Völkerrechts- 
dokument neuerer  Zeit  gutgeheißenen  Beschlüsse  der  internationalen 
Nölkerrechtskonferenz  in  Turin  hervor,  daß  es  einer  Bekanntmachung 
oder  Mitteilung  über  die  Kriegseröffnung  nicht  bedürfe.  Noch  viel 
weniger  sei  dies  durch  die  allgemeinen  Grundsätze  oder  die  Praxis 
des  gegenwärtigen  Völkerrechts  anerkannt. 

Punkt  7,  8  und  9  der  Berufung  stünden  zu  dem  vorliegenden  Fall 

in  keiner  direkten  Beziehung  und  bedürften  daher  keiner  Erwiderung. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  sind  von  der  Firma  Rode- 

vald    &    Heath    in    Colombo    auf    dem    der    russisch-ostasiatischen 

Dampfergesellschaft  gehörigen  Dampfer  „Manchuria"  mit  Bestimmung 

197 


Abschnitt  VI^i^  Prisengerichtsentschefdungen:  „Manchuria". 

nach  Moskau  in  Rußland  versandt  und  auf  der  Reise  dorthin  am  9.  Fe- 
bruar 1904,  also  nach  Eröffnung  des  Krieges  zwischen  Japan  und 
Rußland,  18  Seemeilen  südöstlich  von  Port*  Arthur  mit  dem  genannten 
Schiffe  zusammen  von  dem  Kaiserlich  Japanischen  Kriegsschiff  „Tat- 
suta"  beschlagnahmt  worden. 

Die  Tatsache,  daß  der  Reklamant  die  auf  das  Konto  der  Firma 
W.  J.  Pop  off  und  der  Teehandlung  Medowjesew's  Erben  in 
Moskau  gezogenen  Wechsel  akzeptiert  hat,  beweist  nur,  daß  er  die  Ver- 
pflichtung, den  Preis  für  die  zur  Verhandlung  stehenden  Qüter  für 
diese  beiden  Firmen  zu  zahlen,  übernommen  hat.  Dies  zusammen  mit 
der  Tatsache,  daß  die  Qüter  sich  zurzeit  auf  der  Reise  nach  Moskau 
befunden  haben,  gibt  genügend  Anhalt  für  die  Annahme,  daß  sie  mit 
Bestimmung  für  die  im  Lande  des  Feindes  niederlässigen  genannten 
beiden  Firmen  abgeschickt  worden  sind. 

Es  ist  von  der  völkerrechtlichen  Praxis  anerkannt,  und  das  Ober- 
prisengericht erachtet  dies  als  den  tatsächlichen  Verhältnissen  gerecht 
werdend,  daß  Güter,  welche  von  Personen  mit  neutralem  Wohnsitz 
zur  Kriegszeit  auf  feindlichem  Schiff  an  einen  Empfänger  im  Feindesland 
abgesandt  werden,  feindlichen  Charakters  sind  und  daher  der  Ein- 
ziehung verfallen. 

Die  Tatsache,  daß  ein  neutraler  Staatsangehöriger  einen  sich  auf 
diese  Güter  beziehenden  Wechsel  akzeptiert  hat,  kann  sie  der  Beschlag- 
nahme nicht  entziehen. 

Daher  kann  den  Punkten  1  bis  5  und  8  der  Berufung,  welche 
mit  den  angeführten  Rechtsgründen  in  Widerspruch  stehen,  nicht  bei- 
gepflichtet werden. 

Da  es  ferner  völkerrechtlich  anerkannt  ist,  daß  feindliche  Güter 
auf  feindlichem  Schiff  ohne  Rücksicht  darauf,  daß  sie  vor  der  Kriegs- 
eröffnung verschifft  sind  und  daß  der  Ablader  von  der  Kriegseröffnung 
keine  Kenntnis  gehabt  hat,  nach  Eintritt  des  Kriegszustands  der  Auf- 
bringung unterliegen,  so  ist  auch  Punkt  6  der  Berufung  unbegründet. 

Im  Punkt  7  uncl  9  äußert  der  Reklamant  den  Wunsch,  daß  unter 
Zugrundelegung  von  Beschlüssen  eines  internationalen  Völkerrechts- 
kongresses, welche  noch  nicht  Völkerrecht  sind,  und  ohne  Unterwerfung 
unter  die  bestehenden  völkerrechtlichen  Regeln  verfahren  würde.  Diesen 
Wünschen  kann  der  Wert  von  Berufungsbegründungen  nicht  bei- 
gemessen werden. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  17.  Januar  1905  im  Oberprisengericht. 
(Unterschriften.) 

198 


Priaengerichtsentscheidungen:  „Alexander".  Abschnitt  VI^^ 

Reklamant:  Graf  H.  H.  Keyserling  &  Co.,  St.  Petersburg, 
Pacifische  Walfisch-  und  Fischerei-Kommanditgesellschaft,  vertreten 
durch  den  Direktor  Frederic  Groß. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Masushima  Rokuichiro, 
Regierungsbezirk   Kanagawa,   Yokohama,   Yamashitacho   Nr.    14. 

In  der  Prisensache  betreffend  den  russischen  Dampfer  „Alexander" 
und  seine  Ladung  wird,  wie  folgt,  entschieden : 

Urteilsformel: 
Der  Dampfer  „Alexander"  und  die  auf  ihm   verladenen   Güter, 
nämlich  36  Tons  Walfischtran,  36  Tons  eingesalzenes  Walfischfleisch,  15 
Tons  frisches  Walfischfleisch,  werden  eingezogen. 

Tatbestand    und    Gründe: 

Der  Dampfer  „Alexander"  steht  im  Eigentum  der  russischen  Paci- 
fischen  Walfisch-  und  Fischerei-Kommanditgesellschaft,  sein  Heimats- 
hafen ist  Wladiwostok  in  Rußland,  er  führt  die  russische  Handelsflagge 
und  ist  ein  Hochseefischereidampfer,  der  dazu  dient,  den  anderen  Schiffen 
der  Gesellschaft  ihre  Bedarfsartikel  zuzuführen  und  den  Ertrag  der 
Fänge  zu  befördern. 

Am  10.  Februar  1904,  2  Uhr  morgens,  wurde  der  Dampfer  in 
Izuhara  in  der  Provinz  Tsushima  von  der  17.  Kaiserlichen  Torpedoboots- 
flottille mit  Beschlag  belegt.  Zu  der  Zeit  befanden  sich  die  in  der 
Urteilsformel  verzeichneten  Güter,  nämlich  Walfischtran  und  2  andere 
Güterarten,  an  Bord. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  schriftliche  Aussage 
und  das  Verzeichnis  der  Güter,  aufgesetzt  von  dem  Stellvertreter  des 
Kommandanten  Kihara  Seiske,  die  Vernehmungsprotokolle  des 
Kapitäns  S.  Rußmann  und  des  Offiziers  Gustav  Adolf  Dseniß, 
das  Schiffszertifikat,  den  Kaufbrief  und  das  Tagebuch  des  Dampfers 
.^Alexander". 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  des  Prozeßvertreters  sind  fol- 
gende : 

1.  Der  Dampfer  „Alexander"  sei  weder  mit  Gefechtsrüstung  ver- 
sehen, noch  habe  er  zum  Konterbandetransport  gedient,  noch  sei  solche 
an  Bord  gewesen.  ) 

2.  Dem  Dampfer  sei  zur  Zeit  der  Aufbringung  das  Bestehen  des 
Kriegszustands  zwischen  Japan  und  Rußland  nicht  bekannt  gewesen. 

3.  Der  Dampfer  habe  in  Unkenntnis  von  dem  Kriegsanfang  in 
einem  japanischen  Hafen  gelegen.  Daher  trete  für  ihn  die  Befreiung 
der  Kaiserlichen  Verordnung  Nr.  20  v.  J.  1904 1)  ein. 

Ol. 

199 


Abschnitt  VI^  Prisengerlchtsentscheidungen:  „Alexander''. 

4.  Wie  auf  dem  Lande  das  Privatvermögen  für  unverletzlich  gelte, 
so  müsse  derselbe,  Grundsatz  auch  für  die  See  angewendet  werden. 

5.  Das  genannte  Schiff  sei  freilich  ein  Hochseefischereischiff,  aber 
da  es  nicht  zum  Konterbandetransport  gedient,  auch  keine  Konterbande 
an  Bord  gehabt  habe  und  so  ein  harmloses  Fahrzeug  sei,  so  müsse 
es  nach  dem  Prinzip,  welches  Küstenfischereiboote  von  der  Beschlag- 
nahme ausnehme,  freigegeben   werden. 

6.  Da  der  Krieg  lediglich  die  Staaten  als  solche  berühre,  so  könnten, 
bevor  der  Krieg  bekannt  sei,  die  Untertanen  dadurch  nicht  direkt  beein- 
flußt werden.  Die  vorliegende  Beschlagnahme  sei  aber  vor  Bekannt- 
machung der  Kriegseröffnung  geschehen. 

Aus  diesen  Gründen  beantragt  der  Reklamant  Freigabe  des 
Dampfers  „Alexander"  und  seiner  ganzen  Ladung.  Die  in  den 
Punkten  1,  2  und  4  angeführten  Argumente  sind  im  wesentlichen  der 
Inhalt  der  von  dem  Kongreß  für  internationale  Rechtswissenschaft  in 
Turin  im  Jahre  1882  beschlossenen  Seeprisenordn4ing. 

Der  Staatsanwalt  erwidert  hierauf  im  wesentlichen,  daß  die  Aus- 
sagen des  Prozeßvertreters  sämtlich  unbegründet  seien  und  daß  auf 
Einziehung  des  Schiffs  und  seiner  ganzen  Ladung  erkannt  werden  müsse, 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Der  Vertreter  der  Reklamation  zieht  hauptsächlich  die  Beschlüsse 
von  Völkerrechtskongressen  an  und  beantragt,  daß  unter  Zugrunde- 
legung derselben  entschieden  werde.  Nach  dem  tatsächlich  zurzeit 
bestehenden  Völkerrecht  können  jedoch  unfragfich  feindliche  Schiffe 
zur  Kriegszeit  beschlagnahmt  werden,*)  gleichviel  ob  sie  mit  Gefechts- 
ausrüstung versehen  sind ;  zum  Kriegskonterbandetransport  dienen ;  von 
der  Kriegseröffnung  Kenntnis  haben  oder  nicht  und  ob  schließlich  die 
Beschlagnahme  vor  Veröffentlichung  der  Kriegserklärung  erfolgt  ist  oder 
nicht.  Darüber,  daß  der  Dampfer  „Alexander"  ein  feindliches  Schiff 
ist  und  daß  die  Beschlagnahme  nach  Eröffnung  des  Krieges  geschehen 
ist,  kann  aber  kein  Streit  aufkommen. 

Ferner  bringt  der  Vertreter  der  Reklamation  vor,  daß  auf  das  zur 
Verhandlung  stehende  Schiff,  welches  von  der  Kriegseröffnung  keine 
Kenntnis  gehabt  und  in  einem  japanischen  Hafen  gelegen  habe,  die  Be- 
freiung der  Kaiserlichen  Verordnung  Nr.  20  zutreffe.  Der  Gedanke 
der  genannten  Verordnung  ist  indes  der,  Handelsschiffe,  welche  in  Aus- 
übung des  Handelsverkehrs  nach  japanischen  Häfen  kamen,  zu  schützen. 
Daher  erstreckt  sich  ihre  Vergünstigung  nicht  auf  Fischereifahrzeuge 
wie  das  zur  Verhandlung  stehende. 

Der  Reklamant  bringt  vor,  daß  nach  demselben  Gedanken,  welcher 
die  Küstenfischereiboote»)  von  der  Beschlagnahme  ausnehme,  auch  das 


*)  V.  §  35.  -  »)  V.  §  35,  1. 
200 


Pritengerichtsentscheidungen:  „Alexander'^  Abschnitt  VI« 

zur  Verhandlung  stehende  Schiff  freizugeben  sei.  Die  völkerrechtliche 
Praxis  jedoch,  vfelche  die  kleinen  Fischereiboote  von  der  Beschlagnahme 
ausschließt,  ist  im  wesentlichen  aus  dem  Motiv  entsprungen,  die  am 
Kriege  nicht  beteiligte  arme  Bevölkerung  vor  Not  zu  bewahren,  und 
kann  sich  daher  nicht  auf  ein  im  Eigentum  einer  Gesellschaft  stehendes, 
zur  Hochseefischerei  dienendes  Schiff,  wie  den  Dampfer  „Alexander", 
erstrecken. 

Da  demnach  alle  Behauptungen  des  Vertreters  der  Reklamation 
unbegründet  sind,  so  muß  der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer 
„Alexander''  eingezogen  werden.  Da  ferner  die  auf  demselben  be- 
findlichen Güter,  nämlich  Walfischtran  und  zwei  andere  Warensorten, 
erwiesenermaßen  feindliches  Gut  sind,  so  müssen  sie  gleichfalls  ein- 
gezogen werden.*) 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  26.  Mai  1904  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Beisein 
des  Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurokuro. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Graf  H.  H.  Keyserling  &  Co.,  St.  Petersburg, 
Pacifische  Walfisch-  und  Fischerei-Kommanditgesellschaft,  vertreten 
durch  den  Direktor  Frederic  Groß. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Masushima  Rpkuichiro, 
Regierungsbezirk  Kanagawa,  Yokohama,  Yamashitacho  Nr.  14. 

Am  26.  Mai  1904  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der  Prisen- 
sache betreffend  den  am  10.  Februar  1904  im  Hafen  von  Izuhara  in  der 
Provinz  Tsushima  von  der  17.  Torpedobootsflottille  beschlagnahmten 
russischen  Dampfer  „Alexander"  und  seine.  Ladung  bestehend  aus  36 
Tons  Walfischtran,  36  Tons  eingesalzenem  Walfischfleisch  und  15  Tons 
frischem  Walfischfleisch  ein  Urteil  auf  Einziehung  gefällt. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  der  Prozeßvertreter  des  Reklamanten, 
Frederic  Groß,  Vertreters  der  Pacifischen  Walfisch-  und  Fischerei- 
Kommanditgesellschaft  des  Grafen  H.  H.  Keyserling,  der  Rechts- 
anwalt Masushima  Rokuichiro  die  Berufung  eingelegt,  welche 
im  Beisein  der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku  und  I  s  h  i  w  a  t  a  r  i 
Binichi  beim  Oberprisengericht  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  des  Vertreters  der  Reklamation  Masushima 
Rokuichiro  und  deren  Begründung  sind  folgende: 

*)  y.  §  40. 

201 


Abschnitt  VI 6  .Prisengerichtsentscheidungen:  „Alexander". 

Das  Urteil  des  Sasebo-Prisengerichts  sei  gesetzwidrig,  es  werde 
Verwerfung  desselben  und  Freilassung  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Schiffs  und  seiner  Ladung  beantragt,  und  zwar  aus  folgenden  Gründen : 

1.  Das  Völkerrecht  sei  kein  Gesetz,  ein  Gesetzgeber  wie  bei  den 
einzelnen  Staaten  sei  nicht  vorhanden.  Die  Richtschnur  für  dasselbe 
sei  in  den  Erklärungen  der  Regierungen  der  verschiedenen  Mächte  und 
den  Beschlüssen  von  Gelehrten  zu  suchen.  Daher  sei  die.  von  dem 
internationalen  Völkerrechtskongreß  in  Turin  im  Jahre  1882  beschlossene 
Seeprisenordnung  und  der  von  dem  Völkerrechtskongreß  in  Paris  be- 
schlossene Abänderungsentwurf  als  Richtschnur  für  das  jetzt  geltende 
Völkerrecht  anzunehmen.  Nach  dem  letzten  Teil  des  Artikels  4  der 
genannten  Seeprisenordnung  könne  Privatvermögen,  wie  das  zur  Ver- 
handlung stehende  Schiff  und  seine  Ladung,  wenn  es  auch  feindlich 
sei,  nicht  beschlagnahmt  werden. 

Da  ferner  das  Prisengericht  von  einem  gewöhnlichen  Landesgericht 
verschieden  und  nicht  in  der  Weise,  wie  ein  Landesgericht  die  Landes- 
gesetze befolgen  müsse,  an  die  Bestimmungen  des  Völkerrechts  gebunden 
sei,  so  müsse  es,  von  fortschrittlichen  Prinzipien  geleitet,  welche  über 
die  bestehenden  Völkerrechtsregeln  hinausragten,  ein  neues  Beispiel 
geben,  indem  es  seine  Entscheidung  nach  den  Umständen  des  Falls 
urteilend  abgebe. 

2.  Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  habe  die  Aufgabe  ge- 
habt, für  den  Reklamanten  die  Lieferungen  für  den  Walfisch-  und 
sonstigen  Fischfangbetrieb  auszuführen  und  den  Fangertrag  zu  ver- 
treiben. Zu  diesem  Zwecke  sei  er,  um  die  Order  des  Vertreters  des 
Reklamanten  in  Nagasaki  in  Empfang  zu  nehmen,  nach  Izuhara  ge- 
kommen. Der  Dampfer  sei  demnach  im  Handelsbetrieb  verwandt  worden 
und  müsse  als  Handelsschiff  betrachtet  werden.  Daher  habe  .er  Anspruch 
auf  die  Vergünstigung  der  Kaiserlichen  Verordnung  Nr.  20  vom  Jahre 
1904.  Wenn  man  auch  sagen  müsse,  daß  das  Schiff  zum  Handelsverkehr 
im  strengen  Sinne  nicht  diene,  so  heiße  es  doch  den  inneren  Sinn  der 
Kaiserlichen  Verordnung  außer  acht  lassen,  wenn  man  die  Anwendung 
derselben  auf  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  ablehne. 

Wenn  ferner  das  Urteil  erster  Instanz  ausführe,  daß  die  Praxis. 
Küstenfischereifahrzeuge  nicht  zu  beschlagnahmen,  in  der  Hauptsache 
entstanden  sei,  um  die  arme  Bevölkerung,  welche  an  dem  Kriege  nicht 
beteiligt  sei,  nicht  in  Not  zu  bringen,  und  daß  diese  Praxis  sich  auf 
ein  Hochseefischereischiff  wie  das  zur  Verhandlung  stehende  nicht  er- 
strecken könne,  so  habe  das  Urteil  den  Gedanken  des  Reklamanten 
mißverstanden,  der  lediglich  den  Wunsch  äußere,  daß  die  japanischen 
Prisengerichte  die  neueste  Entwickelung  des  Völkerrechts  zum  Vorbild 
nehmen  und  nicht  an  veralteten  Gewohnheiten  kleben,  sondern  neue 
Präzedenzen  schaffen  würden. 

202 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Alexander''.  Abschnitt  VI^^ 

3.  Aus  den  obigen  Gründen  könne  ein  Urteil  auf  Einziehung 
des  Schiffes  und  der  Ladung  nicht  erlassen  werden.  Wenn  daher  die 
Beschlagnahme  für  die  Zeit  gerechtfertigt  sein  möge,  so  sei  es  am 
gerechtesten,  wenn  das  Schiff  während  der  Kriegsführung  festgehalten 
oder  in  Gebrauch  genommen,  nach  Friedensschluß  aber  freigegeben 
verde. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  beim  Prisen- 
gericht zu  Sasebo,  Yamamoto  Tatsurokuro,  sind  folgende: 

Man  könne  nicht  umhin  zu  sagen,  daß  die  Argumente  des  Ver- 
treters der  Reklamation  das  Völkerrecht  gänzlich  außer  acht  ließen. 
Aber  gerade  so  wie  sich  die  Pflicht  eines  Individuums  nicht  nach 
seinen  Vorstellungen  von  dem  in  der  Körperschaft  geltenden  Recht  be- 
stimme, sondern  nach  den  in  derselben  in  Kraft  stehenden  Gesetzen, 
so  bestimmten  sich  auch  die  Pflichten  der  Staaten  nach  dem  allgemein 
von  denselben  anerkannten,  wirklich  in  Ausführung  befindlichen  Recht. 
Darüber  hinaus  bestünden  anderen  Staaten  gegenüber  keine  Pflichten; 
auch  könne  ein  Staat  einem  anderen  solche  nicht  auferlegen.  Da  Völker- 
recht die  Grundsätze  und  Rechtsbestimmungen  seien,  welche  die  Staaten 
als  in  dem  Verkehr  unter  sich  zu  beobachten  anerkannt  hätten,  so  liege 
den  Staaten  die  Pflicht  ob,  diese  untereinander  zu  achten,  doch  müsse 
die  Befolgung  von  der  Bedingung  der  Gegenseitigkeit  abhängig  gemacht 
Verden  Es  liege  daher  keinerlei  Grund  vor,  weshalb  Japan  in  dem 
gegenwärtigen  Krieg  mit  Rußland,  dessen  Marine  japanische  Handels- 
schiffe, ohne  daß  ies  nachgewiesen  sei,  daß  sie  Konterbandetransport 
betrieben  oder  von  dem  Kriege  Kenntnis  gehabt  hätten,  sobald  sie  die- 
selben getroffen  hätten,  auf  der  Stelle  in  den  Grund  gebohrt  habe, 
die  unter  den  Mächten,  von  Rußland  nicht  zu  reden,  nicht  ausgeführten 
Ansichten  der  Wissenschaft  von  sich  aus  allein  unter  Abweichung  von 
der  bisherigen  völkerrechtlichen  Praxis  anwenden  und  feindliche  Schiffe 
von  der  Beschlagnahme  befreien  und  so  dem  Feinde  Vorteil  gewähren 
solle. 

Der  Umfang  der  Rechte  der  Kriegsführung  beschränke  sich  nicht 
auf  den  Austausch  von  Kanonenfeuer  mit  dem  Feind.  Vielmehr  sei 
es  von  den  zivilisierten  Mächten  als  jetzt  geltendes  Kriegsvölkerrecht 
allgemein  anerkannt,  daß  ein  Staat  das  Recht  habe,  wenn  er  ein  feind- 
liches Gebiet  besetzt  habe,  der  feindlichen  Bevölkerung  gegenüber  Requi- 
sitionen auszuführen  und  Geldkontributionen  einzutreiben  und  auf  der 
See  feindliche  Schiffe,  auch  solche,  die  Privateigentum  seien,  mit  Be- 
schlag zu  belegen.  Mit  Rücksicht  auf  diese  Tatsachen  sei  oben  gesagt 
worden,  daß  der  Reklamant  das  Völkerrecht  in  seinen  Ausführungen 
außer  acht  gelassen  habe. 

Bezüglich  der  anderen  Berufungsgründe  erübrige  sich  eine  Er- 
widerung mit  Rücksicht  auf  das  schon  in  den  Protokollen  der  mündHchen 

203 


Abschnitt  VI^  Prisengerichtsentscheidungen:  „Alexander^'. 

Verhandlung  ausfuhrlich  Gesagte,  und  die  Berufung  müsse  daher  schließ- 
lich als  gänzlich  unbegründet  abgewiesen  werden. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

1.  Der  Reklamant  behauptet  in  seinem  ersten  Berufungspunkt, 
daß  Bestimmungen,  wie  die  von  dem  internationalen  Völkerrechts- 
kongreß in  Turin  im  Jahre  1882  beschlossene  Seeprisenordnung  als 
Richtschnur  für  das  gegenwärtige  Völkerrecht  angesehen  werden  müßten 
und  daß  danach  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  und  seine  Ladung, 
wenn  sie  auch  feindliches  Privatvermögen  seien,  nicht  eingezogen  werden 
dürften. 

Da  das  Prisengericht  nicht  wie  ein  Landesgericht,  das  die  Gesetze 
seines  Landes  zu  beobachten  habe,  an  die  Bestimmungen  des  Völker- 
rechts gebunden  sei,  so  müsse  es,  von  fortschrittlichen  Prinzipien  ge- 
leitet, welche  über  die  bestehenden  Völkerrechtsregeln  hinausragten, 
ein  neues  Beispiel  geben,  indem  es  seine  Entscheidung  nach  den  Um- 
ständen des  Falls  abgebe. 

Da  aber  das  zurzeit  bestehende  Völkerrecht  die  Beschlagnahme 
von  feindlichen  Schiffen  und  feindlichem  Gut  auf  feindlichem  Schiff 
zuläßt,  so  kann  der  Wunsch,  daß  die  Beschlüsse  eines  internationalen 
Völkerrechtskongresses,  welche  bis  jetzt  nicht  als  Völkerrecht  gelten, 
befolgt,  das  in  Kraft  stehende  Völkerrecht  außer  acht  gelassen  und 
dem  Fall  entsprechend  entschieden  werde,  nicht  als  eine  Berufungs- 
begründung angesehen  werden. 

2.  Im  zweiten  Punkt  sagt  der  Vertreter  der  Reklamation,  daß  der 
zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  die  Aufgabe  gehabt  habe,  für  den 
Reklamanten  die  Lieferungen  für  den  Walfisch-  und  sonstigen  Fischfang- 
betrieb auszuführen  und  den  Fangertrag  zu  vertreiben.  Er  diene  dem- 
nach dem  Handelsbetrieb  und  müsse  als  ein  Handelsdampfer  behandelt 
werden.  Daher  stehe  ihm  die  Vergünstigung  der  Kaiserlichen  Verord- 
nung Nr.  20  vom  Jahre  1904  zu.  Ferner  erwarte  er,  daß  die  neuere 
Entwicklung  des  Völkerrechts  zum  Vorbild  genommen  und  eine  neue 
Präzedenz  geschaffen  werde,  nach  der  auch  Hochseefischereifahrzeuge, 
wie  das  zur  Verhandlung  stehende,  von  der  Beschlagnahme  aus- 
genommen würden. 

Diese  Kaiserliche  Verordnung  ist  aber  zum  Schutze  des  Handels- 
verkehrs geschaffen  worden  und  findet  auf  ein  Fischereifahrzeug,  wie 
das  vorliegende,  keine  Anwendung.  Da  der  Antrag,  eine  neue  Präze- 
denz zugunsten  der  Befreiung  der  Hochseefischereifahrzeuge  von  der 
Beschlagnahme  zu  schaffen,  lediglich  ein  Wunsch  des  Reklamanten  ist, 
so  ist  auch  Punkt  2  der  Berufung  unbegründet. 

3.  Punkt  3  der  Berufung  behauptet,  wenn  auch  die  Beschlagnahme 
des  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfers  und  seiner  Ladung  für  die 

204 


Pritragerichtseiitscheldungeii:  „Michael".  Abschnitt  VI  7 

Zeit  gerechtfertigt  sein  möge,  so  sei  es  doch  am  gerechtesten,  das  Schiff 
während  der  Kriegszeit  festzuhalten  oder  in  Gebrauch  zu  nehmen, 
nach  dem  Friedensschluß  aber  freizugeben. 

Dieses  Vorbringen  des  Prozeßvertreters  ist  jedoch  nur  ein  privater 
Wunsch,  der  nicht  als  Begründung  der  Berufung  angesehen  werden 
kann. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden  : 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  8.  Juni  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Die  Pacifische  Walfisch-  und  Fischerei-Kommandit- 
gesellschaft des  Grafen  H.  H.  Keyserling  in  St.  Petersburg,  Rußland, 
vertreten  durch  den  Direktor  Frederic  Groß. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Masushima  Rokuichiro, 
Regierungsbezirk  Kanagawa,  Yokohama,  Yamashitacho  Nr.  14. 

Irii  der  Prisensache  betreffend  den  russischen  Dampfer  .»Michael" 
und  seine  Ladung  wird,  wie  folgt,  entschieden : 

Urteilsformel: 
Der  Dampfer  „Michael"  und  die  an  Bord  befindlichen  Güter, 
nämlich  150  Tons  Walfischtran,  500  Tons  Salz,  110  Tons  Fisenstangen, 
1  Ton  Walfischbarten,  200  Pikul  Walfischfleisch  und  Knochenmehl,  100 
Pikul  Walfischknochen,  10000  leere  Säcke,  4  Walfischnetze,  werden 
eingezogen. 

Tatbestand  und  Gründe: 
Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „Michael''  steht  im 
Figentum  der  Pacifischen  Walfisch-  und  Fischerei-Kommanditgesellschaft, 
sein  Heimatshafen  ist  Wladiwostok  in  Rußland,  er  führt  die  russische 
Flagge  und  ist  eines  der  Hochseefischereifahrzeuge,  welche  die  genannte 
Gesellschaft  für  ihr  Hauptgewerbe,  die  Herstellung  von  Walfisch- 
produkten,  gebraucht.  Er  ist  am  8.  Februar  1904  von  Chyang-chyön- 
dong  in  Korea  abgefahren  und  auf  der  Fahrt  nach  Shanghai  am  10.  des- 
^elben  Monats,  nachmittags  2  Uhr,  auf  35«  10'  n.  Br.  und  129  o  20' 
ÖL,  also  an  einem  von  der"  koreanischen  Küste  51/2  Seemeilen  ent- 
fernten Ort,  von  dem  Kaiserlich  Japanischen  Kriegsschiff  „Miyako"  be- 
>chlagnahmt   worden.     Zur   Zeit   der   Aufbringung   befanden   sich   an 

205 


Abschnitt  VI^  Prisengerichtsentscheidungen:  „Michael". 

Bord  die  in  der  Urteilsformel  aufgeführten  Güter,  Walfischtran  und 
7  andere  Warensorten.« 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  und  das 
Güterverzeichnis  des  Kommandanten  der  „Miyako'^  T  o  j  i  n  a  i  S  o  j  i  r  o  , 
die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns  des  Dampfers  „Michael",  Wil- 
helm Lewerdowitsch  und  des  Offiziers  Richard  Nipkin,  das 
Schiffszertifikat  und  das  Schiffsjournal  des  genannten  Dampfers. 

Die  Hauptpunkte  des  Vertreters  der  Reklamation  sind  folgende : 

1.  Der  Dampfer  „Michael"  sei  weder  mit  Gefechtsausrüstung  ver- 
sehen, noch  habe  er  zum  Konterbandetransport  gedient,  auch  sei  keine 
Konterbande  an  Bord. 

2.  Die  Beschlagnahme  des  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfers 
sei  an  einem  von  der  Küste  Koreas,  welches  gegenwärtig  von  Japan 
als  neutraler  Staat  angesehen  würde,  4  Seemeilen  entfernten  Ort  ge- 
schehen, also  innerhalb  der  6  Seemeilen,  welche  der  Völkerrechtskongreß 
in   Paris   im   Jahre   1895   für   neutrales   Hoheitsgewässer  erklärt   habe. 

3.  Zur  Zeit  der  Aufbringung^  des  genannten  Dampfers  sei  der 
zwischen  Japan  und  Rußland  bestehende  Kriegszustand  noch  nicht  be- 
kannt gewesen. 

4.  Wie  auf  dem  Lande  das  Privat  vermögen  für  unverletzlich  gelte, 
so  müsse  derselbe  Grundsatz  auch  für  die  See  angewandt  werden. 

5.  Das  genannte  Schiff  sei  freilich  ein  Hochseefischereischiff.  Da 
es  aber  nicht  zum  Konterbandetransport  gedient,  auch  keine  Konter- 
bande an  Bord  gehabt  habe  und  somit  ein  harmloses  Fahrzeug  sei, 
so  müsse  es  nach  dem  Prinzip,  welches  Küstenfischereiboote  von  der 
Beschlagnahme  ausnehme,   freigegeben  werden. 

6.  Da  der  Krieg  lediglich  die  Staaten  als  solche  berühre,  so  könnten, 
bevor  der  Krieg  bekannt  sei,  die  Untertanen  nicht  direkt  dadurch  beein- 
flußt werden.  Die  vorliegende  Beschlagnahme  sei  aber  vor  Bekannt- 
werden des  Krieges  geschehen. 

7.  Die  Kaiserliche  Verordnung  Nr.  20  vom  Jahre  1904 1)  sei  dem 
Gedanken  entsprungen,  Schiffe,  welche  von  der  Kriegseröffnung  keine 
Kenntnis  gehabt  hätten,  von  der  Beschlagnahme  auszunehmen.  In 
gleicher  Weise  dürften  daher  auch  Schiffe,  welche,  wie  das  zur  Ver- 
handlung stehende  ohne  Kenntnis  vom  Kriege,  wenn  auch  nach  einem 
neutralen^)  Hafen,  abgefahren  seien,  nicht  beschlagnahmt  werden,  und 
der  Dampfer  „Michael"  und  seine  ganze  Ladung  seien  freizugeben. 

Die  von  dem  Prozeß  Vertreter  in  den  Punkten  1,  2,  3  und  4  an- 
geführten Argumente  sind  im  wesentlichen  der  Inhalt  der  von  dem  Kon- 
greß für  internationale  Rechtswissenschaft  in  Turin  im  Jahre  1882  be- 
schlossenen Prisenordnung. 


1)  I.  —  ^  §  3  der  Verordnung  bezieht  sich  nur  auf  solche  Schiffe,  welche  nach 
japanischen  Häfen  fahren. 

206 


Prteengerichtsentscheidungen :  „Michael'*.  Abschnitt  VI^ 

Der  Staatsanwalt  erwidert  hierauf  im  wesentlichen,  daß  die  Aus- 
sagen des  Prozeßvertreters  sämtlich  unbegründet  seien  und  daß  auf 
Einziehung  des  Schiffs  und  seiner  ganzen  Ladung  erkannt  werden  müsse. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Der  Prozeßvertreter  zieht  hauptsächlich  die  Beschlüsse  von  Völker- 
rechtskongressen an  und  beantragt  ein  Urteil  auf  Grund  derselben. 
Nach  dem  tatsächlich  zurzeit  bestehenden  Völkerrecht  können  jedoch 
unfraglich  feindliche  Schiffe  zur  Kriegszeit  beschlagnahmt  werden,  gleich- 
viel ob  sie  mit  Gefechtsrüstung  versehen  sind;  zum  Kriegskonterbande- 
transport dienen;  solche  an  Bord  haben,  von  der  Kriegseröffnung 
Kenntnis  gehabt  haben  oder  nicht;  gleichviel  auch  ob  die  Beschlagnahme 
vor  Veröffentlichung  der  Kriegserklärung  erfolgt  oder  nicht.  Darüber, 
daß  der  Dampfer  „Michael"  ein  feindliches  Schiff  ist  und  daß  die  Be- 
schlagnahme nach  Eröffnung  des  Krieges  geschehen  ist,  kann  aber  kein 
Streit  aufkommen. 

Da  ferner  die  Beschlagnahme  in  51/2  Seemeile  Entfernung  von  der 
koreanischen  Küste  erfolgt  ist  und  die  Völkerrechtspraxis  einen  Rayon 
von  3  Seemeilen  als  Hoheitsgewässer  betrachtet,  so  ist  die  Beschlag- 
nahme des  genannten  Dampfers  auf  offener  See  geschehen.  Selbst 
Tenn  man  aber  annehmen  wollte,  sie  sei  innerhalb  der  Hoheitsgewässer 
Koreas  vorgenommen,  so  ist  es  doch  klar,  daß  Korea  nach  seiner 
derzeitigen  tatsächlichen  Lage  nicht  als  neutrales  Land  betrachtet  werden 
kann. 

Der  Reklamant  bringt  vor,  daß  nach  demselben  Gedanken,  welcher 
die  Küstenfischereiboote  *)  von  der  Beschlagnahme  ausnehme,  auch  das 
zur  Verhandlung  stehende  Schiff  freizugeben  sei.  Die  völkerrechtliche 
Praxis  jedoch,  welche  die  kleinen  Küstenfischereiboote  von  der  Beschlag- 
nahme ausschließt,  ist  im  wesentlichen  aus  dem  Motiv  entsprungen^ 
die  am  Kriege  nicht  beteiligte  arme  Bevölkerung  vor  Not  zu  bewahren, 
und  kann  sich  daher  nicht  auf  ein  im  Eigentum  einer  Gesellschaft 
stehendes,  zur  Hochseefischerei  dienendes  Schiff,  wie  den  Dampfer 
.^Wchael",  erstrecken.   • 

Ferner  behauptet  der  Reklamant,  das  zur  Verhandlung  stehende 
Schiff  sei  nach  dem  der  Kaiserlichen  Verordnung  Nr.  20  vom  Jahre  1904 
zugrunde  liegenden  Gedanken  freizugeben.  Es  ist  aber  unbestreitbar,, 
daß  die  genannte  Kaiserliche  Verordnung  nur  an  den  Schutz  von  Handels- 
schiffen denkt,  welche  mit  einem  japanischen  Hafen  in  Handelsverkehrs- 
beziehungen begriffen  sind.  Auf  einen  Fischereidampfer,  wie  den  zur 
Verhandlung  stehenden,  welcher  keitien  Handelsverkehr  betreibt  und 
außerdem  von  einem  ausländischen  nach  einem  ausländischen  Hafen 
fährt,  kann  die  Vergünstigung  der  genannten  Kaiserlichen  Verordnung 
nicht  ausgedehnt  werden. 

*)  V.  §  35, 1. 

207 


Abschnitt  VI  7  Prisengerichtsentscheidungen:  „Wchael'*. 

Da  demnach  alle  Behauptungen  des  Vertreters  der  Reklamation 
unbegründet  sind,  so  muß  der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer 
„Michael"  eingezogen  werden.*) 

Da  ferner  die  auf  demselben  befindlichen  Güter,  nämlich  Walfisch- 
tran und  sieben  andere  Güterarten,  erwiesenermaßen  feindliches  Out 
sind,  so  müssen  sie  gleichfalls  eingezogen  werden. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  26.  Mai  1904  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Bei- 
sein des  Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurokuro. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Die  Pacifische  Walfisch-  und  Fischerei-Kommandit- 
gesellschaft des  Grafen  H.  H.  Keyserling  in  St.  Petersburg,  Rußland, 
vertreten  durch  den  Direktor  Frederic  Groß. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Masushima  Rokuichiro, 
Regierungsbezirk  Kanagawa,  Yokohama,  Yamashitacho  Nr.  14. 

Am  26.  Mai  1904  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der  Prisen- 
sache, betreffend  den  am  10.  Februar  1904  auf  35  ^^  10'  n.  Br.  und 
1290  20'  ö.  L.,  also  in  einer  Entfernung  von  5  Seemeilen  von  der  korea- 
nischen Küste  von  dem  Kaiserlich  Japanischen  Kriegsschiff  „Miyako" 
aufgebrachten  russischen  Dampfer  „Michael"  ein  Urteil  gefällt,  in 
welchem  auf  Einziehung  desselben  sowie  seiner  Ladung  von  150  Tons 
Walfischtran,  500  Tons  Salz,  110  Tons  Eisenstangen,  1  Tons  Walfisch- 
barten, 200  Pikul  Walfischfleisch  und  Knochenmehl,  100  Pikul  Wal- 
fischknochen, 10000  leere  Säcke  und  4  Walfischnetze  erkannt  worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  der  Rechtsanwalt  Masushima  Rokui- 
chiro  als  Prozeßvertreter  des  Reklamanten,  der  durch  ihren  Direktor 
Frederic  Groß  vertretenen  Pacifischen  Walfisch-  und  Fischerei-Kom- 
manditgesellschaft des  Grafen  H.H.Keyserling,  die  Berufung  ein- 
gelegt, welche  im  Oberprisengericht  im  Beisein  der  Staatsanwälte 
Tsutsuki  Keiroku  und  Ishiwatari  Binichi  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptberufungspunkte  des  Vertreters  der  Reklamation 
Masushima  Rokuichiro  und  deren  Begründung  sind  folgende: 

Das  Urteil  des  Prisengerichts  zu  Sasebo  sei  gesetzwidrig.  Es 
werde  Verwerfung  desselben  und  Freilassung  des  zur  Verhandlung 
stehenden  Schiffes  und  seiner  Ladung  beantragt,  und  zwar  aus  fol- 
genden Gründen: 

*)  V.  §  40.  .    ,. . 

208 


Priaengerichtsentscheidungen:  ,,Mlchael".  Abschnitt  VI^ 

1.  Das  Völkerrecht  sei  kein  Gesetz,  es  fehle  an  einem  Gesetz- 
geber, wie  er  bei  den  einzelnen  Staaten  vorhanden  sei.  Die  Richt- 
schnur für  dasselbe  sei  in  den  Erklärungen  der  Regierungen  der  ver- 
schiedenen Mächte  und  den  Beschlüssen  von  Gelehrten  zu  suchen. 
Daher  sei  die  von  dem  internationalen  Völkerrechtskongreß  in  Turin  im 
Jahre  1882  beschlossene  Seeprisenordnung  und  der  1885  von  dem 
Völkerrechtskongreß  in  Paris  beschlossene  Abänderungsentwurf  als 
Richtschnur  für  das  jetzt  geltende  Völkerrecht  anzunehmen.  Nach  dem 
letzten  Teil  des  Artikel  4  der  genannten  Seeprisenordnung  könne  Privat- 
vermögen, wie  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  und  seine  Ladung, 
obgleich  feindliches  Gut,  nicht  beschlagnahmt  werden. 

Da  das  Prisengericht  von  einem  Landesgericht  verschieden  und 
nicht,  wie  ein ,  an  seine  Landesgesetze  gebundenes  Landesgericht  an 
die  Bestimmungen  des  Völkerrechts  gebunden  sei,  so  müsse  es,  von 
fortschrittlichen  Prinzipien  geleitet,  welche  über  die  bestehenden  Völker- 
rechtsregeln hinausragten,  ein  neues  Beispiel  geben,  indem  es  seine 
Entscheidung  nach  den  Umständen  des  Falls  abgebe. 

2.  Da  die  Beschlagnahme  vor  der  Bekanntmachung  der  Kriegs- 
trklärung erfolgt,  die  Kriegseröffnung  dahei;  nicht  bekannt  gewesen 
>ei.  so  müsse  Freigabe  erfolgen.  Daß  ein  kriegführender  Staat  bei  Er- 
öffnung des  Krieges  eine  Kriegserklärung  nicht  abzugeben  brauche, 
beziehe  sich  nämlich  nur  auf  den  gegnerischen  Staat  als  solchen.  Denn 
es  seien  die  Staaten  als  solche,  welche  zu  einander  in  das  Kriegsverhältnis 
traten,  die  Individuen  stünden  hierzu  in  keiner  direkten  Beziehung. 

3.  Die  Beschlagnahme  sei  in  koreanischem  Gebiet  erfolgt  und  sei 
unrechtmäßig,  weil  Korea  ein  neutraler  Staat  sei.  Das  Urteil  erster 
Instanz  behaupte  einfach,  Korea  sei  tatsächlich  kein  neutraler  Staat, 
ohne  jedoch  diese  Behauptung  irgendwie  zu  begründen. 

4.  Das  Urteil  erster  Instanz  behaupte,  daß  die  Vergünstigung 
vier  Kaiserlichen  Verordnung  Nr.  20  vom  Jahre  1904  auf  den  vor- 
iicjenden  Fall  keine  Anwendung  finden  könne.  Da  jedoch  der  Gedanke, 
JUS  dem  die  genannte  Verordnung  hervorgegangen  sei,  der  sei,  feind- 
liche Schiffe,  die  von  dem  Kriege  keine  Kenntnis  gehabt  hätten,  zu 
schützen,  so  müsse  sie  auch  auf  Schiffe,  wie  das  zur  Verhandlung 
>tehende,  welches  von  dem  Kriege  keine  Kenntnis  gehabt  habe,  zur 
Anwendung  gebracht  werden. 

5.  Aus  den  obigen  Gründen  könne  ein  Urteil  auf  Einziehung 
Ges  Schiffes  und  der  Ladung  auf  keinen  Fall  erlassen  werden.  Wenn 
<laher  die  Beschlagnahme  für  die  Zeit  gerechtfertigt  sein  möge,  so 
mde  man  am  billigsten  verfahren,  wenn  man  das  Schiff  während  der 
Kriegszeit  festhalte  oder  in  Gebrauch  nehme,  nach  Friedensschluß  aber 
freigebe. 

IfArstrAnd-Mechlenburff,  Das  Japanisoho  Prisenrecht.    Band  I.       (14)  209 


Abschnitt  VI 7  Prisengerichtsentscheidungen:  ,,Michae1'^ 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  beim  Prisen- 
gericht zu  Sasebo,  Yamamoto  Tatsurokuro,  sind  folgende: 

Der  Reklamant  stütze  sich  lediglich  auf  Beschlüsse  von  inter- 
nationalen Völkerrechtskongressen  und  behaupte,  daß  feindliche  Schiffe, 
wenn  sie  keine  Gefechtsrüstung  trügen,  nicht  zum  Konterbandetransport 
dienten,  keine  Konterbande  an  Bord  hätten  und  von  der  Kriegseröffnung 
keine  Kenntnis  hätten,  nicht  beschlagnahmt  werden  könnten. 

Es  bedürfe  jedoch  keiner  weiteren  Erörterung,  daß  derartige  Aus- 
führungen in  den  zurzeit  unter  den  zivilisierten  Staaten  zur  Anwendung- 
kommenden  völkerrechtlichen  Bestimmungen  und  Gewohnheiten  keine 
Unterstützung  fänden.  Daher  sei  die  Berufung  in  allen  Punkten  un- 
begründet und  müsse  abgewiesen  werden. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „Michael''  steht  im 
Eigentum  der  Pacifischen  Walfisch-  und  Fischerei-Kommanditgesellschaft 
in  St.  Petersburg,  Rußland,  sein  Heimatshafen  ist  Wladiwostok,  er  führt 
die  russische  Handelsflagge  und  wird  im  Betriebe  eines  Unternehmens 
zur  Herstellung  von  Walfisch produkten  verwandt.  Am  10.  Februar  1904,. 
also  nach  Eröffnung  des  Krieges  zwischen  Japan  und  Rußland,  wurde 
er  auf  der  Reise  von  Chyang-Chyön-dong  nach  Shanghai  auf  35^  10' 
n.  Br.  und  129  <*  20'  ö.  L.,  also  in  einer  Entfernung  von  mehr  als  5  See- 
meilen von  der  koreanischen  Küste,  von  dem  Kaiserlich  Japanischen 
Kriegsschiff  „Miyako''  mit  Beschlag  belegt. 

Es  ist  erwiesen,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  feind- 
lich und  die  darauf  befindlichen  Güter,  Walfischtran  und  sieben  andere 
Güterarten,  feindliche  Güter  auf  feindlichem  Schiff  sind. 

Der  Reklamant  behauptet  in  seinem  ersten  Berufungspunkt,  daß 
Bestimmungen,  wie  die  von  dem  internationalen  VölkerrechtskongreR 
in  Turin  im  Jahre  1882  beschlossene  Seeprisenordnung  als  Richtschnur 
für  das  gegenwärtige  Völkerrecht  anzusehen  seien  und  daß  danach 
das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  und  seine  Ladung,  wenn  sie  auch 
feindliches  Privatvermögen  seien,  nicht  eingezogen  werden  dürften. 

Da  das  Prisengericht  nicht  wie  ein  Landesgericht,  das  die  Gesetze 
seines  Landes  zu  befolgen  habe,  an  die  Bestimmungen  des  Völkerrechts 
gebunden  sei,  so  müsse  es,  von  fortschrittlichen  Prinzipien  geleitet,, 
welche  über  die  bestehenden  Völkerrechtsregeln  hinausragten,  ein  neues 
Beispiel  geben,  indem  es  seine  Entscheidung  nach  den  Umständen  des 
Falls  abgebe. 

Da  aber  das  zurzeit  bestehende  Völkerrecht  die  Beschlagnahme 
von  feindlichen  Schiffen  und  feindlichem  Gut  auf  feindlichem  Schiff 
gutheißt,  so  kann  der  Vorschlag,  daß  den  Beschlüssen  eines  inter- 
nationalen Völkerkongresses,  welche  bis  jetzt  nicht  als  Völkerrecht  gelten, 
Folge  geleistet  und  das  in   Anerkennung  stehende  Völkerrecht  außer 

210 


Prisongerichtsentscheidungen :  „Michael".  Abschnitt  VI^ 

acht  gelassen  und  dem  Fall  entsprechend  entschieden  werde,  nicht  als 
eine  Berufungsbegründung  anerkannt  werden. 

In  Punkt  2  bringt  der  Reklamant  vor,  daß  die  Beschlagnahme 
vor  Bekanntmachung  der  Kriegserklärung  erfolgt  sei  und  daß  daher 
das  Schiff,  weil  es  von  der  Kriegseröffnung  keine  Kenntnis  gehabt 
habe,  freizugeben  sei. 

Es  ist  aber  völkerrechtlich  anerkannt,  daß  es  zur  Kriegseröffnung 
der  Veröffentlichung  einer  Kriegserklärung  nicht  bedarf,  daß  vielmehr, 
Tenn  nur  der  Krieg  eröffnet  ist,  gleichviel  ob  die  feindlichen  Staats- 
angehörigen darum  wissen  oder  nicht,  der  kriegführende  Staat  diesen 
gegenüber  sein  Beschlagnahmerecht  ausüben  kann.  Daher  ist  Punkt  2 
der  Berufung  unbegründet. 

Der  Punkt  3  der  Berufung  macht  geltend,  daß  die  Beschlagnahme, 
«ei!  in  den  neutralen  koreanischen  Hoheitsgewässern  ausgeführt,  wider- 
rechtlich sei.  Korea  hat  aber  für  den  Krieg  zwischen  Japan  und  Ruß- 
land von  Anfang  an  zu  der  Landung  und  dem  Passieren  der  japanischen 
Truppen  in  seinem  Gebiet  seine  Zustimmung  gegeben.  Auch  hat  sich 
der  Krieg  anfangs  innerhalb  des  Hoheitsgebiets  von  Korea  abgespielt. 
Daher  kann  Korea  nicht  als  neutraler  Staat  im  gewöhnlichen  Sinne 
des  Worts  erachtet  werden  und  Punkt  3  der  Berufung  ist  unbegründet. 

In  Punkt  4  wird  gesagt,  daß  der  in  der  Kaiserlichen  Verordnung 
Nr.  20  vom  Jahre  1904  zum  Ausdruck  gekommene  Gedanke,  feindliche 
Schiffe,  welche  von  der  Kriegseröffnung  keine  Kenntnis  hätten,  zu 
schützen,  auf  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  angewandt  werden 
müsse. 

Die  Fahrt  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  deckt  sich  aber, 
vie  aus  dem  Wortlaut  klar  hervorgeht,  nicht  mit  einem  der  Fälle  der 
§§  1  bis  3  der  Kaiserlichen  Verordnung  Nr.  20  vom  Jahre  1904  und 
eine  Anwendung  dieser  Verordnung  auf  Schiffe,  welche,  wie  das  in 
Frage  stehende,  von  einem  Platz  außerhalb  Japans  nach  einem  solchen 
fahren,  ist  unzulässig.  Deshalb  ist  auch  Punkt  4  der  Berufung  un- 
begründet. 

Punkt  5  der  Berufung  behauptet,  daß  man,  wenn  die  Beschlag- 
nahme für  die  Zeit  gerechtfertigt  sein  möge,  am  billigsten  verfahren 
Türde,  wenn  man  das  Schiff  während  der  Kriegszeit  festhielte  oder  in 
Gebrauch  nehme,  nach  Friedensschluß  aber  freigebe. 

Dieses  Vorbringen  des  Prozeßvertreters  ist  jedoch  lediglich  ein 
Privatwunsch,  der  nicht  als  Begründung  der  Berufung  angesehen  werden 
bnn. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden : 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Im  Oberprisengericht  am  16.  Februar  1905. 

(Unterschriften.) 
(14*)  211 


Abschnitt  VI<  Prisen gerichtsentscheidungen :  „Nikolai". 

Reklamant:  Die  Pacifische  Walfisch-  und  Fischerei-Kommandit- 
•gesellschaft  des  Grafen  H.  H.  Keyserling  in  St.  Petersburg,  Ruß- 
land, vertreten  durch  den  Direktor  Frederic  Groß. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Masushima  Rokuichiro, 
Regierungsbezirk  Kanagawa,  Yokohama,  Yamashitacho  Nr.  14. 

In  der  Prisensache  betreffend  den  russischen  Dampfer  „Nikolai" 
wird,  wie  folgt,  entschieden: 

Urteilsformel: 
Der  Dampfer  „Nikolai"  und  die  an  Bord  befindlichen  6500  Fun  ^) 
koreanischen  Geldes  werden  eingezogen. 

Tatbestand    und    Gründe: 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „Nikolai"  steht  im  Eigen- 
tum der  Pacifischen  Walfisch-  und  Fischerei-Kommanditgesellschaft,  sein 
Heimatshafen  ist  Wladiwostok  in  Rußland,  er  führt  die  russische  Flagge 
und  ist  eines  der  Hochseefischereifahrzeuge,  welche  die  genannte  Ge- 
sellschaft für  ihr  Hauptgewerbe,  den  Walfischfang  gebraucht.  Er  ist 
am  8.  Februar  1904  von  Chyang-chyön-dong  in  Korea  abgefahren  und 
auf  der  Fahrt  nach  Shanghai  arn  10.  desselben  Monats  auf  35<^  7'  n.  Br. 
und  1290  15'  ö.  L.,  also  an  einem  von  der  koreanischen  Küste  4  See- 
meilen entfernten  Ort  von  dem  Kaiserlich  Japanischen  Kriegsschiff 
„Miyako"  beschlagnahmt  worden.  Das  Schiff  war  ohne  Ladung,  hatte 
aber  6500  Fun  koreanischen  Geldes  an  Bord. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  und 
das  Güterverzeichnis  des  Kommandanten  der  „Miyako",  T  o  j  i  n  a  i 
Sojiro,  die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns  des  Dampfers  „Niko- 
lai", Gustav  Beising  und  des  Harpuniers  Niels  Nielsen,  durch 
das  Schiffszertifikat  und  das  Journal  des  genannten  Dampfers  sowie  die 
Geschäftsbücher  über  den  Walfischfang. 

Die  Hauptpunkte  des  Vertreters  der  Reklamation  sind  folgende: 

1.  Der  Dampfer  „Nikolai"  sei  weder  mit  Gefechtsausrüstung  ver- 
sehen, noch  habe  er  zum  Konterbandetransport  gedient;  auch  sei  keine 
Konterbande  an  Bord. 

2.  Die  Beschlagnahme  des  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfers 
sei  an  einem  von  der  Küste  Koreas,  welches  gegenwärtig  von  Japan 
als  neutraler  Staat  angesehen  werde,  4  Seemeilen  entfernten  Ort,  d.  h. 
nach  den  Beschlüssen  des  Völkerrechtskongresses  in  Paris  im  Jahre  1895 
in  den  Hoheitsgewässern  eines  neutralen  Staats  geschehen. 

3.  Zur  Zeit  der  Aufbringung  des  genannten  Dampfers  sei  der 
zwischen  Japan  und  Rußland  bestehende  Kriegszustand  noch  nicht 
bekannt  gewesen. 


1)  100  Fun  =  etwa  37  Pfennige. 
212 


Prisengeiichtsentscheidungen:  „Nikolai".  Abschnitt  VI> 

4.  Wie  auf  dem  Lande  das  Privatvermögen  für  unverletzlich  gelte, 
so  müsse  derselbe  Grundsatz  auch  für  die  See  angewandt  werden. 

5.  Das  genannte  Schiff  sei  freilich  ein  Hochseefischereischiff.  Da 
es  aber  nicht  zum  Konterbandetransport  gedient,  auch  keine  Konterbande 
an  Bord  gehabt  habe  und  somit  ein  harmloses  Fahrzeug  sei,  so  müsse 
es  nach  dem  Prinzip,  welches  Küstenfischereiboote  von  der  Beschlag- 
nahme ausnehme,  freigegeben  werden. 

6.  Da  der  Krieg  lediglich  die  Staaten  als  solche  berühre,  so  könnten, 
bevor  der  Krieg  bekannt  sei,  die  Untertanen  nicht  direkt  dadurch  beein- 
flußt werden.  Die  vorliegende  Beschlagnahme  sei  aber  vor  Bekannt- 
werden des  Krieges  geschehen. 

7.  Die  Kaiserliche  Verordnung  Nr.  20  vom  Jahre  1904  sei  dem 
Gedanken  entsprungen,  Schiffe,  welche  von  der  Kriegseröffnung  keine 
Kenntnis  gehabt  hätten,  von  der  Beschlagnahme  auszunehmen.  In 
gleicher  Weise  dürften  daher  auch  Schiffe,  welche,  wie  das  zur  Ver- 
handlung stehende,  ohne  Kenntnis  vom  Kriege,  wenn  auch  nach  einem 
neutralen*)  Hafen,  abgefahren  seien,  nicht  beschlagnahmt  werden,  und 
Der  Dampfer  „Nikolai"  und  das  auf  ihm  befindliche  Geld  seien  frei- 
zugeben 

Die  von  dem  Prozeß  Vertreter  in  den  Punkten  1,  2,  3  und  4  an- 
c^eführten  Argumente  sind  im  wesentlichen  der  Inhalt  der  von  dem 
Kongreß  für  internationale  Rechtswissenschaft  in  Turin  im  Jahre  1882 
beschlossenen  Seeprisenordnung. 

Der  Staatsanwalt  erwidert  hierauf  im  wesentlichen,  daß  die  Aus- 
sagen des  Prozeßvertreters  sämtlich  unbegründet  seien  und  daß  auf 
Einziehung  des  Schiffs  und  des  an  Bord  befindlichen  koreanischen 
Geldes  erkannt  werden  müsse. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Der  Prozeßvertreter  zieht  hauptsächlich  die  Beschlüsse  von  Völker- 
rechtskongressen an  und  beantragt  ein  sich  darauf  gründendes  Urteil. 
Nach  dem  tatsächlich  zurzeit  bestehenden  Völkerrecht  können  jedoch 
unfraglich  feindliche  Schiffe  zur  Kriegszeit  beschlagnahmt  werden,^) 
gleichviel,  ob  sie  mit  Gefechtsausrüstung  versehen  sind;  zum  Kriegs- 
konterbandetransport dienen;  solche  an  Bord  haben;  von  der  Kriegs- 
eröffnung Kenntnis  gehabt  haben  oder  nicht,  gleichviel,  auch  ob  die 
Beschlagnahme  vor  der  Veröffentlichung  der  Kriegserklärung  erfolgt 
'der  nicht.  Darüber,  daß  der  Dampfer  „Nikolai"  ein  feindliches  Schiff 
:^t  und  daß  die  Beschlagnahme  nach  Eröffnung  des  Krieges  geschehen 
i>t,  icann  aber  kein  Streit  aufkommen. 

Da  ferner   die   Beschlagnahme   in   4   Seemeilen    Entfernung  von 

*)  §  3  der  Kaiserlichen  Verordnung  bezieht  sich  nur  auf  solche  Schiffe,  die  nach 
einem  japanischen  Hafen  fahren. 
')  V.  §§  1  und  35. 

213 


Abschnitt  vi  *  Prisengerichtsentspheidungen :  „Nikolai". 

der  koreanischen  Küste  erfolgt  ist  und  die  Völkerrechtspraxis  einen 
Rayon  von  3  Seemeilen  als  Hoheitsgewässer  betrachtet,  so  ist  die  Be- 
schlagnahme des  genannten  Dampfers  auf  offener  See  geschehen.  Selbst 
wenn  man  aber  annehmen  wollte,  sie  sei  innerhalb  der  Hoheitsgewässer 
Koreas  vorgenommen,  so  ist  es  doch  klar,  daß  Korea  nach  seiner 
derzeitigen  tatsächlichen  Lage  nicht  als  ein  neutrales  Land  betrachtet 
werden   könne. 

Der  Reklamant  bringt  vor,  daß  nach  demselben  Gedanken,  welcher 
die  FCüstenfischereiboote  von  der  Beschlagnahme  ausnehme,  auch  das 
zur  Verhandlung  stehende  Schiff  freizugeben  sei.  Die  völkerrechtliche 
Praxis  jedoch,  welche  die  kleinen  Küstenfischereiboote  von  der  Beschlag- 
nahme ausschließt,  ist  im  wesentlichen  aus  dem  Motiv  entsprungen,  die 
am  Kriege  nicht  beteiligte  arme  Bevölkerung  vor  Not  zu  bewahren, 
und  kann  sifch  daher  nicht  auf  ein  im  Eigentum  einer  Gesellschaft 
stehendes,  zur  Hochseefischerei  dienendes  Schiff,  wie  den  Dampfer 
„Nikolai'S  erstrecken. 

Ferner  behauptet  der  Reklamant,  das  zur  Verhandlung  stehende 
Schiff  sei  nach  dem  der  Kaiserlichen  Verordnung  Nr.  20  vom  Jahre 
1904  zugrunde  liegenden  Gedanken  freizugeben.  Es  ist  aber  un- 
bestreitbar, daß  die  genannte  Kaiserliche  Verordnung  nur  an  den  Schutz 
von  Handelsschiffen  denkt,  welche  mit  einem  japanischen  Hafen  in 
Handelsverkehrsbeziehungen  begriffen  sind.  Auf  einen  Fischereidampfer, 
wie  den  zur  Verhandlung  stehenden,  welcher  keinen  Handelsverkehr  be- 
treibt und  außerdem  von  einem  ausländischen  Hafen  nach  einem  aus- 
ländischen Hafen  fährt,  kann  die  Vergünstigung  der  genannten  Kaiser- 
lichen Verordnung  nicht  ausgedehnt  werden. 

Da  demnach  alle  Behauptungen  des  Vertreters  der  Reklamation 
unbegründet  sind,  so  muß  der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer 
„Nikolai"   eingezogen   werden.*) 

Da  ferner  die  auf  demselben  befindlichen  6500  Fun  koreanischen 
Geldes  erwiesenermaßen  feindliches  Gut  sind,  so  müssen  sie  gleich- 
falls eingezogen  werden.*) 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  26.  Mai  1904  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Beisein 
des  Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurokuro. 

(Unterschriften.) 


*)  V.  §  40. 


214 


PriseBgerichtsentscheidungen:  „Nikolai''.  Abschnitt  VI  « 

Reklamant:  Die  Pacifische  Walfisch-  und  Fischerei-Kommandit- 
gesellschaft des  Grafen  Keyserling  in  St.  Petersburg,  Rußland,  ver- 
treten durch  den  Direktor  Frederic  Groß. 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  Masushima  Rokuichiro, 
Regierungsbezirk  Kanagawa,  Yokohama,  Yamashitacho  Nr.  14. 

Am  26.  Mai  1904  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der  Prisen- 
sache betreffend  den  am  10.  Februar  1904  auf  35  «  7 '  n.  Br.  und  129  »  15  ' 
ö.  L,  also  in  einer  Entfernung  von  SVe  Seemeilen  von  der  koreanischen 
Küste  von  dem  Kaiserlich  Japanischen  Kriegsschiff  „Miyako"  auf- 
gebrachten russischen  Dampfer  „Nikolai''  ein  Urteil  gefällt,  in  welchem 
auf  Einziehung  des  Dampfers  sowie  der  ihm  zugehörigen  6500  Fun 
koreanischen  Geldes  erkannt  worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  der  Rechtsanwalt  Masushima  Rokui- 
chiro als  Prozeß  Vertreter  des  Reklamanten,  der  durch  ihren  Direktor 
Fred  er  ic  Groß  vertretenen  Pacifischen  Walfisch-  und  Fischerei- 
Kommanditgesellschaft  des  Grafen  H.  H.  Keyserling,  die  Berufung 
eingelegt,  welche  im  Oberprisengericht  im  Beisein  der  Staatsanwälte 
Tsutsuki  Keiroku  und  Ishiwatari  Binichi  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptberufungspunkte  des  Vertreters  der  Reklamation  Masu- 
shima Rokuichiro  und  deren  Begründung  sind  folgende: 

Das  Urteil  des  Prisengerichts  zu  Sasebo  sei  gesetzwidrig.  Es  werde 
VePKerfung  desselben  und  Freilassung  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Schiffes  und  seiner  Ladung  beantragt,  und  zwar  aus  folgenden  Gründen : 

1.  Das  Völkerrecht  sei  kein  Gesetz,  denn  es  fehle  an  einem  Gesetz- 
geber, wie  er  bei  den  einzelnen  Staaten  vorhanden  sei.  Die  Richt- 
schnur für  dasselbe  sei  in  den  Erklärungen  der  Regierungen  der  ver- 
schiedenen Mächte  und  den  Beschlüssen  von  Gelehrten  zu  suchen. 
Daher  sei  die  von  dem  internationalen  Völkerrechtskongreß  in  Turin 
im  Jahre  1882  beschlossene  Seeprisenordnung  und  der  1885  von  dem 
Völkerrechtskongreß  in  Paris  beschlossene  Abänderungsentwurf  als  Richt- 
schnur für  das  jetzt  geltende  Völkerrecht  anzunehmen.  Nach  dem 
letzten  Teil  des  Artikel  4  der  genannten  Seeprisenordnung  könne  Privat- 
vermögen, wie  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  und  seine  Ladung, 
obgleich  feindliches  Gut,  nicht  beschlagnahmt  werden. 

Da  das  Prisengericht  von  einem  Landesgericht  verschieden  und 
nicht  wie  ein  an  seine  Landesgesetze  gebundenes  Landesgericht  an 
die  Bestimmungen  des  Völkerrechts  gebunden  sei,  so  müsse  es,  von  fort- 
schrittlichen Prinzipien  geleitet,  welche  über  die  bestehenden  Völker- 
rechtsregeln hinausragten,  ein  neues  Beispiel  geben,  indem  es  seine  Ent- 
scheidung nach  den  Umständen  des  Falls  abgebe. 

2.  Da  die  Beschlagnahme  vor  der  Bekanntmachung  der  Kriegs- 
trklärung erfolgt,  die  Kriegseröffnung  daher  nicht  bekannt  gewesen  sei, 
so  müsse  Freigabe  erfolgen. .  Daß  ein  kriegführender  Staat  bei  Eröffnung 

215 


Abschnitt  VI*  Prisengerichtsentscheidungen :  „Nikolai'^ 

des  Krieges  eine  Kriegserklärung  nicht  abzugeben  brauche,  beziehe  sich 
nämlich  nur  auf  den  gegnerischen  Staat  als  solchen.  Denn  es  seien 
die  Staaten  als  solche,  welche  zu  einander  in  das  Kriegsverhältnis  träten, 
die  Individuen  stünden  hierzu  in  keiner  direkten  Beziehung. 

3.  Die  Beschlagnahme  sei  in  koreanischem  Gebiet  erfolgt  und  sei 
unrechtmäßig,  weil  Korea  ein  neutraler  Staat  sei.  Das  Urteil  erster 
Instanz  behaupte  einfach,  Korea  sei  tatsächlich  kein  neutraler  Staat, 
ohne  jedoch  diese  Behauptung  irgendwie  zu  begründen. 

4.  Das  Urteil  erster  Instanz  behaupte,  daß  die  Vergünstigung 
der  Kaiserlichen  Verordnung  Nr.  20  vom  Jahre  1904  auf  den  vor- 
liegenden Fall  keine  Anwendung  finden  könne.  Da  jedoch  der  Ge- 
danke, aus  dem  die  genannte  Verordnung  hervorgegangen  sei,  der  sei, 
feindliche  Schiffe,  die  von  dem  Kriege  keine  Kenntnis  gehabt  hätten, 
zu  schützen,  so  müsse  sie  auch  auf  Schiffe,  wie  das  zur  Verhandlung; 
stehende,  welches  von  dem  Kriege  keine  Kenntnis  gehabt  habe,  zur 
Anwendung  gebracht  werden. 

5.  Aus  den  obigen  Gründen  könne  ein  Urteil  auf  Einziehung  des 
Schiffes  und  der  Ladung  auf  keinen  Fall  erlassen  werden.  Wenn  daher 
die  Beschlagnahme  für  die  Zeit  gerechtfertigt  sein  möge,  so  würde  man 
am  billigsten  verfahren,  wenn  man  das  Schiff  während  der  Kriegszeit 
festhalte  oder  in  Gebrauch  nehme,  nach  Friedensschluß  aber  freigebe. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  beim  Prisen- 
gericht zu  Sasebo,  Vamamoto  Tatsurokuro,  sind  folgende: 

Der  Berufungsreklamant  stelle  unter  Zugrundelegung  der  von  einem 
internationalen  Völkerrechtskongreß  beschlossenen  Seeprisen  Ordnung  fol- 
gende Behauptungen  auf: 

1.  Privat  vermögen  zur  See  dürfe  wie  solches  zu  Lande  nicht  be- 
schlagnahmt werden. 

2.  Der  Zeitpunkt  der  in  Frage  stehenden  Aufbringung  liege  vor 
der  Veröffentlichung  der  Kriegserklärung,  daher  müsse,  weil  die  Tat- 
sache der  Kriegseröffnung  unbekannt  gewesen,   Freigabe  erfolgen. 

Da  aber  das  Völkerrecht  ein  Gewohnheitsrecht  sei,  welches  der 
gemeinsamen  Anerkennung  durch  die  Mächte  entspringe  und  von  den 
Staaten  in  ihren  gegenseitigen  Beziehungen  nach  freier  Selbstbestimmung 
befolgt  werde,  so  könnten  natürlich  Beschlüsse  von  internationalen 
Völkerrechtskongressen,  welche  lediglich  der  Ausdruck  von  Vorschlägen 
Gelehrter  seien,  keinen  Anspruch  auf  sofortige  Anerkennung  haben. 
Außerdem  würde  aber  kein  Grund  vorliegen,  weshalb  Japan  allein 
gewohnheitsrechtliche  Bestimmungen,  die  von  dem  Gegner  nicht  be- 
folgt würden,  anwenden  und  durch  prinziplose  Gewährung  von  Ver- 
günstigungen den  Feind  besser  stellen  sollte.  Solche  Bestimmungen 
könnten  daher  nicht  zur  Begründung  der  Freigabe  angeführt  werden. 

3.  Der  Reklamant  behaupte,  der  Ort,  an  welchem  die  Beschlag- 

216 


Prisengerichtseiitscheidungen:  „Nikolai''.  Abschnitt  VI^ 

nähme  stattgefunden  habe,  sei  innerhalb  der  koreanischen  Hoheits- 
gewässer, die  Beschlagnahme  daher  widerrechtlich  und  es  müsse  Frei- 
gabe erfolgen. 

Die  Streitfrage  über  die  3  oder  6  Seemeilen  eine  Weile  beiseite 
gelassen  und  angenommen,  daß  die  Beschlagnahme  des  zur  Verhandlung 
stehenden  Schiffes  in  koreanischem  Oebietsgewässer  erfolgt  sei,  so  könne 
man  doch  Korea  nicht  als  einen  neutralen  Staat  betrachten.  Des  wei- 
teren aber  angenommen,  Korea  sei  neutral,  so  stehe  doch  das  Recht 
einer  Beschwerde  wegen  Verletzung  seiner  Neutralität  niemandem  außer 
dem  neutralen  Staat  selber  zu  und  könne  nicht  von  dem  Eigentümer 
des  feindlichen  Schiffes  zur  Erlangung  der  Freigabe  desselben  oder 
als  Berufungsgrund  gegen  das  Urteil  erster  Instanz  geltend  gemacht 
werden.  Dies  um  so  weniger,  als  die  Beschlagnahme  tatsächlich  außer- 
halb der  allgemein  als  Grenze  des  Oebietsgewässers  anerkannten  3  See- 
meilen erfolgt  sei. 

Punkt  4  der  Berufung  mache  geltend,  daß  die  Kaiserliche  Ver- 
ordnung Nr.  20  vom  Jahre  1904  auf  Schiffe,  welche  von  der  Kriegs- 
eröffnung keine  Kenntnis  hätten  und  nach  einem  neutralen  Hafen  zu 
fahren  im  Begriff  seien,  Anwendung  finden  müsse.  Der  Gedanke  in- 
dessen, der  der  genannten  Kaiserlichen  Verordnung  zugrunde  liege, 
sei  nicht  der,  feindliche  Schiffe,  die  von  der  Kriegseröffnung  keine 
Kenntnis  hätten,  zu  schützen. 

Demnach  sei  die  Berufung  in  allen  Punkten  unbegründet  und  müsse 
abgewiesen  werden. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „Nikolai"  steht  im  Eigen- 
tum der  Pacifischen  Walfisch-  und  Fischerei-Kommanditgesellschaft  in 
St.  Petersburg,  Rußland,  sein  Heimatshafen  ist  Wladiwostok,  er  führt 
die  russische  Handelsflagge  und  dient  zum  Walfischfang.  Am  10.  Fe- 
bruar 1904,  also  nach  Eröffnung  des  Krieges  zwischen  Japan  und  Ruß- 
land, wurde  er  auf  35^  7'  n.  Br.  und  129°  15'  ö.  L,  also  in  einer  Ent- 
fernung von  3V6  Seemeilen  von  der  koreanischen  Küste  von  dem 
Kaiserlich  Japanischen  Kriegsschiff  „Miyako"  beschlagnahmt. 

Es  ist  erwiesen,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  ein 
feindliches  Schiff  und  die  ihm  zugehörigen  6500  Fun  feindliches  Gut 
auf  feindlichem  Schiff  sind. 

Der  Reklamant  behauptet  in  seinem  ersten  Berufungspunkt,  daß 
Bestimmungen,  wie  die  von  dem  internationalen  Völkerrechtskongreß 
in  Turin  im  Jahre  1882  beschlossene  Seeprisenordnung  als  Richtschnur 
für  das  gegenwärtige  Völkerrecht  anzusehen  seien  und  daß  danach 
das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  und  seine  Ladung,  wenn  sie  auch 
feindliches  Privatvermögen  seien,  nicht  eingezogen  werden  dürften. 

Da  das  Prisengericht  nicht  wie  ein  Landesgericht,  das  die  Gesetze 

217 


Abschnitt  VI<  Prisengerichtsentscheidungen:  „Nikolai*^ 

seines  Landes  zu  befolgen  habe,  an  die  Bestimmungen  des  Völkerrechts 
gebunden  sei,  so  müsse  es,  von  fortschrittlichen  Prinzipien  geleitet, 
welche  über  die  bestehenden  Völkerrechtsregeln  hinausragten,  ein  neues 
Beispiel  geben,  indem  es  seine  Entscheidung  nach  den  Umständen  des 
Falls  abgebe. 

Da  aber  das  zurzeit  bestehende  Völkerrecht  die  Beschlagnahme 
von  feindlichen  Schiffen  und  feindlichem  Gut  auf  feindlichem  Schiff 
gutheißt,  so  kann  der  Vorschlag,  daß  den  Beschlüssen  eines  internationalen 
Völkerrechtskongresses,  welche  bis  jetzt  nicht  als  Völkerrecht  gelten, 
Folge  geleistet  und  das  in  Anerkennung  stehende  Völkerrecht  außer 
acht  gelassen  und  dem  Fall  entsprechend  entschieden  werde,  nicht 
als  eine  Berufungsbegründung  anerkannt  werden. 

In  Punkt  2  bringt  der  Reklam'iant  vor,  daß  die  Beschlagnahme  vor 
Bekanntmachung  der  Kriegserklärung  erfolgt  sei  und  daß  daher  das 
Schiff,  weil  es  von  der  Kriegseröffnung  keine  Kenntnis  gehabt  habe, 
freizugeben  sei. 

Es  ist  völkerrechtlich  anerkannt,  daß  es  zur  Kriegseröffnung  der 
Veiöffentlichung  einer  Kriegserklärung  nicht  bedarf,  daß  vielmehr,  wenn 
nur  der  Krieg  eröffnet  ist,  gleichviel  ob  die  feindlichen  Staatsangehörigen 
darum  wissen  oder  nicht,  der  kriegführende  Staat  diesen  gegenüber 
sein  Beschlagnahmerecht  ausüben  kann.  Daher  ist  Punkt  2  der  Be- 
rufung unbegründet. 

Der  Punkt  3  der  Berufung  macht  geltend,  daß  die  Beschlagnahme, 
weil  in  den  neutralen  koreanischen  Hoheitsgewässern  ausgeführt,  wider- 
rechtlich sei.  Korea  hat  aber  für  den  Krieg  zwischen  Japan  und  Ruß- 
land von  Anfang  an  zu  der  Landung  und  dem  Passieren  der  japanischen 
Truppen  in  seinem  Gebiet  seine  Zustimmung  gegeben.  Auch  hat  sich 
der  Krieg  anfangs  innerhalb  des  Hoheitsgebiets  von  Korea  abgespielt. 
Daher  kann  Korea  nicht  als  neutraler  Staat  im  gewöhnlichen  Sinne 
des  Worts  erachtet  werden  und  Punkt  3  der  Berufung  ist  unbegründet. 

In  Punkt  4  wird  gesagt,  daß  der  in  der  Kaiserlichen  Verordnung 
Nr.  20  vom  Jahre  1904  zum  Ausdruck  gekommene  Gedanke,  feindliche 
Schiffe,  welche  von  der  Kriegseröffnung  keine  Kenntnis  hätten,  zu 
schützen,  auf  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  angewandt  werden 
müsse. 

Die  Fahrt  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  deckt  sich  aber, 
wie  aus  dem  Wortlaut  klar  hervorgeht,  nicht  mit  einem  der  Fälle  der 
§§  1  bis  3  der  Kaiserlichen  Verordnung  Nr.  20  vom  Jahre  1904,  und  eine 
Anwendung  dieser  Verordnung  auf  Schiffe,  welche,  wie  das  in  Frage 
stehende,  von  einem  Platz  außerhalb  Japans  nach  einem  solchen  fahren, 
ist  unzulässig.     Deshalb  ist  auch  Punkt  4  der  Berufung  unbegründet. 

Punkt  5  der  Berufung  behauptet,  daß  man,  wenn  die  Beschlag- 
nahme für  die  Zeit  gerechtfertigt  sein  möge,  am   billigsten  verfahren 

218 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Kotik''.  Abschnitt  VI* 

«ürde,  wenn  man  das  Schiff  während  der  Kriegszeit  festhielte  oder  in 
Gebrauch  nehme,  nach  Friedensschluß  aber  freigebe. 

Dieses  Vorbringen  des  Prozeßvertreters  ist  jedoch  lediglich  ein 
Privatwunsch,  der  nicht  als  Begründung  der  Berufung  angesehen  werden 
kann. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Im  Oberprisengericht  am  16.  Februar  1905. 
(Unterschriften.)     - 


In  der  Prisensache,  betreffend  den  am  10.  Februar  1904  im  Hafen 
von  Yokohama  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „AmaW  beschlag- 
nahmten Dampfer  „Kotik",  wird  nach  Beendigung  der  Untersuchung 
vie  folgt,   entschieden: 

Urteilsformel: 
Es  wird  auf  Wegnahme  des  Dampfers  „Kotik"  entschieden. 

Tatbestand   und   Gründe: 

Dei  Dampfer  „Kotik"  steht  im  Eigentum  der  im  Fischereigewerbe 
in  Kamtschatka  in  Rußland  tätigen  Kamtschatka  Handels-  und  Industrie- 
gesellschaft in  St.  Petersburg.  Sein  Heimatshafen  ist  Wladiwostok,  er 
hat  die  Erlaubnis  zur  Führung  der  russischen  Handelsflagge  und  dient 
der  genannten  Gesellschaft  zum  Transportieren  des  Fischereiertrages, 
der  Bedarfsartikel  der  Fischereiplätze  und  der  Fischer.  Daneben  hatte 
er  gewöhnlich  behördliche  Funktionen  der  russischen  Regierung  bei 
der  Kontrolle  gegen  unerlaubte  Fischerei  in  der  See  bei  Kamtschatka 
auszuüben. 

Seit  dem  25.  Dezember  1903  lag  der  Dampfer  im  Hafen  von  Yoko- 
hama, wo  er  nach  Eintritt  des  Kriegszustands  zwischen  Japan  uhd 
Rußland  am  10.  Februar  1904  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff 
„Amaki"    beschlagnahmt  wurde. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Vernehmungsproto- 
kolle des  Stellvertreters  des  Kommandanten  des  Kaiserlichen  Kriegs- 
schiffs „Amaki",  Kapitänleutnants  Kamamura  Giki,  des  früheren 
Kommandanten  der  „Amaki",  Fregattenkapitäns  Minami  Yoshi- 
c  h  i  k  a ,  des  Chefs  der  Wasserpolizei  in  Yokohama,  YuasaHidetomi, 
des  Vertreters  des  Kapitäns  der  „Kotik'',  1.  Offiziers  Uff  mann,  des 
Maschinisten   Moji  Sotaro,  des  2.  Oesandtschaftssekretärs,   Kawa- 

219 


Abschnitt  VI^  Prisengerichtsentscheidungen:  „Kotik". 

kami  Toshihiko,  der  Inspektoren  des  Zollamts  in  Yokohama,  K  u  - 
raoko  Yoshizo,  Fukai  Shimpachiro,  Shimizu  Shokichi 
und  SaitoTorakichi;  ferner  durch  die  Aussageschrift  des  Fregatten- 
kapitäns Minami  Yoshichika,  die  von  dem  oben  erwähnten  Stell- 
vertreter des  Kapitäns  übergebenen  Schiffspapiere  und  schriftliche  Aus- 
sage sowie  durch  die  Obersetzung  des  Urteils  des  Landgerichts  in 
Wladiwostok  gegen  das  Segelschiff  „Kiyomasa  Maru''. 

Die  Hauptpunkte  der  Reklamation  der  Kamtschatka  Handels-  und 
Industriegesellschaft  sind  folgende: 

Da  die  „Kotik"  ein  Schiff  sei,  welches  einem  reinen  Handels- 
betriebe diene,  so  sei  sie  juristisch  ein  einfaches  Handelsschiff.  Obwohl 
ihr  daher  habe  freistehen  müssen,  auf  Grund  der  Kaiserlichen  Ver- 
ordnung Nr.  20  vom  Jahre  1904^)  bis  zum  16.  Februar  d.  J.  den  japa- 
nischen Hafen  zu  verlassen,  sei  sie  rechtswidrigerweise  vor  Ablauf  der 
Frist  beschlagnahmt  worden. 

Bei  der  Entscheidung  über  die  Frage,  ob  die  Beschlagnahme  zu 
Recht  geschehen  sei  oder  nicht,  müsse  festgestellt  werden,  ob  die  „Kotik" 
ein  reines  Handelsscihff  oder  ein  Staatsschiff  sei,  ferner,  wenn  sie  kein 
Staatsschiff  sei,  ob  sie  vom  Staat  die  Befugnis  zur  Ausübung  poli- 
zeilicher Rechte  erhalten  habe  oder  nicht. 

Es  stehe  außer  allem  Zweifel,  daß  ein  Schiff,  um  ein  Staatsschiff 
zu  sein,  zwei  Bedingungen  erfüllen  müsse,  nämlich  erstens  müsse  es 
unter  dem  direkten  Aufsichtsrecht  der  Regierung  stehen,  d.  h.  es  müsse 
ein  aufsichtführender  Regierungsbeamter  an  Bord  sein;  zweitens  müsse 
es  für  Zwecke  des  Staats,  das  heißt  zur  Ausübung  öffentlicher  Rechte, 
verwandt  werden. 

Selbst  zugegeben,  die  „Kotik''  habe  polizeiliche  Rechte  ausgeübt, 
so  hätte  sich  dies  doch,  wie  Moji  Sotaro's  Aussage  bezeuge,  auf 
solche  Zeiten  beschränkt,  zu  welchen  ein  russischer  Beamter  an  Bord 
gewesen  sei.  Wenn  das  Schiff  auch  zu  Staatszwecken  benutzt  worden 
sei,  so  könne  man  es  doch  für  die  Zeit,  wo  kein  aufsichtführender 
Beamter  an  Bord  sei,  nicht  als  Staatsschiff  ansehen,  so  daß  es  also  mit 
Aufhören  der  zeitweiligen  öffentlichen  Verwendung  sogleich  seine  Eigen- 
schaft als  ein  öffentliches  Fahrzeug  wieder  verliere. 

Als  die  „Kotik''  beschlagnahmt  worden  sei,  habe  sie  lediglich 
Meeresprodukte  nach  Japan  gebracht  gehabt  und  keinen  öffentlichen 
Charakter  getragen. 

Was  ferner  die  Behauptung  angehe,  die  „Kotik"  habe  Polizei- 
befugnisse ausgeübt,  so  habe  nicht  der  Kapitän,  sondern  ein  russischer 
Beamter  solche  im  Auftrage  der  russischen  Regierung  ausgeübt, 
wobei  der  Kapitän  nur  engagiert  worden  sei.   Kurz,  die  „Kotik"  sei  von 

Ol. 
220 


Prisengeiichtsentscheidungen :  „Kotik".  Abschnitt  VI® 

der  russischen  Regierung  gechartert  worden  und  sei  während  der  Zeit 
außer  der  Ausübung  der  Polizeirechte  ein  Handelsschiff,  welches  von 
seinen  Eigentümern,  einer  Erwerbsgesellschaft,  für  deren  Zwecke  ver- 
wandt worden  sei.   Daher  sei  es  billigerweise  freizugeben. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Wie  bereits  oben  gesagt,  ist  die  „Kotik"  ein  Fischereifahrzeug, 
welches  zum  Transport  der  Fischereierträge  usw.  dient.  Da  ferner 
nach  der  Aussage  von  KuraokaYoshizo  und  KawakamiToshi- 
hiko  Grund  zu  der  Annahme  vorliegt,  daß  das  genannte  Schiff 
auch,  wenn  kein  Beamter  an  Bord  war,  behördliche  Funktionen  aus- 
zuüben hatte,  so  kann  das  Zeugnis  des  Moji  Sotaro  allein  nicht 
genügen,  um  die  Tatsache,  daß  das  Schiff  ganz  allgemein  die  erwähnten 
behördhchen  Funktionen  hatte,  umzustoßen.  Angesichts  dieses 
Charakters  kann  die  „Kotik''  nicht  aus  dem  Grunde,  daß  sie  zur  Zeit 
der  Beschlagnahme  Meeresprodukte  nach  Japan  geschafft,  also  zufällig 
einmal  keine  öffentlichen  Befugnisse  ausgeübt  hatte,  als  ein  reines 
Handelsschiff  angesehen  werden. 

Aus  diesen  Gründen  muß  das  Schiff  als  ein  feindliches  Schiff 
betrachtet  werden,  2)  auf  welches  die  Kaiserliche  Verordnung  Nr.  20 
keine  Anwendung  findet.  Die  Beschlagnahme  durch  den  Kommandanten 
des  Kaiserlichen  Kriegsschiffs  „Amaki"  ist  daher  gerechtfertigt,  und 
da^  Schiff  kann  nicht  freigegeben  werden. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  18.  Mai  1904  im  Prisengericht  zu  Yokosuka  im  Bei- 
sein des  Staatsanwalts  beim  Prisengericht  zu  Yokosuka,  Kobayashi 
Y  0  s  h  i  o. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Die  Kamtschatka  Handels-  und  Industriegesellschaft 
in  St.  Petersburg,  Rußland,  vertreten  durch  die  Prokuristen  Alexis 
Brosroff  und  Amor  Mandl. 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  Oorai  Kinzo,  Tokio,  Koji- 
machiku  Fujimicho  Shichome  Nr.  4,  bei  Kawamoto  Jujiro. 

Am  18.  Mai  1904  hat  das  Prisengericht  zu  Yokosuka  in  der  Prisen- 
sache betreffend  den  am  10.  Februar  1904  im  Hafen  von  Yokohama 
von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Amaki"  beschlagnahmten  russischen 

•)  V.  §  40. 

221 


Abschnitt  VI^  Prisengerichtsentscheidungen:  „Kotik". 

Dampfer  ,,Kotik"  ein  Urteil  auf  Wegnahme  desselben  gefällt.  Gegen 
dieses  Urteil  haben  die  Prokuristen  der  Kamtschatka  Handels-  und 
Industriegesellschaft  Alexis  Brosroff  und  Amor  Mandl  durch 
den  Rechtsanwalt  Gorai  Kinzo  als  Prozeßvertreter  die  Berufung 
eingelegt,  welche  im  Beisein  der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku 
und  Dr.  jur.  Ishiwatari  Binichi  beim  Oberprisengericht  geprüft 
worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Vertreters  der  Reklamation 
Gorai  Kinzo  und  deren  Begründung  sind  folgende : 

Die  genannte  Gesellschaft  sei  tätig  im  An-  und  Verkauf  von  Pelzen 
von  Seetieren,  der  Fabrikation  von  Dünger  und  von  Konserven  sowie 
im  Transportgeschäft;  zugleich  betreibe  sie  die  Versorgung  der  Bewohner 
von  Kamtschatka  mit  allgemeinen  Provisionen;  aber  der  Fischfang  sei 
ihr  Gewerbe  nicht.  So  sei  auch  die  im  Eigentum  der  Gesellschaft 
stehende  „Kotik"  ein  Handelsschiff,  welches  zum  Transport  der  von  der 
Gesellschaft  eingekauften  Tierpelze,  ihrer  Fabrikate  sowie  zum  Passa- 
gier- und  Güterverkehr  diene.  Es  sei  daher  eine  falsche  Auffassung 
der  Tatsachen,  wenn  das  Gericht  erster  Instanz  das  Schiff  als  ein 
Fischereifahrzeug  angesehen  habe. 

Was  die  der  Auffassung  des  Gerichts  zugrunde  liegende  Tatsache 
angehe,  daß  das  Schiff  ganz  allgemein  behördliche  Funktionen  aus- 
geübt haben  sollte,  so  könne  das  nur  für  die  Zeit  gelten,  als  das 
Schiff  im  Eigentum  der  Sealskin  Company  gestanden  habe,  während 
der  späteren  Zeit  habe  es  diese  Obliegenheiten  nur  ein  einziges  MaU 
am  6.  August  1902,  ausgeübt,  so  daß  man  nicht  sagen  könne,  daß 
es  dies  gewöhnlich  tue. 

Was  ferner  die  Behauptung  betreffe,  die  „Kotik''  habe  zur  Kon- 
trolle gegen  unerlaubte  Fischerei  gedient,  so  sei  das  nur  der  Fall  ge- 
wesen, wenn  ein  Beamter  an  Bord  gewesen  sei,  und  der  öffentliche 
Charakter  des  Schiffs  sei  mit  dem  Absteigen  dieses  Beamten  sogleich 
wieder  erloschen.  Da  das  Schiff  zur  Zeit  der  Beschlagnahme  ein  ge- 
wöhnliches Handelsschiff  gewesen  sei,  so  sei  die  Beschlagnahme,  weil 
innerhalb  der  in  der  Kaiserlichen  Verordnung  Nr.  20  für  die  Abreise 
bestimmten  Aufschubfrist  geschehen,  unrechtmäßig  und  die  „Kotik" 
müsse  freigegeben  werden. 

Es  werde  daher  Aufhebung  des  auf  Wegnahme  lautenden  Urteils 
des  Prisengerichts  von  Vokosuka  und  Erlaß  einer  Entscheidung  auf 
Freigabe  beantragt. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  der  Staatsanwälte  beim  Prisen- 
gericht zu  Yokosuka,  Kobayashi  Yoshio,  Uchida  Shigenari 
und  Vanagita  Kunio  sind  folgende: 

Es  gehe  aus  dem  Vernehmungsprotokoll  des  Stellvertreters  des 
Kapitäns  der  „Kotik"  sowie  aus  dem  Bericht  des  Konsuls  Nomura 

222 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Kotik".  Abschnitt  VI^ 

Motonobu  an  den  Minister  der  Auswärtigen  Angelegenheiten  hervor, 
daß  die  Kamtschatka  Handels-  und  Industriegesellschaft  sich  mit  der 
Ffecherei  beschäftige.  Die  von  dem  Reklamanten  vorgebrachte  Be- 
hauptung, daß  die  Kamtschatka  Handels-  und  Industriegesellschaft  sich 
nie  mit  Hochseefischerei  beschäftigt  habe,  habe  nicht  den  Wert  eines 
Gegenbeweises. 

Der  Verdacht;  daß  die  „Kotik"  die  Befugnisse  gehabt  habe,  poli- 
zeiliche Funktionen  auszuüben,  werde  hinreichend  bewiesen,  wenn  man 
folgende  Tatsachen  nebeneinander  halte:  Obwohl  sich  unter  dem 
6.  August  1902,  zu  welcher  Zeit  das  Schiff  an  der  Kontrolle  gegen 
unerlaubte  Fischerei  beteiligt  gewesen  sei,  in  dem  Schiffsjournal  nichts 
zum  Beweise  dafür  verzeichnet  finde,  daß  das  Schiff  von  dem  Gouverne- 
ment engagiert  gewesen,  sei  dasselbe  doch  zu  jener  Zeit  absichtlich  bei 
Schiffen,  welche  unter  dem  Verdacht  unerlaubter  Fischerei  gestanden 
hätten,  vor  Anker  gelegt  worden  und  die  Besatzung  habe  von  dem 
Gouvernement  Auftrag  für  Visitierungen  und  Beschlagnahmen  gehabt. 
Zur  Zeit,  als  die  „Kotik"  im  Eigentum  der  Sealskin  Company  gestanden 
habe,  sei  sie  oft  bei  Beschlagnahmen  von  Schiffen,  die  unerlaubte 
Fischerei  betrieben,  beteiligt  gewesen.  Die  Kamtschatka  Handels-  und 
Industriegesellschaft  betreibe  dasselbe  Gewerbe  wie  die  Sealskin  Com- 
pany, insbesondere  habe  sie  auch  einen  der  Hauptangestellten  derselben 
zu  ihrem  Prokuristen  gemacht.  Die  gewerbliche  Tätigkeit  von  ganz 
Kamtsciiatka  werde  von  ihr  monopolisiert  und  sie  genieße  einen  herr- 
schenden Einfluß  in  der  ganzen  Gegend. 

Da  der  Reklamant,  um  diesen  Verdacht  zu  entfernen,  kein  Beweis- 
material beigebracht  habe,  so  sei  die  Entscheidung  erster  Instanz  zu- 
treffend- 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

Aus  den  Eintragungen  in  das  Tagebuch  der  „Kotik"  geht  liervor, 
daß  dieselbe,  während  sie  im  Eigentum  der  Sealskin  Company  war, 
häufig  an  der  Kontrolle  gegen  Schiffe,  welche  unerlaubte  Fischerei 
ausübten,  beteiligt  gewesen  ist  und  zur  Verfolgung,  Beschlagnahme  und 
Arretierung  solcher  Schiffe  gedient  hat.  Der  Reklamant  behauptet,  daß 
solche  Vorkommnisse  zum  größten  Teil  der  Zeit  angehörten,  wo  das 
Schiff  im  Eigentum  der  Sealskin  Company  stand  und  daß  das  kein 
Beweis  für  das  jetzige  Bestehen  solcher  Beziehungen  sei.  Da  aber  die 
Kamtschatka  Handels-  und  Industriegesellschaft  die  Nachfolgerschaft 
in  den  Geschäften  der  Sealskin  Company  angetreten  hat  und  einer  der 
nichtigsten  Angestellten  der  letzteren  jetzt  Prokurist  bei  der  Kamtschatka 
Handels-  und  Industriegesellschaft  ist,  auch  bei  der  Änderung  des  Namens 
der  Eigentümerin  die  Besatzung  des  Dampfers  keine  Änderung  der 
Verhältnisse  bemerkt  hat,  so  ist  es  schwer  anzunehmen,  daß  die  beiden 
Gesellschaften  zwei  ganz  verschiedene,  nicht  zu  einander  in  Beziehung 

22ä 


Abschnitt  VI^  Prisengerichtsentscheidungen:  „Kotik". 

stehende  Gesellschaften  sein  sollten.  Zum  mindesten  kann  nach  den 
Vernehmungsprotokollen  der  Besatzung  nicht  angenommen  werden,  daß 
in  den  Beziehungen  der  „Kotik''  zu  der  Kontrolle  der  unerlaubten 
Fischerei  eine  Änderung  eingetreten  sei. 

Ferner  sagt  der  Reklamant,  daß  die  Verwendung  der  ,,Kotik" 
als  Kontrollschiff  gegen  die  unerlaubte  Fischerei  sich  auf  die  Zeit  be- 
schränkt habe,  wenn  ein  Beamter  an  Bord  gewesen  sei,  und  daß  sie 
dann  nur  vorübergehend  als  ein  im  öffentlichen  Dienst  stehendes  Fahr- 
zeug gemietet  worden  sei,  daß  sie  aber  diesen  öffentlichen  Charakter, 
sobald  der  betreffende  Beamte  das  Schiff  verlassen,  wieder  verloren 
habe.  Es  muß  aber  nach  den  Eintragungen  in  dem  Schiffsjournal  der 
„Kotik''  angenommen  werden,  daß  sie,  auch  ohne  von  einem  Beamten 
abhängig  gewesen  zu  sein,  die  Kontrolle  über  die  unerlaubte  Fischerei 
ausgeübt  hat.  Auch  findet  sich  in  dem  Tagebuch  über  die  jeweilige 
Charterung  des  Schiffes  nichts  verzeichnet.  Auch  sonst  sind  hierfür 
keine  Beweise  vorhanden. 

Aus  der  Tatsache,  daß  das  Schiff  am  6.  August  1902  absichtlich 
böi  Schiffen,  welche  unter  dem  Verdacht  unerlaubter  Fischerei  standen, 
zu  Anker  gelassen  wurde  und  die  Besatzung  im  Auftrage  des  Gouverne- 
ments an  der  Visitierung  und  Beschlagnahme  teilnahm,  geht  es  hin- 
reichend klar  hervor,  daß  das  Schiff  der  russischen  Regierung  gegen- 
über besondere  Verpflichtungen  hat. 

Kurz,  die  „Kotik''  ist,  weil  sie  bei  auftretender  Gelegenheit  als 
Fischereikontrollschiff  verwandt  wird  und  die  Verpflichtung  hat,  für 
den  Gebrauch  zur  Ausübung  behördlicher  Funktionen  zur  Verfügung 
zu  stehen,  kein  gewöhnliches  Handelsschiff. 

Die  Kaiserliche  Verordnung  Nr.  20  vom  Jahre  1904  findet  An- 
wendung ausschließlich  auf  gewöhnliche  Handelsschiffe,  und  ihre  Ver- 
günstigung kann  solchen  Schiffen,  die  der  feindlichen  Regierung  gegen- 
über besondere  Pflichten  haben,  nicht  zuteil  werden. 

Demnach  ist  die  Entscheidung  des  Prisengerichts  zu  Yokosuka  auf 
Wegnahme  des  Dampfers  ,;Kotik''  nicht  widerrechtlich. 

Der  Reklamant  sowohl  wie  die  Staatsanwälte  haben  über  den 
weiteren  Punkt,  ob  die  „Kotik"  als  Fischereifahrzeug  anzusehen  sei 
oder  nicht,  Erörterungen  angestellt.  Da  aber  die  Kaiserliche  Verordnung 
Nr.  20  schon  nach  dem  oben  Ausgeführten  keine  Anwendung  finden 
kann,  so  erscheint  es  überflüssig,  auf  jenen   Punkt  einzugehen. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufjung  wird  abgewiesen. 

Am   1.  Juli  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 

224 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Lesnik".  Abschnitt  VI^o* 

In  Sachen  der  Beschlagnahme  des  russischen  Segelschiffs  ,,Lesnik" 
und  seiner  Ladung  wird  auf  Grund  des  letzten  Absatzes  des  §  16  der 
Prisengerichtsordnung,  1)  wie  folgt,  entschieden. 

Urteilsformel: 

Das  russische  Segelschiff  „Lesnik"  wird  mit  seiner  ganzen  Ladung, 
bestehend  aus  Salz,  Säcken,  aus  Segelleinen  und  leeren  Weinfässern,  ein- 
gezogen. 

Gründe: 

Das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  und  seine  Ladung,  bestehend 
aus  Salz  und  anderen  Waren,  wurden  am  10.  Februar  1904  im  Hafen  ' 
von  Nagasaki  von  dem  zur  Besatzung  des  Kaiserlich  Japanischen  Kriegs- 
schiffs „Ktsuragi''  gehörigen  Marineleutnant  Yoshi  Masune  auf  Be- 
fehl des  Kommandanten  des  genannten  Kriegsschiffs  mit  Beschlag  belegt. 

Es  ist  unbestreitbar,  daß  zur  Zeit  der  Beschlagnahme  zwischen 
Japan  und  Rußland  Krieg  bestand.  Eine  Bescheinigung  des  russischen 
Konsuls  in  Nagasaki  tut  die  russische  Nationalität  des  genannten  Schiffes 
dar.  Ferner  aber  hat  nach  dem  Vernehmungsprotokoll  der  mit  der 
Verwahrung  des  Schiffes  betraute  Chinese  Chim  Ming  Kiu  aus- 
gesagt, daß  dasselbe  ein  Walfischfänger  sei,  welcher  im  Eigentum  des  in 
Wladiwostok  in  Rußland  ansässigen  russischen  Staatsuntertanen 
„Kasulin",  d.  i.  Graf  Keyserling,  stehe  und  daß  diesem  auch 
die  Ladung  des  Schiffes  gehöre,  welche  aus  Salz  und  anderen  zum 
Einsalzen  von  Walfischfleisch  dienenden  Gütern  bestünde.  Es  ist  da- 
mit reichlich  bewiesen,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  und 
seine  Ladung  feindlich  sind. 

Da  das  genannte  Schiff  zur  Hochseefischerei  dient  und  kein 
Handelsschiff  ist,  so  findet  die  Bestimmung  der  Kaiserlichen  Verord- 
nung Nr.  20  vom  9.  Februar  1904  2)  betreffend  die  Vergünstigung  der 
Befreiung  von  der  Beschlagnahme  auf  dasselbe  keine  Anwendung.  Die 
Beschlagnahme  ist  daher  zu  Recht  erfolgt,  und  das  Schiff  und  die  ge- 
samte Ladung  sind  einzuziehen. 

Aus  diesen  Gründen  wird  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden.^) 

Bei  der  vorliegenden  Sache  haben  die  Staatsanwälte  M  i  z  u  k  a  m  i 
Chojiro  und  Vamamoto  Tatsurokuro  mitgewirkt. 

Am  18.  April  1904. 

(Unterschriften.) 


*)  IV.  —  «)  I.  —  8)  V.  §§  35.  40. 

)(«ritr»nd-Meohlenburff,  Dm  jAp»oi8ohe  Prisenrecht.    B*nd  I.     (15)  225 


Abschnitt  VI^^^^  Prisengerichtsentscheidungen:  „Lesnik"^ 

Reklamant:    Serge  Lenige,  St.  Petersburg. 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  Nagashima  Washitaro^ 
Tokio,  Kyobashiku,  Kagacho  Nr.  10. 

Der  Reklamant  hat  in  der  Prisensache  betreffend  das  russische 
Segelschiff  „Lesnik"  und  seine  Ladung  unter  der  Behauptung,  der  Eigen-^ 
tümer  des  Schiffes  und  der  Ladung  zu  sein,  am  8.  April  1904  mittels- 
eines  Telegramms  die  Freigabe  derselben  beantra'gt. 

Ein  Telegramm  ist  keine  formgerechte  Reklamationsschrift.  Frei- 
lich hat  der  Reklamant  eine  solche  am  11.  April  eingereicht,  da  dies 
aber  nach  Ablauf  der  Reklamationsfrist  i)  fällt,  so  kann  die  Reklamations- 
schrift nicht  angenommen  werden. 

Daher  wird  die  Reklamation  abgewiesen. 

Am  18.  April  1904. 

Der  Präsident  des  Prisengerichts  von  Sasebo: 
(Unterschrift.)«) 


Reklamant:  Serge  Lenige,  directeur  d'agriculture,  wohnhaft 
in  St.  Petersburg. 

ProzeBvertreter :  Rechtsanwalt  Nagashima  Washitaro, 
Tokio,  Kyobashiku,  Kagacho  Nr.  10. 

Am  18.  April  1904  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der  Prisen- 
sache betreffend  das  russische  Segelschiff  „Lesnik"  und  seine  Ladung- 
die  Abweisung  der  Reklamation  verkündet.  Hiergegen  hat  der  oben 
genannte  Vertreter  der  Reklamation  eine  Berufungsschrift  unter  der 
Bezeichnung  Beschwerdeschrift  eingereicht,  welche  im  Oberprisengericht 
im  Beisein  der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku  und  I s h  i w a t a r  i 
B  i  n  i  c  h  i  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Vertreters  der  Reklamation 
sind  folgende: 

Die  Reklamation  sei  auf  Grund  der  am  9.  März  1904  im  Staats- 
anzeiger veröffentlichten  Bekanntmachung  betreffend  die  Beschlagnahme 
des  russischen  Segelschiffs  „Lesnik"  und  seiner  Ladung  innerhalb  der 
Reklamationsschrift  erhoben  worden.  Da  aber  die  Zeit  für  die  Rekla- 
mation gedrängt  habe,  so  sei  der  Inhalt  derselben  telegraphisch  über- 


')  IV.  §  16.  2. 

*)  Die  obige  Abweisung  der  Reklamation  ist  kein  Urteil,  sondern  eine  Verfügung^ 
Trotzdem  ist  die  Beschwerde  des  Reklamanten  hiergegen  als  Berufung  angenommen 
worden. 


Priaengerichtsentscheldungen:  „Lesnik*^  Abschnitt  VI^^^ 

mittelt  worden,  und  obwohl  dies  durchaus  eine  formgerechte  Reklamation 
gewesen,  sei  dieselbe  mit  der  Begründung,  daß  ein  Telegramm  keine  form- 
gerechte Reklamationsschrift  sei,  abgewiesen  worden.  Da  aber  die 
Prisengerichtsordnung  eine  bestimmte  Form  für  die  Reklamationsschrift 
nicht  vorschreibe,  genüge  es,  wenn  die  Reklamation  innerhalb  der  gesetz- 
lichen Frist  erhoben  sei.  Reklamant  sei  der  Ansicht,  daß  die  Frage, 
ob  die  Reklamation  telegraphisch  oder  brieflich  erhoben  werde,  völlig 
belanglos  sei.  Da  nun  das  Vollmachtstelegramm,  in  welchem  der  Rekla- 
mant den  Gegenstand  der  Reklamation  darlege,  erst  am  6.  April  1904, 
um  4  Uhr  35  Minuten  nachmittags,  beim  Postamt  in  Tokio  eingetroffen 
und  darauf  dem  Vertreter  abgeliefert  worden  sei,  so  habe  es,  da  selbst 
ein  dem  am  selben  Abend  9  Uhr  30  Minuten  von  Shimbashi  ab- 
gehenden Zug  mitgegebener  Brief  erst  am  neunten  des  Monats  nach- 
mittags oder  am  10.  vormittags  beim  Prisengericht  in  Sasebo  zur  Be- 
stellung gelangt  sein  würde,  kein  anderes  Mittel  für  die  Erhebung  der 
Reklamation  gegeben  als  den  Telegraphen.  Es  sei  demgemäß  zuerst 
telegraphisch  der  Inhalt  der  Reklamation  klar  mitgeteilt  worden  und 
^odann  die  übliche  Reklamationsschrift  zur  Vervollständigung  ein- 
geschickt worden.  Wenn  man  dies  als  einen  Fall  nicht  fristgemäßer 
Erhebung  der  Reklamation  ansehe,  so  widerspreche  das  durchaus  dem 
Sinn  des  Gesetzes.  Reklamant  beantrage  daher  eine  besondere  Be- 
handlung des  Falls  und  Aufhebung  der  erstinstanzlichen  Verfügung. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

Nach  §  17  der  Prisengerichtsordnung  3)  müssen  in  der  Rekla- 
mationsschrift die  Reklamationspunkte  dargelegt  und  derselben  die 
Beweisdokumente  für  dieselbe  beigefügt  werden.  Außerdem  muß  aber 
im  Falle,  daß  die  Reklamation  von  einem  Vertreter  erhoben  wird,  nicht 
nur  ein  japanischer  Rechtsanwalt  bevollmächtigt  werden,  sondern  dieser 
muß  auch  seine  Vollmacht  mit  der  Reklamationsschrift  zusammen  ein- 
reichen. Wie  nun  aus  den  Akten  hervorgeht,  so  hat  der  Vertreter 
der  Reklamation  freilich  am  8.  April  1904  telegraphisch  reklamiert, 
hat  aber  einen  Beweis  dafür,  daß  er  vom  Reklamanten  bevollmächtigt 
Tar,  nicht  beigebracht.  Erst  nach  Ablauf  der  Reklamationsfrist,  *)  nämlich 
am  11.  desselben  iVIonats,  hat  er  eine  Reklamationsschrift  eingereicht, 
welcher  seine  telegraphische  Vollmacht  beigefügt  war.  Die  Erhebung 
der  Reklamation  kann  daher  unzweifelhaft  nicht  als  fristgemäß  erachtet 
werden.  Demgemäß  hat  das  Gericht  erster  Instanz  zu  Recht  dahin  ent- 
schieden, daß  die  Reklamation  nach  Ablauf  der  Reklamationsfrist  er- 
hoben sei,  und  die  vorliegende  Berufung  ist  unbegründet. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
*)  IV.  —  *)  IV.  §  16. 

(15*)  227 


Abschnitt  VI"  Prisengerichtsentscheidungen :  „Hermes' 

Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Im  Oberprisengericht  am  17.  Juni  1904. 
(Unterschriften.) 


in  Sachen  des  beschlagnahmten  norwegischen  Dampfers  „Hermes" 
wird  nach  Einsicht  des  Schriftsatzes  des  Staatsanwalts,  wie  folgt,  ent- 
schieden. 

Urteilsformel: 

Der  norwegische  Dampfer  „Hermes''  und  seine  gesamte  Ladung 
werden  freigegeben. 

Tatbestand    und    Gründe: 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  steht  im  Eigentum  der  nor- 
wegischen Firma  Brunsgaard,  Kjößterud  &  Co.,  führt  die  nor- 
wegische Handelsflagge  und  dient  vorzugsweise  zum  Kohlentransport. 
Das  Schiff  ist  von  neutraler  Nationalität,  der  Kapitän,  die  Maschinisten 
und  Offiziere  sind  alle  Norweger.  Das  Schiff  war  von  der  Agentur 
der  russischen  Firma  Ginsburg,  der  Uriu  Gesellschaft  in  .Moji,  ge- 
chartert worden,  nahm  am  4.  und  5.  Februar  1904  2100  tons  Kohlen 
ein  und  fuhr  am  6.  Februar,  vormittags  um  10  Uhr,  ohne  zu  wissen, 
daß  an  diesem  Tage  der  Kriegszustand  zwischen  Japan  und  Rußland 
eingetreten  war,  von  Moji  ab.  Es  traf,  auf  direkter  Fahrt  nach  Port 
Arthur  begriffen,  am  9.  Februar,  um  2  Uhr  nachmittags  auf  der  Höhe 
von  Port  Arthur  38  <>  24  '  n.  Br.  und  121  «  48  '  ö.  L.,  mit  einem  japanischen 
Kriegsschiff  zusammen.  Nachdem  es  auf  Befragen  über  Ladung  und 
Bestimmungshafen  im  Einklang  mit  den  Schiffspapieren  Auskunft  ge- 
geben hatte,  wurde  ihm  Befehl  gegeben,  direkt  nach  Nagasaki  zu  fahren.  ^) 
Nachdem  es  in  Befolgung  dieses  Befehls  am  13.  Februar,  um  8  Uhr 
vormittags,  in  Nagasaki  eingetroffen  war,  wurde  es  am  selben  Tage,  um 
8  Uhr  45  Minuten  vormittags,  von  dem  Zugführer  der  dortigen  Minen- 
legeabteilung,  Kapitänleutnant  Takamatsu  Koshu,  besichtigt  und 
endgültig  mit  Beschlag  belegt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  das  Protokoll  des  Chefs 
der  Minenlegeabteilung  in  Nagasaki,  Fregattenkapitäns  Tsukiyama 
S  e  i  c  h  i ,  den  Bericht  des  Zugführers  der  genannten  Abteilung,  Kapitän- 
leutnants Takamatsu  Koshu,  an  den  Chef  derselben,  die 
Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns   und    1.  Offiziers   vom    Dampfer 

0  V.  §  64. 
228 


Prisengerichtsentscheidungen :  „Hermes".  Abschnitt  V1 1^ 

„Hermes",  das  Schiffszertifikat,  die  Ausklarierungspapiere  vom  5.  Februar 
1904,  das  Ladungsverzeichnis,  die  Konnossemente  und  die  Übersetzung 
des  Schiffsjournals. 

Das  Gericht  ist  der  Ansicht,  daß  die*  auf  dem  zur  Verhandlung 
stehenden  Dampfer  verschifften  Steinkohlen,  nach  ihrer  Menge  und  nach 
dem  Bestimmungshafen  zu  urteilen,  unmöglich  für  den  eigenen  Gebrauch 
des  Schiffs  bestimmt  sein  können.  Da  sie  im  Falle  ihrer  Ankunft  in 
Port  Arthur  zum  Gebrauch  für  die  feindliche  russische  Kriegsmarine 
hätten  geliefert  werden  können,  so  müssen  sie  als  Kriegskonterbande 
betrachtet  werden. 

Aber  nach  Ansicht  des  modernen  Völkerrechts  können  neutrale 
Schiffe,  welche  von  der  Eröffnung  des  Krieges  nicht  unterrichtet  waren, 
selbst  wenn  sie  Konterbande  führen,  und  ebensowenig  auch  ihre  Ladung 
von  den  kriegführenden  Mächten  eingezogen  werden.  ^)  Dies  ist 
schließlich  nur  eine  Anwendung  des  Grundsatzes,  daß  die  Neutralitäts- 
pflicht erst  mit  Kenntnis  von  der  Kriegseröffnung  entsteht.  Es  liegt 
nicht  der  geringste  Grund  vor,  anzunehmen,  daß  der  zur  Verhandlung 
stehende  Dampfer  „Hermes"  beim  Verlassen  Mojis  am  6.  Februar 
1904  oder  auch  später  von  dem  Eintreten  des  Kriegszustands  zwischen 
Japan  und  Rußland  und  der  Eröffnung  des  Krieges  unterrichtet  ge- 
wesen sei.  Unerwarteterweise  wurde  ihm  auf  der  Höhe  von  Port  Arthur 
von  einem  japanischen  Kriegsschiff  der  Befehl  erteilt,  sich  direkt  nach 
Nagasaki  zu  begeben.  Da  ihm  erst  bei  dieser  Gelegenheit  die  Kriegs- 
eröffnung bekannt  wurde,  so  kann  weder  der  zur  Verhandlung  stehende 
Dampfer  noch  seine  Ladung  eingezogen   werden. 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  ist  jedoch  von  einem 
japanischen  Kriegsschiff  in  der  See  bei  Port  Arthur  am  9.  Februar  1904, 
nachmittags  2  Uhr,  nachdem  gerade  heftige  Gefechte  bei  Chemulpo 
und  Port  Arthur  stattgefunden  hatten,  wahrgenommen  worden.  Er 
«ar  von  einer  russischen  Firma  gechartert,  führte  eine  große,  als  Konter- 
bande zu  betrachtende  Menge  Kohlen  an  Bord,  und  war  auf  der  Fahrt 
nach  Port  Arthur,  dem  Hauptflottenstützpunkt  Rußlands,  begriffen.  Die 
unter  derartigen  Verhältnissen  ausgeführte  Aufbringung  des  Dampfers 
muß  für  rechtmäßig  erachtet  werden.  ^) 

Mit  Rücksicht  auf  diese  Tatsachen  und  Gründe  ist,  unbeschadet 
der  Rechtmäßigkeit  der  erfolgten  Beschlagnahme,  das  zur  Verhandlung 
stehende  Schiff  mitsamt  seiner  Ladung  freizugeben. 

Gegeben  am  7.  März  1904  im  Prisengericht  zu  Sasebo. 

(Unterschriften  der  Richter.) 


•)  V.  §  38.  -  3)  V.  §  37.  L 

229 


Abschnitt  VIi>  Prisengerichtsentscheidungen:  „Nadeschda^^. 

In  Sachen  des  am  17.  Februar  1904  im  Hafen  von  Hakodate 
von  dem  Kaiserlich  Japanischen  Kriegsschiff  „Takao"  beschlagnahmten 
Segelschiffs  „Nadeschda"  wird  nach  Beendigung  der  Untersuchung, 
wie  folgt,  entschieden. 

Urteilsformel: 
Es  wird  auf  Einziehung  des  Segelschiffs  „Nadeschda"   erkannt. 

Tatbestand    und    Gründe: 

Das  zur  Verhandlung  stehende  Segelschiff  steht  im  Eigentum  der 
russischen  Staatsangehörigen  Iphigenie  Josephowitsch-Ni- 
'kolski,  dient  vorzugsweise  zum  Gütertransport,  sein  Heimatshafen 
ist  Wladiwostok  in  Rußland,  es  hat  die  Erlaubnis  zur  Führung  der 
russischen  Handelsflagge  und  zur  Ozeanfahrt  zu  Handels-  und  Güter- 
.  transportzwecken . 

Das  Schiff  ist  am  28.  November  1903  in  Hakodate  eingelaufen 
und  hat  seitdem  ununterbrochen  dort  vor  Anker  gelegen.  Am  6.  Fe- 
bruar 1904  ist  der  Kriegszustand  zwischen  Japan  und  Rußland  ein- 
getreten, und  am  9.  desselben  Monats  wurde  die  Kaiserliche  Verordnung 
betreffend  die  Befreiung  russischer  Handelsschiffe  von  der  prisenrecht- 
lichen Beschlagnahme^)  veröffentlicht,  auf  Grund  deren  der  Kommandant 
des  japanischen  Kriegsschiffs  „Takao"  dem  zur  Verhandlung  stehenden 
Schiff  den  Befehl  erteilte,  die  japanischen  Hoheitsgewässer  innerhalb 
der  in  der  Kaiserlichen  Verordnung  bestimmten  Gnadenfrist,  d.  h.  bis 
zum  16.  Februar,  zu  verlassen.  Als  aber  das  genannte  Schiff  nach  Ab- 
lauf der  Gnadenfrist  noch  im  Hafen  von  Hakodate  lag,  ließ  der  Kom- 
mandant der  „Takao''  dasselbe  am  17.  Februar,  morgens  7  Uhr,  von 
dem  zur  Besatzung  der  „Takao"  gehörigen  Offizier  Tajima  Joji 
auf  Grund  der  japanischen  Prisenordnung  mit  Beschlag  belegen. 

Diese  Tatsachen  gehen  hervor  aus  den  schriftlichen  Berichten  des 
Kommandanten  der  „Takao"  über  die  Einzelheiten  der  Beschlagnahme 
und  des  zur  Besatzung  der  ,,Takao''  gehörigen  Offiziers  Tajima  Joji 
über  den  Akt  der  Beschlagnahme,  dem  Schiffahrtserlaubnisschein  und 
den  Vernehmungsprotokollen  des  Tajima  Joji  und  des  Stellvertreters 
des  Kapitäns  der  „Nadeschda". 

Da  nun  zu  Kriegszeiten,  abgesehen  von  solchen  Fällen,  wo  eine 
kriegführende  Macht  nach  eigenem  Ermessen  die  Befreiung  feindlicher 
Schiffe  von  der  prisenrechtlichen  Beschlagnahme  festgesetzt  hat,  die 
Möglichkeit  der  Einziehung  feindlicher  Schiffe  in  der  Kaiserlich  Ja- 
panischen Prisenordnung,  den  völkerrechtlichen  Präzedenzfällen  und 
den  Ansichten  der  Wissenschaft  in  gleicher  Weise  anerkannt  ist,  so 
ist  das  zur  Verhandlung  stehende  Segelschiff  einzuziehen,  weil  es  ein 

Ol. 
230 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Bobrik".  Abschnitt  VIi3 

feindliches  Handelsschiffe)  ist  und  die  japanischen  Hoheitsgewässer  nicht 
im  Verlaufe  der  in  der  Kaiserlichen  Verordnung  vom  Februar  dieses 
Jahres  bezüglich  der  russischen  Handelsschiffe  von  der  Beschlagnahme 
festgesetzten  Gnadenfrist  verlassen  hat. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Am  12.  Mai  1904  im  Prisengericht  zu  Yokosuka  nach  Anhörung 
der  Ansicht  des  Staatsanwalts  Yamakita  Kunio. 

(Unterschriften.) 


In  der  Prisensache  betreffend  das  am  17.  Februar  1904  im  Hafen 
von  Hakodate  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Takao''  beschlag- 
nahmte Segelschiff  „Bobrik''  wird  nach  Beendigung  der  Untersuchung, 
wie  folgt,  entschieden: 

Urteilsformel: 
Es  wird  auf  Einziehung  des  Segelschiffs  „Bobrik"  erkannt. 

Tatbestand    und    Gründe: 

Das  Segelschiff  „Bobrik''  steht  im  Eigentum  der  Kamtschatka 
Handels-  und  Industriegesellschaft  in  St.  Petersburg,  dient  zum 
Fischereigewerbe  in  Kamtschatka,  Rußland,  sein  Heimatshafen  ist 
Wladiwostok,  es  hat  die  Lizenz  der  russischen  Regierung  zur  Führung 
der  russischen  Handelsflagge  und  dient  der  genannten  Gesellschaft  aus- 
schließlich zum  Transport  der  gefangenen  Fische,  der  Bedarfsartikel  für 
die  Fischereiplätze  und  der  Fischer. 

Am  19.  Oktober  1903  traf  das  genannte  Segelschiff  in  Hakodate 
ein.  Seitdem  hat  es  dort  ununterbrochen  gelegen.  Nachdem  am  6.  Fe- 
bruar dieses  Jahres  der  Kriegszustand  zwischen  Japan  und  Rußland 
eingetreten  war,  wurde  am  9.  Februar  die  Kaiserliche  Verordnung i),  be- 
treffend die  Befreiung  russischer  Handelsschiffe  von  der  Beschlagnahme, 
veröffentlicht.  Der  Kommandant  der  „Takao''  erteilte  dem  genannten 
Segelschiff  sogleich  den  Befehl,  die  japanischen  Gewässer  innerhalb 
der  in  dieser  Kaiserlichen  Verordnung  bestimmten  Abfahrtsfrist,  d.  h. 
bis  zum  16.  Februar,  zu  verlassen.  Auf  Grund  einer  Nachricht  vom  12. 
Februar,  daß  ein  Teil  der  russischen  Flotte  bis  in  die  Nähe  des  Hafens 
von  Hakodate  vorgestoßen  sei,  erteilte  der  Kommandant  der  „Takao'' 
am  selben   Tage,    11    Uhr  vormittags,  als  eine  für   die   Kriegsführung 

'^V.  §  40.  —  1)  I. 

231 


Abschnitt  Vif«  Prisengerichtsentscheidungen:  „Bobrfk". 

notwendige  Maßnahme  durch  die  Wasserpolizei  von  Hakodate  der 
Agentur  der  „Bobrik"  die  Order,  bis  zum  Erhalt  weiterer  Befehle  die 
Abfahrt  nicht  auszuführen.  Als  sich  bald  darauf  herausstellte,  daß. 
ein  Bedürfnis  für  den  Befehl  nicht  vorlag,  wurde  derselbe  am  13.  Fe- 
bruar, Q  Ühr  vormittags,  durch  Vermittlung  der  Wasserpolizei  wieder 
aufgehoben  und  die  Abfahrt  bis  zum  16.  Februar  wieder  angeordnet. 
Am  9.  Februar,  sogleich  nach  Empfang  der  Abfahrtsorder  seitens  des 
Kommandanten  der  „Takao",  fragte  die  Agentur  der  „Bobrik"  bei  der 
JFirma  Smith,  Baker  &  Co.  in  Yokohama  telegraphisch  an,  ob  sie 
eine  Mannschaft  für  die  Reise  der  „Bobrik"  anheuern  könne  oder  nicht, 
worauf  sie  eine  bejahende  Antwort  erhielt.  Als  aber  der  Befehl  kam, 
vorläufig  nicht  abzureisen,  stellte  die  Agentur  die  Beschaffung  der  Mann- 
schaft wieder  ein,  und  beantragte,  sobald  sie  am  13.  Februar  den  er- 
neuten Abfahrtsbefehl  erhalten  hatte,  eine  Verlängerung  der  Abfahrts- 
frist. Dies  wurde  indes  von  dem  Kommandanten  der  „Takao"  abgelehnt. 
Als  nach  Ablauf  der  gesetzlichen  Frist  die  „Bobrik"  die  japanischen  Ge- 
wässer n,icht  verlassen  hatte,  ließ  der  Kommandant  der  „Takao"  sie  am 
17.  Februar,  vormittags  9  Uhr  30  Minuten,  durch  den  zur  Besatzung 
gehörigen  Offizier  Tajima  Joji  auf  Grund  der  japanischen  Prisen- 
ordnung mit  Beschlag  belegen. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  den  Bericht  über  die 
Einzelheiten  der  Beschlagnahme  des  Kommandanten  der  „Takao",  den 
Bericht  des  Offiziers  Tajima  Joji  über  die  von  ihm  ausgeführte 
Beschlagnahme,  das  Vernehmungsprotokoll  des  Chefs  der  Firma  Howell, 
John  Andrew  Wilson,  die  Schiffahrtserlaubnis  der  „Bobrik",  das- 
Antwortschreiben  des  Kommandanten  der  „Takao"  und  die  Schreiben 
W  i  1  s  o  n  '  s  an  den  mit  dem  Fall  beauftragten  Prisenrat. 

Die  Hauptpunkte  der  Reklamation  der  Kamtschatka  Handels-  und 
Industriegesellschaft  sind  folgende: 

Die  „Bobrik''  sei  ein  Schiff,  welches  einer  rein  privaten  Erwerbs- 
gesellschaft zur  Handelsschiffahrt  diene.  Daher  könne  sie  nicht  ein- 
gezogen werden,  denn,  da  die  Feindseligkeiten  im  Kriege  sich  von  einerri 
Staat  gegen  den  anderen  richteten,  so  sei  es  ein  Grundgedanke  des  Völker- 
rechts, dieselben  nicht  auf  die  einzelnen  Personen  auszudehnen.  Der 
schon  für  Güter  zu  Lande  bestehende  Grundsatz  der  Unverletzlichkeit 
des  feindlichen  Privateigentums  übe  endlich  seinen  Einfluß  auch  auf 
das  Seekriegsrecht  aus,  und  ungeachtet  der  bisherigen  Praxis,  welche 
die  Aufbringung  von  feindlichem  Privateigentum  zur  See  gutheiße,  mache 
sich  jetzt  eine  Tendenz  bemerkbar,  die  dies  verneine.  Diese  Tendenz 
beschränke  sich  nicht  auf  Äußerungen  zahlreicher  hervorragender  Ge- 
lehrter und  sonstiger  Anhänger  dieser  Ansicht,  sondern  sei  auch  von 
bedeutenden  Staaten  wie  Deutschland,  Österreich,  Italien  und  Amerika 

232 


Prisengerichtsentscheidungen :  „Bobrlk^'.  Abschnitt  V1 1> 

anerkannt.  So  erhalte  die  Forderung,  das  vernunftwidrige  und  störende 
Seeprisenwesen  abgeschafft  zu  sehen,  überall  in  der  Welt  große  Unter- 
stützung. Reklamant  bitte  daher,  das  Prisengericht  wolle  sich  dem,  was 
die  ganze  Welt  als  vernünftig  anerkenne,  anschließen  und  auf  Frei- 
lassung der  „Bobrik"  erkennen.  Auch  verdiene  dies  Schiff  angesichts 
der  Umstände,  welche  zu  seiner  Aufbringung  führten,  besondere  Milde. 
Das  Schiff  sei  von  jeher  im  allgemeinen  zum  Handelsverkehr  verwandt 
Verden.  Am  9.  Februar  habe  es  auf  Grund  der  Kaiserlichen  Verordnung 
Nr.  20  vom  Jahre  1904  Befehl  erhalten,  innerhalb  einer  Woche  die  ja- 
panischen Gewässer  zu  verlassen.  Als  es  aber  am  12.  Februar  eine- 
Order  erhalten  habe,  welche  ihm  die  Abfahrt  vorläufig  verbot,  sei  die 
inzwischen  in  Yokohama  eingeleitete  Anheuerung  einer  Besatzung  ein- 
gestellt worden,  so  daß,  als  der  Arrest  wieder  aufgehoben  wurde,  nur 
noch  drei  Tage  bis  zum  Ablauf  der  Abfahrtsfrist  übrig  gewesen  seien, 
während  welcher  sich  die  Anheuerung  der  Mannschaft  nicht  mehr  habe 
bewerkstelligen  lassen.  Eine  Bitte  an  die  zuständigen  Beamten  um 
Verlängerung  der  Frist  sei  abgeschlagen  worden,  und  mit  Ablauf  der 
in  der  Kaiserlichen  Verordnung  bestimmten  Frist  sei  das  Schiff  beschlag- 
nahmt worden.  Dieses  Vorgehen  sei  ungerecht,  und  das  Schiff  müsse 
freigegeben  werden. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Die  im  ersten  Teil  der  Reklamation  besprochene  Unverletzlichkeit 
feindlichen  Privatvermögens  im  Kriege  ist  allerdings  für  Güter  auf  dem 
Lande  ein  Grundprinzip  des  geltenden  Völkerrechts,  Mit  Bezug  auf 
Güter  zur  See  wird  dies  jedoch  von  dem  Völkerrecht,  wie  es  in  Theorie 
und  Praxis  aller  Staaten  anerkannt  ist,  verneint,  und  auch  die  japanische 
Prisenordnung  steht  auf  keinem  anderen  Standpunkt. 

Was  die  weiteren  Ausführungen  der  Reklamation  angeht,  so  hat 
die  Agentur  äer  „Bobrik",  als  der  Kommandant  der  „Takao",  wie  die 
Kriegsführung  es  erforderte,  dem  Segelschiff  „Bobrik''  den  Befehl  er- 
teilte, einstweilen  nicht  abzureisen,  die  Beschaffung  einer  Schiffsbesatzung 
gänzlich  aufzugeben  und  die  Zeit  von  Erhalt  dieses  Befehls  bis  zum 
Ablauf  der  Abfahrtsfrist,  obwohl  sie  reichlich  genügte,  zur  Rüstung  und 
Abreise  des  Schiffes  nicht  benutzt.  Daher  kann  nicht  behauptet  werden, 
daß  die  schließlich  erfolgte  Beschlagnahme  auf  das  Vorgehen  des  Kom- 
mandanten der  „Takao"  zurückzuführen  und  unrechtmäßig  sei. 

Ferner  sagt  der  Reklamant,  das  zur  Verhandlung  stehende  Segel- 
schiff sei  ein  reines  Handelsschiff.  Nach  Ansicht  des  Staatsanwalts 
dient  es  jedoch  als  Mutterschiff  bei  der  Hochseefischerei.  Über  diesen 
Charakter  des  Schiffes  ließe  sich  vielleicht  streiten,  da  aber  die  Beschlag- 
nahme desselben  erst  nach  Ablauf  der  gesetzlichen  Abfahrtsfrist  statt- 
gefunden hat,  so  ist  eine  Entscheidung  darüber  völlig  belanglos. 

233 


Abschnitt  VIi<  Prisengerichtsentscheidungen:  ,,Bobrik". 

Aus  diesen  Gründen  ist  das  Segelschiff  „Bobrik"  einzuziehen, ») 
und  es  wird  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am   18.  Mai   1904  im  Prisengericht  zu  Yokosuka  im 
Beisein  des  Staatsanwalts  Uchida  Shigenari. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Die  Kamtschatka  Handels-  und  Industriegesell- 
schaft  in  St.  Petersburg,  vertreten  durch  die  Prokuristen  Alexis  Bros- 
r o f f  und  Amor  Mandl. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Gorai  Kinzo,  wohnhaft  in 
Tokio,  Kojimachiku  Fujimicho  Shichichome  Nr.  4  bei  Kawamoto  Jujiro. 

Am  18.  Mai  1Q04  hat  das  Prisengericht  zu  Yokosuka  in  Sachen 
des  am  17.  Februar  1904  im  Hafen  von  Hakodate  von  dem  Kaiserlichen 
Kriegsschiff  „Takao''  beschlagnahmten,  der  russischen  Kamtschatka 
Handels-  und  Industriegesellschaft  in  St.  Petersburg  gehörigen  Segel- 
schiffs „Bobrik''  ein  Urteil  erlassen,  in  welchem  auf  Einziehung  desselben 
erkannt  wird.  Gegen  dieses  Urteil  hat  der  Rechtsanwalt  Gorai  Kinzo 
als  Vertreter  des  Reklamanten  die  Berufung  eingelegt,  welche  im  Beisein 
des  Staatsanwalts  Tsutsuki  Keiroku  beim  Oberprisengericht  geprüft 
worden  ist. 

Die  Hauptberufungspunkte  des  Vertreters  der  Reklamation  Gorai 
Kinzo  sind  folgende : 

Das  Urteil  erster  Instanz  sei  unrechtmäßig.  Es  werde  daher  Auf- 
hebung desselben  und  Entscheidung  auf  Freilassung  des  Segelschiffs 
„Bobrik''  beantragt,  und  zwar  aus  folgenden  Gründen:     • 

1.  Das  Urteil  erster  Instanz  besage,  daß  die  Unverletzlichkeit 
feindlichen  Privatvermögens  im  Kriege  für  Güter  auf  dem  Lande  aller- 
dings ein  Grundprinzip  des  geltenden  Völkerrechts  sei,  daß  indes  mit 
Bezug  auf  Güter  zur  See  die  von  den  Staaten  anerkannte  Theorie  und 
Praxis  des  Völkerrechts  dieses  Prinzip  verneinten.  Demgegenüber  mache 
der  Reklamant  folgendes  geltend: 

Italien  habe  in  seinem  im  Jahre  1865  erlassenen  Seehandels- 
gesetzbuch unter  Zugrundelegung  des  Prinzips  der  Gegenseitigkeit  das 
Recht  zur  Beschlagnahme  feindlicher  Handelsschiffe  verneint.  Im  Jahre 
1866  hätten  Preußen,  Österreich  und  Italien  in  dem  zwischen  ihnen  ge- 
führten Kriege  alle  das  genannte  Prinzip  streng  durchgeführt  und 
nicht  ein  einziges  Handelsschiff  sei  beschlagnahmt  worden.    Während 

')  V.  §  40. 
234 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Bobrik".  Abschnitt  VI^' 

des  Krieges  zwischen  Frankreich  und  Preußen  im  Jahre  1870  habe 
Preußen  diesen  Grundsatz,  ohne  das  Prinzip  der  Gegenseitigkeit  zu- 
grunde zu  legen,  anerkannt.  Im  Jahre  1870  hätten  Italien  und  Amerika 
sich  vertragsmäßig  verpflichtet,  im  Falle  eines  Krieges  zwischen  ihnen 
sich  nach  diesem  Grundsatz  zu  richten.  Wenn  man  dies  in  Betracht 
ziehe,  so  könne  man  freilich  noch  nicht  behaupten,  daß  alle  .Mächte 
diesen  Grundsatz  anerkannt  hätten,  aber  es  stehe  mit  den  Tatsachen 
in  Widerspruch,  wenn  man  sage,  derselbe  sei  nicht  durch  die  Gewohnheit 
anerkannt.  Die  Feindseligkeiten  während  eines  Krieges  beschränkten 
sich  auf  die  Staaten,  und  es  sei  völkerrechtlich  anerkannt,  daß  sich  die- 
selben nicht  auf  private  Individuen  erstrecken  dürften.  Daß  dieses 
Prinzip  auf  dem  Lande  anerkannt  sei,  gebe  das  Urteil  erster  Instanz 
unumwunden  zu.  Es  bestehe  aber  kein  Grund,  weshalb  ein  Prinzip, 
welches  schon  für  das  Land  anerkannt  wäre,  nicht  auch  für  die  See 
Anwendung  finden  solle.  Wenn  ein  Grundsatz  dem  Recht  und  der 
Billigkeit  entspreche  und  nur  ein  Staat  ihn  in  einem  internationalen 
Krieg  annehme,  so  bedürfe  er  nicht  weiter  der  Anerkennung  seitens 
sämtlicher  anderen  Staaten,  es  sei  vielmehr  deren  natürliche  Pflicht  als 
Zivilisationsträger,  einen  solchen  Grundsatz  von  sich  aus  anzuwenden 
und  seine  Entwicklung  zu  fördern.  Die  von  dem  Urteil  erster  Instanz 
angeführten  Bestimmungen  der  japanischen  Prisenordnung  seien  daher 
nicht  würdig,  von  dem  Oberprisengericht,  dem  kraft  seines  Amtes  die 
Pflicht  obliege,  das  Völkerrecht  der  Welt  in  Anwendung  zu  setzen, 
auch  nur  mit  einem  Gedanken  berücksichtigt  zu  werden. 

2.  Das  Segelschiff  „Bobrik"  habe  am  9.  Februar  von  dem  Kom- 
mandanten der  „Takao"  Order  bekommen,  bis  zum  16.  Februar  Hako- 
date  zu  verlassen.  Darauf  habe  die  Agentur  des  Schiffes,  die  Firma 
H o w e  1 1  &  Co.  in  Hakodate,  hierfür  Vorbereitung  getroffen,  indem 
sie  sofort  der  Agentur  in  Yokohama,  der  Firma  S  m  i  t  h  ,  B  a  k  e  r  &  C  o., 
Auftrag  zur  Anheuerung  eines  Kapitäns  und  einer  Mannschaft  gegeben 
habe.  Das  Antworttelegramm  von  Smith,  Baker  &  Co.,  daß  die 
Anheuerung  geschehen  könne,  sei  am  11.  Februar  abends  angekommen, 
so  daß  die  Rückantwort,  welche  den  definitiven  Auftrag  zur  Anheuerung 
gegeben  habe,  wiegen  der  späten  Tageszeit  bis  zum  nächsten  Tag  habe 
aufgeschoben  werden  müssen.  An  diesem  Tage  vormittags  sei  plötzlich 
von  dem  Kommandanten  der  „Takao''  der  Gegenbefehl  gekommen,  nicht 
abzufahren,  so  daß  an  Smith,  Baker  &  Co.  telegraphiert  worden 
sei,  von  der  Anheuerung  abzustehen.  Am  13.  vormittags  sei  eine  neue 
Order  gekommen,  welche  die  Abfahrt  wieder  gestattete.  Zu  der  Zeit 
seien  aber  nur  noch  drei  und  ein  halber  Tag  übrig  gewesen,  und  über- 
dies sei  der  13.  ein  Sonnabend  und  der  14.  ein  Sonntag  gewesen.  Wie 
Smith,  Baker  &  Co.  in  ihrem  Telegramm  vom  10.  gesagt  hätten, 
sei   wegen    der    Kriegseröffnung   die    Anheuerung  von    Japanern    aus- 

235 


Abschnitt  VI^'  Prisengerichtsentscheidungen :  „Bobrik"» 

geschlossen  gewesen,  und  von  den  wenigen  Ausländern  hätten  sich  nur 
mit  Mühe  ein  Kapitän  und  fünf  Leute  zur  Anmusterung  bereitfinden 
lassen.  Selbst  wenn  aber  am  13.  von  neuem  Auftrag  zur  Anheuerung 
dieser  Leute  gegeben  worden  und  diese  am  13.  oder  14.  bewirkt  worden 
wäre,  so  würden  die  Leute,  am  14.  von  Yokohama  abfahrend,  erst  am 
16.  morgens  in  Hakodate  haben  eintreffen  können,  da  die  Fahrt  von 
Yokohama  nach  Hakodate  48  Stunden  dauere.  Nach  Ankunft  der 
Mannschaft  würde  alsdann  die  Anbringung  des  Segelwerks  und  die 
Einnahme  von  Ballast,  Proviant  und  Brennmaterial  36  bis  48  Stunden 
in  Anspruch  genommen  haben.  Selbst  ohne  daß  der  Befehl  vom  12., 
nicht  abzufahren,  gekommen  wäre,  hätte  befürchtet  werden  müssen, 
daß  die  Abreise  vor  Ablauf  der  Frist  unmöglich  gewesen  sei;  der  Erlaß 
dieses  Befehls  habe  jedoch  erst  die  Einstellung  der  Reisevorbereitungen 
veranlaßt.  Als  dann  am  13.  Februar  von  neuem  die  Erlaubnis  zur 
Abfahrt  erteilt  worden  sei,  sei  es  vollends  ausgeschlossen  gewesen,  die 
Abfahrt  bis  zum  16.  zu  vollenden.  Es  sei  daher,  als  der  zweite  Reise- 
befehl gekommen  sei,  sofort  ein  Antrag  auf  Verlängerung  der  Abfahrts- 
frist gestellt,  der  jedoch  am  14.  von  dem  Kommandanten  der  „Takao" 
abschlägig  beantwortet  worden  sei.  Da  zu  dieser  Zeit  nur  noch  2  Tage 
von  der  Frist  übrig  gewesen  seien,  so  seien  die  Vorbereitungen  zur 
Abreise  endgültig  aufgegeben  worden.  Der  Kommandant  der  „Takao" 
habe  das  Recht  mit  Füßen  getreten,  indem  er  dadurch,  daß  er  ihr  ab- 
zufahren verboten  habe,  die  „Bobrik"  tatsächlich  der  Vergünstigung 
der  Abfahrtsfrist  beraubt  habe. 

Die  nach  Ablehnung  der  erbetenen  Fristverlängerung  am  17.  Fe- 
bruar ausgeführte  Beschlagnahme  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Schiffes  sei  daher  zu  Unrecht  geschehen  und  das  Schiff  müsse  frei- 
gegeben werden. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  der  Staatsanwälte  beim  Yokosuka- 
Prisengericht  Kobayashi  Yoshio,  Uchida  Shigenari  und 
Yanagita  Kunio  besagen  folgendes : 

Die  Berufung  sei  aus  folgenden  Gründen  abzuweisen : 

1.  Für  den  Krieg  zu  Lande  seien  dem  Recht  zur  Zerstörung  oder 
Wegnahme  des  Eigentums  des  Feindes  sehr  enge  Schranken  gezogen. 
Der  Grund,  weshalb  eine  in  Feindesland  einfallende  Armee  das  feind- 
liche Privateigentum  respektiere,  sei  in  erster  Linie  der,  daß  man  darin 
eins  der  unentbehrlichsten  und  wirksamsten  Mittel  erblicke,  um  die 
Bevölkerung  der  betreffenden  Gegend  in  Ruhe  zu  halten  und  den 
Kampf  erfolgreich  durchzuführen.  Dagegen  würden  Beschlagnahmen 
von  Privateigentum  zur  See  ausgeführt  nicht  nur,  weil  daraus  ein  großer 
Gewinn  für  das  betreffende  Land  entspränge,  sondern  auch,  um  das 
dem  Feinde  für  den  Seekrieg  unentbehrliche  Material  an  Handelsschiffen 
zu  vermindern  und  den  feindlichen  Handel  und  Verkehr  lahmzulegen, 

236 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Bobrfk".  Abschnitt  VIi< 

vieil  dies  das  wirksamste  Mittel  sei,  um  den  Zweck  des  Krieges  zu 
erreichen.  Daher  erkläre  das  moderne  Völkerrecht  die  Beschlagnahme 
von  feindhchem  Privateigentum  zur  See  für  rechtmäßig. 

Die  Berufungsschrift  führe  das  Seehandelsgesetzbuch  Italiens,  den 
Krieg  zwischen  Preußen,  Österreich  und  Italien,  den  Krieg  zwischen 
Preußen  und  Frankreich  und  den  amerikanisch-italienischen  Vertrag  an. 
Die  Tatsache  aber,  daß  die.  Anerkennung  der  dort  erscheinenden  Rechts- 
bestimmungen und  Prinzipien  nur  für  den  Fall  geschehe,  daß  durch 
Vertrag  oder  Gesetz  die  Gegenseitigkeit  gewährt  würde,  liefere  im 
Gegenteil  den  Beweis,  daß  die  Seebeschlagnahme  ein  Recht  krieg- 
führender Staaten  sei  und  von  den  Mächten  als  solches  anerkannt 
\ierde,  und  könne  unmöglich  zum  Beweis  für  die  Behauptung  ange- 
führt werden,  daß  die  Praxis  auch  für  Güter  zur  See  die  Unverletz- 
lichkeit feindlichen  Privateigentums  anerkannt  habe. 

In  dem  Kriege  zwischen  Japan  und  Rußland  habe  letzteres  oft 
unter  dem  Vorwand  einer  Seeprise  japanische  Handelsschiffe  in  den 
Grund  geschossen,  und  die  Kaiserlich  Japanische  Regierung  habe  ihrer- 
seits, mit  Ausnahme  der  in  der  Kaiserlichen  Verordnung  Nr.  20  vom 
9.  Februar  1Q04  für  einen  Teil  der  feindlichen  Schiffe  gewährten  Ver- 
günstigung der  Befreiung  von  der  Beschlagnahme,  ihre  Absicht,  die 
Beschlagnahme  zur  See  nicht  auszuüben,  nicht  ausgesprochen.  Sie  habe 
vielmehr  in  der  auf  den  bestehenden  völkerrechtlichen  Bestimmungen 
und  Gewohnheiten  aufgebauten  Seeprisenordnung  die  Seebeschlagnahme 
ausdrücklich  angeordnet.  Daher  sei  es  zutreffend,  wenn  das  Urteil 
erster  Instanz  sage,  daß  die  japanische  Prisenordnung  übereinstimme 
mit  den  gegenwärtig  von  den  Mächten  anerkannten  Bestimmungen  und 
Gewohnheiten,  die  den  Grundsatz  der  Unverletzlichkeit  feindlichen 
Privatvermögens  zur  See  verneinten. 

2.  Da,  wie  die  Verhandlungsprotokolle  des  vorliegenden  Falls 
zeigten,  die  „Bobrik"  nicht  als  ein  zum  Handelsverkehr  dienendes  Fahr- 
zeug, sondern  als  ein  Hilfsfahrzeug  bei  der  Hochseefischerei  anzu- 
sehen sei,  so  fänden  die  Bestimmungen  der  Kaiserlichen  Verordnung 
N'r.  20  vom  Jahre  1904,  welche  ausschließlich  den  zum  Handelsverkehr 
dienenden  Handelsschiffen  die  Vergünstigung  der  Befreiung  von  der 
Beschlagnahme  gewähre,  auf  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  keine 
Anwendung.  Daß  der  Kommandant  der  „Takao"  dem  genannten  Schiff 
den  Aufschub  der  Abfahrt  gewährt  habe,  sei  daraus  zu  erklären,  daß 
zu  der  Zeit  die  Natur  des  Schiffes  nicht  bekannt  gewesen  sei.  Sofortige 
Beschlagnahme  ohne  Gewährung  des  Aufschubs  wäre  durchaus  nicht 
gesetzwidrig  gewesen. 

Aber  einstweilen  angenommen,  das  Schiff  sei  ein  gewöhnliches 
Kauffahrteischiff,  so  hätten  doch  die  Verwalter  des  Schiffs,  da  sie  nicht 
hätten  wissen  können,  wann  das  Verbot  der  Abreise  aufgehoben  werden 

237 


Abschnitt  VI^s  Prisengerichtsentscheidungen:  „Bobiik'^ 

würde,  die  Vorbereitungen  für  dieselbe  fortsetzen  müssen.  Sie  hätten 
dieselben  indes  ohne  Grund  eingestellt  und  auch,  als  die  Abreise  wieder 
freigestellt  war,  obwohl  hinreichend  Zeit  vorhanden  gewesen  sei,  nicht 
wieder  aufgenommen.  Das  Nichtvorhandensein  einer  Mannschaft,  der 
Ort  der  Ariheuerung  einer  solchen  und  dergleichen  die  Vollendung 
der  Reisevorbereitungen  beeinflussenden  Tatumstände  seien  bei  der  An- 
Wendung  der  Verordnung  nicht  zu  berücksichtigen. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 
1.  Es  ist  von  dem  gegenwärtigen  Völkerrecht  anerkannt,  daß  einer 
kriegführenden  Macht  einseitig  das  Recht  zusteht,  feindliche  Handels- 
schiffe aufzubringen,  und  zwischen  Japan  und  Rußland  besteht  kein  Ab- 
kommen darüber,  daß  im  Kriegsfalle  zwischen  ihnen  gegenseitig  See- 
prisen nicht  gemacht  werden  sollen.  Daher  hat  jedes  der  beiden  Länder 
Seeprisenbestimmungen  erlassen  und  in  denselben  die  Regeln  bei  Auf- 
bringung feindlicher  Handelsschiffe  und  sonstigen  Privateigentums  klar 
aufgestellt. 

Auch  die  von  dem  Beruf ungsreklamanten  zur  Unterstützung  seiner 
Behauptungen  angeführten  Beispiele  des  italienischen  Seehandelsgesetz- 
buchs, des  Vorgangs  des  preußisch-österreichisch-italienischen  Krieges 
und  des  amerikanisch-italienischen  Vertrages  tun  nicht  dar,  daß  diese 
Gesetze  oder  Verträge  die  völkerrechtliche  Gewohnheit,  im  Kriege  feind- 
liches Privateigentum  zur  See  aufzubringen,  gänzlich  abschaffen  wollten. 
Alle  diese  Gesetzes-  und  Vertragsbestimmungen  fordern  vielmehr  zur 
Schonung  feindlichen  Privateigentums  zur  See  seitens  des  einen  Staats^ 
daß  auch  der  andere  das  Privateigentum  des  einen  zur  See  nicht  mit 
Beschlag  belegen  dürfe.  Wenn  auch  in  dem  französisch-preußischen 
Kriege  Preußen,  ohne  diese  Bedingung  zu  stellen,  zuerst  seine  Absicht, 
französisches  Privateigentum  zur  See  nicht  zu  verletzen,  bekannt  gegeben 
hat,  so  ist  doch  Frankreich  diesem  Beispiel  nicht  gefolgt,  sondern  hat 
sich  unverändert  an  die  bisherigen  Völkerrechtsgebräuche  gehalten,  so 
daß  auch  Preußen  nach  kurzem  seine  anfängliche  Absicht  aufgab  und 
wieder  zu  der  Beschlagnahme  feindlichen  Privateigentums  zur  See  zu- 
rückkehrte. Die  von  dem  Reklamanten  für  das  Prinzip  der  Unverletz- 
lichkeit feindlichen  Privateigentums  zur  See  angeführten  Tatsachen 
können  daher  nicht  beweisen,  daß  dies  Prinzip  von  den  Mächten  als 
Gewohnheit  des  gegenwärtigen  Völkerrechts  respektiert  wird.  Ein  Prisen- 
gericht hat  aber  die  Pflicht,  bei  Entscheidung  über  Rechtmäßigkeit 
oder  Unrechtmäßigkeit  einer  Seeprise  den  völkerrechtlichen  Vorschriften 
und  Gewohnheiten  sowie  den  gesetzlichen  Bestimmungen  seines  eigenen 
Landes  zu  folgen.  Wenn  daher  auch  die  Befolgung  des  Prinzips  der 
Unverletzbarkeit  des  feindlichen  Privatvermögens  in  gleicher  Weise  wie 
auf  dem  Lande  so  auch  für  Güter  zur  See  nach  der  öffentlichen 
Meinung  der  Welt  den   Prinzipien   der   Hamunität  entsprechen   mag, 

238 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Bobrik'^  Abschnitt  VI^' 

so  ist  doch  dieser  Grundsatz  zwischen  den  jetzt  Krieg  führenden 
Mächten  nicht  vertragsmäßig  festgelegt  worden.  Daher  ist  es  selbst- 
redend für  das  Prisengericht  pflichtgemäß  unmöglich,  nach  diesem 
Grundsatz,  der  weder  von  den  Mächten  anerkannt  ist,  noch  auch  den 
Bestimmungen  und  Gewohnheiten  des  Völkerrechts  und  den  Gesetzen 
des  eigenen  Landes  entspricht,  über  die  Frage  der  Rechtmäßigkeit  dieser 
Prise  zu  entscheiden.  So  hat  auch  das  Prisengericht  zu  Yokosuka 
zutreffend  dargetan,  daß  der  Grundsatz,  feindliches  Privatvermögen  im 
Kriege  nicht  zu  verletzen,  mit  Bezug  auf  Güter  zur  See  gegenwärtig 
von  den  seitens  der  Mächte  anerkannten  völkerrechtlichen  Grundsätzen 
und  Gewohnheiten  verneint  würde,  und  daß  auch  die  japanische  Prisen- 
ordnung grundsätzlich  auf  demselben  Standpunkt  stehe.  Daher  ist 
die  Entscheidung,  daß  die  '  Beschlagnahme  des  zur  Verhandlung 
stehenden  Segelschiffs  „Bobrik"  rechtmäßig  sei,  zutreffend. 

2.  Was  den  Charakter  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs 
angeht,  so  kann  derselbe  Veranlassung  zu  Meinungsverschiedenheiten 
geben.  Aber  selbst  wenn  man  annimmt,  daß  es  ein  Handelsschiff 
ist,  auf  w^elches  die  Kaiserliche  Verordnung  Nr.  20  vom  9.  Februar 
1904  Anwendung  finden  muß,  so  ist  doch  das  Urteil  erster  Instanz 
nicht  unzutreffend.  Denn  wenn  bei  Anfang  eines  Krieges  eine  der 
kriegführenden  Parteien  unter  Festsetzung  einer  angemessenen  Frist  den 
feindlichen  Schiffen  Befehl  erteilt,  vor  Ablauf  dieser  Frist  ihre  Ge- 
wässer zu  verlassen,  so  steht  es  außer  Zweifel,  daß  die  Personen,  welche 
diesen  Befehl  erhalten,  ohne  Verzug  die  nötigen  Vorbereitungen  zur 
Abfahrt  treffen  müssen  und  auch  nicht  die  geringste  Versäumnis  begehen 
dürfen.  Wenn  daher  der  Kommandant  der  „Takao"  auch  plötzlich 
die  Abreise  verboten  hatte,  so  war  doch  sicher  kein  Grund  vorhanden, 
die  Reisevorbereitungen  zu  unterbrechen,  weil  man  doch  nicht  wissen 
konnte,  wann  dieses  Verbot  wieder  aufgehoben  werden  würde.  Auch 
war,  nachdem  der  Kommandant  der  „Takao"  am  13.  Februar,  Q  Uhr 
vormittags,  den  Befehl,  nicht  abzureisen,  wieder  aufgehoben  hatte,  bis 
zum  Ablauf  der  Frist  noch  hinreichend  Zeit  vorhanden,  um  die  nötigen 
Vorbereitungen  zu  vollenden.  Da  aber  die  Agentur  des  Schiffseigen- 
lümers  diese  Vorbereitungen  zu  treffen  verabsäumte,  so  war  schließ- 
lich das  Resultat,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  vor  Ablauf 
der  Frist  nicht  abfahren  konnte  und  am  Ende  beschlagnahmt  wurde. 

Da  die  Beschlagnahme  nach  Ablauf  der  Abfahrtsfrist  am  17.  Februar 
erfolgt  ist,  so  ist  sie  durchaus  rechtmäßig,  und  auf  ihren  Rechtsbestand 
kann  die  Tatsache,  daß  vor  Ablauf  der  Frist  die  Abfahrt  «einmal  ver- 
boten wurde,  keinen  Einfluß  ausüben.  Der  dem  Urteil  erster  Instanz 
gemachte  Vorwurf,  welcher  die  obigen  Tatsachen  nicht  in  Rücksicht 
zieht,  ist  daher  nicht  zutreffend,  und  es  wird,,  wie  folgt,  entschieden: 

23^ 


Abschnitt  VI^<  Prlsengerichtsentscheidungen :  „Juliade". 

Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  Q.  Dezember  1904  im  Oberprisengericht. 
(Unterschriften.) 


Reklamant:    Der  russische  Staatsangehörige  M.  Q  i  n  s  b  u  r  g. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Sawada  Shunzo,  wohnhaft 
Regierungsbezirk  Kanagawa,  Yokohama,  Yamashitacho  Nr.  79. 

In  Sachen  der  Beschlagnahme  des  russischen  Dampfers  „Juliade" 
wird,  wie  folgt,  entschieden. 

Urteilsformel: 
Der  Dampfer  „Juliade"  wird  eingezogen. 

Tatbestand  und  Gründe: 
Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „Juliade"  ist  Eigentum 
des  russischen  Staatsangehörigen  G  i  n  s  b  u  r  g ,  führt  die  russische 
Handelsflagge  und  dient  zum  Verkehr  im  Hafen  von  Nagasaki.  Der 
Eigentümer  G  i  n  s  b  u  r  g  ist  Lieferant  der  russischen  Armee  und  Marine 
und  hat  in  verschiedenen  Plätzen  Ostasiens  Handelsniederlassungen. 
Da  im  Dezember  1903  der  Ausbruch  des  Krieges  zwischen  Japan  und 
Rußland  bevorstand,  verließ  Qinsburg  Nagasaki  und  zog  sich  nach 
Dalni  zurück.  Seitdem  befand  sich  der  genannte  Dampfer  in  Auf- 
bewahrung des  Prokuristen  der  Firma  Ginsburg  &  Co.,  des  eng- 
lischen Untertanen  Dow.  Am  17.  Februar  1904,  vormittags  11  Uhr, 
wurde  er  von  dem  Kaiserlich  Japanischen  Kriegsschiff  „Katsuragi"  mit 
Beschlag  belegt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Kommandanten  der  „Katsuragi",  Sakamoto  Soshichi,  das  Proto- 
koll und  die  Bescheinigung  des  Vertreters  des  Kommandanten,  Marine- 
leutnants  YoshiMasune,  über  die  Beschlagnahme,  das  Schiffsklassen- 
zertifikat erster  Klasse  des  beschlagnahmten  Schiffes,  ein  Schreiben  des 
Chefs  der  Polizeistation  Umegasaki  in  Nagasaki,  Polizeihauptmanns 
leguchi  Minekichi,  die  Vernehmungsprotokolle  des  früheren 
Führers  des  beschlagnahmten  Schiffes,  Uwotani  Kanekichi  und 
des   Marineleutnants  Yoshi  Masune. 

Der  Prozeßvertreter  des  Reklamanten  macht  dagegen  hauptsäch- 
lich folgendes  geltend: 

1.  Das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  sei  von  der  Firma  G  i n s- 

240 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Juliade''.  Abschnitt  VI^^ 

bürg  im  Hafen  von  Nagasaki  zum  Verkehr  auf  den  mit  ihr  in  Ge- 
schäftsverbindung stehenden  ausländischen  und  inländischen  Schiffen 
und  zur  Vermittlung  des  Verkehrs  der  Passagiere  derselben  gebraucht 
\iorden  und  diene  nicht  zu  überseeischer  Fahrt. 

2.  Es  habe  keine  Kriegskonterbande  an  Bord  gehabt  and  gegen 
Japan  keinerlei  feindliche  Handlungen  begangen. 

Daher  werde  die  Freilassung  des  Schiffes  beantragt. 

Der  Staatsanwalt  erklärt  dagegen,  daß  die  Anführungen  des  Ver- 
treters des  Reklamanten  sämtlich  grundlos  seien  und  daß  er  beantrage, 
das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  für  gute  Prise  zu  erklären  und  ein- 
zuziehen. 

Das  Gericht  ist  der  folgenden  Ansicht: 

Der  Eigentümer  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes,  der 
russische  Staatsangehörige  G  i  n  s  b  u  r  g ,  hat  freilich  in  Japan  eine  ge- 
werbliche Niederlassung  gehabt,  er  hat  aber  in  Voraussicht  des  Aus- 
bruchs des  Krieges  zwischen  Japan  und  Rußland  sich  im  Dezember 
1W3  von  Japan  nach  Dalni  zurückgezogen.  Nach  dem  Völkerrecht 
ist  er  eine  feindliche  Person,  ^)  und  sein  Schiff  ein  feindliches  Schiff. 
Auch  die  Tatsache,  daß  das  genannte  Schiff  die  russische  Handels- 
flagge  führt,    beweist   seinen    unzweifelhaft   feindlichen    Charakter. 

Gleichviel,  ob  es  zum  Hafenverkehr  oder  zum  Überseeverkehr 
dient,  ob  es  Konterbande  an  Bord  hat  und  ob  es  zu  feindseligen 
Handlungen  gebraucht  worden  ist  oder  nicht:  ein  feindliches  Schiff 
kann  zu  Kriegszeiten  an  jedem,  nicht  neutralen  Ort  mit  Recht  beschlag- 
nahmt werden.  2)  Daher  ist  die  nach  Fintritt  des  Kriegszustands  zwi- 
schen Japan  und  Rußland  ausgeführte  Beschlagnahme  des  zur  Ver- 
handlung, stehenden  Dampfers  gesetzmäßig  geschehen  und  derselbe 
ist  einzuziehen.  8) 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Am  26.  Mai  1904  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Beisein  des 
Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurokuro. 

(Unterschriften.) 


*)  Dies  erscheint  im  Hinbliclc  auf  §  4  der  Seeprisenordnung  (V)  schief.  Das 
Schiff  ist  feindlich  nach  §  6,  2»  d.  h.,  weil  es  die  feindliche  Flagge  führt.  Der  Eigen- 
tümer hatte  auch  zur  Zeit  der  Aufbringung,  obwohl  er  persönlich  verzogen  wacy  offen- 
bar seine  geschäftliche  Niederlassung  nicht  aufgegeben.  Denn  das  Boot  war,  wie  der 
Tatbestand  oben  angibt,  in  Verwahrung  seines  Prokuristen.  Er  mußte  also  bezüglich 
des  Charakters  seines  Schiffs  als  eine  Person  von  neutraler  Landeszugehörigkeit  an- 
geschen werden. 

2;  V.  §  35.  —  3)  V.  §  40. 

Marstrand-Mcchlenburg:,  Das  japanische  Priaenrecbt.    Band  I.      (16)  --'^' 


Abschnitt  VI  ^5  Prisengerichtsentscheidungen:  „Manchurla''. 

Reklamant:  Die  ostchinesische  Kisenbahngesellschaft  in  St. 
Petersburg,   Rußland,   vertreten   durch   den   Vizepräsidenten  Wenzel. 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  Nagashima  Washitaro, 
Tokio,  Kyobashiku,  Kagacho  Nr.  10. 

Am  26.  Mai  1Q04  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der  Prisen- 
sache betreffend  den  am  17.  Februar  1904  im  Hafen  von  Nagasaki 
von  dem  Kaiserlich  Japanischen  Kriegsschiff  „Katsuragi"  beschlagnahmten 
russischen  Dampfer  „Manchuria''  ein  Urteil  gefällt,  in  welchem  auf 
Einziehung  desselben  und  der  ihm  zugehörigen  Spirituosen  und 
Nahrungsmittel  erkannt  wird. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  der  Reklamant,  der  Vizepräsident  der 
ostchinesischen  Eisenbahngesellschaft,  Wenzel,  durch  den  Rechts- 
anwalt Nagashima  Washitaro  als  Prozeßvertreter  die  Berufung 
eingelegt,  welche  im  Oberprisengericht  im  Beisein  des  Staatsanwalts 
Tsutsuki  Keiroku  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptberufungspunkte  des  Vertreters  der  Reklamation  Naga- 
shima Washitaro  und  deren  Begründung  sind  folgende : 

Das  Urteil  erster  Instanz  habe  zugegeben,  daß  die  Beschlagnahme 
des  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfers  während  seiner  Reparatur 
bei  der  Mitsu  Bishi  Dockgesellschaft  in  Nagasaki  geschehen  sei.  Wenn 
dem  aber  so  sei,  so  sei  der  Fall  anders  wie  bei  Schiffen,  die  sich 
schlechthin  in  Gebietsgewässern  oder  auf  hoher  See  befänden.  Denn 
das  Schiff  habe  sich  im  Besitz  eines  japanischen  Staatsangehörigen 
befunden  und  verliere  damit  die  Eigenschaften,  welche  die  Aufbringung 
rechtfertigen  würden. 

Da  ferner  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  zur  Zeit  der 
Veröffentlichung  der  Kaiserlichen  Verordnung  Nr.  20  vom  Jahre  1904 
in  jeder  Beziehung  nicht  reisefähig  gewesen  sei,  so  hätte  es  nicht, 
weil  die  Frist  abgelaufen  gewesen  sei,  beschlagnahmt  werden  dürfen. 

Es  werde  daher  Verwerfung  des  Urteils  erster  Instanz  und  Frei- 
gabe des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  und  seiner  Ladung  be- 
antragt. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  heim  Prisen- 
gericht zu  Sasebo,  Hayashi  Ei j  uro,  sind  folgende: 

Die  Berufung  sei  in  allen  Punkten  unhaltbar.  Die  Beschlagnahme 
des  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfers  und  seiner  Ladung  erfülle 
alle  Bedingungen,  die  zur  rechtlichen  Gültigkeit  einer  Beschlagnahme  zur 
See  erforderlich  seien.  Demnach  sei  das  Urteil  erster  Instanz,  welches 
dieselbe  gutheiße  und  auf  Einziehung  der  Prise  erkenne,  unanfechtbar. 
Die  Berufung  müsse  daher  abgewiesen  werden. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

Die  Berufungsbegründung  macht  geltend,  daß  das  zur  Verhandlung 

244 


Prisengerichtsentscheidungen:  ^Manchuria".  Abschnitt  VI^' 

stehende  Schiff  zur  Zeit  der  Beschlagnahme  bei  der  Mitsu  Bishi  Dock- 
ijeselkchaft  in  Reparatur  gewesen  sei.  Damit,  daß  es  sich  so  im  Besitz 
eines  japanischen  Staatsangehörigen  befunden  habe,  gestalte  sich  der 
hall  ganz  verschieden  von  solchen  Fällen,  wo  Schiffe  sich  schlechthin 
in  Oebietsgewässern  oder  auf  offener  See  befänden;  denn  das  Schiff 
\ ediere  danvit  die  Eigenschaften,  die  seine  Aufbringung  rechtfertigen 
\curden- 

Da  ferner  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  zur  Zeit  der  Ver- 
öffentlichung der  Kaiserlichen  Verordnung  Nr.  20  vom  Jahre  1904 
in  jeder  Beziehung  nicht  zur  Reise  fähig  gewesen  sei,  so  hätte  es  nicht, 
^eil  die  Abfahrtsfrist  abgelaufen  gewesen  sei,  beschlagnahmt  werden 
dürfen. 

Die  Tatsache,  daß  ein  Schiff  sich  in  Reparatur  befindet,  ist  aber 
kein  Grund,  weshalb  es  die  Eigenschaften  verlieren  sollte,  gegen  die 
>icli  die  Beschlagnahme  richtet.  Auch  hat  bei  Gütern  mit  feindlichem 
Charakter  die  Erage,  wer  der  Besitzer  ist,  keinerlei  Einfluß  auf  die 
Beschlagnahme. 

Was  ferner  die  Tatsache  angeht,  daß  das  Schiff  zur  Zeit  der  Auf- 
bringung nicht  reisefähig  war,  so  kann  diese  kein  Hindernis  für  die 
Anxcendung  der  prisenrechtlichen  Grundsätze  bilden.  Auf  Grund  be- 
stehendei  Praxis  ist  die  erwähnte  Kaiserliche  Verordnung  erlassen 
ttorden,  welche  ausnahmsweise  feindliche  Handelsschiffe  für  ^ine  be- 
Ntimmte  Erist  von  der  Aufbringung  befreit.  Aber  auch  in  dieser  Kaiser- 
lichen Verordnung  findet  sich  keine  Bestimmung,  nach  welcher  zu- 
^^unsten  von  reiseunfähigen  Schiffen  eine  Ausnahme  von  der  festgesetzten 
(inadenfrist  gemacht  werden  könne.  Daher  konnte  dem  zur  Ver- 
handlung stehenden  Schiff  die  Vergünstigung  der  Befreiung  über  die 
in  der  Kaiserlichen  Verordnung  festgesetzte  Erist  hinaus  nicht  gewährt 
Mierden 

Demnach  hat  das  Gericht  erster  Instanz  zu  Recht  auf  Einziehung 
des  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfers  und  der  ihm  zugehörigen 
>pirituosen  und  Nahrungsmittel  erkannt  und  die  Berufung  ist  un- 
becrründet. 

¥s  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden : 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Im  Oberprisengericht  am  4.  Eebruar   1905. 

(Unterschriften.) 


245 


Abschnitt  VII*  Prisengerichtsentscheidungen:  MThalia*'. 

In  der  Prisensache  betreffend  den  am  13.  April  1904  in  Hakodate 
von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Takao"  beschlagnahmten  Dampfer 
,,Thalia''  wird  nach  Beendigung  der  Untersuchung,  vc'ie  folgt,  ent- 
schieden. 

Urtei  Isf  or  mel: 

Ks  wird  auf  Einziehung  des  Dampfers  „Thalia"  erkannt. 

Tatbestand  und  Gründe: 

Der  Dampfer  „Thalia"  steht  im  Eigentum  der  Kamtschatka  Handels- 
ünd  Industriegesellschaft  in  St.  Petersburg,  Rußland,  und  dient  zur 
Seeschiffahrt.  Er  wurde,  als  er  gemäß  Auftrags  des  Direktors  der 
genannten  Gesellschaft,  Barons  M.  Bruggen,  bei  der  Hakodate  Dock 
Aktiengesellschaft  im  Hafen  von  Hakodate  in  der  Nähe  des  in  der  An- 
lage der  Gesellschaft  befindlichen  Hellings  auf  Land  gezogen  und  in 
Reparatur  begriffen  war,  am  13.  April  1904  von  dem  zur  Besatzung 
der  „Takao"  gehörigen  Kapitänleutnant  Tajima  Joji  auf  Befehl  des 
Kommandanten    des   genannten    Kriegsschiffs   mit   Beschlag  belegt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  den  Bericht  des  Kapitän- 
leutnants Tajima  Joji  über  die  Beschlagnahme,  ein  Antwortschreiben 
des  Eachdirektors  der  Dockgesellschaft,  Sonoda  Sanenori,  an  den 
Kommandanten  der  „Takao",  Yashiro  Yoshinori,  ein  Schreiben 
des  Chefs  der  Firma  Howell,  J.  A.  Wilson,  und  den  Bericht  des  mit 
dem  Fall  beauftragten  Prisenrats. 

Die  Hauptpunkte  der  Reklamation  der  Prokuristen  der  Kamtschatka 
Handels-  und  Industriegesellschaft  Alexis  Brogroff  und  Amor 
M  a  n  d  1  sind  folgende : 

Das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  stehe  im  Eigentum  der  ge- 
nannten Gesellschaft  und  sei  auf  dem  Lande  innerhalb  der  Anlage  der 
Hakodate  Dock  Aktiengesellschaft,  in  Reparatur  befindlich,  mit  Beschlag 
belegt  worden.  Das  Recht  der  Beschlagnahme  zur  See  beschränke  sich 
auf  die  offene  See  und  die  Hoheitsgewässer  der  kriegführenden  Staaten. 
Daß  außerhalb  dieser  befindliches  Gut  unverletzlich  sei,  lehrten  nicht 
nur  Gelehrte  wie  Hall,  C  a  1  v  o  und  andere ;  auch  die  japanische 
Prisenordnung  stehe  offenbar  auf  diesem  Standpunkt.  Da  nun  das 
Gebiet  des  Hoheitsgewässers  in  der  Weise  bestimmt  werde,  daß  man 
von  der  Küste  aus  nach  dem  offenen  Meere  zu  eine  gevcisse  Entfernung 
messe  so  könne  man  dasselbe  nicht  über  das  Wassergebiet  hinaus 
ausdehnen  und  nicht  das  Festland  innerhalb  eines  Docks  für  Hoheits- 
gewässer erklären.  Und  selbst  einmal  zugegeben,  daß  das  Seeprisen- 
recht  auch  auf  Bächen,  Flüssen,  Sümpfen  und  Seen,  d.  h.  Stellen,  welche 
außerhalb  des  Seegebiets  lägen,  ausgeübt  vcerden  könne,  so  müsse  es 
dennoch  Schiffe  geben,  welche  sich  außerhalb  dieser  Wasserflächen  be- 
fänden und  auf  welche  die  Seegesetze  keine  Anwendung  finden  würden. 

246 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Thalia".  Abschnitt  VI<* 

Denn  der  Artikel  53,  Absatz  2  des  Haager  Vertrages  i)  spreche  aus, 
daß  es  Schiffe  gebe,  welche  außerhalb  der  Seegesetze  stünden.  Wenn 
dem  so  sei,  dann  müsse  der  erwähnte  Vertrag  mit  den  von  ihm  ge- 
nannten Schiffen  solche  bezeichnen  wollen,  welche,  wie  das  hier  ver- 
handelte, auf  dem  Land  lägen,  so  daß  also  diese,  wie  der  angeführte  Ar- 
tikel sage,  außerhalb  der  Anwendung  des  Seerechts  stünden. 

Die  Frage  ferner,  ob  Güter  zur  See  oder  zum  Lande  gehörten,  be- 
stimme sich  nicht  nach  ihrer  Natur  und  ihrer  Verwendung,  sondern 
müsse  nach  dem  Orte,  an  welchem  sie  sich  zur  Zeit  der  Aufbringung 
befänden,  entschieden  werden.  Wenn  es  im  besonderen  zweifelhaft 
sei.  ob  ein  Gut  zur  See  oder  zum  Lande  gehöre,  müsse  für  dasselbe 
billigerweise  die  Vermutung  gelten,  daß  es  zum  Lande  gehöre,  da 
der  Grundsatz  der  Unverletzlichkeit  feindlichen  Privatvermögens  nach 
der  Tendenz,  welche  das  Völkerrecht  beherrsche,  nach  und  nach  auch 
für  Gut  zur  See  in  Anwendung  kommen  würde. 

Da  der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  wegen  Schadens  nicht 
selber  reisefähig  gewesen  sei,  sondern  als  Transportgut  des  Dampfers 
„Progreß"  gekommen  sei,  so  sei  er  wie  ein  Ladungsstück  zu  betrachten. 

Da  also  der  Ort,  wo  der  Dampfer  beschlagnahmt  worden  sei,  auf 
dem  Lande  sei,  so  müsse  der  Dampfer  seinem  Charakter  nach  als  ein 
zum  Lande  gehöriges  Gut  betrachtet  werden,  und  es  werde  um  seine 
schleunige  Freilassung  gebeten. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Um  ein  Schiff  in  tüchtigem  Zustand  zu  erhalten,  ist  es  bei  den 
modernen  Fahrzeugen  eine  der  unentbehrlichsten  Bedingungen,  daß  das 
Schiff  zu  bestimmten  Zeiten  in  einem  Dock  oder  an  einem  Ort,  der 
unter  diesen  Begriff  fällt,  einer  Reparatur  des  Schiffskörpers  und  einem 
Xeuanstrich  unterzogen  wird.  Da  demnach  ein  Schiff  sich,  wenn  es 
in  einem  Dock  oder  dergleichen  liegt,  in  durchaus  natürlichen  Um- 
ständen befindet,  so  ist  es  sowohl  vom  rechtslogischen  als  vom  tat- 
sächlichen Standpunkt  widersinnig,  behaupten  zu  wollen,  daß  es  durch 
die  Dockung,  wenn  es  auch  damit  für  eine  Zeit  auf  das  feste  Land 
i^erät,  in  derselben  Weise  wie  ein  gewöhnliches  Stück  Gut  bei  der 
Landung  sogleich   seinen   Charakter  als   Seegut  verliere. 

Dementsprechend  macht  die  Gesetzgebung  und  das  Gewohnheits- 
recht keines  Staates  noch  auch  das  Völkerrecht  einen  Unterschied 
zwischen  Schiffen,  die  im  Dock  liegen,  und  solchen,  die  im  Hafen 
^chwimmen.  Rechte  und  Pflichten  mit  Bezug  auf  die  Schiffe  sind  in, 
beiden    Fällen    völlig   dieselben.     Kurz   der   Fall,    daß   ein    Schiff,   wie 

')  Dort  heißt  es:  Eisenbahnmaterial,  Landteiegraphenlinien  einschließlich  der 
Linien,   weiche  Land   und  See   verbinden,   Telephone,    Dampfer  und    andere  Schiffe^ 

welche  nicht  unter  das  Seerecht  fallen, müssen  für  die  Kriegsoperationen  zur 

Verfügung  gestellt  werden. 


Abschnitt  VI"  Prisengerichtsentscheidungen:  „Thalia''. 

üblich,  im  Dock  oder  auf  dem  Helling  liegt,  wird  dem  Fall  gleich  er- 
achtet, daß  es  im  Hafen  liegt,  und  daraus  ergibt  sich  natürlich,  daß  es 
auch  im  ersteren  Falle  zur  Kriegszeit  ein  Objekt  der  Beschlagnahme 
ist.  Derselbe  Gesichtspunkt  der  Notwendigkeit,  nach  welchem  das 
Völkerrecht  das  Seeprisenwesen  gutheißt,  greift  auch  hier  Platz. 

Der  Reklamant  zieht  für  seine  Behauptung,  daß  Schiffe  auf  dem 
Lande  nicht  beschlagnahmt  vcerden  können,  die  Bestimmung  des  Ar- 
tikels 53,  Absatz  2,  des  Haager  Vertrags  an.  Aber  darin  wird  von 
„Dampfern  und  anderen  Schiffen,  welche  nicht  unter  der  Herrschaft 
der  Seegesetze  stehen",  gesprochen.  Diese  Bestimmung  handelt  also 
nicht  von  Schiffen,  auf  die  die  Seegesetze  Anwendung  finden.  Daher 
bezieht  sie  sich  nicht  auf  ein  Schiff  wie  das  vorliegende,  welches  sich  an 
einem  der  See  gleichzuerachtenden  Ort  befindet  und  daher  den  See- 
gesetzen   untersteht. 

Der  Reklamant  behauptet,  der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer 
müsse,  weil  er  einmal  auf  einem  Schiff  verladen  worden  sei,  als  Ladungs- 
gut behandelt  werden.  Fs  ist  aber  ganz  selbstverständlich,  daß  man 
ihn,  nachdem  er  wieder  abgeladen  und  in  die  ihm  als  Schiff  eigen- 
tümlichen Verhältnisse  zurückgekehrt  ist,  nicht  mehr  als  Ladungsgut 
behandeln  kann. 

Man  kann  daher,  wenn  auch  der  zur  Verhandlung  stehende 
Dampfer  auf  dem  Lande  bei  dem  Helling  in  der  Anlage  der  Hakodate 
Dock  Aktiengesellschaft  aufgebracht  worden  ist,  nicht  behaupten,  daß 
der  Ort  der  Aufbringung  nicht  unter  der  Herrschaft  des  Seerechts 
stehe,  oder  daß  das  Schiff  ein  zum  Lande  gehöriges  Out  sei. 

Demnach  ist  die  von  dem  Kommandanten  der  „Takao"  aus- 
geführte Beschlagnahme  zu  Recht  geschehen  -)  und  der  Dampfer  „Thalia" 
ist  einzuziehen.  ^) 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  8.  August  1904  im  Prisengericht  zu  Yokosuka  im 
Beisein   des   Staatsanwalts   Yanagita   Kunio. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Die  Kamtschatka  Handels-  und  Industriegesellschaft 
in  St.  Petersburg,  vertreten  durch  die  Prokuristen  Alexis  Brosroff 
und  Amor  Mandl. 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  Qorai  Kinzo,  Tokio,  Koji- 
machiku,  Fujimicho  Shichome  Nr.  4,  bei  Kawamoto  Jujiro. 

Am  8.  August  1904  hat  das  Prisengericht  zu  Yokosuka  in  der  Prisen- 
sachc  betreffend  den  am   13.  Apnil  1904  im  Hafen  von  Hakodate  von 

'')  V.  §  2  und  35.  —  '0  V.  §  40. 

248 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Thalia".  Abschnitt  Vl^f 

dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  ,,Takao"  beschlagnahmten,  der  Kamt- 
schatka Handels-  und  Industriegesellschaft  in  St.  Petersburg  gehörigen 
Dampfer  „Thalia"  ein  Urteil  gefällt,  in  welchem  auf  Einziehung  des- 
selben erkannt  worden  ist.  Gegen  dieses  Urteil  haben  die  Prokuristen 
der  genannten  Firma,  Alexis  Brosroff  und  Amor  Mandl,  durch 
den  Rechtsanwalt  Oorai  Kinzo  als  Prozeßvertreter  die  Berufung  ein- 
<;elegt.  welche  im  Beisein  der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku  und 
Ishiwatari    Binichi    beim   Oberprisengericht   geprüft   worden   ist. 

Die  Hauptberufungspunkte  des  Vertreters  der  Reklamation, 
Oorai  Kinzo,  sind  folgende: 

Das  Urteil  des  Prisengerichts  in  Yokosuka,  welches  auf  Einziehung 
des  Dampfers  „Thalia"  erkenne,  sei  widerrechtlich,  und  es  werde  aus 
folgenden  Gründen  Freilassung  des  genannten  Dampfers  beantragt. 


Im   Urteil  erster  Instanz  heiße  es: 

Da  ein  Schiff  sich,  wenn  es  in  einem  Dock  oder  dergleichen 
liege,  in  durchaus  natürlichen   Umständen   befinde,  so  sei 
es  sowohl  vom  rechtslogischen  als  vom  tatsächlichen  Stand- 
punkt widersinnig,  behaupten  zu  wollen,  daß  es  durch  die 
Dockung,  wenn  es  auch  damit  für  eine  Zeit  auf  das  Land 
geriete,    in    derselben    Weise    wie    ein    gewöhnliches    Stück 
Ladung  bei  der  Landung  sogleich  seinen  Charakter  als  See- 
gut verliere. 
Diese   Ausführungen   stützten  sich   lediglich   auf  die  Schiffsnatur 
des  Dampfers  „Thalia",  ohne  zu  berücksichtigen,  daß  die  Beschlagnahme 
an  dem   fraglichen   Orte  unzulässig  gewesen  sei.     Sie  stehe   mit   dem 
fundamentalen  Grundsatz,  daß  eine  Seebeschlagnahme  nur  in  Gebiets- 
i^evässer  oder  auf  offener  See  ausgeführt  werden  könne,  in  Widerspruch 
und  sei,   wie   nachstehend   erörtert,   unrechtmäßig. 

1.    Im  §  2  der  japanischen  Seeprisenordnung  heiße  es, 

daß  die  Visitierung,  die  Durchsuchung  und  die  Beschlag- 
nahme nicht  stattfinden  dürfe  in  einem  neutralen  Hoheits- 
gewässer  oder   in    Gewässern,   welche   durch    Vertrag   aus- 
drücklich als  außerhalb  des  Kriegsgebiets  belegen  bezeichnet 
seien. 
Daß  hierin  mit  keinem  Worte  erwähnt  sei,  daß  diese  Handlungen 
Mch  nicht  auch  auf  das  feste  Land  ausdehnen  dürften,  sei  lediglich  darin 
begründet,   daß  es  selbstverständlich  sei,   daß  das  Beschlagnahmerecht 
auf  dem   Lande  nicht  ausgeübt  werden  dürfe  und  daß  demnach  kein 
Bedürfnis   vorliege,   dieses  besonders  auszunehmen.     Weil   daher  nach 
üeni  Sinn  der  angeführten  Bestimmung  eine  Beschlagnahme  außerhalb 
des  Wassergebiets  ausgeübt  vierden  dürfe,  so  sei  die  zur  Verhandlung 

249 


Abschnitt  VI^*  Prisengerichtsentscheidungen:  „Thalia''. 

stehende  Beschlagnahme  eine  Verletzung  des  in  der  japanischen  Prisen- 
ordnung niedergelegten  Landesrechts. 

II.  In  dem  Artikel  23,  g  und  Artikel  46  des  am  21.  November 
IQOO  veröffentlichten  Haager  Vertrags  sei  bestimmt,  daß  feindliches 
Privateigentum  nicht  willkürlich  beschlagnahmt  und  eingezogen  werden 
könne.  Damit  sei  der  sogenannte  Grundsatz  der  Unverletzlichkeit  feind- 
lichen Privatvermögens  anerkannt.  Da  in  diesen  Bestimmungen  keine 
Beschränkungen  nach  Art  des  Vermögens  aufgestellt  seien,  so  wider- 
spreche es  ihrem   Sinn,   wenn   man   Schiffe  davon   ausnehme. 

Ausdrücklich  spreche  auch  Artikel  53,  Absatz  2  des  genannten 
Vertrages  von  Schiffen,  die  außerhalb  des  Seerechts  stünden.  Nach 
diesen  Worten  müsse  daher  der  Grundsatz  der  Unverletzlichkeit  auch 
auf  Schiffe,  soweit  sie  sich  außerhalb  des  Bereichs  der  Ausübung  des 
Seeprisenrechts  befänden,   zur  Anwendung  kommen. 

Das  weiter  in  dem  genannten  Artikel,  Absatz  2  vorkommende 
Wort  „Landtelegraphen"  schließe  in  seinen  Sinn  auch  die  über  Land 
gehenden  Teile  von  Seekabeln  ein.  Das  heiße  also,  daß  auch  See- 
gut, sobald  es  ans  Land  komme,  als  Gut  auf  dem  Lande  betrachtet 
und  als  solches  geschützt  werde. 

Daher  verstoße  die  zur  Verhandlung  stehende  Beschlagnahme  i^egeii 
den   Haager  Vertrag,   welchem   Japan   beigetreten  sei. 

III.  Die  Beschlagnahme  der  „Thalia"  auf  dem  festen  Lande  verletze 
auch  das  Völkerrecht. 

a)  Das  Urteil  erster   Instanz  vertrete  die  Ansicht, 

daß  Schiffe,  welche  zwecks  Reparaturen  oder  derart  in  Docks 
oder  dergleichen  lägen,  damit  ihren  Charakter  als  Seegut 
nicht  verlören  und  daher  der  Beschlagnahme  nicht  entgehen 
könnten. 

Aber  Schiffe,  welche  in  neutralem  Hoheitsvcasser  oder  in  vertrags- 
mäßig außerhalb  des  Kriegsgebiets  liegenden  Gewässern  befindlich  seien, 
behielten  doch  auch  ihren  Charakter  als  Schiffe,  und  der  Grund,  \i;es- 
halb  sie  nicht  beschlagnahmt  werden  dürften,  sei  der,  daß  diese  Hoheits- 
bzw, durch  Vertrag  ausgenommenen  Gewässer  völkerrechtlich  un- 
verletzlich seien. 

Das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  habe  zur  Zeit  der  Beschlag- 
nahme bei  einem  Dock  auf  Land  gelegen,  und  Privateigentum  zu  Lande 
sei  unverletzlich.  Man  könne  wohl  nicht  behaupten  wollen,  daß  das 
Land  bei  einem  Dock  noch  Wassergebiet  sei,  und,  weil  demnach  auf 
dem  Lande  befindlich,  könne  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  ebenso 
wenig  wie  Schiffe,  die  sich  in  den  oben  ervcähnten  Hoheitsgewässern 
bzvc*.  vertraglich  neutralisierten  Gewässern  befänden,  zur  Prise  gemacht 
werden.  Das  Urteil  erster  Instanz  argumentiere  aber  lediglich  damit, 
daß  ein  Schiff  seiner  Natur  nach  Seegut  sei,  und  gehe  auf  die  Streit- 

250 


PriMugerichtMiitscbeidungen:  „Thalia**.  Abschnitt  VI^* 

frage  nach  dem   Gebiet,   in   welchem   Seeprisenrecht   zur   Anwendung 
kommen  könne,  mit  keinem  Worte  ein.    Daher  sei  es  rechtswidrig. 

b)  Eine  große  Anzahl  von  Völkerrechtsgelehrten  halte  die  Beschlag- 
nahme auf  dem   Lande  für  unzulässig.     Hall  sage: 

Güter  des  Feindes,  welcher  ein  kriegführender  Staat  in  seinem 
Gebiet  vorfinde,  dürften,  sofern  sie  nicht  nach   Eröffnung 
des  Krieges  in  seine  Gebietsgewässer  kämen,  nicht  eingezogen 
werden ; 
iM  a  s  s  e  sage : 

Unter  den  zivilisierten  Staaten  schütze  man  auf  dem  Lande 
die  nichtkämpfenden  Personen  und  das  Privateigentum  nach 
Möglichkeit,  aber  auf  der  See  sei  man  zu  dem  barbarischen 
Zustand  zurückgekehrt,  feindliche  Privatpersonen,  Fahrzeuge 
und  Güter  aufzubringen; 
R  i  v  i  e  r  sage : 

Die    Kriegführenden    hätten    das   Recht,   feindliches   Privat- 
vermögen, welches  auf  der  See  schwimme,  mit  Beschlag  zu 
belegen  ; 
Charles  de  Boek  sage : 

Feindliches  Privateigentum   unter  feindlicher  Flagge   könne 
auf  der  offenen  See  und  in  den  Gebietsgewässern  der  krieg- 
führenden Staaten  aufgebracht  werden. 
Das  Gewicht  dieser  Ansicht  lasse  sich  daraus  erkennen,  daß  der 
Artikel  8  der  Beschlüsse  des  internationalen  Völkerrechtskongresses  vom 
Jahre  1882  über  das  Seeprisenwesen  der  allgemeinen  Ansicht  der  Ge- 
lehrten  aller  Länder  den   einheitlichen   Ausdruck  gegeben   habe,   daß 
die  Seebeschlagnahme  auf  das  Wasser  zu  beschränken  sei. 

Daß  das  Beschlagnahmerecht  nicht  bis  auf  das  Land  bei  einem 
Dock  erstreckt  werden  dürfe,  sei  demnach  die  fast  unbestrittene  An- 
sicht der  Wissenschaft,  und  daher  müsse  die  Beschlagnahme  des  zur 
Verhandlung  stehenden  Schiffs  schließlich  auch  vom  wissenschaftlichen 
Standpunkt   aus   verworfen   werden. 

c)  Das  Urteil  erster  Instanz  behaupte,  daß  eine  Beschlagnahme 
auf  dem  Lande,  wie  die  bei  dem  Dock  an  der  „Thalia"  vollzogene, 
nach  demselben  Gesichtspunkt  der  Notwendigkeit,  aus  welchem  das 
Völkerrecht  das  Seeprisenrecht  anerkenne,  gerechtfertigt  sei.  Kine  der- 
artigt Geltendmachung  des  für  Seeprisen  geltenden  Gesichtspunktes  bei 
einer  Beschlagnahme  eines  Schiffes  auf  dem  Lande  sei  indes  nicht 
nur  an  und  für  sich  widersinnig;  diese  Beschlagnahme  stehe  vielmehr 
auch  direkt  im  Gegensatz  zu  dem  grundsätzlichen  Unterschied,  der 
in  der  Behandlung  des  Privateigentums  im  Landkrieg  und  im  See- 
krieg gemacht  würde. 

Die  Gründe,   weshalb   man   im   Gegensatz   zu   dem   Schutze   des 

251 


Abschnitt  VI^<  Prisengerichtsentscheidungen:  „Thalia"« 

Privateigentums  zu  Lande  die  Aufbringung  des  Privateigentums  zur 
See  für  notwendig  halte,  seien  mannigfach,  doch  im  wesentlichen  fol- 
gende: 

1.  Pradier-F ödere  gebe  als  Grund  für  die  Beschlagnahnae  der 
in  den  Häfen  eines  kriegführenden  Staats  befindlichen  feindlichen 
Schiffe  an,  daß 

der  Staat  bezüglich  solchen  in  seinen  Häfen  oder  sonstigen 
Gewässern  schwimmenden  Guts  nicht  wie  bei  Gut,  das  sich 
auf  dem  Lande  befinde,  in  der  Lage  sei,  seine  Gesetze  un- 
eingeschränkt in  Anwendung  zu  setzen,  es  seiner  Kontrolle  zu 
unterziehen  oder  ihm  seinen  Schutz  zu  gewähren. 

Wenn  dies  der  Grund  sei,  weshalb  man  Schiffe  zu  Prisen  machen  könne, 
so  entbehre  die  auf  dem  festen  Land  bei  einem  Dock  ausgeführte  Be- 
schlagnahme des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  der  Begründung. 
Denn  dies  feste  Land  sei  von  dem  Wassergebiet  eines  Hafens  ver- 
schieden und  dem  Staat  seien  dort  für  die  Anwendung  seiner  Ge- 
setze und  die  Ausübung  seiner  Kontrollgewalt  keinerlei  Schranken  ge- 
setzt. 

2.  Hautefeuille  erkläre  die  Gründe  für  die  Unverletzlichkeit 
des  Privateigentums  zu  Lande  einerseits  und  für  das  Prisenrecht  an 
Privateigentum  zur  See  andrerseits,  indem  er  sage,  daß 

im  Landkrieg  ein  Staat  den  Feind  hinreichend  des  Nutzens 
des  öffentlichen  und  privaten  Figentums  beraube,  wenn  er 
sein  Gebiet  besetze.  Auf  der  See  indes  gebe  es,  um  den 
Feind  zu  schädigen,  nur  das  eine  Mittel  der  Einziehung  feind- 
lichen Privatvermögens.  Durch  diese  werde  der  Feind  des 
Nutzens,  der  ihm  aus  solchem  Vermögen  entspringe,  beraubt, 
während,  wenn  man  Schiffe  und  deren  Ladungen  frei  in 
das  Feindesland  gelangen  ließe,  der  feindliche  Staat  un- 
verkürzt mittelbar  oder  unmittelbar  Vorteil  aus  ihnen  zu 
ziehen  imstande  sei.  Mache  jedoch  ein  Staat  solche  Güter 
zur  Prise,  so  könne  er  den  Nutzen,  den  der  Feind  von  ihnen 
gehabt   haben   würde,  selbst  für  sich   daraus  ziehen. 

Nach  diesen  Ausführungen  könne  das  zur  Verhandlung  stehende 
Schiff,  welches  Gut  zu  Lande  sei,  wenn  es  für  die  Kriegsop^rationen  be- 
nötigt werde,  nach  Artikel  53,  Absatz  2  des  Haager  Vertrags  als  Gut 
auf  dem  Lande  requiriert  und  in  Gebrauch  genommen  werden!  Sobald 
freilich  der  Feind  es  unternehme,  dasselbe  zur  See  nach  dem  Feindes- 
land fortzuschaffen,  könne  es  als  Privateigentum  zur  See  beschlag- 
nahmt werden.  Solange  es  aber  als  ein  Stück  Gut  auf  dem  Lande  in 
Japan  festgehalten  werde,  diene  es  >xeder  zum  Nutzen  des  Feindes 
noch   zum   Schaden   Japans. 

252 


Priaengerichtsentdcheidungen:  „Thalia".  Abschnitt  VI  i^ 

3.  F u  n  k  -  B  r  e  n  t  a  n  o  und  S  o  r  e  1  führten  aus,  daß 

wenn  feindliche  Staatsangehörige  im  Lande  des  Gegners  Ver- 
mögen besäßen,  dies  Vermögen  dorthin  gekommen  sei  im 
Hinblick   und   im   Vertrauen   auf  den   Schutz,   den   die  ge- 
wöhnlichen  Landesgesetze  dem   Eigentumsrecht  gewährten, 
und  daß  der  Krieg  an  diesen  Gesetzen  nicht  die  geringste 
Änderung  bewirke.     Solange  demnach  der  Staat  seine  An- 
schauungen   über    den    Eigentumsschutz    unverändert   fort- 
bestehen   lasse,    müsse    er   auch    das    Eigentum    feindlicher 
Privatpersonen  schützen  und  respektieren.    Wenn  er  es  ver- 
letze, so  verletze  er  damit  seine  eigenen  Gesetze. 
Wenn    aus   diesem    Grunde   feindliches   Privateigentum    auf   dem 
Unde  geschützt   werden   müsse,   so   bedeute   die   Einziehung  des  auf 
dem  Lande  befindlichen,  hier  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  einen 
Bruch   mit   dem    Geiste   derjenigen    Gesetze   Japans,   welche   sich    auf 
den  Schutz  des  Eigentumsrechts  bezögen. 

4.  Rivier,    Hautefeuille   und   andere   Gelehrte    hätten   ge- 
-sagt,  daß 

Schiffe,  verschieden  von  Gut  auf  dem  Lande,  sofort  armiert 
und  als  Kriegsschiffe  benutzt  oder  zum  Truppentransport 
oder  zu  anderen  für  die  Kriegsführung  wichtigen  Zwecken 
gebraucht  werden   könnten.     Daher   müsse  ihre   Beschlag- 
nahme als  von  der  Notwendigkeit  geboten  erachtet  werden. 
Auch  wenn  man  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  unter  diese 
Argumentation  stelle,  so  müsse  es  der  Beschlagnahme  entgehen.    Denn 
angenommen,  man  bedürfe  seiner  für  den  Krieg,  so  unterliege  es  doch 
nur  der  Requisition,  weil  es  ein  Schiff  sei,  welches  nach   Artikel   53, 
Absatz  2  des  Haager  Vertrags  nicht  dem  Seerecht  unterstehe. 

5.  Wheaton,    Rivier    und    andere    Gelehrte    seien    der    An- 
sicht, daß, 

weil  das  Ziel  des  Landkriegs  die  Eroberung  des  feindlichen 
Gebiets,  das  des  Seekriegs  aber  die  Vernichtung  des  feind- 
lichen Handels  und  seiner  Schiffahrt  sei,  bei  ersterem  ein 
Bedürfnis  für  die  Verletzung  des  Privatvermögens  nicht  vor- 
liege, während  letzterer  dieser  nicht  entraten  könne. 
Der  wahre  Zweck  des  Seeprisenwesens  sei  danach,  während  des 
Kriegs   Handel  und  Schiffahrt  des  Feindes  zu  hemmen,  um   dadurch 
schnell  zum  Ziel  des  Krieges  zu  gelangen.    Deshalb  sei  es  nicht  unter 
allen   Umständen   nötig,   diese   Härte   noch   bis   nach   Vollendung   des 
Krieges    auszudehnen.     Für   ein    Schiff   wie   das   hier   verhandelte   be- 
stehe einerseits  die  Möglichkeit  hinreichender  Kontrolle  durch  die  Re- 
gierung; auch  könne  es  nur  auf  dem  Wasserwege  in  die  Heimat  zurück- 
kehren.   Wenn   man  es  daher,  während  es  auf  dem  Lande   liege,  als 

253 


Abschnitt  VII*  Prisengerichtsentscheidungen:  „Thalia". 

unverletzliches  Out  zu  Lande  behandele,  so  stehe  das  der  Erreichung 
des  als  notwendig  erblickten  Ziels,  den  feindlichen  Handelsverkehr  zu 
brechen,  in  keiner  Weise  im  Wege. 

b)  Die  Ausdehnung  der  Seebeschlagnahme  bis  auf  das  feste  Land 
bei  einem  Dock  sei  eine  Verletzung  des  fundamentalen  Grundsatzes 
des  Völkerrechts  über  die  Parteien  im  Kriege.  Die  Parteien  eines  Krieges 
seien  die  Staaten,  nicht  die  einzelnen  Privatpersonen.  R  i  v  i  e  r  sage : 
das  Recht  der  Kriegsführung  stehe  nur  Staaten  zu.  Daher 
bestehe  Krieg  nicht  zwischen  den  Individuen.  Auch  zwischen 
Staat  und  Individuum  gebe  es  keinen  Krieg. 
Bis  auf  einen  einzigen  englischen  Völkerrechtslehrer  seien  alle 
Gelehrten  Europas  und  Amerikas  dieser  Ansicht.  Als  natürlicher  Aus- 
fluß dieses  Grundsatzes  werde  die  Unverletzbarkeit  des  Privateigentums 
von  der  ganzen  Welt  als  ein  grundlegendes  Prinzip  des  Kriegsrechts 
angesehen.  Auch  der  Artikel  46  des  Haager  Vertrages  spreche  dieses 
klar  aus  Diesem  Grundsatz  gegenüber  nehme  die  Praxis  des  Seeprisen- 
wesens nur  die  Stelle  einer  Ausnahme  ein.  Daher  müsse  in  diesem 
Falle,  wo  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  auf  dem  Lande  bei 
einem  Dock  gelegen  habe  und  wo  es  zweifelhaft  sei,  ob  es  als  Gut  zur 
See  oder  zu  Lande  aufzufassen  und  demnach  einzuziehen  oder  nicht 
einzuziehen  sei,  die  Regel  beobachtet  werden,  daß  man  Ausnahmen 
möglichst  eng  auslegen  solle.  Danach  müsse  man  das  Schiff  als  Gut  zu 
Lande  betrachten,  auf  welches  der  Grundsatz  der  Unverletzlichkeit  des 
Privatvermögens  anzuwenden  sei.  So  ergebe  sich  auch  aus  dem  Grund- 
satz, daß  Parteien  eines  Kriegs  nur  die  Staaten  seien,  weil  das  Schiff 
als  Gut  auf  dem  Lande  Anspruch  auf  Anwendung  des  Grundsatzes  der 
Unverletzlichkeit  des  Privatvermögens  habe,  die  natürliche  Konsequenz, 
daß  das  Schiff  nicht  beschlagnahmt  werden  dürfe. 

e)  Das  Urteil  erster  Instanz  habe  behauptet,  ein  Dock  und  das 
bei  demselben  belegene  Land  sei  der  See  gleich  zuerachten.  Wie  im 
folgenderr  erörtert  werden  solle,  sei  es  jedoch  klar,  daß  solche  Orte 
ihrer  juristischen  Natur  nach  verschieden  seien. 

L  Während  ein  Dock  oder  das  bei  demselben  belegene  Land  vom 
Staat  oder  von  Privaten  geeignet  werden  könne,  sei  ein  Eigentum  von 
Privaten  am  Hoheitswassergebiet  ausgeschlossen.  Carnazza-Amari 
sage: 

wenn  auch  ein  Eigentumsrecht  an  Grund  und  Boden, 
welches  einen  Teil  des  Wassergebiets  eines  Hafens  in  sich 
schließe,  vorkomme,  so  gehe  doch  daraus,  daß  dem  Eigen- 
tümer bezüglich  des  Teils,  welcher  Wassergebiet  sei,  keine 
absolute  Verfügungsgewalt  zuerkannt  werde,  klar  hervor,  daß 
seine  Rechte  daran  nicht  dieselben  seien,  wie  sein  Eigentums- 
recht an  dem  Teil,  welcher  Grund  und  Boden  sei. 

254 


Priseagerichtsantscheidungen:  „Thalia''.  Abschnitt  VIi* 

Während  also  das  higentunisrecht  an  dem  Landgebiet  des  Docks 
und  des  dabeiliegenden  Grundes  absolut  sei,  so  daß  ein  Eindringen 
in  dasselbe  gegen  den  Willen  des  Kigentümers  von  diesem  abgewehrt 
vierden  könne,  so  sei  derselbe  doch  nicht  berechtigt,  den  Eintritt  in  das 
von  ihm  geeignete  Hafengebiet,  z.  B.  wegen  gefährlichen  Wetters  oder 
um  einer  Verfolgung  zu  entgehen,  abzuweisen.  Während  es  des  weiteren 
dem  Eigentümer  des  Bodens  freistehe,  den  Gebrauch  desselben  zu  ge- 
vtatten  oder  zu  verweigern,  müsse  der  Staat,  als  Eigentümer  des  Hafen- 
gebiets, die  Benutzung  desselben  allen  auswärtigen  Staaten  in  gleichem 
Maße  gestatten. 

2.  Ein  Staat  könne  das  harmlose  Passieren  ausländischer  Truppen 
durch  ein  Dock  oder  das  bei  demselben  belegene  Land  schlechthin  ver- 
weigern; er  müsse  aber,  abgesehen  von  Fällen,  wo  dies  seine  eigene 
Ruhe  gefährde,  das  harmlose  Passieren  ausländischer  Kriegsschiffe  in 
seinen  Hafengewässern  erlauben. 

Da  diesergestalt  zvcischen  Land  und  See  zu  unterscheiden  sei,  so 
bestehe  kein  Grund,  welcher  die  Ausübung  des  Seeprisenrechts  auf  dem 
ürund  bei  einem  Dock,  dem  man  schlechterdings  die  Eigenschaft  von 
«irklichem  festen  Land  nicht  absprechen  könne,  zu  rechtfertigen  ge- 
eignet sei.  Die  Beschlagnahme  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs 
sei  daher  ungerechtfertigt. 

f)  Das  Urteil  erster  Instanz  gebe  zu,  daß  die  Beschlagnahme  auf 
dem  Land  bei  dem  Helling  geschehen  sei,  beschränke  sich  aber  darauf, 
diesen  Ort  einfach  als  einem  Dock  gleichstehend  zu  bezeichnen.  Das 
bnd  in  der  Nähe  eines  Docks  sei  aber  kein  Dock,  und  wenn  es  auch 
zur  Aufnahme  von  Schiffen,  die  repariert  würden,  diene,  so  sei  es  doch 
kein  Ort,  wo  diese  Schiffe  sich  ihrer  Natur  gemäß  befänden. 

Wenn  man  derartigen  Grund  und  Boden  als  im  Bereich  der 
Ausübung  des  Seeprisenrechts  belegen  betrachte,  so  müsse  das  auch 
\on  jedem  anderen  Ort,  der  kein  Dock  sei,  gelten,  sobald  sich  ein  Schiff 
dort  zur  Reparatur  befinde,  wenn  er  gleich  10  oder  100  Meilen  von  der 
Küste  entfernt  auf  dem  Lande  liege. 

Selbst  wenn  man  annehme,  daß  es  für  ein  Schiff  etwas  Natürliches 
sei,  im  Dock  zu  liegen,  und  daß  dies  dasselbe  sei,  als  wenn  es  im 
Hafen  schwimme,  so  könne  man  doch  nicht  behaupten,  daß  es  für  ein 
Schiff  natürlich  sei,  außerhalb  eines  Docks  auf  dem  Lande  zu  liegen. 
*'enn  auch  die  Entfernung  zwischen  dem  Helling  und  dem  hier  in 
frage  kommenden  Land  nur  einige  wenige  Schritte  betrage,  so  komme 
diese  Entfernung,  vom  juristischen  Standpunkte  aus  gesehen,  einer  Ent- 
lernung  von  zehn  Millionen  Meilen  durchaus  gleich.  Da  so  aber  das 
Schiff  auf  gewöhnlichem  Lande,  d.  h.  an  einem  außerhalb  des  Wirkungs- 
bereichs des  Seeprisenrechts  liegenden  Ort  beschlagnahmt  worden  sei, 
^  sei  es  nach  dem  Ausgeführten  unfraglich  freizugeben. 

255 


Abschnitt  VI^*  Prlsengerichtsentscheidungen:  „Thalia'*. 

B. 

Es  sei  ein  Mißverstehen  der  Tatsachen,  wenn  das  Urteil  erster 
Instanz  behaupte,  das  Schiff  habe  sich  in  einer  für  ein  Schiff  gewöhn- 
lichen Lage  befunden. 

I.  Das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  sei  zur  Reparatur  auf 
dem  Dampfer  „Progreß"  nach  Hakodate  gekommen.  Das  Urteil  erster 
Instanz  gebe  freilich  zu,  daß  das  Schiff,  während  es  auf  dem  genannten 
Dampfer  verladen  gewesen,  als  ein  Stück  Ladung  desselben  zu  be- 
trachten gewesen  sei;  es  stelle  aber  die  Ansicht  auf,  daß  man  es  nicht 
mehr  als  Ladungsgut  betrachten  könne,  nachdem  es  wieder  abgeladen 
und  in  seine  ihm  als  Schiff  eigentümlichen  Verhältnisse  zurückgekehrt 
sei.  Es  sei  aber  nicht  einzusehen,  weshalb  das  Schiff,  nachdem  es  einmal 
seine  Schiffsnatur  habe  ablegen  und  die  eines  Ladungsstücks  annehmen 
können,  nicht,  wenn  es  auf  dem  Lande  ebenfalls  sei,  seine  reine  Schiffs- 
natur solle  ablegen  und  die  Eigenschaft  eines  Stücks  Privateigentums 
zu  Lande  annehmen  können.  Zum  Zwecke  einer  Reparatur  sei  das 
Schiff  ein  Ladungsstück  des  „Progreß"  geworden.  Aus  dem  gleichen 
Grunde  sei  es  auch  auf  das  Land  geschafft  worden.  Weshalb  solle  daher, 
während  der  gleiche  Zweck  noch  fortdauere,  die  Tatsache,  daß  es  nun 
auf  dem  Lande  sei,  ihm  einen  anderen  Charakter  geben?  Wenn  man 
behaupte,  der  Umstand,  daß  das  Schiff  nach  der  Abladung  einmal 
ins  Wasser  gelassen  sei,  habe  es  wieder  in  die  ihm  eigentümlichen 
Verhältnisse  zurückgebracht,  würde  es  dann,  wenn  man  es,  ohne  es  ins 
Wasser  zu  lassen,  direkt  ans  Land  geschafft  hätte,  die  Eigenschaft  eines 
Guts  zu  Lande  erworben  haben?  Diese  Art  von  Argumentation  sei 
doch  wohl  kaum  zu  rechtfertigen.  Denn  das  Herablassen  ins  Wasser 
sei  gerade,  wie  wenn  man  ein  Stück  Bauholz  beim  Löschen  aus  einem 
Schiff  erst  ins  Wasser  lasse,  nichts  weiter  als  eine  besondere  Transport- 
methode. 

II.  Der  Bericht  des  Offiziers,  der  die  Beschlagnahme  ausgeführt 
habe,  tue  dar,  daß  das  Schiff  zur  Zeit  der  Beschlagnahme  sich  im  Zu- 
stande unvollendeter  Reparatur  befunden  habe  und  nicht  selbständig 
reisefähig  gewesen  sei.  Reklamant  sei  der  Ansicht,  daß  man  ein  der- 
artiges, rpiseunfähiges  Fahrzeug  nicht  als  ein  richtiges  Schiff,  sondern 
nur  als  ein  Stück  Gut  ansehen  könne. 

III.  Das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  habe  zur  Zeit  der  Auf- 
bringung weder  die  für  die  Reise  nötigen  Ausrüstungsgeräte  noch  eine 
Landesflagge,  noch  Schiffspapiere,  noch  Mannschaft  besessen,  kurz  es 
habe  an  allen  Anforderungen  gefehlt,  die  man  an  ein  Schiff  stellen 
müsse.  Auch  hieraus  ergebe  sich,  daß  der  Fall  nicht  als  der  eines 
richtigen  Schiffes,  sondern  vielmehr  als  der  eines  Stücks  Gut  zu  be- 
handeln sei.    Man  habe  es  mit  einem  richtigen  Stück  Gut  auf  dem  Lande 

Ö56 


Prisengerichtsentscheidungen:  »Jhalia^  Abschnitt  VI^^ 

zu  tun.  auf  welches  der  Haager  Vertrag  Anwendung  finde   und   das 
dahei  unfraglich  freizugeben  sei. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  der  Staatsanwälte  beim  Prisen- 
ijericht  zu  Yokosuka,  Uchida  Shigenari,  Kobayashi  Yoshio 
und   Vanagita  Kunio,  sind  folgende: 

Die  Beschlagnahme  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  sei 
rechtmäßig  und  seiner  Einziehung  stehe  nichts  im  Wege.  Dies  werde 
folgendermaßen  begründet : 

1.  Die  vielen  Ansichten  der  Gelehrten  und  praktischen  Beispiele 
bestimmten  den  Bereich,  in  welchem  Beschlagnahmen  vorgenommen 
werden  könnten,  lediglich  in  negativer  Weise,  ohne  ihn  positiv  zu  be- 
irrenzen.    Auch  wenn  Lushington  und  Holland  lehrten, 

das  Beschlagnahmerecht  könne  außer  in  dem  Wassergebiet, 
das  unter  der  Herrschaft  neutraler  Staaten  stehe,  in  jedem 
Wassergebiet  ausgeübt  werden, 
so  entspringe  das  nur  der  Annahme,  daß  für  gewöhnlich  Seegut  an 
anderen  Orten  nicht  angetroffen  werden  würde,  habe  aber  nicht  den 
Sinn,  daß  Seegut,  wenn  es  ausnahmsweise  aus  dem  Wassergebiet  entfernt 
werde,  dabei  aber  offenbar  noch  als  Seegut  anzusehen  sei,  frei  ausgehen 
und  nicht  vor  Gericht  gezogen  werden  solle. 

Aber  selbst  zugegeben,  der  Seeprisenbereich  sei  in  der  Weise, 
\(ie  der  Reklamant  es  annehme,  positiv  begrenzt,  so  sei  trotzdem  das 
vSchiff  innerhalb  seiner  Grenzen  beschlagnahmt  worden.  Wenn  es  auch 
nicht  klar  ersichtlich  sei,  worauf  sich  der  sogenannte  fundamentale 
Grundsatz  des  Reklamanten  beziehe,  so  sei  wohl  anzunehmen,  daß 
er  in  dem  von  Phillimore  für  die  Ausübung  der  Visitierung  und 
Durchsuchung,  und  von  Hall  für  die  Beschlagnahme  schlechthin  auf- 
gestellten Bereich  positiv  fixierte  Grenzen  erblicke  und  so  annehme, 
daß  das  Seeprisengebiet  das  Territorialwassergebiet  der  kriegführenden 
Staaten  und  die  offene  See  sei! 

Das  Wort  „Wassergebiet"  enthalte  aber  die  Gesamtheit  der  Häfen, 
Buchten,  Baien,  Flußmündungen  und  dergleichen  mit  dem  Wasser  in 
Beziehung  stehenden  geographischen  Einzelteile  dessen,  was  man  mit 
einem  Sammelwort  der  gewöhnlichen  Sprache  als  „Meer"  bezeichne. 
Da  demnach  das  Wassergebiet  je  nach  den  natürlichen  Wirkungen 
von  Ebbe  und  Flut  oder  infolge  künstlicher  Vorrichtungen  der  Menschen 
nicht  notwendigerweise  in  allen  Teilen  und  zu  allen  Zeiten  von  Wasser 
bedeckt  sei,  so  sei  es  ein  Fehler,  es  mit  dem  Begriff  „Wasserfläche"  zu 
identifizieren. 

Ein  Dock  müsse  daher  einmal  für  sich  allein  als  ein  Wassergebiet 
betrachtet  werden;  sodann  bilde  es  aber  auch  vermöge  seiner  not- 
wendigerweise vorhandenen  Abhängigkeit  von  Liegeplätzen  für  Schiffe 

Marstraad-Meohlenbur^,  IMs  japaoischo  Priscarecht.     Band  I.     (17)  'LO i 


Abschnitt  V1 1<  Prisengerichtsentscheidungen:  ,Jhalia'^ 

zusammen  mit  dem  übrigen  Hafen,  Flußmündungsgebiet,  oder  was  es 
sei,  ein  gemeinschaftliches  Wassergebiet.  Wie  man  es  auch  ansehe, 
immer  ergebe  sich,  daß  die  in  einem  Dock  vorgenommene  Beschlagnahme 
als  in  gewöhnlichem  Wassergebiet  vorgenommen  gelten  müsse. 

Die  Erklärung  des  Reklamanten  von  dem  festen  I^nd,  auf  dein 
eine  Beschlagnahme  nicht  ausgeübt  werden  dürfe:  daß  dies  nämlich 
die  ganze  Erdoberfläche  umfasse,  soxxeit  sie  nicht  von  Meerwasser  be- 
deckt sei,  sei  durchaus  nur  seine  eigene,  und  selbst  wenn  die  Wissen- 
schaft das  Gebiet  erlaubter  Beschlagnahme  positiv  bestimmen  würde, 
so   würde   sie   doch    nicht   versuchen,    diese   Behauptung   aufzustellen. 

Wenn  Schiffe  zwecks  Reparatur  ins  Dock  zu  gehen  hätten,  so  sei  es 
aus  technischen  Gründen  zuweilen  erforderlich,  sie  daneben  aufs  Land 
zu  ziehen  oder  das  Dockwasser  abzulassen.  Deshalb  könne  man  aber 
nicht  sagen,  daß  sie  außerhalb  des  Docks  und  auf  dem  Lande  seien. 

2,  In  dem  von  dem  Reklamanten  angeführten  Artikel  8  der  Be- 
schlüsse des  Völkerrechtskongresses  in  Turin  im  Jahre  1882  heiße  es: 

das  Beschlagnahmerecht  könne  nur  in  dem  innerhalb  3  See- 
meilen  von   der   Küste   belegenen   Wassergebiet   der   krieg- 
führenden Staaten  und  auf  dem  Ozean  ausgeübt  werden. 
Hier  werde  von  Wassergebiet  in  dem  Sinne,  den  der  Reklamant 
angebe,   nicht  gesprochen.     Sonst  würde   man   zu   der   merkwürdigen 
Erscheinung  kommen,  daß  ein  feindliches  Schiff,  welches  in  unmittelbarer 
Nähe  der  Küste  liege,  mit  dem  Wechsel  der  Elut  eine  Stunde  vor  der 
Aufbringung  sicher  sei  und  in  der  anderen  Stunde  diesen  Schutz  wieder 
verliere.    Im  übrigen  sei  der  Beschluß  des  oben  zitierten  Artikels  8  in  die 
japanische  Prisenordnung  nicht  aufgenommen,  und  zwar  einmal,  weil 
eine  derartige  positive  Begrenzung  des  Seeprisengebiets  der  allgemeinen 
Ansicht  der  Welt  nicht  entspreche,  sodann  auch,  weil  man  kein  Bedürfnis 
erblickt   habe,   eine   derartige   Begrenzung,   welche   die    Interessen    des 
Staats  so  wesentlich  berühre,  ohne  die  Bedingung  der  Gegenseitigkeit 
erfüllt  zu  sehen,  von  sich  aus  einseitig  aufzustellen. 

3.  Der  Reklamant  behaupte, 

die  Tatsache,  daß  die  japanische  Prisenordnung  im  §  2  als 

Gebiet,  in  welchem  Prisen  nicht  gemacht  werden  dürften, 

nur  neutrales  Territorialmeer  und  besonders  durch  Vertrag 

ausbedungene  Wassergebiete  anführe  und  das  neutrale  feste 

Land   als   selbstverständlich    ausgeschlossen    nicht   erwähne, 

beweise,  daß  sie  eben   die   Beschlagnahme  auf  dem  festen 

Lande   der   kriegführenden   Staaten   für   unzulässig  erachte. 

Es  sei  indes  nicht  nötig,  daß  eine  Prisenordnung  die  Rechtsbestimmungen 

sämtlich  enthalte,  und,  wenn  die  Prisenordnutlg  diesen  Fall  vorsehende 

Bestimmungen   nicht  getroffen   habe,  so  sei  der  Grund   lediglich   der, 

daß  sie  ein  Bedürfnis  dafür  nicht  erblickt  habe. 

258 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Thalia''.  Abschnitt  VIi* 

4.  Wenn  auch  der  Reklamant  selbst  anerkenne,  daß  die  von  ihm 
angezogenen  Bestimmungen  des  Haager  Vertrages  dem  Landkrieg  seine 
Schranken  vorschreibe,  mit  welcher  Begründung  wolle  er  dieselben  dann 
auf  die  Prisenmaßnahmen  der  Marine  zur  Anwendung  bringen? 
forderten  die  Worte  „Schiffe,  welche  nicht  unter  der  Herrschaft  des 
Seerechts  stehen"  nicht  vielmehr  zu  der  Argumentation  auf,  daß  in 
ihnen  implicite  gesagt  sei,  daß  auch  eine  Landmacht  gelegentlich  mit 
Schiffen' zu  tun  haben  könne,  die  dem  Seerecht  unterstünden? 

5.  Zur  Unterstützung  seiner  Ansicht,  daß  außerhalb  des  Wassers 
Prisen  nicht  gemacht  werden  dürften,  stelle  der  Reklamant  vielfach 
die  Ansichten  von  Oelehrten  falsch  dar.  Was  zum  Beispiel  Hall 
sage,  sei  weiter  nichts  als  die  Anerkennung  einer  Tendenz,  Feindesgut, 
welches  seit  der  Zeit  vor  dem  Kriege  in  dem  Gebiet  eines  Staates  sei, 
von  der  Beschlagnahme  zu  befreien.  Das  Zitat  von  Masse  sei  ledig- 
lich eine  Wiedergabe  allgemeiner  Tatsachen.  Damit  den  Bereich  des  Be-- 
schlagnahmerechts  abzugrenzen,  sei  nicht  beabsichtigt  gewesen.  Lben- 
sowenig  sei  mit  den  Worten  Riviers  „das  zur  See  schwimmende 
(jut"  etwas  anderes  gemeint  als  Seegut,  ohne  daß  eine  Unterscheidung 
nach  der  Richtung,  ob  es  zurzeit  auf  dem  Wasser  schwimme  oder  nicht, 
ijemacht  worden  sei. 

6.  Der  Reklamant  führe  betreffs  der  Gründe,  weshalb  nur  Seegut 
beschlagnahmt  werden  könne,  eine  große  Anzahl  wissenschaftlicher  An- 
sichten an  und  behaupte,  daß  die  Beschlagnahme  des  zur  Verhandlung 
stehenden  Schiffes  mit  keinem  dieser  Gründe  im  Linklang  stehe.  Aber 
daß  sie  mit  denselben  in  Widerspruch  stehe,  beweise,  daß  diese  An- 
sichten eben  nicht  zuträfen.  Was  man  auch  immer  für  Gründe  dafür 
angebe,  das  Prinzip,  Privateigentum  zur  See  wegzunehmen,  stehe  in 
unserer  Zeit  noch  als  eine  Maßnahme,  die  in  Kriegszeiten  unentbehrlich 
sei,  in  Geltung,  und  es  liege  kein  Grund  vor,  gerade  dieses  eine  Schiff 
davon  auszunehmen. 

7.  Der  Reklamant  mache  geltend, 

es  sei  die  allgemeine  Ansicht  unserer  Zeit,  daß  der  Krieg  nur 

zwischen   Staaten   geführt   werde   und    das   Seeprisenwesen, 

welches  den  Privaten  als  Feind  behandele,  eine  Ausnahme 

sei.  Daher  sei  in  zweifelhaften  Fällen  die  grundlegende  Regel 

anzuwenden. 

Daß  indes  das  Ziel  des  Krieges  das  sei,  dem  feindlichen  Staat  Schaden 

iiuzufügen,  treffe  auch  für  die  See  zu,  und  andrerseits  hätten  die  Privaten 

auf    dem    Lande    ebenfalls    durch    die    Rückwirkungen    des    Krieges 

Schädigungen  zu  ertragen.    Wenn  die  Behandlung  des  Privateigentums 

zu  Lande  und  zur  See  verschieden  sei,  so  liege  der  Grund  hierfür,  wie 

viele  Gelehrte  annähmen,  darin,  daß  das  Recht  für  den  Landkrieg  und 

das  für  den  Seekrieg  jedes  seine  besondere  Fntwicklung  erfahren  habe, 

(17*)  259 


Abschnitt  VI«  Prisengerichtsentscheidungen:  „Thalia". 

Wenn  man  aber  vom  geschichtlichen  Standpunkte  aus  darüber  ent- 
scheiden wolle,  was  Regel  und  was  Ausnahme  sei,  so  müsse  man 
sagen,  daß  vielmehr  die  Einziehung  des  Privatvermögens  die  grund- 
legende Regel  darstelle.  Im  übrigen  bestehe  bezüglich  des  Thaliafalls 
kein  Zweifel  darüber,  ob  das  Objekt  Gut  zu  Lande  oder  Out  zur  See  sei. 

8.  Der  Reklamant  behaupte,  daß  das  Land  und  das  Wasser  eine 
verschiedene  juristische  Stellung  einnähmen,  führe  aber  nicht  aus,  inwie- 
fern dies  auf  die  Wirksamkeit  einer  Beschlagnahme  Einfluß  haben  solle. 
Selbst  angenommen,  es  bestehe  ein  derartiger  Unterschied,  so  liege  doch 
kein  Grund  vor,  weshalb  dem  Prisenwesen,  welches  selbst  auf  der  nur 
recht  schwach  beherrschten  See  frei  ausgeübt  werden  dürfe,  auf  dem 
viel  stärker  beherrschten  Land  Fesseln  angelegt  werden  sollten.  Im 
übrigen  gebe  es  zahlreiche  Fälle,  wo  Privaten  ein  gewisses  Wasserareal 
zum  privaten  Eigentum  oder  Gebrauch  überlassen  sei,  so  daß  sie  dritte 
aus  demselben  ausweisen  könnten,  z.  B.  das  Wasser  bei  Landungs- 
brücken und  Hafendämmen.  Auch  ein  Dock  gehöre  unter  diese  Bei- 
spiele, und  es  sei  unmöglich,  sich  der  Ansicht  zu  unterwerfen,  welche 
für  die  Rechtsverhältnisse  desselben  je  nach  Vorhandensein  oder  Nicht- 
vorhandensein von  Seewasser  in  demselben  einen  Unterschied  aufstellen 
wolle. 

9.  Der  Reklamant  wende,  um  die  Verwerfung  der  Beschlagnahme 
um  jeden  Preis  durchzusetzen,  den  neuen  Ausdruck  „Beschlagnahme  auf 
dem  Lande"  an.  Wenn  man  aber  den  Begriff  „Land"  so  auffasse  wie 
der  Reklamant,  so  sei  eine  Landprise  durchaus  nicht  unter  allen  Um- 
ständen ungerechtfertigt.  Daß  im  allgemeinen  auf  dem  Lande  keine 
Prisen  gemacht  würden,  treffe  für  Ladungsgut  unbedingt  zu.  Selbst  für 
Schiffe  müsse  man  sagen,  daß,  wenn  sie  von  der  Küste  entfernt  im  Lande 
lägen,  sie  in  vielen  Fällen  wohl  ihren  Charakter  als  Seegut  verloren  haben 
und  zu  Vermögensstücken  geworden  sein  würden,  welche  völkerrecht- 
lich die  Beschlagnahme  nicht  zuließen.  'Aber  im  Falle,  daß  ein  Schiff 
im  Dock  sei  selbstverständlich,  und  auch  im  Falle,  daß  ein  Eigentümer 
sein  Schiff,  um  es  der  Beschlagnahme  zu  entziehen,  auf  das  Ufer 
ziehen  würde,  verliere  das  Schiff  dieserhalb  keineswegs  seinen  Charakter 
als  Seegut  und  unterliege  daher  selbstverständlich  der  Beschlagnahme. 
Wenn  man  an  dem  Wasserufer  eine  Linie  ziehen  und  dann  behaupten 
wolle,  daß,  sobald  diese  Linie  auch  nur  um  einen  Schritt  überschritten 
werde,  ohne  die  Umstände  des  Falls  zu  erwägen,  schlechthin  auf  die 
Beschlagnahme  verzichtet  werden  müsse,  so  müßten  in  Zukunft  einem 
Inselreich  wie  Japan,  wenn  es  genötigt  sei,  sich  mit  seiner  iMarine- 
macht  gegen  einen  kontinentalen  Feind  zu  wenden,  aus  dieser  Schranke 
die  größten  Schwierigkeiten  erwachsen. 

Kurz  und  gut,  die  Beschlagnahme  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Schiffes  stimme  mit  dem  Geist  unserer  Seeprisenordnung,  welche  die 

260 


Prisaogerichtsentscheidungen:  „Thalia'^  Abschnitt  VI  i< 

Grenzen  der  Beschlagnahme  nicht  positiv  festgelegt  habe,  überein  und, 
daß  das  Prisengericht  zu  Yokosuka  bei  der  Untersuchung  der  Frage, 
ob  das  Out  Seegut  sei  oder  nicht,  sich  um  den  Ort,  wo  dasselbe 
sich  befunden  habe,  nicht  gekümmert  habe,  sei  durchaus  richtig  gewesen. 

10.  Der  Reklamant  mache  geltend,  daß  das  zur  Verhandlung 
stehende  Schiff,  weil  es  als  Ladung  auf  dem  Dampfer  „Progreß"  ver- 
schifft und  in  Hakodate  ans  Land  geschafft  worden  sei,  ein  gewöhn- 
liches Ladungsgut  wäre.  Aber  in  dem  Vernehmungsprotokoll  des  da- 
mals bei  der  Hakodate  Dock  Aktiengesellschaft  angestellten  M  i  z  u  n  o 
Yokei  heiße  es: 

„Wie  ist  die  „Thalia"   nach    Hakodate  geschafft  worden?" 

„Wie  sie  dorthin  gekommen  ist,  weiß  ich  nicht,  als  sie  aber 

nach    der    Dockgesellschaft    kam,    schwamm    sie    auf    dem 

Wasser." 

Das  sei   ein   deutlicher  Beweis   dafür,   daß   der  Agent  des   Reeders  in 

Hakodate  die  „Thalia"  als  Schiff  behandelt  habe,  und  sie  sei  deshalb 

nicht  wie  Bauholz,  welches  in  das  Wasser  geworfen  werde,  anzusehen. 

Selbst  zugegeben,  es  habe  einmal  eine  Zeit  bestanden,  wo  das  Schiff 

ein  zum  Lande  gehöriges  Vermögensstück  gewesen  sei,  so  habe  es  doch 

bereits,  bevor  es  ins  Dock  aufgenommen  worden  sei,  seine  gewöhnliche 

Natur  wiedererlangt  gehabt. 

Das  Fehlen  der  Schiffsflagge,  der  Schiffspapiere  usw.  stelle  die 
Natur  des  Schiffes  als  eines  Stückes  Seegut  nicht  in  Frage,  und  in  den 
meisten  Prisenfällen  sei  dies  im  üegenteil  eine  Anreizung  zur  Be- 
schlagnahme. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 
Der  Reklamant  mache  folgendes  geltend. 

A. 
Das  Gericht  erster  Instanz  habe  ausgeführt,  daß 

ein  Schiff,  welches  in  einem   Dock  oder  dergleichen  liege, 
sich  in  durchaus  natürlichen  Umständen  befinde  und,  wenn 
es  auch  damit  für  eine  Zeit  auf  das  feste  Land  gerate,  da- 
durch doch  nicht  seinen  Charakter  als  Seegut  verliere  usw. 
Diese   Ausführungen   stützten   sich    lediglich   auf   die   Schiffsnatur   des 
Dampfers  „Thalia",  ohne  zu  untersuchen,  ob  die  Aufbringung  an  dem 
Orte,  wo  sie  geschehen  sei,  zulässig  gewesen  sei  oder  nicht.    Die  Fnt- 
scheidung  auf  Einziehung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  stehe 
indes  in  Widerspruch  mit  dem  fundamentalen  Grundsatz,  daß  eine  See- 
beschlagnahme nur  in  Gebietsgewässer  oder  auf  offener  See  ausgeführt 
werden  könne.    Sie  sei  daher,  wie  nachstehend  erörtert,  unrechtmäßig: 
I.   Die   Beschlagnahme   des   zur   Verhandlung   stehenden    Schiffs 

2G1 


Abschnitt  VI^*  Prisengerichtsentscheidungen:  „Thalia''. 

sei  eint  Verletzung  der  japanischen  Seeprisenordnung.    Die  Bestimmung 
des  §  2  unserer  Seeprisenordnung: 

die  Visitierung,   Durchsuchung  und   Beschlagnahme   dürfen 
nicht    stattfinden    in    neutralem    Hoheitsgewässer    oder     in 
Wassergebieten,  welche  durch  Vertrag  ausdrücklich  als  außer- 
halb des  Kriegsgebiets  belegen  bezeichnet  sind 
bedeutet  nur,  daß  die  Kaiserlichen  Kriegsschiffe  in  neutralem  Hoheits- 
gevc'ässer  und   in   Wassergebieten,   welche   ausdrücklich   durch   Vertrag 
als   außerhalb   des    Kriegsgebiets   belegen    bezeichnet  sind,    keine   Visi- 
tierung, Durchsuchung  und   Beschlagnahme  ausführen  dürfen.     Es   ist 
aber  tatsächlich  unbestreitbar,  daß  die  hier  verhandelte  Beschlagnahme 
weder  in  einem  neutralen  Hoheitsgewässer  noch  in  einem  Wassergebiet, 
vcelches   durch    Vertrag   ausdrücklich    als   außerhalb   des    Kriegsgebiets 
belegen  bezeichnet  worden  ist,  ausgeführt  worden  ist.     Daher  ist  die 
Beschlagnahme   keine   Verletzung  unserer   Seeprisenordnung. 

II.  Der  Reklamant  behauptet,  die  zur  Verhandlung  stehende  Be- 
schlagnahme sei  in  Widerspruch  mit  dem  unter  dem  21.  November 
190(1  veröffentlichten  Haager  Vertrag.  Dieser  Vertrag  bezieht  sich  je- 
doch auf  die  Rechtsbestimmungen  und  die  Praxis  des  Landkriegs  und 
hat  mit  dem  Recht  und  der  Praxis  des  Seekriegs  nichts  zu  schaffen. 
Daher  ist  auch  die  Begründung  des  Reklamanten,  daß  die  Beschlag- 
nahme eine  Handlung  sei,  die  gegen  den  Haager  Vertrag  verstoße, 
unbegründet. 

III.  Der  Reklamant  sagt,  die  zur  Verhandlung  stehende  Beschlag- 
nahme widerlaufe  dem  Völkerrecht  und  begründet  dies  folgendermaßen : 

a)  Von  jeher  sei  das  Privatvermögen  zu  Lande  völkerrechtlich 
als  unverletzbar  angesehen  worden.  Da  aber  das  zur  Verhandlung 
stehende  Schiff  sich  zurzeit  bei  einem  Dock  auf  dem  festen  Land 
befunden   habe,  so  sei  die   Beschlagnahme  desselben   rechtswidrig. 

b)  Viele  Gelehrte  sagten  mit  Bezug  auf  den  Ort,  an  welchem 
Schiffe  beschlagnahmt  werden  könnten,  entweder,  daß  die  Beschlagnahme 
auf  der  See  zu  erfolgen,  oder  daß  sie  auf  der  offenen  See  oder  im  Ge- 
bietsgewässer der  kriegführenden  Staaten  stattzufinden  habe,  oder  daß 
das  Objekt  der  Beschlagnahme  das  auf  der  See  schwimmende  Gut  sei. 
Auch  habe  der  internationale  Völkerrechtskongreß  im  Jahre  1882  be- 
schlossen, daß  Seeprisen  nur  auf  dem  Wasser  gemacht  werden  dürften. 
Die  zur  Verhandlung  stehende  Beschlagnahme  stehe  daher  mit  der 
Wissenschaft  in  Widerspruch. 

c)  Bei  der  zur  Verhandlung  stehenden  Beschlagnahme  habe  es 
an  der  das  Seeprisenwesen  rechtfertigenden  Notwendigkeit  gefehlt. 

d)  Daraus,  daß  die  Parteien  in  einem  Kriege  die  Staaten  seien, 
folge  als  Grundsatz,  daß  das  Privatvermögen  unverletzlich  sei.  Die 
Beschlagnahme  von  Privatvermögen  zur  See  bilde  lediglich  eine  Aus- 

262 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Thalia'^'  Abschnitt  VI^^ 

nähme  hiervon.  Im  Zweifel,  ob  ein  Out  zum  Lande  oder  zur  See 
gehöre,  müsse  der  Grundsatz,  Ausnahmen  eng  auszulegen,  befolgt  und 
das  betreffende  Out  für  Out  zu  Lande  angesehen  werden.  Daher  sei 
auch  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  als  üut  zu  Lande  zu  be- 
trachten und  unter  den  Grundsatz  der  Unverletzlichkeit  des  Privat- 
vermögens zu  stellen. 

e)  Da  die  rechtliche  Natur  eines  Docks  und  des  dasselbe  um- 
«.^ebenden  Landes  von  der  der  See  klar  unterschieden  sei,  so  sei  die 
Beschlagnahme  an  einem  derartigen  Ort  unzulässig. 

f)  Selbst  wenn  man  Schiffe  in  einem  Dock  mit  solchen,  die  im 
Hafen  schwämmen,  für  gleich  erachten  wolle,  so  sei  doch  die  Beschlag- 
nahme des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  bei  dem  Dock  auf 
dem  festen  Land  widerrechtlich. 

Zu  a)  Daß  ein  Schiff  sich  vorübergehend  wegen  nötiger  Repa- 
raturen in  einem  Dock  oder  auf  einem  Bauplatz  befindet,  dient  nur 
dem  Zweck,  den  bestimmungsgemäßen  Gebrauch  des  Schiffes  in  vollem 
.Maße  zu  erreichen,  und  bedeutet  daher  weiter  nichts,  als  daß  es  während 
der  Arbeiten  vorübergehend  aus  dem  Wasser  entfernt  worden  ist.  Wenn 
auch  in  solchem  Fall  der  Ort,  wo  das  Schiff  sich  befindet,  zufällig  zu 
der  Zeit  nicht  vom  Seewasser  bedeckt  ist,  so  muß  man  doch  sagen, 
daß  gegen  ein  solches  Schiff  das  Beschlagnahmerecht  ausgeübt  werden 
kann.  Es  ist  daher  unbegründet,  wenn  der  Reklamant  sagt,  daß  die  zur 
Verhandlung  stehende  Beschlagnahme,  weil  sie  auf  dem  Lande  erfolgt 
5.ei,  ungesetzlich  sei. 

Zu  b)  In  der  Annahme,  daß  ein  Schiff  für  gewöhnlich  auf  dem 
Wasser  schwimmt,  haben  die  Gelehrten  mit  Bezug  auf  Orte,  an  welchen 
Schiffe  beschlagnahmt  werden  können,  Worte  wie  „die  See"  oder  „die 
offene  See  und  die  Gebietsgewässer  der  kriegführenden  Staaten''  oder 
„Güter,  welche  auf  der  See  schwimmen"  gebraucht.  Auch  hat  der 
internationale  Völkerrechtskongreß  in  Turin  beschlossen,  daß  das  Be- 
schlagnahmerecht außer  in  den  Gewässern  der  kriegführenden  Staaten 
una  auf  dem  offenen  Ozean  nicht  ausgeübt  werden  könne.  Aber 
alles  dies  hat  nur  die  gewöhnlichen  Fälle  im  Auge  und  es  steht  außer 
Frage,  daß  der  Fall,  daß  ein  Schiff  auf  dem  Bauplatz  eines  Docks  liegt, 
gerade  wie  ein  solcher,  wo  ein  Schiff  zum  Schutz  oder  zur  Überwachung 
für  eine  Zeit  auf  das  Ufer  gezogen  worden  ist,  dem  Fall  gleich  zu 
achten  ist,  wo  es  im  Wasser  schwimmt.  Daher  steht  die  zur  Verhandlung 
stehende  Beschlagnahme  nicht  im  Widerspruch  mit  der  Wissenschaft. 

Zu  c)  Wenn  auch  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  auf  dem 
Arbeitsplatz  eines  Docks  lag,  so  Mcar  es  doch  ein  feindliches  Schiff, 
welches  noch  wieder  zu  fahren  fähig  war,  und  seine  Beschlagnahme 
steht  nicht  im  Widerspruch  mit  der  Idee  des  Völkerrechts,  die  das 
Seeprisenwesen  gutheißt. 

2G3 


Abschnitt  VI'^  Prisengerichtsentscheidungen :  „Thalia'^ 

Zu  d)  Da  die  Tatsache  unbestritten  ist,  daß  das  Objekt  der  zur 
Verhandlung  stehenden  Beschlagnahme  ein  Schiff  ist,  weiches  nur  var- 
übergehend  zur  Reparatur  auf  dem  Bauplatz  eines  Docks  lag,  so  ist 
kein  Raum  für  einen  Zweifel  darüber,  ob  dies  Objekt  Gut  zu  Lande  oder 
zur  See  sei,  und  eine  Auslegungsfrage,  wie  der  Reklamant  sagt,  entsteht 
gar  nicht. 

Daß  die  Punkte  e)  und  f)  des  Reklamanten  unbegründet  sind,  geht 
bereits  aus  dem  zu  a)  Gesagten  klar  hervor.  Diese  Punkte  bedürfen 
daher  keiner  Erörterung. 

In  B.  führt  der  Reklamant  folgendes  aus: 

Das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  sei,  um  in  Hakodate  repa- 
riert zu  werden,  auf  einem  anderen  Dampfer  verladen  und  dorthin 
geschafft  worden.  Da,  während  es  auf  dem  Lande  gelegen  habe,  dieser 
Zweck  noch  fortgedauert  habe,  so  sei  das  Schiff  weiter  nichts  als  ein 
Ladungsstück,  welches  an  Land  geschafft  sei.  Auch  seien  zur  Zeit  der 
Beschlagnahme  des  Schiffes  die  Reparaturen  noch  nicht  vollendet  und 
das  Schiff  nicht  in  reisefähigem  Zustand  gewesen,  und  die  zur  Reise 
erforderliche  Ausrüstung  und  die  Mannschaft  habe  gefehlt.  Es  müsse 
daher  als  ein  Out,  welches  auf  dem  Lande  in  der  Nähe  des  Docks 
lag,  selbstverständlich  freigegeben  werden. 

Da  es  aber  aus  der  Vollmacht  des  Reklamanten,  den  Vernehmungs- 
protokollen des  Inspektors  des  Zollamts  in  Hakodate,  Nakada  Kura- 
noske,  und  des  bei  der  Hakodate  Dock  Aktiengesellschaft  angestellten 
Mizuno  Yokei  und  den  Untersuchungsakten  des  Prisenrats  in  Yoko- 
suka,  Sakakiwara  Chusaburo,  hervorgeht,  daß  das  zur  Verhand- 
lung stehende  Schiff  russischer  Nationalität  ist,  da  es  ferner  unbestritten 
ist,  daß  die  Hakodate  Dock  Aktiengesellschaft  Auftrag  hatte,  ein  Schiff 
zu  reparieren,  so  kann  man  lediglich  daraus,  daß  die  „Thalia",  um 
nach  Hakodate  zu  gelangen,  einmal  auf  einem  anderen  Schiff  verladen 
gewesen  ist,  nicht  schließen,  daß  sie  kein  Schiff  sei. 

Da  des  weiteren  zur  Zeit  der  Beschlagnahme  das  Schiff  der  Eorm 
nach  ein  solches  darstellte,  so  kann  die  Tatsache,  daß  die  Reparatur 
desselben  teilweise  noch  unvollendet  war,  so  daß  es  nicht  sofort  reise- 
fähig war,  auf  die  Wirksamkeit  der  Beschlagnahme  keinen  Einfluß  haben. 
Dies  um  so  >x'eniger,  als  aus  dem  Bericht  des  Offiziers,  der  die  Beschlag- 
nahme ausführte,  nicht  zu  entnehmen,  ist,  daß  das  Schiff  nicht  reise- 
fähig gewesen  sei,  vielmehr  aus  dem  Vernehmungsprotokoll  des  bei  der 
Hakodate  Dock  Aktiengesellschaft,  welche' das  Schiff  in  Gewahrsam  hatte, 
angestellten  Mizuno  Yokei  sich  hinreichend  ersehen  läßt,  daß  die 
Reparatur  bereits  vollendet  \xar  und  daß  das  Schiff  reisefähig  gewesen 
sein  würde. 

Das  Fehlen  von  wichtigen  Schiffsgeräten,  von  Papieren  und  Mann- 

264 


Priiengerichtsentscheidungen:  »Aggi*'.  Abschnitt  VI^' 

schaft  ist  kein  ürund,  weshalb  es  seine  Eigenschaft  als  solches  ver- 
lieren sollte. 

Wenn  also  das  Gericht  erster  Instanz  das  Schiff  für  ein  richtiges 
Schiff  erklärte,  so  ist  das  eine  zutreffende  Entscheidung  und  durchaus 
kein  Mißverstehen  der  Tatsachen.  Dieser  Berufungspunkt  ist  demnach 
ebenfalls  verfehlt. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 

Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  9.  Mai  1905  im  Oberprisengericht. 
(Unterschriften.) 


In  Sachen  der  Beschlagnahme  des  norwegischen  Dampfers  „Aggi" 
wird  nach  Einsichtnahme  der  Schriftsätze  der  Staatsanwälte  Yama- 
nioto  Tatsurokuro  und  Hayashi  Ei  j  uro  wie  folgt  entschieden. 

Urteilsform  e  1: 
Der   norwegische   Dampfer   „Aggi"    und   seine   gesamte    Ladung 
werden  freigegeben. 

Tatbestand    und    Grunde: 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  gehört  der  norwegischen 
Pinna  Christian  Michelsen  &  Co.,  sein  Heimatshafen  ist  Bergen 
in  Norwegen  und  er  fährt  als  Handelsschiff  unter  norwegischer  Flagge. 
hr  hat  in  Bari  in  England  4021  Tons  der  Gesellschaft  gehörige  Stein- 
kohlen geladen,  ist  am  1.  April  1904  von  Bari  abgefahren  und  am 
14.  Mai  in  Singapore  angekommen.  Nach  Order  der  Reederei  ist  er 
am  gleichen  Tage  von  dort  wieder  abgefahren  und  am  25.  Mai  des- 
>elben  Jahres  in  Shanghai  eingetroffen.  Während  er  bei  der  Insel 
(iutslaff  vor  Anker  lag,  erhielt  er  wieder  Order  der  Reederei,  auf 
ürund  deren  er  am  2.  Juni  von  dort  absegelte  und  am  4.  desselben 
Monats  in  Nagasaki  eintraf.  Am  7.  des  gleichen  Monats  wurde  er, 
weil  seine  Schiffspapiere  nicht  in  Ordnung  vcaren,  von  dem  Kaiserlich 
Japanischen  Kriegsschiff  „Katsuragi"  im  Hafen  von  Nagasaki  beschlag- 
nahmt. 

Diese  Tatsachen  gehen  hervor  aus  der  schriftlichen  Aussage  des 
Kommandanten  der  „Kätsuragi",  Sakamoto  Soshichi,  den  Ver- 
nehmungsprotokolle des  Marineleutnants  Masume  Yoshi, 
des  Kapitäns  H.  O  h  I  s  e  n  ,  des  1 .  Offiziers  Hans  E  d  e ,  des  1 . 
Maschinisten  Christian  O.  Nielsen,  dem  Schiffszerlifikat,  dem  Meß- 

265 


Abschnitt  VI^**  Prisengerichtsentscheidungen:  „Hsi-Ping*^ 

brief,  den  Konnossementen  und  dem  Chartervertrag  des  genannten 
Dampfers. 

Die  Ansicht  der  Staatsanwälte  ist  in  den  Hauptpunkten  folgende : 

Die  Beschlagnahme  sei  zwar,  weil  die  Schiffspapiere  nicht  in 
Ordnung  gewesen  seien,  zu  rechtfertigen,  aber  da  es  nicht  klar  er- 
vc'iesen  sei,  daß  die  an  Bord  verschifften  Kohlen  für  die  russische  Armee 
oder  Marine  geliefert  werden  sollten,  so  könnten  dieselben  nicht  für 
Konterbande  erklärt  werden  und  müßten  mit  dem  Schiff  zusammen 
freigegeben  werden. 

Die  Ansicht  des  Qerichts  ist  folgende : 

Die  im  Besitz  des  Kapitäns  der  „Aggi"  befindlichen  Konnossemente 
sowie  der  Chartervertrag  bezeichnen  als  Bestimmungsort  „Singapore 
und  Order".  Sie  geben  also  den  Bestimmungsort  nicht  klar  an.  Die 
Schiffspapiere  sind  freilich  beim  Verhör  durch  den  mit  dem  Fall  be- 
auftragten Prisengerichtsrat  von  dem  Kapitän  vorgelegt,  dem  beschlag- 
nahmenden Offizier  war  jedoch  die  Vorlegung  verweigert  worden.  Da 
ferner  unter  den  Schiffspapieren  das  Ladungsverzeichnis  fehlte,  so  kam 
der  Kommandant  der  „Katsuragi"  zu  der  Ansicht,  daß  die  Schiffspapiere 
nicht  in  Ordnung  seien,  und  zu  dem  Verdacht,  daß  Kriegskonterbande- 
transport vorliege.  Die  Beschlagnahme  muß  demnach  für  berechtigt 
erklärt  werden.  ^) 

Da  aber  der  Dampfer  am  4.  Juni  1904,  auf  Order  seiner  Reederei 
von  Shanghai  abgefahren,  in  Nagasaki  eingetroffen  ist,  so  kann  nicht 
angenommen  werden,  daß  er  auf  der  Fahrt  nach  dem  feindlichen  Ruß- 
land begriffen  gewesen  sei.  Es  ist  daher  unbegründet,  anzunehmen, 
daß  die  Kohlenladung  des  Dampfers  für  die  feindliche  Armee  oder 
Marine  geliefert  werden  sollte.  Sie  kann  demnach  nicht  für  Kriegs- 
konterbande erklärt  werden.  2) 

Es  ist  daher  recht,  den  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfer  und 
seine  Ladung  freizugeben,  und  es  wird  folglich  wie  in  der  Urteilsforniel 
entschieden. 

Im  Prisengericht  zu  Sasebo  am  25.  Juni   1Q()4. 

(Unterschriften.) 


•  in  Sachen  der  Beschlagnahme  des  englischen  Dampfers  „Hsi- 
Ping"  und  seiner  Ladung  wird  nach  Hinsicht  des  Schriftsatzes  der 
Staatsanwälte  Mizukami  Chojiro  und  Hayashi  Kijuro,  wie 
folgt,  entschieden. 

i)  V.  §  39. 1.  -  ^)  V.  §  14. 
2(JG 


Pnsengerichtsentscheidungen:  „H8i*Ping^'.  Abschnitt  VI^«« 

Urteilsformel: 
Der  Dampfer  „Hsi-Ping"  und  die  unter  der  Ladung  befindlichen, 
in  dem  beigefügten  Verzeichnis  aufgeführten  Güter  werden  freigegeben. 

Tatbestand  und  Gründe: 
Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „Hsi-Ping"  steht  im  Kigen- 
tiiin  der  englischen  Kaiping-Minengesellschaft,  G.  m.  b.  H.,  sein  Heimats- 
haten  ist  Shanghai,  er  führt  die  englische  Handelsflagge  und  ist  ein 
Handelsfahrzeug,  vcelches  zum  Personen-  und  Gütertransport  dient. 
Vs  ist  beladen  mit  den  in  dem  beigefügten  Verzeichnis  aufgeführten 
(jütern  und  außerdem  Blei,  Eisen,  Silbermünzen,  Nahrungsmitteln  und 
(jetränken.  Am  11.  Juli  1904  ist  er  von  Shanghai  über  Tschingwantao 
nach  dem  von  den  Russen  besetzten  Niutschwang  abgefahren  und  auf 
der  Reise  dorthin  am  14.  desselben  Monats,  8  Uhr  vormittags,  in  der 
See  etwa  6^/2  Seemeilen  nördlich  von  der  Insel  Kaiming  bei  dem 
Shantung-Vorgebirge,  weil  er  Kriegskonterbande  führen  sollte,  von  dem 
Kaiserlich  Japanischen   Kriegsschiff  „Hongkong  Maru"   beschlagnahmt. 

Diese  Tatsachen  werden  beviiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Kommandanten  der  „Hongkong  Maru",  Inouye  Toshio,  den  Bericht 
des  Marineoberleutnants  KamuraYasumasa  über  die  Durchsuchung 
diT  „Hsi-Ping",  die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns  R.  Mac- 
farlan,  des  1.  Offiziers  t.  B.  Hayes,  der  Kompradore  N.  Wai* 
M eng  und  Pa>x'  Meng  Ching,  das  Schiffszertifikat,  die  Konnosse- 
mente und  das  Ladungsverzeichnis  des  genannten  Dampfers. 

Die    Hauptpunkte   der   Ansicht   der   Staatsanwälte  sind   folgende: 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  sei  auf  offener  See  be- 
H'hlagnahmt  worden,  und  da  ein  großer  Teil  der  Ladung  wie  Blei, 
Kken,  Nahrungsmittel  und  Getränke  vermöge  ihrer  Bestimmung  nach 
dem  von  dem  Feinde  besetzten  Niutschwang  Kriegskonterbande  seien, 
s(;  sei  die  Beschlagnahme  zu  Recht  ausgeführt  worden.  Aber  das  Schiff 
und  die  in  dem  beigefügten  Verzeichnis  aufgeführten  Güter  seien  frei- 
zugeben. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Ls  steht  fest,  daß  das  Kriegsschiff  „Hongkong  Maru"  die  Beschlag- 
nahme 61/2  Seemeilen  nördlich  von  der  Insel  Kaiming  bei  dem  Shantung- 
V'orgebirge  ausgeführt  hat,  daß  dieselbe  demnach  auf  offener  See  ge- 
schehen ist. 

Da  ein  großer  Teil  der  Ladung  aus  Blei,  Lisen,  Silbergeld,  Reis, 
Vi'eizenmehl,  Wein  und  Bauholz  besteht,  welche  alle  nach  dem  von 
dem  Feifide  besetzten  Niutschwang  bestimmt  waren,  so  hat  der  Kom- 
mandant der  „Hongkong  Maru"  in  der  Vermutung,  daß, diese  Waren 
an  die   feindliche   Armee   oder   Marine   geliefert   werden   würden,   und 

267 


Abschriitt  VI«^ 


Prisengeiichtsentscheidungen :  „Hsi-Ptng''. 


daher  Kriegskonterbande  seien,  i)  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff 
mit  seiner   Ladung  zu   Recht   beschlagnahmt.  2) 

^Da  aber  die  Teile  der  Ladung,  welche  Konterbande  sind,  nicht 
im  Eigentum  der  Reederei,^)  nämlich  der  Kaiping  Minengesellschaft 
stehen,  sicher  auch  nicht  angenommen  werden  kann,  daß  dieselben 
unter  Anwendung  betrügerischer  Mittel  verschifft  vi  orden  sind,  *)  so 
wird  es  für  billig  erachtet,  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  frei- 
zugeben. 

Was  ferner  die  in  dem  beigefügten  Verzeichnis  aufgeführten 
Ladungsteile  angeht,  so  sind  sie  der  Natur  der  Waren  nach  alle  nicht 
als  Konterbande  anzusehen.  Da  sie  auch  nicht  Eigentum  des  Eigen- 
tümers der  Konterbande  sind,  ^)  so  sind  sie  alle  freizugeben. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Am  7.  August  1904  im  Prisengericht  zu  Sasebo. 
(Unterschriften.) 


Verzeichnis  der  Qflter  des 

Dampfers 

„Hsi-Ping'^ 

Nr. 

Art  der  Güter 

Zahl 

Ablader 

Ort  der 
Abladung 

Empfänger 

Bestimmung 

3 

Wollenzeug ")  . 

1 

Weelcs&Co. 

Shanghai 

Mrs.  Bush 

Niutschwang 

231 

Muster    .    .    . 

1 

Carlowitz 

&  Co. 

Bush  Bros 

1) 

253 

Tee    ...    . 

20 

Meichers 

Order 

Tientsin 

254 

Engl,  weiße 

Unterhemden  . 

10 

TuWooKun 

Inhaber 

I» 

255 

Schwarze 

baumw.  Tücher 

5 

»» 

»> 

»» 

256 

Graues  Baum- 
wollengam  aus 

Bombay  .    .    . 

10 

>t 

II 

,, 

294 

Grüner  Tee 

15 

TouSunWo 

TouWaChin 

II 

295 

Verschiedene 
Waren  und 

Französisch. 

Französisch. 

Wagenräder 

14 

Armee 

Armee 

II 

296 

Weifies  Baum- 

wdllengam 

25 

C.  Mac  Ede 

Inhaber 

Chinwantao 

297 

Graues  Baum- 
wollengarn aus 

Bombay  .    .    . 

25 

*) 

j> 

II 

364 

Leinen    .    .    . 

1 

Agentur  der 
P&O.S.N.Co 

JardineMa- 

theson&Co. 

II 

365 

Gips   .... 

440 

KaipingMin- 
ingCo.Ltd. 

Inhaber 

II 

0  V.  §§  5  u.  14.  - 
")  Kleidungsstücke 
klürt.    Vgl.  III. 


-  *)  V.  §  37.  —  •)  V.  8  43,2.  —  *)  V.  §44.  -  '')  V.  §43,1* 
und  deren  Materialien  wurden  erst  später  für  Konterbande  er- 


208 


Prfeengerichtsentscheidungen:  ^^Hsi-Ping".  Abschnitt  VI^^i» 

Reklamant:  The  Union  Insurance  Society  of  Canton  Ltd.,  ver- 
treten durch  E.  C.  Lane,  Shanghai,  Jin-Kee  Road  Nr.  4; 

The  Yangtzse  Insurance  Association  Ltd.,  vertreten  durch  W.  S. 
Jackson,  Shanghai,  Bund  Nr.  26; 

The  World  Marine  Insurance  Company,  vertreten  durch  Ballard 
^  Hunter,  Shanghai,  Canton  Road  Nr.  2; 

The  China  Traders  Insurance  Company  Ltd.,  vertreten  durch 
H.  P,   W  od  man,   Shanghai,   Nanking   Road   Nr.   7. 

ProzeBvertreter:  Die  Rechtsanwälte  Suzuki  Jubi,  Tokio, 
Kvobashiku,  Kagacho  Nr.  8  und  Hatakeyama  Shigeaki,  Naga- 
saki, Hiradomachi  Nr.   18. 

In  der  Prisensache  betreffend  Ladung  des  englischen  Dampfers 
„Hsi-Ping"  wird,  wie  folgt,  entschieden: 

Urteilsformel: 

Die  in  dem  beigefügten  Verzeichnis  A  aufgeführten  Güter  der 
Ladung    des    Dampfers   „Hsi-Ping''   werden    eingezogen. 

Die  Reklamation  betreffend  die  unter  der  Ladung  des  genannten 
Schiffes  befindlichen,  unter  Nummer  4  bis  16,  229  und  244  bis  252 
des  beigefügten  Verzeichnisses  A  und  die  in  dem  beigefügten  Ver- 
zeichnis B  aufgeführten  Güter  wird  abgewiesen. 

Tatbestand   und   Gründe: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  wurden  in  Shanghai,  China, 
auf  dem  englischen  Dampfer  „Hsi-Ping"  verladen  und  verließen  den 
genannten  Hafen  den  11.  Juli  1904  mit  der  Bestimmung  nach  Niut- 
schwang,  China.  Auf  der  Reise  dorthin  wurden  sie  am  14.  d.  M., 
8  Uhr  vormittags,  auf  der  See  etwa  6I/2  Seemeilen  nördlich  von  der 
Insel  Kaiming  bei  dem  Shantung-Vorgebirge,  als  der  Dampfer 
„Hsi-Ping",  weil  er  Konterbande  führe,  von  dem  Kaiserlichen  Kriegs- 
schiff „Hongkong  Maru"  aufgebracht  wurde,  mit  dem  Dampfer  zu- 
sammen mit  Beschlag  belegt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussage  des  Kom- 
mandanten der  „Hongkong  Maru",  Inouye  Toshio,  den  Bericht 
des  Marineoberleutnants  KamuraYasumasa  über  die  Durchsuchung 
der  „Hsi-Ping",  das  Tagebuch,  die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns 
R.  Mac  Farlane,  des  1.  Offiziers  K.  B.  Hayes,  der  Kompradore; 
Paw  Meng  Chiung  und  N.  Wai  Meng,  der  Passagiere  Tang 
M  i  n  g  C  h  i  e  n  ,  A.  H  a  a  s  und  A.  Finkelstein,  durch  die  Konnosse- 
mente, das  Ladungsverzeichnis  und  die  Frachtbriefe,  welche  die  Kompra- 
dores  bei  sich  hatten. 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  der  Vertreter  der  Reklamation 
sind  folgende: 

269 


Abschnitt  VI^«*  Prisengerichtsentscheidungen:  „Hsi-Ping". 

1.  Der  Ort,  an  welchem  der  in  Frage  stehende  Dampfer  aufge- 
bracht worden  ist,  liege  nach  Aussage  des  Kapitäns  in  einer  Entfernung 
von  nicht  ganz  einer  Seemeile  von  der  chinesischen  Küste.  Die  Be- 
schlagnahme sei  demnach  in  neutralem  Hoheitsgewässer  ausgeführt 
worden  und  durchaus  unrechtlich.  Daher  müßten  die  Güter  mit  Recht 
freigegeben  werden. 

2.  Unter  den  Gütern  befänden  sich  Kisen  und  Getränke,  welche 
verschiedene  einzelne  Kaufleute  einem  Spediteur  zur  Beförderung  über- 
geben hätten  und  deren  Empfänger  sie  selber  seien,  so  daß  die  Güter 
nicht  für  die  feindliche   Armee   und   Marine   bestimmt  gewesen   seien. 

Ferner  hätten  die  Eadungseigentümer  und  der  Reeder  die  gleiche 
Art  von  Waren  gewöhnlich  nach  Niutschwang  verschickt.  Auch  hätten 
sie  bei  der  Versendung  der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  zunächst 
bei  dem  chinesischen  Zollamt  angefragt  und  die  Güter  erst  verschifft, 
als  sie  die  Antwort  erhalten  hätten,  daß  sie  nur,  wenn  sie  an  die 
kriegführenden  Staaten  geliefert  werden  sollten,  Konterbande  seien. 
Daraus  könne  man  entnehmen,  daß  die  Absicht,  sie  an  den  Feind  zürn 
Kriegsgebrauch  ziu  liefern,  nicht  bestanden   habe. 

Überdies  seien  derartige  Güter  in  Friedenszeiten  sehr  in  Nach- 
frage in  Niutschwang,  so  daß  sie  regelmäßig  von  Shanghai  eingeführt 
würden.  Auch  in  diesem  Falle  hätten  die  verschiedenen  Ladungs- 
eigentümer die  Güter  lediglich  als  gewöhnliche  Handelswaren  an  ihre 
Hauptgeschäfte  in  Niutschwang  geschickt.  Da  die  Güter  luch  der 
Zahl  nach  als  gering  bezeichnet  werden  müßten,  so  sei  es  eine  über- 
trieben harte  Annahme,  daß  sie  besonders  für  den  Kriegsgebrauch  ge- 
liefert werden  sollten. 

Von  den  Reklamanten  habe 
die  Union  Insurance  Society  of  Canton 

für  die  Güter  unter  Nummer   1,  2,  4  bis  10  des  Verzeich- 
nisses A; 
■die  Yangtsze  Insurance  Association 

für  die  Güter  unter  Nummer   11  bis  20,  201,  22Q,  243  bis 
252  des  Verzeichnisses  A  und  unter  Nummer  31,   32,    19Q 
und  200  des  Verzeichnisses  B  ; 
die  World  Marine  Insurance  Company 

für  die  Güter  unter  Nummer  21  und  22  des  Verzeichnisses  A 
und   unter  Nummer  33,   37  bis  41,   44  bis  46,   50,   59,    103 
und  108  des  Verzeichnisses  B; 
die  China  Traders'  Insurance  Company 

für  die  Güter  unter  Nummer  23  bis  27,  48,  49,  168  and  106 
des  Verzeichnisses  B 
Versicherungsverträge   abgeschlossen.     Da   ihnen    demnach    rechtliches 
Interesse  zustehe,  so  beantragten  sie  Freigabe  der  Güter. 

270 


!       Prisengerichtsentscheidungen:  „Hsi-Ping".  Abschnitt  Vl^^^ 

Die  Hauptpunkte  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  sind  folgende: 

Die  zur  Verhandlung  stehende  Beschlagnahme  sei  auf  offener 
See  geschehen. 

Die  in  den  anliegenden  Verzeichnissen  aufgeführte  Ladung  be- 
>lehe  aus  Konterbande  und  aus  Gütern,  welche  den  Eigentümern  der- 
selben gehörten.     Daher  müsse  sie  ganz  eingezogen  werden. 

Da  ferner  die  Reklamanten  ihr  Interesse  an  den  in  Frage  stehenden 
üfitern  der  Ladung  nicht  bewiesen  hätten,  so  müsse  die  Reklamation 
abgewiesen  werden. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

i.  Daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Aufbringung  in  einer  Ent- 
fernung von  mehr  als  3  Seemeilen  von  der  chinesischen  Küste,  das 
heißt  also  auf  offener  See  geschehen  ist,  geht  aus  der  Aussageschrift  des 
Kommandanten  der  „Hongkong  Maru",  dem  Tagebuch  der  .,Hsi-Ping" 
und  dem  Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns  des  genannten  Dampfers 
ohne  jeden  Zweifel  hervor.  Daher  ist  die  Ausführung  der  Vertreter 
der  Reklamation  im  Punkte  1  unbegründet. 

2.  Da,  wie  bekannt,  Niutschwang  zu  der  fraglichen  Zeit  von  den 
russischen  Truppen  besetztes,  also  feindliches  i)  Gebiet  war,  sind  die 
zur  Verhandlung  stehenden  Güter  alle  nach  Feindesland  bestimmt  ge- 
wesen. 

Da  das  in  dem  beigefügten  Verzeichnis  A  unter  Nummer  249 
b\b  251  aufgeführte  Eisen,  die  Schrauben  und  Zwischen  legeplatten  der 
Nummer  252  als  Material  zum  Bau  von  Kriegs-  oder  anderen  Schiffen 
anzusehen  sind,  so  fallen  sie  unter  die  Konterbande  2)  und  sind  mit 
Recht  einzuziehen. 

Die  Güter  unter  Nummer  1,  2,  4  bis  9,  11  bis  15,  17  bis  22,  201 
bis  219,  221  bis  229,  243  bis  247  des  genannten  Verzeichnisses  sind 
Nahrungsmittel  und  Getränke,  wie  sie  vorzugsweise  von  Europäern 
und  Amerikanern  verbraucht  werden.  Nach  Aussage  von  Paw  Meng 
C  h  i  u  n  g  und  E  d  m  u  n  d  H  a  y  e  s  ist  die  Zahl  der  zurzeit  in  Niutschwang 
ansässig  gewesen  gewöhnlichen  Europäer  und  Amerikaner  außerordent- 
lich gering,  wogegen  russische  Truppen  in  großer  Zahl  dort  lagern. 
Niutschwang  war  zur  fraglichen  Zeit  ein  Hauptetappenort  der  russischen 
Truppen.  Wenn  man  alles  dies  in  Erwägung  zieht,  erscheint  es  unbe- 
streitbar, daß  die  große  Menge  von  Lebensmitteln  und  Getränken  zum 
feindlichen  Kriegsgebrauch  geliefert  werden  sollten.  Da  die  Anführungen 
der  Prozeßvertreter  und  die  von  ihnen  eingereichten  Beweisstücke  alle 
nicht  geeignet  sind,  um  diese  Annahme  umzustürzen,  so  müssen  auch 
diese  Güter  als  Konterbande^)  angesehen  und  eingezogen  werden. 

Da  ferner  die  unter  Nummer  10  des  Verzeichnisses  A  aufgeführte 

1)  V.  §  5.  —  2)  II.  Ziffer  1.  -  3)  II.  Ziffer  2. 

271 


Abschnitt  vi^^^i^  Prisengerichtsentscheidungen :  „Hsi-Ping'*. 

Tinte  dem  Eigentümer  der  Konterbande  unter  Nummer  9;  die  Schleif- 
steine unter  Nummer  16  dem  Eigentümer  der  Konterbande  unter 
Nummer  15;  das  Parfüm  unter  Nummer  220  dem  Eigentümer  der 
Konterbande  unter  Nummer  219  gehören  und  die  Kerzen  unter  Nummer 
248  nach  dem  auf  der  Rückseite  des  Ladescheins  angegebenen  Namen 
und  der  diesbezüglichen  Bescheinigung  des  Kompradore  Paw  Meng 
Chiung  vom  Dampfer  „Hsi-Ping"  im  gleichen  Eigentum  stehen  x^i^ 
Konterbande  unter  Nummer  244  ff.,  so  sind  diese  Güter  jedenfalls  ein- 
zuziehen. *) 

Die  Vertreter  der  Reklamation  behaupten,  daß  die  Reklamanten 
bezüglich  von  Gütern  aus  dem  Verzeichnis  A  Versicherungsverträge 
abgeschlossen  und  daher  rechtliches  Interesse  an  ihnen  hätten.  Bezüg- 
lich der  Güter  unter  Nummer  4  bis  16,  229,  244  bis  252  dieses  Ver- 
zeichnisses ist  indes  das  Vorhandensein  von  Versicherungsverträgen  nicht 
bewiesen  worden,  und  da  keine  Spur  dafür  vorliegt,  daß  sie  sonst 
ein  rechtliches  Interesse^)  an  ihnen  haben,  so  ist  die  Reklamation  mit 
Bezug  auf  sie  ungesetzlich  und  muß  abgewiesen  werden. 

Die  Vertreter  der  Reklamation  haben  am  14.  September  1904  die 
Reklamation  bezüglich  der  im  Verzeichnis  A  aufgeführten  Güter  er- 
hoben. Später,  am  14.  Dezember,  als  die  Reklamationsfrist«)  schon 
abgelaufen  war,  haben  sie  die  Reklamation  auf  die  in  dem  Verzeichnis  B 
aufgeführten  Güter  ausgedehnt.  Da  aber  diese  hinzugetretenen  Güter 
in  der  ursprünglichen  Reklamationsschrift  nicht  enthalten  gewesen  sind, 
so  muß  man  die  Reklamation  bezüglich-  ihrer  für  eine  neue  Reklamation 
erklären.  Da  ferner  diese  Reklamation  nach  Ablauf  der  Reklamations- 
frist erhoben  ist,  so  muß  sie  als  ungesetzlich  abgewiesen  werden. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  17.  Dezember  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Beisein 
des  Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurokuro. 

(Unterschriften.) 


4)  V.  §  43.  -  s)  IV.  §  16.  ->  6)  a.  a.  O. 


2.72 


PriMBgerichtsmtscheidungen :  „Hsi'Ping". 


Abschnitt  VI  i*k 


Verzeichnisse  der  auf  dem  Dampfer  „Hsl-Plng"  versdiifften  Güter. 

Verzeichnis  A. 


.Nr.  dM 
Ltdong*- 

T»r- 
incbBisMt 


Art  der  Güter 


Zahl  der 
Stacke 


Absender 


Empfänger 


1 

2 

•  4 

5 

6 

7 

8 

9 

10 

11 

12 

13 

14 

15 

16 

17 

18 

19 

20 

21 

22 

201 

202 

203 
204 
205 
206 
207 
206 
209 
210 
211 
212 
213 
214 
215 
216 
217 
218 
219 
220 
221 
222 
223 
224 


Bier  .... 
Konserven .  . 
Bier  .... 
Lachs  .  .  . 
Cherry  Cordtal 
Bier  .... 
Champagner  . 
Margarine  .  . 
Tinte,  .  .  . 
Zucker  .  .  . 
Rotwein .  .  . 
Zucker  .  .  . 
Gin  ...  . 
Champagner  . 
Schleifsteine  . 
Bier  .... 
Rotwein .  .  . 
Champagner  . 
Cognac .  .  . 
Bier  .... 
Rotwein.  .  . 
Bier  .... 
Wein.    .    .    . 


Bier  .... 
Ananas  .  .  . 
Früchte.  .  . 
Käse.  .  .  . 
Pickles  .  .  . 
Tomaten  .  . 
Whisky .  .  . 
Oriental  Water 
Rum  .... 
Champagner  . 
Bier  .... 
Q^ac .  .  . 
Champagner  . 
Bier  .... 
Cognac .  .  . 
Champagner  . 
Parfümerien  . 
Milch  .  .  . 
Bier  .... 
Cognac .  .  . 
Champagner  . 


50  Kisten 
38  . 
10  . 
10  n 
10  , 
20      , 

7      , 

2      . 

1  Kiste 
25  Kisten 

2  . 

1  Kiste 
30  Kisten 
20      , 

1  Kiste 

200  Kisten 

50      , 

20      . 

40      , 

450      . 

100      , 

1000      . 

38      , 


18 
29 
10 
15 
8 
8 
10 
10 

100 
10 

105 
10 
15 
10 
10 
15 
10 
1 

11 
10 
15 
10 


Kiste 
Kisten 


Irvine,Edblad&Co. 
Tun  Chong  Yu 


A.  Chazalon  &  Co. 


A.  Haas 
Caldbeck,  Mc. 
Gregor  &  Co. 

A.  Finkelstein 


Order 


A.  Haas 
Hgkg.  &  Shgh. 

Bank 
A.  Milkoff 
Order 


A.  Danon 


Marstrand-Meohlenburir,  Dm  Japuiisohe  Prisenreolit.    Buid  I.     (18) 


273 


AbschiHtt  VlWk 


PrismgerichtsentschetduBgen:  „Hsi-Ping" 


Nr.  des 
hadvcagi- 

lelohnliseB 


Art  der  Güter 


Zahl  der 
Stacke 


Absender 


Empfänger 


225 
226 
227 
228 
229 

243 
244 
245 
246 
247 
248 
249 
250 
251 
252 


23 

24 

25 

26 

27 

31 

32 

33 

37 

38 

39 

40 

41 

44 

45 

46 

48 

49 

50 

59 

103 

118 

168 

196 

199 

200 


Bier 

Cognac 

Champagner  .  .  . 
Weizenmehl  .  .  . 
Europ.  Lebensmittel 

Lebensmittel  .    .    . 

Früchte 

Lachs    

Rahm 

Bier 

Lichte  .  .  .  .  . 
Eisen 


10 

15 

10 

1000 

1 

69 
500 
100 
200 
200 
100 
40 
50 
100 


Kisten 


Sack 
Kiste 

Kisten 


A.  Danon 


Franju,  Sorabju  & 

Co. 
Christoph  Decker 
Unbekannt 


Kolli 


Schrauben  und 
Zwischenlegscheiben 


Reis 


Weizenmehl 


Reis  .    .    . 

»    •    •    • 

Weizenmehl 


Tee 


Weizenmehl 


Bier  .... 
Cognac .  .  . 
Zucker  .  .  . 
Reis  .... 
Nanking-Stoffe 
Tee   ...    . 


13  Kisten 


Verzeichnis  B. 


208 

214 

200 

200 

212 

500 

500 

500 

281 

323 

2000 

1000 

1000 

50 

50 

100 

1000 

1000 

1000 

20 

50 

60 

210 

30 

50 

50 


Sack 


Kisten 


Sack 


Kisten 


Sin  Chong  Yung 


Yong  Dong  Wo 
Tong  Shin  Yo 
Teng  Sang  Shing 
Yung  Hsing  Chong 


Zui  Chong 

» 
n 

Sing  Chong  Yung 
Yuen  Tack  Yu 

m 

Kai  Fing  Chang 
Yuen  Tack  Yu 
Tack  Fa  Ha 
Chi  Chi 
Yung  Shing  Chang 


Order 


Christoph  Decker 
Unbekannt 


Sin  Chong  Yung 


Yong  Dong  Wo 
Tong  Shin  Yo 
Teng  Sang  Shing 
Yung  Hsing  Chong 


Yi  Ching  Tai 
Yi  Shun  Hwa 
Hing  Mon  Fuh 
Sing  Chong  Yung 

n 

Yuen  Tack  Yu 

Order 

Yuen  Tack  Yu 
Chang  Loong  Tai 
Ming  Ki  Chow 
Hing  Moh  Chang 


274 


PriMBgerichtseiitschelduiigen:  „Hsl-Ping".  Abschnitt  VIi<k 

Reklamanten:  The  Union  Insurance  Society  of  Canton  Ltd.,  ver- 
treten durch   E.  C  Lane,  Shanghai,  Ying-kee  Road  Nr.  4; 

The  Yangtsze  Insurance  Association  Ltd.,  vertreten  durch  W.  S. 
Jackson,  Shanghai,  Bund  Nr.  26; 

The  »World  Marine  Insurance  Company,  vertreten  durch  B  a  11  a  r  d 
&  Hunt  er,  Shanghai,  Canton  Road  Nr.  2; 

The  China  Traders'  Insurance  Company  Ltd.,  vertreten  durch 
H.  P.  Wodman,  Shanghai,  Nanking  Road  Nr.  7. 

ProzeBvertreter:  Die  Rechtsanwälte  Suzuki  Jubi,  Tokio, 
Kyobashiku,  Kagacho  Nr.  8  und  HatakeyamaShigeaki,  Nagasaki, 
Hiradomachi  Nr.  18. 

Am  17.  Dezember  1904  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der 
Prisensache  betreffend  Ladung  des  englischen  Dampfers  „Hsi-Ping", 
welcher  am  14.  Juli  1904  auf  37  <>  34 '  n.  Br.  und  122  »  29 '  ö.  L.  von  dem 
Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Hongkong  Maru"  beschlagnahmt  worden  ist, 
auf  Einziehung  der  in  dem  dem  Urteil  beigefügten  Verzeichnis  A  auf- 
geführten Güter  und  auf  Abweisung  der  Reklamation  betreffend  die  unter 
der  Ladung  des  genannten  Schiffes  befindlichen,  unter  Nummer  4  bis  16, 
229  und  244  bis  252  des  Verzeichnisses  A  und  die  in  dem  gleichfalls  dem 
Urteil  beigefügten  Verzeichnis  B  aufgeführten  Güter  entschieden. 

Gegen  dieses  Urteil  haben  E.  C.  Lane,  als  Vertreter  des  Rekla- 
manten Union  Insurance  Society  of  Canton  Ltd.;  W.  S.  Jackson  als 
Vertreter  des  Reklamanten  Yangtsze  Insurance  Association  Ltd. ;  B  a  1  - 
lard&Hunterals  Vertreter  der  Reklamanten  World  Marine  Insurance 
Company  und  H.  B.  Wodman  als  Vertreter  des  Reklamanten  China 
Traders'  Insurance  Company  durch  die  Rechtsanwälte  Suzuki  Jubi 
und  Hatakeyama  Shigeaki  als  Prozeß  Vertreter  die  Berufung  ein- 
gelegt, welche  im  Beisein  des  Staatsanwalts  Dr.  jur.  Ishiwatari 
Binichi  beim  Oberprisengericht  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptberufungspunkte  der  Vertreter  der  Reklamation  Suzuki 
Jubi  und  HatakeyamaShigeaki  und  deren  Gründe  sind  folgende : 

Die  Reklamanten  hätten  für  die  Güter  von  Irvin,Edblad&Co., 
A.Haas.  Caldbeck,  Macgregor  &  Co.,  A.  Finkelstein, 
Alfred  Danon,  Franju  Sorabju  &  Co.  und  Christoph 
Decker  See- Versicherungsverträge  abgeschlossen.  Wenn  diese  Güter 
eingezogen  würden,  so  liege  ihnen  die  Deckung  des  Schadens  ob, 
so  daß  sie  an  der  Angelegenheit  stark  interessiert  seien. 

Die  Zahl  der  von  der  Reklamation  betroffenen  Güter  sei  sehr  groß. 
Die  wichtigsten  unter  ihnen  seien  aber  Eisen,  Weizenmehl  und  Zucker, 
gewöhnliche  Spirituosen  und  andere  Getränke  und  Lebensmittel,  welche 
alle  unter  Ziffer  2  der  Instruktion  des  Marineministeriums  Nr.  1  vom 
Jahre  1904')  fielen.  Sie  seien  daher  nur  Konterbande,  (1)  wenn  sie  an  die 

(18*)  275 


Abschnitt  Vl^^^  Prisengerichtsentscheidungen:  „Hsi-Ping"'. 

feindliche  Armee  oder  Marine  bestimmt  wären  oder  (2)  wenn  an- 
genommen werden  müsse,  daß  sie  zum  Gebrauch  der  feindlichen  Armee 
oder  Marine  geliefert  werden  würden.  Die  genannten  Güter  seien  indes 
von  verschiedenen  einzelnen  Kaufleuten  einem  Transportgeschäft  zur 
Beförderung  übergeben  und  offenbar  nicht  für  die  feindliche  Armee 
oder  Marine  bestimmt.  Das  sei  auch  aus  der  Entscheidung  betreffend 
den  Dampfer  „Hsi-Ping", «)  auf  dem  die  Güter  verladen  seien,  zu  ent- 
nehmen. 

Was  des  weiteren  die  Frage  angehe,  ob  sie  für  den  Gebrauch  der 
feindlichen  Armee  oder  Marine  hätten  geliefert  werden  sollen,  so  be- 
förderten die  Ladungseigentümer  und  Reeder  gewöhnlich  solche  Güter 
als  Handelswaren  nach  Niutschwang  und  betrieben  dieses  Geschäft 
schon  seit  lange.  Da  zu  der  fraglichen  Zeit  gerade  Krieg  bestanden 
habe,  so  hätten  die  Reklamanten,  um  sicher  zu  sein,  daß  sie  die  nega- 
tiven Pflichten  neutraler  Staatsangehöriger  nicht  verletzten,  ausdrücklich 
sich  bei  der  chinesischen  Zollbehörde  erkundigt,  und,  wie  sich  aus  dem 
Beweisstück  A  1  ergebe,  die  Antwort  erhalten,  daß  Reis,  Weizenmehl, 
Zucker,  Petroleum  und  Silbergeld  keine  Konterbande  seien,  wenn  sie 
nicht  zum  Gebrauch  der  kriegführenden  Mächte  geliefert  werden  sollten. 
Erst  danach  seien  die  Güter  versandt  worden.  Wenn  die  Eigentümer 
den  Zweck  verfolgt  hätten,  sie  zum  Gebrauch  einer  der  kriegführenden 
Mächte  zu  liefern,  so  liege  kein  Grund  vor,  weshalb  sie  die  Vorsicht 
geübt  haben  sollten,  sich  diese  Antwort  zu  verschaffen.  Vielmehr  müsse 
man  daraus  schließen,  daß  sie  nicht  zum  Gebrauch  des  Feindes  hätten 
geliefert  werden  sollen. 

Daß  in  Niutschwang  nach  derartigen  Waren  starke  Nachfrage 
herrsche  und  daß  dieselben  stets  von  Shanghai  und  anderen  Plätzen 
dort  eingeführt  würden,  gehe  aus  Beweisstück  A  6  hervor. 

Da  ferner  die  verschiedenen  Eigentümer  alle  in  Niutschwang  ihre 
Hauptgeschäfte  hätten,  so  hätten  sie  die  Güter  lediglich  als  Handels- 
objekte bestellt.  Wenn  Kaufleute  Güter  als  Handelsobjekte  kommen 
ließen,  welche  sie  in  gleicher  Art  schon  mehrere  Jahrzehnte  lang  hätten 
kommen  lassen,  die  Zahl  der  Güter  auch  gering  sei,  so  sei  es  eine  un- 
billige Härte,  anzunehmen,  daß  sie  zum  Gebrauch  des  Feindes  geliefert 
werden  sollten.  Wenn  auch  einige  von  den  aufgebrachten  Gütern  sich 
in  der  Zollstatistik  ^) .  nicht  fänden,  so  sei  der  Grund  der,  daß  gewisse 
Lebensmittel  zum  Gebrauch  in  Speisewirtschaften  oder  zum  gewöhnlichen 
Bedarf  dienten  und  nicht  besonders  in  der  Zollstatistik  zur  Eintragung 
gelangten.  Sie  würden  unter  der  Rubrik  „Verschiedehe  Waren"  ein- 
gestellt, seien  aber  bis  jetzt  tatsächlich  eingeführt  worden. 


«)  VI.  18a. 

s)  Eins  der  Beweisstücke  ist  eine  Zollstatistik  von  Niutschwang,  welche  beweisen 
soll,  daß  auch  in  Friedenszeiten  Guter  wie  die  in  Frage  stehenden  einen  Markt  hatten« 

276 


Prisengerichtsentscheidungen;  „Hsi-Ping".  Abschnitt  VI^** 

Auch  seien  unter  den  von  der  Reklamation  betroffenen  Gütern 
einige,  welche  zu  den  richtigen  Nichtkonterbandegütern  gehörten. 

Wenn  die  japanische  Seeprisenordnung  ^o)  im  §  43  sage,  daß  Kriegs- 
konterbandegüter  und  die  dem  Eigentümer  derselben  gehörigen  Güter 
eingezogen  würden,  so  glaube  der  Reklamant,  daß  mit  dem  Eigentümer 
von  Kriegskonterbandegütern  der  Eigentümer  absoluter  Kriegskonter- 
bande gemeint  sei  und  daß  der  Eigentümer  von  Gütern,  welche  unter 
gewissen  Umstanden  eingezogen  werden  könnten,  darin  nicht  einbegriffen 
sei.  Denn  die  Einziehung  von  Nichtkonterbandegütern  sei  die  Strafe  für 
den  Transport  von  Konterbandegütern.  Im  Falle  von  Transport  abso- 
lut«' Konterbande  müsse  freilich  der  Eigentümer  derselben,  weil  zu 
vermuten  sei,  daß  er  einer  der  kriegführenden  Parteien  haben  nützen 
vollen,  bestraft  werden.  Aber  bezüglich  der  bedingten  Konterbande 
verde  die  Einziehung  oder  die  Freigabe  je  nach  den  von  dem  be- 
troffenen Staat  angenommenen  Tatsachen  verfügt,  so  daß  also  eine 
Vermutung  wie  im  obigen  Falle  nicht  bestehe  und  ein  Grund  zur 
Bestrafung  nicht  vorliege. 

Es  werde  daher  Aufhebung  des  ganzen  Urteils  erster  Instanz 
und  Freigabe  der  auf  dem  Dampfer  „Hsi-Ping"  verladenen,  in  dem  der 
Reklamationsschrift  beigefügten  Verzeichnis  stehenden  aufgebrachten 
Güter  beantragt. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  der  Staatsanwälte  beim  Prisen- 
gericht zu  Sasebo,  Mizukami  Chojiro  und  Yamamoto  Tatsu- 
rokuro  sind  folgende: 

1.  Es  sei  bekannt,  daß  Niutschwang  zur  Zeit  der  Beförderung 
der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  von  den  russischen  Truppen 
besetzt,  demnach  feindliches  Gebiet  gewesen  sei.  Das  bestreite  auch 
der  Reklamant  nicht. 

Daß  femer  die  unter  den  von  der  Reklamation  betroffenen  Gütern 
befindlichen  Eisenschrauben  und  Zwischenlegeplatten  den  von  der 
Instruktion  des  Marineministeriums  Nr.  1 1^)  erwähnten  Materialien  zum 
Bau  und  zur  Ausrüstung  von  Kriegs-  und  anderen  Schiffen  entsprächen 
und  absolute  Konterbande  seien,  stehe  außer  jedem  Zweifel. 

Die  übrigen  Güter  seien  Lebensmittel  und  Getränke,  welche  nach 
Art  und  Verwendung  alle  für  den  Bedarf  von  Europäern  und  Amerikanern 
geeignet  seien.  Zu  der  fraglichen  Zeit  hätten  aber  in  Niutschwang  viele 
russische  Truppen  gelegen,  wogegen  gewöhnliche  Europäer  und  Ame- 
rikaner nur  in  geringer  Zahl  vorhanden  gewesen  seien.  Außerdem  müsse 
daraus,  daß,  wie  bekannt,  Niutschwang  zu  jener  Zeit  einer  der  Haupt- 
etappenorte gewesen  sei,  unzweifelhaft  geschlossen  werden,  daß  die 
Güter,  wenn  sie  nach  Niutschwang  gelangt  wären,  sofort  zum  Gebrauch 
der  feindlichen  Truppen  gedient  haben  würden.     Güter,  welche  nach 

*•)  V.  —  ")  II. 

277 


Abschnitt  Vl^t^  Prisengerichtsentscheiduiigeii:  „Hsi-Pfng". 

feindlichem  Gebiet  bestimmt  seien,  und  von  denen  angenommen  werde, 
daß  sie  zum  Gebrauch  der  feindlichen  Truppen  geliefert  werden  würden, 
müßten  unter  die  Instruktion  Nr.  1  des  Marineministeriums  fallen. 

Es  sei  demnach  zu  Recht  geschehen,  wenn  das  Gericht  erster 
Instanz  diese  Güter  für  Kriegskonterbande  angesehen  und  nach  den 
Regeln  des  Völkerrechts  eingezogen  habe.  Daher  sei  die  Berufung  der 
Reklamanten  unbegründet 

2.  Es  sei  ein  völkerrechtlicher  Grundsatz  und  auch  in  der  japa- 
nischen Prisenordnung  klar  ausgesprochen,  daß  als  Strafe  für  Kriegs- 
konterbari dfetransport  die  Kriegskonterbandegüter  selbstverständlich,  aber 
auch  diejenigen  Nichtkonterbandegüter,  welche  auf  demselben  Schiff 
nach  demselben  Bestimmungsort  verschifft  worden  seien  und  dem  Eigen- 
tümer der  Kriegskonterbande  gehörten,  der  Einziehung  verfallen  müßten. 
Daher  sei  es  belanglos,  ob  die  Konterbandegüter  absolute  oder  bedingte 
seien.  Es  sei  daher  richtig,  wenn  das  Gericht  erster  Instanz  unter  Zu- 
grundelegung des  oben  dargelegten  Sachverhalts  und  in  Gemäßheit  der 
völkerrechtlichen  Regeln  und  der  Bestimmungen  der  japanischen  See- 
prisenordnung die  Nichtkonterbande  eingezogen  habe,  weil  dieselbe  im 
gleichen  Eigentum  stehe  wie  die  Konterbande. 

Da  wie  oben  ausgeführt,  das  Urteil  erster  Instanz  in  dieser  Sache 
zutreffend  und  die  Berufung  unbegründet  sei,  so  müsse  die  Berufung 
abgewiesen  werden. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

Es  bedarf  keiner  Erörterung,  daß  Niutschwang  zu  dem  chinesischen 
Hoheitsgebiet  gehört  und  kein  russisches  Territorium  ist.  Der  Kaiser- 
liche Konsul  Segawa  in  Niutschwang  hat  berichtet,  daß 

Rußland,  seitdem  es  diesen  Platz  besetzt  gehabt,  dort  eine 
Zivilverwaltungsbehörde  eingerichtet  und  bis  zum  25.  Juli 
1904  die  Flagge  eines  Zivilverwaltungsamtes  geführt  habe. 
Dies  habe  mit  dem  Morgen  jenes  Tages  plötzlich  aufgehört 
und  es  sei  wieder  die  Konsulatsflagge  geheißt  worden.  Beim 
Eindringen  unserer  Truppen  sei  die  französische  Flagge  auf- 
gezogen worden. 

Es  ist  somit  bekannt,  daß  zur  Zeit,  als  die  in  Streit  befangenen 
Güter  aufgebracht  wurden,  Niutschwang  tatsächlich  unter  russischer 
Verwaltung  stand,  daß  der  Feind  dort  nicht  nur  viele  Truppen  liegen, 
sondern  auch  einen  Hauptetappenort  eingerichtet  hatte.  Wenn  daher 
Güter  dorthin  befördert  wurden,  so  muß  das  ebenso  angesehen  werden, 
als  ob  sie  nach  feindlichem  Gebiet  bestimmt  seien,  i^)  Es  ist  daher  klar, 
daß  die  Güter,  wenn  sie  die  Voraussetzungen  von  Kriegskonterbande 
erfüllen,  weggenommen  werden  müssen. 

'')  V.  §  5. 
278 


Prisangerichtoentscheidangeii :  „Hsi-Plng".  Abschnitt  VI » k 

Die  bei  den  Reklamanten  versicherten  Güter  des  Verzeichnisses  A, 
nämlich  Eisen,  Schrauben,  Zwischenlegescheiben,  sind  Material  zum  Bau 
von  Kriegs-  und  anderen  Schiffen  und  daher  selbstverständlich  Kriegs- 
konterbande. 1*)  Die  übrigen  Güter  sind  meistens  Lebensmittel  und  Ge- 
tränke, welche  ihrer  Art  nach  vorzugsweise  dem  Bedarf  von  Europäern 
und  Amerikanern  dienen.  Da  zu  der  fraglichen  Zeit  in  Niutschwang 
friedliche  Europäer  und  Amerikaner  nur  in  geringer  Zahl  ansässig  waren, 
und,  wie  oben  dargetan,  der  Platz  ein  russischer  Hauptetappenort  war, 
so  muß  angenommen  werden,  daß  die  fraglichen  Güter,  wenn  sie  dort 
eingetroffen  wären,  sofort  zum  Gebrauch  der  feindlichen  Truppen  ge- 
liefert worden  wären.  Das  gegenwärtige  Völkerrecht  erkennt  aber  an,  daß 
Lebensmittel  und  Getränke,  welche  nach  feindlichem  Gebiet  gehen  und 
zum  feindlichen  Kriegsgebrauch  geliefert  werden  sollen,  bedingte  Konter- 
bande sind.  **)  Es  muß  daher  als  zutreffend  anerkannt  werden,  wenn 
das  Urteil  erster  Instanz  bezüglich  dieser  Güter  die  Einziehung  erklärt 
hat^*)  Bei  der  Beförderung  von  Kriegskonterbande  ist  es  nicht  an- 
gebracht, offen  zu  sagen,  daß  es  sich  um  Konterbande  handelt;  vielmehr 
sucht  man  das  Unternehmen  so  zu  bemänteln,  daß  es  äußerlich  den  An- 
schein eines  einwandsfreien  Transports  hat.  Wenn  daher  bei.  der  Ab- 
reise eine  ausdrückliche  Anfrage  beim  Zollamt  gemacht  worden  ist,  ehe 
der  Transport  ausgeführt  wurde,  so  ist  das  durchaus  nicht  geeignet,  die 
obige  Annahme  umzustürzen. 

Ferner  ist  es  völkerrechtlich  anerkannt,  daß  Güter,  welche  auf  dem- 
selben Schiffe  wie  Konterbandegüter,  die  nach  Feindesland  eingeführt 
werden  sollten  und  aufgebracht  wurden,  befindlich  sind  und  dem  Eigen- 
tümer der  Konterbande  gehören,  obwohl  sie  keine  Konterbande  sind,  zu- 
sammen mit  der  Konterbande  eingezogen  werden  können,  i«)  Es  ist 
daher  zu  Recht  geschehen,  wenn  das  Urteil  erster  Instanz  mit  dieser 
Begründung  auch  die  Nichtkonterbandegüter  eingezogen  hat. 

Die  Reklamanten  haben  Freilassung  der  Güter  beantragt,  haben  aber 
bezüglich  derjenigen  Güter,  welche  in  dem  Verzeichnis  A  des  Urteils 
erster  Instanz  aufgeführt  sind  und  bezüglich  derer  die  Reklamation  ab- 
gewiesen ist,  nicht  bewiesen,  daß  sie  für  dieselben  Versicherungsverträge 
abgeschlossen  haben.  Auch  sonst  ist  kein  Beweis  für  das  Vorhanden- 
sein von  rechtlichem  Interesse  erbracht  worden. 

Was  weiter  die  Reklamation  betreffend  die  in  dem  Verzeichnis  B 
des  Urteils  erster  Instanz  aufgeführten  Güter  angeht,  so  geht  es,  wie 
das  Urteil  sagt,  aus  den  Akten  unzweifelhaft  hervor,  daß  sie  nach  Ab- 
lauf der  Reklamationsfrist  erhoben  worden  ist.  Sie  kann  daher  nicht 
angenommen  werden. 


»»)  II  Ziffer  l.  -  ")  II.  Ziffer  2.  -  ««)  V.  §  43.  -  »«)  V.  §43. 

279 


Abschnitt  VIi>«  Prisengerichtsentscheidungen:  „Hsi-Ping*'. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  25.  Dezember  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


Reklamanten:  TängMingChien,  Geschäftsführer  der  Firmen 
Kai  Fing  Chiang  und  Shang  Fa  Yun  in  Shanghai,  Kiangsi 
Road  Nr.  94 ;  die  chinesischen  Staatsangehörigen  Kwang  Shun,. 
Yuen  Ching  Dah,  Tun  Chong  Yu,  Yung  Hsing  Chong, 
Tong  FoungTai,  Ku  FoungTai,  KongChangTong,  Hon 
Shan  Ching,  Wai  Fah  Hua,  Yuen  Chan  Kung,  Yu  Chan 
Wo,  Fung  Shun  Yung,  Yuen  Fang,  Hi  Ta  Cheong,  Yuen 
FahHoa,LoongHingYuen,SinChangYu,HaChfChing. 
Am  Cheong,  TongFag  Ha,  HongFa  Ha,  Dah  ShingTing^ 
Yue  Fah  Yuen,  ZuiChong,Pow  Yuen  Ta,WanCheangTa,^ 
Whai  Chong  Loong,Loong  Fa  Ha,  Tack  Tai  Hsing,  Chi 
Chi,  Tack  Wo  Cheong,  Chin  Ta  Foong,  Tack  Cheang^ 
Yuen,  Fa  Yuen  Ho,  Tong  Shun  Shing,  Yuen  Tack  Yue, 
Nan  Shun  Ta,  Tack  Cheong  Yong,  Yue  Ta  Shing,  Tong; 
Shing  Yo,  Yong  Dong  Wo  und  Teng  Sang  Shing  sämtlich 
wohnhaft  in  Shanghai,  der  griechische  Staatsangehörige  O.  Rapanaki 
und  türkische  Staatsangehörige  A.  Y.  Levinson. 

Prozeßvertreter:  Die  Rechtsanwälte  Suzuki  Jubi,  Tokio^ 
Kyobashiku,  Kagacho  Nr.  8  und  Hatakeyama  Shigeaki,  Naga- 
saki, Hiradomachi  Nr.  18. 

In  der  Prisensache  betreffend  Ladung  des  englischen  Dampfers 
„Hsi-Ping"  wird,  wie  folgt,  entschieden: 

Urteilsformel: 
Die  auf  dem  Dampfer  „Hsiping"  verschifften,  in  dem  beigefügten 
Verzeichnis  unter  Nummer  23  bis  84,  88  bis  156, 168  bis  189,  190, '200,  230 
232  bis  242,  257  bis  293,  298  bis  363  aufgeführten  Güter  werden  ein- 
gezogen; die  unter  Nummer  85  bis  87,  157  bis  167,  190  bis  198  werden 
freigegeben. 

Tatbestand   und   Gründe: 
Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  sind  in  Shanghai  auf  dem 
englischen  Dampfer  „Hsi-Ping''  verschifft  und  am   11.  Juli  1904  von 

280 


Prisengerichtoentscheidunyen:  „Hsi-Ping".  Abschnitt  VIi>» 

dort,  wie  sich  aus  dem  beigefügten  Verzeichnis  ergibt,  nach  Niutschwang, 
Tientsin  und  Chinwantao  in  China  abgeschickt  worden.  Auf  der  Reise 
dorthin  wurden  sie  am  14.  d.  M.,  8  Uhr  vormittags,  auf  der  See  etwa 
61/2  Seemeile  nördlich  von  der  Insel  Kaiming  bei  dem  Shantung' Vor- 
gebirge, als  der  Dampfer  „Hsi-Ping",  weil  er  Konterbande  führe,  von 
dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Hongkong  Maru"  aufgebracht  wurde, 
mit  dem  Dampfer  zusammen  mit  Beschlag  belegt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Kommandanten  der  „Hongkong  Maru",  InouyeYoshio,  den  Bericht 
des  Marineoberleutnants  KamuraYasumasu  über  die  Durchsuchung 
der  „Hsi-Ping'',  die  Abschrift  des  Tagebuchs,  die  Vernehmungsprotokolle 
des  Kapitäns  R.  Mac  Farlane,  des  1.  Offiziers  E.  B.  Hayes,  der 
Kompradores  Paw  Meng  Chiung  und  N.  Wai  Meng,  der  Passa- 
giere Tang  Ming  Chien,  O.  Rapanaki  und  Levinson,  durch 
die  Konnossemente,  das  Ladungsverzeichnis  und  die  Frachtbriefe,  welche 
die  Kompradores  bei  sich  hatten. 

Die   Hauptpunkte  der  Vertreter  der  Reklamation  sind  folgende: 

1.  Der  Ort,  an  welchem  der  in  Frage  stehende  Dampfer  auf- 
gebracht worden  sei,  liege  nach  Aussage  des  Kapitäns  in  einer  Ent- 
fernung von  nicht  ganz  einer  Seemeile  von  der  chinesischen  Küste. 
Die  Beschlagnahme  sei  demnach  in  neutralem  Hoheitsgewässer  aus- 
geführt worden  und  durchaus  unrechtlich.  Daher  müßten  die  Güter 
mit  Recht  freigegeben  werden. 

2.  Was  das  unter  den  nach  Niutschwang  bestimmten  Gütern  be- 
findliche Blei  angehe,  so  scheine  es  allerdings,  als  ob  es  durch  Ziffer  1 
der  Instruktion  des  Marineministeriums  Nr.  1  vom  Jahre  1904^)  be- 
troffen werde.  In  dieser  Instruktion  sei  „Blei"  indes  nur  in  Klammer 
hinter  „Waffen,  Munition,  Explosivstoffe  und  deren  Materialien"  auf- 
geführt, so  daß  es  nicht  absolut  als  Konterbande  angesehen  werden 
könne.  Vielmehr  sei  die  richtige  Auslegung  die,  daß  es  nur  als  Konter- 
bande festgesetzt  sei,  wenn  es  als  Material  für  Waffen  und  Munition 
dienen  solle.  Da  in  Niutschwang  kein  Arsenal  bestehe,  so  könne  das 
zur  Verhandlung  stehende  Blei  nicht  als  Material  für  Waffen  angesehen 
Verden.  Daß  es  jährlich  in  sehr  großer  Menge  zu  Friedenszwecken 
nach  Niutschwang  eingeführt  werde,  lasse  sich  aus  Beweisstück  A  6 
entnehmen.  Auch  das  hier  in  Frage  stehende  Blei  sei  nicht  zum  Kriegs- 
gebrauch bestimmt  und  daher  keine  Kriegskonterbande. 

Auch  der  Reis,  das  Weizenmehl,  der  Tee,  der  Zucker,  das  Bau- 
holz und  das  Silbergeld,  welche  unter  Ziffeär  2  der  genannten  Ministerial- 
instruktion  Nr.  1  fielen,  würden  erst  Kriegskonterbande,  wenn  sie  für 
die  feindliche  Armee  oder  Marine  bestimmt  seien  oder  angenommen 

281 


Abschnitt  VI»«  Prisengerichteentschef düngen :  „Hsi-Ping'*. 

werden  müsse,  daß  sie  für  den  Gebrauch  der  feindlichen  Armee  oder 
Marine  dienen  würden.  Da  aber  die  entsprechenden,  zur  Verhandlung 
stehenden  Güter  von  verschiedenen  einzelnen  Kaufleuten  einem  Spe- 
diteur zur  Beförderung  übergeben  worden  und  diese  selber  deren  Emp- 
fänger seien,  so  sei  es  klar,  daß  sie  nicht  für  die  feindliche  Armee  oder 
Marine  bestimmt  gewesen  seien. 

Ferner  hätten  die  Ladungseigentümer  und  der  Reeder  bei  der 
Verladung  der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  zunächst  bei  dem 
chinesischen  Zollamt  angefragt  und  die  Güter  erst  verschifft,  als  sie 
die  in  Beweisstück  A  1  niedergele^e  Antwort  der  Zollbehörde  erhalten 
hätten,  daß  Reis,  Weizenmehl  und  Silbergeld  nur,  wenn  sie  an  die  krieg- 
führenden Staaten  geliefert  werden  sollten,  Konterbande  seien.  Daraus 
könne  man  mehr  als  zur  Genüge  entnehmen,  daß  die  Absicht,  sie  zum 
Gebrauch  des  Feindes  zu  liefern,  nicht  bestanden  habe. 

Aus  dem  Beweisstück  A  6  gehe  hervor,  d^ß  derartige  Güter  in 
Niutschwang  zu  Friedenszeiten  sehr  in  Nachfrage  stünden,  so  daß  sie 
regelmäßig  von  Shanghai  eingeführt  würden. 

Des  weiteren  täten  die  Beweisstücke  A  2  bis  4  dar,  daß  die 
Ladungseigentümer,  welche  alle  in  Niutschwang  ihre  Hauptgeschäfte 
oder  Filialen  hätten,  die  Güter  als  gewöhnliche  Handelsobjekte  dahin 
versandt  hätten.  Es  sei  daher  unbillig  anzunehmen,  daß  sie  zum  Ge- 
brauch des  Feindes  hätten  dienen  sollen. 

3.  Tientsin  und  Chinwantao  seien  neutrale  Häfen,  die  zu  diesem 
Kriege  nicht  in  der  geringsten  Beziehung  stünden.  Die  dorthin  be- 
stimmten Güter  seien  daher  keine  Kriegskonterbande  und  müßten  mit 
Recht  freigegeben  werden. 

4.  Unter  den  Reklamanten  betreibe  Tang  Ming  Chien  ein 
Transportgeschäft  und  sei  Inhaber  der  beiden  Firmen  Kai  Ping 
Chiang  und  Shang  Fa  Yun.  Die  übrigen  44  Reklamanten  seien 
alle  Eigentümer  der  von  der  Reklamation  betroffenen  Güter.  Die  Güter 
seien  demnach  freilich  nicht  Eigentum  des  Tang  Ming  Chien,  da 
er  aber  den  Transport  derselben  übernommen  habe  und  im  Falle  der 
Einziehung  derselben  Schaden  erleiden  müsse,  so  habe  er  mit  den 
Eigentümern  zusammen  die  Reklamation  erhoben. 

Die  41  Reklamanten  außer  Tang  Ming  Chien,  Nan  Shun 
Ta,  Yue  Ta  Shing,  Rapanaki  und  L e v i n s o n  beantragten  Frei- 
gabe der  in  dem  beigefügten  Verzeichnis  bei  ihren  jeweiligen  Firmen 
angegebenen  Güter;  Nan  Shun  Ta  das  gleiche  für  die  Güter  unter 
Nummer  232  bis  242;  Yue  Ta  Shing  für  die  unter  Nummer  199  und 
200 ;  R  a  p  a  n  a  k  i  für  die  unter  Nummer  51  bis  58,  60  bis  78,  140  bis  145 ; 
Levinson  für  die  unter  Nummer  170  bis  183  des  Verzeichnisses  auf- 
geführten Güter.  Tang  Ming  Chien  beantrage  Freigabe  sämtlicher 
Güter. 

282 


PrtoMgericIltsentSGbeidangeii:  ,,H8i*Ping<'.  Abschnitt  VIi<« 

Die  Hauptpunkte  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  sind  folgende: 

Die  zur  Verhandlung  stehende  Beschlagnahme  sei  auf  offener 
See  geschehen,  und  demnach  rechtmäßig. 

Von  den  nach  Niutschwang  gehenden  Gütern  seien  die  in  dem 
beigefügten  Verzeichnis  unter  Nummer  19  bis  122  aufgeführten  Güter 
freizugeben,  die  übrigen  alle  einzuziehen. 

Die  nach  Tientsin  und  Chinwantao  bestimmten  Güter  seien  alle 
freizugeben. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

1.  Die  Vertreter  der  Reklamation  machen  geltend,  daß  die  zur  Ver- 
handlung stehende  Beschlagnahme  in  neutralem  Hoheitsgewässer  aus- 
geführt und  demnach  unrechtmäßig  sei.  Aus  der  Aussageschrift  des 
Kommandanten  der  „Hongkong  Maru",  dem  Auszug  aus  dem  Tagebuch 
und  dem  Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns  der  „Hsi-Ping"  liegt  der 
Ort  der  Aufbringung  ungefähr  6V2  Seemeile  nördlich  von  der  Insel 
Kaiming,  also  mehr  als  3  Seemeilen  von  der  chinesischen  Küste  und 
in  offener  See.  Daher  ist  die  zur  Verhandlung  stehende  Beschlagnahme 
rechtmäßig. 

2.  Es  ist  bekannt,  daß  Niutschwang  zur  fraglichen  Zeit  von  den 
Russen  besetzt,  also  feindliches  Gebiet  war.*)  Da  das  in  dem  bei- 
gefügten Verzeichnis  unter  den  nach  Niutschwang  gehenden  Gütern 
aufgeführte  Blei,  Zink,  Kupferplatten,  Argentanplatten,  eiserne  Wagen- 
reifen (Nr.  116),  Stücke  von  Eisenstäben,  alte  Eisenklumpen,  Material 
zur  Herstellung  von  Waffen  und  Munition  beziehungsweise  Ausrüstung 
von  Kriegs-  und  anderen  Schiffen  sind,*)  so  müssen  diese  Güter,  weil 
nach  dem  feindlichen  Niutschwang  bestimmt,  als  Konterbande  angesehen 
Verden.  Die  unter  Nummer  91  bis  93,  95,  97,  99,  116,  117,  121  und 
132  aufgeführten  Güter  sind, daher  einzuziehen. 

Die  Vertreter  der  Reklamation  bringen  vor,  daß  die  Instruktion 
des  Marineministeriums  Nr.  1  vom  Jahre  1904*)  Blei  nicht  absolut 
als  Konterbande  ansehe.  Die  genannte  Instruktion  spricht  aber  in 
Ziffer  1  von  „Waffen,  Munition,  Explosivstoffe  und  deren  Materialien 
(einschließlich  Blei,  Salpeter,  Schwefel  usw.)"  und  zeigt  damit,  daß  sie 
Blei,  Salpeter  und  Schwefel  als  Materialien  für  Waffen,  Munition  und 
Explosivstoffe  ansieht.  Es  ist  daher  außer  Zweifel,  daß  sie  Blei  als 
Kriegskonterbande  erklärt  hat. 

Ferner  bringen  die  Vertreter  der  Reklamation  vor,  daß,  wie  aus 
dem  Beweisstück  A6  ersehen  werden  könne,  in  den  Jahren  1902  und 
1903  Blei  in  großer  Menge  nach  Niutschwang  eingeführt  worden  sei, 
vas  beweise,  daß  die  Chinesen  im  Frieden  viel  Blei  gebrauchten.  Daraus 
könne  man  ersehen,  daß  auch  das  zur  Verhandlung  stehende  Blei  nicht 
zum  Kriegsgebrauch   habe  geliefert  werden  sollen.     Das  Beweisstück 

*)  IV.  §  5.  —  •)  II  Ziffer  1.  *)  II. 

283 


Abschnitt  VI"» 


Prisengerichtsentscheidungen :  „Hsi-Ping" 


A6  ist  indes  eine  Ein-  und  Ausfuhrstatistik,  welche  die  beiden  Jahre 
betrifft,  in  welchen  die  Russen  Niutschwang  besetzt  gehabt  haben.  Sie 
ist  daher  ungeeignet,  um  zu  beweisen,  daß  die  Chinesen  viel  Blei  ge- 
brauchten. 

Was  des  weiteren  die  unter  der  für  Niutschwang  bestimmten 
Ladung  befindlichen  Lebensmittel  und  Getränke,  wie  Weizenmehl, 
Spirituosen,  Ananas,  angeht,  so  sind  sie  alle  Artikel,  wie  sie  bei  Euro- 
päern und  Amerikanern  in  Nachfrage  stehen.  Nach  Aussage  von  P  a  w 
Meng  Chiung  und  Edmund  Hayes  ist  die  Zahl  der  zur  Zeit 
in  Niutschwang  ansässig  gewesenen  gewöhnlichen  Europäer  und 
Amerikaner  außerordentlich  gering,  wogegen  russische  Truppen  in  großer 
Zahl  dort  lagerten.  Niutschwang  war  zur  fraglichen  Zeit  ein  Haupt- 
etappenort der  russischen  Truppen.  Wenn  man  alles  dies  in  Erwägung 
zieht,  erscheint  es  unbestreitbar,  daß  die  zahlreichen  Lebensmittel  und 
Getränke  zum  feindlichen  Kriegsgebrauch  geliefert  werden  sollten. 
Ebenso  ist  es  unzweifelhaft,  da  Geld,  alte  Eisenbahnnägel  und  Bauholz 
von  den  russischen  Truppen  in  der  Mandschurei  zum  Krieg  benötigt 
wurden,  daß  auch  diese  Güter  zum  feindlichen  Kriegsgebrauch  geliefert 
werden  sollten.  Es  wird  daher  angenommen,  daß  die  genannten  Güter, 
wenn  sie  auch  nach  dem  beigefügten  Verzeichnis  an  einen  anderen  Em- 
pfänger gehen  sollten,  tatsächUch  zum  Kriegsgebrauch  bestimmt  und 
daher  Konterbande  waren,  s) 

Demnach  sind  die  unter  Nummer  23  bis  46,  48  bis  84,  88  bis  90, 
94,  96,  98,  101  bis  104,  106,  108  bis  115,  118,  124  bis  129,  131, 
133  bis  151,  168  bis  180,  182  bis  189,  199  bis  200,  230,  232 
bis  242  des  beigefügten  Verzeichnisses  aufgeführten  Güter  einzuziehen.  ^) 
Die  übrigen  nach  Niutschwang  bestimmten  Güter  sind  freilich  keine 
Konterbande,  aber  sie  gehören  Eigentümern  von  Konterbandegütern, 
nämlich  die  unter  Nummer 

47  dem   Eigentümer  von  28,  die  unter 
100      „  „  „ 

105      „ 

181         M  n  ff 

119 

'^^^^         ff  ff  ff 

122 

*^^      ff  ff  ff 

123 

*^^       II  II  ff 

130 

*^^       ff  ff  II 

^■^^       ff  ff  ff 

153-156  „  „  „ 

Daher  sind  sie  alle  einzuziehen.«) 
Reklamation  eingereichten  Beweisdokumente  sind  nicht  imstande  zu  be- 

*)  IL  Ziffer  2.  —  «)  V.  §  43. 

284 


99, 

ff             ft 

107, 

ff              II 

103, 

ff             ft 

120, 

ff              II 

121, 

ff             ff 

124, 

ft             II 

131, 

It             ff 

125, 

II             ff 

151, 

ft              ft 

Die 

-von  den  Vertretern   der 

PriMBgerichtaentscheidungen:  ^Hsf-Ping'' 


Abschnitt  VI  ••• 


weisen,  daß  die  oben  erwähnten  üüter  keine  Kriegskonterbande  sind. 

Die  unter  Nummer  85  bis  87,  157  bis  167,  190  bis  198  des  bei- 
gefügten Verzeichnisses  aufgeführten  Güter  sind  weder  Konterbande, 
noch  gehören  sie  Eigentümern  von  solcher.    Daher  sind  sie  freizugeben. 

3.  Tientsin  und  Chinwantao  sind  nicht  feindliches  Gebiet.  Daher 
können  Güter  wie  diejenigen  der  zur  Verhandlung  stehenden,  welche 
dorthin  bestimmt  sind,  weil  kein  Beweis  vorliegt,  daß  sie  zum  feind- 
lichen Kriegsgebrauch  geliefert  werden  sollten,  nicht  als  Kriegskonter- 
bande aufgefaßt  werden.  Da  aber  der  Absender  aller  nach  dem  bei- 
gefügten Verzeichnis  nach  Tientsin  und  Chinwantao  bestimmten  Güter 
Tang  Ming  Chien  und  der  Empfänger  der  Inhaber  der  Konnosse- 
mente ist,  so  müssen  die  Güter  alle  als  im  Eigentum  Tang  Ming 
Chien 's  stehend  betrachtet  werden.  Sie  gehören  dem  Eigentümer 
der  unter  Nummer  103  aufgeführten  Kriegskonterbande.  Es  entspricht 
aber  dem  Recht,  daß  Güter,  welche  einem  Eigentümer  von  auf  dem- 
selben Schiff  befindlicher  Kriegskonterbande  gehören,  gleichgültig  ob 
sie  nach  Feindesland  bestimmt  sind  oder  nicht,  eingezogen  werden. 

Daher  sind  die  unter  Nummer  257  bis  293,  298  bis  363  des  bei- 
gefügten Verzeichnisses  aufgeführten  Güter  sämtlich  einzuziehen. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  17.  Dezember  1904  im  Prisengericht  in  Sasebo  im 
Beisein  des  Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurokuro. 

(Unterschriften.) 


Verzeichnis  der  auf  dem  Dampfer  ,,Hsl-Plng^  verschifften  Qfiten 


Nr.  der 
Bakannt- 


Art  der  Güter 


Zahl 

der 

Stücke 

(Kolli) 


Absender 


Lade- 
ort 


Emp- 
fänger 


Bestim- 
mungsort. 


23 

24 
25 
26 
27 
28 
29 
30 

31 

32 

33 


Reis 


Weizenmehl 


208 

214 
200 
200 
212 
215 
276 
400 

500 

500 

500 


Tack  Che- 
ang  Yuen 


Shanghai 


WaiFahHua 

)» 
Yuen  Ching 

Dah 
Yong  Dong 

Wo 
Tong  Shin 

Yo 

Teng  Sang 

Shing 


Tack  Che- 
ang  Yuen 


Niutschwang 


WaiFahHua 

») 
Yuen  Ching 

Dah 
Yom 


Tong  Shin 

Yo 

Teng  Sang 

Shing 


285 


Nr.  der 

Bekanni- 
maohunip 

Art  der  Güter 

Z»bl 

der 

Stttoke 

(KoUi) 

Absender 

Lade- 
.    ort 

Emp- 
fänger 

Bestim- 
mungsort 

34 

Reis 

350 

Yuen  Chan 
Kung 

Shanghai 

Yuen  Chan 
Kung 

Niutschwang 

35 

f» 

225 

Yuen  Fang 

>> 

Yuen  Fang 

11 

36 

n         ..... 

172 

f* 

t9 

II 

37 

j» 

281 

Yung  Hsing 

» 

Yung  Hsing 
Chong 

II 

Chong 

38 

n        ..... 

323 

»> 

»> 

11 

11 

39 

Weizenmehl   .    . 

2000 

» 

>» 

II 

i> 

40 

n                      • 

1000 

ly 

1t 

II 

1» 

41 

m 

1000 

If 

>l 

11 

11 

42 

Tee 

80 

Zui  Chong 

>l 

Zui  Chong 

i> 

43 

1» 

91 

»> 

» 

II 

i> 

44 

1» 

50 

n 

»> 

II 

i> 

45 

n         •       .        •        .        . 

50 

f* 

» 

11 

11 

46 

n 

100 

}» 

M 

II 

i> 

47 

Papier   .... 

200 

WaiFahHua 

11 

WaiFahHua 

j> 

48 

Weizenmehl   .    . 

1000 

Tack  Che- 
ang  Yuen 

1» 

Tack  Che- 
ang  Yuen 

1» 

49 

n                    •       • 

1000 

» 

» 

II 

1» 

50 

m                    •       • 

1000 

Yuen  Tack 
Yue 

" 

Yuen  Tack 
Yue 

»• 

51 

Bier 

15 

Kai  Ping 
Chang 

M 

G.Rapanaki 

1» 

52 

Spirituosen     .    . 

10 

» 

11 

» 

53 

Bier 

10 

n 

II 

II 

54 

Amer.  Käse    .    . 

2 

n 

II 

II 

55 

Früchte      .    .    . 

10 

n 

II 

»1 

56 

Sardinen    .    .    . 

8 

n 

II 

II 

57 

Pickles  .... 

5 

n 

11 

II 

58 

Marmelade     .    . 

3 

n 

11 

II 

59 

Bier 

20 

Yuen  Tack 
Yue 

II 

Yuen  Tack 
Yue 

60 

Champagner  .    . 

6 

Kai  Ptng 
Chang 

II 

G.  Rapanaki 

61 

Rahm    .... 

10 

II 

II 

62 

Heringe     .    .    . 

5 

n 

II 

II 

63 

Franz.  Spargel    . 

3 

» 

1» 

II 

64 

Cognac .... 

15 

>> 

II 

II 

65 

Ges.  Rindfl.    .    . 

7 

>» 

II 

II 

66 

Liqueurs    .    .    . 

5 

)> 

II 

11 

67 

Lachs    .... 

10 

i> 

II 

II 

68 

Biskuits      .    .    . 

1 

>i 

11 

II 

69 

Ananas  .... 

10 

t» 

II 

i> 

70 

Schinken    .    .    . 

2 

if 

II 

11 

71 

Rahm    .... 

10 

)> 

II 

II 

72 

Tomaten     .    .    . 

5 

)» 

II 

II 

73 

Getr.  Obst     .    . 

5 

n 

II 

II 

74 

Amer.  Spargel    . 

2 

» 

II 

II 

75 

Rum 

20 

1» 

II 

II 

286 


Priwngerichtsentscheldungen:  „Hsi-Ping''. 


Abschnitt  VI  »• 


Sr.  der 

BdUniit- 

Art  der  GOter 

Zahl 
der 

Stack. 

(Kollo 

Absender 

Lade- 
ort 

Emp- 
fänger 

Bestim- 
mungsort 

76 

Warfelzucker  .    . 

2 

Kai  Ping 
Chang 

Shanghai 

CRapanaki 

Niutschwang 

77 

Sardinen     .    .    . 

2 

yj 

II 

78 

Pfeffer  .... 

5 

u 

9t 

II 

79 

Bauholz     .    .    . 

50a|Konj  Chang 

II 

Kong  Chang 
Tong 

long 

80 

»          ... 

500 

Hon  Chan 
"Ching 

•1 

Hon  Chan 
Ching 

81 

n                  ... 

2000 

Yuen  Chan 
Kung 

1» 

Yuen  Chan 
Kung 

82 

Bier 

1000 

Yue  Fah 
Yuen 

»1 

Yue  Fah 
Yuen 

83 

Rotwein     .    .    . 

60 

Kai  Ping 
Chang 

II 

Order 

84 

Tee 

174 

Rio  Po  Fu 

II 

II 

85 

Emaill.  Becher   . 

5 

Am  Cheong 

II 

Am  Cheong 

86 

»                            • 

5 

>» 

II 

II 

87 

Grüne  Seife   .    . 

10 

11 

II 

1» 

88 

Weifier  Zucker   . 

50 

Kong  Chang 

II 

Kong  Chang 
Tong 

Tong 

89 

» 

413 

» 

II 

II 

90 

»                            • 

258 

»1 

II 

II 

91 

Zink 

10 

»» 

II 

II 

92 

Kupferplatten 

2 

» 

II 

II 

93 

Argentanplatten  . 

10 

>» 

II 

II 

94 

Sweetmeats    .    . 

20 

)9 

II 

II 

95 

Blei 

150 

>» 

II 

II 

96 

Kandiszucker ..   . 

60 

»> 

II 

II. 

97 

Blei 

50 

Hon  Chan 
Ching 

II 

Hon  Chan 
Ching 

98 

Kandiszucker .    . 

50 

>» 

1» 

II 

99 

Blei 

50 

TongFoung 

II 

TongFoung 

100 

Arsenik  .... 

15 

»} 

II 

II 

101 

Weißer  Zucker   . 

204 

Hon  Shan 
Ching 

II 

Hon  Shan 
Ching 

102 

n 

121 

Kong  Chang 
Tong 

II 

Kong  Chang 
Tong 

103 

Cognac  .... 

50 

Kaiping 
Chang 

II 

Order 

» 

104 

Gin 

5 

»> 

II 

II 

105 

Eßgeschirr      .    . 

5 

» 

II 

II 

%      )y 

106 

Wurst    .... 

1 

1» 

II 

II 

107 

Zigaretten  .    .    . 

1 

n 

II 

II 

108 

Schwarzer  Tee    . 

20 

Yuen  Chan 
Kung 

II 

Yuen  Chan 
Kung 

109 

Weißer  Zucker   . 

60 

n 

II 

II 

110 

1* 

342 

)f 

II 

II 

111 

. 

50 

99 

1» 

11 

287 


Abschnitt  VI  Mo 


Prisengerichtsentscheidungen :  „Hsi-Ping'' 


Nr.  der 
Bekannt- 
machoDif 

Art  der  Güter 

Zahl 

der 

Stttoke 

(KoIU) 

Absender 

Lade- 
ort 

Emp- 
fänger 

Bestini' 

mungsort 

112 

Weifler  Zucker  . 

50 

Yuen  Chan 
Kung 

Shanghai 

Yuen  Chan 
Kung 

Niutschwang 

113 

Kandiszucker .    . 

60 

)) 

if 

» 

114 

n                        • 

100 

»1 

»1 

n 

115 

Alte  Eisenbahn- 

Yuen  Tack 

91 

Yuen  Tack 

nigel     .    .    . 

139 

Yue 

Yue 

116 

Alte  Wagenretten 

103 

fi 

>> 

»» 

117 

Eisenstät>e . 

210 

»1 

91 

II 

118 

Weißer  Zucker   . 

60 

M 

» 

II 

119 

Kupfertöpfe    .    . 

5 

Fung  Shun 
Yung 

M 

Fung  Shun 
Yung 

120 

Alte  Schienen- 
laschen .    .    . 

121 

» 

9t 

II 

121 

Alte  Eisenbarren 

235 

»> 

11 

II 

122 

Papier  .... 

30 

" 

19 

II 

123 

Alte  Reissäcke    . 

68 

Yu  Chan  Wo 

II 

Yu  Chan  Wo 

124 

Zucker  .... 

200 

91 

II 

II 

125 

y»             .... 

100 

Yuen  Fah 
Hua 

»1 

Yuen  Fah 
Hua 

126 

Asahi  Bier     .    . 

100 

KwangShun 

II 

KwangShun 

127 

»             •    • 

100 

»} 

II 

II 

128 

Schwarzer  Tee    . 

30 

»1 

II 

II 

129 

Eingem.  Orangen 

5 

»» 

II 

11 

130 

Alte  Reissäcke    . 

12 

Tack  Wo 
Cheong 

II 

Tack  Wo 
Cheong 

131 

Sesamöl     .    .    . 

5 

>» 

II 

»1 

132 

Argentanplatten  . 

2 

WaiFahHua 

II 

WaiFahHua 

133 

Kandis^cker .    . 

100 

Yung  Hsing 
Chong 

»1 

Yung  Hsing 
Chong 

134 

Weißer  Zucker   . 

200 

}) 

II 

II 

9» 

135 

j» 

65 

»f 

II 

»I 

136 

Schwarzer  Tee    . 

30 

Tun  Chong 
Yu 

»1 

Tun  Chong 
Yu 

»1 

137 

Branntwein     .    . 

10 

» 

II 

II 

138 

Asahi  Bier     .    . 

75 

>l 

II 

II 

99 

139 

n                      ■       • 

25 

Ku  Foung 
Tai 

II 

Ku  Foung 
Tal 

140 

Vermouth  .    .    . 

13 

Kai  Fing 
Chang 

II 

G.Rapanaki 

141 

Marmelade     .    . 

2 

91 

II 

II 

142 

Bier 

10 

91 

II 

II 

99 

143 

Oes.    Rindfleisch 

3 

» 

If 

II 

144 

Champagner  .    . 

20 

»f 

II 

II 

145 

Old  Tom  Gin     . 

10 

l> 

II 

II 

146 

Mexik.  Dollars    . 

5 

Yuen  Ching 

Dah 
Yü  Shing 

II 

Yuen  Shing 

Dah 
Yfl  Shing 

147 

»       • 

5 

II 

99 

Yun 

Yun 

148 

. 

20 

»> 

II 

II 

288 


Prisengerichtsentscheidungen :  ,,H8i-Ping". 


Abschnitt  VI  >•• 


Nr.  der 

BfkADllt- 

BMcbang 

Art  der  Güter 

Zahl 

der 

Stttoke 

(Kolli) 

Absender 

Lade- 
ort 

Emp- 
fänger 

Bestim- 
mungsort 

149 

Kl.  Silbergeld     . 

25 

Yue  Yun 

Shanghai 

Yue  Yun 

Niutschwang 

150 

n 

5 

TackCheang 
Yuen 

» 

TackCheang 
Yuen 

151 

n                          • 

17 

Yu  Sheng 
Chang 

)> 

Yu  Sheng 
Chang 

152 

Graues  Bombay- 

Yuen  Fah 

ff 

Yuen  Fah 

Baumwollengam 

10 

Hua 

Hua 

153 

Graue  amer.  Bett- 

Yu Sheng 

» 

Yu  Sheng 

decken   .    .    . 

50 

Chang 

Chang 

154 

Graues  Bombay- 
BaumwoUengam 

20 

tt 

f» 

»> 

155 

Graue  amer.  Bett- 
decken  .    .    . 

100 

ff 

» 

»> 

156 

Graues  Bombay- 
BaumwoUengam 

25 

ff 

i> 

») 

157 

Graue  amer.  Bett- 

Dah Shing 

yy 

Dah  Shing 

decken   .    .    . 

15 

Ting 

Ting 

158 

m           ... 

10 

»> 

«» 

>l 

•    159 

.  Graues  Bom-  v 
l     bay-Baum-     j 
^    wollengarn    ' 

10 

Chin  Fah 

Chin  Fah 

160 

10 

Foong 

Foong 

161 

n     '       •       • 

25 

yy 

»» 

w 

162 

Graue  amer.  Bett- 

Tong Shun 

» 

Tong  Shun 
Shing 

decken    .    .    . 

20 

Shing 

163 

j»        ... 

25 

Tong  Fah  Ha 

»> 

Tong  Fah  Ha 

164 

»        ... 

20 

Whai  Chong 
Loong 

»» 

Whai  Chong 
Loong 

165 

Graues  Japan. 
Baumwollengam 

10 

» 

»> 

i> 

166 

Graue  amer.  Bett- 

Loong Hing 

»> 

Loong  Hing 

decken   .    .    . 

50 

Yuen 

Yuen 

167 

m             ... 

50 

Sin  Chang 
Yu 

»» 

Sin  Chang 
Yu 

168 

Reis 

210 

Tack  Tai 
Hsing 

» 

I  u 

Tack  Tai 
Hsing 

169 

Branntwein     .    . 

31 

Kai  Ping 
Chiang 

»> 

Order 

170 

Rum 

9 

» 

;i 

171 

Gin 

4 

f> 

y 

172 

Butter    .... 

1 

»» 

M 

173 

Heringe      .    .    . 

1 

" 

>» 

y 

174 

Obst      .... 

2 

»> 

y 

175 

Marmelade     .    . 

1 

» 

y 

176 

Rahm     .... 

4 

i> 

y 

177 

Sardinen    .    .    . 

3 

>» 

y 

178 

Lachs    .... 

4 

i> 

y 

179 

Bier 

15 

»1 

y 

180 

ges.  Rindfleisch  . 

1 

»> 

y 

181 

Seife      .... 

2 

M 

y 

(182 

Heringe     .    .    . 

5 

>l 

y 

iCars tr and- Meohlenbur ff,  Das  japanische  Prisenreclit.    Band  I.     (19) 


289 


Abschnitt  VI»» 


Priaengerichtsentscheidungen :  „Hsi-Ping ' 


Np.  der 
BekacDi- 
xnaohong 

Art  der  Güter 

ZaU 

der 

SlUoke 

rKoHi) 

Absender 

Lade- 
ort 

Emp- 
fänger 

Bestim- 
mung^sort 

183 

Bier 

5 

Kai  Fing 
Chang 
Hi  Ta 

Shanghai 

Order 

Niutschwang: 

184 

Obst     .... 

20 

9i 

Hi  Ta 

»> 

Cheong 

Cheong 

185 

Ananas  .... 

50 

\    >» 

11 

II 

11 

186 

Biskuits      .    .    . 

1 

91 

11 

11 

11 

187 

Margarine  ... 

5 

fl 

11 

11 

11 

188 

Ges.  Rindfleisch. 

20 

tt 

11 

11 

If 

189 

Marmelade     .    . 

5 

If 

11 

11 

11 

190 

Nanking  Stoffe  . 

135 

Ha  Chin 
Ching 

11 

Ha  Chin 
Ching 

II 

191 

1»             • 

90 

LoongFaHa 

11 

LoongFaHa 

II 

192 

»1 

45 

fy 

11 

II 

11 

193 

»             • 

50 

Am  Cheong 

11 

Am  Cheong 

11 

194 

i> 

82 

TongFahHa 

11 

TongFahHa 

ff 

195 

»> 

50 

Chi  Chi 

11 

Ming  Ki 
Chow 

" 

196 

»» 

30 

HongFahHa 

11 

HongFahHa 

»>        • 

197 

»             • 

78 

/      " 

II 

II 

11 

198 

>» 

20 

TongFahHa 

11 

TongFahHa 

» 

199 

Tee  ....    . 

50 

Yun  Shing 
Shan 

11 

Hing  Moh 
Chang 

1»- 

200 

>>         ..... 

50 

}> 

11 

'    11 

i> 

231 

Branntwein     ,    . 

50 

Shang  Fah 

Yun 
Li  Pa  Hun 

11 

Order 

1» 

232 

Bier 

10 

11 

Hing  Fah 

II 

Shang 

233 

» 

20 

)l 

11 

II 

1» 

234 

>» 

20 

II 

II 

11 

9> 

235 

»> 

10 

»1 

11 

11 

l^ 

236 

Reis  .    . 

300 

1» 

11 

11 

>J 

237 

>l 

293 

II 

11 

II 

11 

238 

l>        •        • 

476 

II 

11 

" 

>» 

239 

»        •        • 

382 

II 

II 

II 

II 

240 

Weizen  . 

373 

11 

II 

11 

II 

241 

Agar-Agar 

6 

II 

11 

11 

11 

242 

Ananas  . 

45 

II 

11 

11 

11 

257 

Frischer  Ingwer  . 

80 

Kai  Fing 
Chiang 

II 

Inhaber 

Tientsin 

258 

>i              • 

75 

II 

II 

II 

II 

259 

i> 

65 

II 

11 

II 

11 

260 

I» 

65 

II 

11 

11 

11 

261 

i> 

60 

11 

11 

11 

11 

262 

>> 

65 

II 

11 

tt 

11 

263 

>» 

110 

»1 

11 

11 

11 

264 

GestreifteGewebe 

2 

Chang  Fah 
Yun 

11 

11 

11 

265 

Italienisch.  Baum- 

II 

II 

99 

ii- 

woUenzet 

ig 

• 

4 

290 


PriseiigeiiclitMiitscheldungeii:  „Hsl-Plng^' 


Abschnitt  VI  »• 


Sr.  ier 
Bfkinnt- 
maehoDg 

Art  der  Güter 

Zahl 

der 

StUoke 

(KoUi) 

Absender 

Lade- 
ort 

Emp- 
fänger 

Bestim- 
mungsort 

266 

Satin      .... 

1 

Chang  Fah 
Yun 

Shanghai 

Inhaber 

Tientsin 

267 

Italienisch.  Baum- 

wollenzeug 

4 

)} 

ft 

>» 

268 

Graues  Bombay- 

Baumwollengam 

20 

>l 

» 

» 

269 

Japanisch.  Baum- 

wollengam  .    . 

10 

» 

n 

19 

270 

Englisches  Baum- 

wollengam  .    . 

5 

»> 

99 

W 

271 

Baumwollengarn . 

38 

» 

» 

>» 

272 

Graue  amer.  Bett- 

decken  .    .    . 

30 

»> 

)) 

>} 

273 

Italienisch.  Baum- 

wollenzeug 

1 

»> 

99 

W 

274 

Graues  amerikan. 

Baumwollenzeug 

50 

n 

»y 

275 

Bdumwollentuch . 

1 

» 

>} 

276 

Oraues   Bombay- 

Baumwollengam 

15 

}) 

» 

277 

Holländisches 

Baumwollenzeug 

10 

>» 

i> 

278 

Graue  englische 

Hemden      .    . 

2 

ij 

» 

279 

Graues  Bombay- 

Baumwollengam 

25 

i> 

» 

280 

Weiße  englische 

Hemden      .    . 

5 

n 

M 

281 

Europ.  Tuch  .     . 

1 

» 

« 

282 

»> 

1 

99 

»> 

283 

f>           • 

1 

J> 

» 

284 

Gestreift  Hemden 

2 

» 

99 

285 

Graues   Bombay- 

BaumwoUengam 

1 

l> 

»1 

286 

Europ.  Tuch  .    . 

1 

>J 

»> 

287 

M                        •         • 

1 

99 

»> 

288 

Italienisch.  Baum- 

woUenzeug     . 

2 

» 

» 

289 

Seidenstoff     .    . 

1 

1) 

99 

290 

Leinen  .... 

8 

1) 

» 

291 

Drogen  u.  anderes 

1 

>f 

1» 

292 

Tomaten    .    .    . 

4 

)) 

»> 

293 

Tee 

360 

>» 

»> 

298 

Alte  Wagenreifen 

191 

Kai  Fing 
.  Chiang 

Kai  Ping 
Chiang 

Chinwantao 

299 

Tee  ....    . 

73 

» 

» 

SOG 

PapierfScher  .    . 

1 

1> 

}> 

301 

Chines.  Bücher  . 

6 

n 

>f 

302 

Kerzen  .... 

1 

»> 

>» 

» 

(19*) 


291 


Abschnitt  VI  ««• 


Prisengerichtsentscheldungen :  „Hsl-Ping* 


Nr.  der 
Bekannt- 
machung 

Art  der  Güter 

Zahl 

der 

Btttoke 

(Kolli) 

Absender 

Lade- 
ort 

Emp- 
fänger 

Bestim- 
mungsort 

303 

Federhalter     .    . 

20 

Kai  Ping 
Chiang 

Shanghai 

Kai  Ping 
Chiang 

Chinwantao 

304 

Pillen    .... 

»1 

» 

305 

Scheren      .    .    . 

>» 

» 

306 

Satinschuhe    .    . 

>i 

yf 

307 

Zeugschuhe   .    . 

ir 

»> 

308 

Satinschuhe    .    . 

» 

» 

309 

Kerzen  .... 

» 

»» 

310 

Nanking-Stoffe    . 

2 

>» 

i> 

311 

Japan.  Papier .    . 

2 

1» 

tt 

312 

Graues  japanisch. 
BaumwoUengam 

25 

Chang  Fah 
Yun 

f> 

Inhaber 

313 

Graues  Bombay- 
BaumwoUengam 

5 

»1 

tt 

314 

}t 

10 

1) 

tt 

315 

Japanisch.  Baum- 
woUengam .    . 

10 

»» 

tt 

316 

Bombay-Baum- 
wollengam .    . 

15 

»» • 

tt 

317 

Graue  amer.  Bett- 
decken  .    .    . 

5 

M 

tt 

318 

Graues  japanisch. 
BaumwoUengam 

5 

»> 

tt 

319 

Bombay-Baum- 
woUengam .    . 

10 

» 

tt 

320 

II 

15 

tf 

r» 

321 

Japanisch.  Baum- 
woUengam .    . 

75 

if 

tt 

322 

Bombay-Baum- 
woUengam .    . 

30 

li 

fi 

323 

»1         •    ' 

25 

»» 

tt 

324 

Japanisch.  Baum- 
woUengam .    . 

25 

tt 

tt 

325 

»»                  •        • 

10 

»» 

tt 

326 

Bombay-Baum- 
wollengam  .    . 

15 

M 

tt 

327 

Calico    .... 

1 

» 

tt 

328 

Graues  japanisch. 
BaumwoUengam 

10 

» 

tt 

329 

)) 

3 

>» 

tt 

330 

»1 

10 

>» 

tt 

331 

Jap.  Baumwollen- 
zeug u.  Seiden- 
satin .... 

1 

1) 

tt 

332 

Bombay-Baum- 
wollenzeug      . 

1 

11 

tt 

333 

Graues   Bombay- 
Baumwollengarn 

25 

It 

»> 

334 

Japanisch.  Baum- 
woUengam .    . 

10 

» 

tt 

292 


Priiengerichtseiitscheldungeii :  „Hsl-PIng". 


Abschnitt  VI  l<« 


Nr.  der 

B«kft]mt- 
mAChnogr 

Art  der  Güter 

Zahl 

der 

Stücke 

(Kolli) 

Absender 

Lade- 
ort 

Emp- 
fänger 

Bestim- 
mungsort 

335 

Bombay-Baum- 
wollengam  .    . 

10 

Chang  Fah 
Yun 

Shanghai 

Inhaber 

Chinwantao 

336 

i>         •    • 

12 

>» 

11 

» 

»» 

337 

» 

15 

91 

w 

»1 

»» 

338 

i>          •    • 

13 

31 

19 

» 

>» 

339 

Graue  engl.  Bett- 

decken  .    .    . 

1 

» 

11 

»> 

>» 

340 

Bombay  Baum- 

woUengam  .    . 

17 

19 

fl 

19 

>» 

341 

Graue  amerikan. 

Bettdecken.    . 

15 

»t 

»» 

91 

» 

342 

Weisse  englische 

Hemden .    .    . 

3 

>» 

l> 

rt 

>» 

343 

Graue  amerikan. 

Hemden .    .    . 

10 

f> 

y) 

» 

>} 

344 

Italienisch.  Baum- 

wollenzeug.   . 

2 

9t 

19 

»» 

» 

345 

Baumwollentuch . 

1 

19 

>» 

» 

}» 

346 

Graues  Bombay 

Baumwollengam 

30 

19 

11 

>i 

» 

347 

Italienisch.  Baum- 

wollenzeug.   . 

2 

>» 

91 

n 

y> 

348 

Graues  Bombay- 

Baumwollengarn 

18 

f» 

11 

»> 

»» 

349 

Italienisch.  Baum- 

wollenzeug.   . 

2 

>f 

« 

i> 

» 

350 

Graues  Bombay 

Baumwollengam 

25 

99 

» 

>» 

i> 

351 

i> 

35 

»» 

l> 

1» 

>i 

352 

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293 


Abschnitt  VI  u  •  Prisengerichtsentscheidungen :  ,  H^i-Ping  '  * 

Reklamanten:  TängMingChien,  Geschäftsführer  der  Firmen 
Kai  Fing  Chiang  und  Shang  Fa  Yun  in  Shanghai,  Kiangsi 
Road  Nr.  94;  die  chinesischen  Staatsangehörigen  Kwang  Shun, 
Yuen  Ching  Dah,  Tun  Chong  Yu,  Yung  Hsing  Chong, 
Tong  FoungTai,  Ku  FoungTai,  KongChangTong,  Hon 
Shan  Ching,  Wai  Fah  Hua,  Yuen  Chan  Kung,  Yu  Chan 
Wo,  Fung  Shun  Yung,  Yuen  Fang,  Hi  Ta  Cheong,  Yuen 
FahHoa,LoongHingYuen,SinChangYu,HaChiChing, 
Am  Cheong,  TongFagHa,  HongFa  Ha,  Dah  ShingTing, 
Yue  Fah  Yuen,  Zui  Chong,  Pow  Yuen  Ta,WanCheangTa, 
Whai  Chong  Loong,  Loong  Fa  Ha,  Tack  Tai  Hsing,  Chi 
Chi,  Tack  Wao  Cheong,  Chin  Ta  Foong,  Tack  Cheang 
Yuen,  Fa  Yuen  Ho,  Tong  Shun  Shing,  Yuen  Tack  Yue, 
Nan  Shun  Ta,  Tack  Cheong  Yong,  Yue  Ta  Shing,  Tong 
Shing  Yo,  Yong  Dong  Wo  und  Teng  Sang  Shing  sämtlich 
wohnhaft  in  Shanghai;  der  griechische  Staatsangehörige  G.  Rapanaki 
und  türkische  Staatsangehörige  A.  Y.  Levinson. 

ProzeBvertreter:  Die  Rechtsanwälte  Suzuki  Jubi,  Tokio, 
Kyobashiku,  Kagacho  Nr.  8  und  Hatakeyama  Shigeaki,  Naga- 
saki, Hiradomachi  Nr.  18. 

Am  17.  Dezember  1904  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der 
Prisensache  betreffend  Ladung  des  Dampfers  „Hsi-Ping",  welcher  am 
14.  Juli  1904  auf  370  34'  n.  Br.  und  122^29'  ö.  L.  von  dem  Kaiser- 
lichen Kriegsschiff  „Hongkong  Maru"  aufgebracht  worden  ist,  ein  Urteil 
gefällt,  in  welchem  auf  Einziehung  der  unter  der  Ladung  des  Dampfer 
„Hsi-Ping"  befindlichen,  in  dem  dem  Urteil  beigefügten  Verzeichnis  unter 
Nummer  23  bis  84,  88  bis  156,  168  bis  189,  199,  200,  230,  232  bis 
242,  257  bis  293  und  298  bis  363  bezeichneten  und  auf  Freigabe  der 
unter  Nummer  85  bis  87,  157  bis  167,  190  bis  198  bezeichneten  Güter 
erkannt  worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  haben  die  Rechtsanwälte  Suzuki  Jubi  und 
Hatakeyama  Shigeaki  als  Prozeßvertreter  von  Tang  Ming 
C  h  i  e  n  und  44  anderer  Reklamanten  die  Berufung  eingelegt,  welche 
im  Beisein  des  Staatsanwalts  Ishiwatari  Binichi  beim  Oberprisen- 
gericht geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  der  Vertreter  der  Reklamation 
Suzukijubi  und  HatakeyamaShigeaki  und  deren  Begründung 
sind  folgende: 

Von  den  Reklamanten  betreibe  der  chinesische  Kaufmann  Tang 
Ming  Chien  mit  den  beiden  ihm  gehörigen  Firmen  Kai  Ping 
Chiang  und  Shang  Fa  Yun  ein  Transportgeschäft.  Die  übrigen 
44  Reklamanten  seien  alle  Eigentümer  der  zur  Verhandlung  stehenden 
Güter.    Wie  aus  Beweisstück  A  4  hervorgehe,  gehörten  die  aufgebrachten 

294 


Prisengerichtsentscheldungen:  .Hsi-Ping*.  Abschnitt  VT^^ 

Güter  freilich  nicht  dem  Tang  Ming  Chien,  sondern  den  anderen 
Kaufleuten,  und  Tang  Ming  Chien  habe  lediglich  ihren  Transport 
übernommen.  Da  er  aber  im  Falle  der  Einziehung  Schaden  erleiden 
müsse,  so  habe  er  zusammen  mit  den  Eigentümern  eine  Reklamations- 
schrift eingereicht  und  die  Freigabe  aller  Güter  beantragt. 

Nun  seien  unter  den  zur  Verhandlung  stehenden  Gütern  zwei 
ganz  getrennte  Arten  vorhanden.  Die  einen  seien  nach  Niutschwang 
bestimmt,  die  anderen  nach  Tientsin  und  Chinwantao.  Die  ersteren 
seien  wieder  in  zwei  Gruppen  zu  teilen:  1.  Güter,  welche  der  Ziffer  1 
der  Instruktion  des  Marineministeriums  Nr.  1  vom  Jahre  1904,  betreffend 
die  Kriegskonterbande  im  japanisch  -  russischen  Kriege,  entsprächen; 
2.  Güter^  welche  unter  Ziffer  2  dieser  Instruktion  fielen. 

Unter  Ziffer  1  falle  nur  eine  einzige  Ware,  nämlich  Blei.  In 
dieser  Instruktion  sei  Blei  indes  nur  in  Klammer  hinter  „Waffen,  Mu- 
nition, Explosivstoffe  und  deren  Materialien"  aufgeführt,  so  daß  es  nicht 
absolut  als  Konterbande  angesehen  werden  könne.  Vielmehr  sei  die 
richtige  Auslegung  die,  daß  es  nur  als  Konterbande  gelte,  wenn  es  als 
Material  für  Waffen  und  Munition  dienen  solle.  Als  Waffe  werde  Blef 
heutzutage  außerordentlich  wenig  verwandt.  Diese  Eigenschaft  trete 
vielmehr  erst  hervor,  wenn  es  mit  anderen  Metallen  gemischt  werde. 
Dazu  sei  aber  das  Bestehen  geeigneter  Fabriken  nötig,  und  in 
Niutschwang  seien  solche  nicht  vorhanden,  so  daß  das  Blei  nicht  als 
Material  für  Waffen  gelten  könne.  Außerdem  sei  die  Einfuhr  von  Blei 
nach  Niutschwang  in  Friedenszeiten  groß  und  habe,  wie  aus  Beweis- 
stück A6,  einer  chinesischen  Zollstatistik,  hervorgehe,  im  Jahre  1903 
42864  Taels,  im  Jahre  1903  20  758  Taels  betragen.  Daraus  könne 
man  entnehmen,  wie  groß  der  Friedensbedarf  der  Chinesen  für  Blei 
sei.  Wenn  aber  das  gegenwärtig  zur  Einfuhr  bestimmt  gewesene  Blei 
nicht  zum  Kriegsgebrauch  der  Truppen  haben  dienen  sollen,  so  liege 
kein  Orund  für  seine  Einziehung  vor. 

Die  Arten  der  Güter,  welche  unter  2  fielen,  seien  freilich  sehr 
zahlreich;  in  der  Hauptsache  handele  es  sich  aber  um  Reis,  Weizen- 
mehl, Tee,  Zucker,  Bauholz  und  Silbergeld,  Diese  seien  Konterbande 
nur,  wenn  sie  für  die  Armee  oder  Marine  bestimmt  seien  oder  an- 
genommen werden  müsse,  daß  sie  zum  Gebrauch  der  feindlichen  Armee 
oder  Marine  geliefert  werden  sollten.  Da  aber  die  Güter  von  ver- 
schiedenen einzelnen  Kaufleuten  einem  Transportgeschäft  zur  Be- 
förderung übergeben  und  diese  Kaufleute  selbst  die  Empfänger  seien, 
so  seien  sie  nicht  für  die  feindliche  Armee  oder  Marine  bestimmt  ge- 
wesen. 

Das  lasse  sich  auch  aus  dem  Urteil  über  den  Dampfer  „Hsi-Ping" 
entnehmen.  ^) 

0  VI.  18a. 

295 


Abschnitt  VI**«  Prisengerichtsentscheidungen :  .H^i-Ping'«. 

Was  des  weiteren  die  Frage  angehe,  ob  sie  für  den  Gebrauch  der 
feindlichen  Armee  oder  Marine  hätten  geliefert  werden  sollen,  so  be- 
förderten die  Ladungseigentümer  und  Reeder  gewöhnlich  solche  Güter 
als  Handelswaren  nach  Niutschwang  und  betrieben  dieses  Geschäft  schon 
seit  lange.  Da  zu  der  fraglichen  Zeit  gerade  Krieg  bestanden  habe,  so 
hätten  die  Reklamanten,  um  sicher  zu  sein,  daß  sie  die  Pflichten  neu- 
traler Staatsangehöriger  nicht  verletzten,  sich  nachdrücklich  bei  der  chine- 
sichen  Zollbehörde  erkundigt  und,  wie  aus  dem  Beweisstück  A  1  hervor- 
gehe, die  Antwort  erhalten,  daß  Reis,  Weizenmehl,  Zucker,  Petroleum 
und  Silbergeld  keine  Konterbande  seien,  wenn  sie  nicht  zum  Gebrauch 
der  kriegführenden  Mächte  geliefert  werden  sollten.  Erst  danach  seieir 
die  Güter  versandt  worden.  Wenn  die  Eigentümer  den  Zwec*  verfolgt 
hätten,  sie  zum  Gebrauch  einer  der  kriegführenden  Mächte  zu  liefern,, 
so  liege  kein  Grund  vor,  weshalb  sie  eine  derartige  Anfrage  hätten 
machen  und  sich  eine  derartige  Auskunft  hätten  geben  lassen  sollen. 

Wie  aus  Beweisstück  A  6  ersichtlich,  sei  in  Niutschwang  gewöhnlich 
sehr  große  Nachfrage  nach  solchen  Gütern  und  die  Einfuhr  von  Shang- 
\\zi  und  anderen  Plätzen  entspreche  einem  allgemeinen  Bedürfnis. 

Da  ferner  die  verschiedenen  Ladungseigentümer  in  Niutschwang" 
Haupt-  und  Zweiggeschäfte  besäßen,  so  hätten  sie  die  Güter,  wie  aus 
den  Beweisstücken  A  2  bis  4  hervorgehe,  als  Handelsobjekte  dorthin 
befördern  lassen.  In  Anbetracht  dessen,  daß  sie  Waren  gleicher  Art 
.schon  mehrere  Jahrzehnte  lang  eingeführt  hätten  und  die  Zahl  der 
Güter  auch  gering  sei,  so  sei  es  eine  unbillige  Härte,  anzunehmen^ 
daß  sie  zum   Gebrauch   des  Feindes  geliefert  werden  sollten. 

Nach  den  Ladescheinen  zu  urteilen,  gehörten  die  meisten  der 
zur  Verhandlung  stehenden  Güter  Kai  Ping  Chiang  und  Shang 
Fa  Yun,  und  das  könne  zu  dem  Verdacht  Anlaß  geben,  daß  so  viele 
Güter,  welche  von  derselben  Firma  befördert  wurden,  zum  Gebrauch 
der  feindlichen  Truppen  geliefert  werden  sollten.  Da  aber  der  Chef 
der  genannten  Firma,  Tang  Ming  Chien,  ein  Transportgeschäft 
betreibe,  so  seien  die  Güter  nur  unter  seinem  Namen  verladen  worden 
und  es  werde  durch  die  Beweisstücke  A  2  bis  4  dargetan,  daß  sie  Kauf- 
leuten verschiedener  Plätze  gehörten.  Nach  alter  kaufmännischer 
Handelsusance  in  Shanghai  übergäben  Kaufleute,  welche  ihre  Güter  nach 
einem  anderen  Hafen  verschicken  wollten,  diese  meistens  gänzlich  einem 
Transportgeschäft.  Leute  wie  Tang  Ming  Chien  zahlten  jährlich 
mehrere  hunderttausend  Taels  Fracht  an  die  Reeder  und  in  den  letzten 
zehn  Jahren  seien  an  Fracht  über  4  Millionen  Taels  von  ihm  bezahlt 
worden.  Wenn  man  dies  erwäge,  so  könne  man  daraufhin,  daß  die 
meisten  Güter  auf  den  Namen  Tang  Ming  Chiens  stünden,  nicht 
schließen,  daß  sie  Konterbande  seien. 

Wenn  auch  einige  von  den  aufgebrachten  Güterarten  sich  in  der 

296 


Prisengorichtsentscheidungen:  „Hsl-Ping".  Abschnitt  VI**« 

Zollstatistik  nicht  fänden,  so  sei  der  Grund  der,  daß  kleine  Mengen 
von  Lebensmitteln  zum  Gebrauch  in  Speisewirtschaften  oder  von  ge- 
wöhnlichen Konsumenten  nicht  besonders  in  der  Zollstatistik  eingetragen, 
sondern  alle  zusammen  in  die  Rubrik  „Verschiedene  Waren"  eingestellt 
seien.  Wenn  auch  femer  einige  der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter 
mit  den  bisherigen  Einfuhrgütern  der  Statistik,  was  ihre  Farbe  oder 
ihre  Herkunft  angehe,  nicht  übereinstimmten,  so  seien  doch  diejenigen, 
welche  bezüglich  der  Warengattung  nicht  übereinstimmten,  nur  sehr 
venige. 

Bezüglich  der  nach  Tientsin  und  Chinwantao  bestimmten  Güter 
sei  zu  bemerken,  daß  diese  Plätze  absolut  neutrale  Häfen  seien  und  zu 
dem  Krieg  keine  Beziehung  hätten.  Daher  seien  die  dorthin  bestimmten 
Güter  keine  Konterbande,  und  die  Verhängung  der  Konfiskation  seitens 
der  ersten  Instanz  mit  der  Begründung,  daß  sie  Konterbandeeigentümern 
gehörten,  sei  falsch  und  zwar  aus  folgenden  Gründen: 

1.  Der  Eigentümer,  von  dem  der  §  43  der  Seeprisen  Ordnung 
in  den  Worten 

„Kriegskonterbandegüter  und  die  dem  Eigentümer  derselben 

gehörigen  Güter  werden  eingezogen" 
spreche,  bedeute  den  Eigentümer  absoluter  Kriegskonterbande  und  be- 
zeichne nicht  den  Eigentümer  sogenannter  bedingter  Konterbande.  Denn 
die  Einziehung  von  Nichtkonterhandegütern,  welche  einem  Eigentümer 
von  Konterbande  gehörten,  sei  die  Strafe  für  den  Transport  der  Konter- 
bandegüter. Im  Falle  eines  Transports  absoluter  Konterbande  könne 
freilich  vermutet  werden,  daß  der  Eigentümer  derselben  einer  der  krieg- 
führenden Parteien  habe  nützen  wollen.  Aber  bei  bedingter  Konterbande 
ruhe  die  Entscheidung  über  die  Frage,  ob  die  Güter  Konterbande  seien 
oder  nicht,  einzig  bei  dem  betroffenen  Staat,  so  daß  also  die  gleiche 
Vermutung  hier  nicht  ohne  weiteres  Platz  greife  und  ein  Grund  zur 
Bestrafung  nicht  bestehe. 

2.  Wie  schon  oben  ausgeführt,  reklamiere  TängMingChien,^ 
weil  er  den  Transport  übernommen  gehabt  habe.  Daß  in  den  Konnosse- 
menten und  anderen  Papieren  TängMingChiens  Firma  verzeichnet 
sei,  beruhe  auf  einem  Handelsbrauch  in  Shanghai,  und  daß  außer  ihm 
Eigentümer  da  seien,  werde  durch  das  Beweisstück  A  dargetan.  Das 
Gericht  erster  Instanz  habe  diesen  Beweis  aber  außer  Acht  gelassen 
und  angenommen,  daß  die  auf  den  Papieren  erscheinenden  Namen 
der  Firmen  Kai  Ping  Chiang  und  Shang  Fa  Yun  die  Eigen- 
tümer der  Güter  andeuteten.  So  sei  es  dahin  gekommen,  daß  das 
Gericht  Nichtkonterbandegüter,  welche  Personen  gehörten,  die  nicht 
Eigentümer  von  Konterbande  seien,  mit  in  seine  Strafe  hineingezogen 
habe. 

Was  Zink,  Kupfer  und  Argentanplatten  angehe,  so  möge  es  Fälle 

297 


Abschnitt  VI^*«  Prisengerichtsentscheidungen:  ,,Hsi-Ping". 

geben,  wo  sie  in  dem  vorhandenen  Zustand  Material  für  Waffen,  Mu- 
nition, für  den  Bau  und  die  Ausrüstung  von  Kriegs-  und  anderen  Schiffen 
abgäben.  Aber  es  gebe  auch  Fälle,  wo  sie  nach  der  Art  ihrer  Form 
durchaus  nicht  zu  derartigem  Gebrauch  dienen  könnten;  und  man  könne 
nicht  sagen,  daß  Güter,  welche  schließlich  nach  vielen  Bearbeitungen 
die  Fähigkeit  solcher  Verwendung  erreichen  könnten,  ihrer  Natur  nach 
unbedingt  Material  für  Waffen  darstellten.  Man  müsse  daher  zur  Recht- 
fertigung der  Annahme,  daß  solche  Güter  Material  für  Waffen  seien, 
nach  ihrer  Menge  oder  Form  usw.  klarstellen,  daß  sie  ohne  weiteres  zu 
diesem  Zweck  geliefert  werden  sollten.  Die  Reklamanten  seien  der 
Ansicht,  daß  die  genannten  Güter  freilich,  wenn  sie  nach  Menge  und 
Form  sogleich  zum  Gebrauch  für  Waffen  usw.  dienen  könnten,  absolute 
Kriegskonterbande  seien;  daß  sie  aber,  wenn  erst  durch  viele  Bearbeitung 
ihre  Form  und  Natur  geändert  werden  müsse,  damit  sie  als  Material  für 
Waffen  usw.  dienen  könnten,  keine  Kriegskonterbande  seien. 

Wie  schon  dargetan,  erführen  die  zur  Verhandlung  stehenden 
Waren  eine  große  Einfuhr,  sie  würden  auf  friedliche  Nachfrage  geliefert 
und  seien  kein  Material  für  Waffen.  Auch  seien  sie  nicht  in  dem  Zustand, 
um  als  solches  Material  dienen  zu  können  und  gehörten  daher,  wie  er- 
wähnt, unter  die  Nichtkonterbandegüter. 

Um  darzutun,  daß  die  vorhandene  Ware  ohne  weiteres  als  Material 
für  Waffen  dienen  solle,  sei  es  nötig,  ihre  Menge  und  Form  klarzustellen, 
und,  um  ihre  Einziehung  zu  verfügen,  müßten  die  Gründe,  weshalb 
sie  solches  Material  seien,  dargestellt  werden.  Das  Gericht  erster  Instanz 
habe  aber  die  genannten  Güter,  ohne  irgendwelchen  Unterschied  zu 
machen,  als  absolute  Kriegskonterbande  angesehen.  Dem  könnten  sich 
die  Reklamanten  nicht  unterwerfen. 

Die  eisernen  Wagenreifen,  die  Stücke  von  Eisenstäben,  die  alten 
Eisenklumpen  möchten  wohl  indirekt  zur  Herstellung  von  Waffen,  Mu- 
nition, Kriegs-  und  anderen  Schiffen  dienen  können.  Sie  seien  aber 
noch  nicht  ohne  weiteres  Material  dafür.  Wenn  man  diese  Güter  als 
indirekt  für  solche  Zwecke  dienlich  ansehe,  dann  müsse  auch  Bauholz, 
Öl,  Papier,  überhaupt  alles  als  derartiges  Material  gelten.  Daher  sei 
auch  der  Auffassung,  daß  derartiges  indirektes  Material  absolute  Konter- 
bande sei,  nicht  beizupflichten. 

In  dem  Urteil  erster  Instanz  werde  ausgeführt, 

was  die  unter  der  für  Niutschwang  bestimmten  Ladung  be- 
findlichen Lebensmittel  und  Getränke  wie  Weizenmehl, 
Spirituosen  und  Ananas  angehe,  so  seien  sie  alle  Artikel, 
wie  sie  bei  Europäern  und  Amerikanern  in  Nachfrage  stünden. 
Zur  fraglichen  Zeit  sei  aber  die  Zahl  der  in  Niutschwang 
ansässigen  gewöhnlichen  Europäer  und  Amerikaner  außer- 
ordentlich gering  gewesen.     Es  sei   daher  ganz   klar,   daß 

298 


Prisengerichtsentscheldungeii:  .H8i-Ping'.  Aschnitt  VI»« 

derartig  große  Mengen  von  Lebensmitteln  und  Getränken 
zum   Kriegsgebrauch  des  Feindes  geliefert  werden  sollten. 

Wenn  es  auch  nicht  zu  bejstreiten  sei,  daß  die  Zahl  der  dort 
lebenden  Europäer  und  Amerikaner  nur  gering  und  die  der  dort  la- 
gernden russischen  Truppen  sehr  groß  sei,  so  stünden  doch  Weizenmehl 
und  Spirituosen  nicht  nur  bei  Europäern  und  Amerikanern  in  Nach- 
frage, sondern  kämen  auch  bei  den  Chinesen  zur  Verwendung.  Daß 
Spirituosen  und  Weizenmehl,  welches  als  Material  zur  Herstellung  von 
Kuchen  diene,  alljährlich  in  großer  Menge  eingeführt  worden  sei,  sei 
bereits  nachgewiesen  worden. 

Reis  ferner  komme  für  Europäer  und  Amerikaner  nicht  in  Frage, 
sei  vielmehr  ein  Lebensbedürfnis  für  dit  Chinesen.  Wenn  daher  der 
Reis  aus  demselben  Grunde  wie  Weizenmehl  und  Spirituosen  als  für 
den  Gebrauch  des  Feindes  bestimmt  zur  Einziehung  verurteilt  worden 
sei,  so  müsse  man  sagen,  daß  dies  mit  der  ausgeführten  Begründung 
nicht  zusammenpasse. 

Daß  Geld  zum  Krieg  nötig  sei,  sei  unzweifelhaft  klar.  Es  sei 
aber  fraglich,  wie  der  Eigentümer  des  Geldes  dasselbe  den  russischen 
Truppen  habe  liefern  sollen;  und  man  könne  wohl  sagen,  daß  er  fast 
kein  Mittel  habe,  dasselbe  zu  liefern.  Bei  einem  russischen  Eigentümer 
liege  allenfalls  die  Möglichkeit,  es  zu  liefern,  vor;  für  einen  Ausländer 
sei  es  aber  klar,  daß  er  nicht  besonders  Geld  einführen  werde,  um  es 
den  russischen  Truppen  zu  übergeben.  Wenn  es  aber  Leute  gegeben 
hätte,  welche  Geld  für  den  Gebrauch  der  russischen  Truppen  hätten 
liefern  wollen,  so  würde  es  unsinnig  sein,  wenn  sie  dafür  nicht  einen 
entsprechenden  Gegenwert  fordern  sollten.  Die  russischen  Truppen 
hätten  aber  zur  Zeit  keine  Güter  besessen,  durch  deren  Verkauf  sie 
sich  Geld  hätten  verschaffen  können. 

Wenn  ferner  auch  bei  den  russischen  Truppen  Bedarf  für 
chinesische  Arbeit  vorhanden  sein  möge,  so  sei  doch  kaum  anzunehmen, 
daß  die  Russen  für  die  Chinesen  arbeiten  würden. 

Es  sei  demnach  klar,  daß  in  keinem  Falle  das  Geld  zum  Gebrauch 
der  russischen  Truppen  habe  geliefert  werden  sollen,  und  es  sei  daher 
unbillig,  zu  entscheiden,  daß  dasselbe  zum  Gebrauch  des  Feindes  habe 
dienen  sollen. 

Wozu  die  feindlichen  Truppen  alte  Eisenbahnnägel  und  Bauholz 
brauchten,  sei  nicht  ersichtlich.  Bauholz  könne  allenfalls  zum  Truppen- 
gebrauch  dienen.  Alte  Eisenbahnnägel  würden  dagegen  niemals  zum 
Eisenbahnbau  verwandt.  Es  sei  daher  kaum  möglich,  sich  vorzustellen, 
vozu  diese  im  Krieg  dienen  sollten. 

Einen  Teil  der  Nichtkonterbandegüter  habe  das  Urteil  erster  Instanz 
mit  der  Begründung,  daß  sie  Eigentümern  von  Konterbande  gehörten, 
eingezogen.    Da  aber,  wie  dargetan,  der  größte  Teil  dieser  als  Konter- 

299 


Abschnitt  VI«*«  Prisengerichtsentscheidungen:  «Hsi-Ping*. 

bände  bezeichneten  Güter  keine  Konterbande  sei,  so  müsse  die  Ent- 
scheidung anders  ausfallen.  Es  scheine,  als  ob  das  Urteil  erster  Instanz 
die  nach  Tientsin  und  Chinwantao  bestimmten  Güter  ungeachtet  der 
Warengattung  als  Nichtkonterbande  ansehe.  Trotzdem  sei  aber  die 
Einziehung  der  hierunter  befindlichen,  den  Eigentümern  von  Konter- 
bande gehörigen  Güter  verfügt  worden.  Die  Worte  des  §  43  der 
Seeprisenordnung  8)  „und  die  dem  Eigentümer  derselben  gehörigen 
Güter  bezögen  sich  auf  Güter,  die  sich  auf  demselben  Schiff  befänden 
und  nach  demselben  Ort  bestimmt  seien.  Daher  dürften  Güter,  welche 
nach  anderen  Häfen  gingen,  nicht  eingezogen  wer<len.  Wenn  man 
auch  solche  Güter  einzuziehen  beabsichtige,  so  ergebe  sich"  das  Resultat, 
daß  auch  auf  einem  anderen  Schiff  verladene  Güter  eingezogen  werden 
müßten,  wodurch  den  neutralen  Staatsangehörigen  schwerer  Schaden 
erwachsen  müsse. 

In  dem  Artikel  72  des  Handbuchs  des  englischen  Prisenrechts «) 
heiße  es,  daß 

auch  in  Fällen,  wo  man  wissen  könne,  daß  die  Güter  in 
einem    neutralen    Hafen    gelöscht    würden,    doch    der    Be- 
stimmungsort der  Güter  als  feindliches  Gebiet  angesehen 
würde ; 
ferner  in  der  Straf bestimmung  des  Artikels  82: 

Zur  Strafe  für  den  Transport  von  absoluten  Konterbande- 
gütern würden  gewöhnlich  diese  Güter  und  das  Interesse 
ihres  Eigentümers  an  der  übrigen  Ladung  eingezogen. 
Diesem  scheine  der  Inhalt  des  Urteils  erster  Instanz  zu  ähneln. 
Indes   beziehe  sich   diese  Bestimmung  des  englischen   Rechts  darauf, 
daß   auch   neutrale  Zwischenhäfen  als  Feindesgebiet  anzusehen  seien. 
In  der  vorliegenden  Sache  sei  aber  eine  solche  Tatsache  nicht  nur  nicht 
angenommen,  sondern  es  fehle  auch  an  einer  Bestimmung,  welche  eine 
solche  Annahme  vorschreibe. 

Ferner  sehe  das  englische  Recht  die  Strafe  des  Verlustes  des 
Interesses  an  dem  übrigen  Teil  der  Ladung  für  den  Fall  von  absoluter 
Konterbande  vor.  In  dem  vorliegenden  Falle  wolle  man  dagegen  die 
gleiche  Strafe  bei  Einziehung  von  nicht  absoluter  Konterbande  ein- 
treten lassen. 

Tang  Ming  Chien  sei  nicht  Ladungseigentümer;  es  sei  daher 


8)  V. 

«)  Artikel  72  des  Manual  of  Naval  Prize  sagt:  The  destination  of  the  vessel  is 
condusive  as  to  the  destination  of  the  Goods  on  board.  If,  therefore,  the  destination 
of  the  Vessel  be  Hostile,  then  the  destination  of  the  Goods  on  board  should  be  con* 
sidered  Hostile  also,  notwithstanding  it  may  appear  from  the  papers  or  otherwise  that 
the  Goods  themselves  are  not  intended  for  the  Hostile  port,  but  are  intended  either 
to  be  forwarded  beyond  it  to  an  ulterior  Neutral  destination,  or  to  be  deposited  at 
an  intermediate  Neutral  port. 

300 


Prisengorichtsentscheidungen:  .H8l-Ping\  Abschnitt  VIi*^ 

schon  ausgeführt  worden,  daß  die  nach  Tientsin  oder  Chinwantao 
gehenden  Güter  nicht  als  im  Eigentum  von  Konterbandeeigentümern 
stehend  bezeichnet  werden  könnten.  Selbst  aber  einmal  angenommen, 
er  sei  Eigentümer  der  unter  Nr.  103  des  Verzeichnisses  aufgeführten 
Güter,  so  sei  doch  Cognac  weder  absolute,  noch  auch,  wie  schon  dar- 
getan, bedingte  Konterbande.  Wie  man  es  auch  ansehe,  könnten  die 
nach  Tientsin  und  Chinwantao  gehenden  Güter  nicht  eingezogen  werden. 

Aus  diesen  Gründen  werde  Aufhebung  des  Urteils  erster  Instanz, 
soweit  es  nicht  auf  Freisprechung  von  Ladungsstücken  der  „Hsi-Ping" 
erkenne,  und  Erlaß  einer  Entscheidung  auf  Freigabe  aller  für  eingezogen 
erklärten  Güter  beantragt. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  der  Staatsanwälte  beim  Prisen- 
gericht zu  Sasebo,  Mizukami  Chojiro  und  Yamamoto  Tatsu- 
r 0  k  u  r  o  sind  folgende : 

1.  Zur  Zeit,  als  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  befördert 
Torden  sei,  sei  Niutschwang  nicht  nur  von  den  russischen  Truppen 
besetzt,  sondern  auch  ein  wichtiger  Etappenort  für  dieselben  gewesen. 
Die  unter  der  Ladung  befindlichen  Lebensmittel  und  Getränke  ent- 
sprächen alle  den  Bedürfnissen  von  Europäern  und  Amerikanern.  In 
Niutschwang  hätten  nun  russische  Truppen  in  großer  Zahl  gelegen, 
vogegen  gewöhnliche  Europäer  und  Amerikaner  nur  sehr  wenige  vor- 
handen gewesen  seien.  Es  sei  daher  ohne  viel  Worte  klar,  daß  diese 
Güter  sofort  nach  ihrer  Ankunft  in  Niutschwang  zum  Gebrauch  der 
feindlichen   Truppen   gedient   haben   würden. 

Infolge  der  andauernden  Niederlagen  der  Russen  zu  Wasser  und 
zu  Lande  habe  das  in  Niutschwang  und  in  der  Mandschurei  verwandte 
Kriegs-Papiergeld  stark  an  Kredit  verloren,  so  daß,  um  dem  täglichen 
Kriegsbedarf,  zu  entsprechen,  kleines  chinesisches  Silbergeld  auf  das 
dringendste  benötigt  worden  sei.  Daraufhin  sei  zweifellos  auch  das 
zur  Verhandlung  stehende  Geld  nach  dem  Etappenort  Niutschwang 
geschickt  worden,  um  dort  nach  Ankunft  sogleich  zum  Gebrauch  der 
feindlichen  Truppen  zu  dienen. 

Auch  Bauholz,  alte  Eisenbahnnägel  usw.  seien  Artikel,  deren  die 
russische  Kriegsführung  im  höchsten  Maße  bedurft  habe,  so  daß  ver- 
mutet werden  müsse,  daß  auch  diese  Güter,  wenn  sie  nach  Niutschwang 
gelangt  wären,  den  feindlichen  Truppen  geliefert  worden  wären. 

Es  sei  daher  zutreffend,  wenn"  das  Gericht  erster  Instanz  auf 
Grund  der  oben  angegebenen  Tatsachen  und  Gründe  angenommen 
habe,  daß  diese  Güter  der  Ziffer  1  der  Instruktion  des  Marineministeriums 
Nr.  1  entsprächen,  und  auf  Grund  der  völkerrechtlichen  Prinzipien  und 
der  Bestimmungen  der  japanischen  Seeprisenordnung  auf  Einziehung 
derselben  entschieden  habe. 

2.  Nach  den  Prinzipien  des  Völkerrechts  und  den  Bestimmungen 

301 


Abschnitt  VI  *••  Prlsengeiichtsentschei düngen:  nH$i-Ping% 

der  japanischen  Seeprisenordnung  könne  zur  Strafe  des  Transports  von 
Konterbandegütern  dem  Eigentümer  solcher  gehörige  Nichtkonterbande 
eingezogen  werden: 

a)  Wenn  sie  mit  der  Konterbande  auf  demselben  Schiff  sei; 

b)  wenn  sie  nach  demselben  Bestimmungsort  ginge,  wie  die 
Konterbande. 

Wenn  diese  beiden  Bedingungen  erfüllt  seien,  so  sei  die  Frage, 
ob  die  Konterbande  absolute  sei  oder  nicht,  belanglos.  *°)  Das  Gericht 
erster  Instanz  habe  daher  auf  Grund  der  oben  angegebenen  Tatsachen 
und  Gründe  zu  Recht  die  Einziehung  der,  Konterbandeeigentümern 
gehörigen,  Nichtkonterbande  verfügt. 

3.  Eine  große  Menge  derjenigen  zur  Verhandlung  stehenden  Güter, 
welche  nach  eigener  Aussage  von  dem  Reklamanten  Tang  M  i  n  g 
Chien  zum  Transport  übernommen  seien,  sei  unter  anderen  Nfamen 
als  denen  der  Firmen  Kai  Ping  Chiang  und  Shang  Fa  Yun, 
welche  dem  genannten  Reklamanten  gehörten,. versandt  worden.  Wenn 
man  annehme,  daß  nach  den  Gebräuchen  in  Shanghai  Güter  unter  dem 
Namen  des  Frachtunternehmers  versandt  würden,  so  hätten  die  Güter, 
deren  Transport  Tang  Ming  Chien  übernommen  habe,  alle  in 
gleicher  Weise  versandt  werden  müssen.  Da  dem  aber  nicht  so  sei, 
so  könne  die  Behauptung  bezüglich  der  Gebräuche  in  Shanghai  usw. 
keinen  Glauben  finden,  und  es  sei  billig,  anzunehmen,  daß  die  unter 
dem  Namen  Tang  Ming  Chien's  versandten  Güter,  deren  Emp- 
fänger überdies  „auf  Order''  laute,  alle  in  Tang  Ming  Chien's 
Eigentum  stünden. 

4.  Es  gebe  freilich  völkerrechtliche  Präcedenzen,  wo  Nichtkonter- 
bande, welche  einem  Konterbandeeigentümer  gehöre,  mit  dieser  zu- 
sammen eingezogen  worden  sei.  Die  Nichtkonterbande  habe  aber  nicht 
wie  die  Konterbande,  dadurch,  daß  sie  nach  dem  Feinde  befördert  werde, 
einen  besonderen  Wert  für  die  kriegerischen  Operationen.  Wenn  sie 
trotzdem  zusammen  mit  der  Konterbande  eingezogen  werde,  so  sei 
das  lediglich  eine  Art  der  Bestrafung  des  Konterbandetransports.  Des- 
halb bestehe  der  Grundsatz,  daß  für  die  Ausübung  dieser  Strafe  sehr 
strenge  Voraussetzungen  vorhanden  sein  müßten.  Um  Nichtkonter- 
bandegüter mit  Konterbande  zusammen  einziehen  zu  können,  sei  fol- 
gendes erforderlich : 

a)  Sie  müßten  einem   Eigentümer  von   Konterbande  gehören; 

b)  sie  müßten  mit  der  Konterbande  auf  demselben  Schiff  ver- 
laden sein; 


^")  So  §  43  der  japanischen  Seeprisenordnung.  Anders  art.  82  des  englischen 
Manual  of  Naval  Prize  Law:  The  penalty  for  canying  goods  absolutely  Contraband  is, 
in  general,  the  confiscation  of  such  Goods  and  also  of  any  interest  whlch  the  owner 
of  such  Goods  may  have  in  the  rest  of  the  Cargo. 

302 


Prteengerichtsentscheidungen:  „Hsl-Ping'.  Abschnitt  VIi*» 

c)  sie  müßten  denselben  Bestimmungsort,  d.  h.  denselben  Ankunfts- 
ort haben,  wie  die  Konterbandegüter. 

Wenn  man  den  Tatbestand  des  gegenwärtigen  Falles  prüfe,  so 
gehörten  die  in  Streit  befangenen  Nichtkonterbandegüter  Eigentümern 
von  Konterbande  und  seien  auch  mit  dieser  zusammen  auf  der  „Hsi-Ping" 
verschifft  worden,  so  daß  freilich  zwei  der  oben  beschriebenen  Be- 
dingungen erfüllt  seien.  Der  Bestimmungs-  oder  Ankunftsort  der  beiden 
sei  dagegen  durchaus  verschieden.  Die  Nichtkonterbandegüter  seien 
nach  den  neutralen  Plätzen  Tientsin  und  Chinwantao  bestimmt.  Der 
Bestimmungsort  der  Konterbande  sei  dagegen  Niutschwang.  Da  die 
beiden  also  verschieden  seien,  so  sei  die  dritte  Voraussetzung  nicht  er- 
füllt. Das  Gericht  erster  Instanz  habe  offensichtlich  die  Verschiedenheit 
der  beiden  Bestimmungsorte  anerkannt,  habe  aber  trotzdem  die  Nicht- 
konterbande,  welche  nach  einem  anderen  Bestimmungs-  oder  Ankunfts- 
ort habe  gehen  sollen,  wie  die  Konterbande,  eingezogen. 

Eine  Prüfung  der  Frage,  welche  Präcedenz  dabei  zu  Grunde  gelegt 
sei.  oder  ob  es  einen  derartigen  Rechtssatz  oder  eine  derartige  Theorie 
gebe,  welche  befolgt  werden  müßten,  ergebe  folgendes.  Es  gebe  freilich 
Pracedenzen  für  die  Einziehung  von  Nichtkonterbandegütern  auf  Grund 
dessen,  daß  sie  im  selben  Eigentum  stünden  wie  Konterbandegüter. 
Aber  diese  Pracedenzen  nähmen  als  Bestimmungsort  der  Ladung  den 
Bestimmungsort  des  Schiffes  an.  So  gebe  es  für  den  Fall,  daß  ein  nach 
feindlichem  Gebiet  bestimmtes  Schiff  Ladung  an  Bord  habe,  welche 
nach  einem  auf  seinem  Kurs  liegenden  neutralen  Zwischenhafen  be- 
stimmt sei,  eine  Präcedenz  (Peterhoff.  1866.  Oberster  Gerichtshof  von 
Amerika),  wo  auf  Einziehung  der  Nichtkonterbande  zusammen  mit  der 
Konterbande  erkannt  worden  sei.  Diese  stütze  sich  auf  die  Theorie 
(Handbuch  des  englischen  Prisenrechts),  daß  als  Bestimmung  für  solche 
Ladung  nicht  der  wirkliche  neutrale  Bestimmungsort,  sondern  der  An- 
kunftshafen  des  Schiffes,  also  feindliches  Gebiet  anzusehen  sei.  Von 
einer  Präcedenz,  welche,  wie  das  Gericht  erster  Instanz  es  tue,  Nicht- 
konterbandegüter einziehe,  welche  freilich  mit  der  Konterbande  auf 
demselben  Schiff  sei,  bezüglich  derer  aber  das  Gericht  anerkenne,  daß 
ihr  Bestimmungsort  und  der  Bestimmungsort  der  Konterbande  ver- 
schieden sei,  habe  man  bis  jetzt  noch  nichts  gehört. 

Jemand  möchte  wohl  behaupten,  in  der  japanischen  Seeprisen- 
ordnung") heiße  es  im  §  43: 

Kriegskonterbandegüter  und  die  dem  Eigentümer  derselben 

gehörigen  Güter  werden  eingezogen. 
Der  Fassung  nach  werde  danach,  ob  der  Bestimmungsort  der  Güter 
derselbe  oder  ein  anderer  sei,  nicht  gefragt.  Danach  müßten  also  Güter, 
Tenn  sie  nur  auf  demselben  Schiff  verladen  seien,  eingezogen  werden 

303 


Abschnitt  VIi*^  Prisengerichtsentscheidungen:  »Hsi-Ping*'. 

können.    Demgegenüber  sei  indes  zu  sagen,  daß  die  Bestimmung  dieses 
Paragraphen  in  Verbindung  mit  den  Bestimmungen  der  §§  13,  14  und 
15  anzuwenden  sei.    In  den  §§13  und  14  sei  aber  bestimmt,  welche 
Güter  Konterbande  seien  und  in  welchen  Fällen.    Daher  könnten  nur 
Güter,  welche  unter  diese  beiden  Artikel  paßten,  als  Kriegskonterbande 
bezeichnet  werden.    Was  ferner  den  Bestimmungsort  von  Gütern  wie 
in  §§  13  und  14  angehe,  so  brauche,  da  im  §  15  gesagt  werde,  daß  in 
der  Regel  der  Bestimmungsort  eines  Schiffes  als  der  Bestimmungsort 
seiner  Ladung  gelten   solle,   der  Bestimmungsort  einer  Ladung  nicht 
unbedingt  der  des  Schiffes  zu  sein.     Es  kämen  Fälle  vor,  wo  der  Be- 
stimmungsort eines  Schiffes  in  Feindesland,  der  seiner  Ladung  außer- 
halb des  feindlichen  Gebiets  liege.   Güter,  welche  nach  den  §§  13  und 
14  Konterbande  seien,  brauchten  demnach  ihren  Bestimmungsort  nicht 
unbedingt  im    Feindesland   zu   haben.     In   einem    Falle,   wo   der   Be- 
stimmungsort der  Ladung  außerhalb  des  feindlichen  Gebiets  liege,  könne 
man.  wenn  auch  das  Schiff,  auf  dem  sie  verladen  sei,  nach  feindlichem 
Gebiet  bestimmt  sei,  die  Ladung  nicht  als  Konterbande  im  Sinne  der 
§§   13   und   14  bezeichnen.    Die   Konterbandeeigenschaft  von   Gütern 
bestimme  sich  nach  deren  Art  und  den  besonderen  Verhältnissen  ihres 
Bestimmungsorts.     Wenn  also  die  Verhältnisse  des  Schiffes,  auf  dem 
die  Güter  verladen  seien,  belanglos  seien,  so  habe  der  §  43  offenbar 
den  Sinn,  daß  nur  solche  Nichtkonterbandegüter  zusammen  mit  Konter- 
bande eingezogen  werden  könnten,  welche  nach  demselben  Bestimmungs- 
ort gingen.    Wenn  der  Wortlaut  des  Paragraphen  einen  Unterschied 
nach  den  Bestimmungsorten  nicht  mache,  so  müsse  das  damit  erklärt 
werden,  daß  der  entsprechend  dem  §  15,  wo  es  heiße,  daß  in  der  Regel 
der  Bestimmungsort  eines  Schiffes  als  der  Bestimmungsort  seiner  Ladung 
gelte,  die  hauptsächlich  in  Betracht  kommende  Anwendung  auf   den 
gewöhnlichen  Fall  im  Auge  habe,  d.  h.  auf  den  Fall,  wo  Schiff  und 
Ladung  denselben  Bestimmungsort  hätten. 

Kurz,  es  möge,  wenn  man  wie  das  englische  Prisenrecht  den  Be- 
stimmungsort des  Schiffes  als  den  der  Ladung  ansehe,  gerechtfertigt 
sein,  auch  diejenigen  Nichtkonterbandegüter  einzuziehen,  welche  in  Wirk- 
lichkeit einen  anderen  Bestimmungsort  hätten,  wie  die  Konterbande- 
güter. Doch  könnten  unter  der  Herrschaft  der  japanischen  Seeprisen- 
ordnung, welche  einen  Bestimmungsort  der  Ladung  außerhalb  des- 
jenigen Schiffes  anerkenne,  Nichtkonterbandegüter,  die  auf  demselben 
Schiff  mit  Konterbande  verladen  seien,  aber  einen  anderen  Bestimmungs- 
ort wie  diese  hätten,  nicht  eingezogen  werden. 

Das  Gericht  erster  Instanz  habe,  ohne  daß  Präcedenzen  vorlägen, 
demnach  in  Verletzung  des  Sinnes  unserer  Seeprisenordnung  mit  der 
Begründung,  daß  sie  demselben  Eigentümer  gehörten  wie  die  nach 
Niutschwang  bestimmten  Konterbandegüter,  auf  Einziehung  der  in  dem 

304 


?rlMngoricht88nt8cheidungen:  .H9l-Plng*.  Abschnitt  VIi*« 

Verzeichnis  für  Tientsin  und  Chinwantao  unter  den  Nummern  '257  bis 
293,  298  bis  363  aufgeführten  Güter  erkannt.  Dies  sei  unzutreffend, 
und  die  Berufung  sei  begründet.  Es  werde  daher  Aufhebung  des  Ur- 
teils in  diesem  Punkte  und  Freigabe  der  von  der  Reklamation  be- 
troffenen oben  erwähnten  Güter  beantragt. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 
Es  ist  von  dem  gegenwärtigen  Völkerrecht  anerkannt,  daß  Güter 
neutraler  Staatsangehöriger,  wenn  sie  Kriegskonterbande  seien,  die  nach 
feindlichem  Gebiet  bestimmt  ist,  aufgebracht  und  eingezogen  werden 
können;  ebenso  daß  auch  Nichtkonterbandegüter,  wenn  sie  mit  Konter- 
bandegütern auf  demselben  Schiff  verladen  sind  und  dem  Eigentümer 
der  Konterbande  gehören,  zusammen  mit  dieser  einzuziehen  sind. 

Es  bedarf  keiner  Erörterung,  daß  Niutschwang  zu  dem  chinesischen 
Hoheitsgebiet  gehört  und  kein  russisches  Territorium  ist.  Der  Kaiser- 
liche Konsul  Segawa  in  Niutschwang  hat  berichtet,  daß 

Rußland,  seitdem  es  diesen  Platz  besetzt  gehabt,  dort  eine 
Zivilverwaltungsbehörde  eingerichtet  und  bis  zum  25.  Juli 
1904  die  Flagge  eines  Zivilverwaltungsamtes  geführt  habe. 
Dies  habe  mit  dem  Morgen  jenes  Tages  plötzlich  aufgehört 
und  es  sei  wieder  die  Konsulatsflagge  geheißt  worden.    Beim 
Eindringen  unserer  Truppen  sei  die  französische  Flagge  auf- 
gezogen worden. 
Es  ist  somit  bekannt,  daß  zur  Zeit,  als  die  in  Streit  befangenen 
Güter  aufgebracht  wurden,   Niutschwang  tatsächlich   unter  russischer 
Verwaltung  stand,  daß  der  Feind  dort  nicht  nur  viele  Truppen  liegen, 
sondern  auch  einen  Hauptetappenort  eingerichtet  hatte.    Wenn  daher 
Güter  dorthin  befördert  wurden,  so  muß  das  ebenso  angesehen  werden, 
als  ob  sie  nach  feindlichem  Gebiet  bestimmt  seien.    Demnach  müssen 
die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter,  wenn  sie  die  Voraussetzungen 
von  Konterbande  erfüllen,  eingezogen  werden. 

Blei  ist  unter  dem  Material'  für  Flintenkugeln  das  wichtigste.  Es 
ist  daher  selbstverständlich,  daß  es  Konterbande  ist,  gleichviel  ob  in 
Niutschwang  ein  Waffenarsenal  besteht  oder  nicht.  Wenn  auch  aus 
der  Ein-  und  Ausfuhrstatistik,  welche  das  Beweisstück  A6  bildet,  er- 
sehen werden  kann,  daß  auch  in  den  Jahren  1902  und  1903  die  Ein- 
fuhr von  Blei  bedeutend  gewachsen  ist,  so  Hegt  doch  diese  Zeit  nach 
der  Besetzung  Niutschwangs  durch  die  Russen  so,  daß  sich  daraus 
nicht  beweisen  läßt,  daß  das  Blei  bei  den  gewöhnlichen  Chinesen  stark 
in  Nachfrage  stehe  und  daß  es  daher  keine  Konterbande  sei. 

Was  ferner  das  Zink,  die  Kupfer-  und  Argen  tan  platten  angeht,  so 
können  sie  in  ihrem  gegenwärtigen  Zustand  zum  Kriegsgebrauch  dienen. 
Daher  ist  das  Urteil  erster  Instanz  deshalb,  weil  es  sich  über  die  Form 

Hftrttrand-Meohlenburg,  Das  JapaniBoh*  PriBenreoht.    Band  I.      (20)  305 


Abschnitt  VII*«  Prisengerichtseiitscheidungen:  .Hsl-Ping*. 

und  Menge  nicht  ausgelassen  und  diese  Güter  für  Konterbandegüter 
erklärt  hat,  nicht  rechtswidrig. 

Ebenso  sind  die  Wagenreifen,  Stücke  von  Eisenstäben,  die  alten 
Eisenbarren  und  das  Bauholz  Stoffe,  welche  ohne  weiteres  zum  Kriegs- 
gebrauch dienen  können.  Es  bedarf  keiner  Erörterung,  daß  sie  nicht, 
wie  der  Reklamant  behauptet,  mit  Papier  oder  öl  auf  eine  Stufe  gestellt 
werden  können. 

Die  in  dem  Ladungsverzeichnis  aufgeführten  Lebensmittel  und 
Getränke,  wie  Weizenmehl,  Spirituosen,  Marmelade,  Ananas,  Käse  und 
andere,  welche  zur  Einziehung  verurteilt  sind,  stellen  bei  weitem  in  der 
Mehrzahl  für  Europäer  oder  Amerikaner  geeigneten  Bedarf  dar.  Als 
die  „Hsi-Ping"  aufgebracht  wurde,  war  Niutschwang  noch  von  den 
russischen  Truppen  besetzt,  und  auch  der  Reklamant  bestreitet  es  nicht, 
daß  die  Europäer  und  Amerikaner,  welche  dort  ein  friedfertiges  Leben 
führten,  zu  der  Zeit  nur  sehr  wenige  waren.  Es  kann  daher  durchaus 
nicht  als  unbillig  bezeichnet  werden,  wenn  man  annimmt,  daß  die  ge- 
nannten Güter  nach  ihrer  Landung  in  erster  Linie  zum  Gebrauch  der 
feindlichen  Truppen  geliefert  worden  wären. 

Aus  den  Konnossementen  ergibt  sich,  daß  der  größte  Teil  der 
Ladung  im  Eigentum  der  dem  TängMingChien  gehörigen  Firmen 
steht.  Da  auch  ihre  Menge  sehr  groß  ist,  so  muß  angenommen  werden, 
daß  sie  in  der  Absicht,  sie  mit  großem  Verdienst  den  russischen  Truppen 
zu  liefern,  versandt  worden  sind.  Freilich  sind  über  diesen  Punkt  die 
Beweisstücke  A  vorgelegt  worden.  Sie  sind  aber  alle  erst  nach  Ent- 
stehen dieser  Prisensache  und  Verhandlung  unter  den  Interessenten 
hergestellt  und  daher  kaum  glaubwürdig. 

Da  es  nicht  an  Beispielen  dafür  fehlt,  daß  auch  Leute,  die  ein 
Handelsgeschäft  haben  und  ihr  Gewerbe  ehrlich  treiben,  um  großen 
Gewinn  zu  machen,  Risiken  übernehmen  und  unregelmäßige  Trans- 
aktionen versuchen,  muß  dies  zweifellos  um  so  mehr  von  solchen  Kauf- 
leuten gelten,  welche  nur  den  einen  Gedanken  des  Gewinns  haben 
und  sonst  keinerlei  Rücksichten  kennen.  Wenn  man  daher  auch  einmal 
annimmt,  daß  die  ganze  Ladung  nicht  dem  Tang  Ming  Chien, 
sondern  den  anderen  chinesischen  Kaufleuten  gehöre,  welche  seit  Jahr- 
zehnten in  Niutschwang  gewohnt  und  dort  Handel  mit  den  gleichen 
Waren  betrieben  haben,  so  steht  das  n^ich  den  obigen  Ausführungen  der 
Einziehung  nicht  im  Wege. 

Wenn  der  Reklamant  behauptet,  daß  Reis  viel  mehr,  als  er  von 
Europäern  und  Amerikanern  gebraucht  werde,  das  gewöhnliche  Nah- 
rungsmittel der  Chinesen  sei,  so  hat  er  in  diesem  einen  Punkt  nicht  un- 
recht. Aber  Reis  ist  trotzdem  auch  ein  Verkaufsartikel  der  Amerikaner 
und  Europäer,  und  es  ist  eine  bekannte  Tatsache,  daß  er  in  Ermangelung 
von  Weizenmehl  auf  dem  russisch-japanischen  Kriegsschauplatz  zur  Ver- 

306 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Hsi-PIng*.  Abschnitt  VI«« 

pflegung  der  Russen  gedient  hat.  Daher  ist  es  zutreffend,  wenn  das 
Urteil  erster  Instanz  den  Reis  als  Konterbande  angesehen  hat.  Was  . 
ferner  die  Frage,  ob  auch  das  zur  Verhandlung,  stehende  Silbergeld 
als  Konterbande  anzusehen  ist  oder  nicht,  so  heißt  es  in  einem  Bericht 
des  in  Niutschwang  ansässigen  Kaiserlichen  Konsuls  Segawa,  daß 
die  russische  Regierung  beim  Beginn  des  Baues  der  Mand- 
schurischen Eisenbahn  anfänglich  alle  Zahlungen  in  Gold 
geleistet  habe.  Ein  oder  zwei  Jahre  später  habe  sie  daneben 
Papierrubel  benutzt  und  den  Chinesen  gesagt,  zwischen  dem 
Metall  und  dem  Papier  sei  kein  Unterschied.  Dann  habe 
sie,  um  dem  Papier  Kredit  zu  verschaffen,  nach  und  nach  das 
Gold  zurückgezogen  und  das  Papier  vermehrt.  Im  Jahre  1902 
sei  es  dahin  gekommen,  daß  man  in  der  Mandschurei  rus- 
sisches Goldgeld  nur  sehr  selten  in  Umlauf  gesehen  habe. 
Damals  habe  aber  die  russisch-chinesische  Bank  schon  an 
verschiedenen  wichtigen  Punkten  Niederlassungen  errichtet. 
In  diesen  Banken  sei  das  Papier  zum  Tageskurse  gegen 
Silbergeld  eingelöst  worden  und  in  der  Mandschurei  habe 
dabei  ein  Papierrubel  einen  Tauschkurs  von  1  Dollar  30  Cents 
bis  1  Dollar  40  Cents  Silbergeld  gehabt.  Als  indessen  seit 
Herbst  1903  die  Gerüchte  über  einen  Krieg  zwischen  Japan 
und  Rußland  in  Blüte  gestanden  hätten,  habe  es  unter  den 
Chinesen  geheißen,  daß,  wenn  nach  dem  Ausbruch  des 
Krieges  die  Russen  einmal  unterliegen  würden,  die  russischen 
Papierrubel  nicht  mehr  gewechselt  werden  könnten  und  nur 
noch  den  Wert  von  altem  Papier  haben  würden.  Von  No- 
vember oder  Dezember  dieses  Jahres  bis  zum  Ausbruch  des 
Krieges  im  Februar  1904  sei  der  Wert  des  Papiergeldes  oft 
bis  auf  1  Dollar  10  Cents  gefallen  und  nur  dank  den  Be- 
strebungen der  Niederlassungen  der  russisch-chinesischen 
Bank  in  den  verschiedenen  Orten,  den  Kredit  des  Papier- 
geldes aufrechtzuerhalten,  sei  es  nicht  dazu  gekommen,  daß 
ihr  Umlauf  ganz  ins  Stocken  geraten  sei.  Als  aber  die  Nach- 
richten von  den  Niederlagen  bei  Nanshan  und  Tehlitze 
nach  Kaiping  und  Yinkow  kamen,  hätten  die  Chinesen,  welche 
Papiergeld  gehabt  hätten,  darin  gewetteifert,  dieses  zu  ver- 
kaufen. Der  Rubel  sei  damals  bis  auf  70  oder  80  Cents 
gefallen.  Aber  da  in  Tientsin  und  Shanghai  Papierrubel 
immer  zum  Tageskurse  gegen  Silbertaels  gewechselt  werden 
könnten,  so  hätten  Geldwechsler  in  Yinkow,  wenn  das  rus- 
sische Papiergeld  gefallen  gewesen  sei,  dieses  aufgekauft, 
nach  Shanghai  geschickt  und  dort  mit  ungeheuerem  Gewinn 
wieder  eingetauscht. 

(20^  307 


Abschnitt  VI«*«  Prisengerichteentscheidungen:  .Hsi-Ping*. 

Nach  diesem  Bericht  zu  urteilen,  erregte  also  der  Rubelschein 
schon  beim  Beginn  des  russisch-japanischen  Kriegs  im  Verkehr  unter 
den  Chinesen  ganz  allgemein  Verdacht  und  Mißtrauen,  und  es  zeigte 
sich  die  Tendenz,  daß  er  schließlich  gänzlich  den  Kredit  verlieren  würde. 
Als  die  Nachricht  von  den  Niederlagen  bei  Nanshan  und  Tehütze 
nach  Yinkow  gekommen  war,  traf  freilich  die  russisch-chinesische  Bank 
sorgfältige  Maßnahmen,  um  das  alte  Verhältnis  wieder  herzustellen;  es 
kam  aber  trotzdem  zu  einem  großen  Sturz.  Als  sodann  immer  mehr 
Nachrichten  von  dem  weiteren  Kampf  und  Sieg  der  japanischen  Truppen 
kamen,  war  die  Lage  so,  daß  es  sich  auf  keine  Weise  mehr  vermeiden 
ließ,  daß  der  Rubel  unter  den  Chinesen  ganz  allgemein  seine  Kursfähig- 
keit verlieren  würde.  Es  ist  daher  ganz  klar,  daß  die  Situation  so  war, 
daß  die  russischen  Truppen  zu  der  Zeit,  wo  das  zur  Verhandlung 
stehende  Silbergeld  befördert  wurde,  zur  Requisition  des  Kriegsbedarfs 
und  zur  Bezahlung  der  Kulis  den  Papierrubel  nicht  ohne  weiteres  ver- 
wenden konnten.  Daher  ist  es  offenbar,  daß  chinesisches  Silbergeld  zu 
jener  Zeit  für  die  russischen  Truppen  unentbehrlich  geworden  war. 

Ferner  besagt  der  Bericht  des  Kaiserlichen  Generalkonsuls  I  j  u  i  n 
in  Tientsin  über  die  russischen  Papierrubelscheine: 

Seit  der  Eröffnung  des  Krieges  zwischen  Japan  und  Ruß- 
land seien  Zweifel  unter  vielen  Chinesen  über  die  Einlösbar- 
keit  der  Rubelscheine  aufgekommen.   Man  habe  gefürchtet, 
daß  sie  Fälschungen  seien  und  der  Kredit  sei  beeinträchtigt 
worden.  Auch  unter  den  Russen  und  russischen  Regierungs- 
lieferanten seien  nur  sehr  wenig  Rubelscheine  in  Verkehr 
gewesen,  wenn  man  auch  nicht  behaupten  könne,  daß  sie 
absolut  keinen   Umlauf  gehabt  hätten.    Wenn  die  Banken 
in  Tientsin  sie  in  die  Hand  bekommen  hätten,  so  hätten  sie 
sie  nicht  als  Geld  behandelt,  sondern  als  eine  Art  Wert- 
papier. 
Danach   hat  der  Rubelschein,  nachdem   die  russischen  Truppen 
bei  Nanshan  und  Tehütze  geschlagen  worden  waren,  unter  den  Chinesen 
allgemein  keinen  Umlauf  gehabt.     Er  war  nur  gelegentlich  des  Kurs- 
sturzes eine  Art  Handelsobjekt  für  Kaufleute,  die  großen  Gewinn  erzielen 
wollten.    Daher  hat  der  Rubelschein  auch  die  Requisitionen  der  russi- 
schen Truppen  und  die  Löhne  der  Kulis  nicht  zahlen  können.     Aus 
allem  diesen  geht  klar  hervor,  daß  die  russischen  Truppen  chinesisches 
Geld  nötig  hatten. 

Wenn  es  auch  offenbar  ist,  daß  trotz  des  japanisch-russischen 
Krieges  die  Hauptprodukte  Niutschwangs,  Bohnen,  Bohnenkuchen  und 
Bohnenöl  verhandelt  worden  sind,  so  bestand  daneben  doch  die  Tat- 
sache, daß  auf  der  anderen  Seite  Kaufleute  in  Benutzung  der  Gelegen- 
heit, daß  die  russischen  Truppen  chinesisches  Umlaufsgeld  nötig  hatten, 

308 


PriMiigerichteentscheidungen:  .Hsi-PIng*.:  Abschnitt  VI»« 

die  vermehrten  Rubelscheine  billig  von  den  russischen  Truppen  kaufen 
und  dadurch  großen  Gewinn  erzielen  konnten.  Daher  stimmt  die  Be- 
hauptung des  Reklamanten,  daß  das  in  Streit  befangene  Silbergeld, 
weil  jener  Warenhandel  im  Betrieb  gewesen  sei,  auf  keinen  Fall  dem 
Kriegsgebrauch  des  Feindes  gedient  haben  würde,  nicht  mit  den  Tat- 
sachen überein.  Vielmehr  ist  es  natürlich,  anzunehmen,  daß  zu  einer 
solchen  Zeit  die  geschäftlich  scharfsinnigen  chinesischen  Kaufleute,  vor 
allem  die  Bankunternehmer,  anstelle  ihrer  gewöhnlichen  Geschäfte  lieber 
Rubelscheine  billig  von  den  Russen  kaufen  und,  um  einen  außerordent- 
lichen Profit  zu  erzielen,  die  Gefahr  eines  solchen  Geldimports  laufen 
worden. 

Das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  ist  durch  Vermittlung  der  See- 
transportfirma Tang  Ming  Chien,  welche  eine  volle  Ladung  von 
Kriegskonterbande  heimlich  nach  Niutschwang  zu  befördern  beabsichtigt 
hatte,  und  außerdem  mit  dieser  Konterbande  zugleich  auf  demselben 
Schiff  verladen  und  befördert  worden.  Dazu  ist  sein  Bestimmungsort 
ein  russischer  Etappenort  und,  wie  oben  dargetan,  bedurften  die  russi- 
schen Truppen  solchen  Geldes.  Daraus  muß  geschlossen  werden,  daß  der 
Zveck  der  Einfuhr  des  Geldes  wie  der  der  übrigen  Konterbandeladung 
des  fraglichen  Schiffes  der  gleiche  gewesen  ist,  nämlich  es  zum  Gebrauch 
der  russischen  Truppen  zu  liefern. 

Die  nach  Tientsin  und  Chinwantao  bestimmten  Güter,  welche, 
Tie  die  Konnossemente  zeigen,  dem  TängMingChien  zu  beliebiger 
Behandlung  überlassen  waren,  werden  als  ihm  gehörig  betrachtet. 

In  der  Wissenschaft  des  gegenwärtigen  Völkerrechts  wird  die  An- 
sicht vertreten,  daß  bei  einer  Aufbringung  von  Kriegskonterbande  auf 
demselben  Schiff  befindliche,  dem  Eigentümer  der  Konterbande  ge- 
hörige Nichtkonterbandegüter,  auch  wenn  ihr  Landungsort  von  dem  der 
Konterbande  verschieden  ist,  eingezogen  werden  können.  Das  Ober- 
prisengericht erachtet  dieses  als  den  Verhältnissen  gerecht  werdend. 
Denn  da  dies  schließlich  nichts  anderes  ist  als  eine  Bestrafung  des 
Eigentümers  der  Konterbande  für  den  Versuch,  dieselbe  in  Feindesland 
zu  löschen,  so  liegt  kein  Grund  vor,  weshalb  die  Entscheidung  je 
nach  dem  Landungsort  der  Nichtkonterbandegüter  verschieden  ausfallen 
sollte. 

Tientsin  und  Chinwantao  sind  neutrales  Gebiet,  so  daß  die  dorthin 
bestimmten,  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  freilich  keine  Konter- 
bande sind.  Da  sie  aber  dem  Tang  Ming  Chien,  welcher  Kriegs- 
konterbande verladen  und  in  Niutschwang  zu  löschen  versucht  hat,  ge- 
hören, so  müssen  sie  als  Strafe  für  diese  Handlung  zusammen  mit 
der  Konterbande  eingezogen  werden. 

309 


Abschnitt  VI»'  Prisengerichtsentscheldungen:  .Hsi-Ping'. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden  : 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am   25.  Dezember   1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


Reklamanten:  Die  chinesischen  Staatsangehörigen  ChanYü  Po 
und  Ching  Po  Saw,  in  Firma  Yu  Shing  Yuen,  aus  der  Provinz 
Canton,  Regierungsbezirk  Chowchow,  Haiyang  bzw.  Chaoyang. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Sakurai  Ikkyu,  Regierungs- 
bezirk Hiogo,  Kobe,  Kitanagasadori,  shichome  Nr.  54. 

In  der  Prisensache  betreffend  Ladung  des  englischen  Dampfers 
„Hsi-Ping"  wird,  wie  folgt,  entschieden: 

Urteilsformel: 
Die  unter  der  Ladung  des  Dampfers  „Hsi-Ping*'  befindlichen,  an  die 
Firma  Yu  Shing  Yuen  versandten  20  Kisten  mexikanische  Dollar 
werden  eingezogen. 

Tatbestand   und   Gründe: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  20  Kisten  mexikanische  Dollar 
sind  alle  kleines  chinesisches  Silbergeld.  Sie  sind  von  der  Transport- 
firma Kai  Ping  Chang  in  Shanghai,  China,  auf  dem  englischen 
Dampfer  „Hsi-Ping''  verladen  und  am  11.  Juli  1904  an  die  Firma 
Yu  Shing  Yuen  in  Niutschwang,  China,  abgesandt  worden.  Als 
am  14.  d.  M.,  8  Uhr  vormittags,  der  Dampfer  „Hsi-Ping*'  ungefähr 
6V2  Seemeilen  nördlich  von  der  Insel  Kaiming  bei  dem  Shantung-Vor- 
gebirge  in  China  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Hongkong  Maru" 
aufgebracht  wurde,  weil  er  Kriegskonterbande  führe,  wurden  auch  die 
zur  Verhandlung  stehenden   Gelder   mit   Beschlag  belegt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Kommandanten  der  „Hongkong  Maru",  Inouye  Toshio,  den  Bericht 
des  Marineoberleutnants  KamuraYasumasa  über  die  Durchsuchung 
der  „Hsi-Ping",  das  Tagebuch,  die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns 
R.  Mac  Farlane,  des  1.  Offiziers  E.  B.  Hayes,  der  Kompradores 
Paw  Meng  Chiung  und  N.  Wai  Meng,  des  Passagiers  Tang 
Ming  Chien,  durch  die  Konnossemente,  das  Ladungsverzeichnis  und 
die  Frachtbriefe. 

Die  Hauptpunkte  des  Vertreters  der  Reklamation  sind  folgende : 

310 


pri^engerichtsentscheidungen:  .Hsi-Plng*.  Abschnitt  VI«* 

Die  Reklamanten  betrieben  in  Niutschwang  ein  Bankgeschäft.  Sie 
hätten  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  von  Shanghai  kommen 
lassen  wollen,  weil  zu  der  Zeit  in  Niutschwang  die  Handelsbeziehungen 
zu  einem  einseitigen  Wechselverkehr  geneigt  hätten  und  weil  die  Zeit 
für  den  Einkauf  von  Bohnen,  Bohnenkuchen  und  Bohnenöl  gekommen 
gewesen,  so  daß  Umlaufskapital  vonnöten  gewesen  sei.  Ferner  sei  der 
Kurs  für  Papiergeld  und  für  kleines  Silbergeld  sehr  ungleich  gewesen, 
so  daß  die  Reklamanten  durch  Einfuhr  von  Metallgeld  einen  Vorteil 
zu  erzielen  beabsichtigt  gehabt  hätten.  Das  zur  Verhandlung  stehende 
Geld  sei  nicht  für  die  russische  Armee  oder  Marine  bestimmt  gewesen 
und  habe  auch  nicht  für  ihren  Gebrauch  geliefert  werden  sollen.  Daher 
sei  es  keine  Konterbande  und  müsse  freigegeben  werden. 

Der  Reklamant  hat  zum  Beweis  der  vorstehenden  Tatsachen  ver- 
schiedene Beweisdokumente  eingereicht. 

Die   Hauptpunkte   der  Ansicht  des  Staatsanwalts  sind  folgende: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  Gelder  würden  nach  ihrer  An- 
kunft in  Niutschwang  zum  Gebrauch  der  russischen  Truppen  gedient 
haben.  Sie  seien  daher  Kriegslconterbande  und  müßten  eingezogen 
Verden. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Wenn  Lebensmittel  oder  Geld  nach  einem  von  den  feindlichen 
Truppen  besetzten  Hafen  versandt  worden  sind,  so  kann  je  nach  den 
Umständen  angenommen  werden,  daß  sie  zum  Gebrauch  dieser  Truppen 
dienen  würden. 

Niutschwang  war  zur  fraglichen  Zeit  von  den  russischen  Truppen 
besetzt  und  diente  als  ein  Hauptetappenort.  Außerdem  hatte  das 
russische  Papiergeld  durch  die  andauernden  Niederlagen  der  russischen 
Armee  und  Marine  sehr  an  Kredit  verloren  und  es  ist  bekannt,  daß 
chinesisches  Metallgeld,  insbesondere  kleines  Geld,  wie  das  zur  Ver- 
handlung stehende  Silbergeld  stark  benötigt  wurde,  um  der  täglichen 
Nachfrage  zu  entsprechen.  Es  muß  daher  angenommen  werden,  daß 
das  zur  Verhandlung  stehende  Silbergeld  nach  Ankunft  in  Niutschwang 
sofort  zum   Gebrauch  der  genannten  Truppen  geliefert  worden  wäre. 

Es  wird  demnach  für  Kriegskonterbande  angesehen  und  weder 
die  Anführungen  des  Vertreters  der  Reklamation  noch  die  von  ihm 
eingereichten  1)  verschiedenen  Beweisdokumente  sind  imstande,  diese 
Annahme  umzustoßen. 

Es  wird  daher,  wie  in  der  Urteilsformel,  entschieden.  2) 

Verkündet  am  17.  Dezember  1904  im  Prisengericht  zu  Sasebo 
im  Beisein   des  Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurokuro. 

(Unterschriften.) 

0  II.  Ziffer  2.  —  2)  V.  §  43. 

311 


Abschnitt  VI*'  Prisengerichtsentscheldungen :  .Hsi-Plng^. 

Reklamanten:  Die  chinesischen  Staatsangehörigen  Chan  Yü  Po 
und  Shing  Pu  Saw,  in  Firma  Yu  Shing  Yuen,  aus  der  Provinz 
Canton.  Regierungsbezirk  Chowchow,  Haiyang  bzw.  Chaoyang. 

ProzeBvertreter:  Die  Rechtsanwälte  TakagiToyozo,  Tokio^ 
Kojimachiku,  Uchisaiwaicho  ichome  Nr.  3  und  Sakurai  Ikkyu,  Re- 
gierungsbezirk  Hiogo,   Kobe,   Kitanagasadori,  shichome  Nr.   54. 

Am  17.  Dezember  1904  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der 
Prisensache  betreffend  Ladung  des  Dampfers  „Hsi-Ping",  welcher  am 
14.  Juli  1904  auf  37  o  34'  n.  Br.  und  122  o  29'  ö.L.  von  dem  Kaiser- 
lichen Kriegsschiff  „Hongkong  Maru"  aufgebracht  worden  ist,  auf  Ein- 
ziehung der  unter  der  Ladung  des  Dampfers  „Hsi-Ping"  befindlichen^ 
an  die  Firma  Yu  Shing  Yuen  versandten  20  Kisten  mexikanische 
Dollar  erkannt. 

Gegen  dieses  Urteil  haben  die  Reklamanten,  die  chinesischen 
Staatsangehörigen  Chan  Yü  Po  und  Ching  Pu  Saw  in  Firma 
Yu  Shing  Yuen  durch  die  Rechtsanwälte  Takagi  Toyozo  und 
Sakurai  Ikkyu  die  Berufung  eingelegt,  welche  im  Beisein  der  Staats- 
anwälte Tsutsuki  Keiroku  und  *Dr.  jur.  Ishiwatari  Binichi 
beim  Oberprisengericht  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  der  Prozeßvertreter  Takagi 
Toyozo  und  Sakurai   Ikkyu  sind  folgende: 

Es  werde  Aufhebung  des  am  17.  Dezember  1904  von  dem  Prisen- 
gericht in  Sasebo  abgegebenen  Urteils  auf  Einziehung  der  auf  dem 
englischen  Dampfer  „Hsi-Ping"  verschifften  20  Kisten  mexikanische 
Dollar  und  Freigabe  derselben  beantragt  und  zwar  aus  folgenden 
Gründen : 

1.  Die  Reklamanten  hätten  ein  Bankgeschäft  und  betrieben  da- 
neben ein   Engrosgeschäft  für  Ein-  und  Verkauf. 

Bei  der  Ausfuhr  von  Bohnen,  Bohnenkuchen  und  Bohnenöl  nach 
Shanghai  liehen  die  Kaufleute  von  Niutschwang  den  Wechselbetrag: 
für  die  Güter  dar,  vereinnahmten  in  Shanghai  den  Wechselbetrag  von 
dem  Wechselschuldner  und  bewerkstelligten  die  Übersendung  dieses 
Betrages  entweder  durch  Ankauf  eines  in  Niutschwang  zahlbaren 
.Wechsels  oder  in  Form  baren  Geldes.  Auch  in  Fällen,  wo  Waren 
von  Niutschwang  nach  anderen.  Plätzen  wie  Shanghai  ausgeführt  würden 
und  der  Wechsel  dargeliehen  werde,  werde  die  Zahlung  des  Wechsel- 
betrags bisweilen  in  Shanghai  entgegengenommen.  Denn  da  Shanghai 
das  Zentrum  des  chinesischen  Handels  sei,  so  sei  es  auch  der  Mittel- 
punkt des  Geldumlaufes.  Auch  in  Fällen,  wo  die  Reklamanten  selber 
Bohnen  und  Bohnenkuchen  nach  Shanghai  ausführten,  würde  die 
Zahlung  des  Preises  in  Shanghai  entgegengenommen;  und  auch  in 
Fällen,  wo  die  Ausfuhr  nach  anderen  Plätzen  wie  Shanghai  gehe,  sei 
dies  bisweilen  der  Fall. 

312 


PriseBferichteeiitscIieiiliingen:  .Hsi-Ping*.  Abschnitt  VI»« 

So  sei  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  im  Verlauf  einer  Trans- 
aktion von  dem  Angestellten  der  Reklamanten  in  Shanghai  dort  ein- 
genommenes Geld,  welches  er  bei  einem  Wechsler  eingewechselt  und 
an  das  Hauptgeschäft  in  Niutschwang  gesandt  habe.  Daß  bares  Silber- 
geld geschickt  worden  sei,  habe  seinen  Grund  darin,  daß  gerade  in 
Niutschwang  die  Zeit  für  die  Ausfuhr  von  Bohnen,  Bohnenkuchen  usw. 
gekommen  gewesen  sei.  Denn  da  in  der  Regel  die  Ausfuhrfirmen 
Zahlung  für  die  Bohnen  usw.  in  kleinem  Silbergeld  leisteten  und  die 
Kunden  des  Bankdepartements  der  Reklamanten  die  Reklamanten  um 
Leistung  in  Silbergeld  bäten,  so  hätten  dieselben  sich  darauf  vorbereiten 
müssen.  Dies  sei  einer  der  Grunde,  weshalb  das  zur  Verhandlung 
stehende  Geld  in  bar  geschickt  worden  sei.      [ 

Wenn  in  Niutschwang  Silbergeld  reichlich  und  der  Kurs  für  in 
Niutschwang  zahlbare  Wechsel  in  Shanghai  niedrig  gewesen  wäre,  so 
wäre  es  allerdings  nicht  nötig  gewesen,  daß  der  Angestellte  der  Rekla- 
manten extra  Silbergeld  hätte  schicken  sollen.  In  Niutschwang  habe  es 
aber  an  Silbergeld  gefehlt  und  der  Wechselkurs  auf  Niutschwang  sei 
in  Shanghai  hoch  gewesen,  so  daß  selbst  nach  Zahlung  der  Fracht 
und  Versicherung  die  Sendung  von  barem  Geld  immer  noch  geschäftlich 
vorteilhaft  und  außerdem  notwendig  gewesen  sei.  Das  sei  der  zweite 
Grund,  weshalb  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  in  bar  uber- 
sandt  worden  sei.  Die  obigen  Tatsachen  gingen  hervor  aus  den  Beweis- 
stücken Nummer  2,  3,  5  bis  7  und  9  bis  11. 

2.  Daß  der  Angestellte  der  Reklamanten  das  zur  Verhandlung 
stehende  Silbergeld  an  das  Hauptgeschäft  in  Niutschwang  geschickt 
habe,  sei,  wie  dargetan,  eine  für  ein  Bankgeschäft  natürliche  Maßnahme, 
die  mit  den  russischen  Truppen  in  keinerlei  Beziehung  stehe.  Wenn 
man  annehme,  daß  es  zulässig  sei,  eine  derartige  reine  Handelstransaktion 
für  unerlaubt  zu  erklären  und  die  auf  der  Reise  befindlichen  Güter 
einzuziehen,  so  bedeute  das  eine  Entziehung  des  Rechts,  Gewerbe  zu 
treiben.  Von  etwas  dergleichen,  wie  insbesondere  auch  davon;  daß 
neutralen  Staatsangehörigen  das  Recht  auf  ihr  gewöhnliches  Gewerbe 
in  ihrem  eigenen  Lande  entzogen  werden  könne,  habe  man  bislang  in 
der  Praxis  und  der  Wissenschaft  des  Kriegsvölkerrechts  noch  niemals 
etvas  gehört. 

3.  Der  Dampfer  „Hsi-Ping"  habe  seine  Absicht,  nach  Niutschwang 
und  anderen  Häfen  zu  gehen,  in  Shanghai-Zeitungen  bekannt  gemacht, 
und  der  englische  Konsul  habe  die  Abreise  des  Dampfers  zwecks  Güter- 
transports nach  Niutschwang  gutgeheißen.  Auch  das  Zollamt  in  Shang- 
hai habe  die  öffentlich  nach  Niutschwang  gehende  Ladung  passieren 
lassen.  Daher  habe  der  Angestellte  der  Reklamanten  ohne  weitere 
Überlegung  ganz  unbefangen  dem  Schiffe  das  zur  Verhandlung  stehende 
Silbergeld   zur   Beförderung  übergeben.     Demnach   sei   die   Beschlag- 

313 


Abschnitt  VI^*'  Prisengerichtsentscheidungen:  .Hsi-Ping*. 

nähme,  von  der  Einziehung  nicht  zu  reden,  im  höchsten  Grade  un- 
erwartet gekommen. 

Wenn  man  das  Geld  wirklich  heimlich  habe  absenden  wollen,  um 
es  zum  Gebrauch  der  russischen  Truppen  dienen  zu  lassen,  so  hätte 
man  ein  so  öffentliches  Transportverfahren  nicht  wählen  sollen.  Daß 
man  doch  ein  solches  Verfahren  eingeschlagen  habe,  liefere  reichlichen 
Grund  für  die  Vermutung,  daß  böser  Glaube  dabei  nicht  vorgelegen 
habe. 

4.  In  dem  Urteil  erster  Instanz  werde  zur  Begründung  folgendes 
gesagt: 

Niutschwang  sei  zur  fraglichen  Zeit  von  den  russischen 
Truppen  besetzt  gewesen  und  habe  als  ein  Hauptetappenort 
gedient.     Außerdem   habe   das  russische   Papiergeld   durch 
die  andauernden  Niederlagen  der  russischen  Armee  und  Ma- 
rine sehr  an  Kredit  verloren,  und  es  sei  bekannt,  daß  chine- 
siches  Metallgeld,   insbesondere   kleines   Geld   wie   das   zur 
Verhandlung  stehende  Silbergeld,  benötigt  worden  sei,  um 
der  täglichen  Nachfrage  zu  entsprechen.     Es  müsse  daher 
angenommen  werden,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende 
Silbergeld  nach   Ankunft  in   Niutschwang  sofort  zum   Ge- 
brauch der  genannten  Truppen  geliefert  worden  wäre. 
Daraufhin  aber,  daß  Niutschwang  ein  Hauptetappenort  der  russi- 
schen Truppen  sei,  annehmen  zu  wollen,  daß  alle  dorthin  ausgeführten 
Güter  zum  Gebrauch  der  Truppen  geliefert  würden,  sei  unbillig  streng 
und  widerlaufe  auch   den  Tatsachen.     Daß,  wenn  auch  Niutschwang 
zur  fraglichen  Zeit  von   den  russischen  Truppen  besetzt  gewesen   sei, 
deshalb  der  Handel  Niutschwangs  nicht  in  Stillstand  geraten,  sondern 
tatsächlich  ausgeübt  worden  sei,  könne  man  aus  den  das  Beweisstück 
Nr.  15  bildenden  telegraphischen  Mitteilungen  der  Niutschwang-Filiale 
der  offenen   Handelsgesellschaft  Mitsui  Bussan   über  die  Handels- 
lage in  Niutschwang  bis  zum  Juli  des  vorigen  Jahres  entnehmen.    Wenn 
später  die  chinesische  Zollstatistik  für  das  Jahr  1904  erscheinen  werde, 
so  würden  sich  diese  Tatsachen  bestätigen. 

Selbst  angenommen,  die  russischen  Truppen  hätten  Geld  wie  das 
zur  Verhandlung  stehende  nötig  gehabt,  so  sei  es  doch  unsinnig,  ohne 
zu  fragen,  wem  es  gehöre,  anzunehmen,  daß  es  unbedingt  an  die 
Truppen  geliefert  worden  wäre.  Auch  sprächen  die  Tatsachen  nicht 
dafür.  Vielmehr  müsse  grundsätzlich  angenommen  werden,  daß,  wenn 
die  Reklamanten,  welche  ein  Bankgeschäft  hätten,  Geld,  wie  es  zum 
Betriebe  dieses  Gewerbes  erforderlich  sei,  von  Shanghai,  woher  sie  ihre 
Kapitalien  geliefert  bekämen,  nach  Niutschwang,  dem  Sitz  ihres  Ge- 
schäfts befördern  ließen,  dieses  Geld  im  Betriebe  des  Bankgeschäfts 
der  Reklamanten   zur  Verwendung  kommen  solle.     Wenn   man  diese 

314 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Hsl-Plng*.  Abschnitt  VI'*' 

natürliche  Vermutung  umstürzen  wolle,  so  bedürfe  es  dazu  unter  allen 
Umständen  sicherer  Gründe  und  Beweise.  Wenn  daher  das  Urteil 
erster  Instanz  auf  die  verzeichneten  vagen  Gründe  hin  eine  Annahme 
aufgestellt  habe,  welche  dieser  natürlichen  Vermutung  widerspreche, 
so  sei  das  auch  vom  Standpunkt  des  Beweisrechts  unzutreffend. 

5.  Silbergeld  sei  sogenannte  bedingungsweise  Konterbande.  Da 
es  demnach  nur  in  den  beiden  Fällen:  (1)  daß  es  für  die  feindliche 
Armee  oder  Marine  bestimmt  sei;  (2)  daß  es  nach  feindlichem  Gebiet 
bestimmt  sei  und  angenommen  werden  müsse,  daß  es  zum  Gebrauch 
der  feindlichen  Armee  oder  Marine  dienen  würde,  Kriegskonterbande 
sei,  3)  so  sei  es  nötig,  für  die  Behauptung,  daß  es  Konterbande  sei. 
Beweise  beizubringen,  welche  dartäten,  daß  es  für  die  feindliche 'Armee 
oder  Marine  bestimmt  gewesen  sei,  oder  daß  es  zu  ihrem  Gebrauch 
habe  geliefert  werden  sollen. 

Wenn  man  also  bei  der  Annahme,  daß  Konterbande  nach  dem 
Fall  „(2)"  vorliege,  einfach  so  folgere,  daß  die  Güter,  weil  sie  nach 
einem  von  feindlichen  Truppen  besetzten  Ort  gesandt  würden,  auch 
zum  Kriegsgebrauch  des  Feindes  geliefert  werden  würden,  so  schließe 
man  aus  dem  Vorhandensein  der  ersteh  der  beiden  Bedingungen,  welche 
dieser  Fall  erfordere,  ohne  weiteres  auf  das  Vorhandensein  auch  der 
zveiten  Bedingung.  Das  sei  im  Erfolg  dasselbe,  als  wenn  die  zweite 
Bedingung  überflüssigerweise  geschrieben  sei,  und  laufe  darauf  liinaus, 
daß  die  bedingte  Kriegskonterbande  des  Falles  „(2)''  keinen  Unter- 
schied von  der  absoluten  Konterbande  aufweise,  so  daß  der  Sinn,  welcher 
der  Unterscheidung  dieser  beiden  zu  Grunde  liege,  völlig  zunichte 
gemacht  werde. 

Man  werde  aber  vielleicht  behaupten,  die  Grundlage,  auf  welche 
hin  das  Gericht  erster  Instanz  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld 
als  Konterbande  angesehen  habe,  beschränke  sich  nicht  nur  darauf, 
daß  das  Geld  nach  einem  vom  Feinde  besetzten  Platz  bestimmt  sei, 
sondern  es  sei  auch  die  weitere  Begründung  beigefügt,  daß  die  feind- 
liche Armee  oder  Marine  es  benutzen  werde.  Demgegenüber  sei  aber 
folgendes  zu  bemerken:  Jedermann  könne  in  allen  Umständen  Geld 
gebrauchen,  und  die  Verwendbarkeit  desselben  beschränke  sich  nicht 
auf  die  russische  Armee  und  Marine.  Wenn  demnach  dafür,  daß  nur 
die  russische  Armee  oder  Marine  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld 
gebrauchen  werde,  keine  besonderen  Gründe  vorlägen,  so  gebe  die 
oben  genannte  weitere  Begründung  des  Urteils  der  ersten  Instanz  auf 
die  Frage,  inwiefern  die  Annahme  berechtigt  sei,  daß  das  zur  Ver- 
handlung stehende  Geld  bei  den  russischen  Truppen  zur  Verwendung 
kommen  werde,  die  Antwort,  man  müsse  annehmen,  daß  es  bei  den 

3)  IL  Ziffer  2. 

315 


Abschnitt  VI>*'  Prisengerichtsentscheldungen:  ^iHsi-Ptng*» 

russischen  Truppen  zur  Verwendung  gekommen  sein  würde,  weil  diese 
es  zu  verwenden  genötigt  gewesen  seien.  Das  sei  Beantwortung  einer 
Frage  mit  derselben  Frage. 

Obwohl  den  Reklamanten  die  Beweislast  nicht  obliege,  hätten  sie 
ihre  Behauptungen,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  weder 
an  die  russischen  Truppen  bestimmt  noch  zu  ihrem  Gebrauch  zu  liefern 
gewesen,  daß  es  vielmehr  zur  Deckung  des  Bedarfs  in  dem  Bank- 
geschäft der  Reklamanten  versandt  worden  sei,  mit  verschiedenen  beweis- 
kräftigen Tatsachen  und  Gründen  belegt.  Der  Staatsanwalt  habe,  ohne 
dagegen  einen  einzigen  Gegenbeweis  vorzubringen,  diese  Erklärung  der 
Reklamanten  verworfen,  und  die  Entscheidung  des  Gerichts  erster  In- 
stanz, welches  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  beipflichte,  sei  daher  auch 
vom   Standpunkt  der  Beweisführung  rechtswidrig; 

6.  Es  sei  freilich  nicht  zu  leugnen,  daß  Niutschwang  nicht  nur 
zur  Zeit  der  Aufbringung,  sondern  schon  seit  der  Zeit  vor  dem  japanisch- 
russischen Krieg  unter  russischer  Gewalt  gestanden  habe.  Aber  man 
müsse  dieses  besetzte  Gebiet  nicht  einem  gewöhnlichen  Okkupations- 
gebiet gleichstellen,  denn  Niutschwang  sei  ein  dem  Handel  der  Mächte 
offen  stehender  Hafen  und  kein  Kriegs-  oder  Blockadehafen.  Es  könne 
nicht  mit  nur  während  des  Krieges  besetzten  Gebieten,  wie  zum  Beispiel 
der  Song  To  Bucht,  der  Taubenbucht  und  der  Sho  Fing  Insel  bei 
Port  Arthur  auf  eine  Stufe  gestellt  werden.  Wenn  relative  Kont?er- 
bandegüter,  d.  h.  Güter,  wie  sie  im  §  14  der  Seeprisenordnung*)  auf- 
gestellt seien,  nach  der  Song  To  Bucht  usw.  bestimmt  wären,  so  werde 
jedermann  dem  zustimmen,  wenn  man  annehme,  daß  sie  direkt  für 
die  russischen  Truppen  bestimmt  seien  und  daher  als  Kriegskonterbande 
eingezogen  werden  müßten.  Wenn  man  aber  einen  solchen  Fall  und 
den  Fall,  wo  die  Güter  nach  Niutschwang  bestimmt  seien,  gleichstelle, 
so  entspreche  das  nicht  dem  wahren  Sinne  der  japanischen  Seeprisen- 
ordnung und  des  Völkerrechts  über  die  Behandlung  neutralen  Gutes. 
Besonders  seien  auch  die  zur  Verhandlung  stehenden  Silbermünzen 
courantes  Geld,  wie  es  unter  den  Chinesen  und  den  in-  und  aus- 
ländischen Kaufleuten  Kurs  habe.  Von  anderen  Konterbandegütern, 
wie  Lebensmitteln  und  dergleichen,  sei  es  weit  verschieden,  und  es 
lägen  Gründe  vor,  wonach  man  nicht  auf  Gebrauch  seitens  der  Truppen 
schließen  müsse.  Beispielsweise  sei  zwischen  Lebensmitteln,  welche  zum 
Gebrauch  für  die  Russen,  und  solchen,  welche  zum  Gebrauch  für  die 
Chinesen  dienen  sollten,  ein  großer  Unterschied,  so  daß  man,  wenn 
Lebensmittel,  welche  für  Russen  geeignet  seien,  in  großer  Menge  nach 
Niutschwang  bestimmt  würden,  diese  wohl  als  Konterbande  ansehen 
könne.  Geld  sei  aber  nicht  nur  bei  Truppen  verwendbar,  und  da  auch 
die  Menge  des  hier  versandten   Geldes  im   Handel   mit   den   großen 

316 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Hsl-Plng*.  Abschnitt  VI»' 

Mengen  Bohnen,  Bohnenkuchen  und  Bohnenöl  keinen  Überschuß  lassen 
würde,  so  könne  man  es  nicht  mit  Lebensmitteln  vergleichen  und 
als  Truppenbedarf  ansehen. 

7.  Niutschwang  sei  ein  Handelshafen.  Daher  müsse  man  einen 
Fall  von  bedingter  Kriegskontert3ande  wie  Geld  besonders  sorgfältig 
überlegen.  Daher  werde  besonders  die  rechtliche  Auffassung  der  Stellung 
Niutschwangs  der  Beachtung  empfohlen,  welche  mit  der  diplomati- 
schen Frage  über  den  Handel  mit  Bohnen,  Bohnenkuchen  und 
Bohnenöl  eng  verknüpft  sei.  Dieselbe  sei  folgende:  Die  Verhandlungen, 
betreffend  die  Frage  ob  die  Ausfuhr  von  Bohnen,  Bohnenkuchen  usw. 
aus  Niutschwang  verboten  werden  solle,  hätten  zu  dem  Resultat  ge- 
führt, daß  die  Ausfuhr  gestattet  sein  solle,  wenn  garantiert  werde,  daß 
die  Oüter  nicht  beim  Militär  zur  Ve^"wendung  kommen  würden.  Dieses 
sei  der  Kaiserlichen  Regierung  mittels  Berichts  des  in  China  akkre- 
ditierten Gesandten  vom  18.  April  1904  mitgeteilt  worden,  und  Japan 
habe  diese  Tatsache,  daß  die  Bohnen,  Bohnenkuchen  usw.  nach  japa- 
nischen Häfen  ausgeführt  werden  würden,  mit  Freuden  begrüßt. 

Wenn  daher  auch  Niutschwang  von  den  russischen  Truppen  be- 
setzt gewesen  sei,  so  sei  es  doch  ein  diplomatisches  Faktum,  daß  der 
Handel  mit  Bohnen,  Bohnenkuchen  usw.  von  Japan,  Rußland,  China 
und  anderen  neutralen  Staaten  gutgeheißen  sei;  und  darin  liege  ein 
wichtiger  Grund,  weshalb  die  vorliegende  Sache  nicht  allein  daraufhin, 
daß  Rußland  Niutschwang  besetzt  habe,  entschieden  werden  könne. 
Denn  wenn  die  Mächte  so  den  Handel  mit  Bohnen,  Bohnenkuchen 
usw.  übereinstimmend  gestattet  hätten,  so  falle  auch  das  Resultat  dieses 
Handels,  nämlich,  daß  die  Kaufleute  den  Preis  für  die  verkauften  Waren 
in  Empfang  nähmen,  in  den  Bereich  dieses  übereinstimmend  gestatteten 
Handels.  Demnach  könne  das  Silbergeld,  welches  als  Preis  für  die 
Bohnen,  Bohnenkuchen  usw.  eingenommen  sei,  vorausgesetzt,  daß  es 
nicht  an  die  russischen  Truppen  gehe,  nicht  eingezogen  werden. 

Daß  aber  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  der  Kaufpreis  für 
frühere  Bohnen,  Bohnenkuchen  usw.;  sowie  Kapital  für  den  auch  in 
Zukunft  erlaubten  Einkauf  derselben;  und  daß  es  kleines  Geld  sei, 
wie  es  für  solche  Einkäufe  nötig  sei;  kurz,  daß  es  in  jeder  Beziehung 
im  Rahmen  harmlosen  Handelsverkehrs  stehe,  alles  dies  gehe  aus  den 
eingereichten  Beweisen  klar  hervor. 

Da  die  Absicht  des  Völkerrechts  und  der  Seeprisenordnung  dahin 
gehe,  die  Rechte  neutraler  Staatsangehöriger  zu  achten,  so  werde  um 
äußerste  Unparteilichkeit  bei  Beurteilung  der  zum  Beweise  unge- 
fälschter Tatsachen  eingereichten  Beweisdokumente  gebeten. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  der  Staatsanwälte  beim  Prisen- 
gericht zu  Sasebo,  Mizukami  Chojiro  und  Yamamoto  Tat- 
surokuro  sind  folgende: 

317 


Abschnitt  VI>'  Prisengerichtsentscheidungen:  .Hsi-Ping*. 

1.  Zur  Einziehung  von  Gütern  auf  Grund  der  Annahme,  daß 
sie  zum  Gebrauch  der  feindlichen  Armee  oder  Marine  geliefert  werden 
würden  und  daher  Konterbande  seien,  sei  es  nicht  unbedingt  erforderlich 
darzulegen,  daß  diese  Annahme  sich  auf  Beweise  gründe.  Im  Falle,, 
daß  nach  der  Art  der  Güter,  den  Verhältnissen  des  Einfuhrorts  und 
anderen  Umständen  angenommen  werden  könnte,  daß  die  Güter  zum 
Gebrauch  der  feindlichen  Armee  oder  Marine  geliefert  werden  würden, 
habe  das  Prisengericht  nach  freier  Überzeugung  zu  befinden. 

Das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  sei  in  China  geprägt  und 
habe  in  Niutschwang  sowie  auch  in  den  verschiedenen  Gegenden  der 
Mandschurei  Kurs.  Es  sei  alles  eine  und  dieselbe  Art  kleinen  Silber- 
geldes, wie  es  zum  Lohn  für  Tagelöhner  sowie  zum  Einkauf  der  zum 
Haus-  und  persönlichen  Gebrauch  dienenden  Gegenstände  am  geeig- 
netsten, zur  Zahlung  bei  großen  geschäftlichen  Transaktionen  jedoch 
am  allerungeeignetsten  sei.  Es  sei  bequem  für  kleine,  aber  äußerst 
unbequem  für  große  Zahlungen. 

Zur  Zeit,  als  das  Geld  in  Niutschwang  habe  eingeführt  werden 
sollen,  sei,  wie  das  Urteil  erster  Instanz  sage,  Niutschwang  von  den 
russischen  Truppen  besetzt  gewesen  und  die  in  Port  Arthur  und  den 
verschiedenen  Teilen  der  Mandschurei  liegenden  russischen  .\rmee-  und 
Marinetruppen  seien  von  diesem  Platz  als  Bezugsort  für  ihren  Kriegs- 
bedarf abhängig  gewesen,  und  die  meisten  Lebensmittel  und  sonstigen 
Gegenstände,  die  der  Feind  nötig  gehabt  habe,  seien  von  dort  ge- 
liefert worden.  Da  aber  infolge  der  andauernden  Niederlagen  der  russi- 
schen Armee  und  Marine  das  Kriegspapiergeld,  welches  in  Niutschwang 
und  auch  in  verschiedenen  Teilen  der  Mandschurei  Kurs  gehabt  habe, 
sehr  im  Kredit  gesunken  sei,  so  seien  bei  der  Zahlung  der  Preise 
für  requirierte  Gegenstände  und  der  Löhne  für  Menschen-  und  Pferde- 
arbeit, d.  h.  also  bei  den  kleinen  Zahlungen,  plötzlich  Schwierigkeiten 
entstanden.  Daher  seien  Klagen  über  das  Bedürfnis  nach  kleinem  Hart- 
geld, insbesondere  Geld  wie  dem  zur  Verhandlung  stehenden,  laut  ge- 
worden, und  man  sei  auch  bezüglich  dieses  auf  Niutschwang  als 
Lieferungsort  angewiesen  gewesen. 

Die  Reklamanten  hätten  daraufhin  unter  Edeidung  von  allerhand 
Schwierigkeiten  und  unter  großem  Risiko  die  Kommission  und  Ver- 
sicherung gezahlt  und  viele  Tausend  Yen  weit  von  Shanghai  nacii 
Niutschwang  einführen  wollen.  Die  Frage,  wie  das  Bedürfnis  hierfür 
entstanden  sei,  beantworteten  sie  damit: 

es  sei  die  Folge  einseitigen  Wechselverkehrs;  ferner  diene 
das  Geld  als  Kapital  zum  Einkauf  der  von  Niutschwang  nach 
Shanghai  ausgeführten  Bohnen,  Bohnenkuchen  und  des 
Bohnenöls,  auch  sei  der  Wertunterschied  zwischen  Silber 
und   Papier  so  groß   geworden,   daß   der   Kurs   für   Silber 

318 


Priwngerichtsentscheidungen:  .Hsi-Ping'.  Abschnitt  VI  |S< 

den  für  Papier  bis  um  20  und  30  Prozent  überstiegen  habe, 
und  es  einträglich  gewesen  sei,  bares  Silbergeld  von  Shanghai 
kommen  zu  lassen. 

Niutschwang  sei  aber  seit  langer  Zeit  von  den  Russen  okkupiert 
gewesen,  und  die  von  dort  zur  Ausfuhr  gelangenden  Bohnen,  Bohnen- 
kuchen usw.  seien  von  ihnen  entweder  als  Nahrungsmittel  oder  Brenn- 
mittel requiriert  worden.  Auch  sei,  um  den  Gegner  in  Verlegenheit 
zu  bringen,  die  Ausfuhr  derselben  streng  verboten  worden,  so  daß 
eine  Ausfuhr  der  Hauptexportartikel:  Bohnen,  Bohnenkuchen  usw.  nach 
Shanghai  fast  gar  nicht  stattgefunden  habe. 

Dagegen  seien  die  Kriegsbedürfnisse  der  russischen  Truppen  in 
der  Gegend  von  Niutschwang  immer  gi'ößer  geworden  und  neben  der 
gewöhnlichen  Einfuhr  sei  die  Einfuhr  von  Lebensmitteln  und  sonstigen 
Bedarfsgegenständen  sehr  gewachsen,  so  daß  Ein-  und  Ausfuhr  völlig 
aus  dem  Gleichgewicht  gekommen  und  demzufolge  natürlich  in  Niu- 
l«;chvang  zahlbare  Wechsel  in  Shanghai  zahlreich,  und  in  Shanghai 
zahlbare  Wechsel  gering  geworden  seien.  So  seien  in  Niutschwang 
zahlbare  Wechsel  in  Shanghai  leicht  und  billig  käuflich  gewesen.  Wenn 
daher  die  Reklamanten  in  ihrem  Geschäftsbetrieb  in  Shanghai  verein- 
nahmte Gelder  nach  Niutschwang  zu  schicken  gehabt  hätten,  so  hätten 
sie,  anstatt  das  Risiko  und  die  Kommission  und  die  sonstigen  Kosten 
bei  Übersendung  von  barem  Geld  zu  tragen,  lieber  mit  dem  Gelde 
in  Niutschwang  zahlbare  Wechsel  kaufen  sollen,  bei  deren  Übersendung 
sie  zugleich  Bequemlichkeit  und  Vorteil  gehabt  haben  würden.  Daß 
ein  in  Geschäften  scharfsinniger  chinesischer  Kaufmann,  besonders  Bank- 
firmeninhaber, wie  die  Reklamanten  es  seien,  ein  bequemes  und  vor- 
teilhaftes Verfahren  außer  Acht  lassen  und  ein  unbequemes  und  un- 
vorteilhaftes Verfahren  wählen  und  vorsätzlich  Schaden  und  Risiko 
aufsuchen  solle,  sei  kaum  glaublich. 

Zudem  sei,  wie  oben  dargetan,  die  Ausfuhr  der  Hauptexport- 
artikel Bohnen,  Bohnenkuchen  usw.  fast  gänzlich  ins  Stocken  geraten, 
so  daß  ein  Bedürfnis,  Kapital  zum  Einkauf  bereit  zu  halten,  nicht  vor- 
gelegen  habe. 

Daß  ferner  zwischen  Silber  und  Papier  in  der  Gegend  von  Niu- 
tschwang eine  so  außerordentlich  große  Wertdifferenz  bestanden  habe, 
so  daß  eine  Übersendung  von  barem  Gelde  von  Vorteil  gewesen  wäre, 
sei  nur  eine  mündliche  Behauptung  der  Reklamanten,  welcher  man 
mangels  anderer  Grundlagen  schwer  Glauben  schenken  könne. 

So  könne  man,  wie  dargetan,  welchen  Punkt  der  Reklamanten 
man  auch  erwägen  möge,  aus  keinem  derselben  ein  Bedürfnis  für  die 
Sendung  des  baren  Geldes  entnehmen. 

Dagegen  hätten  die  russischen  Truppen  zur  Deckung  ihres  Kriegs- 
bedarfs chinesisches  Geld  und  insbesondere  kleine  Münze,  wie  die  zur 

319 


Abschnitt  Vix  Prisengerichtsentscbeldungen:  .Hsl-Ping". 

Verhandlung  stehende,  dringend  nötig  gehabt.  Wenn  daher  die  Re- 
klamanten, ohne  Bedürfnis  für  ihr  Geschäft,  mit  großer  Mühe,  ver- 
schiedene Tausend  Yen  kleines  Geld  gesammelt,  vorsätzlich  die  Gefahr 
des  Transports  getragen,  Kommission,  Versicherungsprämie  und  Fracht 
bezahlt  hätten,  um  dieses  Geld  nach  Niutschwang  zu  schaffen,  so  sei 
es  ohne  viel  Worte  offenbar,  daß  sie  darin  dem  plötzlichen  Bedürfnis 
der  russischen  Truppen  hätten  nachkommen  wollen. 

Selbst  einmal  zugegeben,  das  Geld  habe  nicht  besonders  einge- 
führt werden  sollen,  um  dem  plötzlichen  Bedarf  der  russischen  Truppen 
zu  entsprechen,  so  müsse  man  doch  vermuten,  daß  es,  wenn  es  nach 
Niutschwang  gekommen  wäre,  jedenfalls  zum  Gebrauch  der  russischen 
Truppen  gedient  haben  würde.  Daher  sei  es  zutreffend,  daß  das  Ur- 
teil erster  Instanz  auf  Grund  dieser  Tatsachen  unter  Berücksichtigung 
der  damaligen  Umstände  angenommen  habe,  daß  das  zur  Verhandlung 
stehende  Geld  sofort  nach  Ankunft  in  Niutschwang  zum  Gebrauch  der 
russischen  Truppen  gedient  haben  würde,  und  die  Berufung  der  Re- 
klamanten sei  unbegründet. 

2.  Die  Reklamanten  behaupteten: 

Neben  der  Notwendigkeit  des  zur'  Verhandlung  stehenden 
Geldes  für  die  russischen  Truppen  in  Niutschwang  habe  es 
aber  auch  an  Bedürfnis  für  dasselbe  im  Handelsbetriebe  Niu- 
tschwangs  nicht  gefehlt.    Es  sei  aber  unbillig,  dies  sonstige 
Bedürfnis  gar  nicht  zu  berücksichtigen  und,  weil  die  russi- 
schen Truppen   Geld   bedurft  hätten,   zu  entscheiden,   daß 
es  ihnen  geliefert  worden  wäre. 
Das  Urteil  erster  Instanz  habe  aber  nicht  lediglich  daraufhin,  daß 
die  russischen  Truppen  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  nötig  ge- 
habt  hätten,   so  entschieden.     Nach   den  Verhältnissen   Niutschwangs 
zur  Zeit  der  Einfuhr;  nach  der  Tatsache,  daß  eine  Notwendigkeit,  bares 
Geld  zu  senden,  nicht  vorgelegen  habe;  und  nach  verschiedenen  son- 
stigen Tatsachen  sei  es  schwer  anzunehmen,  daß  die  Reklamanten,  wie 
sie  behaupten,  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld,  weil  es  in  ihrem 
Handelsbetrieb  benötigt  worden  sei,  eingeführt  hätten.    Dagegen  hätten 
die   russischen   Truppen   in   ihrem    Geldbedarf  Mangel   gelitten.     Aus 
diesen  Gründen  habe  das  Urteil  erster  Instanz  geschlossen,  daß  das 
Geld  nach  Ankunft  in  Niutschwang  zum  Gebrauch  für  die  russischen 
Truppen  geliefert  worden  wäre.     Es  habe  also  nicht,  ohne  das  da- 
malige Bedürfnis  in  Handelskreisen  zu  berücksichtigen,  in  willkürlicher 
Weise  lediglich  daraufhin,  daß  die  russischen  Truppen  Geld  nötig  ge- 
habt hätten,  entschieden,  daß  es  zu  ihrem  Gebrauch  dienen  würde. 

Nach  dem  Ausgeführten  seien  die  Behauptungen  der  Reklamanten 
alle  unbegründet  und  das  Urteil  erster  Instanz  zutreffend.  Daher  sei 
die  Berufung  abzuweisen. 

320 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Hai-Ping*.  Abschnitt  VI»' 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet : 
Es  bedarf  keiner  Erörterung,  daß  Niutschwang  zu  dem  chinesischen 
Hoheitsgebiet  gehört  und  kein  russisches  Territorium  ist.    Der  Kaiser- 
liche Konsul  in  Niutschwang,  Segawa,  hat  aber  berichtet,  daß 

Rußland,  seitdem  es  diesen  Platz  besetzt  gehabt,  dort  eine 
Zivilverwaltungsbehörde  eingerichtet  und   bis  zum  25.  Juli 
1904   die   Flagge  eines  Zivilverwaltungsamts  geführt   habe. 
Dies  habe  mit  dem  Morgen  jenes  Tages  plötzlich  aufgehört, 
und  es  sei  wieder  die  Konsulatsflagge  geheißt  worden.  Beim 
Eindringen  unserer  Truppen  sei  die  französische  Flagge  auf- 
gezogen worden. 
Es  ist  somit  bekannt,  daß  zur  Zeit,  als  die  in  Streit  befangenen 
Gelder  aufgebracht  wurden,  Niutschwang  tatsächlich  unter  russischer 
Verwaltung  stand.     Der    Feind   hatte    dort  nicht  nur  viele  Truppen 
liegen,  sondern  auch  einen  Hauptetappenort  eingerichtet.    Wenn  daher 
Güter  dorthin  befördert  werden,  so  muß  das  ebenso  angesehen  werden, 
als  ob  sie  nach  feindlichem  Gebiet  bestimmt  seien,  s)    Da  es  demnach 
offenbar  ist,  daß  die  Tatumstände  zu  der  Annahme  berechtigen,  daß 
auch   das  zur  Verhandlung  stehende,  von   den   Reklamanten   für  die 
Einfuhr  nach  Niutschwang  bestimmte  Silbergeld  zum   Kriegsgebrauch 
des  Feindes  gedient  haben   würde,  so  muß   man   sagen,   daß   es   die 
Voraussetzungen,  die  es  zur  Konterbande  machen,  erfüllt.«) 

In  einem  Bericht  des  oben  genannten  Kaiserlichen  Konsuls  heißt 
es,  daß 

die  russische  Regierung  beim  Beginn  des  Baues  der  mand- 
schurischen Eisenbahn  anfänglich  alle  Zahlungen  in  Gold 
geleistet  habe.  Ein  oder  zwei  Jahre  später  habe  sie  daneben 
Papierrubel  benutzt  und  den  Chinesen  gesagt,  zwischen  dem 
Metall  und  dem  Papier  sei  kein  Unterschied.  Dann  habe 
sie,  um  dem  Papier  Kredit  zu  verschaffen,  nach  und  nach 
das  Gold  zurückgezogen  und  das  Papier  vermehrt.  Im  Jahre 
1902  sei  es  dahin  gekommen,  daß  man  in  der  Mandschurei 
russisches  Goldgeld  nur  sehr  selten  in  Umlauf  gesehen  habe. 
Damals  habe  aber  die  russisch-chinesische  Bank  schon  an 
verschiedenen  wichtigen  Plätzen  Niederlassungen  errichtet. 
In  diesen  Banken  sei  das  Papier  zum  Tageskurse  gegen 
Silbergeld  eingelöst  worden  und  in  der  Mandschurei  habe 
dabei  ein  Papierrubel  einen  Tauschkurs  von  1  Dollar  30  Cents 
bis  1  Dollar  40  Cents  Silbergeld  gehabt.  Als  indessen  seit 
Herbst  1903  die  Gerüchte  über  einen  Krieg  zwischen  Japan 
und  Rußland  in  Blüte  gestanden  hätten,  habe  es  unter  den 
Chinesen   geheißen,    daß,   wenn   nach   dem   Ausbruch   des 

»)  V.  §  5.  —  •)  II.  Ziffer  2. 

lCArstrft2id-M«ohl«iiburff,  Das  jApanlsohe  PrlsMireoht.    Band  I.     (21)  o21 


Abschnitt  VI»«  Prisengerichtsentscheidungen:  .Hsi-Ping*. 

Krieges  die  Russen  einmal  unterliegen  würden,  die  russischen 
Papierrubel  nicht  mehr  gewechselt  werden  könnten  und  nur 
noch   den   Wert  von   altem   Papier   haben   würden.      Von 
November  oder  Dezember  dieses  Jahres  bis  zum  Ausbruch 
des  Krieges  im  Februar  1904  habe  der  Umlauf  des  Papier- 
geldes eine  starke  Abnahme  erfahren,  und  dasselbe  sei  von 
1  Dollar  30—40  Cents  häufig  auf  1  Dollar  10  Cents  gefallen, 
und  nur,  dank  den  Bestrebungen  der  Niederlassungen    der 
russsich-chinesischen  Bank  in  den  verschiedenen  Orten  den 
Kredit  des  Papiergeldes  aufrecht  zu  erhalten,  sei  es  nicht 
dazu  gekommen,  daß  sein  Umlauf  ganz  ins  StocJcen  geraten 
sei.     Als  aber   die   Nachrichten   von   den   Niederlagen    bei 
Nanshan  und  Tehlitze  nach  Kaiping  und  Yingkow  kamen, 
hätten  die  Chinesen,  welche  Papierrubel  gehabt  hätten,  darin 
gewetteifert,  diese  zu  verkaufen.    Der  Rubel  sei  Jamals  bis 
auf  70  oder  80  Cents  gefallen.     Aber  da  in  Tientsin  und 
Shanghai  Papierrubel  immer  zum  Tageskurse  gegen  Silber- 
taels  gewechselt   werden   könnten,   so   hätten   Geldwechsler 
in  Yingkow,  wenn  das  russische  Papiergeld  gefallen  gewesen 
sei,    dieses   aufgekauft,   nach    Shanghai   geschickt    und    mit 
ungeheurem  Gewinn  wieder  eingetauscht. 
Nach   diesem   Bericht   zu    urteilen,   erregte  also  der   Papierrubel 
schon  beim  Beginn  des  japanisch-russischen  Krieges  im  Verkehr  unter 
den  Chinesen  ganz  allgemein  Verdacht  und  Mißtrauen,  und  es  zeigte 
sich   die   Tendenr,   daß   er    schließlich   gänzlich   den    Kredit   verlieren 
würde.     Als   die   Nachricht  von   den   Niederlagen    bei   Nanshan    und 
Tehlitze    nach    Yingkow    gekommen    war,    traf    freilich    die    russisch- 
chinesische Bank  sorgfältige  Maßnahmen,  um  das  alte  Verhältnis  wieder- 
herzustellen ;  es  kam  aber  trotzdem  zu  einem  großen  Sturz.    Als  sodann 
immer   mehr   Nachrichten   von    dem   weiteren    Kampf   und   Sieg   der 
japanischen  Truppen  kamen,  war  die  Lage  so,  daß  es  sich  auf  keine 
Weise  mehr  vermeiden  ließ,  daß  der  Rubel  unter  den  Chinesen  ganz 
allgemein  seinen   Kurs  verlieren  würde.     Es  ist  daher  ganz  klar,  daß 
die   Situation   so  war,   daß   die   russischen   Truppen   zu   der  Zeit,   wo 
das   zur   Verhandlung  stehende   Silbergeld   befördert  wurde,    zur   Re- 
quisition des  Kriegsbedarfs  und  zur  Bezahlung  der  Kulis  den  Papierrubel 
nicht  ohne  weiteres  verwenden  konnten.     Daher  ist  es  offenbar,  daß 
chinesisches  Silbergeld  zu  jener  Zeit  für  die  russischen  Truppen  unent- 
behrlich geworden  war. 

ferner  besagt  der  Bericht  des  Kaiserlichen  Generalkonsuls  I  j  u  i  n 
in  Tientsin  über  die  russischen  Papierrubelscheine: 

Mit  der  Eröffnung  des  Krieges  zwischen  Japan  und  Rußland 

seien  unter  vielen  Chinesen  Zweifel  über  die  Einlösbarkeit 

• 

322 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Hsi-Ping*.  Abschnitt  VI»' 

der  Rubelscheine  aufgekommen.  Man  habe  gefürchtet,  daß 
sie  Fälschungen  seien,  und  der  Kredit  sei  beeinträchtigt 
worden.  Auch  unter  den  Russen  und  unter  den  russischen 
Regierungslieferanten  seien  nur  sehr  wenig  Rubelscheine  in 
Verkehr  gewesen,  wenn  man  auch  nicht  behaupten  könne, 
daß  sie  absolut  keinen  Umlauf  gehabt  hätten.  Wenn  die 
Banken  in  Tientsin  sie  in  die  Hand  bekommen  hätten,  so 
hätten  sie  sie  nicht  als  Geld  behandelt,  sondern  als  eine  Art 
Wertpapier. 

Danach  hat  der  Rubelschein,  nachdem  die  russischen  Truppen 
^bei  Nanshan  und  Tehlitze  geschlagen  worden  waren,  unter  den  Chinesen 
gemein  keinen  Umlauf  gehabt.  Er  war  nur  gelegentlich  des  Kurs- 
>tuWs  eine  Art  Handelsobjekt  für  Kaufleute,  die  großen  Gewinn  er- 
zielenSaollten.  Daher  hat  der  Rubelschein  auch  die  Requisition  der 
russischeii  Truppen  und  die  Löhne  der  Kulis  nicht  zahlen  können. 
Aus  allem  ijksen  geht  klar  hervor,  daß  die  russischen  Truppen  chine- 
Msches   GeldN^ötig   hatten. 

Wenn  es  au^i  offenbar  ist,  daß  trotz  des  japanisch-russischen 
Krieges  die  Hauptpro^ukte  Niutschwangs,  Bohnen,  Bohnenkuchen  und 
Bohnenöl,  wie  auch  di^^Reklamanten  behaupten,  verhandelt  worden 
sind,  so  bestand  danebeirsdoch  die  Tatsache,  daß  auf  der  anderen 
Seite  Kaufleute  in  Benutzung  der  Gelegenheit,  daß  die  russischen 
Truppen  chinesisches  Umlaufsgelik  nötig  hatten,  die  vermehrten  Rubel- 
scheine billig  von  den  russischen  Truppen  kaufen  und  dadurch  großen 
Gewinn  erzielen  konnten.  Daher  stimmt  die  Behauptung  der  Rekla- 
manten, daß  das  in  Streit  befangene  Silbergeld,  weil  jener  'Waren- 
handel in  Betrieb  gewesen  sei,  auf  keinen  Fall  dem  Kriegsgebrauch 
des  Feindes  gedient  haben  würde,  nicht  mit  den  Tatsachen  überein. 
Vielmehr  ist  es  natürlich,  anzunehmen,  daß  zu  einer  solchen  Zeit  die 
geschäftlich  scharfsinnigen  chinesischen  Kaufleute,  vor  allem  die  Bank- 
unlernehmer,  anstelle  ihrer  gewöhnlichen  Geschäfte  lieber  Rubelscheine 
billig  von  den  Russen  kaufen  und,  um  einen  außerordentlichen  Profit 
zu  erzielen,  die  Gefahr  eines  solchen  Geldimports  laufen  würden.  Das 
zur  Verhandlung  stehende  Geld  ist  durch  Vermittlung  der  Seetransport- 
\ma  Tang  Ming  Chien,  welche  eine  volle  Ladung  von  Kriegs- 
konterbande heimlich  nach  Niutschwang  zu  befördern  beabsichtigt  hatte, 
und  außerdem  zugleich  mit  dieser  Konterbande  auf  demselben  Schiff 
verladen  und  befördert  worden.  Dazu  ist  sein  Bestimmungsort  ein 
russischer  Etappenort  und,  wie  oben  dargetan,  bedurften  die  russischen 
Truppen  solphen  Geldes.  Daraus  muß  geschlossen  werden,  daß  der 
Z^eck  der  Einfuhr  des  Geldes  der  gleiche  gewesen  ist  wie  der  der  Einfuhr 
der  übrigen  Konterbandeladung,  nämlich  Lieferung  zum  Gebrauch  der 

(21*)  323 


Abschnitt  VI»'  Prisengerichtsentscheidungen:  ,Hsi-Ping*. 

russischen  Truppen.     Demnach  ist  es  durchaus  zutreffend,  wenn  das 
Gericht  erster  Instanz  die  Einziehung  des  Geldes  ausgesprochen  hat. 

Da  Personen,  welche  Schleichimport  treiben,  immer  genötigt  sind, 
mit  allen  Mitteln  den  Verdacht  abzulenken  und  die  Spuren  zu  ver- 
heimlichen, so  kann  die  Tatsache,  daß  man  in  Shanghai  beim  Zollamt 
öffentlich  die  Ausfuhrformalitäten  erfüllt  hat,  nicht  als  ein  Beweis  er- 
achtet werden,  welcher  geeignet  ist,  der  obigen  Annahme  entgegen- 
zustehen. 

Wenn  man  die  von  den  Reklamanten  angeführten  Beweise  be- 
trachtet, so  können  sie  lediglich  zu  der  Vermutung  führen,  daß  in 
jedem  Jahre  Fälle  von  Einfuhr  kleinen  Silbergeldes  nach  Niutschwang 
vorkommen.  Für  die  Behauptung  aber,  daß,  obgleich  eine  Gelegenheit, 
großen  Gewinn  zu  erzielen,  vorhanden  war,  diese  Gelegenheit  nicht 
berücksichtigt  worden  sei  und  das  Geld  für  die  alljährlich  wieder- 
kehrenden Handelszwecke  dienen  sollte,  ist  keinerlei  Beweis  erbracht 
worden. 

Die  Reklamanten  behaupten,  daß  es  nicht  zu  bestreiten  sei,  daß 
die  Verwendung  von  Silbergeld  sich  nicht  auf  die  russische  Armee 
und  Marine  beschränke,  sondern  daß  es  allgemein  im  Verkehr  unter 
den  Chinesen  verwendbar  sei.  Was  indes  das  von  den  Reklamanten 
einzuführen  beabsichtigte  Silbergeld  angeht,  so  ist  aus  den  Tat- 
umständen die  Annahme,  daß  dasselbe  zum  Gebrauch  der  russischen 
Truppen  gedient  haben  würde,  offenbar  gerechtfertigt.  Dasselbe  kann 
daher,  gerade  wie  auf  Grund  derselben  Tatumstände  der  gleichen  An- 
nahme bei  Lebensmitteln  wie  Reis  und  Weizenmehl  nichts  im  Wege 
steht,  als  Konterbande  angesehen  werden. 

Da  ferner  der  Grund  dafür,  daß  Lebensmittel,  Geld  usw.,  wenn 
sie  nach  feindlichem  Gebiet  gehen  und  zum  feindlichen  Kriegsgebrauch 
geliefert  werden  sollen,  als  Konterbande  gelten,  der  ist,  daß  man  da- 
gegen ist,  daß  solche  Güter  im  Ende  die  Kriegsfähigkeit  des  Feindes 
unterstützen,  so  ist  die  Frage,  ob  ihr  Bestimmungsort  ein  Kriegshafen 
oder  Blockadehafen  ist,  für  die  Entscheidung,  ob  ein  Konterbande- 
transport vorliegt  oder  nicht,  nicht  von  wesentlicher  Bedeutung.  Wenn 
der  Bestimmungsort  ein  Kriegshafen  oder  Blockadehafen  ist,  so  liefert 
das  nur  einen  Umstand,  welcher  die  Vermutung,  daß  die  dorthin  be- 
stimmten Güter  Konterbande  sind,  erleichtert.  Daher  ist  auch  dieser 
Punkt  der  Berufung  nicht  anzuerkennen. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  25.  Dezember  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 
324 


Prisengerichtsentscbeidungen:  „Hai-Ping*.  Abschnitt  VI»« 

Reklamant:  Die  chinesischen  Staatsangehörigen  Chan  Yü  Po 
und  ChingPuSaw,in  Firma  YuShangChang,  aus  der  Provinz 
Canton,   Regierungsbezirk  Chowchow,  Haiyang  bzw.  Chaoyang. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Sakurai  Ikkyu;  Regierungs- 
bezirk Hiogo,  Kobe,  Kitanagasadori,  shichome  Nr.  54. 

In  der  Prisensache  betreffend  Ladung  des  enghschen  Dampfers 
„Hsi-Ping"  wird,  wie  folgt,  entschieden: 

Urteilsformel: 
Die  unter  der  Ladung  des  Dampfers  „Hsi-Ping"  befindlichen,  an 
die   Firma   Yu   Shang  Chang  versandten    17    Kisten   mit  kleinem 
Silbergeld  werden   eingezogen. 

Tatbestand  und   Gründe: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  17  Kisten  kleines  Silbergeld  sind 
von  der  Transportfirma  Shang  Fa  Yun  in  Shanghai,  China,  auf 
dem  englischen  Dampfer  „Hsi-Ping''  verladen  und  am  11.  Juli  1904 
an  die  Firma  Yu  Shang  Chang  in  Niutschwang,  China,  abgesandt 
worden.  Als  am  14.  d.  M.,  8  Uhr  vormittags,  der  Dampfer  „Hsi- 
Ping"  ungefähr  61/2  Seemeilen  nördlich  von  der  Insel  Kaiming  bei 
dem  Shantung-Vorgebirge  in  China  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff 
„Hongkong  Maru"  aufgebracht  wurde,  weil  er  Kriegskonterbande  führe, 
vurden  auch  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  mit  Beschlag  belegt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Kommandanten  der  „Hongkong  Maru'',  Inouye  Toshio,  den 
Bericht  des  Marineoberleutnants  KamuraYasumasa  über  die  Durch- 
suchung des  Dampfers  „Hsi-Ping",  das  Tagebuch,  die  Vernehmungs- 
protokolle des  Kapitäns  R.  Mac  Farlane,  des  1.  Offiziers  E.  B. 
Hayes,  der  Kompradores  PawMengChiung  und  N.  Wai  Meng, 
des  Passagiers  Tang  Ming  Chien,  durch  die  Konnossemente,  das 
Ladungsverzeichnis  und  die  Frachtbriefe. 

Die  Hauptpunkte  des  Vertreters  der  Reklamation  sind  folgende: 

Der  Reklamant  betreibe  in  Niutschwang  ein  Bankgeschäft.  Er 
habe  das  hier  zur  Verhandlung  stehende  Geld  von  Shanghai  kommen 
lassen  wollen,  weil  zu  der  Zeit  in  Niutschwang  die  Handelsbeziehungen 
zu  einem  einseitigen  Wechselverkehr  geneigt  hätten  und  weil  die  Zeit 
für  den  Einkauf  von  Bohnen,  Bohnenkuchen  und  Bohnenöl  gekommen 
gewesen  sei,  so  daß  Umlaufskapital  nötig  gewesen  sei.  Ferner  sei  der 
Kurs  für  Papiergeld  und  für  kleines  Silbergeld  sehr  ungleich  gewesen, 
so  daß  er  durch  Einfuhr  von  Metallgeld  einen  Vorteil  zu  erzielen  be- 
absichtigt habe.  Das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  sei  nicht  für 
die  russische  Armee  oder  Marine  bestimmt  gewesen   und  habe  auch 

325 


Abschnitt  VIi«»  Prisengerichtsentscheidungen:  .Hsi-PiiigV 

«  ^^ 

nicht  zu  ihrem  Gebrauch  geliefert  werden  sollen.    Daher  sei  es  k^ane 
Konterbande   und   müsse  freigegeben   werden.  / 

Der  Reklamant  hat  zum  Beweis  der  vorstehenden  Tatsadiren  ver- 
schiedene Beweisdokumente  eingereicht.  / 

Die   Hauptpunkte   der  Ansicht  des  Staatsanwalts  siafl   folgende  : 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  würden  nirch  ihrer  An- 
kunft in  Niutschwang  zum  Gebrauch  der  russischen  Iruppen  gedient 
haben.  Sie  seien  daher  Kriegskonterbande  und  nimßten  eingezogen 
werden.  / 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht:  / 

Wenn  Lebensmittel  oder  Geld  nach  eurem  von  den.  feindlichen 
Truppen  besetzten  Hafen  versandt  worden/sind,  so  kann  je  nach  den 
Umständen  angenommen  werden,  daß  sie^^m  Gebrauch  dieser  Truppen 
dienen  würden.  Niutschwang  war  zupö^it  von  den  russischen  Truppen 
besetzt  und  diente  als  ein  Hau^tappenort.  Außerdem  hatte  das 
russische  Papiergeld  durch  die  andauernden  Niederlagen  der  russischen 
Armee  und  Marine  verloren,  uffu  es  ist  bekannt,  daß  chinesisches  Metall- 
geld, insbesondere  kleine^'ueld  wie  das  zur  Verhandlung  stehende 
Silbergeld,  stark  benötigf  wurde,  um  der  täglichen  Nachfrage  zu  ent- 
sprechen. Es  muß  daher  angenommen  werden,  daß  das  zur  Ver- 
handlung stehende  Silbergeld  sofort  zum  Gebrauch  der  genannten 
Truppen  geliefert  worden  wäre. 

Es  wird  demnach  für  Kriegskonterbande  angesehen  i)  und  weder 
die  Anführungen  des  Vertreters  der  Reklamation  noch  die  verschiedenen 
von  ihm  eingereichten  Beweisdokumente  sind  imstande,  diese  Annahme 
umzustoßen. 

Es  wird  daher  wie  in   der  Urteilsformel  entschieden.  2) 

Verkündet  am  17.  Dezember  1904  im  Prisengericht  zu  Sasebo 
im   Beisein   des  Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurokuro. 

(Unterschriften.) 


Reklamanten:  Die  chinesischen  Staatsangehörigen  Chan  Yü  Po 
und  ChingPuSaw,in  Firma  Yu  Shang  Chang,  aus  der  Provinz 
Canton,  Regierungsbezirk  Chowchow,  Haiyang  bzw.  Chaoyang. 

ProzeBvertreter:  Die  Rechtsanwälte  TakagiToyozo,  Tokio, 
Kojimachiku,  Uchisaiwaicho  shichome  Nr.  3  und  Sakurai  Ikkyu, 
Regierungsbezirk   Hiogo,   Kobe,   Kitanagasadori  shichome   Nr.   54. 

0  II.  Ziffer  2.  -  «)  V.  §  43. 

326 


Prlsengerichtsentscheidungen:  .Hai-Ping*.  Abschnitt  Vln« 

Am  17.  Dezember  1904  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der 
Prisensache,  betreffend  Ladung  des  Dampfers  „Hsi-Ping",  welcher  am 
14.  Juli  1901  auf  37«  34'  n.  Br.  un;d  122 «  29'  ö.  L.  von  dem  Kaiser- 
lichen Kriegsschiff  „Hongkong  Maru''  aufgebracht  worden  ist,  auf  Ein- 
ziehung der  unter  der  Ladung  des  genannten  Dampfers  befindlichen, 
an  die  Firma  Yu  Shang  Chang  versandten  17  Kisten  kleines  Silber- 
geld erkannt. 

Gegen  dieses  Urteil  haben  die  Reklamanten,  die  chinesischen  Staats- 
angehörigen Chan  Yü  Po  und  Ching  Pu  Saw,  in  Firma  Yu 
Shang  Chang,  durch  die  Rechtsanwälte  Takagi  Toyozo  und 
Sakurai  Ikkyu  die  Berufung  eingelegt,  welche  im  Beisein  der  Staats- 
anwälte Tsutsuki  Keiroku  und  Dr.  jur.  Ishiwatari  Binichi 
beim   Oberprisengericht  geprüft  worden  sind. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  der  Prozeßvertreter  Takagi  To- 
yozo und  Sakurai  Ikkyu  sind  folgende: 

Es  werde  Aufhebung  des  am  17.  Dezember  1904  von  dem  Prisen- 
gericht in  Sasebo  abgegebenen  Urteils  auf  Einziehung  der  auf  dem  eng- 
lischen Dampfer  „Hsi-Ping''  verschifften  17  Kisten  kleines  Silbergeld 
und  Freigabe  derselben  beantragt,  und  zwar  aus  folgenden  Gründen: 
1.  Die  Reklamanten  hätten  eine  Bankfirma  und  betrieben  da- 
neben ein   Engrosgeschäft  für  Ein-  und  Verkauf. 

Bei  der  Ausfuhr  von  Bohnen,  Bohnenkuchen  und  Bohnenöl  nach 
Shanghai  liehen  die  Kaufleute  von  Niutschwang  den  Wechselbetrag 
für  die  Güter  dar,  vereinnahmten  in  Shanghai  den  Wechselbetrag  von 
dem  Wechselschuldner  und  bewerkstelligten  die  Übersendung  dieses 
Betrages  entweder  durch  Ankauf  eines  in  Niutschwang  zahlbaren 
Wechsels  oder  in  Form  baren  Geldes.  Auch  in  Fällen,  wo  Waren 
von  Niutschwang  nach  anderen  Plätzen  wie  Shanghai  ausgeführt  würden 
und  der  Wechsel  dargeliehen  werde,  werde  die  Zahlung  des  Wechsel- 
betrags bisweilen  in  Shanghai  entgegengenommen.  Denn  da  Shanghai 
das  Zentrum  des  chinesischen  Handels  sei,  so  sei  es  auch  der  Mittel- 
punkt des  Geldumlaufs.  Auch  in  Fällen,  wo  die  Reklamanten  selber 
Bohnen  und  Bohnenkuchen  nach  Shanghai  ausführten,  werde  die  Zah- 
lung des  Preises  in  Shanghai  entgegengenommen;  und  auch  in  Fällen, 
wo  die  Ausfuhr  nach  anderen  Plätzen  wie  Shanghai  gehe,  sei  dies  bis- 
weilen der  Fall. 

So  sei  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  im  Verlauf  einer  Trans- 
aktion von  dem  Angestellten  der  Reklamanten  in  Shanghai  dort  ein- 
genommenes Geld,  welches  er  bei  einem  Wechsler  eingewechselt  und 
an  das  Hauptgeschäft  in  Niutschwang  gesandt  habe.  Daß  bares  Silber- 
geld geschickt  worden  sei,  habe  seinen  Grund  darin,  daß  gerade  in 
Niutschwang  die  Zeit  für  die  Ausfuhr  von  Bohnen  und  Bohnenkuchen 
usw.  gekommen  gewesen  sei.    Denn  da  in  der  Regel  die  Ausfuhrfirmen 

327 


Abschnitt  VI»«  Prisengerichtsentscbeidungen:  .Hsi-Ping'. 

Zahlung  für  die  Bohnen  usw.  in  kleinem  Silbergeld  leisteten  und  die 
Kunden  des  Bankdepartements  die  Reklamanten  um  Leistung  in  Silber- 
geld bäten,  so  hätten  dieselben  sich  darauf  vorbereiten  müssen.  Dies 
sei  einer  der  Gründe,  weshalb  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld 
in  bar  geschickt  worden  sei. 

Wenn  in  Niutschwang  Silbergeld  reichlich  und  der  Kurs  für  in 
Niutschwang  zahlbare  Wechsel  in  Shanghai  niedrig  gewesen  wäre,  sa 
wäre  es  allerdings  nicht  nötig  gewesen,  daß  der  Angestellte  der  Rekla- 
manten extra  Silbergeld  hätte  schicken  sollen.  In  Niutschwang  habe 
es  aber  an  Silbergeld  gefehlt  und  der  Wiechselkurs  auf  Niutschwang- 
sei  in  Shanghai  hoch  gewesen,  so  daß  selbst  nach  Zahlung  der  Fracht 
und  Versicherung  die  Sendung  von  barem  Geld  immer  noch  geschäftlich 
vorteilhaft  und  außerdem  notwendig  gewesen  sei.  Das  sei  der  zweite 
Grund,  weshalb  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  in  bar  übersandt 
worden  sei.  Die  obigen  Tatsachen  gingen  hervor  aus  den  Beweisstücken 
Nummer  2,  3,  5  bis  7  und  9  bis  11. 

2.  Daß  der  Angestellte  der  Reklamanten  das  zur  Verhandlung 
stehende  Silbergeld  an  das  Hauptgeschäft  in  Niutschwang  geschickt 
habe,  sei,  wie  dargetan,  eine  für  ein  Bankgeschäft  natürliche  Maß- 
nahme, die  mit  den  russischen  Truppen  in  keinerlei  Beziehung  stehe. 
Wenn  man  annehme,  daß  es  zulässig  sei,  eine  derartige  reine  Handels- 
transaktion für  unerlaubt  zu  erklären  und  die  auf  der  Reise  befindlichen 
Güter  einzuziehen,  so  bedeute  das  eine  Entziehung  des  Rechts,  Ge- 
werbe zu  treiben.  Von  etwas  dergleichen,  wie  insbesondere  auch  davon,, 
daß  neutralen  Staatsangehörigen  das  Recht  auf  ihr  gewöhnliches  Ge- 
werbe in  ihrem  eigenen  Lande  entzogen  werden  könne,  habe  man 
bislang  in  der  Praxis  und  der  Wissenschaft  des  Kriegsvölkerrechts  noch 
niemals  etwas  gehört. 

3.  Der  Dampfer  „Hsi-Ping"  habe  seine  Absicht,  nach  Niutschwang 
und  anderen  Häfen  zu  gehen,  in  Shanghai-Zeitungen  bekannt  gemacht, 
und  der  englische  Konsul  habe  die  Abreise  des  Dampfers  zwecks  Güter- 
transports nach  Niutschwang  gutgeheißen.  Auch  das  Zollamt  in  Shang- 
hai habe  die  öffentlich  nach  Niutschwang  gehende  Ladung  passieren 
lassen.  Daher  habe  der  Angestellte  der  Reklamanten  ohne  weitere 
Überlegung  ganz  unbefangen  dem  Schiffe  das  zur  Verhandlung  stehende 
Silbergeld  zur  Beförderung  übergeben.  Demnach  sei  die  Beschlag- 
nahme, von  der  Einziehung  nicht  zu  reden,  im  höchsten  Grade  un- 
erwartet gekommen. 

Wenn  man  das  Geld  wirklich  heimlich  habe  absenden  wollen,  um 
es  zum  Gebrauch  der  russischen  Truppen  dienen  zu  lassen,  so  hätte 
man  ein  so  öffentliches  Transportverfahren  nicht  wählen  sollen.  Daß 
man  doch  ein  solches  Verfahren  eingeschlagen  habe,  liefere  reichlichen 

328 


Priseng^richtsentscheidungen:  .Hsi-Ping*.  Abschnitt  VI»« 

Grund  für  die  Vermutung,  daß  böser  Glaube  dabei  nicht  vorgelegen 
habe. 

4.    In  dem  Urteil  erster  Instanz  werde  zur  Begründung  folgendes 
gesagt: 

Niutschwang  sei   zur  fraglichen   Zeit  von    den   russischen 
Truppen  besetzt  gewesen  und  habe  als  ein  Hauptetappen- 
ort   gedient.      Außerdem    habe    das    russische    Papiergeld 
durch  die  andauernden  Niederlagen  der  russischen  Armee 
und  Marine  sehr  an  Kredit  verloren,  und  es  sei  bekannt, 
daß  chinesisches  Metallgeld,  insbesondere  kleines  Geld,  wie 
das  zur  Verhandlung  stehende  Silbergeld,  benötigt  worden 
sei,  um  der  täglichen  Nachfrage  zu  entsprechen.    Es  müsse 
daher  angenommen   werden,    daß     das    zur  Verhandlung 
stehende  Silbergeld   nach   Ankunft  in   Niutschwang  sofort 
zum   Gebrauch   der  genannten   Truppen   geliefert    worden 
wäre. 
Daraufhin  aber,  daß  Niutschwang  ein  Hauptetappenort  der  russi- 
schen Truppen  sei,  annehmen  zu  wollen,  daß  alle  dorthin  ausgeführten 
Güter  zum  Gebrauch  der  Truppen  geliefert  würden,  sei  unbillig  streng 
und  widerlaufe  auch   den  Tatsachen.     Daß,  wenn  auch  Niutschwang 
zur  fraglichen  Zeit  von  den  russischen  Truppen  besetzt  gewesen  sei, 
deshalb  der  Handel  Niutschwangs  nicht  in  Stillstand  geraten,  sondern 
tatsächlich  ausgeübt  worden  sei,  könne  man  aus  den  das  Beweisstück 
Nr.  15  bildenden  telegraphischen  Mitteilungen  der  Niutschwang-Filiale 
der  offenen  Handelsgesellschaft  Mitsui  Bussan  über  die  Handels- 
lage in  Niutschwang  bis  zum  Juli  des  vorigen  Jahres  entnehmen.    Wenn 
später  die  chinesische  Zollstatistik  für  das  Jahr  1904  erscheinen  werde, 
so  würden  sich  diese  Tatsachen  bestätigen. 

Selbst  angenommen,  die  russischen  Truppen  hätten  Geld  wie  das 
zur  Verhandlung  stehende  nötig  gehabt,  so  sei  es  doch  unsinnig,  ohne 
zu  fragen,  wem  es  gehöre,  anzunehmen,  daß  es  unbedingt  an  die 
Truppen  geliefert  worden  wäre.  Auch  sprächen  die  Tatsachen  nicht 
dafür.  Vielmehr  müsse  grundsätzlich  angenommen  werden,  daß,  wenn 
die  Reklamanten,  welche  ein  Bankgeschäft  hätten,  Geld,  wie  es  zum 
Betriebe  dieses  Gewerbes  erforderlich  sei,  von  Shanghai,  woher  sie  ihre 
Kapitalien  geliefert  bekämen,  nach  Niutschwang,  dem  Sitz  ihres  Ge- 
schäftSp  befördern  ließen,  dieses  Geld  im  Betriebe  des  Bankgeschäfts 
der  Reklamanten  zur  Verwendung  kommen  solle.  Wenn  man  diese 
natürliche  Vermutung  umstürzen  wolle,  so  bedürfe  es  dazu  unter  allen 
Umständen  sicherer  Gründe  und  Beweise.  Wenn  daher  das  Urteil 
erster  Instanz  auf  die  verzeichneten  vagen  Gründe  hin  eine  Annahme 
aufgestellt  habe,  welche  dieser  natürlichen  Vermutung  widerspreche, 
so  sei  das  auch  vom  Standpunkt  des  Beweisrechts  unzutreffend. 

329 


Abschnitt  VI»«  Priaenfl^richt rtwlMMMmii -  •IM-IHa0*. 

5.  Silbergeld  sei  sogenannte  bedingungsweise  Konterbande.  Da 
es  demnach  nur  in  den  beiden  Fällen:  (1)  daß  es  für  die  feindliche 
Armee  oder  Marine  bestimmt  sei;  (2)  daß  es  nach  feindlichem  Gebiet 
bestimmt  sei  und  angenommen  werden  müsse,  daß  es  zum  Gebrauch 
der  feindlichen  Armee  oder  Marine  diene,  Kriegskonterbande  sei,  3)  so 
sei  es  nötig,  für  die  Behauptung,  daß  es  Konterbande  sei,  Beweise  bei- 
zubringen, welche  dartäten,  daß  es  für  die  feindliche  Armee  oder  Marine 
bestimmt  gewesen  sei  oder  daß  es  zu  ihrem  Gebrauch  habe  geliefert 
werden  sollen. 

Wenn  man  also  bei  der  Annahme,  daß  Konterbande  nach  dem 
Fall  „(2)''  vorliege,  einfach  so  folgere,  daß  die  Güter,  weil  sie  nach 
einem  von  feindlichen  Truppen  besetzten  Ort  gesandt  würden,  auch 
zum  Kriegsgebrauch  des  Feindes  geliefert  werden  würden,  so  schließe 
man  aus  dem  Vorhandensein  der  ersten  der  beiden  Bedingungen,  welche 
dieser  Fall  erfordere,  ohne  weiteres  auf  das  Vorhandensein  auch  der 
zweiten  Bedingung.  Das  sei  im  Erfolg  dasselbe  als  wenn  die  zweite 
Bedingung  überflüssigerweise  geschrieben  sei,  und  laufe  darauf  hinaus, 
daß  die  bedingte  Kriegskonterbande  des  Falles  „(2)''  keinen  Unterschied 
von  der  absoluten  Konterbande  aufweise,  so  daß  der  Sinn,  welcher  der 
Unterscheidung  dieser  beiden  zugrunde  liege,  völlig  zu  nichte  gemacht 
werde. 

Man  werde  aber  vielleicht  behaupten,  die  Grundlage,  auf  welche 
hin  das  Gericht  erster  Instanz  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld 
als  Konterbande  angesehen  habe,  beschränke  sich  nicht  nur  darauf, 
daß  das  Geld  nach  einem  vom  Feinde  besetzten  Platz  bestimmt  sei, 
sondern  es  sei  auch  die  weitere  Begründung  beigefügt,  daß  die  feind- 
liche Armee  oder  Marine  es  benutzen  werde.  Demgegenüber  sei  aber 
folgendes  zu  bemerken:  Jedermann  könne  in  allen  Umständen  Geld 
gebrauchen,  und  die  Verwendbarkeit  desselben  beschränke  sich  nicht 
auf  die  russische  Armee  und  Marine.  Wenn  demnach  dafür,  daß  nur 
die  russische  Armee  oder  Marine  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld 
gebrauchen  werde,  keine  besonderen  Gründe  vorlägen,  so  gebe  die 
oben  genannte  weitere  Begründung  des  Urteils  der  ersten  Instanz  auf 
die  Frage,  inwiefern  die  Annahme  berechtigt  sei,  daß  das  zur  Ver- 
handlung stehende  Geld  bei  den  russischen  Truppen  zur  Verwendung 
kommen  werde,  die  Antwort,  man  müsse  annehmen,  daß  es  bei  den 
russischen  Truppen  zur  Verwendung  gekommen  sein  würde,  weil  diese 
es  zu  verwenden  genötigt  gewesen  seien.  Das  sei  Beantwortung  einer 
Frage  mit  derselben  Frage. 

Obwohl  den  Reklamanten  die  Beweislast  nicht  obliege,  hätten  sie 
ihre  Behauptungen,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  weder 
an  die  russischen  Truppen  noch  zu  ihrem  Gebrauch  zu  liefern  gewesen, 

')  IL  Ziffer  2. 

330 


Prisengerichtsentscheidungin:  .Hsi-Ping'.  Abschnitt  VIi<^* 

daß  es  vielmehr  zur  Dec^ng  des  Bedarfs  in  dem  Bankgeschäft  der 
Reklamanten  versandt  wora^n  sei,  mit  verschiedenen  beweiskräftigen 
Tatsachen  und  Gründen  belegt  Der  Staatsanwalt  habe,  ohne  dagegen 
einen  einzigen  Gegenbeweis  vö^ubringen,  diese  Erklärung  der  Rekla- 
manten verworfen  und  die  Entsöheidung  des  Gerichts  erster  Instanz, 
welches  der  Ansicht  des  Staatsan\x\lts  beipflichte,  sei  daher  auch  vom 
Standpunkt  der  Beweisführung  rechWidrig. 

6  Es  sei  freilich  nicht  zu  leugnenv  daß  Niutschwang  nicht  nur  zur 
Zeit  der  Aufbringung,  sondern  schon  sejl  der  Zeit  vor  dem.  japanisch- 
russischen Krieg  unter  russischer  Gewal^^estanden  habe.  Aber  man 
müsse  dieses  besetzte  Gebiet  nicht  einem  Vewöhnlichen  Okkupations- 
gebiet gleichstellen.  Denn  Niutschwang  sei  etn  dem  Handel  der  Mächte 
offenstehender  Hafen  und  kein  Kriegs-  oder  Blockadehafen.  Es  könne 
nicht  mit  nur  während  des  Krieges  besetzten  Sebieten,  wie  zum  Bei- 
spiel der  Song  To  Bucht,  der  Taubenbucht  unX  der  Sho  Ping  Insel 
bei  Port  Arthur  auf  eine  Stufe  gestellt  werden.  wSenn  relative  Konter- 
bandegüter, d.  h.  Güter,  wie  sie  im  §  14  der  ^eprisenordnung*) 
aufgestellt  seien,  nach  der  Song  To  Bucht  usw.  benimmt  wären,  so 
werde  jedermann  dem  zustimmen,  wenn  man  annehnV  daß  sie  direkt 
für  die  russischen  Truppen  bestimmt  seien  und  daher  ark  Kriegskonter- 
bandt  eingezogen  werden  müßten.  Wenn  man  aber  Wnen  solchen 
Fall  und  den  Fall,  wo  die  Güter  nach  Niutschwang  be^mmt  seien, 
gleichstelle,  so  entspreche  das  nicht  dem  wahren  Sinne  der  japanischen 
Seeprisenordnung  und  des  Völkerrechts  über  die  BehandlunAneutralen 
Gutes  Besonders  seien  auch  die  zur  Verhandlung  stehendeVi  Silber- 
münzen kurantes  Geld,  wie  es  unter  den  Chinesen  und  den  in-  und 
ausländischen  Kaufleuten  Kurs  habe.  Von  anderen  Konterbandeffütern, 
wie  Lebensmitteln  und  dergleichen,  sei  es  weit  verschieden  und  es 
lägen  Gründe  vor,  nach  denen  man  nicht  auf  Gebrauch  seitens\der 
Truppen  schließen  müsse.  Beispielsweise  sei  zwischen  Lebensmitt^n, 
welche  zum  Gebrauch  für  die  Russen,  und  solchen,  welche  zum 
brauch  für  die  Chinesen  dienen  sollten,  ein  großer  Unterschied,  s^ 
daß  man,  wenn  Lebensmittel,  welche  für  Russen  geeignet  seien,  in\ 
großer  Menge  nach  Niutschwang  bestimmt  würden,  diese  wohl  als\ 
Konterbande  ansehen  könne.  Geld  sei  aber  nicht  nur  bei  Truppen 
verw^endbar,  und  da  auch  die  Menge  des  hier  versandten  Geldes  im 
Handel  mit  den  großen  Mengen  Bohnen,  Bohnenkuchen  und  Bohnenöl 
keinen  Überschuß  lassen  würde,  so  könne  man  es  nicht  mit  Lebens- 
mitteln vergleichen  und  als  Truppenbedarf  ansehen. 

7.  Niutschwang  sei  ein  Handelshafen.  Daher  müsse  man  einen 
Fall  Von  bedingter  Kriegskonterbande  wie  Geld  besonders  sorgfältig 
überlegen.     Deshalb  werde   besonders   die   rechtliche   Auffassung  der 

VvT 

331 


Abschnitt  VIi>«  Prisengerlchtsentscheidungen:  .Hsi-Ping*. 

Stellung  Niutschwangs  der  Beachtung  empfohlen,  welche  mit  der  diplo- 
matischen Frage  über  den  Handel  mit  Bohnen,  Bohnenkuchen  und 
Bohnenöl  eng  verknüpft  sei.  Dieselbe  sei  folgende :  Die  Verhandlungen 
betreffend  die  Frage,  ob  die  Ausfuhr  von  Bohnen,  Bohnenkuchen  usw. 
aus  Niutschwang  verboten  werden  solle,  hätten  zu  dem  Resultat  geführt^ 
daß  die  Ausfuhr  gestattet  sein  solle,  wenn  garantiert  werde,  daß  die 
Güter  nicht  beim  Militär  zur  Verwendung  kommen  würden.  Dieses  sei 
der  Kaiserlichen  Regierung  mittels  Berichts  des  in  China  akkreditierten 
Kaiserlichea  Gesandten  vom  18.  April  1904  mitgeteilt  worden,  und  Japan 
habe  diese  Tatsache,  daß  die  Bohnen,  Bohnenkuchen  usw.  nach  japa- 
nischen Häfen  ausgeführt  werden  würden,  mit  Freuden  begrüßt. 

Wenn  daher  auch  Niutschwang  von  den  russischen  Truppen  be- 
setzt gewesen  sei,  so  sei  es  doch  ein  diplomatisches  Faktum,  daß  der 
Handel  mit  Bohnen,  Bohnenkuchen  usw.  von  Japan,  Rußland,  China 
und  anderen  neutralen  Staaten  gutgeheißen  sei;  und  darin  liege  ein 
wichtiger  Grund,  weshalb  die  vorliegende  Sache  nicht  allein  daraufhin, 
daß  Rußland  Niutschwang  besetzt  habe,  entschieden  werden  könne. 

Denn  wenn  die  Mächte  so  den  Handel  mit  Bohnen,  Bohnenkuchen 
usw.  übereinstimmend  gestattet  hätten,  so  falle  auch  das  Resultat  dieses 
Handels,  nämlich  daß  die  Kaufleute  den  Preis  für  die  verkauften  Waren 
in  Empfang  nähmen,  in  den  Bereich  dieses  übereinstimmend  gestatteten 
Handels.  Demnach  könne  das  Silbergeld,  welches  als  Preis  für  die  Bohnen, 
Bohnenkuchen  usw.  eingenommen  sei,  vorausgesetzt,  daß  es  nicht  an  die 
russischen  Truppen  gehe,  nicht  eingezogen  werden. 

Daß  aber  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  der  Kaufpreis  für 
frühere  Bohnen,  Bohnenkuchen  usw.;  sowie  Kapital  für  den  auch  in 
Zukunft  erlaubten  Einkauf  derselben;  und  daß  es  kleines  Geld  sei, 
wie  es  für  solche  Einkäufe  nötig  sei;  kurz,  daß  es  in  jeder  Beziehung 
im  Rahmen  harmlosen  Handelsverkehrs  stehe,  alles  dies  gehe  aus  den 
eingereichten  Beweisen  klar  hervor. 

Da  die  Absicht  des  Völkerrechts  und  der  Seeprisenordnung  dahin 
gehe,  die  Rechte  neutraler  Staatsangehöriger  zu  achten,  so  werde  um 
äußerste  Unparteilichkeit  bei  Beurteilung  der  zum  Beweise  ungefälschter 
Tatsachen  eingereichten  Beweisdokumente  gebeten. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  der  Staatsanwälte  beim  Prisen- 
gericht zu  Sasebo,  Mizukami  Chojiro  und  Yamamoto  Tat- 
surokuro  sind  folgende : 

Zur  Einziehung  von  Gütern  auf  Grund  der  Annahme,  daß  sie 
zum  Gebrauch  der  feindlichen  Armee  oder  Marine  geliefert  werden 
würden  und  daher  Konterbande  seien,  sei  es  nicht  unbedingt  erforderlich 
darzulegen,  daß  diese  Annahme  sich  auf  Beweise  gründe.  Im  Falle, 
daß  nach  der  Art  der  Güter,  den  Verhältnissen  des  Einfuhrortes  und 
anderen  Umständen  angenommen  werden  könne,  daß  die  Güter  zum 

332 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Hsi-Ping*.  Abschnitt  VI*«« 

Gebrauch  der  feindlichen  Armee  oder  Marine  geliefert  werden  würden, 
habe  das  Prisengericht  nach  freier  Überzeugung  zu  befinden. 

Das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  sei  in  China  geprägt  und  habe 
in  Niutschwang  sowie  auch  in  den  verschiedenen  Gegenden  der  Mand- 
schurei Kurs.  Es  sei  alles  eine  und  dieselbe  Art  kleinen  Silbergeldes, 
wie  es  zum  Lohn  für  Tagelöhner  sowie  zum  Einkauf  der  zum  Haus- 
und  persönlichen  Gebrauch  dienenden  Gegenstände  am  geeignetsten, 
zur  Zahlung  bei  großen  geschäftlichen  Transaktionen  jedoch  am  alier- 
ungeeignetsten  sei.  Es  sei  bequem  für  kleine,  aber  äußerst  unbequem 
für  große  Zahlungen. 

Zur  Zeit,  als  das  Geld  in  Niutschwang  habe  eingeführt  werden 
sollen,  sei,  wie  das  Urteil  erster  Instanz  sage,  Niutschwang  von  den 
russischen  Truppen  besetzt  gewesen  und  die  in  Port  Arthur  und  den 
verschiedenen  Teilen  der  Mandschurei  liegenden  russischen  Armee-  und 
Marinetruppen  seien  von  diesem  Platz  als  Bezugsort  für  ihren  Kriegs- 
bedarf abhängig  gewesen,  und  die  meisten  Lebensmittel  und  sonstigen 
Gegenstände,  die  der  Feind  nötig  gehabt  habe,  seien  von  dort  ge- 
liefert worden.  Da  aber  infolge  der  andauernden  Niederlagen  der  russi- 
schen Armee  und  Marine  das  Kriegspapiergeld,  welches  in  Niutschwang 
und  auch  in  verschiedenen  Teilen  der  Mandschurei  Kurs  gehabt  habe, 
sehr  im  Kredit  gesunken  sei,  so  seien  bei  der  Zahlung  der  Preise 
für  requirierte  Gegenstände  und  der  Löhne  für  Menschen-  und  Pferde- 
arbeit, d.  h.  also  bei  den  kleinen  Zahlungen  plötzlich  Schwierigkeiten 
entstanden.  Daher  seien  Klagen  über  das  Bedürfnis  nach  kleinem  Hart- 
geld, insbesondere  Geld  wie  dem  zur  Verhandlung  stehenden,  laut  ge- 
worden, und  man  sei  auch  bezüglich  dieses  auf  Niutschwang  als 
Lieferungsort  angewiesen  gewesen. 

Die  Reklamanten  hätten  daraufhin  unter  Erleidung  von  allerhand 
Schwierigkeiten  und  unter  großem  Risiko  die  Kommission  und  Ver- 
sicherung gezahlt  und  viele  Tausend  Yen  weit  von  Shanghai  nach 
Niutschwang  einführen  wollen.  Die  Frage,  wie  das  Bedürfnis  hier- 
für entstanden  sei,  beantworteten  sie  damit, 

es  sei  die  Folge  einseitigen  Wechselverkehrs ;  ferner  diene  das 
Geld  als  Kapital  zum  Einkauf  der  von  Niutschwang  nach 
Shanghai    ausgeführten    Bohnen,    Bohnenkuchen    und    des 
Bohnenöls,  auch   sei   der  Wertunterschied   zwischen  Silber 
und  Papier  in  Niutschwang  so  groß  geworden,  daß  der  Kurs 
für  Silber  den  für  Papier  bis  um  20  und  30  o/o  überstiegen 
habe  und  es  einträglich  gewesen  sei,  bares  Silbergeld  von 
Shanghai  kommen  zu  lassen. 
Niutschwang  sei  aber  seit  langer  Zeit  von  den  Russen  okkupiert  ge- 
wesen und  die  von  dort  zur  Ausfuhr  gelangenden  Bohnen,  Bohnen- 
kuchen usw.  seien  von  ihnen  entweder  als  Nahrungsmittel  oder  Brenn- 

333 


Abschnitt  VI  Mo  Prisengerichtsentscheidungen:  .M-Ping'» 

mittel  requiriert  worden.     Auch  sei,  um  den  Gegner  in  Verlegenheit 
zu  bringen,  die  Ausfuhr  derselben  streng  verboten  worden,  so  daft/eiK^ 
Ausfuhr  der  Hauptexportartikel  Bohnen,  Bohnenkuchen   usw.  *(st  gai^ 
nicht  stattgefunden  habe.  / 

Dagegen  seien  die  Kriegsbedürfnisse  der  russischen  Truppen  in  der 
Gegend  von  Niutschwang  immer  größer  geworden  uncr  neben  der  ge- 
wöhnlichen Einfuhr  sei  die  Einfuhr  von  LebensmiUirfn  und  ionstigen 
Bedarfsgegenständen  sehr  gewachsen,  so  daß  Einv^nd  Ausfuhr  völlig" 
aus  dem  Gleichgewicht  gekommen  und  demzufolge  natürlich  in  Niu- 
tschwang zahlbare  Wechsel  in  Shanghai  za)ifreich  und  in  Shanghai 
zahlbare  Wechsel  gering  geworden  seieny^So  seien  in  Niutschwang- 
zahlbare  Wechsel  in  Shanghai  leicht  und/Oillig  käuflich  gewesen.  Wenn 
daher  die  Reklamanten  in  ihrem  Gesj?näftsbetrieb  in  Shanghai  verein- 
nahmte Gelder  nach  Niutschwang  z/ schicken  gehabt  hätten,  so  hätten 
sie,  anstatt  das  Risiko  des  Tranä(K)rts  und  die  Kommission  und  die 
sonstigen  Kosten  bei  Übersenchmg  von  barem  Gelde  zu  tragen,  lieber 
mit  dem  Gelde  in  Niutschwarrg  zahlbare  Wechsel  kaufen  sollen,  bei  deren. 
Cbersendu'ng  sie  zugleich/Bequemlichkeit  und  Vorteil  gehabt  haben 
würden.  Daß  ein  in  GesAäften  scharfsinniger  chinesischer  Kaufmann, 
besonders  ein  Bankfirmehinhaber,  wie  die  Reklamanten  es  seien,  ein  be- 
quemes und  vorteilhaftes  Verfahren  außer  Acht  lassen  und  ein  un- 
bequemes und  unvorteilhaftes  Verfahren  wählen  und  vorsätzlich  Schaden 
und  Risiko  aufsuchen  solle,  sei  kaum  glaublich. 

Zudem  sei,  wie  oben  dargetan,  die  Ausfuhr  der  Hauptexportartikel 
Bohnen,  Bohnenkuchen  usw.  fast  gänzlich  ins  Stocken  geraten,  so  daß 
ein  Bedürfnis,  Kapital  zum  Einkauf  bereit  zu  halten,  nicht  vorgelegen 
habe. 

Daß  ferner  zwischen  Silber  und  Papier  in  der  Gegend  von 
Niutschwang  eine  so  außerordentlich  große  Wertdifferenz  bestanden  habe, 
so  daß  eine  Übersendung  von  barem  Gelde  von  Vorteil  gewesen  wäre, 
sei  nur  eine  mündliche  Behauptung  der  Reklamanten,  welcher  man 
mangels  anderer  Grundlagen  schwer  Glauben  schenken  könne. 

So  könne  man,  wie  dargetan,  welchen  Punkt  der  Reklamation 
man  auch  erwägen  möge,  aus  keinem  derselben  ein  Bedürfnis  für  die 
Sendung  des  baren  Geldes  entnehmen. 

Dagegen  hätten  die  russischen  Truppen  zur  Deckung  ihres  Kriegs- 
bedarfs chinesisches  Geld  und  insbesondere  kleine  Münze,  wie  die  zur 
Verhandlung  stehende,  dringend  nötig  gehabt.  Wenn  daher  die  Re- 
klamanten, ohne  Bedürfnis  für  ihr  Geschäft,  mühsam  viele  Tausend 
Yen  kleines  Geld  gesammelt,  vorsätzlich  die  Gefahr  des  Transports 
getragen,  Kommission,  Versicherungsprämie  und  Fracht  bezahlt  hätten, 
um  diesesGeld  nach  Niutschwang  zu  schaffen,  so  sei  es  ohne  viel  Worte 

334 


PriSMBsrichteentscheidungen :  .Hai-Plng*.  Abschnitt  VIi«« 

offenbar,  daß  sie  darin  dem  plötzlichen  Bedürfnis  der  russischen  Truppen 
hätten  nachkommen  wollen. 

Selbst  einmal  zugegeben,  das  Geld  habe  nicht  besonders  ein- 
geführt werden  sollen,  um  dem  plötzlichen  Bedarf  der  russischen  Truppen 
zu  entsprechen,  so  müsse  man  doch  vermuten,  daß  es,  wenn 
es  nach  Niutschwang  gekommen  wäre,  jedenfalls  zum  Gebrauch 
fter  russischen  Truppen  gedient  haben  würde.  Daher  sei  es 
zutreffend,  daß  das  Urteil  erster  Instanz  auf  Grund  dieser  Tatsachen 
unter  Berücksichtigung  der  damaligen  Umstände  angenommen  habe, 
daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  sofort  nach  Ankunft  in 
Niutschwang  zum  Gebrauch  der  russischen  Truppen  gedient  haben 
würde,  und  die  Berufung  der  Reklamanten  sei  unbegründet. 
2.   Die  Reklamanten  behaupteten   : 

Neben  der  Notwendigkeit  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Geldes  für  die  russischen  Truppen  in  Niutschwang  habe  es 
aber   auch   an    Bedürfnis   für   dasselbe   im    Handelsbetriebe 
Niutschwangs  nicht  gefehlt.    Es  sei  aber  unbillig,  dies  sonstige 
Bedürfnis  gar  nicht  zu  berücksichtigen  und,  weil  die  russi- 
schen Truppen   Geld   bedurft  hätten,   zu  entscheiden,   daß 
es  ihnen  geliefert  worden  wäre. 
Das  Urteil  erster  Instanz  habe  aber  nicht  lediglich  daraufhin,  daß 
die  russischen  Truppen  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  nötig  ge- 
habt hätten,  so  entschieden.    Nach  den  Verhältnissen  Niutschwangs  zur 
Zeit  der  Einfuhr;  nach  der  Tatsache,  daß  eine  Notwendigkeit,   bares 
Geld  zu  senden,  nicht  vorgelegen  habe;  und  nach  verschiedenen  sonstigen 
Tatsachen  sei  es  schwer  anzunehmen,   daß  die  Reklamanten,  wie  sie 
behaupteten,  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld,  weil  sie  es  in  ihrem 
Handelsbetrieb  gebraucht   hätten,   eingeführt   hätten.     Dagegen   hätten 
die   russischen    Truppen    in   ihrem    Geldbedarf  Mangel   gelitten.     Aus 
diesen   Gründen   habe  das  Urteil  erster  Instanz  geschlossen,  daß  das 
Geld  nach  Ankunft  in  Niutschwang  zum  Gebrauch  für  die  russischen 
Truppen  geliefert  worden  wäre.    Es  habe  also  nicht,  ohne  das  damalige 
Bedürfnis  in  Handelskreisen  zu  berücksichtigen,  in  willkürlicher  Weise 
lediglich    daraufhin,   daß   die   russischen   Truppen   Geld   nötig  gehabt 
hätten,  entschieden,  daß  es  zu  ihrem  Gebrauch  dienen  würde. 

Nach  dem  Ausgeführten  seien  die  Behauptungen  der  Reklamanten 
alle  unbegründet  und  das  Urteil  erster  Instanz  zutreffend.  Daher  sei  die 
Berufung  abzuweisen. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

Es  bedarf  keiner  Erörterung,  daß  Niutschwang  zu  dem  chinesischen 
Hoheitsgebiet  gehört  und  kein  russisches  Territorium  ist.  Der  Kaiser- 
liche Konsul  in  Niutschwang,  Segawa,  hat  berichtet,  daß 

335 


Abschnitt  VI>At  Prisengerichtsentschefdungen:  ,H8i-Ping'. 

Rußland,  seitdem  es  diesen  Platz  besetzt  gehabt,  dort  eine 
Zivilverwaltungsbehörde  eingerichtet  und  bis  zum  25.  Juli 
1904  die  Flagge  eines  Zivilverwaltungsamtes  geführt  habe. 
Dies  habe  mit  dem  Morgen  jenes  Tages  plötzlich  aufgehört 
und  es  sei  wieder  die  Konsulatsflagge  geheißt  worden.    Beim 
Eindringen  unserer  Truppen  sei  die  französische  rlagge  auf- 
gezogen worden.  * 
Es  ist  somit  bekannt,  daß  zur  Zeit,  als  die  in  Streit  befangenen 
Gelder  aufgebracht  wurden,  Niutschwang  tatsächlich  unter  russischer 
Verwaltung  stand.    Der  Feind  hatte  dort  nicht  nur  viele  Truppen  liegen, 
sondern  auch  einen  Hauptetappenort  eingerichtet.    Wenn  daher  Güter 
dorthin  befördert  wurden,  so  muß  das  ebenso  angesehen  werden,  als  ob 
sie  nach  feindlichem  Gebiet  bestimmt  seien.  *)    Da  es  demnach  offenbar 
ist,  daß  die  Tatumstände  zu  der  Annahme  berechtigen,  daß  auch  das  zur 
Verhandlung  stehende,   von   dem   Reklamanten   für  die   Einfuhr  nach 
Niutschwang   bestimmte   Silbergeld    zum    Kriegsgebrauch    des   Feindes 
gedient  haben  würde,  so  muß  man  sagen,  daß  es  die  Voraussetzungen, 
welche  es  zu  Konterbande  machen,  erfüllt. «) 

In  einem  Berichte  des  obengenannten  Kaiserlichen  Konsuls  heißt 
es,   daß 

die  russische  Regierung  beim  Beginn  des  Baus  der 
mandschurischen  Eisenbahn  anfänglich  alle  Zahlungen  in 
Gold  geleistet  habe.  Ein  oder  zwei  Jahre  später  habe  sie 
daneben  Papierrubel  benutzt  und  den  Chinesen  gesagt,  zwi- 
schen dem  Metall  und  dem  Papier  sei  kein  Unterschied.  Dann 
habe  sie,  um  dem  Papier  Kredit  zu  verschaffen,  nach  and 
nach  das  Gold  zurückgezogen  und  das  Papier  vermehrt.  Im 
Jahre  1902  sei  es  dahin  gekommen,  daß  man  in  der 
Mandschurei  russisches  Goldgeld  nur  sehr  selten  in  Umlauf 
gesehen  habe.  Damals  habe  aber  die  russisch-chinesische 
Bank  schon  an  verschiedenen  wichtigen  Plätzen  Nieder- 
lassungen errichtet.  In  diesen  Banken  sei  das  Papier  zum 
Tageskurse  gegen  Silbergeld  eingelöst  worden  und  in  der 
Mandschurei  habe  dabei  ein  Papierrubel  einen  Tauschkurs 
von  1  Dollar  30  Cents  bis  1  Dollar  40  Cents  Silbergeld  ge- 
habt. Als  indessen  seit  Herbst  1903  die  Gerüchte  über  einen 
Krieg  zwischen  Japan  und  Rußland  in  Blüte  gestanden  hätten, 
habe  es  unter  den  Chinesen  geheißen,  daß,  wenn  nach  dem 
Ausbruch  des  Krieges  die  Russen  einmal  unterliegen  würden, 
die  russischen  Papierrubel  nicht  mehr  gewechselt  werden 
könnten  und  nur  noch  den  Wert  von  altem  Papier  haben 
würden.    Von  November  oder  Dezember  dieses  Jahres  bis 

»)  V.  §  5.  —  «)  II.  Ziffer  2. 

336 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Hsi-Ping".  Abschnitt  VIi^* 

zum  Ausbruch  des  Krieges  im  Februar  1904  habe  der  Um- 
lauf des   Papiergeldes  eine  starke   Abnahme  erfahren   und 
dasselbe  sei  von  1  Dollar  30 — 40  Cents  häufig  auf  1  Dollar 
10   Cents  gefallen,    und   nur,   dank   den    Bestrebungen   der 
Niederlassungen  der  russisch-chinesischen  Bank  in  den  ver- 
schiedenen Orten,  den  Kredit  des  Papiergeldes  aufrecht  zu 
erhalten,   sei   es   nicht   dazu   gekommen,   daß   sein    Umlauf 
ganz  ins  Stocken  geraten  sei.    Als  aber  die  Nachrichten  von 
den  Niederlagen  bei  Nanshan  und  Tehlitze  nach  Kaiping  und 
Yingkow   kamen,   hätten   die  Chinesen,   welche  Papierrubel 
gehabt  hätten,  darin  gewetteifert,  diese  zu  verkaufen.     Der 
Rubel  sei  damals  bis  auf  70  oder  80  Cents  gefallen.    Aber  da 
in  Tientsin  und  Shanghai  Papierrubel  immer  zum  Tageskurs 
gegen  Silbergeld  gewechselt  werden  könnten,  so  hätten  Geld- 
wechsler in  Yingkow,  wenn  das  russische  Papiergeld  gefallen 
gewesen  sei,  dieses  aufgekauft,  nach  Shanghai  geschickt  und 
mit  ungeheurem  Gewinn  wieder  eingetauscht. 
Nach   diesem   Bericht  zu   urteilen,   erregte  also  der   Rubelschein 
schon  beim  Beginn  des  japanisch-russischen  Krieges  im  Verkehr  unter 
den  Chinesen  ganz  allgemein  Verdacht  und  Mißtrauen,  und  es  zeigte 
sich  die  Tendenz,  daß  er  schließlich  gänzlich  den  Kredit  verlieren  würde. 
Als  die   Nachricht  von   den   Niederlagen   bei   Nanshan    und   Tehlitze 
nach  Yingkow  gekommen  war,  traf  freilich  die  russisch-chinesische  Bank 
sorgfältige  Maßnahmen,  um  das  alte  Verhältnis  wiederherzustellen,  es 
kam  aber  trotzdem  zu  einem  großen  Sturz.     Als  sodann  immer  mehr 
Nachrichten  von  dem  weiteren  Kampf  und  Sieg  der  japanischen  Truppen 
kamen,  war  die  Lage  so,  daß  es  sich  auf  keine  Weise  mehr  vermeiden 
ließ,   daß  der  Rubel  unter  den  Chinesen  ganz  allgemein  seinen  Kurs 
verlieren  würde.     Es  ist  daher  ganz  klar,   daß   die  Situation  so  war, 
daß  die  russischen  Truppen,   zu   der  Zeit,   wo  das  zur  Verhandlung 
stehende  Silbergeld  befördert  wurde,  zur  Requisition  des  Kriegsbedarfs 
und  zur  Bezahlung  der  Kulis  den  Papierrubel  nicht  ohne  weiteres  ver- 
wenden konnten.    Daher  ist  es  offenbar,  daß  chinesisches  Silbergeld  zu 
jener  Zeit  für  die  russischen  Truppen  unentbehrlich  geworden  war. 

Ferner  besagt  der  Bericht  des  Kaiserlichen  Generalkonsuls  I  j  u  i  n 
in  Tientsin  über  die  russischen  Papierrubelscheine : 

Mit  der  Eröffnung  des  Krieges  zwischen  Japan  und  Ruß- 
land seien  unter  vielen  Chinesen  Zweifel  über  die  Einlösbar- 
keit  der  Rubelscheine  aufgekommen.  Man  habe  gefürchtet, 
daß  sie  Fälschungen  seien,  und  der  Kredit  sei  beeinträchtigt 
worden.  Auch  unter  den  Russen  und  unter  den  russischen 
Regierungslieferanten  seien  nur  sehr  wenig  Rubelscheine  in 
Verkehr  gewesen,  wenn  man  auch  nicht  behaupten  könne,  daß 

Karstrand-Meohlenburg,  Das  japftnisohe  Prisenrecht.    Band  I.      (22)  öS7 


Abschnitt  VI^A*  Prisengerichtsentscheidungen:  „Hsi-Ping*'* 

sie  absolut  keinen  Umlauf  gehabt  hätten.  Wenn  die  Banken 
in  Tientsin  sie  in  die  Hand  bekommen  hätten,  so  hätten 
sie  sie  nicht  als  Geld  behandelt,  sondern  als  eine  Art  Wert- 
papier. 

Danach  hat  der  Rubelschein,  nachdem  die  russischen  Truppen 
bei  Nanshan  und  Tehlitze  geschlagen  worden  waren,  unter  den  Chinesen 
allgemein  keinen  Umlauf  gehabt.  Er  war  nur  gelegentlich  des  Kurs- 
sturzes eine  Art  Handelsobjekt  für  Kaufleute,  die  großen  Gewinn  er- 
zielen wollten.  Daher  hat  der  Rubelschein  auch  die  Requisitionen  der 
russischen  Truppen  und  die  Löhne  der  Kulis  nicht  zahlen  können.  Aus- 
allem  diesen  geht  klar  hervor,  daß  die  russischen  Truppen  chinesisches 
Geld  nötig  hatten. 

Wenn  es  auch  offenbar  ist,  daß  trotz  des  japanisch  -  russischen 
Krieges  die  Hauptprodukte  Niutschwangs  Bohnen,  Bohnenkuchen  und 
Bohnenöl,  wie  auch  die  Reklamanten  behaupten,  verhandelt  worden  sind,, 
so  bestand  daneben  doch  die  Tatsache,  daß  auf  der  anderen  Seite 
Kaufleute  in  Benutzung  der  Gelegenheit,  daß  die  russischen  Truppen 
chinesisches  Umlaufsgeld  nötig  hatten,  die  vermehrten  Rubelscheine  billig" 
von  den  russischen  Truppen  kaufen  und  dadurch  großen  Gewinn  er- 
zielen konnten.  Daher  stimmt  die  Behauptung  der  Reklamanten,  daR 
das  in  Streit  befangene  Silbergeld,  weil  jener  Warenhandel  in  Betrieb 
gewesen  sei,  auf  keinen  Fall  dem  Kriegsgebrauch  des  Feindes  gedient 
haben  würde,  nicht  mit  den  Tatsachen  überein.  Vielmehr  ist  es  natürlich 
anzunehmen,  daß  zu  einer  solchen  Zeit  die  geschäftlich  scharfsinnigen 
chinesischen  Kaufleute,  vor  allem  die  Bankunternehmer,  anstelle  ihrer 
gewöhnlichen  Geschäfte  lieber  Rubelscheine  billig  von  den  Russen  kaufen 
und,  um  einen  außerordentlichen  Profit  zu  erzielen,  die  Gefahr  eines 
solchen  Geldimports  laufen  würden.  Das  zur  Verhandlung  stehende 
Geld  ist  durch  Vermittlung  der  Seetransportfirma  TängMingChien,. 
welche  eine  volle  Ladung  von  Kriegskonterbande  heimlich  nach 
Niutschwang  zu  befördern  beabsichtigt  hatte,  zugleich  mit  dieser 
Konterbande  auf  demselben  Schiff  verladen  und  befördert  worden. 
Dazu  ist'  sein  Bestimmungsort  ein  russischer  Etappenort  und,  wie 
oben  dargetan,  bedurften  die  russischen  Truppen  solchen  Geldes. 
Daraus  muß  geschlossen  werden,  daß  der  Zweck  der  Einfuhr  des  Geldes 
der  gleiche  gewesen  ist  wie  der  der  Einfuhr  der  übrigen  Konterbande- 
ladung, nämlich  Lieferung  zum  Gebrauch  der  russischen  Truppen. 
Demnach  ist  es  durchaus  zutreffend,  wenn  das  Gericht  erster  Instanz 
die  Einziehung  des  Geldes  ausgesprochen  hat. 

Da  Personen,  welche  Schleichimport  treiben,  immer  genötigt  sind, 
mit  allen  Mitteln  den  Verdacht  abzulenken  und  die  Spuren  zu  verheim- 
lichen, so  kann  die  Tatsache,  daß  man  in  Shanghai  beim  Zollamt  öffentlich 

338 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Hsi-Ping".  Abschnitt  VI»«« 

die  Ausfuhrformalitäten  erfüllt  hat,  nicht  als  ein  Beweis  erachtet  werden, 
vielcher  geeignet  sei,  der  obigen  Annahme  entgegenzustehen. 

Wenn  man  die  von  den  Reklamanten  angeführten  Beweise  be- 
trachtet, so  können  sie  lediglich  zu  der  Vermutung  führen,  daß  in 
jedem  Jahre  Fälle  von  Einfuhr  kleinen  Silbergeldes  nach  Niutschwang 
vorkommen.  Für  die  Behauptung  aber,  daß,  obgleich  eine  Gelegenheit, 
großen  Gewinn  zu  erzielen,  vorhanden  war,  diese  Gelegenheit  nicht 
berücksichtigt  worden  sei  und  das  Geld  für  die  alljährlich  wieder- 
kehrenden Handelszwecke  dienen  sollte,  ist  keinerlei  Beweis  erbracht 
worden. 

Die  Reklamanten  behaupten,  daß  es  nicht  zu  bestreiten  sei,  daß 
die  Venx'endung  von  Silbergeld  sich  nicht  auf  die  russische  Armee  und 
.Marine  beschränke,  sondern  daß  es  allgemein  im  kaufmännischen  Ver- 
kehr unter  den  Chinesen  verwendbar  sei.  Was  indes  das  von  den 
Reklamanten  einzuführen  beabsichtigte  Silbergeld  angeht,  so  ist  aus 
den  Tatumständen  die  Annahme,  daß  dasselbe  zum  Gebrauch  der  russi- 
schen Truppen  gedient  haben  würde,  ganz  offenbar  berechtigt.  Das- 
selbe kann  daher,  gerade  wie  auf  Grund  derselben  Tatumstände  der 
gleichen  Annahme  bei  Lebensmitteln  wie  Reis  und  Weizenmehl  nichts 
im  Wege  steht,  als  Konterbande  angesehen  werden. 

Da  ferner  der  Grund  dafür,  daß  Lebensmittel,  Geld  usw.,  wenn 
sie  nach  feindlichem  Gebiet  gehen  oder  zum  feindlichen  Kriegsgebrauch 
geliefert  werden  sollen,  als  Konterbande  gelten,  der  ist,  daß  man  da- 
gegen ist,  daß  solche  Güter  im  Ende  die  Kriegsfähigkeit  des  Feindes 
unterstützen,  so  ist  die  Frage,  ob  ihr  Bestimmungsort  ein  Kriegshafen 
oder  Blockadehafen  ist,  für  die  Bestimmung,  ob  ein  Konterbandetransport 
vorliegt  oder  nicht,  nicht  von  wesentlicher  Bedeutung.  Wenn  der  Be- 
stimmungsort ein  Kriegshafen  oder  ein  Blockadehafen  ist,  so  liefert  das 
nur  einen  Umstand,  welcher  die  Vermutung,  daß  die  dorthin  bestimmten 
Güter  Konterbande  sind,  erleichtert.  Daher  ist  auch  dieser  Punkt  der 
Berufung  nicht  anzuerkennen. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  25.  Dezember  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


(22*)  339 


Abschnitt  VI»«^  Prisengerichtsentscheidungen :  .Hsi-Ping'. 

Reklamanten: Die  chinesischen  Staatsangehörigen  ChanYü  Po 
und  Shing  Pu.Saw,  in  Firma  Ying  Yu  Hao,  aus  der  Provinz 
Canton,   Regierungsbezirk  Chowchow,   Haiyang  bzw.  Chaoyang. 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  Sakurai  Ikkyu,  Regierungs- 
bezirk Hiogo,  Kobe,  Kitanagasadori,  sichome  Nr.  54. 

In  der  Prisensache,  betreffend  Ladung  des  englischen  Dampfers 
,;Hsi-Ping'',  wird,  wie  folgt,  entschieden : 

Urteilsformel: 
Die    unter   der   Ladung   des   Dampfers   „Hsi-Ping"    befindlichen, 
an  die  Firma  YingYuHao  versandten  5  Kisten  mexikanische  Dollar 
werden   eingezogen. 

Tatbestand  und   Gründe: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  5  Kisten  mexikanische  Dollar 
sind  alle  kleines  chinesisches  Silbergeld.  Sie  sind  von  der  Transport- 
firma Kai  Ping  Chiang  in  Shanghai,  China,  auf  dem  englischen 
Dampfer  „Hsi-Ping''  verladen  und  am  11.  Juli  1904  an  die  Firma 
Ying  Yu  Hao  in  Niutschwang,  China,  abgesandt  worden.  Als  am 
14.  d.  M.,  8  Uhr  vormittags,  der  Dampfer  „Hsi-Ping''  ungefähr  61/2 
Seemeilen  nördlich  von  der  Insel  Kaiming  bei  dem  Shantung-Vorgebirge 
in  China  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Hongkong  Maru"  auf- 
gebracht wurde,  weil  er  Kriegskonterbande  führe,  wurden  auch  die  zur 
Verhandlung  stehenden  Gelder  mit  Beschlag  belegt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Kommandanten  der  „Hongkong  Maru",  Inouye  Tshio,  den  Bericht 
des  Marineoberleutnants  KamuraYasumasa  über  die  Durchsuchung 
der  „Hsi-Ping",  das  Tagebuch,  die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns 
R.  Mac  Farlane,  des  1.  Offiziers  E.  B.  Hayes,  der  Kompradores 
Paw  Meng  Ching  und  N.  Wai  Meng,  des  Passagiers  Tang 
M  i  n  g  C  h  i  e  n ,  durch  die  Konnossemente,  das  Ladungsverzeichnis  und 
die  Frachtbriefe. 

Die  Hauptpunkte  des  Vertreters  der  Reklamation  sind  folgende: 

Der  Reklamant  betreibe  in  Niutschwang  ein  Geschäft,  in  welchem 
er  Bohnen,  Bohnenkuchen  und  Bohnenöl  einkaufe,  welche  er  nach 
Shanghai  und  anderen  Häfen  ausführe.  Er  habe  das  zur  Verhandlung 
stehende  Silbergeld  von  Shanghai  kommen  lassen,  weil  die  Zeit  zum 
Einkauf  seiner  Handelswaren  gekommen  gewesen  sei  und  als  Resultat 
der  Neigung  der  Handelsbeziehungen  zu  einem  einseitigen  Wechsel- 
■  verkehr  Kapital  nötig  gewesen  sei. 

Das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  sei  nicht  für  die  russische 
Armee  oder  Marine  bestimmt  gewesen  und  habe  auch  nicht  zu  ihrem 
Gebrauch  geliefert  werden  sollen. 

340 


Prisengerichtsentscheidungen :  .  Hsi-Ping " .  Abschnitt  VI  ia  f 

Daher  sei  es  keine  Konterbande  und  müsse  freigegeben  werden. 

Der  Reklamant  hat  zum  Beweis  der  obigen  Tatsachen  verschiedene 
Dokumente  eingereicht. 

Die  Hauptpunkte  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  sind  folgende: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  würden  nach  ihrer  Ankunft 
in  Xiutschwang  zum  Gebrauch  der  russischen  Truppen  gedient  haben. 
Sie  seien  daher  Kriegskonterbande  und  müßten  eingezogen  werden. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Wenn  Lebensmittel  oder  Geld  nach  einem  von  den  feindlichen 
Truppen  besetzten  Hafen  versandt  worden  sind,  so  kann  je  nach  den 
Umständen  angenommen  werden,  daß  sie  zum  Gebrauch  dieser  Truppen 
dienen  werden. 

Niutschwang  war  zur  fraglichen  Zeit  von  den  russischen  Truppen 
besetzt  und  diente  als  ein  Hauptetappenort.  Außerdem  hatte  das 
russische  Papiergeld  durch  die  andauernden  Niederlagen  der  russischen 
Armee  und  Marine  sehr  an  Kredit  verloren,  und  es  ist  bekannt,  daß 
chinesisches  Metallgeld,  insbesondere  kleines  Geld,  wie  das  zur  Ver- 
handlung stehende  Silbergeld,  stark  benötigt  wurde,  um  der  täglichen 
Nachfrage  zu  entsprechen.  Es  muß  daher  angenommen  werden,  daß 
das  zur  Verhandlung  stehende  Silbergeld  nach  Ankunft  in  Niutschwang 
zum  Gebrauch  der  genannten  Truppen  geliefert  worden  wäre. 

Es  wird  demnach  für  Kriegskonterbande  angesehen^)  und  weder 
die  Ausführungen  des  Vertreters  der  Reklamation  noch  die  von  ihm 
eingereichten  verschiedenen  Beweisdokumente  sind  imstande,  diese  An- 
nahme umzustoßen. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden.  2) 

Verkündet  am  17.  Dezember  1904  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im 
Beisein  des  Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurokuro. 

(Unterschriften.) 


Reklamanten:  Die  chinesischen  Staatsangehörigen  Chan  Yü  Po 
und  S h  i n g  P u  S a  w ,  in  Firma  Ying  Yu  Hao,  aus  der  Provinz 
Canton,  Regierungsbezirk,  Chowchow,  Haiyang  bzw.  Chaoyang. 

Prozeßvertreter:  Die  Rechtsanwälte  TakagiToyozo,  Tokio, 
Kojimachiku,  Uchisaiwaicho  sichome  Nr.  3.  und  Sakurai  Ikkyu^ 
Regierungsbezirk  Hiogo,  Kobe,  Kitanagasadori  sichome  Nr.  54. 


1)  IL  Ziffer  2.  —  ^j  y.  §  43. 

341 


Abschnitt  VIi3f  Prisengerichtsentscheidungen :  .Hsi-Ping*. 

Am  17.  Dezember  1904  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der 
Prisensache,  betreffend  Ladung  des  Dampfers  „Hsi-Ping'S  welcher  am 
14.  Juli  1904  auf  37^  34'  n.  Br.  und  122  o  29'  ö.  L.  von  dem  Kaiser- 
lichen Kriegsschiff  „Hongkong  Maru"  aufgebracht  worden  ist,  auf  Ein- 
ziehung der  unter  der  Ladung  des  Dampfers  „Hsi-Ping"  befindlichen, 
an  die  Firma  Y.i  n  g  Y  u  H  a  o  versandten  5  Kisten  mexikanischer  Dollars 
erkannt. 

Gegen  dieses  Urteil  haben  die  Reklamanten,  die  chinesischen 
Staatsangehörigen  Chan  Yü  Po  und  Ching  Pu  Saw  in  Firma 
Ying  Yu  Hao  durch  die  Rechtsanwälte  Takagi  Toyozo  und 
Sakurai  Ikkyu  die  Berufung  eingelegt,  welche  im  Beisein  der  Staats- 
anwälte Tsutsuki  Keiroku  und  Dr.  jur.  Ishiwatari  Binichi 
beim  Oberprisengericht  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  der  Prozeßvertreter  Takagi 
Toyozo  und  Sakurai  Ikkyu  sind  folgende: 

Es  werde  Aufhebung  des  am  17.  Dezember  1904  von  dem  Prisen- 
gericht in  Sasebo  abgegebenen  Urteils  auf  Einziehung  der  auf  dem 
englischen  Dampfer  „Hsi-Ping''  verschifften  5  Kisten  mexikanischer 
Dollars  und  Freigabe  derselben  beantragt,  und  zwar  aus  folgenden 
Gründen : 

1.  Die  Reklamanten  betrieben  in  Niutschwang  ein  Ausfuhrgeschäft 
in  Bohnen,  Bohnenkuchen  und  Bohnenöl.  Bei  der  Ausfuhr  dieser 
Güter  nach  Shanghai  nähmen  sie  den  Preis  dafür  in  Shanghai  ein  und 
die  Übersendung  dieses  Geldes  nach  Niutschwang  werde  entweder  durch 
Ankauf  in  Niutschwang  zahlbarer  Wechsel  oder  in  Form  baren  Geldes 
bewerkstelligt.  Auch  in  Fällen,  wo  Bohnen,  Bohnenkuchen  und  Bohnen- 
öl nach  anderen  Plätzen  wie  Shanghai  ausgeführt  würden,  werde  der 
Preis  bisweilen  in  Shanghai  bezahlt.  Denn  als  Zentrum  des  chinesischen 
Handels  sei  Shanghai  auch  der  Mittelpunkt  des  Geldumlaufs.  So  habe 
der  Agent  des  Reklamanten  in  Shanghai  das  zur  Verhandlung  stehende 
Geld  in  der  beschriebenen  Weise  im  Betriebe  des  Geschäfts  vereinnahmt, 
bei  einem  Wechsler  gewechselt  und  an  die  Firma  Ying  Yu  Hao  in 
Niutschwang  geschickt. 

Daß  bares  Silbergeld  geschickt  worden  sei,  habe  seinen  Grund 
darin,  daß  gerade  in  Niutschwang  die  Zeit  für  die  Ausfuhr  von  Bohnen, 
Bohnenkuchen  usw.  gekommen  gewesen  sei.  Denn  da  die  Exportfirma 
Ying  Yu  Hao  in  der  Regel  Zahlung  für  die  Bohnen  in  kleinem 
Silbergeld  leiste,  sei  es  nötig  gewesen,  bares  Geld  zu  schicken.  Dieses 
sei  einer  der  Gründe,  weshalb  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  in  bar 
geschickt  worden  sei.  Wenn  in  Niutschwang  Silbergeld  reichlich  und 
der  Kurs  für  in  Niutschw^ang  zahlbare  Wechsel  in  Shanghai  niedrig 
gewesen  wäre,  so  wäre  es  allerdings  nicht  nötig  gewesen,  daß  der  Agent 
der  Reklamanten  extra  Silbergeld  hätte  schicken  sollen.    In  Niutschwang 

342 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Hsi-Ping'.  Abschnitt  Vl^^f 

habe  es  aber  an  Silbergeld  gefehlt,  und  der  Wechselkurs  auf  Niutschwang 
sei  in  Shanghai  hoch  gewesen,  so  daß  selbst  nach  Zahlung  der  Fracht 
und  Versicherung  die  Sendung  von  barem  Geld  immer  noch  geschäftlich 
vorteilhaft  und  außerdem  notwendig  gewesen  sei.  Das  sei  der  zweite 
Grund,  weshalb  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  in  bar  versandt 
worden  sei.  Die  obigen  Tatsachen  gingen  hervor  aus  den  Beweisstücken 
Nummer  2,  3,  5  bis  7  und'  9  bis  11. 

2.  Daß  der  Agent  der  Reklamanten  das  zur  Verhandlung  stehende 
Silbergeld  an  die  Firma  Ying  Yu  Mao  in  Niutschwang  geschickt 
habe,  sei,  wie  dargetan,  eine  für  eine  Exportfirma  natürliche  Maßnahme, 
die  mit  den  russischen  Truppen  in  keinerlei  Beziehung  stehe.  Wenn 
man  annehme,  daß  es  zulässig  sei,  eine  derartige  reine  Handelstransaktion 
für  unerlaubt  zu  erklären  und  die  auf  der  Reise  befindlichen  Güter 
einzuziehen,  so  bedeute  das  eine  Entziehung  des  Rechts,  Gewerbe  zu 
treiben.  Von  etwas  dergleichen,  wie  insbesondere  auch  davon,  daß 
neutralen  Staatsangehörigen  das  Recht  auf  ihr  gewöhnliches  Gewerbe 
in  ihrem  eigenen  Lande  entzogen  werden  könne,  habe  man  bislang 
in  der  Praxis  und  Wissenschaft  des  Kriegsvölkerrechts  noch  niemals 
etwas  gehört. 

3.  Der  Dampfer  „Hsi-Ping"  habe  seine  Absicht,  nach  Niutschwang 
und  anderen  Häfen  zu  gehen,  in  Shanghai  Zeitungen  bekannt  ge- 
macht, und  der  englische  Konsul  habe  die  Abreise  zwecks  Gütertransports 
nach  Niutschwang  gutgeheißen.  Auch  das  Zollamt  in  Shanghai  habe 
die  öffentlich  nach  Niutschwang  gehende  Ladung  passieren  lassen.  Daher 
habe  der  Agent  der  Reklamanten  ohne  weitere  Überlegung  ganz  un- 
befangen dem  Schiffe  das  zur  Verhandlung  stehende  Silbergeld  zur 
Beförderung  übergeben.  Danach  sei  die  Beschlagnahme,  von  der  Ein- 
ziehung nicht  zu  reden,   im   höchsten   Grade   unerwartet  gekommen. 

Wenn  man  das  Geld  wirklich  heimlich  habe  absenden  wollen,  um 
es  zum  Gebrauch  der  russischen  Truppen  dienen  zu  lassen,  so  hätte 
man  ein  so  öffentliches  Transportverfahren  nicht  wählen  sollen.  Daß 
man  doch  ein  solches  Verfahren  eingeschlagen  habe,  liefere  reichlichen 
Grund  für  die  Vermutung,  daß  böser  Glaube  dabei  nicht  vorgelegen 
habe. 

4.  In  dem  Urteil  erster  Instanz  werde  zur  Begründung  folgendes 
gesagt: 

Niutschwang  sei  zur  fraglichen  Zeit  von  den  russischen 
Truppen  besetzt  gewesen  und  habe  als  ein  Hauptetappenort 
gedient.  Außerdem  habe  das  russische  Kriegspapiergeld 
durch  die  andauernden  Niederlagen  der  russischen  Armee 
und  Marine  sehr  an  Kredit  verloren,  und  es  sei  bekannt, 
daß  chinesisches  Metallgeld,  insbesondere  kleines  Geld  wie 
das  zur  Verhandlung  stehende  Silbergeld,  benötigt  worden  sei, 

343 


Abschnitt  VI  18 f  Prisengerichtsentscheidungen:  .Hsi-Ping*. 

um  der  täglichen  Nachfrage  zu  entsprechen.  Es  müsse  daher 
angenommen  werden,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende 
Silbergeld  nach  Ankunft  in  Niutschwang  sofort  zum  Ge- 
brauch der  genannten  Truppen  geliefert  worden  wäre. 

Daraufhin  aber,  daß  Niutschwang  ein  Hauptetappenort  der  russi- 
schen Truppen  sei,  annehmen  zu  wollen,  daß  alle  dorthin  eingeführten 
Güter  zum  Gebrauch  der  Truppen  geliefert  würden,  sei  unbillig  streng" 
und  widerlaufe  auch  den  Tatsachen.  Daß,  wenn  auch  Niutschwang 
zur  fraglichen  Zeit  von  den  russischen  Truppen  besetzt  gewesen  sei, 
deshalb  der  Handel  Niutschwangs  nicht  in  Stillstand  geraten,  sondern 
tatsächlich  ausgeübt  worden  sei,  könne  man  aus  den  das  Beweisstück 
Nr.  15  bildenden  telegraphischen  Mitteilungen  der  Niutschwang-Filiale 
der  offenen  Handelsgesellschaft  Mitsui  Bussan  über  die  Handels- 
lage in  Niutschwang  bis  zum  Juli  des  vorigen  Jahres  entnehmen.  Wenn 
später  die  chinesische  Zollstatistik  für  das  Jahr  1904  erscheinen  werde, 
so  würden  sich  diese  Tatsachen  bestätigen. 

Selbst  angenommen,  die  russischen  Truppen  hätten  Geld,  wie 
das  zur  Verhandlung  stehende,  nötig  gehabt,  so  sei  es  doch  ansinnig, 
ohne  zu  fragen,  wem  es  gehöre,  anzunehmen,  daß  es  unbedingt  an  die 
Truppen  geliefert  worden  wäre.  Auch  sprächen  die  Tatsachen  iiicht 
dafür.  Vielmehr  müsse  grundsätzlich  angenommen  werden,  daß,  wenn 
die  Reklamanten,  welche  ein  Exportgeschäft  hätten,  von  Shanghai,  woher 
sie  ihre  Kapitalien  geliefert  bekämen,  nach  Niutschwang,  dem  Sitz  ihres 
Geschäfts,  Geld,  welches  zum  Betriebe  des  Geschäfts  erforderlich  sei, 
befördern  ließen,  dieses  Geld  im  Betriebe  des  Geschäfts  der  Reklamanten 
zur  Verwendung  kommen  solle.  Wenn  man  diese  natürliche  Vermutung 
umstürzen  wolle,  so  bedürfe  es  dazu  unter  allen  Umständen  sicherer 
Gründe  und  Beweise.  Wenn  daher  das  Urteil  erster  Instanz  auf  die 
verzeichneten  vagen  Gründe  eine  Annahme  aufgestellt  habe,  welche  dieser 
natürlichen  Vermutung  widerspreche,  so  sei  das  auch  vom  Standpunkt 
des  Beweisrechts  unzutreffend. 

5.  Silbergeld  sei  sogenannte  bedingungsweise  Konterbande.  Da 
es  demnach  nur  in  den  beiden  Fällen:  (1)  daß  es  für  die  feindliche  Armee 
oder  Marine  bestimmt  sei;  (2)  daß  es  nach  feindlichem  Gebiet  bestimmt 
sei,  und  angenommen  werden  müsse,  daß  es  zum  Gebrauch  der  feind- 
lichen Armee  oder  Marine  dienen  würde,  Kriegskonterbande  sei,  3)  so 
sei  es  nötig,  für  die  Behauptung,  daß  es  Konterbande  sei.  Beweise  bei- 
zubringen, welche  dartäten,  daß  es  für  die  feindliche  Armee  oder  Marine 
bestimmt  gewesen  sei  oder  daß  es  zu  ihrem  Gebrauch  habe  geliefert 
werden  sollen. 

Wenn  man  also  bei  der  Annahme,  daß  Konterbande  nach  dem 
Fall  „(2)''   vorliege,  einfach  so  folgere,  daß   die  Güter,  weil  sie  nach 

~~     »)  iT.  Ziffer  2. 

344 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Hsi-Ping*.  Abschnitt  VIi^^ 

einem  von  den  feindlichen  Truppen  besetzten  Ort  gesandt  würden, 
auch  zum  Kriegsgebrauch  des  Feindes  geliefert  werden  würden,  so 
schließe  man  aus  dem  Vorhandensein  der  ersten  der  beiden  Bedingungen, 
welche  dieser  Fall  erfordere,  ohne  weiteres  auf  das  Vorhandensein  auch 
der  zweiten  Bedingung.  Das  sei  im  Erfolg  dasselbe,  als  wenn  die 
zweite  Bedingung  überflüssigerweise  geschrieben  worden  sei,  und  laufe 
darauf  hinaus,  daß  die  bedingte  Kriegskonterbande  des  Falles  „(2)'' 
keinen  Unterschied  von  der  absoluten  Konterbande  aufweise,  so  daß 
der  Sinn,  welcher  der  Unterscheidung  dieser  beiden  zugrunde  liege, 
völlig  zunichte  gemacht  werde. 

Man  werde  aber  vielleicht  behaupten,  die  Grundlage,  auf  welche 
hin  das  Gericht  erster  Instanz  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld 
als  Konterbande  angesehen  habe,  beschränke  sich  nicht  nur  darauf, 
daß  das  Geld  nach  einem  vom  Feinde  besetzten  Platz  bestimmt  sei, 
sondern  es  sei  auch  die  weitere  Begründung  beigefügt,  daß  die  feindliche 
Armee  oder  Marine  es  benutzen  werde.  Demgegenüber  sei  aber  fol- 
gendes zu  bemerken:  Jedermann  könne  in  allen  Umständen  Geld  ge- 
brauchen, und  die  Verwendbarkeit  desselben  beschränke  sich  nicht  auf 
die  russische  Armee  oder  Marine.  Wenn  demnach  dafür,  daß  nur  die 
russische  Armee  oder  Marine  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  ge- 
brauchen werde,  keine  besonderen  Gründe  vorlägen,  so  gebe  die  oben- 
genannte weitere  Begründung  des  Urteils  der  ersten  Instanz  auf  die 
Frage,  inwiefern  die  Annahme  berechtigt  sei,  daß  das  zur  Verhandlung 
stehende  Geld  bei  den  russischen  Truppen  zur  Verwendung  kommen 
verde,  die  Antwort,  man  müsse  annehmen,  daß  es  bei  den  russischen 
Truppen  zur  Verwendung  gekommen  sein  würde,  weil  diese  es  zu 
venÄ'enden  genötigt  gewesen  seien.  Das  sei  Beantwortung  einer  Frage 
mit  derselben  Frage. 

Obwohl  den  Reklamanten  die  Beweislast  nicht  obliege,  hätten  sie 
ihre  Behauptungen,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  weder  für 
die  russischen  Truppen  bestimmt,  noch  zu  ihrem  Gebrauch  zu  liefern 
gewesen,  daß  es  vielmehr  zur  Deckung  des  Bedarfs  in  dem  Geschäft 
der  Reklamanten  versandt  worden  sei,  mit  verschiedenen  beweiskräftigen 
Tatsachen  und  Gründen  belegt.  Der  Staatsanwalt  habe,  ohne  dagegen 
einen  einzigen  Gegenbeweis  vorzubringen,  diese  Erklärung  der  Rekla- 
manten verworfen,  und  die  Entscheidung  des  Gerichts  erster  Instanz,, 
welches  der  Ansicht  des  Staatsanwalt  beipflichte,  sei  daher  auch  vom 
Standpunkt  der  Beweisführung  rechtswidrig. 

6.  Es  sei  freilich  nicht  zu  leugnen,  daß  Niutschwang  nicht  nur 
zur  Zeit  der  Aufbringung,  sondern  schon  seit  der  Zeit  vor  dem  japanisch- 
russischen Krieg  unter  russischer  Gewalt  gestanden  habe.  Aber  nian 
müsse  dieses  besetzte  Gebiet  nicht  einem  gewöhnlichen  Okkupations- 
gebiet gleichstellen.    Denn  Niutschwang  sei  ein  dem  Handel  der  Mächte 

345 


Abschnitt  Jfl^f  Prisengerichtsentscheidungen:  .Hsi-PIng-. 

offenstehender  Hafen  und  kein  Kriegs-  oder  Blockadehafen.  Es  könne 
nicht  mit  nur  während  des  Krieges  besetzten  Gebieten  wie  zum  Beispiel 
der  Song  To-Bucht,  der  Taubenbucht  und  der  Sho  Ping-Insel  bei 
Port  Arthur  auf  eine  Stufe  gestellt  werden.  Wenn  relative  Konterbande- 
güter, das  heißt  Güter,  wie  sie  im  §  14  der  Seeprisenordnung*)  auf- 
gestellt seien,  nach  der  Song  To-Bucht  usw.  bestimmt  wären,  so  werde 
jedermann  dem  zustimmen,  wenn  man  annehme,  daß  sie  direkt  für 
die  russischen  Truppen  bestimmt  seien  und  daher  als  Kriegskonterbande 
eingezogen  werden  müßten.  Wenn  man  aber  einen  solchen  Fall  und 
den  Fall,  wo  die  Güter  nach  Niutschwang  bestimmt  seien,  gleichstelle, 
so  entspreche  das  nicht  dem  wahren  Sinne  der  japanischen  .Seeprisen- 
ordnung und  des  Völkerrechts  über  die  Behandlung  neutralen  Gutes. 
Besonders  seien  auch  die  zur  Verhandlung  stehenden  Silbermünzen 
kurantes  Geld,  wie  es  unter  den  Chinesen  und  den  in-  und  aus- 
ländischen Kaufleuten  Kurs  habe.  Von  anderen  Konterbandegütern, 
wie  Lebensmitteln  und  dergleichen  sei  es  weit  verschieden,  und  es  lägen 
Gründe  vor,  wonach  man  nicht  auf  Gebrauch  seitens  der  Truppen 
schließen  müsse.  Beispielsweise  sei  zwischen  Lebensmitteln,  welche  zum 
Gebrauch  für  die  Russen,  und  solchen,  welche  zum  Gebrauch  für  die 
Chinesen  dienen  sollten,  ein  großer  Unterschied,  so  daß  man,  wenn 
Lebensmittel,  welche  für  Russen  geeignet  seien,  in  großer  Menge  nach 
Niutschwang  bestimmt  würden,  diese  wohl  als  Konterbande  ansehen 
könne.  Geld  sei  aber  nicht  nur  bei  Truppen  verwendbar,  und  da  auch 
die  Menge  des  hier  versandten  Geldes  im  Handel  mit  den  großen  Mengen 
Bohnen,  Bohnenkuchen  und  Bohnenöl  keinen  Überschuß  lassen  würde, 
so  könne  man  es  nicht  mit  Lebensmitteln  vergleichen  und  als  Truppen- 
bedarf ansehen. 

7.  Niutschwang  sei  ein  Handelshafen.  Daher  müsse  man  einen 
Fall  von  bedingter  Kriegskonterbande  wie  Geld  besonders  sorgfältig  über- 
legen. Daher  werde  besonders  die  rechtliche  Auffassung  der  Stellung 
Niutschwangs  der  Beachtung  empfohlen,  welche  mit  der  diplomatischen 
Frage  über  den  Handel  mit  Bohnen,  Bohnenkuchen  und  Bohnenöl 
eng  verknüpft  sei.  Dieselbe  sei  folgende:  Die  Verhandlungen  be- 
treffend die  Frage,  ob  die  Ausfuhr  von  Bohnen,  Bohnenkuchen  usw. 
aus  Niutschwang  verboten  werden  solle,  hätten  zu  dem  Resultat  ge- 
führt, daß  die  Ausfuhr  gestattet  sein  solle,  wenn  es  garantiert  werde, 
daß  die  Güter  nicht  beim  Militär  zur  Verwendung  kommen  würden. 
Dieses  sei  der  Kaiserlichen  Regierung  mittels  Berichts  des  in  China 
akkreditierten  Gesandten  vom  18.  April  1904  mitgeteilt  worden,  und 
Japan  habe  diese  Tatsache,  daß  die  Bohnen,  Bohnenkuchen  usw.  nach 
japanischen   Häfen  ausgeführt  werden  würden,  mit  Freuden  begrüßt. 

Wenn  daher  auch  Niutschwang  von  den  russischen  Truppen  be- 

346 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Hsi-Ping".  Abschnitt  Vli^f 

setzt  gewesen  sei,  so  sei  es  doch  ein  diplomatisches  Falctum,  daß  der 
Handel  mit  Bohnen,  Bohnenlcuchen  usw.  von  Japan,  Rußland,  China 
iin(J  anderen  neutralen  Staaten  gutgeheißen  sei.  Darin  liege  ein  wich- 
tiger Grund,  weshalb  die  vorliegende  Sache  nicht  allein  daraufhin,  daß 
Rußland  Niutschwang  besetzt  habe,  entschieden  werden  könne.  Denn 
wenn  die  Mächte  so  den  Handel  mit  Bohnen,  Bohnenkuchen  usw. 
fibereinstimmend  gestattet  hätten,  so  falle  auch  das  Resultat  dieses 
Handels,  nämlich,  daß  die  Kaufleute  den  Preis  für  die  verkauften  Waren  . 
in  Empfang  nähmen,  in  den  Bereich  dieses  übereinstimmend  gestatteten 
Handels.  Demnach  könne  das  Silbergeld,  welches  als  Preis  für  die 
Bohnen,  Bohnenkuchen  usw.  eingenommen  sei,  vorausgesetzt,  daß  es 
nicht  an  die  russischen  Truppen  gehe,  nicht  eingezogen  werden. 

Daß  aber  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  der  Kaufpreis  für 
frühere  Bohnen,  Bohnenkuchen  usw.;  sowie  Kapital  für  den  auch  in 
Zukunft  erlaubten  Einkauf  derselben;  und  daß  es  kleines  Geld  sei, 
wie  es  für  solche  Einkäufe  nötig  sei;  kurz,  daß  es  in  jeder  Beziehung 
im  Rahmen  harmlosen  Handelsverfahrens  stehe,  alles  dies  gehe  aus  den 
eingereichten  Beweisen  klar  hervor. 

Da  die  Absicht  des  Völkerrechts  und  der  Seeprisenordnung  dahin 
gehe,  die  Rechte  neutraler  Staatsangehöriger  zu  achten,  so  werde  um 
äußerste  Unparteilichkeit  bei  Beurteilung  der  zum  Beweise  ungefälschter 
Tatsachen  eingereichten  Beweisdokumente  gebeten. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  der  Staatsanwälte  beim  Prisen- 
gericht zu  Sasebo,  Mizukami  Chojiro  und  Yamamoto  Tatsu- 
rokuro,  sind  folgende: 

Zur  Einziehung  von  Gütern  auf  Grund  der  Annahme,  daß  sie  zum 
Gebrauch  der  feindlichen  Armee  oder  Marine  geliefert  werden  würden 
und  daher  Konterbande  seien,  sei  es  nicht  unbedingt  erforderlich,  dar- 
zulegen, daß  diese  Annahme  sich  auf  Beweise  gründe.  Im  Falle,  daß 
nach  der  Art  der  Güter,  den  Verhältnissen  des  Einfuhrorts  und  anderen 
Umständen  angenommen  werden  könne,  daß  die  Güter  zum  Gebrauch 
der  feindlichen  Armee  oder  Marine  geliefert  werden  würden,  habe  das 
Prisengericht  nach  freier  Überzeugung  zu  befinden. 

Das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  sei  in  China  geprägt  und 
habe  in  Niutschwang  sowie  auch  in  den  verschiedenen  Gegenden  der 
Mandschurei  Kurs.  Es  sei  alles  eine  und  dieselbe  Art  kleines  Silber- 
geld, wie  es  zum  Lohn  für  Tagelöhner  sowie  zum  Einkauf  der  zum 
Haus-  und  persönlichen  Gebrauch  dienenden  Gegenstände  am  geeig- 
netsten, zur  Zahlung  bei  großen  geschäftlichen  Transaktionen  jedoch 
am  allerungeeignetsten  sei.  Es  sei  bequem  für  kleine,  aber  äußerst 
unbequem  für  große  Zahlungen.  Zur  Zeit,  als  das  Geld  in  Niutschwang 
Jiabe  eingeführt  werden  sollen,  sei,  wie  das  Urteil  erster  Instanz  sage, 
Niutschwang  von   den  russischen  Truppen   besetzt  gewesen,   und   die 

347 


Abschnitt  VIi^'  Prisengerichtsentscheidungen:  ,Hsi-Ping'. 

in  Port  Arthur  und  den  verschiedenen  Teilen  der  Mandschurei  liegenden 
russischen  Armee-  und  Marinetruppen  seien  von  diesem  Platz  als  Bezugs- 
ort für  ihren  Kriegsbedarf  abhängig  gewesen,  und  die  meisten  Lebens- 
mittel und  sonstigen  Gegenstände,  die  der  Feind  nötig  gehabt  habe, 
seien  von  dort  geliefert  worden.  Da  aber  infolge  der  andauernden 
Niederlagen  der  russischen  Armee  und  Marine  das  Kriegspapiergeld, 
welches  in  Nuitschwang  und  auch  in  verschiedenen  Teilen  der  Man- 
dschurei Kurs  gehabt  habe,  sehr  im  Kredit  gesunken  sei,  so  seien  bei 
der  Zahlung  der  Preise  für  requirierte  Gegenstände  und  der  Löhne  für 
Menschen-  und  Pferdearbeit,  d.  h.  also  bei  den  kleinen  Zahlungen, 
plötzlich  Schwierigkeiten  entstanden.  Daher  seien  Klagen  über  das 
Bedürfnis  nach  kleinem  Hartgeld,  besonders  Geld  wie  dem  zur  Ver- 
handlung stehenden,  laut  geworden,  und  man  sei  auch  bezüglich  dieses 
auf  Niutschwang  angewiesen  gewesen. 

Die  Reklamanten  hätten  daraufhin  unter  Erleidung  von  allerhand 
Schwierigkeiten  und  unter  großem  Risiko  die  Kommission  und  Ver- 
sicherung gezahlt  und  viele  Tausend  Yen  weit,  von  Shanghai  nach 
Niutschwang,  einführen  wollen.  Die  Frage,  wie  das  Bedürfnis  hierfür, 
entstanden  sei,  beantworteten  sie  damit, 

es  sei  die  Folge  einseitigen  Wechselverkehrs;  ferner  diene 
das   Geld   als   Kapital   zum    Einkauf  der  von   Niutschwang 
nach  Shanghai  ausgeführten  Bohnen,  Bohnenkuchen  und  des 
Bohnenöls;   auch   sei   der  Wertunterschied   zwischen  Silber 
und  Papier  so  groß  geworden,  daß  der  Kurs  für  Silber  gegen 
Papier  bis  zu  20  und  30  o/o  betragen  habe  und  es  einträglich 
gewesen   sei,    bares   Silbergeld   von    Shanghai   kommen    zu 
lassen. 
Niutschwang  sei  aber  seit  langer  Zeit  Von  den  Russen  okkupiert  gewesen, 
und   die  von  dort  zur  Ausfuhr  gelangenden   Bohnen,   Bohnenkuchen 
usw.  seien  von  ihnen  entweder  als  Nahrungs-  oder  Brennmittel  requiriert 
worden.    Auch  sei,  um  den  Gegner  in  Verlegenheit  zu  bringen,  die  Aus- 
fuhr derselben  streng  verboten  worden,  so  daß  eine  Ausfuhr  der  Haupt- 
exportartikel:  Bohnen,  Bohnenkuchen  usw.  fast  gar  nicht  stattgefunden 
habe. 

Dagegen  seien  die  Kriegsbedürfnisse  der  russischen  Truppen  in 
der  Gegend  von  Niutschwang  immer  größer  geworden,  und  neben  der 
gewöhnlichen  Einfuhr  sei  die  Einfuhr  von  Lebensmitteln  und  sonstigen 
Bedarfsgegenständen  sehr  gewachsen,  so  daß  Ein-  und  Ausfuhr  völlig 
aus  dem  Gleichgewicht  gekommen  und  demzufolge  natürlich  in 
Niutschwang  zahlbare  Wechsel  in  Shanghai  zahlreich,  und  in  Shanghai 
zahlbare  Wechsel  gering  geworden  seien.  So  seien  in  Niutschwang  zahl- 
bare Wechsel  in  Shanghai  leicht  und  billig  käuflich  gewesen.  Wenn 
daher   die   Reklamanten    in   ihrem    Geschäftsbetrieb   in   Shanghai   ver- 

348 


Prisengerichtsentscheidungen:  »Hsi-Ping*.  Abschnitt  Vli^f 

einnahmte  Gelder  nach  Niutschwang  zu  schicken  gehabt  hätten,  so 
hätten  sie,  anstatt  das  Risiko  und  die  Kommission  und  die  sonstigen 
Kosten  bei  Übersendung  von  barem  Geld  zu  tragen,  lieber  mit  dem 
Gelde  in  Niutschwang  zahlbare  Wechsel  kaufen  sollen,  bei  deren  Über- 
sendung sie  zugleich  Bequemlichkeit  und  Vorteil  gehabt  haben  würden. 
Daß  ein  in  Geschäften  scharfsinniger  chinesischer  Kaufmann,  besonders 
Bankfirmeninhaber,  wie  die  Reklamanten  es  seien,  ein  bequemes  und 
vorteilhaftes  Verfahren  außer  acht  lassen  und  ein  unbequemes  und 
unvorteilhaftes  Verfahren  wählen  und  vorsätzlich  Schaden  und  Risiko 
aufsuchen  solle,  sei  kaum  glaublich. 

Zudem  sei,  wie  oben  dargetan,  die  Ausfuhr  der  Hauptexport- 
artikel Bohnen,  Bohnenkuchen  usw.  fast  gänzlich  ins  Stocken  geraten, 
so  daß  ein  Bedürfnis,  Kapital  zum  Einkauf  bereit  zu  halten,  nicht  vor- 
gelegen habe. 

Daß  ferner  zwischen  Silber  und  Papier  in  der  Gegend  von  Niu- 
tschwang  eine  so  außerordentlich  große  Wertdifferenz  bestanden  habe, 
so  daß  eine  Übersendung  von  barem  Gelde  von  Vorteil  gewesen  wäre, 
sei  nur  eine  mündliche  Behauptung  der  Reklamanten,  welcher  man 
mangels  anderer  Grundlagen  schwer  Glauben  schenken  könne. 

So  könne  man,  wie  dargetan,  welchen  Punkt  der  Reklamanten  man 
auch  erwägen  möge,  aus  keinem  derselben  ein  Bedürfnis  für  die  Sendung 
des  baren  Geldes  entnehmen. 

Dagegen  hätten  die  russischen  Truppen  zur  Deckung  ihres  Kriegs- 
bedarfs chinesisches  Geld  und  insbesondere  kleine  Münze,  wie  die  zur 
Verhandlung  stehende,  dringend  nötig  gehabt.  Wenn  daher  die  Rekla- 
manten, ohne  Bedürfnis  für  ihr  Geschäft,  mit  vieler  Mühe  viele  Tausend 
Yen  kleines  Geld  gesammelt,  vorsätzlich  die  Gefahr  des  Transports 
getragen,  Kommission,  Versicherungsprämie  und  Fracht  bezahlt  hätten, 
um  dieses  Geld  nach  Niutschwang  zu  schaffen,  so  sei  es  ohne  viel  Worte 
offenbar,  daß  sie  darin  dem  plötzlichen  Bedürfnis  der  russischen  Truppen 
hätten  nachkommen  wollen. 

Selbst  einmal  zugegeben,  das  Geld  habe  nicht  besonders  ein- 
geführt werden  sollen,  um  dem  Bedarf  der  russischen  Truppen  zu 
entsprechen,  so  müsse  man  doch  vermuten,  daß  es,  wenn  es  nach 
Niutschwang  gekommen  wäre,  jedenfalls  zum  Gebrauch  der  russischen 
Truppen  gedient  haben  würde.  Daher  sei  es  zutreffend,  daß  das  Urteil 
erster  Instanz  auf  Grund  dieser  Tatsachen  unter  Berücksichtigung  der 
damaKgen  Umstände  angenommen  habe,  daß  das  zur  Verhandlung 
stehende  Geld  sofort  nach  Ankunft  in  Niutschwang  zum  Gebrauch  der 
russischen  Truppen  gedient  haben  würde.  Daher  sei  die  Berufung 
der  Reklamanten  unbegründet. 

Die  Reklamanten  behaupteten : 

Neben  der  Notwendigkeit  des  zur  Verhandlung  stehenden 

349 


Abschnitt  Vli^f  Prisengericht^entscheidungen:  ,Hsi-Ping** 

Geldes  für  die  russischen   Truppen   in   Niutschwang  habe 
es  aber  auch  an  Bedürfnis  für  dasselbe  im  Handelsbetriebe 
Niutschwangs  nicht  gefehlt.    Es  sei  aber  unbillig,  dies  sonstige 
Bedürfnis  gar  nicht  zu  berücksichtigen  und,  weil  die  russi- 
schen Truppen  Geld  bedürften,  zu  entscheiden,  daß  es  ihnert 
geliefert  worden  sein  würde. 
Das  Urteil  erster  Instanz  habe  aber  nicht  lediglich  daraufhin,  daß. 
die  russischen  Truppen  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  nötig  ge- 
habt hätten,  so  entschieden.   Nach  den  Verhältnissen  Niutschwangs  zur 
Zeit  der  Einfuhr;  nach   der  Tatsache,  daß  eine  Notwendigkeit,  bares 
Geld  zu  senden,  nicht  vorgelegen  habe;  und  nach  verschiedenen  anderen 
Tatsachen   sei   es  schwer  anzunehmen,   daß   die   Reklamanten,   wie  sie 
behaupteten,  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld,  weil  sie  es  in  ihrem 
Handelsbetrieb  benötigt  hatten,  eingeführt  hätten.    Dagegen  hätten  die 
russischen  Truppen  in  ihrem  Geldbedarf  Mangel  gelitten.    Aus  diesen 
Gründen    habe   das   Urteil  erster   Instanz  geschlossen,   daß   das   Geld 
nach  Ankunft  in  Niutschwang  zum  Gebrauch  für  die  russischen  Truppen 
geliefert  worden   wäre.     Es  habe  also  nicht,   ohne   das   damalige   Be- 
dürfnis  in    Handelskreisen   zu   berücksichtigen,   in   willkürlicher  Weise 
lediglich    daraufhin,    daß    die   russischen    Truppen    Geld   nötig   gehabt 
hätten,  entschieden,  daß  es  zu  ihrem  Gebrauch  dienen  würde. 

Nach  dem  Ausgeführten  seien  die  Behauptungen  der  Reklamanten 
alle  unbegründet  und  das  Urteil  erster  Instanz  zutreffend.  Daher  sei 
die  Berufung  abzuweisen. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 
Es  bedarf  keiner  Erörterung,  daß  Niutschwang  zu  dem  chinesi- 
schen Hoheitsgewässer  gehört  und  kein  russisches  Territorium  ist.   Der 
Kaiserliche  Konsul  in  Niutschwang,  Segawa,  hat  aber  berichtet,  daft 
Rußland,  seitdem  es  diesen  Platz  besetzt  gehabt,  dort  eine 
Zivilverwaltungsbehörde   eingerichtet  und   bis   zum   25.  Juli 
1904   die   Flagge  eines  Zivilverwaltungsamts  geführt  habe^ 
Dies  habe  mit  dem  Morgen  jenes  Tages  plötzlich  aufgehört^ 
und  es  sei  wieder  die  Konsulatsflagge  geheißt  worden.  Beim 
Eindringen  unserer  Truppen  sei  die  französische  Flagge  ge- 
heißt worden. 
Es  ist  somit  bekannt,  daß  zur  Zeit,  als  die  in  Streit  befangenen 
Gelder  aufgebracht  wurden,  Niutschwang  tatsächlich  unter  russischer 
Verwaltung    stand,    daß    der    Feind    dort    nicht    nur    viele    Truppen 
liegen,  sondern  auch  einen  Hauptetappenort  eingerichtet  hatte.    Wenn 
daher  Güter  dorthin  befördert  werden,  so  muß  das  ebenso  angesehen 
werden,  als  ob  sie  nach  feindlichem  Gebiet  bestimmt  seien.  5)    Da  es 
demnach'  offenbar    ist,    daß    die   Tatumstände    zu    der    Annahme    be- 

')  V.  §  5. 

850 


Prisengerlchtsentscheidungen:  .Hsi-Ping*.  Abschnitt  VIi^^ 

rechtigen,  daß  auch  das  zur  Verhandlung  stehende,  von  den  Rekla- 
manten für  die  Einfuhr  nach  Niutschwang  bestimmte  Silbergeld  zum 
Kriegsgebrauch  des  Feindes  gedient  haben  würde,  so  muß  man  sagen, 
daß  es  die  Voraussetzungen,  welche  es  zur  Konterbande  machen,  er- 
füllt, «) 

In  einem  Bericht  des  oben  genannten  Kaiserlichen  Konsuls  heißt 
es,  daß 

die  russische  Regierung  beim  Beginn  des  Baues  der  man- 
dschurischen Eisenbahn  anfänglich  alle  Zahlungen  in  Gold 
geleistet  habe.  Ein  oder  zwei  Jahre  später  habe  sie  daneben 
Papierrubel  benutzt  und  den  Chinesen  gesagt,  zwischen  dem 
Metall  und  dem  Papier  sei  kein  Unterschied.  Dann  habe  sie, 
um  dem  Papier  Kredit  zu  verschaffen,  nach  und  nach  das 
Gold  zurückgezogen  und  das  Papier  vermehrt.     Im  Jahre 

1902  sei  es  dahin  gekommen,  daß  man  in  der  iMandschurei 
russisches  Goldgeld  nur  sehr  selten  in  Umlauf  gesehen  habe. 
Damals  habe  aber  die  russisch-chinesische  Bank  schon  an  ver- 
schiedenen wichtigen  Plätzen  Niederlassungen  errichtet.  In 
diesen  Banken  sei  das  Papier  zum  Tageskurse  gegen  Silber- 
geld eingelöst  worden  und  in  der  Mandschurei  habe  dabei 
der  Papierrubel  einen  Tauschkurs  von  1  Dollar  30  Cents  bis 
1  Dollar  40  Cents  Silbergeld  gehabt.   Als  indessen  seit  Herbst 

1903  die  Gerüchte  über  einen  Krieg  zwischen  Japan  und 
Rußland  in  Blüte  gestanden  hätten,  habe  es  unter  den  Chi- 
nesen geheißen,  daß,  wenn  nach  dem  Ausbruch  des  Krieges 
die  Russen  einmal  unterliegen  würden,  die  russischen  Papier- 
rubel nicht  mehr  gewechselt  werden  könnten  und  nur  noch 
den  Wert  von  altem  Papier  haben  würden.  Von  November 
oder  Dezember  dieses  Jahres  bis  zum  Ausbruch  des  Krieges 
im  Februar  1904  habe  der  Umlauf  des  Papiergeldes  eine 
starke  Abnahme  erfahren,  und  dasselbe  sei  von  1  Dollar 
30  bis  40  Cents  häufig  auf  1  Dollar  10  Cents  gefallen,  und 
nur,  dank  den  Bestrebungen  der  Niederlassungen  der  russisch- 
chinesischen Bank  in  den  verschiedenen  Orten  den  Kredit 
des  Papiergeldes  aufrecht  zu  erhalten,  sei  es  nicht  dazu  ge- 
kommen, daß  sein  Umlauf  ganz  ins  Stocken  geraten  sei. 
Als  aber  die  Nachrichten  von  den  Niederlagen  bei  Nanshan 
und  Tehlitze  nach  Kaiping  und  Yingkow  kamen,  hätten  die 
Chinesen,  welche  Papierrubel  gehabt  hätten,  darin  gewett- 
eifert, diese  zu  verkaufen.  Der  Rubel  sei  damals  bis  auf 
70  oder  80  Cents  gefallen.  Aber  da  in  Tientsin  und  Shanghai 
Papierrubel    immer    zum    Tageskurs    gegen    Silbertaels  ge- 

•)  II.  Ziffer  2. 

351 


Abschnitt  Vli^f  Prisengerfchtsentscheidungen :  .Hsi-Ping". 

wechselt  werden  könnten,  so  hätten  Geldwechsler  in  Yingkow, 
wenn  das  russische  Papiergeld  gefallen  gewesen  sei,  dieses 
aufgekauft,  nach  Shanghai  geschickt  und  mit  ungeheurem 
Gewinn  wieder  eingetauscht. 

Nach  diesem  Bericht  zu  urteilen,  erregte  der  Papierrubel  also  schon 
bei  Beginn  des  japanisch-russischen  Krieges  unter  den  Chinesen  ganz 
allgemein  Verdacht  und  Mißtrauen,  und  es  zeigte  sich  die  Tendenz, 
daß  er  schließlich  gänzlich  den  Kredit  verlieren  würde.  Als  die  Nach- 
richt von  den  Niederlagen  bei  Nanshan  und  Tehlitze  nach  Yingkow 
gekommen  war,  traf  freilich  die  russisch-chinesische  Bank  sorgfältige 
Maßnahmen,  um  das  alte  Verhältnis  wiederherzustellen;  es  kam  aber 
trotzdem  zu  einem  großen  Sturz.  Als  sodann  immer  mehr  Nachrichten 
von  dem  weiteren  Kampf  und  Sieg  der  japanischen  Truppen  kamen, 
war  die  Lage  so,  daß  es  sich  auf  keine  Weise  mehr  vermeiden  ließ, 
daß  der  Rubel  unter  den  Chinesen  ganz  allgemein  seinen  Kurs  ver- 
lieren würde.  Es  ist  daher  ganz  klar,  daß  die  Situation  so  war,  daß  die 
russischen  Truppen  zu  der  Zeit,  wo  das  zur  Verhandlung  stehende 
Silbergeld  befördert  wurde,  zur  Requisition  des  Kriegsbedarfs  und  Be- 
zahlung der  Kulis  den  Papierrubel  nicht  ohne  weiteres  verwenden 
konnten.  Daher  ist  es  offenbar,  daß  chinesisches  Silbergeld  zu  jener 
Zeit  für  die  russischen  Truppen  unentbehrlich  geworden  war. 

Ferner  besagt  der  Bericht  des  Kaiserlichen  Generalkonsuls  I  j  u  i  n 
in  Tientsin  über  die  russischen  Papierrubelscheine: 

Mit  der  Eröffnung  des  Krieges  zwischen  Japan  und  Ruß- 
land seien  unter  vielen  Chinesen  Zweifel  über  die  Einlös- 
barkeit  der  Rubelscheine  aufgekommen.  Man  habe  ge- 
fürchtet, daß  sie  Fälschungen  seien,  und  der  Kredit  sei  be- 
einträchtigt worden.  Auch  unter  den  Russen  und  den 
russischen  Regierungslieferanten  seien  nur  wenig  Rubel- 
scheine im  Verkehr  gewesen,  wenn  man  auch  nicht  be- 
haupten könne,  daß  sie  absolut  keinen  Umlauf  gehabt  hätten. 
Wenn  die  Banken  in  Tientsin  sie  in  die  Hand  bekommen 
hätten,  so  hätten  sie  sie  nicht  als  Geld  behandelt,  sondern 
als  eine  Art  Wertpapier. 

Danach  hat  der  Rubelschein,  nachdem  die  Russen  bei  Nanshan 
und  Tehlitze  geschlagen  worden  waren,  unter  den  Chinesen  allgemein 
keinen  Umlauf  gehabt.  Er  war  nur  gelegentlich  des  Kurssturzes  eine  Art 
Handelsobjekt  für  Kaufleute,  die  großen  Gewinn  erzielen  wollten.  Da- 
her hat  der  Rubelschein  auch  die  Requisitionen  der  russischen  Truppen 
und  die  Löhne  der  Kulis  nicht  zahlen  können.  Aus  allem  diesen 
geht  klar  hervor,  daß  die  russischen  Truppen  chinesisches  Geld  nötig 
hatten. 

352 


PrisaDgerichtsentscheidungen:  „Hsi-Ping".  Abschnitt  VI»« 

Wenn  es  auch  offenbar  ist,  daß  trotz  des  japanisch-russischen 
Krieges  die  Hauptprodukte  Niutschwangs  Bohnen,  Bohnenkuchen  und 
Bohnenöl,  wie  auch  die  Reklamanten  behaupten,  verhandelt  worden 
sind,  so  bestand  daneben  doch  die  Tatsache,  daß  auf  der  anderen  Seite 
Kaufleute  in  Benutzung  der  Gelegenheit,  daß  die  russischen  Truppen 
chinesisches  Umlaufsgeld  nötig  hatten,  die  vermehrten  Rubelscheine 
billig  von  den  russischen  Truppen  kaufen  und  dadurch  großen  Gewinn 
erzielen  konnten.  Daher  stimmt  die  Behauptung  der  Reklamanten,  daß 
das  in  Streit  befangene  Silbergeld,  weil  jeder  Warenhandel  in  Betrieb 
gewesen  sei,  auf  keinen  Fall  dem  Kriegsgebrauch  des  Feindes  gedient 
haben  würde,  nicht  mit  den  Tatsachen  überein.  Vielmehr  ist  es 
natürlich  anzunehmen,  daß  zu  einer  solchen  Zeit  die  geschäftlich 
scharfsinnigen  chinesischen  Kaufleute,  vor  allem  die  Bankunternehmer, 
anstelle  ihrer  gewöhnlichen  Geschäfte  lieber  Rubelscheine  billig  von 
den  Russen  kaufen  und,  um  einen  außerordentlichen  Profit  zu  erzielen, 
die  Gefahr  eines  solchen  Geldimports  laufen  würden.  Das  zur  Ver- 
handlung stehende  Geld  ist  durch  Vermittlung  der  Seetransportfirma 
Tang  Ming  Chien,  welche  eine  volle  Ladung  Kriegskonterbande 
heimlich  nach  Niutschwang  zu  befördern  beabsichtigt  hatte,  und 
zugleich  mit  dieser  Konterbande  auf  demselben  Schiff  verladen 
und  befördert  worden.  Dazu  ist  sein  Bestimmungsort  ein  russischer 
Etappenort  und,  wie  oben  dargetan,  bedurften  die  russischen  Truppen 
solchen  Geldes.  Daraus  muß  geschlossen  werden,  daß  der  Zweck  der 
Einfuhr  des  Geldes  der  gleiche  gewesen  ist  wie  der  der  Einfuhr  der 
übrigen  Konterbandeladung,  nämlich  Lieferung  zum  Gebrauch  der  russi- 
schen Truppen.  Demnach  ist  es  durchaus  zutreffend,  wenn  das  Ge- 
richt erster  Instanz  die  Einziehung  des  Geldes  ausgesprochen  hat. 

Da  Personen,  welche  Schleichimport  treiben,  immer  genötigt  sind, 
mit  allen  Mitteln  den  Verdacht  abzulenken  und  die  Spuren  zu  ver- 
heimlichen, so  kann  die  Tatsache,  daß  man  in  Shanghai  beim  Zollamt 
öffentlich  die  Ausfuhrformalitäten  erfüllt  hat,  nicht  als  Beweis  erachtet 
Verden,  der  geeignet  sei,  der  obigen  Tatsache  entgegenzustehen. 

Wenn  man  die  von  den  Reklamanten  angeführten  Beweise  be- 
trachtet, so  können  sie  lediglich  zu  der  Vermutung  führen,  daß  in 
jedem  Jahre  Fälle  von  Einfuhr  kleinen  Silbergeldes  vorkommen.  Für 
die  Behauptung  aber,  daß,  obgleich  eine  Gelegenheit  großen  Gewinn 
zu  erzielen,  vorhanden  war,  diese  Gelegenheit  nicht  berücksichtigt  worden 
sei  und  das  Geld  für  die  alljährlich  wiederkehrenden  Handelszwecke 
dienen  sollte,  ist  keinerlei  Beweis  erbracht  worden. 

Die  Reklamanten  behaupten,  daß  es  nicht  zu  bestreiten  sei,  daß 
die  Verblendung  von  Silbergeld  sich  nicht  auf  die  russische  Armee  und 
Marine  beschränke,  sondern  daß  es  allgemein  im  Verkehr  unter  den 
Chinesen  verwendbar  sei.    Was  indes  das  von  den  Reklamanten  ein- 

MarstrAnd-MeohlenburfiT»  r>afl  japanische  Prisenrecht.    Band  I.       (23)  OOS 


Abschnitt  VI  18«  Prisengerichtsentscheidungen :  „Hsi-Ping*". 

zuführen  beabsichtigte  Silbergeld  angeht,  so  ist  aus  den  Tatumständen 
die  Annahme,  daß  dasselbe  zum  Gebrauch  der  russischen  Truppen 
gedient  haben  würde,  offenbar  gerechtfertigt.  Dasselbe  kann  daher, 
gerade  wie  auf  Grund  derselben  Tatumstände  der  gleichen  Annahme 
bei  Lebensmitteln  wie  Reis  und  Weizenmehl  nichts  im  Wege  steht^ 
als  Konterbande  angesehen  werden. 

Da  ferner  der  Grund  dafür,  daß  Lebensmittel,  Geld  usw.,  wenn 
sie  nach  feindlichem  Gebiet  gehen  oder  zum  feindlichen  Kriegsgebrauch 
geliefert  werden  sollen,  als  Konterbande  gelten,  der  ist,  daß  man  da- 
gegen ist,  daß  solche  Güter  im  Ende  die  Kriegsfähigkeit  des  Feindes 
unterstützen,  so  ist  die  Frage,  ob  ihr  Bestimmungsort  ein  Kriegshafen 
oder  Blockadehafen  ist,  für  die  Entscheidung  ob  ein  Konterbande- 
transport vorliegt  oder  nicht,  nicht  von  wesentlicher  Bedeutung.  Wenn 
der  Bestimmungsort  ein  Kriegshafen  oder  Blockadehafen  ist,  so  liefert 
das  nur  einen  Umstand,  welcher  die  Vermutung,  daß  die  dorthin  be- 
stimmten Güter  Konterbande  sind,  erleichtert.  Daher  ist  auch  dieser 
Punkt  der  Berufung  nicht  anzuerkennen. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  25.  Dezember  1905  im  Oberprisengericht. 
(Unterschriften.) 


In  Sachen  der  Beschlagnahme  des  chinesischen  Dampfers  „Pei- 
Ping"  und  seiner  Ladung  wird  nach  Einsicht  des  Schriftsatzes  der 
Staatsanwälte  Mizukami  Chojiro,  Yamamoto  Tatsurokurc^ 
und  Hayashi  Ei j uro,  wie  folgt,  entschieden. 

Urteilsformel: 
Der  Dampfer  „Pei-Ping"  und  die  in  dem  beigefügten  Verzeichnis 
aufgeführten  Stücke  seiner  Ladung  werden  freigegeben. 

Tatbestand  und  Gründe: 
Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  steht  im  Eigentum  der 
englischen  Kaiping  Minengesellschaft  in  Tientsin,  führt  die  chinesische 
Handelsflagge,  hat  seinen  Heimatshafen  in  Shanghai  und  dient  zum 
Personen-  und  Gütertransport.  Er  ist  beladen  mit  den  in  dem  bei- 
gefügten Verzeichnis  aufgeführten  Gütern  und  außerdem  mit  Eisen, 
Silbergeld,  Nahrungsmitteln  und  Getränken.     Am  15.  JuH  1904  ist  er 

354 


Prisengerlchtsentscheldungen:  ,,Pel-Ping".  Abschnitt  VI»« 

von  Shanghai  abgefahren  und  auf  der  Reise  nach  dem  von  den  Russen 
besetzten  Niutschwang  am  17.  desselben  Monats  10  Uhr  vormittags  auf 
370  35'  n.  B.  und  122  0  23'  ö.  L.  unter  dem  Verdacht,  Kriegskonter- 
bande zu  führen,  von  dem  Kaiserlich  Japanischen  Kriegsschiff  .,Hongkong 
Maru"  beschlagnahmt  worden. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  schriftliche  Aussage 
des  Vertreters  des  Kommandanten  der  „Hongkong  Maru'',  Kapitän- 
leutnants lwamuraTetsujiro,die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapi- 
täns A.  Mactaggart,  des  Kompradors  Cheong  Sou  Wing,  des 
I.Offiziers  H.  C.  Atkinson,  den  Kaufvertrag,  das  Schiffszertifikat, 
die  Konnossemente  und  das  Ladungsverzeichnis  des  genannten  Dampfers. 

Die  Hauptpunkte  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  sind  folgende: 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  sei  auf  offener  See  be- 
^chlagnahmt  worden  und,  da  ein  großer  Teil  der  Ladung,  wie  hisen, 
Nahrungsmittel  und  Getränke  vermöge  ihrer  Bestimmung  nach  dem 
von  den  Feinden  besetzten  Niutschwang  Kriegskonterbande  sei,  so  sei 
die  Beschlagnahme  zu  Recht  ausgeführt  worden.  Aber  das  Schiff  und 
die  in  dem  beigefügten  Verzeichnis  aufgeführten  Güter  seien  freizugeben. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Es  steht  fest,  daß  das  Kaiserliche  Kriegsschiff  „Hongkong  Maru" 
die  Beschlagnahme  auf  dem  Punkte  37»  35'  n.  Br.  und  122  0  23'  ö.L., 
also  auf  offener  See  etwa  10  Seemeilen  nordöstlich  von  Weihaiwei 
in  China  ausgeführt  hat. 

Da  ein  großer  Teil  der  Ladung  aus  Eisen,  Silbergeld,  Reis,  Weizen- 
mehl und  alkoholischen  Getränken  bestand,  welche  nach  dem  von  dem 
Feinde  besetzten  Niutschwang  bestimmt  waren,  so  ist  die  Beschlag- 
nahme des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  und  seiner  Ladung 
rechtmäßig  erfolgt,  1)  da  anzunehmen  war,  daß  die  genannten  Güter 
für  den  Gebrauch  der  feindlichen  Armee  oder  Marine  geliefert  würden 
und  somit  Kriegskonterbande  seien. ») 

Da  aber  nicht  nur  das  Schiff  ein  neutrales  ist,  sondern  auch  die 
Reeder  nicht  die  Verlader  der  Konterbande  sind, »)  auch  bezüglich  der 
Verladung  der  Konterbande  die  Anwendung  betrügerischer  Mittel  nicht 
zu  ersehen  ist,*)  so  ist  es  nötig,  das  Schiff  freizugeben.     . 

Was  ferner  die  in  dem  beigefügten  Verzeichnis  aufgeführten  Stücke 
der  Ladung  angeht,  so  sind  sie  weder  Kriegskonterbande,  noch  gehören 
sie  dem  Eigentümer  der  Kriegskonterbandegüter.  ^)  Daher  sind  auch 
sie  freizugeben. 

Im  Prisengericht  zu  Sasebo  am  11.  August  1904. 

(Unterschriften.) 


J)  V.  §  37, 1.  -  2)  II.  —  »)  V.  §  43.  -  ^)  V.  §  44.  -  »)  V.  §  43, 1. 
(23*)  855 


Abschnitt  VI»fc 

Verzeichnis 


Prisengerichtsentscheidungen :  MPei-Pillg'^ 
der  Ofiter  des  Dampfers  ,,Pei-Ping''. 


Nr. 

Art  der  Güter 

Zahl 

Ablader 

Verschif- 
fungsort 

Empfänger 

Bestim- 
mungsort 

1 

Verschiedenes 

17 

Dunning 

&  Co. 

W.  H.  Boyd 

Co. 
H.Robertson 

Shanghai 

E.  Gilchrist 

Niutschwan^ 

2 

Kalender    .    .    . 

1 

f* 

Bush  Bros. 

>t 

4 

Säcke    .... 

35 

i> 

Order 

» 

5 

M                   .... 

15 

»1 

» 

n 

» 

6 

»            .       .      ;      . 

40 

ft 

>i 

»1 

II 

7 

II            .... 

10 

»1 

I) 

)f 

II 

8 

M                  .... 

30 

>» 

»» 

)f 

II 

106 

Whisky.    .    .    . 

1 

Shau  Chi 
Yeon 

9t 

Inhaber 

Chiwantao 

107 

Holland.  Gin  .    . 

1 

yy 

f} 

it 

II 

108 

Hutzucker .    .    . 

1 

» 

»» 

n 

II 

109 

Kleidungsstücke, 
Hüte,  Bücher  . 

2 

Schiller 
&  Co. 

») 

KaipingMin- 
ingCo.Ltd. 

Tientsin 

110 

Kriegsmaterial, 
Baumwollen- 
zeug,  Hüte      . 

3 

>i 

)l 

it 

II 

Reklamant:  Canton  Insurance  Office  Ltd.,  vertreten  durch  J  a  r  - 
dine,  Matheson  &  Co. 

ProzeBvertreter:  Die  Rechtsanwälte  Suzuki  Jubi,  Tokio, 
Kyobashiku,  Kagacho  Nr.  8  und  Hatakeyama  Shigeaki,  Naga- 
saki, Hiradomachi  Nr.  18. 

In  der  Prisensache  betreffend  Ladung  des  chinesischen  Dampfers 
„Pei-Ping''   wird,  wie  folgt,  entschieden: 

Urteilsformel: 
Die  unter  der  Ladung  des  Dampfers  „Pei-Ping"  befindlichen,  von 
der  Firma  Getz  Bros  versandten  45  Kolli  Lebensmittel  werden  ein- 
gezogen. 

Tatbestand  und  Gründe: 
Die  zur  Verhandlung  stehenden  45  Kolli  Lebensmittel,  bestehend 
aus  konserviertem  Obst,  Schokolade,  Makkaroni  und  anderem,  sind  von 
der  Firma  Getz  Bros  in  Shanghai,  China,  auf  dem  chinesischen 
Dampfer  „Pei-Ping''  verladen  und  am  15.  Juli  1904  nach  Niutschwang 
abgesandt  worden.  Als  am  17.  d.  M.  das  Kaiserliche  Kriegsschiff  ,. Hong- 
kong Maru"  den  Dampfer  „Pei-Ping"  wegen  Konterbandetransports  etwa 

356 


Prisengerichtsentscheidiuigen:  „Pei-Ping".  Abschnitt  VI>*<b 

18  Seemeilen  nordöstlich  von  Weihaiwei  in  China  aufbrachte,  wurden 
auch  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  mit  Beschlag  belegt. 

Diese  Tatsachen^  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Vertreters  des  Kommandanten  der  „Hongkong  Maru'',  Leutnants  zur 
See  I  w  a  m  u  r  o  T  e  t  s  u  j  i  r  o ,  die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns 
A.  Mactaggart,  des  Kompradors  Cheong  Sow  Wing,  des 
1.  Offiziers  H.  C.  Atkinson,  die  Konnossemente  und  das  Ladungs- 
verzeichnis des  genannten  Dampfers. 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  der  Vertreter  der  Reklamation 
sind  folgende: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  seien  von  dem  Eigentümer 
zum  Verkauf  in  seinem  Geschäft  an  seine  Hauptniederlassung  in 
Niutschwang  versandt  worden  und  hätten  daher  nicht  an  die  feindliche 
Armee  oder  Marine  geliefert  werden  sollen.  Der  Eigentümer  schicke 
schon  seit  langen  Jahrzehnten  derartige  Güter  nach  Niutschwang,  um 
mit  ihnen  ein  Geschäft  zu  betreiben. 

Bezüglich  der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  habe  der  Rekla- 
mant zunächst  bei  dem  chinesischen  Zollamt  angefragt  und  die  Güter 
erst  verschifft,  als  er  die  Antwort  erhalten  habe,  daß  sie  nur,  wenn  sie 
an  die  kriegführenden  Staaten  geliefert  werden  sollten,  Konterbande 
seien.  Daraus  könne  man  entnehmen,  daß  die  Absicht,  sie  an  den 
Feind  zum  Kriegsgebrauch  zu  liefern,  nicht  bestanden  habe.  Über- 
dies würden  derartige  Güter  in  Friedenszeiten  immer  von  Shanghai  und 
anderen  Plätzen  viel  nach  Niutschwang  eingeführt.  Da  die  zur  Ver- 
handlung stehenden  Güter  auch  der  Zahl  nach  als  gering  bezeichnet 
Verden  müßten,  so  sei  es  eine  übertrieben  harte  Annahme,  daß  sie 
besonders  für  den  Kriegsgebrauch  hätten  geliefert  werden  sollen. 

Der  Reklamant  habe  bezüglich  der  zur  Verhandlung  stehenden 
Güter  einen  Seeversicherungsvertrag  abgeschlossen.  Da  ihm  demnach 
rechtliches   Interesse  zustehe,  so  beantrage  er  Freigabe  der  Güter, 

Die   Hauptpunkte  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  sind   folgende: 

Da    die    zur    Verhandlung   stehenden    Güter    nach    Ankunft    in 
Niutschwang  zum   Gebrauch   der  russischen   Truppen   gedient   haben 
bürden,  seien  sie  Konterbande  und  demgemäß  einzuziehen. 
Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  sind  vorzugsweise  von 
der  Art,  wie  sie  von  Europäern  und  Amerikanern  ver^^andt  werden.  Die 
Zahl  der  in  Niutschwang  ansässigen  gewöhnlichen  Europäer  und 
Amerikaner  war  aber  zu  der  fraglichen  Zeit  sehr  gering.  Dagegen  lagen 
dort  zahlreiche  russische  Truppen,  und  es  ist  auch  bekannt,  daß 
Niutschwang  zu  jener  Zeit  von  den  russischen  Truppen  besetzt  war 
und  als  Hauptetappenort  diente.  Es  ist  daher  unzweifelhaft,  daß  die 
zur  Verhandlung  stehenden  Güter,  wenn  sie  dort  angekommen  wären, 

357 


Abschnitt  VI***  Prisen gerfchtsentscheidungen:  „Pel-Ping''. 

sogleich  an  die  russischen  Truppen  geliefert  worden  wären.  Sie  sind 
daher  Kriegskonterbande,  i)  Die  Ausführungen  der  Vertreter  der  Rekla- 
mation und  die  von  ihnen  eingereichten  Beweisstücke  sind  alle  nicht 
geeignet,  diese  Annahme  umzustoßen. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am    17.  Dezember   1904  im   Prisengericht   zu   Sasebo 
im  Beisein  des  Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurokuro. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Canton  Insurance  Office  Ltd.,  vertreten  durch  J ar- 
dine, Matheson  &  Co.,  Shanghai,  China,  Bund  Nr.  27. 

ProzeBvertreter:  Die  Rechtsanwälte  Suzuki  Jubi,  Tokio, 
Kyobashiku  Kagacho  Nr.  8  und  Hatakeyama  Shigeaki,  Naga- 
saki, Hiradomachi  Nr.  18. 

Am  17.  Dezember  1904  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der 
Prisensache  betreffend  Ladung  des  Dampfers  „Peiping",  welcher  am 
17.  Juli  1904  auf  37«  35'  n.  Br.  und  122«  23'  ö.L.  von  dem  Kaiser- 
lichen Kriegsschiff  „Hongkong  Maru''  aufgebracht  worden  ist,  ein  Ur- 
teil gefällt,  in  welchem  auf  Einziehung  der  unter  der  Ladung  des 
Dampfers  „Pei-Ping"  befindlichen,  von  der  Firma  Getz  Brothers 
abgesandten  45  Kolli  Lebensmittel  erkannt  worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  haben  die  Vertreter  des  Canton  Insurance 
Office,  Jardine,  Matheson  &  Co.,  durch  die  Rechtsanwälte  Su- 
zuki Jubi  und  Hatakeyama  Shigeaki  als  Prozeßvertreter  die 
Berufung  eingelegt,  welche  im  Beisein  des  Staatsanwalts  Dr.  jur.  I  s  h  i  - 
watari  Binichi  beim  Oberprisengericht  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptberufungspunkte  der  Vertreter  der  Reklamation,  Suzuki 
Jubi  und  Hatakeyama  Shigeaki  und  deren  Gründe  sind 
folgende : 

Die  Reklamanten  hätten  für  die  in  dem  Urteil  erster  Instanz  für 
eingezogen  erklärten  Güter  Seeversicherungsverträge  abgeschlossen. 
Wenn  diese  Güter  eingezogen  würden,  so  liege  ihnen  die  Deckung 
des  Schadens  ob,  so  daß  sie  an  der  Angelegenheit  stark  interessiert 
seien. 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  Lebensmittel  seien  Güter,  welche 
unter  Ziffer  2  der  Instruktion  des  Marineministeriums  Nr.  1  vom  Jahre 


i)  II.  Ziffer  2. 

358 


PriMogerichtsentscheldungeii:  „Pei-Ping".  Abschnitt  VI»k 

1904  2)  fielen.  Sie  seien  daher  nur  Konterbande,  (1)  wenn  sie  an  die 
feindliche  Armee  oder  Marine  bestimmt  wären  oder  (2)  wenn  an- 
genommen werden  müsse,  daß  sie  zum  Gebrauch  der  feindlichen  Armee 
oder  Marine  dienen  würden.  Die  genannten  Güter  seien  indes  von 
einzelnen  Kaufleuten  einem  Transportgeschäft  zur  Beförderung  über- 
leben und  offenbar  nicht  für  die  feindliche  Armee  oder  Marine  be- 
stimmt Das  sei  auch  aus  der  Entscheidung  betreffend  den  Dampfer 
„Pei-Ping",  auf  dem  die  Güter  verladen  seien,  zu  entnehmen.  Was 
■des  weiteren  die  Frage  angehe,  ob  sie  für  den  Gebrauch  der  feind- 
lichen Armee  oder  Marine  hätten  geliefert  werden  sollen,  so  beförderten 
die  Ladungseigentümer  gewöhnlich  solche  Güter  als  Handelswaren  nach 
Niutschwang  und  betrieben  dies  Geschäft  schon  seit  lange. 

Die  Reklamanten  hätten,  um  sicher  zu  sein,  daß  sie  die  negativen 
Pflichten  neutraler  Staatsangehöriger  nicht  verletzten,  sich  ausdrück- 
lich bei  der  chinesischen  Zollbehörde  erkundigt  und,  wie  sich  aus  dem 
Beweisstück  A 1  ergebe,  die  Antwort  erhalten,  daß  Reis,  Weizenmehl, 
Zucker,  Petroleum  und  Silbergeld  keine  Konterbande  seien,  wenn  sie 
nicht  zum  Gebrauch  der  kriegführenden  Mächte  geliefert  werden  sollten. 
Erst  danach  seien  die  Güter  versandt  worden.  Wenn  die  Eigentümer 
den  Zweck  verfolgt  hätten,  sie  zum  Gebrauch  einer  der  kriegführenden 
Mächte  zu  liefern,  so  liege  kein  Grund  vor,  weshalb  sie  diese  Vorsicht 
geühi  haben  sollten.  Vielmehr  müsse  man  daraus  schließen,  daß  sie 
nicht  zum  Gebrauch  des  Feindes  hätten  geliefert  werden  sollen. 

Daß  derartige  Güter  auch  in  Friedenszeiten  von  Shanghai  oder 
anderen  Plätzen  in  Niutschwang  eingeführt  würden,  gehe  aus  dem 
Beweisstück  A6  hervor. 

Da  ferner  die  Eigentümer  der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter 
in  Niutschwang  ihre  Hauptgeschäfte  hätten,  so  hätten  sie  die  Güter 
lediglich  als  Handelsobjekte  versandt.  Wenn  Kaufleute  Güter  als 
Handelsobjekte  kommen  ließen,  welche  sie  in  gleicher  Weise  schon 
mehrere  Jahrzehnte  lang  hätten  kommen  lassen,  die  Zahl  der  Güter 
auch  gering  sei,  so  könne  man  darin  keinen  ausreichenden  Grund  für 
die  Annahme  erblicken,  daß  sie  zum  Gebrauch  des  Feindes  geliefert 
Verden  sollten. 

Es  werde  daher  Aufhebung  des  Urteils  erster  Instanz  und  Frei- 
gabe der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  beantragt. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  der  Staatsanwälte  beim  Prisen- 
gericht zu  Sasebo  M'i?ukami  Chojiro  und  Yamamoto  Tat- 
surokuro  sind  folgende: 

Wenn  auch  der  Handel  mit  Kriegskonterbande  eine  Handlung 
sei,  welche  die  Freiheiten  des  öffentlichen  neutralen  Handels  genieße, 
so  würden   doch,  um  der  Gefahr  der  Wegnahme  zu  entgehen,  ver- 

359 


Abschnitt  VI*»  Prisengerichtsentscheidungen:  „Pei-PIng'*» 

schiedene  Mittel  ausgedacht  und,  wenn  man  Konterbande  transportiere^ 
so  gebe  man  sich  allgemein  den  Anschein,  als  ob  kein  Konterbande- 
transport vorliege.  So  sei  es  natürlich,  daß  man  Güter  nicht  mit 
Konnossementen,  welche  offen  an  die  Truppen  adressiert  seien,  ver- 
sende, oder  daß  man  bei  einer  Versicherung  klar  ausspreche,  daß  es- 
sich  um  Lebensmittel,  welche  an  die  Truppen  zu  schicken  seien,  handele^ 
Daher  sei  es  selbstverständlich,  daß  Beweisschriftstücke  dafür,  daß  die 
zur  Verhandlung  stehenden  Lebensmittel  an  die  russischen  Truppen 
in  Niutschwang  bestimmt  seien,  nicht  vorhanden  seien.  Wenn  man 
aber  die  Verhältnisse  des  Bestimmungsorts  Niutschwang,  die  Art  und 
Menge  der  Güter  erwäge;  wenn  man  ferner  überlege,  daß  Niutschwang^ 
von  russischen  Truppen  besetzt  gewesen  und  ein  Hauptetappenort  ge- 
wesen sei;  daß  die  Lebensmittel  ihrer  Art  nach  ausschließlich  für  den 
Bedarf  von  Europäern  und  Amerikanern  geeignet  und  keine  für 
Chinesen  gewöhnlichen  Lebensmittel  seien ;  daß  zur  fraglichen  Zeit  außer 
den  russischen  Truppen  in  Niutschwang  gewöhnliche  Europäer  und 
Amerikaner  nur  in  sehr  geringer  Zahl  vorhanden  gewesen  seien,  so  werde 
es  klar,  daß  die  Güter  nicht  den  Bedarf  dieser  gewöhnlichen  Personen 
zu  decken  bestimmt  gewesen  seien. 

Auch  daraus,  daß  der  Reklamant  unter  Berücksichtigung  der  da- 
maligen verschiedenen  Umstände  die  Kriegsversicherung  übernommen 
habe,  sei  es  nicht  schwer  zu  schließen,  daß  die  genannten  Lebensmittel 
den  russischen  Truppen  hätten  überliefert  werden  sollen. 

Wenn  dem  so  sei,  erkenne  das  Völkerrecht  es  als  Pflicht  des 
von  dem  Unglück  der  Beschlagnahme  Betroffenen  an,  sich  diesem  zu 
fügen. 

Kurz,  da  hinreichend  Tatsachen  vorlägen,  welche  zu  der  Annahme 
nötigten,  daß  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  nach  Ankunft 
in  Niutschwang  sogleich  an  die  russischen  Truppen  überliefert  worden 
wären,  so  könnten  sie  der  Einziehung  nicht  entgehen. 

Da  nach  diesem  die  Ausführungen  des  Reklamanten  nicht  stich- 
haltig seien,  so  sei  das  Urteil  erster  Instanz  zutreffend,  und  die  Berufung^ 
müsse  abgewiesen  werden. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

Es  ist  nach  der  Aussage  des  Reklamanten  und  nach  den  Akten 
nicht  zu  bezweifeln,  daß  die  zur  Verhandlung  stehenden  45  Kolli  vor- 
zugsweise Lebensmittel  enthalten,  die  dem  Bedarf  von  Europäern  und 
Amerikanern  entsprechen.  Daher  ist  für  die  Untersuchung  der  Frage,, 
ob  die  Zeitverhältnisse  bei  der  Beschlagnahme  des  Dampfers  „Pei-Ping'* 
derart  gewesen  sind,  die  Güter  als  Konterbande  erscheinen  zu  lassen 
und  ihre  Einziehung  nötig  zu  machen,  der  Bericht  des  Kaiserlichen 
Konsuls  Segawa  in  Niutschwang  von  Interesse,  in  welchem  es  heißt: 

360 


Prisengerichtsentscheldungen:  „Pei-Ping^*.  Abschnitt  VI  Mb 

Seitdem  Rußland  Niutschwang  besetzt  halte,  habe  es  dort 

eine    Zivilverwaltungsbehörde    eingerichtet    und    bis    zum 

25.  Juli  1904  die  Flagge  eines  Zivilverwaltungsamts  geführt. 

Dies  habe  mit  dem  Margen  jenes  Tages  plötzlich  aufgehört, 

und  es  sei  wieder  die  Konsulatsflagge  geheißt  worden.    Beim 

Eindringen  unserer  Truppen  in  Vingkow  sei  die  französische 

Flagge  aufgezogen  worden. 

Es  ist  somit  bekannt,  daß  zur  Zeit,  als  die  in  Streit  befangenen 

Güter  aufgebracht  wurden,   Niutschwang  tatsächlich    unter  russischer 

Verwaltung  stand.    Der  Feind  hatte  dort  nicht  nur  viele  Truppen  liegen, 

sondern  auch  einen  Hauptetappenort  eingerichtet.    Wenn  daher  Güter 

dorthin  befördert  wurden,  so  muß  das  ebenso  angesehen  werden,  als 

ob  sie  nach  feindlichem  Gebiet  bestimmt  seien.  3)     Es  ist  daher  klar, 

daß  die  Güter,  wenn  sie  die  Voraussetzungen  von  Kriegskonterbande 

erfüllen,  weggenommen  werden  müssen. 

Ihrer  Art  nach  sind  die  genannten  Güter,  wie  schon  gesagt,  Lebens- 
mittel und  Getränke,  wie  sie  der  Bedarf  von  Europäern  und  Amerikanern 
erfordert.  Zur  fraglichen  Zeit  waren  aber  in  Niutschwang  friedliche 
Europäer  und  Amerikaner  nur  in  geringer  Zahl  ansässig,  und  da  der 
Platz  ein  russischer  Etappenort  war,  so  muß  angenommen  werden, 
daß  die  fraglichen  Güter,  wenn  sie  dort  eingetroffen  wären,  sofort 
zum  Gebrauch  der  feindlichen  Truppen  geliefert  worden  sein  würden. 
Das  gegenwärtige  Völkerrecht  erkennt  aber  an,  daß  Lebensmittel  und 
Getränke,  welche  nach  feindlichem  Gebiet  gehen  und  zum  feindlichen 
Kriegsgebrauch  geliefert  werden  sollen,  bedingte  Konterbande  sind.  Es 
muß  daher  als  zutreffend  anerkannt  werden,  wenn  das  Urteil  erster 
Instanz  bezüglich  dieser  Güter  die  Einziehung  erklärt  hat.  Bei  der 
Beförderung  von  Kriegskonterbande  ist  es  nicht  angebracht,  offen  zu 
sagen,  daß  es  sich  um  Konterbande  handelt,  vielmehr  sucht  man  das 
Unternehmen  so  zu  bemänteln,  daß  es  äußerlich  den  Anschein  eines 
einwandfreien  Transports  hat.  Wenn  daher  bei  der  Abreise  eine  aus- 
drückliche Anfrage  beim  Zollamt  gemacht  worden  ist,  so  ist  das  durch- 
aus nicht  geeignet,  die  obige  Annahme  umzustürzen. 

Die  Einfuhr  von  Kriegskonterbande  bezweckt  die  Erlangung  hohen 
Gewinns  unter  großem  Risiko.  Es  fehlt  nicht  an  Beispielen,  wo  recht- 
schaffene Geschäftsleute  aus  Gewinnlust  solche  Importe  betrieben  haben. 
Selbst  wenn  man  daher,  wie  der  Reklamant  es  ausführt,  annimmt, 
daß  die  Eigentümer  der  in  Streit  befangenen  Güter  rechtschaffene  Kauf- 
leute sind,   so  steht  das  der  obigen   Annahme   nicht  entgegen. 

Danach  ist  das  Urteil  erster  Instanz  durchaus  zutreffend,  und 
es  liegt  kein   Grund  für  seine  Aufhebung  vor. 

*)  V.  §  5. 

361 


Abschnitt  VI*«  Prlsengerichtsentscheidiingen:  „PeihPliig". 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  25.   Dezember   1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


Reklamanten:  Die  chinesischen  Staatsangehörigen  Chan  Yü  Po 
und  Ching  Pu  Saw,  in  Firma  Yu  Shing  Yuen,  aus  der  Provinz 
Canton,  Regierungsbezirk  Chowchow,  Haiyang  bzw.  Chaoyang. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Sakurai  Ikkyu,  Regierungs- 
bezirk Hiogo,  Kobe,  Kitanagasadori  shichome-  Nr.  54. 

In  der  Prisensache  betreffend  Ladung  des  chinesischen  Dampfers 
„Pei-Ping"  wird,  wie  folgt,  entschieden: 

Urteilsformel: 
Die  unter  der  Ladung  des  Dampfers  „Pei-Ping"  befindlichen,  von 
der  Firma  Kai  Ping  Chiang  an  die  Firma  Yu  Shing  Yuen  ver- 
sandten  zwei   Kisten   mexikanischer  Dollars  werden  eingezogen. 

Tatbestand   und   Gründe: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  zwei  Kisten  mexikanischer  Dollars 
bestehen  aus  kleinem  chinesischen  Silbergeld.  Sie  sind  von  dem  Fracht- 
geschäft Kai  Ping  Chiang  auf  dem  chinesischen  Dampfer  „Pei- 
Ping"  verschifft  und  am  15.  Juli  1904  an  Yu  Shing  Yuen  ab- 
gesandt worden.  Als  am  17.  d.  M.  das  Kaiserliche  Kriegsschiff  ,,Hong'- 
kong  Maru''  den  Dampfer  „Pei-Ping''  wegen  Konterbandetransports  etwa 
10  Seemeilen  nordöstlich  von  Weihaiwai  in  China  aufbrachte,  wurden 
auch  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  mit  Beschlag  belegt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Vertreters  des  Kommandanten  der  „Hongkong  Maru",  Leutnants  zur 
See  Iwamuro  Tetsujiro,  die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns 
A.  Mactaggart,  des  Kompradors  Cheong  Sow  Wing,  des  1.  Offi- 
ziers H.  C.  Atkinson,  die  Konnossemente  und  das  Ladungsverzeichnis 
des  genannten  Dampfers. 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  der  Vertreter  der  Reklamation 
sind  folgende: 

Die  Reklamanten  betrieben  in  Niutschwang  ein  Bankgeschäft.  Sie 
hätten  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  von  Shanghai  kommen 
lassen  wollen,  weil  zu  der  Zeit  die  Handelsverhältnisse  in  Niutschwang 

362 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Pel-Ping".  Abschnitt  VI»« 

zu  einem  einseitigen  Wechselverkehr  geneigt  hätten  und  weil  die  Zeit 
für  den  Einkauf  von  Bohnen,  Bohnenkuchen  und  Bohnenöl  gekommen 
gewesen  sei,  so  daß  Umlaufskapital  nötig  gewesen  sei.  Ferner  sei 
der  Kurs  für  Papiergeld  und  für  kleines  Silbergeld  sehr  ungleich  ge- 
wesen, so  daß  die  Reklamanten  durch  Einfuhr  von  Metallgeld  einen 
Vorteil  zu  erzielen  beabsicßtigt  hätten.  Das  zur  Verhandlung  stehende 
Geld  sei  nicht  für  die  russische  Armee  oder  Marine  bestimmt  gewesen 
und  habe  auch  nicht  zu  ihrem  Gebrauch  geliefert  werden  sollen.  Daher 
sei  es  keine    Konterbande   und   müsse   freigegeben   werden. 

Der  Reklamant  hat  zum  Beweis  der  vorstehenden  Tatsachen  ver- 
schiedene  Beweisdokumente  eingereicht. 

Die  Hauptpunkte  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  sind  folgende: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  würden  nach  ihrer  An- 
kunft in  Niutschwang  zum  Gebrauch  der  russischen  Truppen  gedient 
haben  Sie  seien  daher  Kriegskonterbande  und  müßten  eingezogen 
werden. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Wenn  Lebensmittel  oder  Geld  nach  einem  von  den  feindlichen 
Truppen  besetzten  Hafen  versandt  worden  sind,  so  kann  je  nach  den 
Umständen  angenommen  werden,  daß  sie  zum  Gebrauch  dieser  Truppen 
dienen  werden. 

Niutschwang  war  zur  fraglichen  Zeit  von  den  russischen  Truppen 
besetzt  und  diente  als  ein  Hauptetappenort.  Außerdem  hatte  das- russi- 
sche Kriegspapiergeld  durch  die  andauernden  Niederlagen  der  russi- 
schen Armee  und  Marine  sehr  an  Kredit  verloren,  und  es  ist  bekannt, 
daß  chinesisches  Metallgeld,  insbesondere  kleines  Geld  wie  das  zur 
Verhandlung  stehende  Silbergeld,  stark  benötigt  wurde,  um  der  täg- 
lichen Nachfrage  zu  entsprechen.  Es  muß  daher  angenommen  werden, 
daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Silbergeld  nach  Ankunft  in  Niu- 
tschwang sofort  zum  Gebrauch  der  genannten  Truppen  geliefert  worden 
wäre.  Es  wird  demnach  für  Kriegskonterbande  angesehen,  i)  und  weder 
die  Anführungen  des  Vertreters  der  Reklamation  noch  die  von  ihm 
eingereichten  verschiedenen  Beweisdokumente  sind  imstande,  diese  An- 
nahme umzustoßen. 

Es  wird  daher,  wie  in  der  Urteilsformel,  entschieden.  *) 

Verkündet  am  17.  Dezember  1904  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im 
Beisein   des  Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurokuro. 

(Unterschriften.) 


»)  II.  Ziffer  2.  —  *)  V.  §  43. 

368 


Abschnitt  VIü«  Prisengerichtsentscheidungen:  „Pei-Ping'*. 

Reklamanten:  Chan  Yü  Po  und  Ching  Pu  Saw,  chinesische 
Staatsangehörige,  in  Firma  Yu  Shing  Yuen,  aus  China,  Provinz 
Canton,  Regierungsbezirk  Chowchow,  Haiyang  bzw.  Chaoyang. 

ProzeBvertreter :  Die  Rechtsanwälte  TakygiToyozo,  Tokio, 
Kojimachiku,  Uchisaiwaicho  sichome  Nr.  3  und  Sakurai  Ikkyu,  Re- 
gierungsbezirk Hiogo,  Kobe,  Kitanagasadori 'Nr.  54. 

Am  17.  Dezember  1904  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der 
Prisensache,  betreffend  Ladung  des  Dampfers  „Pei-Ping",  welcher  am 
17.  Juli  1904  auf  37  »  35  '  n.  Br.  und  122  o  23'  ö.  L.  von  dem 
Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Hongkong  Maru''  aufgebracht  worden  ist, 
ein  Urteil  gefällt,  in  welchem  auf  Einziehung  der  unter  der  Ladung  des 
Dampfers  „Pei-Ping"  befindlichen,  von  der  Firma  Kai  Ping  Chiang 
an  die  Firma  Yu  Shing  Yuen  versandten  zwei  Kisten  mexikanischer 
Dollars  erkannt  worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  haben  die  Reklamanten,  die  chinesischen  Staats- 
angehörigen Chang  Yü  Po  und  Ching  Pu  Saw,  in  Firma  Y  u 
Shing  Yuen  durch  die  Rechtsanwälte  Takagi  Toyozo  und  Sa- 
kurai Ikkyu  als  Prozeßvertreter  die  Berufung  eingelegt,  welche  im 
Beisein  der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku  und  Dr.  jur.  Ishi- 
watari  Binichi  beim  Oberprisengericht  geprüft  worden   ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Vertreter  der  Reklamation  Takagi  To- 
yozo-und  Sakurai  Ikkyu  sind  folgende: 

Es  werde  Aufhebung  des  Urteils  des  Prisengerichts  zu  Sasebo  vom 
17.  Dezember  1904,  welches  die  Einziehung  von  zwei  Kisten  mexika- 
nischer Dollars,  die  auf  dem  chinesischen  Dampfer  „Pei-Ping''  ver- 
laden gewesen  sind,  ausspricht,  und  Freigabe  der  genannten  zwei  Kisten 
mexikanischer  Dollars  beantragt,  und  zwar  aus  folgenden  Gründen : 

1.  Die  Reklamanten  hätten  ein  Bankgeschäft  und  betrieben  da- 
neben ein  Engrosgeschäft  für  Ein-  und  Verkauf, 

Bei  der  Ausfuhr  von  Bohnen,  Bohnenkuchen  und  Bohnenöl  nach 
Shanghai  liehen  die  Kaufleute  von  Niutschwang  den  Wechselbetrag 
für  die  Güter  dar,  vereinnahmten  in  Shanghai  den  Wechselbetrag  von 
dem  Wechselschuldner  und  bewerkstelligten  die  Übersendung  dieses 
Betrages  entweder  durch  Ankauf  eines  in  Niutschwang  zahlbaren 
Wechsels  oder  in  Form  baren  Geldes.  Auch  in  Fällen,  wo  Waren 
von  Niutschwang  nach  anderen  Plätzen  als  Shanghai  ausgeführt  würden 
und  der  Wechsel  dargeliehen  werde,  werde  die  Zahlung  des  Wechsel- 
betrags bisweilen  in  Shanghai  entgegengenommen.  Denn  da  Shanghai  . 
das  Zentrum  des  chinesischen  Handels  sei,  so  sei  es  auch  der  Mittel- 
punkt des  Geldumlaufs.  Auch  in  Fällen,  wo  die  Reklamanten  selber 
Bohnen  und  Bohnenkuchen  nach  Shanghai  ausführten,  werde  die 
Zahlung  des  Preises  in  Shanghai  entgegengenommen,  und  auch,  wenn 

364 


Piisengerichtsentscheidungen:  „Pel-Ping*^  Abschnitt  VI'^« 

die  Ausfuhr  nach  anderen  Plätzen  wie  Shanghai  gehe,  sei  dies  bisweilen 
der   Fall. 

So  sei  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  im  Verlauf  einer  Trans- 
aktion von  dem  Angestellten  der  Reklamanten  in  Shanghai  dort  ein- 
genommenes Geld,  welches  er  bei  einem  Wechsler  eingewechselt  und 
an  das  Hauptgeschäft  in  Niutschwang  gesandt  habe. 

Daß  bares  Silbergeld  geschickt  worden  sei,  habe  seinen  Grund 
darin,  daß  gerade  in  Niutschwang  die  Zeit  für  die  Ausfuhr  von  Bohnen, 
Bohnenkuchen  usw.  gekommen  gewesen  sei.  Denn  da  in  der  Regel 
die  Ausfuhrfirmen  Zahlung  für  die  Bohnen  usw.  in  kleinem  Silbergeld 
leistesten  und  die  Kunden  des  Bankdepartements  die  Reklamanten  um 
Leistung  in  Silbergeld  bäten,  so  hätten  dieselben  sich  darauf  vorbereiten 
müssen.  Dies  sei  einer  der  Gründe,  weshalb  das  zur  Verhandlung 
stehende  Geld  in  bar  geschickt  worden  sei. 

Wenn  in  Niutschwang  Silbergeld  reichlich  und  der  Kurs  für  in 
Niutschwang  zahlbare  Wechsel  in  Shanghai  niedrig  gewesen  wäre,  so 
wäre  es  allerdings  nicht  nötig  gewesen,  daß  der  Angestellte  der  Rekla- 
manten extra  Silbergeld  hätte  schicken  sollen.  In  Niutschwang  habe 
es  aber  an  Silbergeld  gefehlt  und  der  Wechselkurs  auf  Niutschwang 
sei  in  Shanghai  so  hoch  gewesen,  daß  selbst  nach  Zahlung  der  Fracht 
und  Versicherung  die  Zahlung  von  barem  Geld  immer  noch  geschäftlich 
vorteilhaft  und  außerdem  notwendig  gewesen  sei.  Das  sei  der  zweite 
Grund,  weshalb  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  in  bar  über- 
sandt  worden  sei. 

Die  obigen  Tatsachen  gingen  hervor  aus  den  Beweisstücken 
Nummer  2,  3,  5  bis  7  und  9  bis  11. 

2.  Daß.  der  Angestellte  der  Reklamanten  das  zur  Verhandlung 
stehende  Silbergeld  an  das  Hauptgeschäft  in  Niutschwang  geschickt 
habe,  sei,  wie  dargetan,  eine  für  ein  Bankgeschäft  natürliche  Maß- 
nahme, die  mit  den  russischen  Truppen  in  keinerlei  Beziehung  stehe. 
Wenn  man  annehme,  daß  es  zulässig  sei,  eine  derartige  reine  Handels- 
transaktion für  unerlaubt  zu  erklären  und  die  auf  der  Reise  befindlichen 
Güter  einzuziehen,  so  bedeute  das  eine  Entziehung  des  Rechts,  Ge- 
werbe zu  treiben.  Von  etwas  dergleichen,  wie  insbesondere  auch  davon, 
daß  neutralen  Staatsangehörigen  das  Recht  auf  ihr  gewöhnliches  Ge- 
werbe in  ihrem  eigenen  Lande  entzogen  werden  könne,  habe  man 
bislang  in  der  Praxis  und  der  Wissenschaft  des  Kriegsvölkerrechts  noch 
niemals  etwas  gehört, 

3.  Der  Dampfer  „Pei-Ping"  habe  seine  Ansicht,  nach  Niutschwang 
und  anderen  Häfen  zu  gehen,  in  Shanghai-Zeitungen  bekannt  gemacht, 
und  der  englische  Konsul  habe  die  Abreise  des  Dampfers  zwecks  Güter- 
transport nach  Niutschwang  gutgeheißen.  Auch  das  Zollamt  in  Shang- 
hai habe  die  öffentlich  nach  Niutschwang  gehende  Ladung  passieren 

365 


Abschnitt  VI»e  Prisengerichtsentscheidungen:  „Pei-Ping^'. 

lassen.  Daher  habe  der  Angestellte  der  Reklamanten  ohne  weitere 
Überlegung  ganz  unbefangen  dem  Schiffe  das  zur  Verhandlung  stehende 
Silbergeld  zur  Beförderung  übergeben.  Danach*  sei  die  Beschlagnahme, 
von  der  Einziehung  nicht  zu  reden,  im  höchsten  Qrade  unerwartet 
gekommen. 

Wenn  man  das  Geld  wirklich  heimlich  habe  absenden  wollen,  um 
es  zum  Gebrauch  der  russischen  Truppen  dienen  zu  lassen,  so  hätte 
man  ein  so  öffentliches  Transportverfahren  nicht  wählen  sollen.  Daß 
man  doch  ein  solches  Verfahren  eingeschlagen  habe,  liefere  reichlichen 
Grund  für  die  Vermutung,  daß  böser  Glaube  dabei  nicht  vorgelegen 
habe. 

4.  In  dem  Urteil  erster  Instanz  werde  zur  Begründung  folgendes 
gesagt: 

Niutschwang   sei    zur   fraglichen    Zeit   von    den    russischen 
Truppen  besetzt  gewesen  und  habe  als  ein  Hauptetappen- 
ort gedient.    Außerdem  habe  das  russische  Kriegspapiergeld 
durch   die  andauernden   Niederlagen  der  russischen  Armee 
und  Marine  sehr  an   Kredit  verloren   und  es  sei  bekannt, 
daß  chinesisches  Metallgeld,  insbesondere  kleines  Geld  wie 
das  zur  Verhandlung  stehende  Silbergeld,  benötigt  worden 
sei,  um  der  täglichen  Nachfrage  zu  entsprechen.    Es  müsse 
daher    angenommen    werden,    daß    das    zur  Verhandlung 
stehende   Silbergeld   nach   Ankunft  in   Niutschwang  sofort 
zum  Gebrauch  der  genannten  Truppen  geliefert  worden  wäre. 
Daraufhin  aber,  daß  Niutschwang  ein  Hauptetappenort  der  russi- 
schen Truppen  sei,  annehmen  zu  wollen,  daß  alle  dorthin  eingeführten 
Güter  zum  Gebrauch  der  Truppen  geliefert  würden,  sei  unbillig  streng 
und  widerlaufe  auch   den  Tatsachen.     Daß,  wenn  auch   Niutschwang 
zur  fraglichen  Zeit  von  den  russischen  Truppen   besetzt  gewesen  sei, 
deshalb  der  Handel  Niutschwangs  nicht  in  Stillstand  geraten,  sondern 
tatsächlich  ausgeübt  worden  sei,  könne  man  aus  den  das  Beweisstück 
Nr.  15  bildenden  telegraphischen  Mitteilungen  der  Niutschwang-Filiale 
der  offenen  Handelsgesellschaft  Mitsui  Bussan  über  die  Handels- 
lage in  Niutschwang  bis  zum  Juli  des  vorigen  Jahres  entnehmen.  Wenn 
später  die  chinesische  Zollstatistik  für  das  Jahr  1904  erscheinen  werde, 
so  würden  sich  diese  Tatsachen  bestätigen. 

Selbst  angenommen,  die  russischen  Truppen  hätten  Geld,  wie 
das  zur  Verhandlung  stehende,  nötig  gehabt,  so  sei  es  doch  unsinnig, 
ohne  zu  fragen,  wem  es  gehöre,  anzunehmen,  daß  es  unbedingt  an 
die  Truppen  geliefert  worden  wäre.  Auch  sprächen  die  Tatsachen 
nicht  dafür.  Vielmehr  müsse  grundsätzlich  angenommen  werden,  daß, 
wenn  die  Reklamanten,  welche  ein  Bankgeschäft  hätten,  Geld,  wie  es 
zum  Betriebe  dieses  Gewerbes  erforderlich  sei,  von  Shanghai,  woher  sie 

366 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Pei-Ping".  Abschnitt  VI"« 

ihre  Kapitalien  geliefert  bekämen,  nach  Niutschwang,  dem  Sitz  ihres 
Geschäfts,  befördern  ließen,  dieses  Geld  im  Betriebe  des  Bankgeschäfts 
der  Reklamanten  zur  Verwendung  kommen  solle.  Wenn  man  diese 
natürliche  Vermutung  umstürzen  wolle,  so  bedürfe  es  dazu  unter  allen 
Umständen  sicherer  Gründe  und  Beweise.  Wenn  daher  das  Urteil 
erster  Instanz  auf  die  dort  verzeichneten  vagen  Gründe  hin,  eine  An- 
nahme aufgestellt  habe,  welche  dieser  natürlichen  Vermutung  wider- 
spreche, so  sei   das  vom   Standpunkt  des   Beweisrechts   unzutreffend. 

5.  Silbergeld  sei  sogenannte  bedingungsweise  Konterbande.  Da 
es  demnach  nur  in  den  beiden  Fällen:  (1)  daß  es  für  die  feindliche 
Armee  oder  Marine  bestimmt  sei;  (2)  daß  es  nach  feindlichem  Gebiet 
bestimmt  sei  und  angenommen  werden  müsse,  daß  es  zum  Gebrauch 
der  feindlichen  Armee  oder  Marine  dienen  werde,  Kriegskonterbande 
sei,  so  sei  es  nötig,  für  die  Behauptung,  daß  es  Konterbande  sei,  Be- 
wtisc  beizubringen,  welche  dartäten,  daß  es  für  die  feindliche  Armee 
oder  Marine  bestimmt  gewesen  sei  oder  daß  es  zu  ihrem  Gebrauch  habe 
geliefert  werden  sollen. 

Wenn  man  also  bei  der  Annahme,  daß  Konterbande  nach  dem 
Fall  „(2)"  vorliege,  einfach  so  folgere,  daß  die  Güter,  weil  sie  nach 
einem  von  feindlichen  Truppen  besetzten  Ort  gesandt  würden,  auch 
zum  Kriegsgebrauch  des  Feindes  geliefert  werden  würden,  so  schließe 
man  aus  dem  Vorhandensein  der  ersten  der  beiden  Bedingungen,  welche 
dieser  Fall  erfordere,  ohne  weiteres  auf  das  Vorhandensein  auch  der 
z^^eiten  Bedingung.  Das  sei  im  Erfolg  dasselbe,  als  wenn  die  zweite 
Bedingung  überflüssigerweise  geschrieben  sei,  und  laufe  darauf  hinaus, 
daß  die  bedingte  Kriegskonterbande  des  Falls  „(2)"  keinen  Unterschied 
von  der  absoluten  Konterbande  aufweise,  so  daß  der  Sinn,  welcher 
der  Unterscheidung  dieser  beiden  zugrunde  liege,  völlig  zunichte  ge- 
macht werde. 

Man  werde  aber  vielleicht  behaupten,  die  Grundlage,  auf  welche 
hin  das  Gericht  erster  Instanz  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld 
als  Konterbande  angesehen  habe,  beschränke  sich  nicht  nur  darauf, 
daß  das  Geld  nach,  einem  vom  Feinde  besetzten  Platz  bestimmt  sei, 
sondern  es  sei  auch  die  weitere  Begründung  beigefügt,  daß  die  feind- 
liche Armee  oder  Marine  es  benutzen  werde.  Demgegenüber  sei  aber 
folgendes  zu  bemerken:  Jedermann  könne  in  allen  Umständen  Geld 
gebrauchen,  und  die  Verwendbarkeit  desselben  beschränke  sich  nicht 
auf  die  russische  Armee  und  Marine.  Wenn  demnach  dafür,  daß  die 
russische  Armee  oder  Marine  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  ge- 
brauchen werde,  keine  besonderen  Gründe  vorlägen,  so  gebe  die  oben- 
genannte weitere  Begründung  des  Urteils  erster  Instanz  auf  die  Frage, 
inwiefern  die  Annahme  berechtigt  sei,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende 
Geld  bei  den  russischen  Truppen   zur  Verwendung  kommen  würde, 

367 


Abschnitt  VI"«  Prisengeiichtsentscheidungen:  „Pei-Ping*'. 

die  Antwort,  man  müsse  annehmen,  daß  es  bei  den  russischen  Truppen 
zur  Verwendung  gekommen  wäre,  weil  diese  es  zu  verwenden  genötigt 
gewesen  seien.    Das  sei  Beantwortung  einer  Frage  mit  derselben  Frage. 

Obwohl  den  Reklamanten  die  Beweislast  nicht  obliege,  hätten  sie 
ihre  Behauptungen,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  weder 
für  die  russischen  Truppen  bestimrtit,  noch  zu  ihrem  Gebrauch  zu 
liefern  gewesen,  daß  es  vielmehr  zur  Deckung  des  Bedarfs  in  dem 
Bankgeschäft  der  Reklamanten  versandt  worden  sei,  mit  verschiedenen 
beweiskräftigen  Tatsachen  belegt.  Der  Staatsanwalt  habe,  ohne  dagegen 
einen  einzigen  Gegenbeweis  beizubringen,  diese  Erklärung  der  Rekla- 
manten verworfen,  und  die  Entscheidung  des  Gerichts  erster  Instanz, 
welches  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  beipflichte,  sei  daher  auch  vom 
Standpunkt  der  Beweisführung  rechtswidrig. 

6.  Es  sei  freilich  nicht  zu  leugnen,  daß  Niutschwang  nicht  nur 
zur  Zeit  der  Aufbringung,  sondern  schon  seit  der  Zeit  vor  dem  japanisch- 
russischen Krieg  unter  russischer  Gewalt  gestanden  habe.  Aber  man 
müsse  dieses  besetzte  Gebiet  nicht  einem  gewöhnlichen  Okkupations- 
gebiet gleichstellen.  Denn  Niutschwang  sei  ein  dem  Handel  der  Mächte 
offenstehender  Hafen  und  kein  Kriegs-  oder  Blockadehafen.  Es  könne 
nicht  mit  nur  während  des  Kriegs  besetzten  Gebieten,  wie  zum  Beispiel 
der  Song  To-Bucht,  der  Taubenbucht  oder  der  Sho  Ping-Insel  bei 
Port  Arthur,  auf  eine  Stufe  gestellt  werden.  Wenn  relative  Konter- 
bande, d.  h.  Güter,  wie  sie  im  §  14  der  Seeprisenordnung  aufgestellt 
worden  seien,  nach  der  Song  To-Bucht  usw.  bestimmt  wären,  so  werde 
jedermann  dem  zustimmen,  wenn  man  annehme,  daß  sie  direkt  für 
die  russischen  Truppen  bestimmt  und  daher  als  Konterbande  einzuziehen 
seien.  Wenn  man  aber  einen  solchen  Fall  und  den  Fall,  wo  die  Güter 
nach  Niutschwang  bestimmt  seien,  gleichstelle,  so  entspreche  das  nicht 
dem  wahren  Sinn  der  japanischen  Seeprisenordnung  und  des  Völker- 
rechts über  die  Behandlung  neutralen  Guts.  Besonders  seien  auch 
die  zur  Verhandlung  stehenden  Silbermünzen  kurantes  Geld,  wie  es 
unter  den  Chinesen  und  den  in-  und  ausländischen  Kaufleuten  in 
Niutschwang  Kurs  habe.  Von  anderen  Konterbandegütern  wie  Lebens- 
mitteln und  dergleichen  sei  es  weit  verschieden,  und  es  lägen  Gründe 
vor,  nach  denen  man  nicht  auf  Gebrauch  seitens  der  Truppen  schließen 
müsse.  Beispielsweise  sei  zwischen  Lebensmitteln,  welche  zum  Gebrauch 
für  die  Russen,  und  solchen,  welche  zum  Gebrauch  für  Chinesen  dienten, 
ein  großer  Unterschied,  so  daß  man,  wenn  Lebensmittel,  welche  für 
Russen  geeignet  seien,  in  großer  Quantität  nach  Niutschwang  bestimmt 
würden,  diese  wohl  als  Konterbande  ansehen  könne.  Geld  sei  aber  nicht 
nur  bei  Truppen  verwendbar,  und  da  auch  die  Menge  des  hier  ver- 
sandten Geldes  im  Handel  mit  den  großen  Mengen  Bohnen,  Bohnen- 

368 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Pei-Ping^'.  Abschnitt  VI»« 

kuchen  und  Bohnenöl  keinen  Überschuß  lassen  würde,  so  könne  man 
es  nicht  mit  Lebensmitteln  vergleichen  und  als  Truppenbedarf  ansehen. 
7.  Niutschwang  sei  ein  Handelshafen.  Daher  müsse  man  einen 
Fall  von  bedingter  Kriegskonterbande  wie  Geld  besonders  sorgfältig 
überlegen.  Deshalb  werde  besonders  die  rechtliche  Auffassung  der 
Stellung  Niutschwangs  der  Beachtung  empfohlen,  welche  mit  der  diplo- 
matischen Frage  über  den  Handel  mit  Bohnen,  Bohnenkuchen  und 
Bohnenöl  eng  verknüpft  sei.  Dieselbe  sei  folgende:  Die  Verhandlungen 
betreffend  die  Frage,  ob  die  Ausfuhr  von  Bohnen,  Bohnenkuchen  usw. 
aus  Niutschwang  verboten  werden  solle,  hätten  zu  dem  Resultat  ge- 
führt, daß  die  Ausfuhr  gestattet  sein  solle,  wenn  garantiert  werde,  daß 
die  Güter  nicht  beim  Militär  zur  Verwendung  kommen  würden.  Dieses 
sei  der  Kaiserlichen  Regierung  mittels  Berichts  des  in  China  akkreditierten 
Kaiserlichen  Gesandten  vom  18.  April  1904  mitgeteilt  worden  und  Japan 
habe  diese  Tatsache,  daß  Bohnen,  Bohnenkuchen  usw.  von  Niutschwang 
nach  japanischen  Häfen  ausgeführt  werden  würden,  mit  Freuden  be- 
grüßt. 

Wenn  daher  auch  Niutschwang  von  den  russischen  Truppen  be- 
setzt gewesen  sei,  so  sei  es  doch  ein  diplomatisches  Faktum,  daß  der 
Handel  mit  Bohnen,  Bohnenkuchen  usw.  von  Japan,  Rußland,  China 
und  anderen  neutralen  Staaten  gutgeheißen  sei.  Darin  liege  ein  wich- 
tiger Grund,  weshalb  die  vorliegende  Sache  nicht  allein  daraufhin,  daß 
Rußland  Niutschwang  besetzt  gehabt  habe,  entschieden  werden  könne. 

Denn  wenn  die  Mächte  so  den  Handel  mit  Bohnen,  Bohnenkuchen 
usw.  übereinstimmend  gestattet  hätten,  so  falle  auch  das  Resultat  dieses 
Handels  nämlich,  daß  die  Kaufleute  den  Preis  für  die  verkauften  Waren 
in  Empfang  nähmen,  in  den  Bereich  dieses  übereinstimmend  gestatteten 
Handels.  Demnach  könne  das  Silbergeld,  welches  als  Preis  für  die 
Bohnen,  Bohnenkuchen  usw.  eingenommen  sei,  vorausgesetzt,  daß  es 
nicht  an  die  russischen  Truppen  gehe,  nicht  eingezogen  werden. 

Daß  aber  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  der  Kaufpreis  für 
frühere  Bohnen,  Bohnenkuchen  usw.  sowie  Kapital  für  den  auch  in 
Zukunft  erlaubten  Einkauf  derselben  und  daß  es  kleines  Geld  sei,  wie 
es  für  solche  Einkäufe  nötig  sei,  kurz,  daß  es  in  jeder  Beziehung  im 
Rahmen  harmlosen  Handelsverkehrs  stehe:  alles  dies  gehe  aus  den 
eingereichten  Beweisen  klar  hervor. 

Da  die  Ansicht  des  Völkerrechts  und  der  Seeprisenordnung  dahin 
gehe,  die  Rechte  neutraler  Staatsangehöriger  zu  achten,  so  werde  um 
äußerste  Unparteilichkeit  bei  Beurteilung  der  zum  Beweis  ungefälschter 
Tatsachen  eingereichten  Beweisdokumente  gebeten. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  der  Staatsanwälte  beim  Prisen- 
gericht zu  Sasebo,  Mizukami  Chojiro  und  Vamamoto  Tatsu- 
rukuro,  sind  folgende: 

Mariirsad-Mechlenburg,  Das  jspanisohe  Prisenrecht.    Band  1.      (24)  SoJ 


Abschnitt  Vl'Se  Prisengerichtsentscheidungen:  „Pei-Ping"' i. 

sei,  welche  die  Freiheiten  des  öffentlichen  neutralen  Handels  genieße^ 
so  würden  doch,  um  der  Gefahr  der  Wegnahme  zu  entgehen,  ver- 
schiedene Mittel  ausgedacht,  und  wenn  man  Kriegskonterbande  trans- 
portiere, so  gebe  man  sich  allgemein  den  Anschein,  als  ob  kein  Kriegs- 
konterbandetransport vorliege.  So  sei  es  natürlich,  daß  man  Oüter 
nicht  mit  Konnossementen,  welche  offen  an  die  Truppen  adressiert 
seien,  versende.  Gerade  so  wenig,  wie  es  sich  daraus,  daß  das 
Konnossement  besage,  daß  der  Empfänger  des  zur  Verhandlung  stehen- 
den Geldes  ein  chinesischer  Bankinhaber  in  Niutschwang  sei,  beweisen 
lasse,  daß  das  Geld  nicht  zum  Kriegsgebrauch  Rußlands  dienen  werde, 
gerade  so  wenig  gebe  es  natürlich  schriftliche  Beweise  dafür,  daß  es 
den  russischen  Truppen  habe  übergeben  werden  sollen.  Daher  sei 
es  das  Richtige,  den  Tatbestand  auf  den  Umständen  aufzubauen,  welche 
eine  Betrachtung  der  Angelegenheit  von  den  verschiedenen  Seiten  er- 
gebe. 

Sir  William  Scott  sage  in  dem  Urteil  betreffend  die  „Jonge 
Margaretha" : 

Es  müsse  für  die  Entscheidung,  ob  Güter  Konterbande 
seien  oder  nicht,  als  die  wichtigste  Richtschnur  bezeichnet 
werden,  ob  sie  auf  der  Reise  nach  einem  Platz  gewesen  seien ^ 
nach  dessen  Verhältnissen  man  mit  neunzig  Prozent  Sicher- 
heit annehmen  könne,  daß  sie  zum  Kriegsgebrauch  geliefert 
worden   sein  würden. 
Der  in  Frage  stehende  Dampfer  „Pei-Ping"  habe  in  Shanghai  Lebens- 
mittel, Getränke  und  chinesisches  Geld  geladen,  das  heiße  Güter,  welche,, 
wenn  sie  an  die  Armee  oder  Marine  des  Feindes  bestimmt  seien  oder 
wenn  angenommen  werden  müsse,  daß  sie  zum  Gebrauch  der  feind- 
lichen Armee  oder  Marine  dienen  würden,  als  Kriegskonterbande  gälten. 
Der   letzte   Bestimmungsort   sei   Niutschwang  gewesen;   der   Dampfer 
sei  aber  auf  der  Fahrt  nach  dem  Zwischenhafen  Chinwantao  in  China 
aufgebracht  worden.     Der  Bestimmungsort  Niutschwang  sei  von  den 
Russen  dauernd  besetzt  gewesen.    Das  Zollamt  habe  die  russische  Flagge 
geführt  und  der  Platz  habe  unter  russischer  Militärverwaltung  gestanden. 
Zur  fraglichen   Zeit  hätten   dort  russische  Truppen   gelegen    und  seit 
dem  Krieg  mit  Japan  diene  Niutschwang  als  Stapelplatz  für  den  Kriegs- 
bedarf der  russischen  Truppen.     Da  überdies  zur  Zeit,  als  die  „Pei- 
Ping"  ihre  Reise  gemacht  habe,  Port  Arthur  von  unserer  Kriegsflotte 
blockiert  gewesen  sei,  so  habe  Rußland  für  seine  Truppen  auf  Liaotung 
und  in  der  Mandschurei  auf  dem  Seewege  Kriegsbedarf  nur  über  Niu- 
tschwang erhalten   können.     So  werde  wohl  jeder   zugeben   müssen^ 
daß    Niutschwang  ein   Platz   gewesen   sei,   nach    dessen   Verhältnissen 
man,  wie  Sir  William  Scott  es  bezeichne,  mit  90  o/o  Sicherheit  an- 
nehmen könne,  daß  die  Güter  zum   Kriegsgebrauch  geliefert  worden 

370 


Prisengerichtsentscheidungeii:  „Pel-Ping''.  Abschnift  VI"« 

Wenn  auch  der  Handel  mit  Kriegskonterbande  eine  Handlung 
wären ;  besonders  auch,  da  es  nicht  zu  verbergen  sei,  daß  die  russischen 
Truppen  zur  fraglichen  Zeit  infolge  der  Tatsache,  daß  wegen  ihrer 
andauernden  Niederlagen  das  Kriegspapiergeld  seinen  Kredit  eingebüßt 
gehabt  habe,  zu  den  kleinen  Zahlungen  für  Kriegsbedarfsartikel  auf 
dem  Kriegsschauplatz  chinesisches  Geld  verwandt  hätten.  Die  zur  Ver- 
handlung stehenden  mexikanischen  Dollars  seien  kleines  chinesisches 
Umlaufsgeld.  Da  es  von  den  amtlichen  Münzen  geprägt  sei,  so  habe 
es  überall  Kurs  und  sei  bei  den  Chinesen  als  kleine  Münze  am  be- 
liebtesten. Es  sei  bekannt,  daß  die  Truppen,  deren  Kriegspapiergeld 
den  Kredit  verloren  gehabt  habe,  bei  der  Zahlung  der  Preise  für 
requirierte  Gegenstände  und  der  Löhne  für  Menschen-  und  Pferdearbeit 
über  das  dringende  Bedürfnis  nach  solchem  Geld  geklagt  hätten  und 
bezüglich  der  Lieferung  desselben  auf  Niutschwang  angewiesen  ge- 
wesen seien. 

Wenn  behauptet  werde,  daß  der  größte  Teil  der  Ladung  der 
„Pei-Ping"  Nichtkonter bände  sei  und  daß  die  geringe  Menge  des  darunter 
befindlichen  zur  Verhandlung  stehenden  Geldes  zu  friedlichem  Zwecke 
befördert  worden  sei,  so  stünden  die  Tatsachen  dieser  Behauptung 
direkt  entgegen.  Denn,  wenn  auch  der  Empfänger  verschieden  sei, 
>o  betrage  doch  das  allein  auf  der  „Pei-Ping''  in  gleicher  Weise  nach 
Niutschwang  versandte  Silbergeld  144  000  Dollar,  und  wenn  man  dazu 
den  Betrag  des  fast  zur  gleichen  Zeit^auFder  „Hsi-Ping''  verschifften 
Geldes  hinzuzähle,  so  ergäbe  das  einen  Betrag  von  mehr  als  440000 
Dollars.  Ferner  betrügen  die  auf  der  „Pei-Ping"  nach  Niutschwang  ver- 
schifften Güter  90  Stück,  von  denen  nur  13  Nichtkon terbande,  die 
übrigen  77  dagegen  Konterbande  seien.  Wie  könne  man  da  wohl  be- 
haupten wollen,  daß  nur  das  SiJbergeld  zu  friedlichem  Zweck  transportiert 
worden  sei,  weil  der  Wechselverkehr  sich  nur  nach  der  einen  Seite  voll- 
zogen habe?  Man  müsse  vielmehr  annehmen,  daß  es  gerade  wie  die 
Lebensmittel  und  Getränke  auf  Bestellung  seitens  der  russischen  Truppen 
habe  eingeführt  werden  sollen,  um  entweder  direkt  für  die  russischen 
Truppen  bzw.  das  Konsulat  in  Niutschwang  gelandet  oder,  wenn  dem 
auch  nicht  so  sei,  durch  die  Reklamanten  an  die  genannten  Truppen 
abgeliefert  zu  werden. 

Die  Reklamanten  behaupteten: 

Für  die  Behauptung,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende 
Geld  Kriegskonterbande  sei,  müsse  derjenige,  der  die  Be- 
hauptung aufstelle,  den  Beweis  erbringen,  und  es  sei  zu 
Unrecht  geschehen,  daß  man  die  durch  Beweise  belegte  Be- 
hauptung des  Reklamanten,  es  handele  sich  im  Gegenteil 
um  einen  friedlichen  Handelstransport,  abgewiesen  habe. 
Es  werde  indes  von  der  Wissenschaft  und  Praxis  übereinstimmend 

(24«)  371 


Abschnitt  VIM«  Prisengerlchtsentscheidungen:  „Pei-Ping^'- 

anerkannt,  daß  Geld,  wenn  anzunehmen  sei,  daß  es  zum  feindlichen 
Kriegsgebrauch  geliefert  werden  würde,  Konterbande  sei.  Diese  völker- 
rechtliche Begründung  und  die  Tatsache,  daß  das  Geld  bei  Ankunft 
in  Niutschwang  zum  feindlichen  Kriegsgebrauch  habe  geliefert  werden 
sollen,  habe  der  Staatsanwalt  nach  dem,  was  in  den  Vernehmungs- 
protokollen verzeichnet  sei,  und  dem  Beweismaterial  der  ganzen  Akten 
genau  dargelegt.  Wenn  daher  das  Urteil  erster  Instanz  diese  Gründe 
anerkannt  und  daraufhin  auf  Einziehung  entschieden  habe,  so  sei  es 
unnötig,  daß  der  Staatsanwalt  da^ür  noch  mehr  Beweise  vorbringe. 
Was  außerdem  die  Behauptung  der  Reklamanten,  ihnen  liege  die  Beweis- 
pflicht nicht  ob,  angehe,  so  müsse  man  das  als  einen  Irrtum  bezeichnen, 
der  die  zur  Verhandlung  stehende  Sache  mit  einer  gewöhnlichen  Straf- 
sache auf  eine  Stufe  stelle.  Der  Staatsanwalt  in  Prisensachen  sei  kein 
strafrechtlicher,  d.  h.  kein  klägerischer  Staatsanwalt.  Auch  sei  der  Rekla- 
mant nicht  als  Angeklagter  anzusehen.  Daher  könne  es  nicht  als  ge- 
nügend erachtet  werden,  wenn  er  mit  Nichtwissen  und  Nichterinnern 
antworte,  vielmehr  müsse  der  Reklamant  nach  völkerrechtlichen  Grund- 
sätzen Beweise  vorbringen,  weshalb  ein  Konterbandetransport  nicht  vor- 
liege. Auf  diesen  Punkt  brauche  der  Staatsanwalt  daher  nicht  weiter 
zu  erwidern.  Darauf  jedoch,  daß  der  Reklamant  behaupte,  er  habe 
die  Tatsache,  daß  es  sich  um  einen  friedlichen  Handelstransport  handele, 
bewiesen,  müsse  er  noch  etwas  erwidern: 

Die  von  den  Reklamanten  eingereichten  Beweisstücke  Nr.  1  bis  12 
bewiesen  nur,  daß  die  Reklamanten  als  Bankfirma  in  Fällen,  wo  infolge 
des  friedlichen  Handels  der  Wechselverkehr  einseitig  sei,  bei  einer  Sen- 
dung von  Metallgeld  von  Shanghai  nach  Niutschwang  nach  .Abzug 
von  Kommissionen,  Fracht  und  Versicherungsprämie  noch  einen  Vor- 
teil erzielen  könnten.  Weder  dafür  aber,  daß  die  Handelsverhältnisse 
in  Niutschwang  so  gelegen  hätten,  noch  auch  dafür,  daß  das  Silber- 
geld, obwohl  es  zur  Kriegszeit,  wo  noch  dazu  der  Feind  es  zur  Deckung 
seines  Mangels  dringend  nötig  gehabt  habe,  zusammen  mit  Lebens- 
mitteln und  Getränken  befördert  worden  sei,  nicht  zum  Kriegsgebrauch 
des  Feindes  habe  geliefert  werden  sollen,  sei  der  geringste  Beweis 
erbracht  worden. 

Aus  diesen  Gründen  sei  die  Berufung  abzuweisen. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 
Es  bedarf  keiner  Erörterung,  daß  Niutschwang  zu  dem  chinesischen 
Hoheitsgebiet  gehört  und  kein  russische^  Territorium  ist.    Der  Kaiser- 
liche Konsul  Segawa  in  Niutschwang  hat  berichtet: 

daß  Rußland,  seitdem  es  diesen  Platz  besetzt  gehabt,  dort 
eine  Zivilverwaltungsbehörde  eingerichtet  und  bis  zum 
25.  Juli  1904  die  Flagge  eines  Zivilverwaltungsamts  geführt 
habe.     Dies   habe   mit  dem   Morgen  jenes  Tages   plötzlich 

872 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Pei-Ping".  Abschnitt  VI»t 

aufgehört  und   es   sei   wieder   die    Konsulatsflagge   geheißt 
worden.     Beim   Eindringen  unserer  Truppen  sei  die  fran- 
zösische Flagge  aufgezogen  worden. 
Es  ist  somit  bekannt,  daß  zur  Zeit,  als  die  in  Streit  befangenen 
Güter  aufgebracht  wurden,   Niutschwang  tatsächlich   unter   russischer 
Verwaltung  stand.    Der  Feind  hatte  dort  nicht  nur  viele  Truppen  liegen, 
sondern  auch  einen  Hauptetappenort  eingerichtet.    Wenn  daher  Güter 
dorthin  befördert  wurden,  so  muß  das  ebenso  angesehen   «werden,  als 
ob  sie  nach   feindlichem   Gebiet   bestimmt  seien.  ^)     Da  es   demnach 
offenbar  ist,  daß  die  Tatumstände  zu  der  Annahme  berechtigen,  daß  auch 
das  zur  Verhandlung  stehende,  von  den  Reklamanten  für  die  Einfuhr 
nach  Niutschwang  bestimmte  Silbergeld  zum  Kriegsgebrauch  des  Feindes 
gedient  haben  würde,  so  muß  man  sagen,  daß  es  die  Voraussetzungen, 
welche  es  zur  Konterbande  machen,  erfüllt.*) 

In  einem  Bericht  des  oben  genannten  Kaiserlichen  Konsuls  heißt 
es,  daß 

die  russische  Regierung  beim  Beginn  des  Baues  der 
Mandschurischen  Eisenbahn  anfänglich  alle  Zahlungen  in 
Gold  geleistet  habe.  Ein  oder  zwei  Jahre  später  habe  sie 
daneben  Papierrubel  benutzt  und  den  Chinesen  gesagt, 
zwischen  dem  Metall  und  dem  Papier  sei  kein  Unterschied. 
Dann  habe  sie,  um  dem  Papier  Kredit  zu  verschaffen,  nach 
und  nach  das  Gold  zurückgezogen  und  das  Papier  vermehrt. 
Im  Jahre  1902  sei  es  dahin  gekommen,  daß  man  in  der 
Mandschurei  russisches  Goldgeld  nur  sehr  selten  in  Umlauf 
gesehen  habe.  Damals  habe  aber  die  russisch-chinesische 
Bank  schon  an  verschiedenen  wichtigen  Plätzen  Nieder- 
lassungen errichtet.  In  diesen  Banken  sei  das  Papier  zum 
Tageskurse  gegen  Silbergeld  eingelöst  worden,  und  in  der 
Mandschurei  habe  dabei  ein  Papierrubel  einen  Tauschkurs 
von  1  Dollar  30  Cents  bis  1  Dollar  40  Cents  Silbergeld  ge- 
habt. Als  indessen  seit  Herbst  1903  die  Gerüchte  über 
einen  Krieg  zwischen  Japan  und  Rußland  in  Blüte  gestanden 
hätten,  habe  es  unter  den  Chinesen  geheißen,  daß,  wenn 
nach  dem  Ausbruch  des  Krieges  die  Russen  einmal  unter- 
liegen würden,  die  russischen  Papierrubel  nicht  mehr  ge- 
wechselt werden  könnten  und  nur  noch  den  Wert  von  altem 
Papier  haben  würden.  Vom  November  oder  Dezember  d.  J. 
bis  zum  Ausbruch  des  Krieges  im  Februar  1904  habe  der 
Umlauf  des  Papiergeldes  eine  starke  Abnahme  erfahren  und 
von  1  Dollar  30  bis  40  Cents  sei  es  häufig  auf  1  Dollar 
10  Cents  gefallen,   und   nur,   dank  den   Bestrebungen   der 

«)  V.  §  5.  —  *)  II.  Ziffer  2. 

373 


Abschnitt  VI»«  Prisengerichtsentschei düngen:  ,,Pei-Ping''. 

Niederlassungen  der  russisch-chinesischen  Bank  in  den  ver- 
schiedenen Orten,  den  Kredit  des  Papiergeld  aufrecht- 
zuerhalten, sei  es  nicht  dazu  gekommen,  daß  der  UmlauP 
desselben  ganz  ins  Stocken  geraten  sei.  Als  aber  die  Nach- 
richten von  den  Niederlagen  bei  Nanshan  und  Tehlitze  nach 
Kaiping  und  Yingkow  kamen,  hätten  die  Chinesen,  welche 
Papierrubel  gehabt  hätten,  darin  gewetteifert,  diese  zu  ver- 
kaufen. Der  Rubel  sei  damals  bis  auf  70  oder  80  Cents 
gefallen.  Aber  da  in  Tientsin  und  Shanghai  Papierrubel 
immer  zum  Tageskurse  gegen  Silbertaels  gewechselt  werden 
könnten,  so  hätten  die  Geldwechsler  in  Yingkow,  wenn  das 
russische  Papiergeld  gefallen  gewesen  sei,  dieses  aufgekauft, 
nach  Shanghai  geschickt  und  dort  mit  ungeheurem  Gewinn 
wieder  eingetauscht. 

Nach  diesem  Bericht  zu  urteilen,  erregte  also  der  Rubelschein 
schon  beim  Beginn  des  japanisch-russischen  Krieges  im  Verkehr  unter 
den  Chinesen  ganz  allgemein  Verdacht  und  Mißtrauen,  und  es  zeigte 
sich  die  Tendenz,  daß  er  schließlich  gänzlich  den  Kredit  verlieren  würde. 
Als  die  Nachricht  von  den  Niederlagen  bei  Nanshan  und  Tehlitze 
nach  Vinkow  gekommen  war,  traf  freilich  die  russisch-chinesische  Bank 
sorgfältige  Maßnahmen,  um  das  alte  Verhältnis  wiederherzustellen,  es 
kam  aber  trotzdem  zu  einem  großen  Sturz.  Als  sodann  immer  mehr 
Nachrichten  von  dem  weiteren  Kampf  und  Sieg  der  japanischen  Truppen 
kamen,  war  die  Lage  so,  daß  es  sich  auf  keine  Weise  mehr  vermeiden 
ließ,  daß  der  Rubel  unter  den  Chinesen  ganz  allgemein  seinen  Kredit 
verlieren  würde.  Es  ist  daher  ganz  klar,  daß  die  Situation  so  war, 
daß  die  russischen  Truppen  zu  der  Zeit,  wo  das  zur  Verhandlung 
stehende  Silbergeld  befördert  wurde,  zur  Requisition  des  Kriegsbedarfs 
und  zur  Bezahlung  der  Kulis  den  Papierrubel  nicht  ohne  weiteres  ver- 
wenden konnten.  Daher  ist  es  offenbar,  daß  chinesisches  Silbergeld 
zu  jener  Zeit  für  die  russischen  Truppen  unentbehrlich  geworden  war. 

Ferner  besagt  der  Bericht  des  Kaiserlichen  Generalkonsuls  l  j  u  i  n 
in  Tientsin  über  die  russischen  Papierrubelscheine: 

Seit  der  Eröffnung  des  Krieges  zwischen  Japan  und  Rußland 
seien  unter  vielen  Chinesen  Zweifel  über  die  Einlösbarkeit 
der  Rubelscheine  aufgekommen.  Man  habe  gefürchtet,  daß 
sie  Fälschungen  seien,  und  ihr  Kredit  sei  beeinträchtigt 
worden.  Auch  unter  den  Russen  und  den  russischen  Re- 
gierungslieferanten seien  nur  sehr  wenig  Rubelscheine  in 
Verkehr  gewesen,  wenn  man  auch  nicht  behaupten  könne, 
daß  sie  absolut  keinen  Umlauf  gehabt  hätten.  Wenn  die 
Banken  in  Tientsin  sie  in  die  Hände  bekommen  hätten,  so 

374 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Pei-Pfng".  Abschnitt  Viw« 

hätten  sie  sie  nicht  als  Geld  behandelt,  sondern  als  eine 
Art  Wertpapier. 

Danach  hat  der  Rubelschein,  nachdem  die  russischen  Truppen 
bei  Nanshan  und  Tehlitze  geschlagen  worden  waren,  unter  den  Chinesen 
allgemein  keinen  Umlauf  gehabt.  Er  war  nur  gelegentlich  des  Kurs- 
sturzes eine  Art  Handelsobjekt  für  Kaufleute,  die  großen  Gewinn  er- 
zielen wollten.  Daher  hat  der  Rubelschein  auch  die  Requisitionen  der 
russischen  Truppen  und  die  Löhne  der  Kulis  nicht  zahlen  können. 
Aus  allem  diesem  geht  hervor,  daß  die  russischen  Truppen  chinesisches 
Geld  nötig  hatten. 

Wenn  es  auch  offenbar  ist,  daß  trotz  des  japanisch-russischen 
Krieges  die  Hauptprodukte  Niutschwangs,  Bohnen,  Bohnenkuchen  und 
Bohnenöl,  wie  auch  die  Reklamanten  behaupten,  verhandelt  worden 
sind,  so  besteht  daneben  doch  die  Tatsache,  daß  auf  der  anderen  Seite 
Kaufleute  in  Benutzung  der  Gelegenheit,  daß  die  russischen  Truppen 
chinesisches  Umlaufsgeld  nötig  hatten,  die  vermehrten  Rubelscheine 
billig  von  den  russischen  Truppen  kaufen  und  dadurch  großen  Gewinn 
erzielen  konnten.  Daher  stimmt  die  Behauptung  der  Reklamanten,  daß 
das  in  Streit  befangene  Silbergeld,  weil  jener  Warenhandel  in  Betrieb 
gewesen  sei,  auf  keinen  Fall  dem  Kriegsgebrauch  des  Feindes  gedient 
haben  würde,  nicht  mit  den  Tatsachen  überein.  Vielmehr  ist  es  natür- 
lich anzunehmen,  daß  zu  einer  solchen  Zeit  die  geschäftlich  scharf- 
sinnigen chinesischen  Kaufleute,  vor  allem  die  Bankunternehmer,  an- 
stelle ihrer  gewöhnlichen  Geschäfte  lieber  Rubelscheine  billig  von  den 
Russen  kaufen  und,  um  einen  außerordentlichen  Profit  zu  erzielen, 
<iie  Gefahr  eines  solchen  Geldimports  laufen  würden. 

Das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  ist  durch  Vermittlung  der 
Seetransportfirma  Tang  Ming  Chien,  welche  eine  volle  Ladung 
von  Kriegskonterbande  heimlich  nach  Niutschwang  zu  befördern  beab- 
sichtigt hatte,  zugleich  mit  dieser  Konterbande  auf  demselben  Schiff 
verladen  und  befördert  worden.  Dazu  ist  sein  Bestimmungsort  ein 
russischer  Etappenort  und,  wie  oben  dargetan,  bedurften  die  russischen 
Truppen  solchen  Geldes.  Daraus  muß  geschlossen  werden,  daß 
der  Zweck  der  Einfuhr  des  Geldes  der  gleiche  gewesen  ist  wie  der 
der  Einfuhr  der  übrigen  Konterbandeladung,  nämlich  Lieferung  zum 
Gebrauch  der  russischen  Truppen. 

Demnach  ist  es  durchaus  zutreffend,  wenn  das  Gericht  erster 
Instanz  die  Einziehung  des  Geldes  ausgesprochen  hat. 

Da  Personen,  welche  Schleichimport  treiben,  immer  genötigt  sind, 
mit  allen  Mitteln  den  Verdacht  abzulenken  und  die  Spuren  zu  verheim- 
lichen, so  kann  die  Tatsache,  daß  man  in  Shanghai  beim  Zollamt  öffent- 
lich die  Ausfuhrformalitäten  erfüllt  hat,  nicht  als  ein  Beweis  erachtet 
werden,  welcher  geeignet  sei,  der  obigen  Annahme  entgegenzustehen. 

375 


Abschnitt  VI"'  Prisengerichtsentscheidunflen:  „Pei-Ping"^ 

Wenn  man  die  von  den  Reklamanten  angeführten  Beweise  be- 
trachtet, so  können  sie  lediglich  zu  der  Vermutung  führen,  daß  in  jedem 
Jahre  Fälle  von  Einfuhr  kleinen  Silbergeldes  nach  Niutschwang  vor- 
kommen. Für  die  Behauptung  aber,  daß,  obgleich  eine  Gelegenheit, 
großen  Gewinn  zu  erzielen,  vorhanden  war,  diese  Gelegenheit  nicht 
berücksichtigt  worden  sei  und  das  Geld  für  die  alljährHch  wieder- 
.  kehrenden  Handelszwecken  dienen  sollte,  ist  keinerlei  Beweis  vorhanden. 

Die  Reklamanten  behaupten,  daß  es  nicht  zu  bestreiten  sei,  daß 
die  Verwendung  von  Silbergeld  sich  nicht  auf  die  russische  Armee  und 
Marine  beschränke,  sondern  daß  es  allgemein  im  kaufmännischen  Ver- 
kehr unter  den  Chinesen  verwendbar  sei.  Was  indes  das  von  den  Re- 
klamanten einzuführen  beabsichtigte  Silbergeld  angeht,  so  ist  aus  den 
Tatumständen  die  Annahme,  daß  dasselbe  zum  Gebrauch  der  russischen 
Truppen  dienen  würde,  ganz  offenbar  berechtigt.  Dasselbe  kann  daher, 
gerade  wie  auf  Grund  derselben  Tatumstände  der  gleichen  Annahme 
bei  Lebensmitteln  wie  Reis  und  Weizenmehl  nichts  im  Wege  stellt^ 
als  Konterbande  angesehen  werden. 

Da  ferner  der  Grund  dafür,  daß  Lebensmittel,  Geld  usw.,  wenn 
sie  nach  feindlichem  Gebiet  gehen  oder  zum  feindlichen  Kriegsgebrauch 
geliefert  werden  sollen,  als  Konterbande  gelten,  der  ist,  daß  man  da- 
gegen ist,  daß  solche  Güter  im  Ende  die  Kriegsfähigkeit  des  Feindes 
unterstützen,  so  ist  die  Frage,  ob  ihr  Bestimmungsort  ein  Kriegshafen 
oder  Blockadehafen  ist,  für  die  Bestimmung,  ob  ein  Konterbandetransport 
vorliegt  oder  nicht,  nicht  von  wesentlicher  Bedeutung.  Wenn  der  Be- 
stimmungsort ein  Kriegshafen  oder  ein  Blockadehafen  ist,  i>o  liefert 
das  nur  einen  Umstand,  welcher  die  Vermutung,  daß  die  dorthin  be- 
stimmten Güter  Konterbande  sind,  erleichtert.  Daher  ist  auch  dieser 
Punkt  der  Berufung  nicht  anzuerkennen. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  25.  Dezember  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


Reklamanten: Die  chinesischen  Staatsangehörigen  Chan  Yü  Po» 
und  Ching  Pu  Saw,  in  Firma  Ying  Yü  Hao,  aus  der  Provinz 
Canton,  Regierungsbezirk  Chowchow,  Haiyang  bzw.  Chaoyang. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Sakurai  Ikkyu,  Regierungs- 
bezirk Hiogo,  Kobe,  Kitanagasadori  sichome  Nr.  54. 

In  der  Prisensache  betreffend  Ladung  des  chinesischen  Dampfers 
„Pei-Ping"  wird,  wie  folgt,  entschieden: 

876 


PriMngerichtsentscheidungen:  ,,Pei-Ping".  Abschnitt  VI»' 

Urteilsformel: 
Die  unter  der  Ladung  des  Dampfers  „Pei-Ping''  befindlichen,  von 
der  Firma  Kai  Ping  Chiang  an  die  Firma  Ying  Yü  Hao  ver- 
sandten  8    Kisten   mexikanischer   Dollars   werden   eingezogen. 

Tatbestand  und  Gründe: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  8  Kisten  mexikanischer  Dollers 
bestehen  aus  Jdeinem  chinesischen  Silbergeld.  Sie  sind  von  dem  Fracht- 
geschäft Kai  PingChiangauf  dem  chinesischen  Dampfer  .,Pei-Ping" 
verschifft  und  am  5.  Juli  1904  an  Ying  Yü  Hao  abgesandt  v/orden. 
Als  am  17.  d.  M.  das  Kaiserliche  Kriegsschiff  „Hongkong  iMaru''  den 
Dampfer  „Pei-Ping"  wegen  Konterbandetransports  etwa  10  Seemeilen 
nordöstlich  von  Weihaiwei  in  China  aufbrachte,  wurden  auch  die  zur 
Verhandlung  stehenden  Güter  mit  Beschlag  belegt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Vertreters  des  Kommandanten  der  „Hongkong  Maru",  Leutnants  zur 
See  I  w  a  m  u  r  o  T  e  t  s  u  j  i  r  o ,  die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapi- 
täns A.  Mactag  gart,  des  Kompradors  Cheong  Sow  Wing,  des 
1.  Offiziers  H.  C  Atkinson,  die  Konnossemente  und  das  Ladungs- 
verzeichnis des  genannten  Dampfers. 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  der  Vertreter  der  Rekla- 
maüon  sind  folgende: 

Die  Reklamanten  betrieben  in  Niutschwang  ein  Geschäft,  in 
welchem  sie  Bohnen,  Bohnenkuchen  und  Bohnenöl  einkauften,  welches 
sie  nach  Shanghai  und  anderen  Plätzen  ausführten.  Sie  hätten  das 
zur  Verhandlung  stehende  Silbergeld  von  Shanghai  kommen  lassen, 
veii  die  Zeit  zum  Einkauf  ihrer  Handelswaren  gekommen  gewesen 
sei  und  weil  als  Resultat  der  Neigung  des  Handels  zu  einem  ein- 
seitigen Wechselverkehr  Kapital  nötig  gewesen  sei. 

Das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  sei  nicht  für  die  russische 
Armee  oder  Marine  bestimmt  gewesen  und  habe  auch  nicht  zu  ihrem 
Gebrauch  geliefert  werden  sollen.  Daher  sei  es  keine  Konterbande 
und  müsse  freigegeben  werden. 

Der  Reklamant  hat  zum  Beweise  dieser  Tatsachen  verschiedene 
Beweisstücke  eingereicht. 

Die   Hauptpunkte  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  sind  folgende: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  würden  nach  ihrer  .\n- 
kunft  in  Niutschwang  zum  Gebrauch  der  russischen  Truppen  gedient 
haben.  Sie  seien  daher  Kriegskonterbande  und  müßten  eingezogen 
Verden. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Wenn  Lebensmittel  oder  Geld  nach  einem  von  den  feindlichen 
Truppen  besetzten  Hafen  versandt  worden  sind,  so  kann  je  nach  den 

377 


Abschnitt  VI»'  Prisengerichtsentscheidungen:  „Pei-Ping''. 

Umständen  angenommen  werden,  daß  sie  zum  Gebrauch  dieser  Truppen 
dienen  vt^erden. 

Niutschwang  war  zur  fraglichen  Zeit  von  den  russischen  Truppen 
besetzt  und  diente  als  ein  Hauptetappenort.  Außerdem  hatte  das  russi- 
sche Kriegspapiergeld  durch  die  andauernden  Niederlagen  der  russi- 
schen Armee  und  Marine  sehr  an  Kredit  verloren,  und  es  ist  bekannt, 
daß  chinesisches  Metallgeld,  insbesondere  kleines  Geld  wie  das  zur 
Verhandlung  stehende  Silbergeld,  stark  benötigt  wurde,  um  der  täg- 
lichen Nachfrage  zu  entsprechen.  Es  muß  daher  angenommen  werden, 
daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Silbergeld  nach  Ankunft  in  Niu- 
tschwang sofort  zum  Gebrauch  der  genannten  Truppen  geliefert  worden 
wäre.  Es  wird  demnach  für  Kriegskonterbande  angesehen,  i)  und  weder 
die  Ausführungen  des  Vertreters  der  Reklamation  noch  die  von  ihm 
eingereichten  Beweisdokumente  sind  imstande,  diese  Annahme  umzu- 
stoßen. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden.  2) 

Verkündet  am  17.  Dezember  1904  im  Prisengericht  zu  Sasebo 
im  Beisein  des  Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurokuro. 

(Unterschriften.) 


Reklamanten:  Chan  Yü  Po  und  Ching  Pu  Saw,  chinesische 
Staatsangehörige,  in  Firma  Ying  Yü  Hao,  aus  China,  Provinz  Can- 
ton,   Regierungsbezirk  Chowchow,   Haiyang  bzw.   Chaoyang. 

Prozeßvertreter:  Die  Rechtsanwälte  TakagiToyozo,  Tokio, 
Kojimachiku,  Uchisaiwaicho  sichome  Nr.  3  und  Sakurai  Ikkyu,  Re- 
gierungsbezirk Hiogo,  Kobe,  Kita  agasadori  Nr.  54. 

Am  17.  Dezember  1904  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der 
Prisensache  betreffend  Ladung  des  Dampfers  „Pei-Ping'',  welcher  am 
17.  Juli  1904  auf  37 «  35  '  n.  Br.  und  122  0  23  '  ö.  L.  von  dem  Kaiserlichen 
Kriegsschiff  „Hongkong  Maru''  aufgebracht  worden  ist,  ein  Urteil  ge- 
fällt, in  welchem  auf  Einziehung  der  unter  der  Ladung  des  Dampfers 
„Pei-Ping"  befindlichen,  von  der  Firma  Kai  Ping  Chiang  an  die 
Firma  Ying  Yü  Hao  versandten  8  Kisten  mexikanischer  Dollars  er- 
kannt worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  haben  die  Reklamanten,  die  chinesischen  Staats- 
angehörigen Chang  Yü  Po  und  Ching  Pu  Saw,  in  Firma  Ying 


V  0  II.  Ziffer  2.  —  «)  V.  §  43. 
378 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Pei-Ping".  Abschnitt  VI»* 

Yü  Hao,  durch  die  Rechtsanwälte  Takagi  Toyozo  und  Sakurai 
Ikkyu  als  Prozeßvertreter  die  Berufung  eingelegt,  welche  im  Beisein 
der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku  und  Dr.  jur.  Ishiwatari 
B  i  n  i  c  h  i  beim  Oberprisengericht  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptberufungspunkte  der  Vertreter  der  Reklamation,  Ta- 
kagi Toyozo  und  Sakurai  Ikkyu,  sind  folgende: 

Es  werde  Aufhebung  des  am  17.  Dezember  1904  von  dem  Prisen- 
gericht in  Sasebo  abgegebenen  Urteils  auf  Einziehung  der  auf  dem 
chinesischen  Dampfer  „Pei-Ping"  verschifften  8  Kisten  mexikanischer 
Dollars  und  Freigabe  derselben  beantragt,  und  zwar  aus  folgenden 
Gründen : 

1-  Die  Reklamanten  betrieben  in  Niutschwang  ein  Ausfuhrgeschäft 
in  Bohnen,  Bohnenkuchen  und  Bohnenöl.  Bei  der  Ausfuhr  dieser 
Güter  nach  Shanghai  nähmen  sie  den  Preis  dafür  in  Shanghai  ein  und 
die  Übersendung  dieses  Geldes  nach  Niutschwang  werde  entweder  durch 
Ankauf  in  Niutschwang  zahlbarer  Wechsel  oder  in  Form  baren  Geldes 
bewerkstelligt.  Auch  in  Fällen,  wo  Bohnen,  Bohnenkuchen  und  Boh- 
nenöl von  Niutschwang  nach  anderen  Plätzen  wie  Shanghai  ausgeführt 
würden,  werde  der  Preis  bisweilen  in  Shanghai  gezahlt.  Denn  als 
Zentrum  des  chinesischen  Handels  sei  Shanghai  auch  der  Mittelpunkt 
des  Geldumlaufs.  So  habe  der  Agent  der  Reklamanten  in  Shanghai  das 
zur  Verhandlung  stehende  Geld  in  der  beschriebenen  Weise  im  Be- 
triebe des  Geschäfts  vereinnahmt,  bei  einem  Wechsler  gewechselt  und 
an  seine  Firma  Ying  Yü  Hao  in  Niutschwang  geschickt. 

Daß  bares  Silbergeld  geschickt  worden  sei,  habe  seinen  Grund 
darin,  daß  gerade  in  Niutschwang  die  Zeit  für  die  Ausfuhr  von  Bohnen, 
Bohnenkuchen  usw.  gekommen  gewesen  sei.  Denn  da  die  Exportfirma 
Ying  Yü  Hao  in  der  Regel  Zahlung  für  die  Bohnen  in  kleinem 
Silbergeld  leiste,  sei  es  nötig  gewesen,  bares  Geld  zu  schicken.  Das 
sei  einer  der  Gründe,  weshalb  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld 
in  bar  geschickt  worden  sei. 

Wenn  in  Niutschwang  Silbergeld  reichlich  und  der  Kurs  für  in 
Niutschwang  zahlbare  Wechsel  in  Shanghai  niedrig  gewesen  wäre,  so 
wäre  es  allerdings  nicht  nötig  gewesen,  daß  der  Agent  der  Reklamanten 
extra  Silbergeld  hätte  schicken  sollen.  In  Niutschwang  habe  es  aber 
an  Silbergeld  gefehlt,  und  der  Wechselkurs  auf  Niutschwang  sei  in 
Shanghai  so  hoch  gewesen,  daß  selbst  nach  Zahlung  der  Fracht  und 
Versicherung  die  Sendung  von  barem  Geld  immer  noch  geschäftlich 
vorteilhaft,  abgesehen  davon,  daß  sie  notwendig  gewesen  sei.  Das 
sei  der  zweite  Grund,  weshalb  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld 
in  bar  übersandt  worden  sei. 

Die  obigen  Tatsachen  gingen  hervor  aus  den  Beweisstücken 
Nummer  2,  3,  5  bis  7  und  9  bis  11. 

379 


Abschnitt  VI.M'  Prisengerichtsentscheidungeii:  „Pei-Ping". 

2.  Daß  der  Agent  der  Reklamanten  das  zur  Verhandlung  stehende 
Silbergeld  an  die  Firma  Ying  Yü  Hao  in  Niutschwang  jjeschickt 
habe,  sei,  wie  dargetan,  eine  für  eine  Exportfirma  natürliche  Maß- 
nahme, die  mit  den  russischen  Truppen  in  keinerlei  Beziehung  stehe. 
Wenn  man  annehme,  daß  es  zulässig  sei,  eine  derartige  reine  Handels- 
transaktion für  unerlaubt  zu  erklären,  und  die  auf  der  Reise  befindlichen 
Güter  einzuziehen,  so  bedeute  das  eine  Entziehung  des  Rechts  Gewerbe 
zu  treiben.  Von  etwas  dergleichen  aber,  wie  insbesondere  auch  davon, 
daß  neutralen  Staatsangehörigen  das  Recht  auf  ihr  gewöhnliches  Ge- 
werbe in  ihrem  eigenen  Lande  entzogen  werden  könne,  habe  man 
bislang  in  der  Praxis  und  der  Wissenschaft  des  Kriegsvölkerrechts  noch 
niemals  etwas  gehört. 

3.  Der  Dampfer  „Pei-Ping"  habe  seine  Absicht,  nach  Niutschwang 
und  anderen  Häfen  zu  gehen,  in  Shanghai-Zeitungen  bekannt  gemacht, 
und  der  englische  Konsul  habe  die  Abreise  des  Dampfers  zwecks  Güter- 
transports nach  Niutschwang  gutgeheißen.  Auch  das  Zollamt  in  Shang- 
hai habe  die  öffentlich  nach  Niutschwang  gehende  Ladung  passieren 
lassen.  Daher  habe  der  Agent  der  Reklamanten  ohne  weitere  Über- 
legung ganz  unbefangen  dem  Schiffe  das  zur  Verhandlung  stehende 
Silbergeld  zur  Beförderung  übergeben.  Demnach  sei  die  Beschlag- 
nahme, von  der  Einziehung  nicht  zu  reden,  im  höchsten  Grade  un- 
erwartet gekommen.  Wenn  man  das  Geld  wirklich  heimlich  habe  ab- 
senden wollen,  um  es  zum  Gebrauch  der  russischen  Truppen  zu  liefern, 
so  hätte  man  ein  so  öffentliches  Transportverfahren  nicht  wählen  sollen. 
Daß  man  aber  doch  ein  solches  Verfahren  eingeschlagen  habe,  liefere 
reichlichen  Grund  für  die  Vermutung,  daß  böser  Glaube  dabei  nicht 
vorgelegen  habe. 

4.  In  dem  Urteil  erster  Instanz  werde  zur  Begründung  folgendes 
gesagt: 

Niutschwang  sei  zur  fraglichen  Zeit  von  den  russischen 
Truppen  besetzt  gewesen  und  habe  als  ein  Hauptetappenort 
gedient.  Außerdem  habe  das  russische  Kriegspapiergeld 
durch  die  andauernden  Niederlagen  der  russischen  Armee 
und  Marine  sehr  an  Kredit  gelitten,  und  es  sei  bekannt, 
daß  chinesisches  Metallgeld,  insbesondere  kleines  Geld  wie 
das  zur  Verhandlung  stehende  Silbergeld,  benötigt  worden 
sei,  um  der  täglichen  Nachfrage  zu  entsprechen.  Es  müsse 
daher  angenommen  werden,  daß  das  zur  Verhandlung 
stehende  Silbergeld  nach  Ankunft  in  Niutschwang  sofort 
zum  Gebrauch  der  genannten  Truppen  geliefert  worden 
wäre. 
Daraufhin  aber,  daß  Niutschwang  ein  Hauptetappenort  der  russi- 
schen Truppen  sei,  annehmen  zu  wollen,  daß  alle  dorthin  eingeführten 

380 


Prisengerichtsentscbeidungen:  „Pe^Ping".  Abschnitt  Vit*' 

Güter  zum  Gebrauch  der  Truppen  geliefert  würden,  sei  unbillig  streng 
und  widerlaufe  auch  den  Tatsachen.  Daß,  wenn  auch  Niutschwang 
zur  fraglichen  Zeit  von  den  russischen  Truppen  besetzt  gewesen  sei, 
deshalb  der  Handel  Niutschwangs  nicht  in  Stillstand  geraten,  sondern 
tatsachlich  ausgeübt  worden  sei,  könne  man  aus  den  das  Beweisstück 
Nr.  15  bildenden  telegraphischen  Mitteilungen  der  Niutschwang-Filiale 
der  offenen  Handelsgesellschaft  Mitsui  Bussan  über  die  Handels- 
lage in  Niutschwang  bis  zum  Juli  des  vorigen  Jahres  entnehmen.  Wenn 
später  die  chinesische  Zollstatistik  für  das  Jahr  1904  erscheinen  werde, 
so  würden  diese  Tatsachen  sich  bestätigen. 

Selbst  angenommen,  die  russischen  Truppen  hätten  Geld,  wie 
das  zur  Verhandlung  stehende,  nötig  gehabt,  so  sei  es  doch  unsinnig, 
ohne  zu  fragen,  wem  es  gehöre,  anzunehmen,  daß  es  unbedingt  an 
die  Truppen  geliefert  worden  wäre.  Auch  sprächen  die  Tatsachen  nicht 
dafür:  vielmehr  müsse  grundsätzlich  angenommen  werden,  daß,  wenn 
die  Reklamanten,  welche  ein  Exportgeschäft  hätten,  von  Shanghai,  woher 
sie  ihre  Kapitalien  geliefert  bekämen,  nach  Niutschwang,  dem  Sitz  ihres 
Geschäfts,  Geld,  welches  zum  Betrieb  des  Geschäfts  erforderlich  sei, 
befördern  ließen,  dieses  Geld  im  Betriebe  des  Geschäfts  der  Rekla- 
manten zur  Verwendung  kommen  solle. 

Wenn  man  diese  natürliche  Vermutung  umstürzen  wolle,  so  be- 
dürfe es  dazu  unter  allen  Umständen  sicherer  Gründe  und  Beweise. 
Wenn  daher  das  Urteil  erster  Instanz  auf  die  dort  verzeichneten  vagen 
Gründe  hin  eine  Annahme  aufgestellt  habe,  welche  dieser  natürlichen 
Vermutung  widerspreche,  so  sei  das  auch  vom  Standpunkt  des  Beweis- 
rechts unzutreffend. 

5.  Silbergeld  sei  sogenannte  bedingungsweise  Konterbande.  Da 
es  danach  nur  in  den  beiden  Fällen:  (1)  daß  es  für  die  feindliche 
Armee  oder  Marine  bestimmt  sei;  (2)  daß  es  nach  feindlichem  Gebiet 
bestimmt  sei  und  angenommen  werden  müsse,  daß  es  zum  Gebrauch 
der  feindlichen  Armee  oder  Marine  dienen  würde,  Kriegskonterbande 
sei,  so  sei  es  nötig,  für  die  Behauptung,  daß  es  Konterbande  sei,  Be- 
weise beizubringen,  welche  dartäten,  daß  es  für  die  feindliche  Armee 
oder  Marine  bestimmt  gewesen  sei  oder  daß  es  zu  ihrem  Gebrauch 
habe  geliefert  werden  sollen. 

Wenn  man  also  bei  der  Annahme,  daß  Konterbande  nach  dem 
Fall  „(2)"  vorliege,  einfach  folgere,  daß  die  Güter,  weil  sie  nach  einem 
von  feindlichen  Truppen  besetzten  Ort  gesandt  würden,  auch  zum 
Kriegsgebrauch  des  Feindes  geliefert  werden  würden,  so  schließe  man 
aus  dem  Vorhandensein  der  ersten  der  beiden  Bedingungen,  welche 
dieser  Fall  erfordere,  ohne  weiteres  auf  das  Vorhandensein  auch  der 
z^^eiten  Bedingung.  Das  sei  im  Erfolg  dasselbe,  als  wenn  die  zweite 
Bedingung  überflüssigerweise  geschrieben  sei,  und  laufe  darauf  hinaus, 

381 


Abschnitt  VIM«  Prisengerichtsentscheidungen :  „Pei-Ping'^ 

daß  die  bedingte  Kriegskonterbande  des  Falls  ,,(2)"  keinen  Unterschied 
von  der  absoluten  Konterbande  aufweise,  so  daß  der  Sinn,  welcher  der 
Unterscheidung  dieser  beiden  zugrunde  liege,  völlig  zunichte  gemacht 
werde. 

Man  werde  aber  vielleicht  behaupten,  die  Grundlage,  auf  welche 
hin  das  Gericht  erster  Instanz  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld 
als  Konterbande  angesehen  habe,  beschränke  sich  nicht  nur  darauf, 
daß  das  Geld  nach  einem  vom  Feinde  besetzten  Platz  bestimmt  sei, 
sondern  es  sei  auch  noch  die  weitere  Begründung  beigefügt,  daß  die 
feindliche  Armee  oder  Marine  es  benutzen  werde. 

Demgegenüber  sei  aber  folgendes  zu  bemerken:  Jedermann  könne 
in  allen  Umständen  Geld  gebrauchen,  und  die  Verwendbarkeit  desselben 
beschränke  sich  nicht  auf  die  russische  Armee  und  Marine.  Wenn 
demnach  dafür,  daß  nur  die  russische  Armee  oder  Marine  das  zur 
Verhandlung  stehende  Geld  gebrauchen  werde,  keine  besonderen  Gründe 
vorlägen,  so  gebe  die  oben  genannte  weitere  Begründung  des  Urteils 
erster  Instanz  auf  die  Frage,  inwiefern  die  Annahme  berechtigt  sei, 
daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  bei  den  russischen  Truppen 
zur  Verwendung  kommen  werde,  die  Antvc^ort,  man  müsse  annehmen, 
daß  es  bei  den  russischen  Truppen  zur  Verwendung  gekommen  wäre, 
weil  diese  es  zu  verwenden  genötigt  gewesen  seien.  Das  sei  Beant- 
wortung einer  Frage  mit  derselben  Frage. 

Obwohl  den  Reklamanten  die  Beweislast  nicht  obliege,  hätten  sie 
ihre  Behauptung,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  weder  an 
die  russischen  Truppen  bestimmt,  noch  zu  ihrem  Gebrauch  zu  liefern 
gewesen,  daß  es  vielmehr  zur  Deckung  des  Bedarfs  in  dem  Geschäft 
der  Reklamanten  versandt  worden  sei,  mit  verschiedenen  beweiskräftigen 
Tatsachen  und  Gründen  belegt.  Der  Staatsanwalt  habe,  ohne  dagegen 
einen  einzigen  Gegenbeweis  vorzubringen,  diese  Erklärung  der  Rekla- 
manten verworfen,  und  die  Entscheidung  des  Gerichts  erster  Instanz,, 
welches  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  beipflichte,  sei  daher  auch  vom 
Standpunkt  der  Beweisführung  rechtswidrig. 

6.  Es  sei  freilich  nicht  zu  leugnen,  daß  Niutschwang  nicht  nur 
zur  Zeit  der  Aufbringung,  sondern  schon  seit  der  Zeit  vor  dem  japanisch- 
russischen Krieg  unter  russischer  Gewalt  gestanden  habe.  Aber  man 
müsse  dies  besetzte  Gebiet  nicht  einem  gewöhnlichen  Okkupations- 
gebiet gleichstellen.  Denn  Niutschwang  sei  ein  dem  Handel  der  Mächte 
offenstehender  Hafen  und  kein  Kriegs-  oder  Blockadehafen.  Es  könne 
nicht  mit  nur  während  des  Krieges  besetzten  Gebieten,  wie  zum  Beispiel 
der  Song  To-Bucht,  der  Taubenibucht  und  der  Sho  Ping-Insel  bei 
Port  Arthur  auf  eine  Stufe  gestellt  werden.  Wenn  relative  Konter- 
bandegüter, d.  h.  Güter,  wie  sie  im  §  14  der  Seeprisenordnung  3)  auf- 

382 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Pei-Ping".  Abschnitt  VIi*< 

gestellt  seien,  nach  der  Song  To-Bucht  usw.  bestimmt  wären,  so  werde 
jedermann  dem  zustimmen,  wenn  man  annehme,  daß  sie  direkt  für  die 
russischen  Truppen  bestimmt  seien  und  daher  als  Kriegskonterbande 
eingezogen  werden  müßten.  Wenn  man  aber  einen  solchen  Fall  und 
den  Fall,  wo  die  Güter  nach  Niutschwang  bestimmt  seien,  gleichstelle, 
so  entspreche  das  nicht  dem  wahren  Sinn  der  japanischen  Seeprisen- 
ordnung und  des  Völkerrechts  über  die  Behandlung  neutralen  Gutes. 
Besonders  seien  auch  die  zur  Verhandlung  stehenden  Silbermünzen 
kuraiites  Geld,  wie  es  unter  den  Chinesen  und  den  in-  und  aus- 
ländischen Kaufleuten  Kurs  habe.  Von  anderen  Konterbandegütern, 
^'ie  Lebensmitteln  und  dergleichen,  sei  es  weit  verschieden,  imd  es 
lägen  Gründe  vor,  nach  denen  man  nicht  auf  Gebrauch  seitens  der 
Truppen  schließen  müsse.  Beispielsweise  sei  zwischen  Lebensmitteln, 
Vielehe  zum  Gebrauch  für  die  Russen,  und  solchen,  welche  zum  Ge- 
brauch für  die  Chinesen  dienen  sollten,  ein  großer  Unterschied,  so 
daß  man,  wenn  Lebensmittel,  welche  für  Russen  geeignet  seien,  in 
großer  Menge  nach  Niutschwang  bestimmt  würden,  diese  wohl  als 
Konterbande  ansehen  könne.  Geld  sei  aber  nicht  nur  bei  Truppen 
verwendbar,  und  da  auch  die  Menge  des  hier  versandten  Geldes  im 
Handel  mit  den  großen  Mengen  Bohnen,  Bohnenkuchen  and  Bohnen- 
öl  keinen  Überschuß  lassen  würde,  so  könne  man  es  nicht  mit  Lebens- 
mitteln vergleichen  und  als  Truppenbedarf  ansehen. 

7.  Niutschwang  sei  ein  Handelshafen.  Daher  müsse  man  einen 
Fall  von  bedingter  Kriegskonterbande,  wie  Geld,  besonders  sorgfältig 
überlegen.  Deshalb  werde  besonders  die  rechtliche  Auffassung  der 
Stellung  Niutschwangs  der  Beachtung  empfohlen,  welche  mit  der 
diplomatischen  Frage  über  den  Handel  mit  Bohnen,  Bohnenkuchen  und 
Bohnenöl  eng  verknüpft  sei.  Dieselbe  sei  folgende:  Die  Verhandlungen 
betreffend  die  Frage,  ob  die  Ausfuhr  von  Bohnen,  Bohnenkuchen  usw. 
aus  Niutschwang  verboten  werden  solle,  hätten  zu  dem  Resultat  ge- 
führt, daß  die  Ausfuhr  gestattet  sein  solle,  wenn  garantiert  würde, 
daß  die  Güter  nicht  beim  Militär  zur  Verwendung  kommen  würden. 
Dieses  sei  der  Kaiserlichen  Regierung  mittels  Berichts  des  in  China 
akkreditierten  Kaiserlichen  Gesandten  vom  18.  April  1904  mitgeteilt 
worden,  und  Japan  habe  diese  Tatsache,  daß  die  Bohnen,  Bohnen- 
kuchen usw.  nach  japanischen  Häfen  ausgeführt  werden  würden,  mit 
Freuden   begrüßt. 

Wenn  daher  auch  Niutschwang  von  den  russischen  Truppen  be- 
setzt gewesen  sei,  so  sei  es  doch  ein  diplomatisches  Faktum,  daß  der 
Handel  mit  Bohnen,  Bohnenkuchen  usw.  von  Japan,  Rußland,  China 
und  anderen  neutralen  Staaten  gutgeheißen  sei.  Darin  liege  ein  wich- 
tiger Grund,  weshalb  die  vorliegende  Sache  nicht  allein  daraufhin,  daß 
Rußland  Niutschwang  besetzt  habe,  entschieden  werden  könne. 

ä83 


Abschnitt  VI  1*^  Prisengerichtsentscheidungen:  „Pei-Ping''. 

Denn  wenn  die  Mächte  so  den  Handel  mit  Bohnen,  Bohnenkuchen 
usw.  übereinstimmend  gestattet  hätten,  so  falle  auch  das  Resultat  dieses 
Handels,  nämlich  daß  die  Kaufleute  den  Preis  für  die  verkauften  Waren 
in  Empfang  nähmen,  in  den  Bereich  dieses  übereinstimmend  gestatteten 
Handels.  Demnach  könne  das  Silbergeld,  welches  als  Preis  für  die 
Bohnen,  Bohnenkuchen  usw.  eingenommen  sei,  vorausgesetzt,  daß  es 
nicht  an  die  russischen  Truppen  gehe,  nicht  eingezogen  werden. 

Daß  aber  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  der  Kaufpreis  für 
frühere  Bohnen,  Bohnenkuchen  usw.,  sowie  Kapital  für  den  auch  in 
Zukunft  gestatteten  Einkauf  derselben;  und. daß  es  kleines  Oeld  sei, 
wie  es  für  solche  Einkäufe  nötig  sei;  kurz,  daß  es  in  jeder  Beziehung 
im  Rahmen  harmlosen  Handelsverkehrs  stehe,  alles  dies  gehe  aus  den 
eingereichten  Beweisen  klar  hervor. 

Da  die  Absicht  des  Völkerrechts  und  der  Seeprisenordnung  dahin 
gehe,  die  Rechte  neutraler  Staatsangehöriger  zu  achten,  so  werde  um 
äußerste  Unparteilichkeit  bei  Beurteilung  der  zum  Beweise  ungefälschter 
Tatsachen   eingereichten   Beweisdokumente  gebeten. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  der  Staatsanwälte  beim  Prisen- 
gericht zu  Sasebo,  Mizukami  Chojiro  und  Yamamoto 
Tatsurokuro,  sind  folgende: 

1.  Die  zur  Verhandlung  stehenden  acht  Kisten  Silbergeld  im 
Betrage  von  72  000  Dollar  sollten  nach  Aussage  der  Reklamanten  Kauf- 
geld für  Bohnen^  Bohnenkuchen  und  Bohnenöl  sein.  Wenn  dem  so 
sei,  so  sei  es  für  die  zur  Verhandlung  stehende  Sache  von  der  aller- 
größten Bedeutung  zu  wissen,  wann  und  wo  und  an  wen  die  Ware 
verkauft  sei,  für  welche  das  Geld  der  Preis  sei.  Ober  diese  wichtigen 
Tatsachen  hätten  indes  die  Reklamanten  keinerlei  Beweis  erbracht.  Sie 
hätten  lediglich  im  allgemeinen  auf  den  Charakter  ihrer  Firma  hin- 
gewiesen und  dargetan,  daß  die  Handelsgewohnheit  bestehe,  den  Preis 
für  Exportgüter  des  friedlichen  Handels  in  Shanghai,  der  Zentrale  des 
chinesischen  Handels,  einzunehmen,  und  daß  die  Übersendung  des 
Geldes  nicht  unbedingt  durch  Wechsel,  sondern  in  Fällen,  wo  es  vorteil- 
haft sei,  bares  Geld  zu  schicken,  auch  in  bar  geschehe.  Daß  dies  nicht 
ausreiche,  um  zu  begründen,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld 
nicht  zum  Gebrauch  der  russischen  Truppen  habe  geliefert  werden 
sollen,  sei  selbstverständlich.  Außerdem  sei  dies  das  erste  Mal  gewesen, 
daß  die  Reklamanten  bares  Geld  nach  Niutschwang  gesandt  hätten. 
Dies  werde  bewiesen  durch  das  Zeugnis  des  Tang  Ming  Chien, 
Chefs  der  Transportfirmen  Kai  Ping  Chiang  und  Shang  Fa  Yun 
in  Shanghai,  welches  dieser  am  26.  September  1904  im  Prisengerichts- 
hof zu  Sasebo  auf  die  Frage  des  Staatsanwalts  abgelegt  habe  und  welches 
besage 

384 


PriieBgerichtsentscheidungen:  „Pei-Plng''.  Abschnitt  Vit*' 

Er    habe    Ying    Yü    Hao,    Yu    Shing    Yuen    und 
Yu  Shing  Yuen  schon  von  früher  gekannt;  Transporte 
habe  er  aber  für  diese  Firmen  erst  jetzt  zum  ersten  Male  über- 
nommen.   Seit  50  Jahren  betreibe  er  sein  Transportgeschäft 
in  Shanghai,  und  außer  durch  seine  Firmen  gehe  kein  Stück 
Ausfuhrgut  nach  Niutschwang.    Der  Transport  der  in  den 
Prisensachen  „Pei-Ping"  und  „Hsi-Ping"  befangenen  Güter 
Hege  ausschließlich  in  seiner  Hand. 
Nach  diesem  Zeugnis  hätten  die  Reklamanten  früher  kein  bares  Geld 
nach  Niutschwang  gesandt.    Außerdem  könnten  sie  auch  nicht  beweisen, 
daß  nach  dem  damaligen  Wechselkurs  in  Niutschwang,  selbst  nach  Ab- 
zug der  Kommission,  Fracht-  und  Versicherungskosten,  noch  ein  Vorteil 
bei  der  Barsendung  vorhanden  sei. 

Dagegen  sei  Niutschwang  von  den  Russen  okkupiertes  Gebiet  und 
ein  Hauptetappenort  gewesen;  sodann  sei  es  bekannt,  daß  infolge  der 
andauernden  Niederlagen  der  russischen  Truppen  zu  Wasser  und  zu 
Lande  der  Kredit  des  Papiergeldes  in  Liaotung  und  in  der  Mandschurei 
verloren  gegangen  sei,  so  daß  die  russischen  Truppen  für  die  laufenden 
kleinen  Zahlungen  kleines  Geld  nötig  gehabt  hätten.  Daher  habe  das 
zur  Verhandlung  stehende  Geld  wohl  in  der  Hoffnung  auf  großen  Ver- 
dienst an  die  russischen  Truppen  geliefert  werden  sollen,  und  man  müsse 
vermuten,  daß  der  Transport  des  baren  Geldes,  welcher  so  große  Kosten 
und  so  großes  Risiko  bedingt  habe,  im  Hinblick  darauf  unternommen 
worden  sei. 

Wenn  daher  das  Urteil  erster  Instanz  in  dem  Transport  des  zur 
Verhandlung  stehenden  Silbergeldes  kein  reines  Handelsunternehmen 
erblickt,  sondern  auf  Grund  der  Annahme,  daß  das  Geld  nach  An- 
kunft in  Niutschwang  zum  Gebrauch  der  feindlichen  Truppen  gedient 
haben  würde,  die  Einziehung  verfügt  habe,  so  sei  das  nicht  unzutreffend. 
Zur  Einziehung  von  Gütern  auf  Grund  der  Annahme,  daß  sie  zum 
Gebrauch  der  feindlicher!  Armee  oder  Marine  geliefert  werden  würden 
und  daher  Konterbande  seien,  sei  es  nicht  unbedingt  erforderlich  dar- 
zulegen, daß  diese  Annahme  sich  auf  Beweise  gründe.  Im  Falle,  daß 
nach  der  Art  der  Güter,  den  Verhältnissen  des  Einfuhrorts  und  anderen 
Umständen  angenommen  werden  könne,  daß  die  Güter  zum  Gebrauch 
der  feindlichen  Armee  oder  Marine  geliefert  werden  würden,  habe  das 
Prisengericht  hierüber  nach  freier  Überzeugung  zu  befinden. 

Wenn  auch  der  Handel  mit  Kriegskonterbande  eine  Handlung 
sei,  welche  die  Freiheiten  des  öffentlichen  neutralen  Handels  genieße, 
so  würden  doch,  um  der  Gefahr  der  Wegnahme  zu  entgehen,  ver- 
schiedene Mittel  ausgedacht,  und,  wenn  man  Kriegskonterbande  trans- 
portiere, so  gebe  man  sich  ganz  allgemein  den  Anschein,  als  ob  kein 
Kriegskonterbandetransport  vorliege.    So  sei  es  natürlich,  daß  man  Güter 

Marstrand-Meolileiibnrff,  Das  japanische  Prisenrecht.    Band  I.        (25)  OoD 


Abschnitt  Vl^^  Prisengerichtsentscheidungen:  „Pei-Ping'^ 

nicht  mit   Konnossementen,   welche  offen   an   die  Truppen   adressieit 
seien,  versende. 

Das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  sei  kleines  Silbergeld,  welches 
in  den  amtlichen  chinesischen  Münzen  geprägt  worden  sei.  Da  es 
überall  in  China  Kurs  habe,  so  könne  man  selbstredend  aus  der  einen 
Tatsache,  daß  es  nach  Niutschwang  befördert  worden  sei,  nicht  ohne 
weiteres  schließen,  daß  es  zum  russischen  Kriegsgebrauch  habe  dienen 
sollen.  Indes  sei  Niutschwang  zu  der  fraglichen  Zeit  ein  russischer 
Hauptetappenort  gewesen;  die  russischen  Truppen  seien  dadurch,  daR 
ihr  Kriegspapiergeld  infolge  der  andauernden  Niederlagen  den  Kredit 
verloren  gehabt  habe,  gezwungen  gewesen,  kleines  chinesisches  Silber- 
geld zu  verwenden;  die  „Pei-Ping",  auf  der  das  zur  Verhandlung 
stehende  Silbergeld  verschifft  worden  sei,  sowie  die  zu  gleicher  Zeit 
gereiste  „Hsi-Ping"'  seien  mit  einer  großen  Menge  von  Konterbande- 
gütern vollbeladen  gewesen  und  insbesondere  bezüglich  der  Lebens- 
mittel und  Getränke  könne  ihrer  Art  wegen  niemand  bestreiten,  daß 
sie  für  den  russischen  Etappen  bedarf  hätten  geliefert  werden  sollen. 
Wenn  man  diese  verschiedenen  Tatumstände  zusammenhalte,  um  daraus 
den  Tatbestand  des  vorliegenden  Falles  zu  entnehmen,  so  könne  man 
freilich  nicht  behaupten,  daß  sie  eine  direkte  Begründung  für  die  Tat- 
sache darstellten,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  nur  von 
den  russischen  Truppen  gebraucht  worden  wäre;  es  sei  aber  zum 
mindesten  nicht  schwer,  daraus  zu  entnehmen,  daß  es  mit  den  Lebens- 
mitteln zusammen  zum  Gebrauch  der  russischen  Truppen  habe  dienen 
sollen. 

Es  sei  eine  unbegründete  Klage,  wenn  die  Reklamanten  sagten, 
es  sei  vom  Standpunkt  der  Beweisführung  widerrechtlich, 
daß  das  Gericht,  obwohl  die  Reklamanten,  ohne  daß  ihnen  die 
Beweispflicht  obliege,  ihren  Argumenten  verschiedene  stich- 
haltige Beweise  und  Fakta  zugrunde  gelegt  hätten,  sich  der 
Ansicht  des  Staatsanwalts  angeschlossen  habe,  welcher  auch 
nicht  den  geringsten  Gegenbeweis  vorgebracht  habe. 
Die  Reklamanten  in  Prisensachen  seien  verschieden  von  strafrecht- 
lichen Angeklagten,  und  es  sei  keineswegs  der  Fall,   daß  ihnen   keine 
Beweispflicht  obliege.     Vielmehr  müßten   sie   dafür,   daß   ihre   Güter, 
obwohl  sie  nach  einem  vom  Feinde  besetzten  Platz  gingen,  nicht  zum 
Kriegsgebrauch  des  Feindes  geliefert  werden  sollten,  oder  für  die  Be- 
hauptung,  daß  es  sich   um   einen   friedlichen   Transport   handele,   die 
Gründe  darlegen.    Da  nun,  wie  schon  oben  dargetan,  die  Reklamanten 
weder  Beweise  noch  auch  Gründe,  welche  die  von  dem  Staatsanwalt 
präsumierten  Tatsachen  umstießen,  vorgebfacht  hätten,  so  sei  es  für  den 
Staatsanwalt   nicht   nötig,  einen    Gegenbeweis   zu  erbringen    und   daß 
er  ihn  nicht  erbracht  habe,  sei  als  ganz  natürlich  anzusehen. 

386 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Pei-Ping".  Abschnitt  Vin^ 

Daher  sei  die  Berufung  abzuweisen. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

Es  bedarf  keiner  Erörterung,  daß  Niutschwang  zu  dem  chinesischen 
Hoheitsgebiet  gehört  und  kein  russisches  Territorium  ist.  Der  Kaiser- 
liche Konsul  in  Niutschwang,  Segawa,  hat  berichtet,  daß 

Rußland,  seitdem  es  diesen  Platz  besetzt  gehabt,  dort  eine 
Zivilverwaltungsbehörde  eingerichtet  und   bis  zum   25.  Juli 
1904   die   Flagge  eines  Zivilverwaltungsamts  geführt  habe. 
Dies  habe  mit  dem  Morgen  jenes  Tages  plötzlich  aufgehört,, 
und  es  sei  wieder  die  Konsulatsflagge  geheißt  worden.  Beim 
Eindringen  unserer  Truppen  sei  die  französische  Flagge  auf- 
gezogen worden. 
Es  ist  somit  bekannt,  daß  zur  Zeit,  als  die  in  Streit  befangenen 
Gelder  aufgebracht  wurden,  Niutschwang  tatsächlich   unter  russischer 
Verwaltung  stand.    Der  Feind  hatte  dort  nicht  nur  viele  Truppen  liegen, 
sondern  auch  einen  Hauptetappenort  eingerichtet.    Wenn  daher  Güter 
dorthin  befördert  wurden,  so  muß  das  ebenso  angesehen  werden,  als 
ob  dieselben  nach  feindlichem  Gebiet  bestimmt  seien.*)    Da  es  dem- 
nach offenbar  ist,  daß  die  Tatumstände  zu  der  Annahme  berechtigen, 
daß  auch   das  zur  Verhandlung  stehende,  von   den   Reklamanten  für 
die  Einfuhr  nach  Niutschwang  bestimmte  Silbergeld  zum  Kriegsgebrauch 
gedient  haben  würde,  so  muß  man  sagen,  daß  es  die  Voraussetzungen, 
welche  es  zur  Konterbande  machen,  erfüllt.^) 

In  einem  Bericht  des  obengenannten  Kaiserlichen  Konsuls  heißt 
es,  daß 

die  russische  Regierung  beim  Beginn  des  Baues  der 
Mandschurischen  Eisenbahn  anfänglich  alle  Zahlungen  in 
Gold  geleistet  habe.  Ein  oder  zwei  Jahre  später  habe  sie 
daneben  Papierrubel  benutzt  und  den  Chinesen  gesagt, 
zwischen  dem  Metall  und  dem  Papier  sei  kein  Unterschied. 
Dann  habe  sie,  um  dem  Papier  Kredit  zu  verschaffen,  nach 
und  nach  das  Gold  zurückgezogen  und  das  Papier  vermehrt. 
Im  Jahre  1902  sei  es  dahin  gekommen,  daß  man  in  der 
Mandschurei  russisches  Goldgeld  nur  sehr  selten  in  Um- 
lauf gesehen  habe.  Damals  habe  aber  die  russisch-chinesische 
Bank  schon  an  verschiedenen  wichtigen  Plätzen  Nieder- 
lassungen errichtet.  In  diesen  Banken  sei  das  Papier  zum 
Tageskurse  gegen  Silbergeld  eingelöst  worden,  und  in  der 
Mandschurei  habe  dabei  ein  Papierrubel  einen  Tauschkurs 
von  1  Dollar  30  Cents  bis  1  Dollar  40  Cents  Silbergeld  ge- 
habt.    Als  indessen   seit   Herbst   1903   die   Gerüchte   über 

*)  V.  §  5.  —  *)  II.  Ziffer  2. 

(25*)  387 


Abschnitt  Vin^  Prisengerichtsentscheidungen :  „Pei-Ping". 

einen  Krieg  zwischen  Japan  und  Rußland  in  Blüte  gestanden 
hätten,   habe  es  unter  den  Chinesen  geheißen,  daß,  wenn 
nach  dem  Ausbruch  des  Krieges  die  Russen  einmal  unter- 
liegen würden,  die  russischen  Papierrubel  nicht  mehr  ge- 
wechselt werden  könnten  und  nur  noch  den  Wert  von  altem 
Papier  haben  würden.    Vom  November  oder  Dezember  d.  J. 
bis  zum  Ausbruch  des  Krieges  im  Februar  1904  habe   der 
Umlauf  des  Papiergeldes  eine  starke  Abnahme  erfahren,  und 
dasselbe  sei  von  1  Dollar  30  bis  40  Cents  häufig  auf  1  Dollar 
10  Cents  gefallen,   und   nur,   dank  den   Bestrebungen   der 
Niederlassungen  der  russisch-chinesischen  Bank  in  den  ver- 
schiedenen   Orten    den    Kredit    des    Papiergeldes    aufrecht- 
zuerhalten,  sei   es   nicht   dazu   gekommen,   daß   sein    Um- 
lauf  ganz   ins   Stocken   geraten   sei.     Als  aber   die   Nach- 
richten von  den  Niederlagen  bei  Nanshan  und  Tehlitze  nach 
Kaiping  und  Yingkow  kamen,  hätten  die  Chinesen,  welche 
Papierrubel  gehabt  hätten,  darin  gewetteifert,  diese  zu  ver- 
kaufen.    Der  Rubel  sei  damals  bis  auf  70  oder  80  Cents 
gefallen.     Aber  da  in  Tientsin   und   Shanghai   Papierrubel 
immer  zum  Tageskurs  gegen  Silbertaels  gewechselt  werden 
könnten,  so  hätten  die  Geldwechsler  in  Yingkow,  wenn  das 
russische  Papiergeld  gefallen  gewesen  sei,  dieses  aufgekauft, 
nach  Shanghai  geschickt  und  dort  mit  ungeheurem  Gewinn 
wieder  eingetauscht. 
Nach   diesem   Bericht  zu   urteilen,  erregte  also   der  Rubelschein 
schon  beim  Beginn  des  japanisch-russischen  Krieges  im  Verkehr  unter  den 
Chinesen  ganz  allgemein  Verdacht  und  Mißtrauen,  und  es  zeigte  sich 
die  Tendenz,  daß  er  schließlich  gänzlich  den  Kredit  verlieren  würde. 
Als   die   Nachricht  von   den   Niederlagen    bei   Nanshan    und   Tehlitze 
nach  Yingkow  gekommen  war,  traf  freilich  die  russisch-chinesische  Bank 
sorgfältige  Maßnahmen,  um  das. alte  Verhältnis  wiederherzustellen;  es 
kam.  aber  trotzdem  zu  einem  großen  Sturz.    Als  sodann  immer  mehr 
Nachrichten  von  dem  weiteren  Kampf  und  Sieg  der  japanischen  Truppen 
kamen,  war  die  Lage  so,  daß  es  sich  auf  keine  Weise  mehr  vermeiden 
ließ,  daß  der  Rubel  unter  den  Chinesen  ganz  allgemein  seinen  Kurs 
verlieren   würde.     Es  ist  daher  ganz  klar,   daß  die  Situation   derartig 
war,  daß  die  russischen  Truppen  zu  der  Zeit,  wo  das  zur  Verhandlung 
stehende  Silbergeld  befördert  wurde,  zur  Requisition  des  Kriegsbedarfs 
und  zur  Bezahlung  der  Kulis  den  Papierrubel  nicht  ohne  weiteres  ver- 
wenden  konnten.     Daher  ist  es  offenbar,  daß  chinesisches  Silbergeld 
zu  jener  Zeit  für  die  russischen  Truppen  unentbehrlich  geworden  war. 
Ferner  besagt  der  Bericht  des  Kaiserlichen  Generalkonsuls  I  j  u  i  n 
in  Tientsin  über  die  russischen  Papierrubelscheine : 

388 


Prisengerichtsentscheidungen:  ,Pei-Ping'.  Abschnitt  VI»' 

Mit  der  Eröffnung  des  Krieges  zwischen  Japan  und  Rußland 
seien  unter  vielen  Chinesen  Zweifel  über  die  Einlösbarkeit 
der  Rubelscheine  aufgekommen.    Man  habe  gefürchtet,  daß 
sie    Fälschungen    seien,    und    der  Kredit  sei  beeinträchtigt 
worden.     Auch  unter  den  Russen  und  den  russischen  Re- 
gierungslieferanten  seien   nur  sehr  wenig  Rubelscheine  in 
Verkehr  gewesen,  wenn  man  auch  nicht  behaupten  könne, 
daß  sie  absolut  keinen  Umlauf  gehabt  hätten.     Wenn  die 
Banken    in   Tientsin    sie   in   die   Hand   bekommen    hätten, 
hätten  sie  sie  nicht  als  Geld  behandelt,  sondern  als  eine 
Art  Wertpapier. 
Danach   hat  der  Rubelschein,   nachdem   die  russischen   Truppen 
bei  Nanshan  und  Tehlitze  geschlagen  worden  waren,  unter  den  Chinesen 
allgemein  keinen  Umlauf  gehabt.     Er  war  nur  gelegentlich  des  Kurs- 
sturzes eine  Art  Handelsobjekt  für  Kaufleute,  die  großen  Gewinn  erzielen 
^sollten.    Daher  hat  der  Rubelschein  auch  die  Requisitionen  der  russi- 
schen Truppen  und  die  Löhne  der  Kulis  nicht  zahlen  können.  Aus  allem 
diesen  geht  klar  hervor,  daß  die  russischen  Truppen  chinesisches  Geld 
nötig  hatten. 

Wenn  es  auch  offenbar  ist,  daß  trotz  des  japanisch-russischen 
Krieges  die  Hauptprodukte  Niutschwangs  Bohnen,  Bohnenkuchen  und 
Bohnenöl,  wie  auch  die  Reklamanten  behaupten,  verhandelt  worden 
sind,  so  bestand  daneben  doch  die  Tatsache,  daß  auf  der  anderen  Seite 
Kaufleute  in  Benutzung  der  Gelegenheit,  daß  die  russischen  Truppen 
chinesisches  Umlaufsgeld  nötig  hatten,  die  vermehrten  Rubelscheine 
billig  von  den  russischen  Truppen  kaufen  und  dadurch  großen  Gewinn  er- 
zielen konnten.  Daher  stimmt  die  Behauptung  der  Reklamanten,  daß  das 
in  Streit  befangene  Silbergeld,  weil  jener  Warenhandel  in  Betrieb  ge- 
wesen sei,  auf  keinen  Fall  dem  Kriegsgebrauch  des  Feindes  gedient 
haben  würde,  nicht  mit  den  Tatsachen  überein.  Vielmehr  ist  es  natür- 
lich anzunehmen,  daß  zu  einer  solchen  Zeit  die  geschäftlich  scharfsinnigen 
chinesischen  Kaufleute,  vor  allem  die  Bankunternehmer,  anstelle  ihrer 
gewöhnlichen  Geschäfte  lieber  Rubelscheine  billig  von  den  Russen  kaufen 
und,  um  einen "  außerordentlichen  Profit  zu  erzielen,  die  Gefahr  eines 
solchen  Qeldimports  laufen  würden.  Das  zur  Verhandlung  stehende 
Geld  ist  durch  Vermittlung  der  Seetransportfirma  TängMingChien, 
welche  eine  volle  Ladung  von  Kriegskonterbande  heimlich  nach  Niu- 
tschwang  zu  befördern  beabsichtigt  hatte,  zugleich  mit  dieser  Konter- 
bande auf  demselben  Schiff  verladen  und  befördert  worden.  Dazu 
ist  sein  Bestimmungsort  ein  russischer  Etappenort  und,  wie  oben 
dargetan,  bedurften  die  russischen  Truppen  solchen  Geldes.  Daraus  muß 
geschlossen  werden,  daß  der  Zweck  der  Einfuhr  des  Geldes  der  gleiche 
gewesen  ist  wie  der  der  Einfuhr  der  übrigen  Konterbandeladung,  näm- 

389 


Abschnitt  VI^^  Prisengerichtsentscheidungen:  .Pei*Ping*. 

lieh  Lieferung  zum  Gebrauch  der  russischen  Truppen.  Demnach  ist  es 
durchaus  zutreffend,  wenn  das  Gericht  erster  Instanz  die  Einziehung 
des  Geldes  ausgesprochen  hat. 

Da  Personen,  welche  Schleichimport  treiben,  immer  genötigt  sind, 
mit  allen  Mitteln  den  Verdacht  abzulenken  und  die  Spuren  zu  verheim- 
lichen, so  kann  die  Tatsache,  daß  man  in  Shanghai  beim  Zollamt  öffent- 
lich die  Ausfuhrformalitäten  erfüllt  hat,  nicht  als  ein  Beweis  erachtet 
werden,  welcher  geeignet  sei,  der  obigen  Annahme  entgegenzustehen. 

Wenn  man  die  von  den  Reklamanten  angeführten  Beweise  be- 
trachtet, so  können  sie  lediglich  zu  der  Vermutung  führen,  daß  in  jedem 
Jahre  Fälle  von  Einfuhr  kleinen  Silbergeldes  nach  Niutschwang  vor- 
kommen. Für  die  Behauptung  aber,  daß,  obgleich  eine  Gelegenheit, 
großen  Gewinn  zu  erzielen,  vorhanden  war,  diese  Gelegenheit  nicht 
berücksichtigt  worden  sei  und  das  Geld  für  die  alljährlich  wieder- 
kehrenden Handelszwecke  dienen  sollte,  ist  keinerlei  Beweis  erbracht 
worden. 

Die  Reklamanten  behaupten,  daß  es  nicht  zu  bestreiten  sei,  daß 
die  Verwendung  von  Silbergeld  sich  nicht  auf  die  russische  Armee  und 
Marine  beschränke,  sondern  daß  es  allgemein  im  kaufmännischen  Ver- 
kehr unter  den  Chinesen  verwendbar  sei.  Was  indes  das  von  den 
Reklamanten  einzuführen  beabsichtigte  Silbergeld  angeht,  so  ist  aus 
den  Tatumständen  die  Annahme,  daß  dasselbe  zum  Gebrauch  der  russi- 
schen Truppen  gedient  haben  würde,  ganz  offenbar  berechtigt.  Das- 
selbe kann  daher,  gerade  wie  auf  Grund  derselben  Tatumstände  der 
gleichen  Annahme  bei  Lebensmitteln  wie  Reis  und  Weizenmehl  nichts 
im  Wege  steht,  als  Konterbande  angesehen  werden. 

Da  ferner  der  Grund  dafür,  daß  Lebensmittel,  Geld  usw.,  wenn 
sie  nach  feindlichem  Gebiet  gehen  oder  zum  feindlichen  Kriegsgebrauch 
geliefert  werden  sollen,  als  Konterbande  gelten,  der  ist,  daß  man  da- 
gegen ist,  daß  solche  Güter  im  Ende  die  Kriegsfähigkeit  des  Feindes 
unterstützen,  so  ist  die  Frage,  ob  ihr  Bestimmungsort  ein  Kriegshafen 
oder  Blockadehafen  ist,  für  die  Bestimmung,  ob  ein  Konterbandetransport 
vorliegt  oder  nicht,  nicht  von  wesentlicher  Bedeutung.  Wenn  der  Be- 
stimmungsort ein  Kriegshafen  oder  ein  Blockadehafen  ist,  so  liefert 
das  nur  einen  Umstand,  welcher  die  Vermutung,  daß  die  dorthin  be- 
stimmten Güter  Konterbande  sind,  erleichtert.  Daher  ist  auch  dieser 
Punkt  der  Berufung  nicht  anzuerkennen. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden : 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  25.  Dezember  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 

390 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Pei-Ping%  Abschnitt  VIi*« 

ReklamanteiiiDie  chinesischen  Staatsangehörigen  Chan  Yü  Po 
und  Ching  Pu  Saw,  in  Firma  Yu  Shang  Chiang,  aus  der  Pro- 
vinz Canton,  Regierungsbe^rk  Chowchow,  Haiyang  bzw.  Chaoyang. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Sakurai  Ikkyu,  Regierungs- 
bezirk Hiogo,  Kobe,  Kitanagasadori  sichome  Nr.  54. 

In  der  Prisensache,  betreffend  Ladung  des  chinesischen  Dampfers 
„Pei-Ping",  wird,  wie  folgt,  entschieden : 

Urteiisf  ormel: 
Die  unter  der  Ladung* des  Dampfers  „Pei-Ping"  befindlichen,  von 
der  Firma  Shang  Fa  Yun  an  die  Firma  Yu  Shang  Chiang  ver- 
sandten 5  Kisten  kleines  Silbergeld  werden  eingezogen. 

Tatbestand  und  Gründe: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  5  Kisten  kleines  Silbergeld  sind 
von  dem  Transportgeschäft  Shang  Fa  Yun  auf  dem  chinesischen 
Dampfer  „Pei-Ping"  verladen  und  am  15.  Juli  1904  nach  Niutschwang 
verschifft  worden.  Als  am  17.  d.  M.  das  Kaiserliche  Kriegsschiff  „Hong- 
kong Maru"  den  Dampfer  „Pei-Ping''  wegen  Konterbandetransports 
etwa  10  Seemeilen  nordöstlich  von  Weihaiwei  in  China  aufbrachte, 
wurden  auch  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  mit  Beschlag  belegt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Vertreters  des  Kommandanten  der  „Hongkong  Maru",  Leutnants  zur 
See  Iwamuro  Tetsujiro,  die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapi- 
täns A.  Mactag  gart,  des  Kompradors  Cheong  Sow  Wing,  des 
1.  Offiziers  H.  C.  Atkinson,  die  Konnossemente  und  das  Ladungs- 
verzeichnis des  genannten  Dampfers. 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  des  Vertreters  der  Reklamation 
sind  folgende: 

Die  Reklamanten  betrieben  in  Niutschwang  ein  Bankgeschäft.  Sie 
hätten  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  von  Shanghai  kommen 
lassen  wollen,  weil  zu  der  Zeit  in  Niutschwang  die  Handelsverhältnisse 
zu  einem  einseitigen  Wechselverkehr  geneigt  hätten  und  weil  che  Zeit 
für  den  Einkauf  von  Bohnen,  Bohnenkuchen  und  Bohnenöl  gekommen 
gewesen  sei,  so  daß  Umlaufskapital  nötig  gewesen  sei.  Ferner  sei  der 
Kurs  für  Papiergeld  und  für  kleines  Silbergeld  sehr  ungleich  gewesen,  so 
daß  die  Reklamanten  durch  Einfuhr  von  Silbefgeld  einen  Gewinn  zu 
erzielen  erwartet  hätten.  Das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  sei  nicht 
für  die  russische  Armee  oder  Marine  bestimmt  gewesen  und  habe  auch 
nicht  zu  ihrem  Gebrauch  geliefert  Verden  sollen.  Daher  sei  es  keine 
Konterbande  und  müsse  freigegeben  werden. 

Die  Reklamanten  haben  zum  Beweise  der  vorstehenden  Tatsachen 
verschiedene  Beweisdokumente  eingereicht. 

391 


Abschnitt  VI  >••  Pri8engericht9eiit8cheidung6ii:  .Pei-Ping'» 

Die  Hauptpunkte  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  sind  folgende: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  würden  nach  ihrer  Ankunft 
in  Niutschwang  zum  Gebrauch  der  russischen  Truppen  gedient  haben, 
Sie  seien  daher  Kriegskonterbande  und  müßten  eingezogen  werden. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Wenn  Lebensmittel  oder  Geld  nach  einem  von  den  feindlichen 
Truppen  besetzten  Hafen  versandt  worden  sind,  so  kann  je  nach  den. 
Umständen  angenommen  werden,  daß  sie  zum  Gebrauch  dieser  Truppen 
dienen   werden. 

Niutschwang  war  zur  fraglichen  Zeit  von  den  russischen  Truppen 
besetzt  und  diente  als  ein  Hauptetappenort.  Außerdem  hatte  das 
russische  Kriegspapiergeld  durch  die  andauernden  Niederlagen  der  russi-^ 
sehen  Armee  und  Marine  sehr  an  Kredit  verloren,  und  es  ist  bekannt,, 
daß  chinesisches  Metallgeld,  insbesondere  kleines  Geld  wie  das  zur 
Verhandlung  stehende  Silbergeld,  stark  benötigt  wurde,  um  der  täg- 
lichen Nachfrage  zu  entsprechen.  Es  muß  daher  angenommen  werden, 
daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Silbergeld  nach  Ankunft  in  Niu- 
tschwang sofort  zum  Gebrauch  der  genannten  Truppen  geliefert  worden 
wäre.  Es  wird  demnach  als  Kriegskonterbande  angesehen,  i)  und  weder 
die  Ausführungen  des  Vertreters  der  Reklamation  noch  die  von  ihm 
eingereichten  verschiedenen  Beweisstücke  sind  imstande,  diese  Annahme 
umzustoßen. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden.*) 

Verkündet  am  17.  Dezember  1904  im  Prisengericht  zu  Sasebo 
im  Beisein  des  Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurokuro. 

(Unterschriften.) 


Reklamanteii :  Die  chinesischen  Staatsangehörigen  Chan  Yü  Po 
und  Ching  Pu  Saw,  in  Firma  Yu  Shang  Chiang,  aus  China, 
Provinz  Canton,  Regierungsbezirk  Chowchow,  Haiyang  bzw.  Chaoyang. 

ProzeBvertreter :  Die  Rechtsanwälte  TakagiToyozo,  Tokio,. 
Kojimachiku,  Uchisaiwaicho  sichome  Nr.  3.  und  Sakurai  Ikkyu,  Re- 
gierungsbezirk Hiogo,  Kobe,  Kitanagasadori  sichome  Nr.  54. 

Am  17.  Dezember  1904  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der 
Prisensache  betreffend  Ladung  des  Dampfers  „Pei-Ping",  welcher  am 
17.  Juli  1904  auf  37  o  35 '  n.  Br.  und  122  o  23 '  ö.  L.  von  dem  Kaiseriichen 
Kriegsschiff  „Hongkong  Maru''  aufgebracht  worden  ist,  ein  Urteil  ge- 
fällt, in  welchem  auf  Einziehung  der  unter  der  Ladung  des  Dampfers 

»)r¥.' Ziffer  2.  —  =^)  V.  §  43. 

392 


Priteiig6richt9ent8Ch6idunaen:  .Pei-Ping'.  Abschnitt  VI»» 

„Pei-Ping"  befindlichen,  von  der  Firma  Shang  Fa  Yun  versandten 
5  Kisten  kleines  Silbergeld  erkannt  worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  haben  die  Reklamanten,  die  chinesischen  Staats- 
angehörigen Chan  Yü  Po  und  Ching  Pu  Saw,  in  Firma  Yu 
S  ha  n  g  C  h  i  a  n  g ,  die  Berufung  eingelegt,  welche  im  Beisein  der  Staats- 
anwälte Tsutsuki  Keiroku  und  Dr.  jur.  Ishiwatari  Binichi 
beim  Oberprisengericht  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptberuf ungspunkte  der  Vertreter  der  Reklamation,  Ta- 
kagi  Toyozo  und  Sakurai  Ikkyu,  sind  folgende: 

Es  werde  Aufhebung  des  am  17.  Dezember  1904  von  dem  Prisen- 
gericht zu  Sasebo  abgegebenen  Urteils  auf  Einziehung  der  auf  dem 
chinesischen  Dampfer  „Pei-Ping"  verschifften  5  Kisten  kleines  Silber- 
geld und  Freigabe  derselben  beantragt,  und  zwar  aus  folgenden  Gründen : 

1.  Die  Reklamanten  hätten  ein  Bankgeschäft  und  betrieben  daneben 
ein  Engrosgeschäft  für  Ein-  und  Verkauf. 

Bei  der  Ausfuhr  von  Bohnen,  Bohnenkuchen  und  Bohnenöl  liehen 
die  Kaufleute  von  Niutschwang  den  Wechselbetrag  für  die  Güter  dar, 
vereinnahmten  in  Shanghai  den  Wechselbetrag  von  dem  Wechsel- 
schuldner und  bewerkstelligten  die  Übersendung  dieses  Betrages  ent- 
weder durch  Ankauf  eines  in  Niutschwang  zahlbaren  Wechsels  oder 
in  Form  baren  Geldes.  Auch  in  Fällen,  wo  Waren  von  Niutschwang 
nach  anderen  Plätzen  wie  Shanghai  ausgeführt  würden  und  der  Wechsel 
dargeliehen  werde,  werde  die  Zahlung  des  Wechselbetrages  bisweilen 
in  Shanghai  entgegengenommen.  Denn  da  Shanghai  das  Zentrum  des 
chinesischen  Handels  sei,  so  sei  es  auch  der  Mittelpunkt  des  Geld- 
umlaufs. Auch  in  Fällen,  wo  die  Reklamanten  selber  Bohnen  und 
Bohnenkuchen  nach  Shanghai  ausführten,  werde  die  Zahlung  des  Preises 
in  Shanghai  entgegengenommen,  und  auch  in  Fällen,  wo  die  Ausfuhr 
nach  anderen  Plätzen  gehe,  wie  Shanghai,  sei  dies  bisweilen  der  Fall. 

So  sei  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  im  Verlauf  einer  Trans- 
aktion von  dem  Angestellten  der  Reklamanten  in  Shanghai  dort  ein- 
genommenes Geld,  welches  er  bei  einem  Wechsler  eingewechselt  und 
an  das  Hauptgeschäft  in  Niutschwang  gesandt  habe.  Daß  bares  Geld 
geschickt  worden  sei,  habe  seinen  Grund  darin,  daß  gerade  in  Niu- 
tschwang die  Zeit  für  die  Ausfuhr  von  Bohnen,  Bohnenkuchen  usw. 
gekommen  gewesen  sei.  Denn  da  in  der  Regel  die  Exportfirmen  Zahlung 
für  die  Bohnen  usw.  in  kleinem  Silbergeld  leisteten  und  die  Kunden  des 
Bankdepartements  die  Reklamanten  um  Leistung  in  Silbergeld  bäten, 
so  hätten  dieselben  sich  darauf  vorbereiten  müssen.  Dies  sei  einer  der 
Gründe,  weshalb  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  in  bar  geschickt 
worden  sei. 

Wenn  in  Niutschwang  Silbergeld  reichlich  und  der  Kurs  für  in 
Niutschwang  zahlbare  Wechsel  in  Shanghai  niedrig  gewesen  wäre,  so 

393 


Abschnitt  VI»«  Prisengerichtsentscheidungen:  .Pei-Ping'. 

wäre  es  allerdings  nicht  nötig  gewesen,  daß  der  Angestellte  der  Rekla- 
manten extra  Silbergeld  hätte  schicken  sollen.  In  Niutschwang  habe 
es  aber  an  Silbergeld  gefehlt,  und  der  Wechselkurs  auf  Niutschwang 
sei  in  Shanghai  so  hoch  gewesen,  daß  selbst  nach  Zahlung  der  Fracht 
und  Versicherung  die  Sendung  von  barem  Geld  immer  noch  vorteilhaft, 
abgesehen  davon,  daß  sie  geschäftlich  notwendig  gewesen  sei.  Das 
sei  der  zweite  Grund,  weshalb  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  in 
bar  übersandt  worden  sei. 

Die  obigen  Tatsachen  gingen  hervor  aus  den  Beweisstücken 
Nummer  2,  3,  5  bis  7  und  9  bis  11. 

2.  Daß  der  Angestellte  der  Reklamanten  das  zur  Verhandlung 
stehende  Silbergeld  an  das  Hauptgeschäft  in  Niutschwang  geschickt 
habe,  sei,  wie  dargetan,  eine  für  ein  Bankgeschäft  natürliche  Maßnahme, 
die  mit  den  russischen  Truppen  in  keinerlei  Beziehung  stehe.  >X^enn 
man  annehme,  daß  es  zulässig  sei,  eine  derartige  reine  Handelstrans- 
aktion für  unerlaubt  zu  erklären  und  die  auf  der  Reise  befindlichen 
Güter  einzuziehen,  so  bedeute  das  eine  Entziehung  des  Rechts,  Gewerbe 
zu  treiben.  Von  etwas  dergleichen,  wie  insbesondere  auch  davon,  daß 
neutralen  Staatsangehörigen  das  Recht  auf  ihr  gewöhnliches  Gewerbe 
in  ihrem  eigenen  Lande  entzogen  werden  könne,  habe  man  bislang 
in  der  Praxis  und  der  Wissenschaft  des  Völkerrechts  noch  niemals 
etwas  gehört. 

3.  Der  Dampfer  „Pei-Ping"  habe  seine  Absicht,  nach  Niutschwang 
und  anderen  Häfen  zu  gehen,  in  Shanghai-Zeitungen  bekannt  gemacht, 
und  der  englische  Konsul  habe  die  Abreise  des  Dampfers  zwecks  Güter- 
transports nach  Niutschwang  gutgeheißen.  Auch  das  Zollamt  in  Shanghai 
habe  die  öffentlich  nach  Niutschwang  gehende  Ladung  passieren  lassen. 
Daher  habe  der  Angestellte  der  Reklamanten  ohne  weitere  Überlegung 
ganz  unbefangen  dem  Schiffe  das  zur  Verhandlung  stehende  Silbergeld 
zur  Beförderung  übergeben.  Danach  sei  die  Beschlagnahme,  von  der 
Einziehung  nicht  zu  reden,  im  höchsten  Grade  unerwartet  gekommen. 
Wenn  man  das  Geld  wirklich  heimlich  habe  absenden  wollen,  um  es  zum 
Gebrauch  der  russischen  Truppen  zu  liefern,  so  hätte  man  ein  so 
öffentliches  Transportverfahren  nicht  wählen  sollen.  Daß  man  doch 
ein  solches  Verfahren  eingeschlagen  habe,  liefere  reichlichen  Grund 
für  die  Vermutung,  daß  böser  Glaube  dabei  nicht  vorgelegen  habe. 

4.  In  dem  Urteil  erster  Instanz  werde  zur  Begründung  folgendes 
gesagt: 

Niutschwang  sei  zur  fraglichen  Zeit  von  den  russischen 
Truppen  besetzt  gewesen- und  habe  als  ein  Hauptetappenort' 
gedient.  Außerdem  habe  das  russische  Kriegspapiergeld 
durch  die  andauernden  Niederlagen  der  russischen  Armee 
und  Marine  sehr  an  Kredit  verloren,  und  es  sei  bekannt, 

394 


Prisengericbtsentscheidungen:  .Pel-Ping*.  Abschnitt  VI»« 

daß  chinesisches  Metallgeld,  insbesondere  kleines  Geld  wie 
das  zur  Verhandlung  stehende  Silbergeld,  benötigt  worden 
sei,  um  der  täglichen  Nachfrage  zu  entsprechen.    Es  müsse 
daher    angenommen    werden,    daß    das    zur    Verhandlung 
stehende  Silbergeld   nach   Ankunft  in   Niutschwang  sofort 
zum   Gebrauch    der  genannten   Truppen   geliefert   worden 
wäre. 
Daraufhin  aber,  daß  Niutschwang  ein  Hauptetappenort  der  russi- 
schen Truppen  sei,  annehmen  zu  wollen,  daß  alle  dorthin  eingeführten 
Güter  zum  Gebrauch  der  Truppen  geliefert  würden,  sei  unbillig  streng 
und  widerlaufe  auch  /den  Tatsachen.     Daß,  wenn  auch   Niutschwang 
zur  fraglichen  Zeit  von  den  russischen  Truppen  besetzt  gewesen  sei, 
deshalb  der  Handel  Niutschwangs  nicht  in  Stillstand  geraten,  sondern 
tatsächlich  ausgeübt  worden  sei,  könne  man  aus  den  das  Beweisstück 
Nr.  15  bildenden  telegraphischen  Mitteilungen  der  Niutschwang-riliale 
der  offenen   Handelsgesellschaft  Mitsui  Bussan  über  die  Handels- 
lage in  Niutschwang  bis  zum  Juli  des  vorigen  Jahres  entnehmen.  Wenn 
später  die  chinesische  Zollstatistik  für  das  Jahr  1904  erscheinen  werde, 
so  würden  sich  diese  Tatsachen  bestätigen. 

Selbst  angenommen,  die  russischen  Truppen  hätten  Geld  wie  das 
zur  Verhandlung  stehende  nötig  gehabt,  so  sei  es  doch  unsinnig,  ohne 
zu  fragen,  wem  es  gehöre,  anzunehmen,  daß  es  unbedingt  an  die 
Truppen  geliefert  worden  wäre.  Auch  sprächen  die  Tatsachen  nicht 
dafür.  Vielmehr  müsse  grundsätzlich  angenommen  werden,  daß,  wenn 
die  Reklamanten,  welche  ein  Bankgeschäft  hätten,  Geld,  wie  es  zum 
Betriebe  dieses  Gewerbes  erforderlich  sei,  von  Shanghai,  woher  sie 
ihre  Kapitalien  geliefert  bekämen,  nach  Niutschwang,  dem  Sitz  ihres 
Geschäfts,  befördern  ließen,  dieses  Geld  im  Betriebe  des  Bankgeschäfts 
der  Reklamanten  zur  Verwendung  kommen  solle. 

Wenn  man  diese  natürliche  Vermutung  umstürzen  wolle,  so  bedürfe 
es  dazu  unter  allen  Umständen  sicherer  Gründe  und  Beweise.  Wenn 
daher  das  Urteil  erster  Instanz  auf  die  dort  verzeichneten  vagen  Gründe 
hin  eine  Annahme  aufgestellt  habe,  welche  dieser  natürHchen  Vermutung 
widerspreche,  so  sei  das  auch  vom  Standpunkt  des  Beweisrechts  un- 
zutreffend. 

5.  Silbergeld  sei  sogenannte  bedingungsweise  Konterbande.  Da 
es  danach  nur  in  den  beiden  Fällen:  (1)  daß  es  für  die  feindliche 
Armee  oder  Marine  bestimmt  sei;  (2)  daß  es  nach  feindlichem  Gebiet 
bestimmt  sei  und  angenommen  werden  müsse,  daß  es  zum  Gebrauch 
der  feindlichen  Armee  oder  Marine  dienen  würde,  Kriegskonterbande 
sei,  5)  so  sei  es  nötig,  für  die  Behauptung,  daß  es  Konterbande  sei.  Be- 
weise beizubringen,  welche  dartäten,  daß  es  für  die  feindliche  Armee 

•)  II.  Ziffer  2. 

395 


Abschnitt  VI»«  Prisengerichtsentscheiduiigen:  «Pei-Ping*, 

oder  Marine  bestimmt  gewesen  sei  öder  daß  es  zu  ihrem  Gebrauch 
habt!  geliefert  werden  sollen. 

Wenn  man  also  bei  der  Annahme,  daß  Konterbande  nach  dem 
Fall  „(2)''  vorliege,  einfach  so  folgere,  daß  die  Güter,  weil  sie  nach 
einem  von  feindlichen  Truppen  besetzten  Ort  gesandt  würden,  auch 
zum  Kriegsgebrauch  des  Feindes  geliefert  werden  würden,  so  schließe 
man  aus  dem  Vorhandensein  der  ersten  der  beiden  Bedingungen,  welche 
dieser  Fall  voraussetze,  ohne  weiteres  auf  das  Vorliegen  auch  der  zweiten 
Bedingung.  Das  sei  im  Erfolg  dasselbe,  als  wenn  die  zweite  Bedingung 
überflüssigerweise  geschrieben  sei,  und  laufe  darauf  hinaus,  daß  die 
bedingte  Kriegskonterbande  des  Falles  „(2)"  keinen  Unterschied  von 
der  absoluten  Konterbande  aufweise,  so  daß  der  Sinn,  welcher  dieser 
Unterscheidung  zugrunde  liege,  völlig  zunichte  gemacht  werde. 

Man  werde  vielleicht  behaupten,  die  Grundlage,  auf  welche  hin 
das  Gericht  erster  Instanz  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  als 
Konterbande  angesehen  •  habe,  beschränke  sich  nicht  nur  darauf,  daß 
das  Geld  nach  einem  vom  Feinde  besetzten  Orte  bestimmt  sei,  sondern 
es  sei  auch  die  weitere  Begründung  beigefügt,  daß  die  feindliche  Armee 
oder  Marine  es  benutzen  werde.  Demgegenüber  sei  aber  zu  bemerken, 
daß  Geld  von  jedermann  in  allen  Umständen  gebraucht  werde  und 
daß  seine  Verwendbarkeit  sich  nicht  auf  die  russische  Armee  und 
Marine  beschränke.  Wenn  demnach  dafür,  daß  nur  die  russische  Armee 
oder  Marine  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  gebrauchen  werde, 
keine  besonderen  Gründe  vorlägen,  so  gebe  die  oben  genannte  weitere 
Begründung  des  Urteils  erster  Instanz  auf  die  Frage,  inwiefern  die 
Annahme  berechtigt  sei,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  bei 
den  russischen  Truppen  zur  Verwendung  kommen  werde,  die  Ant- 
wort, man  müsse  annehmen,  daß  es  bei  den  russischen  Truppen  zur 
Verwendung  gekommen  wäre,  weil  diese  es  zu  verwenden  genötigt 
gewesen  seien.    Das  sei  Beantwortung  einer  Frage  mit  derselben  Frage. 

Obwohl  den  Reklamanten  die  Beweislast  nicht  obliege,  hätten  sie 
ihre  Behauptungen,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  weder 
an  die  russischen  Truppen  bestimmt,  noch  zu  ihrem  Gebrauch  zu 
liefern  gewesen,  daß  es  vielmehr  zur  Deckung  des  Bedarfs  in  dem 
Bankgeschäft  der  Reklamanten  versandt  worden  sei,  mit  verschiedenen 
beweiskräftigen  Tatsachen  und  Gründen  belegt.  Der  Staatsanwalt  habe, 
ohne  dagegen  einen  einzigen  Gegenbeweis  beizubringen,  diese  Er- 
klärung der  Reklamanten  verworfen,  und  die  Entscheidung  des  Ge- 
richts erster  Jnstanz,  welches  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  beipflichte, 
sei  daher  auch  von  dem  Standpunkt  der  Beweisführung  rechtswidrig. 

6.  Es  sei  freilich  nicht  zu  leugnen,  daß  Niutschwang  nicht  nur 
zur  Zeit  der  Aufbringung,  sondern  schon  seit  der  Zeit  vor  dem  russisch- 
japanischen Krieg  unter  russischer  Gewalt  gestanden  habe.    Aber  man 

396 


Prisengerichtsentscheldungen:  .Pel-Plng'.  Abschnitt  VIi®« 

müsse  dieses  besetzte  Gebiet  nicht  einem  gewöhnlichen  Okkupations- 
gebiet gleichstellen.  Denn  Niutschwang  sei  ein  dem  Handel  der  Mächte 
offenstehender  Hafen  und  kein  Kriegs-  oder  Blockadehafen.  Es  könne 
nicht  mit  ^ur  während  der  Kriegszeit  besetzten  Gebieten,  wie  zum 
Beispiel  der  Song  To-Bucht,  der  Taubenbucht  oder  der  Sho  Ping- 
Insel  bei  Port  Arthur  auf  eine  Stufe  gestellt  werden.  Wenn  relative 
Konterbandegüter,  d.  h.  Güter,  wi^  sie  im  §  14  der  Seeprisen  Ordnung*) 
aufgestellt  worden  seien,  nach  der  Song  To-Bucht  usw.  bestimmt  wären, 
so  werde  jedermann  dem  zustimmen,  wenn  man  annehme,  daß  sie 
direkt  für  die  russischen  Truppen  bestimmt  und  daher  als  Kriegskonter- 
bande einzuziehen  seien.  Wenn  man  aber  einen  solchen  Fall  und 
den  Fall,  wo  die  Güter  nach  Niutschwang  bestimmt  seien,  gleichstelle, 
so  entspreche  das  nicht  dem  wahren  Sinn  der  japanischen  Seeprisen- 
ordnung und  des  Völkerrechts  über  die  Behandlung  neutralen  Gutes. 
Besonders  seien  auch  die  zur  Verhandlung  stehenden  Silbermünzen 
kurantes  Geld,  wie  es  unter  den  Chinesen  und  den  in-  und  aus- 
ländischen Kaufleuten  in  Niutschwang  Kurs  habe.  Von  anderen  Konter- 
bandegütern, wie  Lebensmitteln  und  dergleichen,  sei  es  weit  verschieden, 
und  es  lägen  Gründe  vor,  nach  denen  auf  Gebrauch  seitens  der  Truppen 
nicht  geschlossen  werden  müsse.  Beispielsweise  sei  zwischen  Lebens- 
mitteln, welche  zum  Gebrauch  für  die  Russen,  und  solchen,  welche 
zum  Gebrauch  für  die  Chinesen  dienen  sollten,  ein  großer  Unterschied, 
so  daß  man,  wenn  Lebensmittel,  welche  für  Russen  geeignet  seien,  in 
großer  Quantität  nach  Niutschwang  bestimmt  würden,  diese  wohl  als 
Konterbande  ansehen  könne.  Geld  sei  aber  nicht  nur  bei  Truppen 
verwendbar,  und  da  auch  die  Menge  des  hier  versandten  Geldes  im 
Handel  mit  den  großen  Mengen  Bohnen,  Bohnenkuchen  und  Bohnen- 
öl  keinen  Überschuß  lassen  würde,  so  könne  man  es  nicht  mit  Lebens- 
mitteln vergleichen  und  als  Truppenbedarf  ansehen. 

7.  Niutschwang  sei  ein  Handelshafen.  Daher  müsse  man  einen 
Fall  von  bedingter  Kriegskonterbande  wie  Geld  besonders  sorgfältig 
überlegen.  Deshalb  werde  die  rechtliche  Auffassung  der  Stellung 
Niutschwangs  besonderer  Beachtung  empfohlen.  Dieselbe  sei  mit  der 
diplomatischen  Frage  über  den  Handel  mit  Bohnen,  Bohnenkuchen 
und  Bohnenöl  eng  verknüpft.  Diese  sei  folgende:  Die  Verhandlungen 
betreffend  die  Frage,  ob  die  Ausfuhr  von  Bohnen,  Bohnenkuchen  usw. 
aus  Niutschwang  verboten  werden  solle,  hätten  zu  dem  Resultat  ge- 
führt, daß  die  Ausfuhr  gestattet  sein  solle,  wenn  garantiert  werde,  daß 
die  Güter  nicht  beim  Militär  zur  Verwendung  kommen  würden.  Dieses 
sei  der  Kaiserlichen  Regierung  mittels  Berichts  des  in  China  akkreditierten 
Kaiserlichen  Gesandten  vom  18.  April  1904  mitgeteilt  worden,  und  Japan 
habe  diese  Tatsache,  daß  Bohnen,  Bohnenkuchen  usw.  von  Niutschwang 

*)  V. 

397 


Abschnitt  VI^**  Prisengerichtsentscheidungen:  .Pei-Ping". 

nach  japanischen  Häfen  ausgeführt  werden  würden,  mit  Freuden 
begrüßt. 

Wenn  daher  auch  Niutschwang  von  den  russischen  Truppen  be- 
setzt gewesen  sei,  so  sei  es  doch  ein  diplomatisches  Faktum,  daß  der 
Handel  mit  Bohnen,  Bohnenkuchen  usw.  von  Japan,  Rußland,  China 
und  anderen  neutralen  Staaten  gutgeheißen  sei.  Darin  liege  ein  wich- 
tiger Grund,  weshalb  die  vorliegende  Sache  nicht  allein  daraufhin, 
daß  Rußland  Niutschwang  besetzt  habe,  entschieden  werden  könne. 
Denn  wenn  die  Mächte  den  Handel  mit  Bohnen,  Bohnenkuchen  und 
Bohnenöl  übereinstimmend  gestattet  hätten,  so  falle  auch  das  Resultat 
dieses  Handels,  nämlich  daß  die  Kaufleute  den  Preis  für  die  ver- 
kauften Waren  in  Empfang  nähmen,  in  den  Bereich  dieses  überein- 
stimmend gestatteten  Handels.  Demnach  könne  das  Silbergeld,  welches 
als  Preis  für  die  Bohnen,  Bohnenkuchen  usw.  eingenommen  sei,  voraus- 
gesetzt, daß  es  nicht  an  die  russischen  Truppen  gehe,  nicht  einge- 
zogen werden. 

Daß  aber  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  der  Kaufpreis  für 
frühere  Bohnen,  Bohnenkuchen  usw.,  sowie  Kapital  für  den  auch  in 
Zukunft  erlaubten  Einkauf  derselben,  und  daß  es  kleines  Geld  sei, 
wie  es  für  solche  Einkäufe  nötig  sei;  kurz,  daß  es  in  jeder  Beziehung 
im  Rahmen  harmlosen  Handelsverkehrs  stehe:  alles  dies  gehe  aus  den 
eingereichten   Beweisen   klar  hervor. 

Da  die  Ansicht  des  Völkerrechts  und  der  Seeprisenordnung  dahin 
gehe,  die  Rechte  neutraler  Staatsangehöriger  zu  achten,  so  werde  um 
äußerste  Unparteilichkeit  bei  Beurteilung  der  zum  Beweise  ungefälschter 
Tatsachen  eingereichten  Beweisdokumente  gebeten. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  der  Staatsanwälte  beim  Prisen- 
gericht zu  Sasebo,  Mizukami  Chojiro  und  Yamamoto  Tat- 
surokuro,  sind  folgende: 

1.  Zur  Einziehung  von  Gütern  auf  Grund  der  Annahme,  daß 
sie  zum  Gebrauch  der  feindlichen  Armee  oder  Marine  geliefert  werden 
würden  und  daher  Konterbande  seien,  sei  es  nicht  unbedingt  erforder- 
lich, darzulegen,  daß  diese  Annahme  sich  auf  Beweise  gründe.  Im 
Falle,  daß  nach  der  Art  der  Güter,  den  Verhältnissen  des  Einfuhr- 
orts und  anderen  Umständen  angenommen  werden  könne,  daß  die 
Güter  zum  Gebrauch  der  feindlichen  Armee  oder  Marine  geliefert  werden 
würden,  habe  das  Prisengericht  nach  freier  Überzeugung  zu  befinden. 

Das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  sei  in  China  geprägt  und 
habe  in  Niutschwang  sowie  den  verschiedenen  Gegenden  der  Mand- 
schurei Kurs.  Es  sei  alles  eine  und  dieselbe  Art  kleinen  Silbergeldes, 
wie  es  zum  Lohn  für  Tagelöhner  sowie  zum  Einkauf  der  zum  Haus- 
und persönlichen  Gebrauch  dienenden  Gegenstände  am  geeignetsten, 
zur  Zahlung  bei  großen  geschäftlichen  Transaktionen  jedoch  am  aller- 

398 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Pei-PIng".  Abschnitt  VIi<* 

ungeeignetsten  sei.    Es  sei  bequem  für  kleine,  aber  äußerst  unbequem 
für  große  Zahlungen. 

Zur  Zeit,  als  das  Qeld  in  Niutschwang  habe  eingeführt  v/erden 
sollen,  sei,  wie  das  Urteil  erster  Instanz  sage,  Niutschwang  von  den 
russischen  Truppen  besetzt  gewesen,  und  die  in  Port  Arthur  und  den 
verschiedenen  Gegenden  der  Mandschurei  liegenden  russischen  Armee- 
und  Marinetruppen  seien  von  diesem  Platz  als  Bezugsort  für  ihren 
Kriegsbedarf  abhängig  gewesen,  und  die  meisten  Lebensmittel  und 
sonstigen  Gegenstände,  die  der  Feind  nötig  gehabt  habe,  seien  von  dort 
geliefert  worden.  Da  aber  infolge  der  andauernden  Niederlagen  der 
russischen  Armee  und  Marine  das  Kriegspapiergeld,  welches  in  Niu- 
tschwang und  auch  in  verschiedenen  Teilen  der  Mandschurei  Kurs 
gehabt  habe,  sehr  im  Kredit  gesunken  sei,  so  seien  bei  der  Zahlung 
der  Preise  für  requirierte  Gegenstände  und  der  Löhne  für  Menschen- 
und  Pferdearbeit,  d.  h.  also  bei  den  kleinen  Zahlungen  plötzlich 
Schwierigkeiten  entstanden.  Daher  seien  Klagen  über  das  Bedürfnis 
nach  kleinem  Hartgeld,  insbesondere  Geld  wie  dem  zur  Verhandlung 
stehenden,  laut  geworden,  und  man  sei  auch  bezüglich  dieses  auf 
Niutschwang  als  Lieferungsort  angewiesen  gewesen. 

Die  Reklamanten  hätten  daraufhin  unter  Erleidung  von  allerhand 
Schwierigkeiten  und  unter  großem  Risiko  die  Kommission  und  Ver- 
sicherung gezahlt  und  viele  Tausend  Yen,  weit  von  Shanghai,  einzu- 
führen versucht.  Die  Frage,  wie  das  Bedürfnis  hierfür  entstanden  sei, 
beantworteten  sie  damit, 

es  sei  die  Folge  einseitigen  Wechselverkehrs;  ferner  diene 
das  Geld   als  Kapital   zum   Einkauf  der  von   Niutschwang 
nach   Shanghai  ausgeführten   Bohnen,   Bohnenkuchen    und 
des  Bohnenöls;  auch  sei  der  Wertunterschied  zwischen  Silber 
und  Papier  in  Niutschwang  so  groß  gewesen,  daß  der  Kurs 
für  Silber  den  für  Papier  bis  um  20  und  30  o/o  überstiegen 
habe  und  es  einträglich  gewesen  sei,  bares  Silbergeld  von 
Shanghai  kommen   zu   lassen. 
Niutschwang  sei  aber  seit  langer  Zeit  von  den  Russen  okkupiert  ge- 
wesen,   und    die   sonst   von    dort   zur   Ausfuhr   gelangenden   Bohnen, 
Bohnenkuchen    usw.   seien   von   ihnen   entweder  als   Nahrungs-   oder 
Brennmittel  requiriert;  auch  sei,  um   den  Gegner  in  Verlegenheit  zu 
bringen,   die   Ausfuhr  derselben  streng  verboten  worden,  so  daß  die 
Ausfuhr   der   Hauptexportartikel,   Bohnen,    Bohnenkuchen    usw.    nach 
Shanghai  fast  gar  nicht  stattgefunden  habe. 

Dagegen  seien  die  Kriegsbedürfnisse  der  russischen  Truppen  in 
der  Gegend  von  Niutschwang  immer  größer  geworden,  und  neben  der 
gewöhnlichen  Einfuhr  sei  die  Einfuhr  von  Lebensmitteln  und  sonstigen 
Bedarfsgegenständen  sehr  gewachsen,  so  daß  Ein-  und  Ausfuhr  völlig 

399 


Abschnitt  VI»*  Prisengeiichtsentscheidungen:  „Pei-Ping". 

aus  dem  Gleichgewicht  gekommen  und  demzufolge  natürlich  in  Niu- 
tschwang  zahlbare  Wechsel  in  Shanghai  zahlreich  und  in  Shanghai 
zahlbare  Wechsel  gering  geworden  seien.  In  Shanghai  seien  daher 
in  Niutschwang  zahlbare  Wechsel  leicht  und  billig,  zu  kaufen  gewesen. 
Wenn  daher  die  Reklamanten  in  ihrem  Geschäftsbetrieb  in  Shang- 
hai vereinnahmte  Gelder  nach  Niutschwang  zu  schicken  gehabt  hätten, 
so  hätten  sie,  anstatt  das  Risiko  des  Transports  und  die  Kommission 
und  die  sonstigen  Kosten  bei  Übersendung  von  barem  Geld  zu  tragen, 
lieber  mit  dem  Gelde  in  Niutschwang  zahlbare  Wechsel  kaufen  sollen, 
bei  deren  Übersendung  sie  zugleich  Bequemlichkeit  und  Vorteil  gehabt 
haben  würden.  Daß  ein  in  Geschäften  scharfsinniger  chinesischer  Kauf- 
mann, besonders  Bankinhaber,  wie  die  Reklamanten  es  seien,  ein  be- 
quemes und  vorteilhaftes  Verfahren  außer  acht  lassen  und  ein  un- 
bequemes und  unvorteilhaftes  Verfahren  wählen  und  vorsätzlich  Schaden 
und  Risiko  aufsuchen  solle,  sei  kaum  glaublich. 

Zudem  sei,  wie  oben  dargetan,  die  Ausfuhr  der  Hauptexport- 
artikel, Bohnen,  Bohnenkuchen  usw.  fast  gänzlich  ins  Stocken  geraten, 
so  daß  ein  Bedürfnis,  Kapital  zum  Einkauf  bereitzuhalten,  nicht  vor- 
gelegen habe. 

Daß  ferner  zwischen  Silber  und  Papier  in  der  Gegend  von  Niu- 
tschwang eine  so  außerordentlich  große  Wertdifferenz  t)estanden  habe, 
so  daß  eine  Übersendung  von  barem  Gelde  von  Vorteil  gewesen  wäre, 
sei  nur  eine  mündliche  Behauptung  des  Reklamanten,  welcher  man 
mangels  anderen  Grundlagen  schwer  Glauben  schenken  könne. 

So  könne  man,  wie  dargetan  —  welchen  Punkt  der  Reklamation 
man  auch  erwägen  möge  —  aus  keinem  derselben  ein  Bedürfnis  für 
die  Sendung  des  baren  Geldes  entnehmen. 

Dagegen  hätten  die  russischen  Truppen  zur  Deckung  ihres  Kriegs- 
bedarfs chinesisches  Geld  und  insbesondere  kleine  Münze,  wie  die 
zur  Verhandlung  stehende,  dringend  nötig  gehabt.  Wenn  daher  die 
Reklamanten,  ohne  Bedürfnis  für  ihr  Geschäft  mühsam  viele  Tausend 
Yen  kleinen  Geldes  gesammelt,  vorsätzlich  die  Gefahr  des  Transports 
getragen,  Kommission,  Versicherungsprämie  und  Fracht  bezahlt  hätten, 
um  dieses  Geld  nach  Niutschwang  zu  schaffen,  so  sei  es  ohne  viel 
Worte  offenbar,  daß  sie  darin  dem  plötzlichen  Bedürfnis  der  russischen 
Truppen  hätten  nachkommen  wollen. 

Selbst  einmal  zugegeben,  das  Geld  habe  nicht  besonders  ein- 
geführt werden  sollen,  um  dem  plötzlichen  Bedarf  der  russischen  Truppen 
zu  entsprechen,  so  müsse  man  doch  vermuten,  daß  es,  wenn  es  nach 
Niutschwang  gekommen  wäre,  jedenfalls  zum  Gebrauch  der  russischen 
Truppen  gedient  haben  würde.  Daher  sei  es  zutreffend,  daß  das  Urteil 
erster  Instanz  auf  Grund  dieser  Tatsachen  unter  Berücksichtigung  der 
damaligen   Umstände  angenommen   habe,   daß   das  zur  Verhandlung 

400 


Prisengerichtsentscheldungen:  «Pei-Ping*.  Abschnitt  VIi^« 

stehende  Geld  sofort  nach  Ankunft  in  Niutschwang  zum  Gebrauch 
der  russischen  Truppen  gedient  haben  würde.  Daher  sei  die  Berufung 
der  Reklamanten  unbegründet. 

2.    Die  Reklamanten  behaupteten: 

Neben  der  Notwendigkeit  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Geldes  für  die  russischen  Truppen  in   Niutschwang  habe 
es  aber  auch  an  Bedürfnis  für  dasselbe  im  Handelsbetriebe 
Niutschwangs   nicht  gefehlt.     Es  sei  aber   unbillig,   dieses 
sonstige  Bedürfnis  gar  nicht  zu  berücksichtigen   und,  weil 
die  russischen  Truppen  Geld  bedurft  hätten,  zu  entscheiden, 
daß  es  ihnen  geliefert  worden  wäre. 
Das   Urteil   erster   Instanz   habe   aber   nicht   lediglich    daraufhin, 
daß  die  russischen  Truppen  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  nötig 
gehabt  hätten,  so  entschieden.    Nach  den  Verhältnissen  Niutschwangs 
zur  Zeit  der  Einfuhr;  nach  der  Tatsache,  daß  eine  Notwendigkeit,  bares 
Geld  zu  senden,  nicht  vorgelegen  habe;  und  nach  verschiedenen  son- 
stigen Tatsachen  sei  es  schwer  anzunehmen,  daß  die  Reklamanten,  wie 
sie  behaupteten,  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld,   weil  sie  es  in 
ihrem    Handelsbetrieb  gebraucht  hätten,   eingeführt   hätten.     Dagegen 
hätten   die  russischen  Truppen  in  ihrem   Geldbedarf  Mangel  gelitten. 
Aus  diesen  Gründen  habe  das  Urteil  erster  Instanz  geschlossen,  daß 
das  Geld  nach  AnBunft  in  Niutschwang  zum  Gebrauch  für  die  russischen 
Truppen  geliefert  worden  wäre.     Es   habe  also   nicht,   ohne   das   da- 
malige Bedürfnis  in  Handelskreisen  zu  berücksichtigen,  in  willkürlicher 
Weise  lediglich  daraufhin,  daß  die  russischen  Truppen  Geld  nötig  ge- 
habt hätten,  entschieden,  daß  es  zu  ihrem   Gebrauch   dienen  würde. 
Nach  dem  Ausgeführten  seien  die^Behauptungen  der  Reklamanten 
alle  unbegründet,  und  das  Urteil  erster  Instanz  zutreffend.    Daher  sei 
die  Berufung  abzuweisen. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 
Es  bedarf  keiner  Erörterung,  daß  Niutschwang  zu  dem  chinesischen 
Hoheitsgebiet  gehört  und  kein  russisches  Territorium  ist.    Der  Kaiser- 
liche Konsul  in  Niutschwang,  Segawa,  hat  berichtet,  daß 

Rußland,    seitdem    es    diesen    Platz    besetzt    gehabt,     dort 
eine    Zivilverwaltungsbehörde    eingerichtet    und    bis    zum 
25.  Juli  1904  die  Flagge  eines  Zivilverwaltungsamts  geführt 
habe.     Dies  habe  mit  dem  Morgen  jenes  Tages   plötzlich 
aufgehört   und   es   sei   wieder   die   Konsulatsflagge   geheißt 
worden.     Beim   Eindringen   unserer  Truppen  sei  die  fran- 
zösische Flagge  aufgezogen  worden. 
Es  ist  somit  bekannt,  daß  zur  Zeit,  als  die  in  Streit  befangenen 
Gelder  aufgebracht  wurden,  Niutschwang  tatsächlich   anter  russischer 
Verwaltung  stand.    Der  Feind  hatte  dort  nicht  nur  viele  Truppen  liegen, 

MarBiraiid-Meohlenburg>,  Das    jApaniBohe  Prisenreoht.    Band  I.      (26)  4:U1 


Abschnitt  VIi>«  Piisengerichtsentscheidungen:  .Pei-Plng*. 

sondern  auch  einen  Hauptetappenort  eingerichtet.  Wenn  daher  Güter 
dorthin  befördert  wurden,  so  muß  das  ebenso  angesehen  «werden,  als 
ob  sie  nach  feindlichem  Gebiet  bestimmt  wären.  0)  Da  es  demnach 
offenbar  ist,  daß  die  Tatumstände  zu  der  Annahme  berechtigen,  daß 
auch  das  zur  Verhandlung  stehende,  von  den  Reklamanten  für  die 
Einfuhr  nach  Niutschwang  bestimmte  Silbergeld  zum  Kriegsgebrauch 
des  Feindes  gedient  haben  würde,  so  muß  man  sagen,  daß  es  die 
Voraussetzungen,  welche  es  zur  Konterbande  machen,  erfüllt.®) 

In  einem  Berichte  des  obengenannten  Kaiserlichen  Konsuls  heißt 
es,    daß 

die  russische  Regierung  beim  Beginn  des  Baues  der 
Mandschurischen  Eisenbahn  anfänglich  alle  Zahlungen  in 
Gold  geleistet  habe.  Ein  oder  zwei  Jähre  später  habe  sie 
daneben  Papierrubel  benutzt  uncj  den  Chinesen  gesagt, 
zwischen  dem  Metall  und  dem  Papier  sei  kein  Unterschied. 
Dann  habe  sie,  um  dem  Papier  Kredit  zu  verschaffen,  nach 
und  nach  das  Gold  zurückgezogen  und  das  Papier  vermehrt. 
Im  Jahre  1902  sei  es  dahin  gekommen,  daß  man  in  der 
Mandschurei  russisches  Goldgeld  nur  sehr  selten  in  Um- 
lauf gesehen  habe.  Damals  habe  aber  die  russisch-chinesische 
Bank  schon  an  verschiedenen  wichtigen  Plätzen  Nieder- 
lassungen errichtet.  In  diesen. Banken  sei  das  Papier  zum 
Tageskurse  gegen  Silbergeld  eingelöst  worden,  und  in  der 
Mandschurei  habe  dabei  ein  Papierrubel  einen  Tauschkurs 
von  1  Dollar  30  Cents  bis  1  Dollar  40  Cents  Silbergeld  ge- 
habt. Als  indessen  seit  Herbst  1903  die  Gerüchte  über 
einen  Krieg  zwischen  Japan  und  Rußland  in  Blüte  gestanden 
hätten,  habe  es  unter  den  Chinesen  geheißen,  daß,  wenn 
nach  dem  Ausbruch  des  Krieges  die  russischen  Truppen  ein- 
mal unterliegen  würden,  die  Papierrubel  nicht  mehr  ge- 
wechselt werden  könnten  und  nur  noch  den  Wert  von  altem 
Papier  haben  würden.  Vom  November  oder  Dezember  d.  J. 
bis  zum  Ausbruch  des  Krieges  im  Februar  1904  habe  der 
Umlauf  des  Papiergeldes  eine  starke  Abnahme  erfahren,  und 
dasselbe  sei  von  1  Dollar  30  bis  40  Cents  häufig  auf  1  Dollar 
*  10  Cents   gefallen,   und   nur   dank   den    Bestrebungen    der 

Niederlassungen  der  russisch-chinesischen  Bank  in  den  ver- 
schiedenen Orten,  den  Kredit  des  Papiergeldes  aufrecht- 
zuerhalten, sei  es  nicht  dazu  gekommen,  daß  sein  Umlauf 
ganz  ins  Stocken  geraten  sei.  Als  aber  die  Nach- 
richten von  den  Niederlagen  bei  Nanshan  und  Tehlitze  nach 
Kaiping  und  Yingkow  kamen,  hätten  die  Chinesen,  welche 

*)  V.  §  5.  —  ö)  II.  Ziffer  2. 

402 


Prisengerichtsentscheidungen:  ,Pei-Ping'.  Abschnitt  VII9» 

Papierrubel  gehabt  hätten,  darin  gewetteifert,  diese  zu  ver- 
kaufen.    Der  Rubel  sei  damals  bis  auf  70  oder  30  Cents 
gefallen.     Aber  da  in  Tientsin   und  Shanghai   Papierrubel 
immer  zum  Tageskurs  gegen  Silbertaels  gewechselt  werden 
könnten,  so  hätten  die  Geldwechsler  in  Yingkow,  wenn  das 
russische  Papiergeld  gefallen  gewesen  sei,  dieses  aufgekauft, 
nach  Shanghai  geschickt  und  dort  mit  ungeheurem  Gewinn 
wieder  eingetauscht. 
Nach   diesem   Bericht   zu   urteilen,   erregte  also  der   Rubelschein 
schon  beim  Beginn  des  japanisch-russischen  Krieges  im  Verkehr  unter 
den  Chinesen  ganz  allgemein  Verdacht  und  Mißtrauen,  und  es  zeigte  sich 
die  Tendenz,  daß  er  schließlich  gänzlich  den  Kredit  verlieren  würde. 
Als    die  Nachrichten  von  den  Niederlagen   bei  Nanshan   und  Tehlitze 
nach  Yingkow  gekommen  waren,  traf  freilich   die  russisch-chinesische 
Bank  sorgfältige  Maßnahmen,  um  das  alte  Verhältnis  wiederherzustellen; 
es   kam   aber   trotzdem   zu  einem   großen   Sturz.     Als   sodann   immer 
mehr  Nachrichten  von  dem  weiteren  Kampf  und  Sieg  der  japanischen 
Truppen  kamen,  war  die  Lage  so,  daß  es  sich  auf  keine  Weise  mehr 
vermeiden   ließ,   daß   der   Rubel   unter   den   Chinesen   ganz   allgemein 
seinen  Kurs  verlieren  würde.    Es  ist  daher  ganz  klar,  daß  die  Situation 
derartig  war,  daß  die  russischen  Truppen  zu  der  Zeit,  wo  das  zur  Ver- 
handlung stehende   Silbergeld    befördert   wurde,    zur    Requisition    des 
Kriegsbedarfs  und  zur  Bezahlung  der  Kulis  den  Papierrubel  nicht  ohne 
weiteres  verwenden  konnten.     Daher  ist  es  offenbar,  daß  chinesisches 
Silbergeld  zu  jener  Zeit  für  die  russischen  Truppen  unentbehrlich  ge- 
worden war. 

Ferner  besagt  der  Bericht  des  Kaiserlichen  Generalkonsuls  I  j  u  i  n 
in  Tientsin  über  die  russischen  Papierrubelscheine : 

Mit  der  Eröffnung  des  Krieges  zwischen  Japan  und  Rußland 
seien  unter  vielen  Chinesen  Zweifel  über  die  Einlösbarkeit 
der  Rubelscheine  aufgekommen.    Man  habe  gefürchtet,  daß 
sie   Fälschungen   seien,    und    ihr   Kredit  sei   beeinträchtigt 
worden.     Auch  unter  den  Russen  und  den  russischen  Re- 
gierungslieferanten  seien   nur  sehr  wenig  Rubelscheine   in 
Verkehr  gewesen,  wenn  man  auch  nicht  behaupten  könne, 
daß  sie  absolut  keinen  Umlauf  gehabt  hätten.     Wenn  die 
Banken  in  Tientsin  sie  in  die  Hände  bekommen  hätten,  so 
hätten  sie  sie  nicht  als  Geld   behandelt,  sondern  als  eine 
Art  Wertpapier. 
Danach    hat    der  Rubelschein,  nachdem  die  russischen    Truppen 
bei  Nanshan  und  Tehlitze  geschlagen  worden  waren,  unter  den  Chinesen 
allgemein  keinen  Umlauf  gehabt.    Er  war  gelegentlich  des  Kurssturzes 
eine  Art  Handelsobjekt  für  Kaufleute,  die  großen  Gewinn  erzielen  wollten. 

(26*)  403 


Abschnitt  VIi^«  Prisengerichtsentscheidungen:  .Pel-Plng*. 

Daher  hat  der  Rubelschein  auch  die  Requisitionen  der  russischen  Truppen 
und  die  Löhne  der  Kulis  nicht  bezahlen  können.  Aus  allem  diesen  geht 
klar  hervor,  daß  die  russischen  Truppen  chinesisches  Geld  nötig  hatten. 

Wenn  es  auch  offenbar  ist,  daß  trotz  des  japanisch-russischen 
Krieges  die  Hauptprodukte  Niutschwangs,  Bohnen,  Bohnenkuchen  und 
Bohnenöl,  wie  auch  die  Reklamanten  behaupten,  verhandelt  worden 
sind,  so  bestand  daneben  doch  die  Tatsache,  daß  auf  der  anderen 
Seite  Kaufleute  in  Benutzung  der  Gelegenheit,  daß  die  russischen  Truppen 
chinesisches  Umlaufsgeld  nötig  hatten,  die  vermehrten  Rubelscheine 
billig  von  den  russischen  Truppen  kaufen  und  dadurch  großen  Gewinn 
erzielen  konnten.  Daher  stimmt  die  Behauptung  des  Reklamanten,  daß 
das  in  Streit  befangene  Silbergeld,  weil  jener  Waren handel  in  Betrieb 
gewesen  sei,  auf  keinem  Fall  dem  Kriegsgebrauch  des  Feindes  gedient 
haben  würde,  nicht  mit  den  Tatsachen  überein.  Vielmehr  ist  es  natürlich 
anzunehmen,  daß  zu  einer  solchen  Zeit  die  geschäftlich  scharfsinnigen 
chinesischen .  Kaufleute,  vor  allem  die  Bankunternehmer,  anstelle  ihrer 
gewöhnlichen  Geschäfte  lieber  Rubelscheine  billig  von  den  Russen  kaufen 
und,  um  einen  außerordentlichen  Profit  zu  erzielen,  die  Gefahr  eines 
solchen  Geldimports  laufen  würden.  Das  zur  Verhandlung  stehende 
Geld  ist  durch  Vermittlung  der  Seetransportfirma  TängMingChien, 
welche  eine  volle  Ladung  von  Kriegskonterbande  heimlich  nach 
Niutschwang  zu  befördern  beabsichtigt  hatte,  zugleich  mit  dieser 
Konterbande  auf  demselben  Schiff  verladen  und  befördert  worden. 
Dazu  ist  sein  Bestimmungsort  ein  russischer  Etappenort  und,  wie  oben 
dargetan,  bedurften  die  russischen  Truppen  solchen  Geldes.  Daraus  muß 
geschlossen  werden,  daß  der  Zweck  der  Einfuhr  des  Geldes  der  gleiche 
gewesen  ist  wie  der  der  Einfuhr  der  übrigen  Konterbandelad üng,  näm- 
lich Lieferung  zum  Gebrauch  der  russischen  Truppen.  Demnach  ist 
es  durchaus  zutreffend,  wenn  das  Gericht  erster  Instanz  die  Einziehung 
des  Geldes  ausgesprochen  hat. 

Da  Personen,  welche  Schleichimport  treiben,  immer  genötigt  sind, 
mit  allen  Mitteln  den  Verdacht  abzulenken  und  die  Spuren  zu  verheim- 
lichen, so  kann  die  Tatsache,  daß  man  in  Shanghai  beim  Zollamt  öffent- 
lich die  Ausfuhrformalitäten  erfüllt  hat,  nicht  als  ein  Beweis  erachtet 
werden,  welcher  geeignet  sei,  der  obigen  Annahme  entgegenzustehen. 

Wenn  man  die  von  den  Reklamanten  angeführten  Beweise  be- 
trachtet, so  können  sie  lediglich  zu  der  Vermutung  führen,  daß  in  jedem 
Jahre  Fälle  von  Einfuhr  kleinen  Silbergeldes  nach  Niutschwang  vor- 
kommen. Für  die  Behauptung  aber,  daß,  obgleich  eine  Gelegenheit, 
großen  Gewinn  zu  erzielen,  vorhanden  war,  diese  Gelegenheit  nicht 
berücksichtigt  worden  sei  und  das  Geld  für  die  alljährlich  wieder- 
kehrenden Handelszwecke  dienen  sollte,  ist  keinerlei  Beweis  erbracht 
worden. 

■404 


PrissRgeriohtsdntscheidungeii:  .Pef-Ping'.  Abschnitt  VI^^* 

Die  Reklamanten  behaupten,  daß  es  nicht  zu  bestreiten  sei,  daß 
die  Verwendung  von  Silbergeld  sich  nicht  auf  die  russische  Armee  und 
Marine  beschränke,  sondern  daß  es  allgemein  im  kaufmännischen  Ver- 
kehr unter  den  Chinesen  verwendbar  sei.  Was  indes  das  von  den 
Reklamanten  einzuführen  beabsichtigte  Silbergeld  angeht,  so  ist  aus 
den  Tatumständen  die  Annahme,  daß  dasselbe  zum  Gebrauch  der  russi- 
schen Truppen  gedient  haben  würde,  ganz  offenbar  berechtigt.  Das- 
selbe kann  daher,  gerade  wie  auf  Grund  derselben  Tatumstände  der 
gleichen  Annahme  bei  Lebensmitteln  wie  Reis  und  Weizenmehl  nichts 
im  Wege  steht,  als  Konterbande  angesehen  werden. 

Da  ferner  der  Grund  dafür,  daß  Lebensmittel,  Geld  usw.,  wenn 
sie  nach  .feindlichem  Gebiet  gehen  oder  zum  feindlichen  Kriegsgebrauch 
geliefert  werden  sollen,  als  Konterbande  gelten,  der  ist,  daß  man  dagegen 
ist,  daß  solche  Güter  im  Ende  die  Kriegsfähigkeit  des  Feindes  unter- 
stützen, so  ist  die  Frage,  ob  ihr  Bestimmungsort  ein  Kriegshafen  oder 
Blockadehafen  ist,  für  die  Bestimmung,  ob  ein  Konterbandetransport 
vorliegt  oder  nicht,  nicht  von  wesentlicher  Bedeutung.  Wenn  der  Be- 
stimmungsort ein  Kriegshafen  oder  ein  Blockadehafen  ist,  so  liefert  das 
nur  einen  Umstand,  welcher  die  Vermutung,  daß  die  dorthin  bestimmten 
Güter  Konterbande  sind,  erleichtert.  Daher  ist  auch  dieser  Punkt  der 
Berufung  nicht  anzuerkennen. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden : 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  25.  Dezember  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  LiWooChwen,in  Firma  ShihChangTock, 
Regierungsbezirk  Päng  Lai,  Tengchowfu,  China. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Sakurai  Ikkyu,  Regierungs- 
bezirk Hiogo,  Kobe,  Kitanagasadori  shichome  Nr.  54. 

In  der  Prisensache  betreffend  Ladung  des  chinesischen  Dampfers 
„Pei-Ping"  wird,  wie  folgt,  entschieden: 

Urteilsformel: 
Die  unter  der  Ladung  des  Dampfers  „Pei-Ping''  befindlichen,  von 
der  Firma  Kai  P i n g  C h a n g  an   die  Firma  Shi  Chiang  Tock 
versandten   6  Kisten   mexikanischer  Dollars  werden   eingezogen. 

405 


Abschnitt  Vli^a  Prisengerichtsentscheidungen :  •Pei-Ping*« 

Tatbestand  und  Gründe: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  6  Kisten  mexikanische  Dollars 
sind  kleines  chinesisches  Silbergeld.  Sie  wurden  in  Shanghai,  China, 
von  dem  Transportgeschäft  Kai  Fing  Chang  auf  dem  chinesischen 
Dampfer  „Pei-Ping"  verladen  und  am  15.  Juli  1904  an  die  Firma  Shi 
Chang  Tock  in  Niutschwang  abgesandt.  Als  am  17.  d.  M,  das 
Kaiserliche  Kriegsschiff  „Hongkong  Maru"  den  Dampfer  „Pei-Ping" 
wegen  Konterbandetransports  etwa  10  Seemeilen  nordöstlich  von  Wei- 
haiwei  in  China  aufbrachte,  wurden  auch  die  zur  Verhandlung  stehenden 
Güter  mit  Beschlag  belegt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Vertreters  des  Kommandanten  der  „Hongkong  Maru",  Leutnants  zur  See 
Iwamuro  Tetsujiro,  die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns 
A.  Mactaggart,  des  Kompradors  Cheong  Sow  Wing,  des  1. 
Offiziers  H.  C.  Atkinson,  die  Konnossemente  und  das  Ladungs- 
verzeichnis des  genannten  Dampfers. 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  des  Vertreters  der  Reklamation 
sind  folgende: 

Der  Reklamant  betreibe  in  Niutschwang  ein  Bankgeschäft.  Er 
habe  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  von  Shanghai  kommen  lassen 
wollen,  weil  zu  der  Zeit  in  Niutschwang  die  Handelsverhältnisse  zu 
einem  einseitigen  Wechselverkehr  geneigt  hätten  und  weil  die  Zeit  zum 
Einkauf  von  Bohnen,  Bohnenkuchen  und  Bohnenöl  gekommen  gewesen 
sei,  so  daß  Umlaufkapital  nötig  gewesen  sei.  Ferner  sei  der  Kurs  für 
Papiergeld  und  für  kleines  Silbergeld  sehr  ungleich  gewesen,  so  daß 
der  Reklamant  durch  die  Einfuhr  von  Metallgeld  einen  Gewinn  zu  er- 
zielen erhofft  habe. 

Das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  sei  nicht  für  die  russische 
Armee  oder  Marine  bestimmt  gewesen  und  habe  auch  nicht  zu  ihrem 
Gebrauch  geliefert  werden  sollen.  Daher  sei  es  keine  Konterbande  und 
müsse  freigegeben  werden. 

Der  Reklamant  hat  zum  Beweise  der  vorstehenden  Tatsachen  ver- 
schiedene Beweisdokumente  eingereicht. 

Die  Hauptpunkte  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  sind  folgende: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  würden  nach  ihrer  Ankunft 
in  Niutschwang  zum  Gebrauch  der  russischen  Truppen  gedient  haben. 
Sie  seien  daher  Kriegskonterbande  und  müßten  eingezogen  werden. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht : 

Wenn  Lebensmittel  oder  Geld  nach  einem  von  den  feindlichen 
Truppen  besetzten  Hafen  versandt  worden  sind,  so  kann  je  nach  den 
Umständen  angenommen  werden,  daß  sie  zum  Gebrauch  dieser  Truppen 
dienen  werden. 

Niutschwang  war  zur  fraglichen  Zeit  von  den  russischen  Truppen 

406 


Prisengerichtsentscheidunyen :  „Pei-Ping'S  Abschnitt  VI  ^^  f 

besetzt  und  diente  als  ein  Hauptetappenort.  Außerdem  hatte  das  russische 
Kriegspapiergeld  durch  die  andauernden  Niederlagen  der  russischen 
Armee  und  Marine  sehr  an  Kredit  verloren,  und  es  ist  bekannt,  daß 
chinesisches  Metallgeld,  insbesondere  kleines  Geld  wie  das  zur  Ver- 
handlung stehende  Silbergeld  stark  benötigt  wurde,  um  der  täglichen 
Nachfrage  zu  entsprechen.  Es  muß  daher  angenommen  werden,  daß 
das  zur  Verhandlung  stehende  Silbergeld  nach  Ankunft  in  Niutschwang 
sofort  zum  Gebrauch  der  genannten  Truppen  geliefert  worden  wäre. 
Es  wird  demnach  als  Kriegskonterbande  angesehen,  i)  und  weder  die 
Ausführungen  des  Vertreters  der  Reklamation  noch  die  von  ihm  ein- 
gereichten verschiedenen  Beweisdokumente  sind  imstande,  diese  An- 
nahme umzustürzen. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden.  2) 

Verkündet  am    17.  Dezember   1.904   im   Prisengericht   zu   Sasebo 
im  Beisein  des  Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurokuro. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Der  chinesische  Staatsangehörige  LiWooChwen, 
in  Firma  ShiChangTock,aus  China,  Provinz  Shantung,  Regierungs- 
bezirk Tengchow,  Päng  Lai. 

ProzeBvertreter:  Die  Rechtsanwälte  Takagi  Toyozo,  Tokio, 
Kojimachiku,  Uchisaiwaicho  ichome  Nr.  3  und  Sakurai  Ikkyu,  Re- 
gierungsbezirk Hiogo,  Kobe,  Kitanagasadori,  shichome  Nr.  54. 

Am  17.  Dezember  1904  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  In  der 
Prisensache  betreffend  Ladung  des  Dampfers  „Pei-Ping",  welcher  am 
17.  Juli  1904  auf  37o  35'  n.  Br.  und  122  0  23'  ö.L.  von  dem  Kaiser- 
lichen Kriegsschiff  „Hongkong  Maru"  aufgebracht  worden  ist,  ein  Urteil 
gefällt,  in  welchem  auf  Einziehung  der  unter  der  Ladung  des  Dampfers 
„Pei-Ping"'  befindlichen,  von  der  Firma  Kai  Ping  Chiang  an  die 
Firma  Shi  Chang  Tock  abgesandten  6  Kisten  mexikanischer  Dollars 
erkannt  worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  der  Reklamant,  der  chinesische  Staats- 
angehörige Li  Woo  Chwen,  in  Firma  Shi  Chang  Tock,  durch 
die  Rechtsanwälte  Takagi  Toyozo  und  Sakurai  Ikkyu  als  Pro- 
zeßvertreter die  Berufung  eingelegt,  welche  im  Beisein  der  Staatsanwälte 
Tsutsuki  Keiroku  und  Dr.  jur.  IshiwatariBinichi  beim  Ober- 
prisengericht geprüft  worden  ist. 


»)  II.  Ziffer  2.  —  «)  V.  §  43. 

407 


Abschnitt  VI*«!  Piisengeiichtsentschaidungen:  „Pei-Ping**. 

Die  Hauptberuf ungspunkte  der  Vertreter  der  Reklamation,  Ta  kagi 
Toyözo  und  Sakurai  Ikkyu,  sind  folgende: 

Es  werde  Aufhebung  des  am  17.  Dezember  1904  von  dem  Prisen- 
gericht zu  Sasebo  erlassenen  Urteils  auf  Einziehung  der  auf  dem  chinesi- 
schen Dampfer  „Pei-Ping"  verschifften  6  Kisten  mexikanischer  Dollars 
und  Freigabe  derselben  beantragt,  und  zwar  aus  folgenden  Gründen: 

(Das  Folgende  ist  identisch  mit  dem  korrespondierenden  Teil 
des  Urteils  des  Oberprisengerichts  in  der  Reklamation  der 
Firma  Yu  Shang  Chiang.     VI.   19e.) 


Reklamant:  Der  chinesische  Staatsangehörige  WooWenTien^ 
in  Firma  Ching  Tai  Fung,  aus  der  Provinz  Shansi,  Regierungs- 
bezirk Tai  Kuh,  Tai  Yuen,  China. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Sakurai  Ikkyu,  Regierungs- 
bezirk Hiogo,  Kobe,  Kitanagasadori  Nr.  54. 

In  der  Prisensache  betreffend  Ladung  des  chinesischen  Dampfers 
„Pei-Ping"  wird,  wie  folgt,  entschieden: 

Urteilsformel: 
Die  unter  der  Ladung  des  Dampfers  „Pei-Ping"  befindlichen,  von 
der  Firma  Shang  Fa  Yun  versandten  10  Kisten  kleines  Silbergeld 
werden,  eingezogen. 

Tatbestand  und  Gründe: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  10  Kisten  kleines  Silbergeld  wurden 
in  Shanghai,  China,  von  dem  Transportgeschäft  Shang  Fa  Yun  auf 
den  chinesischen  Dampfer  „Pei-Ping"  verladen  und  am  15.  Juli  1904 
nach  Niutschwang  in  China  abgesandt.  Als  am  17.  d.  M.  das  Kaiser- 
liche Kriegsschiff  „Hongkong  Maru"  den  Dampfer  „Pei-Ping"  wegen 
Konterbandetransports  etwa  10  Seemeilen  nordöstlich  von  Weihaiwei 
in  China  aufbrachte,  wurden  auch  die  zur  Verhandlung  stehenden 
Güter  mit  Beschlag  belegt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des- 
Vertreters  des  Kommandanten  der  „Hongkong  Maru",  Leutnants  zur 
See,  Iwamuro  Tetsujiro,  die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapi- 
täns A.  Mactaggart,  des  Kompradors  Cheong  Sow  Wing,  des 
1.  Offiziers  H.  C.  Atkinson,  die  Konnossemente  und  das  Ladungs- 
verzeichnis des  genannten  Dampfers. 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  des  Vertreters  der  Reklamation 
sind  folgende: 

Der  Reklamant  betreibe  in  Niutschwang  ein  Bankgeschäft.   Er  habe 

408 


Prisengerichtsentscheidongen:  „Pei-Ping".  Abschnitt  VIi^i 

das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  von  Shanghai  kommen  lassen, 
weil  zu  der  Zeit  in  Niutschwang  die  Handelsverhältnisse  zu  einem 
einseitigen  Wechselverkehr  geneigt  hätten  und  weil  die  Zeit  zum  Ein- 
kauf von  Bohnen,  Bohnenkuchen  und  Bohnenöl  gekommen  gewesen 
sei,  so  daß  Umlaufskapital  nötig  gewesen  sei.  Ferner  sei  der  Kurs 
für  Papiergeld  und  für  kleines  Silbergeld  sehr  ungleich  gewesen,  so 
daß  der  Reklamant  durch  Einfuhr  von  Metallgeld  einen  Gewinn  zu 
erzielen  erhofft  habe. 

Das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  sei  nicht  für  die  russische 
Armee  oder  Marine  bestimmt  gewesen  und  habe  auch  nicht  zu  ihrem 
Gebrauch  geliefert  werden  sollen.  Daher  sei  es  keine  Konterbande 
und  müsse  freigegeben  werden. 

Der  Reklamant  hat  zum  Beweise  der  vorstehenden  Tatsachen  ver- 
schiedene Beweisdokumente  eingereicht. 

Die  Hauptpunkte  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  sind  folgende: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  würden  nach  ihrer  An- 
kunft in  Niutschwang  zum  Gebrauch  der  russischen  Truppen  gedient 
haben.  Daher  seien  sie  Kriegskonterbande  und  müßten  eingezogen 
werden. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Wenn  Lebensmittel  oder  Geld  nach  einem  von  den  feindlichen 
Truppen  besetzten  Hafen  versandt  werden,  so  kann  je  nach  den  Um- 
ständen angenommen  werden,  daß  dieselben  zum  Gebrauch  dieser 
Truppen  dienen  würden. 

Niutschwang  war  zur  fraglichen  Zeit  von  den  russischen  Truppen 
besetzt  und  diente  als  ein  Hauptetappenort.  Außerdem  hatte  das  russi- 
sche Kriegspapiergeld  durch  die  andauernden  Niederlagen  der  russi- 
schen Armee  und  Marine  sehr  an  Kredit  verloren,  und  es  ist  bekannt, 
daß  chinesisches  Metallgeld,  insbesondere  kleines  Geld,  wie  das  zur 
Verhandlung  stehende  Silbergeld,  stark  benötigt  wurde,  um  der  täg- 
lichen Nachfrage  zu  entsprechen.  Es  muß  daher  angenommen  werden, 
daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Silbergeld  nach  Ankunft  in  NiU' 
tschwang  sofort  zum  Gebrauch  der  genannten  Truppen  geliefert  worden 
wäre.  Es  wird  demnach  als  Kriegskonterbande  angesehen,  ^)  und  weder 
die  Ausführungen  des  Vertreters  der  Reklamation  noch  die  von  ihm 
eingereichten  verschiedenen  Beweisdokumente  sind  imstande,  diese  An* 
nähme  umzustoßen. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden.  2) 

Verkündet  am  17.  Dezember  1904  im  Prisengericht  zu  Sasebo 
im  Beisein   des  Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurokuro. 

(Unterschriften.) 


*)  II  Ziffer  2.  —  2)  y.  §  43. 

409 


Abschnitt  Hl^^  Prisengerichtsentspheidungen:  „Pei-Ping". 

Reklamant:  Der  chinesische  Staatsangehörige  Woo  Wen 
Tien,  in  Firma  Ching  Tai  Fung,  aus  China.  Provinz  Shansi, 
Regierungsbezirk  Taiyuen,  Tai  Kuh. 

ProzeBvertreter :  Die  Rechtsanwälte  TakagiToyozo,  Tokio, 
Kojimachiku,  Uchisaiwaicho  shichome  Nr.  3  undSakurai  Ikkyu,  Re- 
gierungsbezirk Hiogo,  Kobe,  Kitanagasadori  shichome  Nr.  54. 

Am  17.  Dezember  1904  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der 
Prisensache  betreffend  Ladung  des  Dampfers  „Pei-Ping",  welcher  am 
17.  Juli  1904  auf  37^  35'  n.  Br.  und  122«  35'  ö.  L.  von  dem  Kaiser- 
lichen Kriegsschiff  „Hongkong  Maru"  aufgebracht  worden  ist,  ein  Urteil 
gefällt,  in  welchem  auf  Einziehung  der  unter  der  Ladung  des  Dampfers 
„Pei-Ping''  befindlichen,  von  der  Firma,  Shan  Fah  Yun  versandten 
10   Kisten   kleinen   Silbergeldes  erkannt   worden   ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  der  Reklamant  Woo  Wen  Tien,  in 
Firma  Ching  Tai  Fung,  durch  die  Rechtsanwälte  Takagi  Toyozo 
und  Sakurai  Ikkyu  als  Prozeßvertreter  die  Berufung  eingelegt,  welche 
im  Beisein  der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku  und  Dr.  jur.  I s h i - 
watari  Binichi  beim   Oberprisengericht  geprüft  worden   ist. 

Die  Hauptberuf ungspunkte  der  Vertreter  der  Reklamation,  Takagi 
Toyozo  und  Sakurai  Ikkyu,  sind  folgende: 

Es  werde  Aufhebung  des  am  17.  Dezember  1904  von  dem  Prisen- 
gericht in  Sasebo  abgegebenen  Urteils  auf  Einziehung  der  auf  dem 
chinesischen  Dampfer  „Pei-Ping''  verschifften  10  Kisten  kleinen  Silber- 
geldes und  Freigabe  derselben  beantragt  und  zwar  aus  folgenden 
Gründen : 

(Das  Folgende  ist  identisch  mit  dem  korrespondierenden  Teil 
des  Urteils  des  Oberprisengerichts  in  der  Reklamation  der 
Firma  Yu  S hang  C  hang.  VL  19  e.) 


Reklamanten:' Die  chinesischen  Staatsangehörigen  Tang  Ming 
C  h  i  e  n ,  Chef  der  Firmen  Kai  PingChiang  und  ShangFaYun, 
in  Shanghai,  China,  Kiangsi  Road  Nr.  94,  und  Yue  Foong  Tack, 
Yuen  Ching  Dah,  Yuen  Chang  Kung,  Yu  Chang  Wo, 
Fung  Shun  Yung,  Yuen  Fang,  Wai  Fah  Hua,  Ching  Ta 
Foong,  Shi  Cheang  Tack,  Dong  Shun  Shing,  Chi  Chi, 
San  Shun  Ta,  Shing  Chang  Yüng,  Teng  Ha  Tong,  Shing 
Woo  Cheang,  sämtlich  wohnhaft  in  Shanghai,  China. 

ProzeBvertreter:  Die  Rechtsanwälte  Suzuki  Jubi,  Tokio, 
Kyobashiku,  Kagacho  Nr.  8  und  Hatakeyama  Shigeaki,  Nagasaki,  Hira- 
domachi  Nr.  18. 

410 


frisengeiichtsentscheidungen:  „Pei-Ping".  Abschnitt  VIi^» 

In  der  Prisensache,  betreffend  Ladung  des  chinesischen  Dampfers 
„Pei-Ping",   wird,   wie   folgt,   entschieden: 

Urteilsformel: 
Die  auf  dem  Dampfer  „Pei-Ping"  verladenen,  in  dem  beigefügten 
Verzeichnis  aufgeführten   Güter   werden   sämtlich   eingezogen. 

Tatbestand   und   Gründe: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  sind  in  Shanghai,  China, 
auf  dem  chinesischen  Dampfer  „Pei-Ping"  verladen.  Am  15.  Juli  1904 
wurden  sie",  wie  in  dem  beigefügten  Ladungsverzeichnis  angegeben,  nach 
den  chinesischen  Häfen  Niutschwang,  Tientsin  und  Chinwantao  ab- 
gesandt. Als  am  17.  d.  M.,  10  Uhr  vormittags,  das  Kaiserliche  Kriegs- 
schiff „Hongkong  Maru"  den  Dampfer  „Pei-Ping"  wegen  Konterbande- 
transports etwa  10  Seemeilen  nordöstlich  von  Weihaiwei  in  China  auf- 
brachte, wurden  auch  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  mit  Be- 
schlag belegt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Vertreters  des  Kommandanten  der  „Hongkong  Maru",  Leutnants  zur 
See,  IwamuroTetsujiro,  die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns 
A.  Mac  taggart.,  des  Kompradors  Cheong  Sow  Wing,  des 
L  Offiziers  H.  C.  Atkinson,  die  Konnossemente  und  das  Ladungs- 
verzeichnis des  genannten  Dampfers. 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  der  Vertreter  der  Reklamation 
sind  folgende: 

Die  nach  Niutschwang  bestimmten  zur  Verhandlung  stehenden 
Güter,  welche,  unter  Ziffer  2  der  Instruktion  des  Marineministeriums 
Nr.  1  vom  Jahre  1904^)  fielen,  wie  Reis,  Weizenmehl,  Tee,  Zucker  und 
Silbergeld,  könnten  erst  als  Konterbande  gelten,  wenn  sie  entweder  an 
die  feindliche  Armee  oder  Marine  bestimmt  seien  oder  angenommen 
werden  müsse,  daß  sie  zu  deren  Gebrauch  dienen  würden.  Was  aber 
die  Art  der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  angehe,  so  hätten 
verschiedene  einzelne  Kaufleute,  die  auch  selbst  die  Empfänger  seien, 
sie  einem  Spediteur  zur  Beförderung  übergeben.  Es  sei  daher  offenbar, 
daß  sie  nicht  an  die  feindliche  Armee  und  Marine  bestimmt  gewesen 
seien. 

Ferner  hätten  die  Ladungseigentümer  und  der  Reeder  zunächst  bei 
dem  chinesischen  Zollamt  angefragt  und  die  Güter  erst  verschifft,  als 
sie  die  das  Beweisstück  A  1  bildende  Antwort  erhalten  hätten,  daß 
Reis,  Weizenmehl,  Zucker,  Silbergeld  usw.  nur,  wenn  sie  an  die  krieg- 
führenden Staaten  geliefert  werden  sollten,  Konterbande  seien.  Das 
sei  mehr  als  ausreichend  für  die  Vermutung,  daß  die  Absicht,  sie  an 

411 


Abschnitt  VII»* 


Prisengeiichtsentscheidungen :  „Pel-Ping^. 


den  Feind  zum  Kriegsgebrauch  zu  liefern,  nicht  bestanden  habe.  Über- 
dies gehe  es  aus  Beweisstück  A  6  hervor,  daß  derartige  Güter  gewöhnlich 
in  Niutschwang  sehr  in  Nachfrage  stünden,  so  daß  sie  regelmäßig  von 
Shanghai  eingeführt  würden. 

Des  weiteren  täten  die  Beweisstücke  A  2  bis  4  dar,  daß  die  Ladungs- 
eigentümer, welche  alle  in  Niutschwang  ihr  Hauptgeschäft  oder  Filialen 
hätten,  die  Güter  als  gewöhnliche  Handelsobjekte  dorthin  versandt  hätten. 
Es  sei  daher  unbillig,  anzunehmen,  daß  sie  zum  Gebrauch  des  Feindes 
hätten  dienen  sollen. 

Tientsin  und  Chinwantao  seien  neutrale  Häfen,  die  zu  diesem 
Kriege  nicht  in  der  geringsten  Beziehung  stünden.  Die  cforthin  be- 
stimmten Güter  seien  daher  keine  Kriegskonterbande  und  müßten  mit 
Recht  freigegeben  werden. 

Die  Reklamanten  seien  die  Eigentümer  der  in  dem  beigefügten 
Verzeichnis  unter  folgenden  Nummern  aufgeführten  Güter  und  be- 
antragten deren  Freigabe: 

Yuen  Shang  Kun 

Yuen  Shing  Dah 

Yuen  Fang 

Shing  Chang  Ying 

Yue  Foong  Tack 

Fung  Sh  un  Yung 

Shi  Cheang  Tack 

Yu  Chan  Wo 

Ching  Ta  Foong 

Dong  Shun  Shing 

Teng  Ha  Tong 

ShingWoo  Cheang 

Nan  Sh  un  Ta 

Chi  Chi  und  Wai  Fah 
Tang  Ming  Chien  sei  freilich  nicht  Eigentümer  irgendwelcher 
der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter.  Er  betreibe  aber  unter  der  Firma 
KaiPingChang  und  ShangFayun  Seetransportgeschäfte,  und  da 
er  den  Transport  der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  übernommen, 
habe  und  im  Falle  der  Einziehung  derselben  Schaden  erleiden  müsse, 
so  habe  er  mit  den  anderen  Reklamanten  zusammen  die  Reklamation 
erhoben  und  beantrage  die  Freigabe  sämtlicher  Güter. 

Die  Hauptpunkte  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  sind  folgende: 
Von  den  nach  Niutschwang  gehenden  Gütern  seien  die  in  dem 
beigefügten  Verzeichnis  unter  den  Nummern  9  bis  12,  15,  16,  18  bis 
90  aufgeführten  Güter  einzuziehen  und  die  unter  den  Nummern  13, 
14  und  17  aufgeführten  sowie  die  nach  Chinwantao  und  Tientsin  be- 
stimmten Güter  freizugeben. 

412 


Nummer 

85, 

n 

89, 

tt 

90, 

f 

83, 

iJ 

84, 

f 

82, 

t 

f 

f 

88, 

81, 

16, 

13, 

18—24, 

25    79, 

80, 

Hua 

Nummer  14  und  17. 

Prisengeiichtsentscheidungeii;  „Pei-Ping''.  Abschnitt  VI»^ 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Es  ist  bekannt,  daß  Niutschwang  zur  Zeit  der  in  Frage  stehenden 
Aufbringung  von  den  russischen  Truppen  besetztes,  daher  feindliches 
Gebiet  war.«) 

Da  das  in  dem  beigefügten  Verzeichnis  unter  den  nach  Niutschwang 
bestimmten  Gütern  aufgeführte  Eisen  und  die  Eisenwaren  Güter  sind, 
welche  als  Material  zum  Bau  und  zur  Ausrüstung  von  Kriegsschiffen 
dienen  können,  so  ist  es  unbestreitbar,  daß  sie,  weil  nach  dem  feind- 
lichen Niutschwang  bestimmt,  Konterbande  sind.  *)  Daher  sind  die  Güter 
unter  Nummer  23  und  24  einzuziehen.^) 

Was  ferner  die  Lebensmittel,  wie  Weizenmehl  und  Getränke,  an- 
geht,^) so  sind  sie  alle  Artikel,  wie  sie  bei  Europäern  und  Amerikanern 
in  Nachfrage  stehen.  Zur  fraglichen  Zeit  ist  aber  die  Zahl  der  in 
Niutschwang  ansässigen  gewöhnlichen  Europäer  und  Amerikaner  sehr 
gering  gewesen,  wogegen  russische  Truppen  dort  in  großer  Zahl  lagen. 
Auch  war  Niutschwang  zu  der  Zeit  ein  Hauptetappenort  der  russischen 
Truppen.  Wenn  man  alles  dies  in  Erwägung  zieht,  ist  es  ganz  klar, 
daß  die  große  Menge  von  Lebensmitteln  und  Getränken  zum  Kriegs- 
gebrauch des  Feindes  gedient  haben  würde. 

Auch  bezüglich  des  Geldes,  s)  welches  die  russischen  Truppen  bei 
der  damaligen  Lage  für  die  Kriegsführung  am  allernötigsten  hatten, 
kann  es  nicht  bezweifelt  werden,  daß  auch  dieses  dem  Feinde  zum 
Kriegsgebrauch  geliefert  worden  sein   würde. 

Die  mit  Konnossementen,  welche  auf  den  Inhaber  als  Empfänger 
lauten,  ohne  Zweifel,  aber  auch  die  an  die  im  beiliegenden  Verzeichnis 
aufgeführten  Empfänger  bestimmten  Güter  sind  daher  tatsächlich  alle 
als  für  den  Gebrauch  der  russischen  Truppen  zu  liefern,  d.  h.  als 
Konterbande    anzusehen. 

Demnach  sind  die  in  dem  beigefügten  Verzeichnis  unter  Nummer 
15,  16,  18  bis  22,  25  bis  33  und  35  bis  90  verzeichneten  Güter  ein- 
zuziehen. *) 

Die  unter  Nummer  9  bis  14  und  17  bis  34  verzeichneten  Güter 
sind  freilich  keine  Konterbande,  gehören  aber  dem  Konterbandeeigen- 
tümer Tang  Ming  Chien  und  können  daher  der  Einziehung  nicht 
entgehen.  *)  Freilich  behaupten  die  Vertreter  der  Reklamation  auf  Grund 
des  Beweisstückes  A4,  daß  die  Güter  anderen  Reklamanten  wie  Tang 
Ming  Chien  gehören ;  dieses  Beweisstück  hat  aber  Tang  Ming 
Chien  erst  nach  Entstehen  der  vorliegenden  Sache  hergestellt,  und 
da  sonst  keine  Beweise  vorliegen,  welche  die  dort  verzeichneten  Tat- 
sachen bekräftigen  könnten,  so  ist  demselben  nicht  ohne  weiteres  Glauben 
zu  schenken. 

Die  übrigen  von   den  Vertretern   der   Reklamation  eingereichten 

•)  V.  §  5.  —  •)  II.  Ziffer  1.  —  ♦)  V.  §  43.  *)  II.  Ziffer  2. 

413 


Abschnitt  VI  9»» 


Prisengerichtsentscheidungen :  „Pei-Ping^ 


Beweisdokumente  sind  alle  nicht  geeignet,  um  zu  beweisen,  daß  die 
oben  genannten  Güter  keine  Konterbande  sind. 

Tientsin  und  Chinwantao  sind  kein  feindliches  Gebiet,  so  daß 
die  dorthin  bestimmten  Güter,  gegen  welche  in  diesem  Falle  ein  Beweis 
dafür,  daß  sie  zum  feindlichen  Kriegsgebrauch  geliefert  werden  sollten, 
nicht  vorliegt,  nicht  als  Konterbande  bezeichnet  werden  können.  Der 
Absender  der  nach  diesen  beiden  Plätzen  bestimmten,  in  dem  beigefügten 
Verzeichnis  aufgeführten  Güter  ist  aber  Tang  Ming  Chien  und 
die  Konnossemente  bezeichnen  als  Empfänger  den  Inhaber.  Daher  sind 
die  Güter  alle  als  im  Eigentum  TängMingChien's  stehend  zu  be- 
trachten; d.  h.  sie  gehören  dem  Eigentümer  der  oben  genannten  Kriegs- 
konterbande. Es  ist  aber  rechtens,  daß  Güter,  welche  einem  Eigen- 
tümer von  Konterbande  gehören,  wenn  sie  auf  demselben  Schiff  wie 
diese  sind,  gleichviel  ob  sie  nach  feindlichem  Gebiet  bestimmt  sind  oder 
nicht,  eingezogen  werden.  Demnach  sind  die  in  dem  beigefügten  Ver- 
zeichnis unter  Nummer  91  bis  105  und  111  bis  123  aufgeführten 
Güter  alle  einzuziehen. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  17.  Dezember  1904  im  Prisengericht  zu  Sasebo 
im  Beisein  des  Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurokuro. 


(Unterschriften.) 
Verzeichnis  der  auf  dem  Dampfer  „Pci-Plng"  verschifften  Qfiter. 


Nr.  des 
Ladungs- 

vor- 
zeicbnisses 

Art  der  Güter 

Zahl 
der 
Kolli 

Absender 

Lade- 
ort 

Emp- 
fänger 

Bestim- 
mungsort 

9 

Graues  Bombay- 
Baumwollen- 
garn .... 

25 

Shang  Fah 
Yun 

Shanghai 

Inhaber 

Niutschwang 

10 

n 

47 

n 

>» 

n 

.  11 

n 

3 

n 

„ 

» 

12 

n 

20 

n 

» 

n 

13 

Nanking-Stoffe    . 

100 

p 

n 

1» 

14 

n 

50 

ff 

n 

n 

15 

Kleines  Silbergeld 

5 

n 

» 

n 

16 

f> 

10 

n 

» 

n 

17 

Zigaretten  .    .    . 

35 

n 

n 

I» 

18 

Rotwein     .    .    . 

5 

n 

n 

n 

19 

Lebensmittel  .    . 

1 

I» 

n 

n 

20 

Kohlensaures 

« 

Wasser   .    .    . 

20 

» 

» 

n 

n 

21 

Stärkemehl     .    . 

1 

n 

n 

„ 

n 

22 

Butter    .... 

10 

n 

» 

„ 

n 

23 

Eisen     .... 

1 

n 

„ 

n 

n 

24 

Eisenwaren     .    . 

1 

n 

n 

n 

n 

414 


Prisengerichtsentscheidungen :  „Pei-Ping". 


Abschnitt  VI '9»» 


Nr.  des 
Ladnngs- 

ver- 
leicbnisaes 

Art  der  Güter 

Zahl 

der 

Kolli 

Absender 

Lade- 
ort 

Emp- 
fänger 

Bestim- 
mungsort 

25 

Gin 

50 

Shang  Fah 
Yun 

Shanghai 

Inhaber 

Niutschwang 

26 

Liköre   .    .    .     . 

20 

» 

n 

n 

ff 

27 

Zuckv  .    .    .    . 

10 

» 

n 

» 

ff 

28 

Gesalzenes  Rind- 

fleisch   .    .    . 

40 

n 

n 

» 

ff 

29 

Rotwein     .    .    . 

10 

n 

J» 

n 

fi 

30 

Lebensmittel  .    . 

4 

n 

f» 

n 

» 

31 

Branntwein     .    . 

170 

n 

n 

n 

ff 

32 

Vermouth  .    .    . 

10 

n 

n 

n 

ff 

33 

Geräucherte 

Schinken     .~   . 

11 

n 

n 

ff 

ff 

34 

Spielkarten     .    . 

1 

n 

n 

n 

f» 

35 

Bier 

50 

1» 

it 

fi 

f» 

36 

Tomaten     .    .    . 

20 

» 

n 

ff 

t» 

37 

Marmeladen   .    . 

2 

f> 

n 

ff 

ff 

38 

Lachs    .    .    .    . 

10 

n 

n 

» 

ff 

39 

Rindszunge    .    . 

1 

n 

n 

ff 

ff 

40 

Tomaten     .    .    . 

10 

n 

n 

ff 

f» 

41 

Kochsalz    .    .    . 

20 

n 

n 

» 

ff 

42 

Schokolade     .    . 

1 

n 

n 

n 

f» 

43 

Butter    .    .    .    . 

2 

• 
n 

» 

fi 

fi 

44 

Milch     .    .    .    . 

10 

n 

n 

ff 

ff 

45 

Schwarzer  Tee    . 

35 

n 

n 

fi 

ff 

46 

Lebertran  .    .    . 

2 

n 

n 

ff 

if 

47 

Lebensmittel  .    . 

2 

n 

n 

ff 

fi 

48 

1»           •    • 

3 

n 

n 

ff 

ff 

49 

Sardinen     .    .    . 

10 

n 

» 

ff 

ff 

50 

Whisky.    .    .    . 

15 

n 

1» 

ff 

ff 

51 

Rotwein      .    .    . 

1 

n 

11 

» 

ff 

52 

Gin 

10 

1» 

n 

fi 

ff 

53 

Old  Tom  Gin     . 

6 

n 

n 

fi 

ff 

54 

Likörs   .... 

8 

ft 

n 

f». 

ff 

55 

»                 ... 

30 

n 

n 

ff 

ff 

56 

Rotwein      .    .    . 

10 

» 

n 

ff 

ff 

57 

Bier  .    .    .    .    . 

20 

n 

» 

ff 

ff 

58 

J» 

60 

n 

n 

ff 

n 

59 

Gesalzenes  Rind- 

fleiscli     .    .    . 

3 

n 

» 

ff 

ff 

60 

Marmelade      .    . 

2 

1» 

n 

ff 

ff 

61 

n                   •        • 

5 

ft 

n 

fi 

ff 

62 

Alkoholische  Ge- 

tränke    .    .    . 

1 

» 

n 

ff 

ff 

63 

Biskuits      .    .    . 

1 

n 

n 

f» 

ff 

64 

Stärkemehl     .    . 

2 

» 

n 

ff 

ff 

65 

Käse      .    .    .    . 

1 

1» 

n 

fi 

ff 

66 

Obst 

5 

» 

» 

ff 

ff 

67 

Ananas  .... 

2 

1» 

n 

ff 

n 

68 

Zucker  .... 

10 

n 

it 

ff 

1 
f» 

415 


Abschnitt  VI»* 

PrisennerichtsentschelduiHien : 

„Pel-Ping**. 

Nr.  des 
Ladungs- 

ver- 
zeichnisses 

Art  der  Güter 

Zitbl 

der 

Kolli 

Absender 

Lade- 
ort 

Emp- 
fänger 

Bestim- 
mungsort 

69 

PfeffennOnz    .    . 

6 

Shang  Fah 
Yun 

Shanghai 

Inhaber 

Niutschwang 

70 

Whisky  .... 

5 

n 

n 

• 

71 

Rum 

3 

n 

n 

n 

72 

Likörs    .... 

4 

n 

n 

n 

73 

Gin   ...... 

15 

n 

» 

m 

74 

Likörs   .... 

5 

n 

II 

n 

75 

Ger.  Schinken    . 

3 

f» 

n 

n 

76 

Bier 

50 

y> 

n 

n 

77 

schwarzer  Tee    . 

2 

n 

n 

m 

78 

Lachs    .... 

3 

n 

n 

m 

79 

Ess's     .... 

10 

n 

n 

n 

80 

Reis 

94 

Nan  Shun 
Ta 

n 

Nan  Shun 
Ta 

n 

81 

Weizenmehl   .    . 

1000 

Kai  Fing 
Chiang 

n 

Yu  Chan 
Wo 

» 

82 

1»                      •        • 

500 

M 

n 

Fun  Shun 
Yung 

n 

83 

f»                      •        • 

100 

n 

• 

f» 

Shin  Chang 
Yün 

» 

84 

n 

2000 

n 

fi 

Yue  Foong 
Tack 

m 

85 

1»                   •       • 

1000 

n 

n 

Yuen  Chang 
Kun 

m 

86 

Mexikan.  Dollars 

2 

n 

1) 

Yu  Shung 
Yuen 

n 

87 

n 

8 

7f 

m 

Ching  Yu 

» 

88 

n 

6 

n 

n 

Shi  Cheang 
Tack 

n 

89 

Reis 

150 

1» 

n 

Yuen  Ching 
Dah 

n 

90 

n 

150 

j* 

n 

Yuen  Fang 

1» 

91 

Amerikan.  graue 

Shang  Fah 

Inhaber 

Chinwantao 

Bettdecken  .    . 

5 

Yun 

rt 

yt 

1» 

92 

Japanisches  graues 

Baumwollengarn 

13 

n 

n 

n 

n 

93 

>» 

10 

n 

V 

» 

* 

94 

n 

10 

n 

n 

» 

n 

95 

» 

15 

n 

f» 

1» 

n 

96 

Bombay-Baum- 

woUengam  .    . 

30 

n 

n 

9 

n 

97 

Japan.  Baum- 

wollengam  .    . 

20 

n 

1» 

1» 

ff 

98 

» 

5 

yt 

n 

» 

m 

99 

»» 

5 

1» 

n 

f» 

n 

100 

rt 

2 

m 

n 

n 

n 

101 

Graues  amerikan. 
Baumwollenge- 
webe .... 

5 

n 

» 

» 

n 

416 


Prlaengertchtsentscheidungen:  .Pei-Ping*. 


Abschnitt  VI»* 


Nr.  des 

LadaDgs- 

Ter- 

zeiohnisses 

Art  der  Güter 

Zahl 
der 
Koni 

Absender 

Lade- 
ort 

Emp- 
fänger 

Bestim- 
mungsort 

102 

Jap9n.  graues 
BaamwoUengam 

25 

Shang  Fah 
Yun 

Shanghai 

Inhaber 

Chinwantao 

103 

Bombay-Baum- 

woUengam .    . 

10 

n 

« 

» 

n 

104 

n 

10 

n 

n 

1» 

» 

105 

Reis 

340 

n 

n 

n 

f» 

111 

Englische  graue 

Bettdecken .    . 

3 

n 

n 

fi 

Tientsin 

112 

Graues  Bombay- 

Baumwollengarn 

10 

n 

n 

ff 

n 

113 

» 

10 

n 

n 

n 

n 

114 

n 

14 

n 

ft 

n 

n 

115 

» 

5 

» 

n 

n 

n 

116 

Amerikan.  graue 

Bettdecken .    . 

24 

n 

n 

n 

n 

117 

Englische  graue 

Bettdecken .    . 

3 

n 

n 

n 

n 

118 

Amerikan.  graue 

Bettdecken .    . 

50 

f* 

r» 

n 

n 

119 

n 

10 

n 

n 

n 

n 

120 

n 

10 

» 

1» 

n 

n 

121 

Italienisch.  Baum- 

wollenstoff .    . 

3 

n 

» 

n 

n 

122 

Seidenstoff     .    . 

1 

n 

n 

n 

n 

123 

n                     • 

1 

n 

n 

n 

n 

Reklamanten:  TängMingChien,  Chef  der  Firmen  K a i  P i n g 
Chang  und  Shang  Fa  Yun  in  Shanghai,  China,  Kiangsi  Road 
Nr.  94,  und  Yue  FoongTack,  Yuen  ChingDah,  Yuen  Chan 
Kung,  Yu  Chan  Wo,  Fung  Shun  Yung,  Yuen  Fang,  Wai 
Fah  Hua,ChingTaFoong,ShiCheangTack,  DongShun 
Shing,  Chi  Chi,  N  an  Shun  Ta,  ShingChangYüng,  Teng 
Ha  Tong,  Shing  Woo  Cheang,  sämtlich  wohnhaft  in  Shang- 
hai,  China. 

ProzeBvertreter:  Die  Rechtsanwälte  Suzuki  Jubi,  Tokio, 
Kyobashiku,  Kagacho  Nr.  8  und  Hatakeyama  Shigeaki,  Naga- 
saki, Hiradomachi  Nr.  18. 

Am  17.  Dezember  1904  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der 
Prisensache  betreffend  Ladung  des  Dampfers  „Pei-Ping",  welcher  am 
17.  Juli  1904  auf  37^  35'  n.  Br.  und  122 «  23'  ö.L.  von  dem  Kaiser- 
lichen Kriegsschiff  „Hongkong  Maru''  aufgebracht  worden  ist,  ein  Ur- 
teil gefällt,  in  welchem  auf  Einziehung  der  unter  der  Ladung  des 
Dampfers  „Pei-Ping''  befindlichen,  in  dem  dem  Urteil  beigefügten  Ver- 
zeichnis aufgeführten  Güter  erkannt  worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  Tang  MingChien  und  13  andere  Re- 


Marstrand-Meohlenburg,  Das  japanische  Prisenreoht.    Band  I.      (27) 


417 


Abschnitt  VI  Mh  Prisengeiichtsentscheidungen :  .Pei-Ping*« 

klamanten  durch  die  Rechtsanwälte  Suzuki  Jubi  und  Hatakeyama 
Shigeaki  als  Prozeß  Vertreter  die  Berufung  eingelegt,  welche  im  Bei- 
sein des  Staatsanwalts  Dr.  jur.  Ishiwatari  Binichi  beim  Ober- 
prisengericht geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptberuf ungspunkte  der  Vertreter  der  Reklamation,  Suzuki 
Jubi  und  Hatakeyama  Shigeaki,  sind  folgende: 

Es  werde  Aufhebung  des  Urteils  des  Prisengerichts  zu  Sasebo  und 
Freigabe  der  in  dem  der  Reklamationsschrift  beigefügten  Verzeichnis 
aufgeführten  Güter  beantragt,  und  zwar  aus  folgenden  Gründen:  •    f 

Von  den  Reklamanten  betreibe  der  chinesische  Kaufmann  Tang 
M  i  n  g  C  h  i  e  n  mit  den  beiden  ihm  gehörigen  Firmen  KaiPingChang 
und  Shang  Fa  Yun  ein  Transportgeschäft.  Die  übrigen  13  Rekla- 
manten seien  alle  Eigentümer  der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter. 
Wie  aus  Beweisstück  A  4  hervorgehe,  gehörten  die  aufgebrachten  Güter 
freilich  nicht  den  Firmen  Kai  Ping  Chiang  und  Shang  Fa 
Yun,  sondern  den  anderen  chinesischen  und  ausländischen  Kauf- 
leuten, und  Tang  Ming  Chien  habe  lediglich  ihren  Transport  über- 
nommen. Da  er  aber  im  Falle  der  Einziehung  Schaden  erleiden  müsse, 
so  habe  er  zusammen  mit  den  Eigentümern  eine  Reklamationsschrift 
eingereicht  und   die  Freigabe  aller  Güter  beantragt. 

Nun  seien  unter  den  zur  Verhandlung  stehenden  Gütern  zwei  ganz 
getrennte  Klassen  vorhanden.  Die  einen  seien  nach  Niutschwang  be- 
stimmt, die  anderen  nach  Tientsin  und  Chinwantao. 

Die  Arten  der  ersten  Klasse  seien  freilich  sehr  zahlreich,  in  der 
Hauptsache  handele  es  sich  aber  um  Reis,  Weizenmehl,  Tee,  Zucker,, 
Bauholz  und  Silbergeld.  Diese  seien  Konterbande  nur,  wenn  sie  für 
die  feindliche  Armee  oder  Marine  bestimmt  seien  oder  angenommen 
werden  müsse,  daß  sie  zum  Gebrauch  der  feindlichen  Armee  oder 
Marine  geliefert  werden  sollten.  Da  aber  die  Güter  von  verschiedenen 
einzelnen  Kaufleuten  einem  Transportgeschäft  zur  Beförderung  über- 
geben und  diese  Kaufleute  selbst  die  Empfänger  seien,  so  seien  sie  nicht 
an  die  feindliche  Armee  oder  Marine  bestimmt  gewesen.  Das  lasse 
sich  auch  aus  dem  Urteil  über  den  Dampfer  „Pei-Ping"  entnehmen.«} 

Was  des  weiteren  die  Frage  angehe,  ob  die  Güter  für  den  Ge- 
brauch der  feindlichen  Armee  oder  Marine  hätten  geliefert  werden 
sollen,  so  beförderten  die  Ladungseigentümer  und  Reeder  gewöhnlich 
solche  Güter  als  Handelswaren  nach  Niutschwang  und  betrieben  dieses- 
Geschäft  schon  seit  lange.  Da  zu  der  fraglichen  Zeit  gerade  Krieg 
bestanden  habe,  so  hätten  die  Reklamanten,  um  sicher  zu  sein,  daß 
sie  die  Pflichten  neutraler  Staatsangehöriger  nicht  verletzten,  ausdrück- 
lich sich  bei  der  chinesischen  Zöllbehörde  erkundigt  und,  wie  sich  aus 
Beweisstück  A  1  ergebe,  die  Antwort  erhalten,  daß  Reis,  Weizenmehl^ 

«}  VI.  19  a. 

418 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Pei-Ping*.  Abschnitt  Vl^ii 

Zucker,  Petroleum  und  Silbergeld  keine  Konterbande  seien,  wenn  sie 
nicht  zum  Gebrauch  der  kriegführenden  Mächte  geliefert  werden  sollten. 
Erst  danach  seien  die  Güter  versandt  worden.  Wenn  die  Ladungs- 
eigentümer von  Anfang  an  den  Zweck  verfolgt  hätten,  sie  zum  Ge- 
brauch einer  der  kriegführenden  Mächte  zu  liefern,  so  liege. kein  Grund 
vor,    weshalb  sie  eine  solche  Anfrage  hätten  machen  sollen. 

Wie  aus  Beweisstück  A6  ersichtlich,  sei  in  Niutschwang  gewöhn- 
lich sehr  große  und  allgemeine  Nachfrage  nach  solchen  Gütern,  und 
sie  würden  daher  von  Shanghai  und  anderen  Plätzen  eingeführt. 

Da  ferner  die  verschiedenen  Ladungseigentümer  alle  in  Niu- 
tschwang Haupt-  oder  Zweiggeschäfte  besäßen,  so  hätten  sie  die  Güter, 
wie  aus  den  Beweisstücken  A2  bis  4  hervorgehe,  als  Handelsobjekte 
dorthin  befördern  lassen.  In  Anbetracht  dessen,  daß  sie  Waren  gleicher 
Art  schon  mehrere  Jahrzehnte  lang  eingeführt  hätten  und  die  Zahl 
der  Güter  auch  gering  sei,  so  sei  es  eine  unbillige  Härte  anzunehmen, 
daß  sie  zum  Gebrauch  des  Feindes  geliefert  werden  sollten. 

Nach  den  Ladescheinen  zu  urteilen,  gehörten  die  meisten  der  zur 
Verhandlung  stehenden  Güter  Kai  Ping  Chang  und  Shang  Fa 
Y  u  n ,  und  das  könne  zu  dem  Verdacht  Anlaß  geben,  daß  so  viele  Güter, 
welche  von  derselben  Firma  befördert  würden,  zum  Gebrauch  der 
feindlichen  Truppen  geliefert  werden  sollten.  Da  aber  der  Chef  der 
genannten  Firma,  Tang  Ming  Chien,  ein  Transportgeschäft  be- 
treibe, so  seien  die  Güter  nur  unter  seinem  Namen  verladen  worden 
und  es  werde  durch  die  oben  genannten  Beweisstücke  dargetan,  daß 
sie  alle  anderen  Kaufleuten  gehörten.  Nach  alter  kaufmännischer 
Handelsusance  in  Shanghai  übergäben  Kaufleute,  welche  ihre  Güter 
nach  einem  anderen  Hafen  verschicken  wollten,  diese  meistens  gänz- 
lich einem  Transportgeschäft.  Leute  wie  Tang  Ming  Chien  zahlten 
jährlich  mehrere  hunderttausend  Taels  Fracht  an  die  Reeder  und  in  den 
letzten  zehn  Jahren  seien  an  Fracht  über  4  Millionen  Taels  von  ihm 
bezahlt  worden.  Wenn  man  dies  erwäge,  so  könne  man  daraufhin, 
daß  die  meisten  Güter  auf  dem  Namen  Tang  Ming  Chien  stünden, 
nicht  schließen,  daß  sie  Konterbande  seien. 

Wenn  auch  einige  der  aufgebrachten  Güter  sich  in  der  Zoll- 
statistik nicht  fänden,  so  sei  der  Grund  der,  daß  kleine  Mengen  von 
Lebensmitteln  zum  Gebrauch  von  Speisewirtschaften  oder  gewöhnlichen 
Konsumenten  nicht  besonders  in  der  Zollstatistik  eingetragen  seien,  son- 
dern alle  zusammen  unter  die  Rubrik  „Verschiedene  Waren''  eingestellt 
seien.  Wenn  auch  in  der  Art  der  Güter  bezüglich  ihrer  Farbe  und 
ihrer  Herkunft  einige  wenige  Verschiedenheiten  vorhanden  seien,  so 
seien  doch   die  Warengattungen  durchweg  dieselben. 

In  dem  Urteil  erster  Instanz  heiße  es: 

(27*)  419 


Abschnitt  VI^ii  Prisengeiichtsentscheidungen:  .Pei-Ping*. 

Da  das  unter    den  nach  Niutschwang  bestimmten  Gütern 
aufgeführte  Eisen  und  die  Eisenwaren  Güter  seien,  welche 
als  Material  zum  Bau  und  zur  Ausrüstung  von  Kriegs-  oder 
anderen  Schiffen   dienen   könnten,  so  sei  es   unbestreitbar, 
daß  sie,  weil  nach  dem  feindlichen  Niutschwang  bestimmt, 
Konterbande  seien. 
Man  könne  aber  nicht  behaupten,  daß  alles  Eisen  und  alle  Eisen- 
waren als  Material  zum  Bau  usw.  von  Kriegs-  oder  anderen  Schiffen 
geliefert  werden  müßten.    Außerdem  seien  die  von  dieser  Entscheidung 
betroffenen   Güter  nur  ein  einziges  Kollo,  so  daß  man  sie  kaum  als 
solches  Material  betrachten  dürfe. 

Ferner  habe  das  Urteil  angenommen,  daß 

es  ganz  offenbar  sei,  daß  die  Lebensmittel  und  Getränke, 
wie  Weizenmehl  und  Spirituosen alle  zum  Kriegs- 
gebrauch  des  Feindes  gedient  haben   würden. 
Weizenmehl  und  Spirituosen  dienten  indessen  nicht  notwendiger- 
weise ausschließlich  zum  Gebrauch  von  Europäern  und  Amerikanern, 
sondern  stünden   auch   bei  Chinesen  sehr  in   Nachfrage.    Man   könne 
daher   nicht   mit   der   Begründung,    daß   in    Niutschwang  nur   wenige 
Europäer  und   Amerikaner   lebten,  entscheiden,  daß  diese  Güter  dem 
Feinde  zum  Kriegsgebrauch  hätten  geliefert  werden  sollen. 

Was  ferner  besonders  den  Reis  angehe,  so  sei  er  das  wesent- 
lichste Lebensmittel  der  Chinesen,  wogegen  Europäer  und  Amerikaner 
ihn  zu  ihrer  Nahrung  nicht  verwendeten. 

Was  des  weiteren  das  Geld  angehe,  so  würde  es,  wie  man  sich 
auch  immer  vorstellen  möge,  daß  es  an  die  Russen  zu  ihrem  Be- 
darf habe  geliefert  werden  sollen,  doch  sicher  nicht  ohne  Gegenvergütung 
geliefert  worden  sein.  Da  aber  die  russischen  Truppen  keine  Sachen 
gehabt  hätten,  die  sie  als  Vergütung  hätten  leisten  können,  so  sei  es 
falsch  anzunehmen,  daß  das  Geld  dem  Feind  zum  Gebrauch  habe  ge- 
liefert werden  sollen. 

Das  Urteil  habe  bezüglich  eines  Teils  der  Ladung  entschieden, 
daß  die  Güter  einzuziehen  seien,  weil  sie  einem  Eigentümer  von  Konter- 
bande gehörten.  Da  aber,  wie  dargetan,  der  größte  Teil  derselben  keine 
Kriegskonterbande  sei,  so  müsse  das  Urteil  in  diesem  Punkte  natürlich 
anders  ausfallen. 

Die  nach  Tientsin  und  Chinwantao  bestimmten  Güter  gingen  nach 
durchaus  neutralen  Bestimmungshäfen  und  seien  daher  keine  Konter- 
bande. Wenn  trotzdem  das  Gericht  erster  Instanz  sie  für  Konterbande 
erklärt  habe,  so  sei  das  vielleicht  auf  Grund  der  Vermutung  geschehen, 
daß  die  Güter  der  Firma  Tang  Ming  Chien's  den  größten  Teil 
ausgemacht  hätten  und  daß  ihre  Bestimmung  nach  Tientsin  und  Chin- 
wantao nur  ein  Vorwand  gewesen  sei  und  sie  in  Wirklichkeit  in  Niu- 

420 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Pei-Ping".  Abschnitt  VI*h 

tschwang  hätten  gelöscht  werden  sollen.  Es  sei  aber  bereits  erörtert 
worden,  daß  dieser  Verdacht  die  Eigentümer  ohne  Grund  treffe.  Da 
femer  die  verschiedenen  Ladungseigentümer  in  Tientsin  und  Chinwantao 
ihre  Hauptgeschäfte  oder  Filialen  hätten,  so  müsse  man  nach  Beweisstück 
A  4  vermuten,  daß  sie  nicht  in  anderen  Häfen  hätten  gelandet  werden 
sollen.  Sie  für  Konterbande  zu  erklären,  sei  falsch,  und  zwar  aus  fol- 
genden  Gründen : 

1.  Der  „Eigentümer  von  Konterbandegütern'',  von  dem  der  §  43 
der  Seeprisenordnung')  in  den  Worten 

Kriegskonterbandegüter  und  die  dem  Eigentümer  derselben 

gehörigen  Güter  werden  eingezogen 
spreche,  bedeute  den  Eigentümer  absoluter  Kriegskonterbande  und 
schließe  nicht  den  Eigentümer  von  Gütern  ein,  die  in  gewissen  Fällen 
Konterbande  seien.  Denn  die  Einziehung  von  Nichtkonterbandegütern, 
welche  einem  Eigentümer  von  Konterbande  gehorten,  sei  die  Strafe 
für  den  Transport  der  Konterbandegüter.  Im  Falle  eines  Transports 
absoluter  Konterbande  könne  vermutet  werden,  daß  der  Eigentümer 
derselben  einer  der  kriegführenden  Parteien  habe  nützen  wollen;  daher 
bestehe  ihm  gegenüber  Grund  zur  Bestrafung.  Bei  bedingter  Konter- 
bande aber  richte  sich  die  Entscheidung  über  Einziehung  oder  Frei- 
gabe der  Güter  lediglich  nach  der  Annahme  des  betreffenden  Staates, 
so  daß  die  gleiche  Vermutung,  wie  oben,  nicht  Platz  greife  und  ein 
Grund  zur  Bestrafung  nicht  vorliege.  Außerdem  gehörten  die  zur 
Verhandlung  stehenden  Güter  den  Reklamanten  außer  Tang  Ming 
Chien  und  anderen  Personen.  Wie  mit  Beweisstück  A  bewiesen  sei, 
habe  Tang  Ming  Chien  nur,  weil  er  als  Transportunternehmer 
interessiert  sei,  die  Reklamation  erhoben.  Das  Urteil  erster  Instanz 
habe  dagegen  ohne  Grund  diese  Beweise  außer  acht  gelassen  und 
KaiPingChang  und  S  h  a  n  g  Fa  Y  u  n  ®)  als  Eigentümer  der  Ladung 
angesehen.  Die  Entscheidung,  welche  Nichtkonterbandegüter,  die  einen 
ganz  anderen  Eigentümer  hätten  wie  die  Konterbandegüter,  mit  diesen 
zusammen  unter  die  Strafe  der  Einziehung  gestellt  habe,  beruhe  dem- 
nach auf  einer  Annahme  falscher  Tatsachen. 

2.  Nach  Ansicht  der  Reklamanten  bezögen  sich  die  Worte  des 
§  43  der  Seeprisenordnung  „und  die  dem  Eigentümer  derselben  gehörigen 
Güter"  auf  solche  Güter,  die  auf  demselben  Schiff  verladen  und  nach 
demselben  Ort  bestimmt  seien;  umfaßten  dagegen  nicht  solche  Güter, 
welche  nach  anderen  Häfen  bestimmt  seien.  Wenn  man  auch  Güter, 
welche  einem  Konterbandeeigentümer  gehörten,  aber  nach  einem  anderen 
Hafen  bestimmt  seien,  einziehen  wolle,  so  ergebe  sich  die  Folge,  daß 
auch  Güter,  die  auf  einem  anderen  Schiff  verladen  seien,  wenn  sie 
einem  Konterbandeeigentümer  gehörten,  eingezogen  werden  müßten.  Da- 

^)  V.  —  ®)  Dies  sind  Firmennamen,   unter  denen  Tang  Ming  Chien  Geschäfte 

betreibt.  .  ^^ 

421 


Abschnitt  Vl^h  Prisengerichtsentscheidungen:  „Pei-Ping"« 

durch  würde  den  neutralen  Staatsangehörigen  schwerer  Schaden  ent- 
stehen. 

In  dem  Artikel  72  des  Handbuchs  des  englischen  Prisenrechts 
heiße  es,  daß 

auch  in  Fällen,  wo  man  wissen  könne,  daß  die  Güter  in 
einem  neutralen  Hafen  gelöscht  würden,  der  Bestimm ungs* 
ort  der  Güter  als  feindliches  Gebiet  angesehen  werde;  *) 
ferner  in  der  Strafbestimmung  des  Artikels  82: 

Zur  Strafe  für  den  Transport  von  absoluten  Konterbande- 
gütern würden  gewöhnlich  diese  Güter  und  das  Interesse 
ihres  Eigentümers  an  der  übrigen  Ladung  eingezogen. 
Dieses  scheine  dem  Inhalt  des  Urteils  erster  Instanz  sehr  ähnlich.  In 
der  englischen  Bestimmung  sei  nämlich  ausgesprochen,  daß  der  Be- 
3timmungsort,  wenn  er  auch  ein  neutraler  Zwischenhafen  sei,  als  feind- 
liches Gebiet  angesehen  werde.  Indessen  sei  im  vorliegenden  Falle 
eine  derartige  Annahme  nicht  nur  nicht  aufgestellt  worden,  sondern 
es  fehle  auch  an  einer  entsprechenden  Bestimmung,  welche  zur  An- 
wendung kommen  könne.  Auch  habe  das  Urteil  erster  Instanz  im 
Gegenteil  angenommen,  daß  die  Güter  nach  einem  rein  neutralen  Hafen 
bestimmt  gewesen  seien.  Was  ferner  die  dem  Eigentümer  dieser  Güter 
gehörigen,  für  Konterbande  erklärten  Güter  angehe,  so  seien  sie  keine 
absolute  Konterbande,  so  daß  der  Fall  anders  liege,  wie  der  Fall,  auf 
welchen  die  obige  englische  Bestimmung  zur  Anwendung  komme.  Es 
sei  daher  verfehlt,  wenn  man  trotzdem  die  gleiche  Strafe  eintreten 
lassen  wolle.  Wie  man  es  auch  ansehe,  könnten  daher  die  nach  Tientsin 
und  Chinwantao  gehenden  Güter  nicht  eingezogen  werden. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  der  Staatsanwälte  beim  Prisen- 
gericht zu  Sasebo,  Mizukami  Chojiro  und  Yamamoto  Tat- 
surokuro  sind  folgende : 

Bezüglich  von  Kriegskonterbandegütern  habe  man  zwei  Arten  zu 
unterscheiden:  erstens  Güter,  welche  zum  Kriegsgebrauch  zu  dienen 
bestimmt  seien  und  nach  Feindesland  oder  einem  Platz,  wo  feindliche 
Truppen  seien,  gesandt  würden;  zweitens  Güter,  welche  sowohl  zum 
Kriegsgebrauch  als  zum  friedlichen  Gebrauch  dienten  und  welche  an 
die  feindlichen  Truppen  bestimmt  seien  oder  welche  nach  einem  feind- 
lichen Platz  bestimmt  seien,  nach  dessen  Verhältnissen  angenommen 
werden  müsse,  daß  die  Güter  zum  Kriegsgebrauch  des  Feindes  geliefert 

®)  Der  ganze  Artikel  lautet:  The  destination  of  the  vessel  is  conclusive  as  to 
the  destination  of  the  Goods  on  board.  If,  therefore,  the  destination  of  the  Vessel  be 
Hostile,  then  the  destination  of  the  Goods  oq,  board  should  be  considered  Hostile 
also,  nothwithstandlng  it  may  appear  from  tlfe  Papefs  or  otherwise  that  the  Good- 
themselves  are  not  intended  for  the  Hostile  port,  but  are  intended  either  to  be  fors 
warded  beyondit  to  an  ulterior  Neutral  destination,  or  to  be  deposited  at  an  inter- 
mediate  Neutral  port. 

422 


Ptisengerichtsentschdidungen:  .Pei-Ping%  Abschnitt  Vl^h 

werden  würden.  Die  erste  Art  nenne  man  absolute,  die  zweite  bedingte 
Konterbande.  Zwischen  den  beiden  Arten  sei  indessen  keinerlei  Unter- 
schied, sobald  bei  der  einen  und  der  anderen  die  Bedingungen  für  ihre 
Konterbandeeigenschaft  erfüllt  seien;  vielmehr  gälten  sie  alsdann  in 
gleicher  Weise  als  Konterbande.  Der  Reklamant  behaupte,  der  §  43 
unserer  Seeprisen  Ordnung  wolle  mit  dem  Ausdruck  Konterbandeeigen- 
tümer nur  die  Eigentümer  von  absoluter  Konterbande,  also  der  oben- 
genannten ersten  Art  bezeichnen;  die  Eigentümer  der  zweiten  Art  von 
Konterbandegütern  seien  jedoch  nicht  eingeschlossen.  Diese  Auslegung 
möge  vielleicht  auf  den  Artikel  82  des  englischen  Handbuchs  des  Prisen- 
rechts zutreffen ;  für  den  §  43  unserer  Seeprisenordnung  sei  eine  solche 
Interpretation  indes  völlig  unbegründet.  Denn  einmal  weiche  sie  von 
dem  klaren  Wortlaut  der  Bestimmung  ab.  Wenn  man  ferner  aber 
annehme,  daß  der  Konterbandetransport  eine  Handlung  sei,  durch  die 
■dem  Feinde  genützt  werde,  so  sei  der  Verstoß  gleich  schwer  bei  Gütern 
der  ersten  wie  der  zweiten  Art,  und  es  liege  kein  Grund  vor,  weshalb 
bei  der  Strafe  dafür  ein  Unterschied  gemacht  werden  solle. 

Im  vorliegenden  Falle  fielen  Eisen  und  Eisenwaren  unter  die  erste 
Art;  Reis,  Weizenmehl,  Spirituosen  und  Zucker  sowie  Silbergeld  unter 
die  zweite;  sie  seien  daher  in  den  Bedingungen,  welche  sie  als  Konter- 
bande erscheinen  ließen,  verschieden.  Der  Reklamant  sage  in  der  Be- 
rufungsschrift über  Eisen  und  Eisenwaren  gar  nichts,  so  daß  man  an- 
nehmen müsse,  daß  er  gegen  die  Einziehung  Einwendungen  nicht  zu 
machen  habe;  und  so  sei  eine  Erwiderung  nicht  zu  machen.  Bezüglich 
der  unter  die  zweite  Art  fallenden  Lebensmittel,  Getränke  und  Silber- 
münzen behaupte  er,  daß  sie  freilich  nach  Niutschwang  gingen,  aber 
weder  an  die  feindliche  Armee  oder  Marine  bestimmt  gewesen  seien, 
noch  auch  zum  Gebrauch  derselben  hätten  geliefert  werden  sollen.  Zur 
Bekräftigung  dieser  Behauptung  liege  aber  weder  ein  Beweis  vor,  noch 
sprächen  die  Verhältnisse  dafür. 

Wenn  auch  der  Handel  mit  Kriegskonterbande  eine  öffentliche 
kaufmännische  Handlung  sei,  welche  unter  den  Freiheiten  des  neu- 
tralen Handels  stehe,  so  gebe  man  sich  doch,  um  der  Gefahr  der  Weg- 
nahme zu  entgehen,  ganz  allgemein  den  Anschein,  als  ob  es  sich  um 
einen  friedlichen  Transport  handele.  Dies  gelte  besonders  von  Gütern 
der  zweiten  Art.  So  sei  es  natürlich,  daß  man  Güter  nicht  mit  Konnosse- 
menten, welche  offen. an  die  Truppen  adressiert  seien,  versende.  Man 
könne  daher  freilich  nicht  durch  Schriftstücke  beweisen,  daß  die  Güter 
an  die  feindlichen  Truppen  bestimmt  oder  ihnen  abzuliefern  gewesen 
seien.  Aber  aus  der  Art,  der  Menge  und  dem  Bestimmungsort  imd  ver- 
schiedenen anderen  Tatumständen  sei  es  nicht  schwer  zu  entnehmen,  daß 
die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  für  die  feindlichen  Truppen  be- 
stimmt gewesen  seien. 

423 


Abschnitt  VI*»  Prisengeiichtsentschoidungen:  „Pei-Pino'^ 

Sir  William  Scott  sagt : 

Es  müsse  für  die  Entscheidung,  ob  Güter  Konterbande  seien 
oder  nicht,  als  die  wichtigste  Richtschnur  bezeichnet  werden^ 
ob  sie  auf  der  Reise  nach  einem  Platz  gewesen  seien,  nach 
dessen  Verhältnissen   man   mit  90  o/o   Sicherheit  annehmen 
könne,  daß  sie  zum   Kriegsgebrauch  geliefert  worden  sein 
würden. 
Der  in  Frage  kommende  Dampfer  „Pei-Ping"  habe  in  Shanghai 
Lebensmittel,  Getränke  und  chinesisches  Geld  geladen.    Der  letzte  Be- 
stimmungsort sei  Niutschwang  gewesen.     Der  Dampfer  sei  aber  auf 
der  Fahrt  nach  dem  Zwischenhafen  Chinwantao  am  17.  Juli  1904,  um 
8  Uhr  morgens,  auf  der  Höhe  von  Tschifu  aufgebracht  worden.    Niu- 
tschwang sei  zu  der  fraglichen  Zeit  von  dem  Feinde  okkupiert  und  ein 
Hauptetappenort  desselben  gewesen.    Es  sei  daher  klar,  daß  Niutschwang- 
ein  Platz  gewesen  sei,  nach  welchem  man,  wie  Sir  William  Scott 
es  bezeichne,  mit  90  o/o  Sicherheit  annehmen  könne,  daß  die  Güter  zum 
Kriegsgebrauch   geliefert  werden   würden. 

Was  insbesondere  die  Lebensmittel  und  Getränke  angehe,  so  ent- 
sprächen sie  dem  Bedarf  von  Europäern  und  Amerikanern.  Zur  Zeit 
seien  aber,  abgesehen  von  den  russischen  Truppen,  in  Niutschwang 
nur  etwas  mehr  als  zehn  solche  Personen  vorhanden  gewesen.  Auch 
sei  es  nicht  zu  verbergen,  daß  infolge  der  andauernden  Niederlagen 
der  feindlichen  Truppen  zu  Wasser  und  Lande  der  Kredit  ihres  Papier- 
geldes verloren  gegangen  und  Klagen  über  das  Bedürfnis  nach  chine- 
sichem,  besonders  nach  kleinem  Geld  wie  dem  zur  Verhandlung  stehen- 
den, laut  geworden  seien  und  daß  man  für  die  Lieferung  von  solchem 
auf  Niutschwang  angewiesen  gewesen  sei.  Danach  müsse  man  an- 
nehmen, daß  diese  Güter  sogleich  nach  Ankunft  in  Niutschwang  in 
die  Hände  der  feindlichen  Truppen  übergegangen  sein  würden. 

Die  Nummern  13,  14  und  17  der  Güter  seien  freilich  nicht  Kriegs- 
konterbande. Aber  das  Beweisstück  A  4,  welches  das  Eigentumsrecht 
an  denselben  beweisen  solle,  sei  erst  nach  Entstehen  dieser  Sache  an- 
gefertigt worden,  und  es  sei  richtig,  daß  das  Gericht  erster  Instanz 
in  Ermanglung  anderer  stichhaltiger  Beweise  jenen  Beweis  nicht  an- 
erkannt habe,  sondern  auf  Grund  der  Annahme,  daß  Tang  Ming 
C  h  ie  n  der  Eigentümer  sei,  die  Güter  also  einem  Konterbandeeigentümer 
gehörten,  auf  Einziehung  derselben  entschieden '  habe. 

Das  Gericht  erster  Instanz  habe  auf  Einziehung  der  nach  Tientsin 
und  Chinwantao  bestimmten  Güter  nicht  entschieden,  weil  sie  Konter- 
bande seien.  Daher  sei  der  Berufungspunkt  unbegründet,  in  welchem 
gesagt  werde,  die  Einziehung  dieser  Güter  sei  unbegründet,  weil  man 
sie   nicht  als   Konterbande  ansehen   könne.     Der  Staatsanwalt  stimme 

424 


PrUeDgerichtseiitschelduiigen:  „Pel-Ping*'.  Abschnitt  VIi^^ 

dagegen    in    dem    Punkte,    daß    die    Güter    nicht    einzuziehen    seien, 
überein. 

Die  Einziehung  von  Nichtkonterbandegütern,  welche  einem  Eigen- 
tümer von  Konterbandegütern  gehörten,  sei  nur  eine  Strafe  für  den 
Transport  der  Konterbande  und  beschränke  sich  daher  unbedingt  auf 
die  fälle,  wo  beide  auf  demselben  Schiff  seien  und  nach  demselben 
Bestimmungsort  gingen,  wie  solches  auch  in  den  Artikeln  >82  und  72 
des  Handbuchs  des  englischen  Prisenrechts  bestimmt  sei.  Im  Artikel  72 
heiße  es: 

Der  Bestimmungsort  der  Ladung  bestimme  sich  nach  dem 
des  Schiffes.  Daher  sei  auch  in  Fällen,  wo  der  Bestimmungs- 
ort des  Schiffes  ein  feindlicher  Platz  sei  und  man  aus  den 
Schiffspapieren  oder  auf  andere  Weise  wissen  könne,  daß  die 
Ladung  nicht  nach  dem  feindlichen  Gebiet  bestimmt  sei, 
sondern  entweder  über  feindliches  Gebiet  nach  einem  end- 
gültigen neutralen  Bestimmungsort  gehe  oder  in  einem  neu- 
tralen Zwischenhafen  gelöscht  werden  solle,  der  feindliche 
Platz  als  Bestimmungsort  der  Ladung  anzusehen. 

Da  hiernach  ein  Bestimmungsort  der  Ladung  neben  dem  Be- 
stimmungsort des  Schiffes  ausnahmslos  nicht  anerkannt  werde,  so  sei  so- 
wohl für  Konterbande  als  für  Nichtkonterbande  der  Bestimmungsort 
in  keinem  Falle  ein  anderer  als  der  des  Schiffes,  und  Nichtkonterbande, 
welche  im  gleichen  Eigentum  mit  Konterbande  stehe,  werde  als  Strafe 
für  den  Konterbandetransport  nach  Artikel  82  eingezogen.  Dies  sei 
von  Präcedenzen  und  gesetzlichen  Bestimmungen  des  Völkerrechts  an- 
erkannt. Aber  wenn  auch  unsere  Seeprisenordnung  ihre  Grundsätze 
dem  Handbuch  des  englischen  Prisenrechts  entlehnt  haben  möge,  so 
sei  doch  in  ihrem  §  \5^^)  bestimmt,  daß  in  der  Regel  der  Bestimmungs- 
ort eines  Schiffes  als  der  Bestimmungsort  seiner  Ladung  gelten  solle. 
Es  werde  also  ein  Bestimmungsort  für  Güter  neben  dem  Bestimmungs- 
ort des  Schiffes  anerkannt.  Daher  müsse,  trotzdem  der  Bestimmungs- 
ort des  Schiffes  Niutschwang  sei,  für  die  Güter,  bezüglich  deren  aus  den 
Schiffspapieren  und  auch  sonst  auf  sichere  Weise  bewiesen  sei,  daß  sie 
nach  Chinwantao  bzw.  Tientsin  bestimmt  gewesen  seien,  Chinwantao 
bzw.  Tientsin  auch  als  Bestimmungsort  angesehen  werden.  Wenn  man 
dies  aber  annehme,  so  könne  man,  wenn  die  Güter  auch  mit  der  Konter- 
bande, welche  nach  einem  anderen,  feindlichen  Hafen  bestimmt  sei, 
auf  einem  Schiff  gewesen  seien,  sie  doch  nicht  als  im  selben  Eigentum 
stehend  erachten.  Denn  es  sei  ein  allgemeiner  Rechtsgrundsatz,  be- 
züglich Eigentums  von  Gütern  zu  vermuten,  daß  es,  wenn  nicht  ein 
besonderer  Vertrag  vorliege,  mit  dem  Zeitpunkt,  wo  die  Güter  in  die 

425 


Abschnitt  VIi*^  Prisengerichtsentschotdungen:  „Pei-Ping". 

Hände  des  Seetransporteurs  übergingen,  auf  den  Empfänger  übertragen 
werde.  Wenn  daher  auch  der  Absender  derselbe  sei,  so  könne  doch, 
wenn  der  Empfänger  verschieden  sei,  der  Eigentümer  nicht  der  gleiche 
sein. 

Wenn  man  aber  bezüglich  der  Strafe  für  die  Konterbande- 
beförderung so  überlegen  wolle :  der  Absender  sei  der  Beförderer,  daher 
müsse  der  Absender  in  diesen  Fällen  immer  als  Eigentümer  angesehen 
werden  und  nicht  der  Empfänger,  so  laufe  das  darauf  hinaus,  daß  man 
beim  Konterbandetransport  keinen  Eigentumsübergang  annehme,  wofür 
indes  ein  Grund  nicht  zu  ersehen  sei.  Da,  wie  oben  erwähnt,  der  Handel 
mit  Kriegskonterbande  keine  strafbare  Handlung  sei,  so  gebe  es  keinen 
Grund,  weshalb  beim  Kauf  und  Verkauf  solcher  Güter  kein  Eigentums- 
wechsel eintreten  solle.  Wenn  ajbjer  das  Eigentum  übergehe,  so  sei 
es  selbstverständlich,  daß  auch  bei  demselben  Verkäufer,  d.  h.  Ab- 
sender, wenn  die  Käufer,  d.  h.  Empfänger,  verschieden  seien,  das  Eigen- 
tum nicht  in  einer  und  derselben  Hand  liegen  könne.  Wenn  man 
in  dem  vorliegenden  Fall  angenommen  habe,  daß  die  Ladung  bei  An- 
kunft in  Niutschwang  in  die  Hände  der  russischen  Truppen  über- 
gehen und  zu  ihrem  Gebrauch  dienen  werde,  so  habe  man  eben  Kauf 
und  Verkauf  angenommen.  Wenn  dem  so  sei,  so  werde  es  ohne 
viel  Worte  offenbar,  daß  man  die  für  Tientsin  und  Chinwantao  be- 
stimmten Güter  und  die  nach  Niutschwang  gehende  Konterbande  nicht 
als  im  selben   Eigentum  stehend  betrachten   könne. 

Wenn  man  aber  den  §  15  unserer  Seeprisenordnung  nach  dem 
Artikel  72  des  Handbuchs  des  englischen  Prisenrechts  auslege,  so  be- 
stimme sich  der  Charakter  einer  Ladung  nach  dem  Reiseziel  des  Schiffes; 
d.  ?i.  also,  die  Ladung  sei,  im  Falle,  daß  das  Reiseziel  des  Schiffes  Feindes- 
gebiet sei,  Konterbande;  und  a^ch,  wenn  nach  den  Schiffspapieren  und 
sonst  bewiesen  sei,  daß  der  Bestimmungsort  der  Güter  ein  anderer  wie 
der  des  Schiffes  sei,  würden  doch  diese  Beweise  nicht  berücksichtigt 
werden,  so  daß  also  bezüglich  der  Ladung,  gleichviel  ob  Konterbande 
oder  nicht,  überhaupt  keine  Rede  von  verschiedenen  Schiffen,  Be- 
stimmungsorten und  Eigentümern  sei.  Ob  man  dann  den  Grund  der 
Einziehung  auf  ein  Kontagionsprinzip  zurückführe  oder  darin  eine  Be- 
strafung für  den  Konterb^ndetransport  erblicke,  in  jedem  Falle  sei, 
weil  die  Güter  nach  Feindesland  gingen  und  durch  Vermehrung  der 
Macht  des  Feindes  schädlich  würden,  der  Grund  für  ihre  Einziehung 
ein  klarer.  Man  müsse  nach  dem  juristischen  Sinn  der  §§15  und  43 
unserer  Seeprisenordnung  gerade  wie  nach  dem  der  Artikel  72  und 
82  des  englischen  Handbuchs  des  Prisenrechts  annehmen,  daß  sie  nur 
im  Falle,  daß  sowohl  der  Bestimmungsort  als  auch  der  Eigentümer  der- 
selbe sei,  zur  Anwendung  kämen.  Das  Urteil  erster  Instanz  habe  aber 
diesen  Sinn  nicht  beachtet.    Es  habe  vielmehr  angenommen,  daß  nach 

426 


PrisengerichtsentscheiduDgen:  .Pei-Ping'.  Abschnitt  VImi> 

§  15  neben  dem  Bestimmungsort  des  Schiffes  noch  ein  Bestimmungsort 
der  Ladung  vorhanden  sei,  und  nach  §  43,  daß,  obwohl  die  Be- 
stimmungsorte und  demnach  die  Empfänger  verschieden  seien,  die  Güter, 
welche  denselben  Absender  hätten,  alle  einem  und  demselben  Eigen- 
tümer gehörten.  Obwohl  es  ferner  anerkannt  habe,  daß  die  Güter 
in  den  neutralen  Plätzen  Chinwantao  und  Tientsin  hätten  gelöscht  werden 
sollen,  habe  es  dieselben  eingezogen.  Da  diese  Entscheidung  somit 
weder  das  englische  Handbuch  des  Prisenrechts,  noch  die  Präcedenzen 
des  Völkerrechts,  noch  auch  unsere  Seeprisenordnung  befolge,  so  müsse 
es  als  unzutreffend  bezeichnet  werden. 

Aus  diesen  Gründen  seien  die  Ausführungen  des  Reklamanten 
unbegründet  und  dementsprechend  das  Urteil  erster  Instanz  zum  größten 
Teil  zutreffend  j  es  treffe  indessen  nicht  zu  in  dem  Teil,  welcher  die 
Einziehung  der  nach  Tientsin  und  Chinwantao  bestimmten  Güter  ver- 
füge. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 
Es  ist  von  dem  gegenwärtigen  Völkerrecht  anerkannt,  daß  Güter 
neutraler  Staatsangehöriger,  wenn  sie  Kriegskonterbande  sind,  die  nach 
feindlichem  Gebiet  bestimmt  ist,  aufgebracht  und  eingezogen  werden 
können;  ebenso,  daß  auch  Nichtkonterbandegüter,  wenn  sie  mit  Konter- 
bandegütern auf  demselben  Schiff  verladen  sind  und  dem  Eigentümer 
der  Konterbande  gehören,  zusammen  mit  dieser  einzuziehen  sind. 

Es  bedarf  keiner  Erörterung,  daß  Niutschwang  zu  dem  chinesischen 
Hoheitsgebiet  gehört  und  kein  russisches  Territorium  ist.  Der  Kaiser- 
liche Konsul  Segawa  in  Niutsch^c'ang  hat  berichtet,  daß 

Rußland,  seitdem  es  diesen  Platz  besetzt  gehabt,  dort  eine 

Zivilverwaltungsbehörde  eingerichtet  und  bis  zum  25.  JuH 

1904  die  Flagge  eines  Zivilverwaltungsamtes  geführt  habe. 

Dies  habe  mit  dem  Morgen  jenes  Tages  plötzlich  aufgehört 

und  es  sei  wieder  die  Konsulatsflagge  geheißt  worden.    Beim 

Eindringen    unserer   Truppen    sei    die    französische    Flagge 

aufgezogen  worden. 

Es  ist  somit  bekannt,  daß  zur  Zeit,  als  die  in  Streit  befangenen 

Güter   aufgebracht  wurden,   Niutschwang  tatsächlich    unter   russischer 

Verwaltung  stand.    Der  Feind  hatte  dort  nicht  nur  viele  Truppen  liegen, 

sondern  auch  einen  Hauptetappenort  eingerichtet.    Wenn  daher  Güter 

dorthin  befördert  wurden,  so  muß  das  ebenso  angesehen  werden,  als 

ob  sie  nach  feindlichem  Gebiet  bestimmt  seien.    Demnach  müssen  die 

zur  Verhandlung  stehenden  Güter,  wenn  sie  die  Voraussetzungen  von 

Konterbande  erfüllen,  eingezogen  werden. 

Das  Eisen  und  die  Eisenwaren  sind  Material  zum  Bau  von  Kriegs- 
und anderen   Schiffen,   und   zwar  können  sie   unmittelbar  als  solches 

427 


Abschnitt  Vli^h  PriBengerichtsentscheidungon :  „Pel-Ping". 

verwandt  werden.    Daher  müssen  sie  als  Kriegskonterbande  angesehen 
werden.  ^^) 

Das  Weizenmehl,  die  Spirituosen  und  die  übrigen  in  dem  Ladungs- 
verzeichnis des  Urteils  erster  Instanz  aufgeführten  Lebensmittel  und 
Getränke  stellen  bei  weitem  in  der  Mehrzahl  für  Europäer  und  Ameri- 
kaner geeigneten  Bedarf  dar.  Als  der  Dampfer  „Pei-Ping"  aufgebracht 
wurde,  war  Niutschwang  noch  von  den  russischen  Truppen  besetzt, 
und  auch  der  Reklamant  bestreitet  es  nicht,  daß  die  Europäer  und 
Amerikaner,  welche  dort  ein  friedliches  Leben  führten,  zu  der  Zeit 
nur  sehr  wenige  waren.  Es  kann  daher  durchaus  nicht  als  unbillig 
bezeichnet  werden,  wenn  man  annimmt,  daß  die  genannten  Güter  nach 
ihrer  Landung  zum  Gebrauch  der  feindlichen  Truppen  geliefert  worden 
wären.  ^^) 

Aus  den  Konnossementen  ergibt  sich,  daß  der  größte  Teil  der 
Ladung  im  Eigentum  der  dem  Tang  Ming  Chien  gehörigen  Firmen 
steht.  Da  auch  ihre  Menge  sehr  groß  ist,  so  muß  angenommen  werden, 
daß  sie  in  der  Absicht,  sie  mit  großem  Verdienst  den  russischen  Truppen 
zu  liefern,  versandt  worden  sind.  Freilich  sind  über  diesen  Punkt  die 
Beweisstücke  A  vorgelegt  worden.  Sie  sind  aber  alle  erst  nach  Ent- 
stehen dieser  Prisensache  und  nach  Verhandlung  unter  den  Inter- 
essenten   hergestellt   und   daher   kaum   glaubwürdig. 

Da  es  nicht  an  Beispielen  dafür  fehlt,  daß  auch  Leute,  die  ein 
Handelsgeschäft  haben  und  ihr  Gewerbe  ehrlich  betreiben,  um  großen 
Gewinn  zu  machen,  Risiken  übernehmen  und  unregelmäßige  Trans- 
aktionen versuchen,  muß  dies  zweifellos  um  so  mehr  von  solchen 
Kaufleuten  gelten,  welche  nur  den  einen  Gedanken  des  Gewinns 
haben  und  sonst  keinerlei  Rücksichten  kennen.  Wenn  man  daher  auch 
einmal  annimmt,  da  die  ganze  Ladung  nicht  dem  TängMingChien, 
sondern  den  anderen  chinesischen  Kaufleuten  gehöre,  welche  seit  Jahr- 
zehnten in  Niutschwang  gewohnt  und  dort  Handel  mit  den  gleichen 
Waren  betrieben  haben,  so  steht  das  nach  den  obigen  Ausführungen  der 
Einziehung  nicht  im  Wege. 

Wenn  der  Reklamant  behauptet,  daß  Reis  viel  mehr,  als  er  von 
Europäern  und  Amerikanern  gebraucht  werde,  das  gewöhnliche  Nah- 
rungsmittel der  Chinesen  sei,  so  hat  er  in  diesem  einen  Punkt  nicht 
unrecht,  aber  Reis  ist  trotzdem  auch  ein  Verbrauchsartikel  der  Europäer 
und  Amerikaner,  und  es  ist  eine  bekannte  Tatsache,  daß  er,  in  Er- 
manglung von  Weizenmehl,  auf  dem  japanisch-russischen  Kriegsschau- 
platz zur  Verpflegung  der  Russen  gedient  hat.  Daher  ist  es  zutreffend, 
wenn  das  Urteil  erster  Instanz  den  Reis  als  Konterbande  angesehen  hat. 

Was  ferner  die  Frage,  ob  auch  das  zur  Verhandlung  stehende 
Silbergeld  als  Konterbande  anzusehen  ist  oder  nicht,  angeht,  so  heißt 

^i)li.~Ziffer  1.  —  ^«)  II.  Ziffer  2. 

428 


Prisengerichtsentschoidungen:  .Pei-Ping';  Abschnitt  Vl^h 

es  in  einem  Bericht  des  in  Niutschwang  ansässigen  Kaiserlichen  Konsuls 

Segawa,   daß 

die  russische  Regierung  beim  Beginn  des  Baues  der  mand- 
schurischen Eisenbahn  anfänglich  alle  Zahlungen  in  Gold 
geleistet  habe.  Ein  oder  zwei  Jahre  später  habe  sie  daneben 
Papiergeld  benutzt  und  den  Chinesen  gesagt,  zwischen  dem 
Metall  und  dem  Papier  sei  kein  Unterschied.  Dann  habe 
sie,  um  dem  Papier  Kredit  zu  verschaffen,  nach  und  nach 
das  Gold  zurückgezogen  und  das  Papier  vermehrt.  Im  Jahre 
1902  sei  es  dahin  gekommen,  daß  man  in  der  Mandschurei 
russisches  Ooldgeld  nur  sehr  selten  in  Umlauf  gesehen  habe. 
Damals  habe  aber  die  russisch-chinesische  Bank  schon  an 
verschiedenen  wichtigen  Plätzen  Niederlassungen  errichtet. 
In  diesen  Banken  sei  das  Papier  zum  Tageskurse  gegen 
Silbergeld  eingelöst  worden,  und  in  der  Mandschurei  habe 
dabei  ein  Papierrubel  einen  Tauschkurs  von  1  Dollar  30  Cents 
bis  1  Dollar  40  Cents  Silbergeld  gehabt.  Als  indessen  seit 
Herbst  1903  die  Gerüchte  über  einen  Krieg  zwischen  Japan 
Rußland  in  Blüte  gestanden  hätten,  habe  es  unter  den 
Chinesen  geheißen,  daß,  wenn  nach  Ausbruch  des  Krieges 
die  Russen  einmal  unterliegen  würden,  die  russischen  Papier- 
rubel nicht  mehr  gewechselt  werden  könnten  und  nur  noch 
den  Wert  von  altem  Papier  haben  würden.  Vom  November 
oder  Dezember  dieses  Jahres  bis  zum  Ausbruch  des  Krieges 
im  Februar  1904  sei  der  Wert  des  Papierrubels  oft  bis  auf 
1  Dollar  10  Cents  gefallen,  und  nur  dank  den  Bestrebungen 
der  Niederlassungen  der  russisch-chinesischen  Bank  in  den 
verschiedenen  Orten,  den  Kredit  des  Papiergeldes  aufrecht- 
zuerhalten, sei  es  nicht  dazu  gekommen,  daß  der  Umlauf 
demselben  ganz  ins  Stocken  geraten  sei.  Als  aber  die  Nach- 
richten von  den  Niederlagen  bei  Nanshan  und  Tehlitze  nach 
Kaiping  und  Yingkow  kamen,  hätten  die  Chinesen,  welche 
Papierrubel  gehabt  hätten,^  darin  gewetteifert,  diese  zu  ver- 
kaufen. Der  Rubel  sei  damals  bis  auf  70  oder  80  Cents 
gefallen.  Aber  da  in  Tientsin  und  Shanghai  Papierrubel 
immer  zum  Tageskurse  gegen  Silbertaels  gewechselt  werden 
könnteh,  so  hätten  die  Geldwechsler  in  Yingkow,  wenn  das 
russische  Papiergeld  gefallen  gewesen  sei,  dieses  aufgekauft, 
nach  Shanghai  geschickt  und  dort  mit  ungeheurem  Gewinn 
wieder  eingetauscht. 
Nach   diesem   Bericht  zu   urteilen,   erregte   also   der   Rubelschein 

schon  beim  Beginn  des  japanisch-russischen  Krieges  im  Verkehr  unter 

den  Chinesen  ganz  allgemein  Verdacht  und  Mißtrauen,  und  es  zeigte 

429 


Abschnitt  VI».*  Prisengerichtsentschei düngen :  .Pei-PSng'. 

sich  die  Tendenz,  daß  er  schließlich  gänzlich  den  Kredit  verlieren  würde. 
Als  die  Nachricht  von  den  Niederlagen  bei  Nanshan  und  Tehlitze  nach 
Yingkow  gekommen  war,  traf  freilich  die  russisch-chinesische  Bank  sorg- 
fältige Maßnahmen,  um  das  alte  Verhältnis  wieder  herzustellen;  es  kam 
aber  trotzdem  zu  einem  großen  Sturz.  Als  sodann  immer  mehr  Nach- 
richten vort  dem  weiteren  Kampf  und  Sieg  der  japanischen  Truppen 
kamen,  war  die  Lage  so,  daß  es  sich  auf  keine  Weise  mehr  vermeiden 
ließ,  daß  der  Rubel  unter  den  Chinesen  ganz  allgemein  seine  Kurs- 
fähigkeit verlieren  würde.  Es  ist  daher  ganz  klar,  daß  die  Situation 
derartig  war,  daß  die  russischen  Truppen  zu  der  Zeit,  wo  das  zur 
Verhandlung  stehende  Silbergeld  befördert  wurde,  zur  Requisition  des 
Kriegsbedarfs  und  zur  Bezahlung  der  Kulis  den  Papierrubel  nicht  ohne 
weiteres  verwenden  konnten.  Daher  ist  es  offenbar,  daß  das  chinesische 
Silbergeld  zu  jener  Zeit  für  die  russischen  Truppen  unentbehrlich  ge- 
worden war. 

Ferner  besagt  der  Bericht  des  Kaiserlichen  Generalkonsuls  I  j  u  i  n 
in  Tientsin  über  die  russischen  Papierrubelscheine: 

Seit  der  Eröffnung  des  Krieges  seien  unter  vielen  Chinesen 
Zweifel  über  die  Einlösbarkeit  der  Rubelscheine  aufgekommen. 
Man  habe  gefürchtet,  daß  sie  Fälschungen  seien  und  ihr  Kredit 
sei  beeinträchtigt  worden.  Auch  unter  den  Russen  und  den 
russischen  Regierungslieferanten  seien  nur  sehr  wenig  Rubel- 
scheine in  Verkehr  gewesen,  wenn  man  auch  nicht  behaupten 
könne,  daß  sie  absolut  keinen  Umlauf  gehabt  hätten.  Wenn 
die  Banken  in  Tientsin  sie  in  die  Hand  bekommen  hätten, 
so  hätten  sie  sie  nicht  als  Geld  behandelt,  sondern  als  eine 
Art   Wertpapier. 

Danach  hat  der  Rubelschein,  nachdem  die  russischen  Truppen 
bei  Nanshan  und  Tehlitze  geschlagen  worden  waren,  unter  den  Chinesen 
allgemein  keinen  Umlauf  gehabt.  Er  war  nur  gelegentlich  des  Kurs- 
sturzes eine  Art  Handelsobjekt  von  Kaufleuten,  die  großen  Gewinn 
erzielen  wollten.  Daher  hat  der^  Rubelschein  auch  die  Requisitionen 
der  russischen  Truppen  und  die  Löhne  der  Kulis  nicht  zahlen  können. 
Aus  allem  diesen  geht  klar  hervor,  daß  die  russischen  Truppen  chine- 
sisches Geld  nötig  hatten. 

Wenn  es  auch  offenbar  ist,  daß  trotz  des  japanisch-russischen 
Kriegs  die  Hauptprodukte  Niutschwangs,  Bohnen,  Bohnenkuchen  und 
Bohnenöl  verhandelt  worden  sind,  so  bestand  auf  der  anderen  Seite 
doch  die  Tatsache,  daß  Kaufleute  in  Benutzung  der  Gelegenheit,  daß 
die  russischen  Truppen  chinesisches  Umlaufsgeld  nötig  hatten,  die  ver- 
mehrten Rub^lscheine  billig  von  den  russischen  Truppen  kaufen  und 
dadurch  großen  Gewinn  erzielen  konnten.  Daher  stimmt  die  Behauptung 
der  Reklamanten,   daß   das  in   Streit  befangene  Silbergeld,   weil  jener 

430 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Pei-Ping*.  Abschnitt  VI  »i* 

Warenhandel  im  Betrieb  gewesen  sei,  auf  keinen  Fall  dem  Kriegsgebrauch 
des  Feindes  gedient  haben  würde,  nicht  mit  den  Tatsachen  überein. 
Vielmehr  ist  es  natürlich  anzunehmen,  daß  zu  einer  solchen  Zeit  die  in 
Geschäften  scharfsinnigen  chinesischen  Kaufleute,  vor  allem  die  Bank- 
unternehmer, anstelle  ihrer  gewöhnlichen  Geschäfte  lieber  Rubelscheine 
billig  von  den  Russen  kaufen  und,  um  einen  außerordentlichen  Profit 
zu  erzielen,  die  Gefahr  eines  solchen  Geldimports  laufen  würden. 

Das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  ist  durch  Vermittlung  der 
Seetransportfirma  Tang  Ming  Chien,  welche  eine  volle  Ladung 
von  Kriegskonterbande  nach  Niutschwang  zu  befördern  beabsichtigt 
hatte,  und  außerdem  zugleich  mit  dieser  Konterbande  auf  demselben 
Schiff  verladen  und  befördert  worden.  Dazu  ist  sein  Bestimmungsort 
ein  russischer  Etappenort  und,  wie  oben  dargetan,  bedurften  die  russi- 
schen Truppen  solchen  Geldes.  Daraus  muß  geschlossen  werden,  daß  der 
Zweck  der  Einfuhr  des  Geldes  der  gleiche  gewesen  ist  wie  der  der 
Einfuhr  der  übrigen  Konterbandeladung  des  fraglichen  Schiffes,  nämlich 
Lieferung  zum  Gebrauch  der  russischen  Truppen. 

Die  nach  Tientsin  und  Chinwantao  bestimmten  Güter,  welche,  wie 
die  Konnossemente  zeigen,  dem  Tang  Ming  Chien  zu  beliebiger 
Behandlung  überlassen  waren,  werden  als  ihm  gehörig  betrachtet. 

In  der  Wissenschaft  des  gegenwärtigen  Völkerrechts  wird  die  An- 
sicht vertreten,  daß  bei  einer  Aufbringung  von  Kriegskonterbande  auf 
demselben  Schiff  befindliche,  dem  Eigentümer  der  Konterbande  ge- 
hörige Nichtkonterbandegüter,  auch  wenn  ihr  Landungsort  von  dem  der 
Konterbande  verschieden  ist,  eingezogen  werden  können.  Das  Ober- 
prisengericht erachtet  dies  als  den  Verhältnissen  gerecht  werdend.  Denn 
da  dies  schließlich  nichts  anderes  ist  wie  eine  Bestrafung  des  Eigen- 
tümers der  Konterbande  für  den  Versuch,  dieselbe  im  Feindesland  zu 
löschen,  so  liegt  kein  Grund  vor,  weshalb  die  Entscheidung  je  nach 
dem  Landungsort  der  Nichtkonterbandegüter  verschieden  ausfallen  sollte. 

Tientsin  und  Chinwantao  sind  neutrales  Gebiet,  so  daß  die  dorthin 
bestimmten,  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  freilich  keine  Konter- 
bande sind.  Da  sie  aber  dem  Tang  Ming  Chien  gehören,  welcher 
Konterbande  verladen  und  in  Niutschwang  zu  landen  versucht  hat,  so 
müssen  sie  als  Strafe  für  diese  Handlung  zusammen  mit  der  Konterbande 
eingezogen  werden. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden : 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  25.  Dezember  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


431 


Abschnitt  VI»  Prisengerichtseiitschetdungeii:  .George*. 

Reklamant:  Der  französische  Staatsangehörige  AugusteVer- 
n  o  n  ,  wohnhaft  in  Tongku  in  China. 

ProzeBvertreter :  Rechtsanwalt  S  a  i  t  o  J  i  r  o ,  wohnhaft  in  Tokio, 
Shibaku  Atagomachi  Nichome  Nr.  14. 

In  der  Prisensache  betreffend  den  französischen  Dampfer  „George" 
wird,  wie  folgt,  entschieden. 

U  r  t  e  i  1  s  f  o  r  m  e  1 : 
Der  Dampfer  „George''  wird  eingezogen. 

Tatbestand   und   Gründe: 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „George"  steht  im  Eigen- 
tum des  Franzosen  Auguste  Vernon,  sein  Heimatshafen  ist  Tongku 
in  China,  er  führt  die  französische  Handelsflagge  und  dient  zum  Per- 
sonen- und  Gütertransport  in  den  nordchinesischen  Gewässern. 

Der  Kapitän  Scellos  hat,  obwohl  ihm  bekannt  war,  daß  zurzeit 
Port  Arthur  von  der  japanischen  Kriegsflotte  blockiert  wurde,  Lebens- 
mittel und  Getränke  geladen,  um  sie  dorthin  zu  transportieren.  Er 
ist  am  16.  August  1904  unter  dem  Vorgeben,  nach  Weihaiwei  zu  fahren, 
von  Tongku  abgereist  und  am  18.  desselben  Monats  vor  Port  Arthur 
eingetroffen.  Er  warf  dort  unter  einem  Fort  in  einer  Entfernung  von 
100  bis  120  Meter  von  der  Küste  Anker,  lud  während  desselben  und 
des  folgenden  Tages  seine  gesamte  Ladung  auf  einen  russischen  Dampfer 
um  und  nahm  einen  aus  Port  Arthur  gekommenen  Türken  an  Bord. 
Auf  der  Rückreise  nach  Tongku  wurde  er  in  der  Nacht  vom  19.  des 
Monats  etwa  5  Seemeilen  südöstlich  von  dem  Liaotishanvorgebirge  von 
dem  auf  Blockadedienst  befindlichen  Kaiserlichen  Torpedoboot  Nr.  65 
aufgebracht.    Zu  dieser  Zeit  war  keinerlei  Ladung  an  Bord. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des  Ver- 
treters des  Kommandanten  des  Torpedoboots  Nr.  65,  Kapitänleutnants 
Fujimura  Sokichi,  dessen  Bescheinigung  über  die  an  Bord  befind- 
lichen Güter,  die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns  der  „George" 
Charles  Gustave  Scellos,  des  Vizekapitäns  Ma  Leong,  des 
Bootsmanns  Ku  Yaw  Kat,  des  Maschinisten  Wo  ng  Fok  Ling, 
des  Passagiers  Nicolai  Vanvades,  das  Registrierungsattest  des  Zoll- 
amts in  Tientsin  und  das  Flaggenattest. 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  des  Prozeßvertreters  sind  fol- 
gende : 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „George"  stehe  im  Eigen- 
tum eines  neutralen  Staatsangehörigen,  sei  weder  von  der  feindlichen 
Regierung  als  Transportschiff  gechartert,  noch  mit  Erlaubnis  der  feind- 
lichen Regierung  oder  unter  dem  Schutze  feindlicher  Kriegsschiffe  ge- 

432 


Priaengorichtsentscheidungon:  „George".  Abschnitt  VI* 

fahren.  Auch  habe  er  zu  der  Zeit^)  keine  Konterbande  für  den  Feind 
geführt  oder  feindliche   Handlungen   gegen   Japan   begangen. 

Das  Schiff  habe  bis  vor  Port  Arthur  gelangen  können.  Daher  könne 
die  Blockade  nicht  effektiv  gewesen  sein. 

Ferner  habe  das  Schiff  seine  Fahrt  nach  Port  Arthur  bereits  voll- 
endet gehabt  und  da  es  schon  auf  der  Rückfahrt  begriffen  gewesen  sei, 
könne  nicht  behauptet  werden,  daß  es  die  Blockade  habe  brechen  wollen. 
Der  Vorwurf  des  Blockadebruchs  könne  ihm  daher  nicht  gemacht  werden, 
und  es  sei  freizugeben. 

Die  Ansicht  des  Staatsanwalts  ist  im  wesentlichen  folgende: 

Es  sei  erwiesen,  daß  das  Schiff  die  Blockadelinie  durchbrochen  habe 
und  daß  zu  dieser  Zeit  die  Blockade  in  effektivem  Zustand  erhalten 
worden  sei.    Daher  müsse  Einziehung  erfolgen. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Der  Reklamant  behauptet,  die  Blockade  von  Port  Arthur  sei  zur 
Zeit  der  Aufbringung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfers  nicht 
effektiv  gewesen,  das  Schiff  habe  daher  eine  Blockade  nicht  gebrochen. 
Es  ist  aber  den  tatsächlichen  Umständen  nach  außer  Zweifel,  daß  die 
in  der  Erklärung  des  Kommandierenden  der  vereinigten  japanischen 
Kriegsflotte  vom  26.  Mai  1904  über  die  Südküste  der  Halbinsel  Liaotung 
verhängte  Blockade,  wie  immer  seit  dieser  Erklärung  so  auch  natürlich 
zur  Zeit  der  Aufbringung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfers  in 
Kraft  erhalten  worden  ist.  2)  Der  Dampfer  hat  daher,  indem  er  ohne 
Berechtigung  dazu  die  oben  beschriebene  Fahrt  bis  vor  Port  Arthur 
ausgeführt  hat,  die  Blockade  gebrochen.  3)  Das  Völkerrecht  bestimmt, 
daß  Schiffe,  welche  eine  Blockade  brechen,  lediglich  auf  diese  Tat- 
sache hin,  ohne  nach  anderen  Umständen  zu  fragen,  eingezogen  werden 
können.*)  Daher  braucht  über  die  anderen  Punkte  der  Anführungen 
des  Vertreters  der  Reklamation  nicht  entschieden  zu  werden. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  21.  Oktober  1904  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im 
Beisein  des  Staatsanwalts  Mizukami  Chojiro. 

(Unterschriften.) 


^)  d.  h.  als  er  von  Port  Arthur  zurückkehrte. 

»)  V.  §  21.  —  3)  V.  §§  27  und  29.  —  *)  V.  §  45. 


Kars tr»nd-Meohlenbur ff,  Das  Japanische  Prisenrecht.    Band  I.     (28)  ^öö 


Abschnitt  VI»  Prisengertchtsentscheidungen :  „George'^ 

Reklamant:  Der  französische  Staatsangehörige  Auguste  Ver- 
n  o  n  in  Tongku,  China. 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  Saito  Jiro,  Tokio,  Shibaku 
Atagomachi  Nichome  Nr.  14. 

Am  21.  Oktober  1904  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der 
Prisensache  betreffend  den  dem  französischen  Staatsangehörigen  Au- 
guste Vernon  in  Tongku,  China,  gehörigen  Dampfer  „George", 
welcher  am  19.  August  1904  auf  der  Höhe  von  Liaotishan  auf  der 
Halbinsel  Liaotung  von  dem  Kaiserlichen  Torpedoboot  Nr.  65  auf- 
gebracht worden  ist,  ein  Urteil  gefällt,  in  welchem  auf  Einziehung  des 
genannten  Dampfers  erkannt  worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  der  Vertreter  des  genannten  Auguste 
Vernon,  der  Rechtsanwalt  Saito  J  i  r  o  die  Berufung  erhoben,  welche 
im  Oberprisengericht  im  Beisein  des  Staatsanwalts  Tsutsuki  I<ei- 
roku  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  des  Vertreters  der  Reklamation  Saito  Jiro 
und  deren  Begründung  sind  folgende: 

Es  sei  völkerrechtlich  bestimmt,  daß  die  Einziehung  von  Schiffen 
wegen  verübten  Blockadebruchs  bedinge,  daß  die  Blockade  rechtmäßig 
und  effektiv  sei.  Eine  effektive  Blockade  bestehe  aber  nur  in  dem 
Falle,  daß  ein  Kriegsschiff  oder  eine  Anzahl  derselben  einen  Hafen 
so  schlössen,  daß  Schiffe,  um  hinein-  oder  herauszukommen,  eine  Gefahr 
zu  überwinden  hätten.  Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  sei 
aber  am  16.  August  1904  von  Tongku  abgefahren  und  am  18.  des- 
selben Monats  vor  Port  Arthur  eingetroffen  und  habe  unterhalb  eines 
Forts  in  einer  Entfernung  von  100  bis  120  Metern  von  der  Küste 
Anker  geworfen.  Am  nächsten  Tage,  dem  neunzehnten,  habe  er  die 
Rückfahrt  angetreten  und  sei  am  selben  Tage  nachts  etwa  5  Seemeilen 
südöstlich  von  dem  Liaotishanvorgebirge  von  dem  Kaiserlichen  Torpedo- 
boot Nr.  65  aufgebracht  worden.  Da  demnach  der  genannte  Dampfer 
bei  seiner  Einfahrt  bis  vor  Port  Arthur  und  seiner  Ausfahrt  von  dort 
keinerlei  Hindernisse  getroffen  und  keinerlei  Gefahr  zu  bestehen  gehabt 
habe,  sondern  die  Reise  erwiesenermaßen  unbehindert  ausgeführt  habe, 
so  könne  nicht  behauptet  werden,  daß  eine  effektive  Blockade  bestanden 
und  daß  der  Dampfer  dieselbe  gebrochen  habe.  Gerade  wie  ein  Bonito- 
fischnetz  die  Makrelen  durchlasse,  so  kämen  natürlich  bei  einer  weiten 
Blockadelinie  Fälle  vor,  in  denen  die  Blockade  der  Effektivität  entbehre. 
So  habe  sich  im  Falle  des  Dampfers  „George",  der  ein  winziges  Fahr- 
zeug von  kaum  mehr  als  170  Tons  sei,  die  am  26.  Mai  1904  von  dem 
Kommandierenden  der  vereinigten  japanischen  Kriegsflotte  bekannt- 
gemachte Blockade  über  die  Südküste  der  Liaotunghalbinsel,  wenn  sie 
auch  im  allgemeinen  in  effektivem  Zustand  erhalten  worden  sein  möge, 
aus  den  oben  angedeuteten  Gründen  nicht  als  effektiv  erwiesen. 

434 


Prisengerichtsentschetdungen:  „George".  Abschnitt  VI^ 

Das  Prisengericht  in  Sasebo  habe  aber  mit  der  Begründung,  daß 
Blockadebruch  vorliege,  zu  Unrecht  auf  Einziehung  des  Dampfers  ent- 
schieden. Reklamant  beantrage  Verwerfung  dieses  Urteils  und  Erlaß 
einer  Entscheidung  auf  Freilassung  desselben. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  beim  Prisen- 
gericht zu  Sasebo,  Yamamoto  Tatsurokuro,  sind  folgende: 

Die  Effektivität  einer  Blockade  bedinge  keineswegs  die  Verwendung 
einer  Macht,  die  die  Hafenzufahrt  tatsächlich  versperre.  Es  genüge  viel- 
mehr, daß  eine  Streitmacht  aufgestellt  werde,  welche  ausreiche,  um  An- 
näherungen an  die  feindliche  Küste  erfolgreich  abweisen  zu  können. 
Das  bedeute  aber  nur  eine  Streitmacht,  welche  ausreichend  sei,  um  für 
Schiffe, ,  die  in  den  feindlichen  Hafen  ein-  oder  aus  demselben  aus- 
fahren oder  sich  der  Küste  nähern  wollten,  eine  Gefähr  zu  schaffen. 
Daß  es  dabei  auf  die  Anzahl  der  Geschwader  oder  Kriegsschiffe  und 
auf  die  Art  der  Aufstellung  derselben  nicht  ankomme,  bewiesen  nicht 
nur  die  völkerrechtlichen  Präcedenzen  und  die  Ansichten  vieler  Ge- 
lehrten; dies  sei  vielmehr  auch  in  §  21^)  der  japanischen  Seeprisen- 
ordnung klar  anerkannt.  Außerdem  sei  es  eine  erwiesene  Tatsache, 
daß  zur  Zeit  der  Aufbringung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes 
die  vereinigte  japanische  Kriegsflotte  in  hinreichender  Stärke  die  Blockade 
ausgeübt  habe,  um  für  Schiffe,  welche  in  Port  Arthur  ein-  und  von 
dort  ausgelaufen  seien  oder  dies  zu  tun  vorgehabt  hätten,  eine  Gefahr 
darzustellen.    Daher  sei  die  Blockade  effektiv  gewesen. 

Es  sei  ferner  durch  die  Vorgänge  und  die  unbestrittene  Ansicht 
der  völkerrechtlichen  Wissenschaft  anerkannt,  daß,  wenn  auch  hin  und 
wieder  das  eine  oder  andere  Schiff  der  Gefahr  trotze  und  unbehindert 
in  das  Blockadegebiet  hinein  oder  aus  demselben  herausgelange,  dies 
keinen  Grund  bilde,  um  die  Blockade  für  nicht  effektiv  erklären  zu 
können.  Daher  könne  aus  dem  einen  Fall,  daß  das  zur  Verhandlung 
stehende  Schiff  der  Kontrolle  der  Kriegsschiffe  entgangen  und  un- 
behindert in  das  Blockadegebiet  eingedrungen  sei,  nicht  geschlossen 
werden,  daß  die  Blockade  nicht  effektiv  gewesen  sei.  Dies  um  so 
weniger,  als  die  Aufbringung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfers 
nicht  weit  von  der  Blockadelinie  bei  dem  Vorgebirge  von  Liaotishan 
erfolgt  sei. 

Da  nach  dem  oben  Ausgeführten  feststehe,  daß  der  zur  Verhandlung 
stehende  Dampfer  die  Blockade  gebrochen  habe,  so  sei  das  Urteil 
des  Prisengerichts  zu  Sasebo  zu  Recht  abgegeben  und  die  Berufung 
unbegründet. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

Das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  steht  im  Eigentum  des  fran- 
zösischen Staatsangehörigen   Auguste  Vernon   in   Tongku,   China. 

*)  V. 

(28*)  435 


Abschnitt  VI^  Prisengerichtsentscheidungen:  „George'^ 

Es  ist  unbestritten,  daß  der  Kapitän  am  18.  August  1904,  obwohl  er 
:genau  von  dem  Bestehen  der  Blockade  unterrichtet  war,  vor  Port  Arthur 
•eingetroffen  ist,  am  nächsten  Tag  seine  Ladung  auf  einen  russischen 
Dampfer  umgeladen  hat  und  auf  der  Rückfahrt  in  einer  Entfernung 
von  etwa  5  Seemeilen  südöstlich  von  dem  Liaotishanvorgebirge  von  dem 
auf  Blockadedienst  befindlichen  Kaiserlichen  Torpedoboot  Nr.  65  auf- 
gebracht worden  ist. 

Der  Reklamant  führt  an,  daß  der  zur  Verhandlung  stehende 
Dampfer  bis  vor  Port  Arthur  habe  gelangen  können,  ohne  auf  Hinder- 
nisse zu  stoßen  und  Gefahr  zu  laufen.  Es  habe  daher  zur  Zeit  keine 
wirksame  Blockade  bestanden.  Selbst  wenn  man  zugebe,  daß  im  all- 
gemeinen die  Blockade  in  effektivem  Zustand  erhalten  gewesen  sein 
möge,  so  sei  sie  doch  mit  Bezug  auf  das  zur  Verhandlung  stehende 
Schiff  nicht  effektiv  gewesen. 

Die  am  26.  Mai  1904  von  dem  Kommandierenden  der  vereinigten 
japanischen  Kriegsflotte  bekanntgemachte  Blockade  ist  seit  der  Zeit  mit 
hinreichender  Streitmacht  ausgeübt  worden,  um  ihren  Zweck  zu  er- 
reichen. Vor  und  nach  der  Aufbringung  des  genannten  Dampfers 
sind  zum  direkten  Blockadedienst  bei  Port  Arthur  in  einer  Ausdehnung 
von  ungefähr  20  Seemeilen  entlang  der  Küste  60  Kriegsschiffe  und 
Torpedoboote  5  bis  10  Seemeilen  von  der  Küste  entfernt  aufgestellt 
gewesen.  Außerdem  kreuzten  das  Hauptgeschwader,  bestehend  aus  im 
ganzen  sieben  Schlachtschiffen  und  kleineren  Schiffen,  bei  Yuentao, 
sowie  4  Hülfskreuzer  und  7  Kanonenboote  in  der  Straße  von  Liaotishan 
umher.  Aus  diesen  Tatsachen  ergibt  sich  klar,  daß  die  Blockade  wirklich 
effektiv  erhalten  worden  ist.  Wenn  das  zur  Verhandlung  stehende 
Schiff  zufällig  bis  vor  Port  Arthur  gelangt  ist,  so  ist  ihm  dies  gelungen, 
indem  es  sich  der  Kontrolle  des  Blockadegeschwaders  entzog  und  sich 
heimlich  hindurchschlich.  Es  kann  aber  nicht  behauptet  werden,  daß 
es  dabei  keine  Gefahr  gelaufen  sei.  Die  Tatsache,  daß  das  Schiff  auf 
der  Rückreise,  welche  es  nachts  vornahm,  um  der  Kontrolle  des  Blockade- 
geschwaders zu  entgehen,  aufgebracht  wurde,  widerlegt  auch  die  Be- 
hauptung des  Reklamanten,  daß  die  über  die  Südküste  von  Liaotung 
verhängte  Blockade  an  einer  Stelle  nicht  effektiv  gewesen  sei. 

Das  Urteil  des  Prisengerichts  zu  Säsebo,  welches  wegen  Blockade- 
bruchs auf  Einziehung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfers  er- 
kennt, ist  daher  zutreffend,  und  es  wird,  wie  folgt,  entschieden : 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  17.  Februar  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


436 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Si-Shän".  Abschnitt  VI« 

In  Sachen  der  Beschlagnahme  des  englischen  Dampfers  „Si-Shan" 
und  seiner  Ladung  wird  nach  Einsicht  des  Schriftsatzes  der  Staatsanwälte 
Mizukami  Chojiro  und  Yamamoto  Tatsurokuro,  wie  folgt, 
entschieden. 

Urteilsformel: 
Der  Dampfer  „Si-Shan"  und  seine  gesamte  Ladung  werden  frei- 
gegeben. 

Tatbestand   und   Gründe: 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „Si-Shan"  steht  im  Eigen- 
tum des  englischen  Staatsangehörigen  SamuelSpitzel,  sein  Heimats- 
hafen ist  Hongkong,  er  führt  die  englische  Handelsflagge  und  ist  ein 
Handelsschiff,  das  vorzugsweise  zum  Gütertransport  dient.  Mit  einer 
Ladung  von  Rindern,  Hammeln  und  vielen  sonstigen  Nahrungsmitteln 
fuhr  er  am  25.  September  1904  mit  Bestimmung  für  Niutschwang  von 
Hongkong  ab.  Nachdem  er  nachts  die  Gewässer  von  Port  Arthur  passiert 
hatte,  lief  er  am  2.  Oktober  desselben  Jahres  in  Niutschwang  ein.  Er 
bemühte  sich  sofort,  seine  Ladung  zu  verkaufen,  landete  die  Rinder 
und  Hammel,  mußte  dieselben  jedoch  mangels  Verkaufs  wieder  an 
Bord  zurücknehmen.  Während  er  sich  vergeblich  bemühte,  seine  Aus- 
klarierung nach  Tschifu  zu  bewirken,  wurde  er  von  dem  im  dortigen 
Hafen  liegenden  Kaiserlich  Japanischen  Kriegsschiff  „Chikushi''  in  dem 
Verdacht,  daß  er  Kriegskonterbande  führe,  am  7.  des  Monats  visitiert 
und  am  selben  Tag  im  dortigen  Hafen  beschlagnahmt.  Die  bei  der 
Visitierung  vorhanden  gewesenen  Schiffspapiere  wurden  bei  der  Beschlag- 
nahme unter  der  Angabe,  daß  sie  in  Verwahrung  des  englischen .  Kon- 
sulats in  Niutschwang  seien,  nicht  vorgelegt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  schriftliche  Aussage 
des  Stellvertreters  des  Kommandanten  der  „Chikushi'',  Marineober- 
leutnants Hara  Kanjiro,  das  VemehmungsprotokoU  des  Kapitäns 
JamesCartridge,  des  1 .  Maschinisten  JohnBrady,  des  2.  Maschi- 
nisten David  Fotheringham,  des  3.  Maschinisten  Robert  But- 
eher,  des  Passagiers  H.  K.  S  t  r  u  v  e  und  des  Zeugen  AdolfSpitzel. 

Die  Ansicht  der  Staatsanwälte  ist  im  wesentlichen  folgende : 

Die  Schiffspapiere  seien  in  großer  Unordnung,  und  in  Ermanglung 
anderer  Gründe,  welche  dagegen  hätten  sprechen  können,  habe  das 
Schiff  dem  Verdacht  verfallen  müssen,  daß  die  Fortsetzung  der  Reise 
zum  Kriegskonterbandetransport  geschehen  solle.  Daher  sei  die  Be- 
schlagnahme zu  Recht  ausgeführt  worden,  aber,  da  die  Untersuchung 
des  Falls  in  dem  Prisengericht  erwiesen  habe,  daß  der  Verdacht,  es 
handele  sich  um  eine  Fortsetzung  der  Reise  zum  Zwecke  von  Konter- 
bandetransport, unbegründet  gewesen  sei,  so  müsse  das  zur  Verhandlung 
stehende  Schiff  mit  seiner  Ladung  freigegeben  werden. 

437 


Abschnitt  VI«  Prisengertchtsentscheidungen:  „Si-Shan". 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Der  amerikanische  Bürger  A  d  o  1  f  S  p  i  t  z  e  1  hat  als  Vertreter  seines 
Neffen  Samuel  Spitze!  den  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfer 
kürzlich  angekauft  und  hatte  volle  Verfügungsgewalt  über  denselben. 
Er  kaufte  mit  der  Absicht,  sie  nach  dem  bestbezahlenden  —  gleich- 
gültig welchem  —  Platz  zu  schaffen  und  dort  mit  großem  Verdienst 
abzusetzen,  Lebensmittel  für  den  Bedarf  von  Kriegstruppen  ein.  So- 
dann nahm  er  unter  Zusicherung  eines  Anteils  am  Gewinn  seinen  Lands- 
mann Struve  als  Siipercargo  mit  an  Bord,  .während  er  selbst  die 
Oberleitung  und  Aufsicht  über  das  ganze  Schiff  ausübte.  Er  bestimmte 
dann  Niutschwang  als  Reiseziel  und  fuhr  von  Hongkong  ab.  Da  aber 
zu  dieser  Zeit  gerade  die  russischen  Truppen  in  Port  Arthur  wegen 
der  streng  durchgeführten  Belagerung  und  Blockade  sehr  stark  an 
Proviantmangel  litten,  so  verbreitete  sich  in  Hongkong  und  Shanghai 
das  Gerücht,  der  Dampfer  beabsichtige,  einen  Schleichimport  nach  Port 
Arthur  auszuführen.  Schließlich  stand  dies  sogar  in  den  Zeitungen. 
Sobald  der  Dampfer  in  Niutschwang  angekommen  war,  versuchte  er 
ohne  Erfolg,  die  Ladung  zu  verkaufen.  Er  traf  darauf  Vorbereitungen 
angeblich  zur  Reise  nach  Tschifu,  wohin  er  nur  durch  die  Gewässer 
Port  Arthurs  gelangen  konnte.  Der  Supercargo  Struve,  der  mit  dem 
Ladungseigentümer  zusammen  völlig  über  das  Schiff  zu  bestimmen  hatte, 
erzählte  bei  der  Agentur  Bush  Brothers,  daß  er  vorhabe,  die 
Ladung  nach  Port  Arthur  zu  schaffen.  Auch  hatte  der  zur  Besatzung 
.gehörige  l.  Offizier  Chambers  im  englischen  Konsulat  in  Niutschwang 
gesagt,  der  Dampfer  habe  auf  der  Reise  von  Hongkong  nach  Ying- 
kow  versucht,  die  Blockade  von  Port  Arthur  zu  brechen.  Da  ihm  dies 
aber  nicht  gelungen  sei,  so  wolle  er  unter  der  Vorgabe,  nach  Tschifu 
zu  gehen,  einen  erneuten  Versuch  machen,  um  nach  Port  Arthur  hinein- 
zukommen. Als  aus  diesem  Grunde  das  Kaiserlich  Japanische  Kriegs- 
schiff „Chikushi"  eine  Visitierung  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Dampfers  vornahm,  waren  die  Schiffspapiere  nicht  in  Ordnung;  der 
Bestimmungshafen  war  nicht  festgesetzt;  als  Kapitän  wurde  t-ine  tat- 
sächlich nicht  autorisierte  Person  angegeben,  und  über  alles  dieses  konnte 
keine  zufriedenstellende  Auskunft  gegeben  werden.  Daher  nahm  die 
„Chikushi"  an,  daß  das  seit  der  Abreise  von  Hongkong  im  geheimen 
gehegte  Vorhaben,  einen  Schleichimport  nach  Port  Arthur  auszuführen, 
noch  nicht  aufgegeben  sei  und  daß,  um  es  nunmehr  zur  Ausführung 
zu  bringen,  Tschifu  als  Reiseziel  angegeben  werde.  Es  war  daher  durch- 
aus in  der  Ordnung,  daß  die  „Chikushi",  als  es  schien,  daß  der  zur 
Verhandlung  stehende  Dampfer  im  Begriff  war,  abzufahren,  denselben 
mit  Beschlag  belegte,  i) 


1)  V.  §  37,  1  und  2. 
438 


Priaengerichtsentscheidungen:  „Fuping".  Abschnitt  Vis>* 

Aber  die  genaue  Untersuchung  in  dem  unterzeichneten  Prisen- 
gericht hat  ergeben,  was  folgt: 

Es  muß  freilich  angenommen  werden,  daß  der  Dampfer  auf  der 
Reise  von  Hongkong  nach  Niutschwang  vorgehabt  hat,  die  Blockade 
von  Port  Arthur  zu  brechen  und  einen  Schleichimport  auszuführen. 
Als  dies  aber  nicht  gelang,  hat  der  Dampfer  die  Reise,  welche  in  den 
Schiffspapieren  angegeben  ist,  vollendet.  In  Niutschwang  hat  er  ver- 
sucht, seine  Ladung  zu  verkaufen,  und  sich,  als  ihm  dies  nicht  gelang, 
entschlossen,  nach  Tschifu  zu  fahren.  Es  muß  daher  angenommen 
werden,  daß  der  Dampfer  bereits  zur  Zeit  seines  Eintreffens  in  Niu- 
tschwang seinen  früheren  Plan  aufgegeben  hatte.  Die  Kontinuität  der 
den  Blockadebruch  2)  oder  Konterbandetransport  bezweckenden  Reise 
kann  daher  nicht  angenommen  werden. 

.  Auch  läßt  sich  nicht  sagen,  daß  der  für  Tschifu  bestimmte  Dampfer 
bei  seiner  Abfahrt  von  Niutschwang,  selbst  wenn  er  von  neuem  einen 
Schleichimport  nach  Port  Arthur  ins  Auge  gefaßt  hatte,  die  Ausführung 
desselben  bereits  angefangen  hatte.  Daher  kann  auch  in  dieser  Weise. 
Blockadebruch  oder  Konterbandetransport  nicht  konstruiert  werden. 

Da  ferner  die  Unordnung  der  Schiffspapiere  sowie  die  mangelnde 
Legitimation  des  Kapitäns  usw.  ausreichende  Erklärung  gefunden  haben, 
so  ist  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  und  seine  gesamte  Ladung, 
ungeachtet  der  Rechtmäßigkeit  der  erfolgten  Beschlagnahme,  freizugeben. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Am  26.  Oktober  1904  im  Prisengericht  zu  Sasebo. 
(Unterschriften.) 


In  Sachen  der  Beschlagnahme  des  deutschen  Dampfers  „Fuping" 
und  seiner  Ladung  wird  nach  Einsichtnahme  des  Schriftsatzes  der  Staats- 
anwälte Mizukami  Chojiro  und  Yamamoto  Tatsurokuro, 
wie  folgt,  entschieden. 

Urteilsformel: 
Der  Dampfer  „Fuping''  und  seine  gesamte  in  beigefügtem  I^dungs- 
verzeichnis  aufgeführte  Ladung  werden  eingezogen. 

^)  Hier  tritt  der  zu  verwerfende  Standpunkt  zu  Tage,  daß  schon  die  Absicht 
des  Blockadebruchs  ohne  tatsächlichen  Versuch  straffällig  macht.  Es  hätte  genügt. 
nur  von  Konterbandetransport  zu  sprechen,  wie  dies  der  Staatsanwalt  tut. 

439 


Abschnitt  VI»«  Prisengerichtoentscheidungen :  „Fuping'*» 

Tatbestand   und   Gründe: 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „Fuping"  ist  Eigentum 
der  deutschen  Firma  Teige,  Schröter  und  Co.  in  Tientsin,  führt  die 
deutsche  Flagge  und  dient  zum  Personen-  und  Gütertransport.  Dem 
Kapitän  des  Schiffes,  Frank  Gray,  ist  bekannt  gewesen,  daß  der 
Hafen  von  Port  Arthur  zur  Zeit  von  der  japanischen  Kriegsflotte  blockiert 
wird.  Trotzdem  hat  er  auf  Anordnung  der  Reeder  für  Port  Arthur 
bestimmte  Waren,  nämlich  Waffen,  Munition  und  Proviant  unter  falschen 
Angaben  an  Bord  genommen  und  auch  den  aktiven  russischen  Haupt- 
mann Wassili  Juliewitsch  Eckardt  sich  einschiffen  lassen.  Er 
hat  unter  dem  Vorwande,  daß  er  für  Tschifu  bestimmt  sei,  am  8.  Oktober 
1904  den  chinesischen  Hafen  Tongku  mit  dem  Reiseziel  Port  Arthur 
verlassen.  Am  1 1 .  desselben  Monats  hat  er  alsdann  5  Seemeilen  südlich 
von  Rockpoint  auf  offener  See  in  Rußland  fabrizierte  Stiefel  und  Lebens- 
mittel, welche  von  seinem  Reeder  besonders  für  Port  Arthur  verschifft 
waren,  von  zwei  chinesischen  Dschunken  übergenommen  und  ist  am 
selben  Tage,  nachdem  er  die  ganze  in  dem  beigefügten  Verzeichnis  auf- 
geführte Ladung  verladen  hatte,  von  dort  abgefahren.  Am  folgenden 
Tage,  dem  12.  Oktober,  vormittags  um  etwa  9  Uhr  wurde  der  Dampfer^ 
auf  der  Fahrt  nach  Port  Arthur  begriffen,  etwa  10  Seemeilen  nördlich 
von  der  Hwangchang-Inselgruppe  auf  120  ^  55 '  ö.  L.  und  38 »  34 '  n.  Br. 
von  dem  auf  Blockadegebiet  befindlichen  japanischen  Torpedoboot 
„Shirataka"  aufgebracht. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  schriftliche  Aussage 
des  Kapitänleutnants  Kawasoye  Masaharu,  der  die  Beschlag- 
nahme ausführte,  die  Bescheinigung  über  die  Umschiffung  der  Mann- 
schaft, die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns  Frank  Gray,  des 
1 .  Offiziers  James  Duncan,  des  1 .  Maschinisten  Alexander 
Robertson  vom  Dampfer  „Fuping''  und  des  mitreisenden  russischen 
Hauptmanns  Wassili  Juliewitsch  Eckardt,  durch  das  Logbuch,, 
das  Flaggenattest,  das  Notizbuch  des  Kapitäns,  den  Ausklarierungs- 
schein und  eine  Bescheinigung  des  russischen  Obersten  Ogorod- 
n  i  k  o  f  f . 

Die  Ansicht  der  Staatsanwälte  geht  im  wesentlichen  dahin,  daß 
es  außer  Zweifel  stehe,  daß  zur  Zeit  der  Aufbringung  des  zur  Ver- 
handlung stehenden  Schiffes  die  Blockade  wirklich  effektiv  gewesen 
sei,  und  daß  man  das  Schiff,  welches  in  der  Richtung  auf  die  Blockade- 
linie vorgerückt  sei,  als  Blockadebrecher  betrachten  müsse.  Daher  sei 
das  Schiff  mit  der  gesamten  Ladung  einzuziehen. 

Das  Gericht  ist  der  Ansicht,  daß  es  einem  allgemeinen  völker- 
rechtlichen Grundsatz  entspricht,  daß  im  Falle  effektiven  Bestehens  einer 
Blockade  Schiffe,  welche  in  der  Nähe  der  Blockadelinie  offenbar  in 
der  Richtung  auf  dieselbe  zu  fahren,  als  Blockadebrecher  anzusehen 

^0 


Prisengerichtsentscheidttngen:  „Fuping''.  Abschnitt  VI»* 

und  mitsamt  ihrer  Ladung  einzuziehen  sind  mit  Ausnahme  von  solchen 
Gütern,  die  im  Eigentum  von  Personen  stehen,  die  von  dem  Blockade- 
zustand keine  Kenntnis  hatten. 

Da  nun  am  26.  Mai  1904  der  Oberstkommandierende  der  ver- 
einigten japanischen  Kriegsflotte  die  Verhängung  des  Blockadezustandes 
über  die  Südküste  von  Liaotung  bekannt  gentiacht  hat  und  'es  außer 
Z^^ifel  steht,  daß  diese  Blockade  ununterbrochen  in  effektivem  Zustand 
erhalten  worden  ist,  so  ist  es  klar,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende 
Schiff,  welches  in  der  oben  geschilderten  Weise  auf  dem  Wege  nach 
Port  Arthur  begriffen  war,  als  Blockadebrecher  angesehen  werden  muß. 

Da  ferner  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  Eigentum  des 
Schiffseigentümers  sind  und  nach  einem  von  dem  Schiffseigentümer 
den]  Kapitän  übergebenen  Zertifikat  des  Kommandierenden  der  russi- 
schen Gesandtschaftswache  in  Peking,  des  Obersten  Ogorodnikoff, 
z^teifellos  sämtlich  für  Port  Arthur  bestimmt  waren,  auch  der  Schiffs- 
eigentümer von  dem  Blockadezustand  hat  wissen  müssen,  so  ist  das 
Schiff  mit  der  gesamten  Ladung  einzuziehen,  i) 

Das  Prisengericht  hat,  weil  während  der  von  ihm  festgesetzten  und 
veröffentlichten  Frist  Reklamationen  nicht  erhoben  worden  sind,  auf 
Antrag  der  Staatsanwält6  in  Gemäßheit  des  letzten  Absatzes  des  §  16 
der  Prisengerichtsordnung  2)  ohne  mündliche  Verhandlung  wie  in  der 
Urteilsformel  entschieden. 

Im  Prisengericht  zu  Sasebo  am  6.  Dezember  1904. 

Ladungsverzeichnis. 

Art  der  Güter                                               Anzahl  der  Stücke 

/Gekochtes  Rindfleisch 1026 

Corned  beef      1085 

Hirse '  .  1043 

Nudeln 720 

Würste      25 

Gesalzenes  Rindfleisch 11 

Medikamente 35 

Stiefel 98 

Seife 61 

Schinken   .    .    .    . 34 

Suppenkonserven 5 

Gemüsekonserven 88 

Schwefelsäure 38 

Tee 1 

Waffen 8 

Munition  und  Feuerwerk 1091 


1)  V.  §  45.  -  2)  IV. 


441 


Abschnitt  VI»«  Prisengerichtsentscheidungen:  „Fuping''. 

Reklamant:  Wassili  Juliewitsch  Eckardt,  Pionierhaupt- 
mann bei  dem  russischen  Ussuri-Eisenbahnbataillon,  wohnhaft  in  Wladi- 
wostok, Afanassieffskajauliza  Nr.  21,  zur  Zeit  in  dem  Kriegsgefangenen- 
quartier in  Matsuyama,!)  Regierungsbezirk  Ehime,  im  Versammlungs- 
haus. 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  Masushima  Rokuichiro, 
Regierungsbezirk  Kanagawa,  Yokohama,  Yamashitacho  Nr.  .14. 

In  der  Prisensache  betreffend  Ladungsgut  des  deutschen  Dampfers 
„Fuping''  wird,  wie  folgt,  entschieden: 

Urteilsformel: 
Die  auf  dem  Dampfer  „Fuping"  verschifften  67000  Rubel  russischen 
Papiergeldes  werden  eingezogen. 

Tatbestand   und   Gründe: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  67  000  russischen  Papierrubel  sind 
von  dem  Reklamanten  Wassili  Julie  witsch  Eckardt  am  8.  Ok- 
tober 1904,  als  er  sich  am  8.  Oktober  1904  in  Tsingtau  in  China  auf 
dem  Dampfer  „Fuping"  einschiffte,  um  nach  dem  damaligen  russischen 
Kriegshafen  Port  Arthur  zu  fahren,  verschifft  worden,  um  sie  nach 
Port  Arthur  zu  schaffen.  Sie  wurden  am  12.  d.  M.,  etwa  9  Uhr  vor- 
mittags auf  120  0  55'  ö.  L.  und  38»  34'  n.  Br.  ungefähr  10  Seemeilen 
nördlich  von  der  Hwangchang-Inselgruppe,  als  der  genannte  Dampfer, 
weil  er  Konterbande  geladen  hatte,  von  dem  Kaiserlichen  Torpedoboot 
„Shirataka"  aufgebracht  wurde,  mit  diesem  zusammen  beschlagnahmt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Kapitänleutnants  Kawasoye  Masaharu,  der  die  Beschlagnahme 
ausgeführt  hat,  die  Bescheinigung  über  die  Umschiffung  der  Besatzung, 
die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns  der  „Fuping"  Frank  Gray, 
des  1 .  Offiziers  James  Duncan,  des  1.  Maschinisten  Alexander 
Robertson  und  des  Passagiers  Wassili  Juliewitsch  Eckardt, 
durch  das  Tagebuch,  das  Flaggen attest,  das  Notizbuch  des  Kapitäns, 
einen  Brief  des  Kapitäns  an  „George"  und  eine  Bescheinigung  des 
russischen   Kapitäns  zur  See 2)  Ogorodnikoff. 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  des  Vertreters  der  Reklamation 
sind  folgende: 

Von  den  zur  Verhandlung  stehenden  67000  Rubeln  habe  der 
Reklamant  Mitte  September  1904  russischen  Stils  4000  Rubel  aus  einem 
Deposit  bei  der  russisch-chinesischen  Bank  in  Tientsin,  China,  zurück- 
gezogen.   Die  übrigen  habe  er  Mitte  desselben  Jahres  von  seinem  Ver- 


')  V.  §  42.  —  2)  In  dem  Urteil  über  den  Dampfer  „Fuping"  wird  Ogorodnikoff 
als  Armeeoberst  bezeichnet. 

M2 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Fuping".  Abschnitt  VI»« 

treter  Pawlowitsch  und  der  Post  in  Liaoyang  empfangen.  Der 
ganze  Betrag  sei  sein  Privatgeld  und  sei  keine  Ladung. 

Der  Reklamant  habe  sich  ferner  in  Tientsin  auf  der  „Fuping" 
eingeschifft,  um  nach  Tschifu  zu  fahren  und  von  dort  in  die  Heimat 
zurückzukehren;  er  habe  nicht  die  Absicht  gehabt,  nach  Port  Arthur 
zu  gehen.  Selbst  wenn  er  aber  diese  Absicht  gehabt  hätte,  so  könne 
doch  das  Geld,  da  es  in  dem  Privatkoffer  des  Reklamanten  gewesen 
sei,  nur,  wenn  Beweis  vorhanden  sei,  daß  es  nicht  sein  Privateigentum 
sei,  eingezogen  werden. 

Es  werde  daher  Freigabe  des  zur  Verhandlung  stehenden  Geldes 
beantragt. 

Die  Hauptpunkte  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  sind  folgende: 

Das  zur  Verhandlung  stehende  Papiergeld  sei  nicht  Privateigentum 
des  Reklamanten,  sondern  öffentliches  Geld  und  müsse,  da  es  mit  der 
übrigen  Ladung  nach  Port  Arthur  bestimmt  gewesen  sei,  eingezogen 
vcerden. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Die  Bestimmungen  und  die  Praxis  des  Völkerrechts  erkennen  an, 
daß  die  Ladung  eines  Schiffes,  welches  einen  Blockadebruch  begangen 
hat,  abgesehen  von  solchen  Gütern,  welche  im  Eigentum  von  Personen 
stehen,  die  von  dem  Blockadezustand  absolut  keine  Kenntnis  hatten, 
einzuziehen  ist. 

Der  in  Frage  stehende  Dampfer  „Fuping"  ist,  wie  dem  Vertreter 
der  Reklamation  bekannt  ist,  wegen  Blockadebruchs  bereits  zur  Ein- 
ziehung verurteilt  worden,  3)  und  es  geht  aus  der  Bescheinigung  des 
russischen  Obersten  Ogorodnikoff  und  dem  Brief  des  Kapitäns 
an  „George''  unzweifelhaft  hervor,  daß  das  Schiff  vorgehabt  hat,  die 
Blockade  zu  brechen  und  die  der  russischen  Regierung  gehörige  Ladung 
nach  Port  Arthur  zu  schaffen,  sowie  daß  der  Reklamant  für  russische 
Behörden  Papiere  und  400000  Rubel  auf  dem  Schiffe  bei  sich  gehabt 
hat.  Dies  Geld  hat  der  Reklamant  bei  der  Beschlagnahme  des  genannten 
Dampfers  ins  Wasser  geworfen,  und  nur  die  zur  Verhandlung  stehenden 
67  000  Papierrubel  sind  übrig  geblieben.  Diese  sind  als  Gut  anzusehen, 
welches  den  russischen  Behörden  gehört  und  nach  Port  Arthur  be- 
fördert werden  sollte. 

Der  Vertreter  der  Reklamation  behauptet,  daß  der  Reklamant,  auf 
der  Rückreise  nach  der  Heimat  begriffen,  sich  bei  der  Abreise  von 
Tientsin  auf  der  „Fuping"  eingeschifft  habe,  um  nach  Tschifu  zu  gehen. 
Die  Absicht,  nach  Port  Arthur  zu  fahren,  habe  nicht  bestanden.  Selbst 
wenn  er  aber  diese  Absicht  gehabt  habe,  so  sei  doch  das  Geld,  da 
es  in  dem  Privatkoffer  des  Reklamanten  gewesen  sei,  sein  Privateigentum. 

•)  VI.  22  a. 

443 


Abschnitt  VI»«  Prisengerichtsentscheidungen:  „Fuping**. 

Es  geht  aber  aus  der  oben  erwähnten  Bescheinigung  Ogorod- 
nikoffs  und  dem  Brief  des  Kapitäns  an  „George"  hervor,  daß  der 
Reklamant  auf  Befehl  seiner  Behörde  von  Tongku  nach  Port  Arthur 
abgereist  war.  Auch  besagt  die  Aussage  des  Reklamanten  auf  die 
Frage  des  mit  dem  Fall  beauftragten  Rats,  daß  der  Reklamant  in  Tientsin 
von  dem  russischen  Konsul  zwei  in  Strohmatten  verpackte  Kolli  an- 
vertraut erhalten  hat  und  beauftragt  worden  ist,  sie  im  Falle,  daß  das 
Schiff  mit  der  japanischen  Flotte  zusammentreffe,  mit  der  ganzen  übrigen 
•  Ladung  zu  verbrennen.  Als  dann  das  Schiff  im  Begriff  stand,  von 
einem  Kaiserlichen  Torpedoboot  aufgebracht  zu  werden,  hat  der  Rekla- 
mant die  beiden  Stroh mattenkolli  und  noch  eine  Kiste  ins  Wasser  ge- 
worfen. Wenn  man  alle  diese  Tatsachen  vergleicht,  so  ist  es  nicht 
zu  bezweifeln,  daß  der  Reklamant  sich  auf  der  „Fuping"  zur  Ober- 
aufsicht eingeschifft  hat. 

Wenn  ferner  auch  das  zur  Verhandlung  stehende  Papiergeld  im 
Koffer  des  Reklamanten  gewesen  ist,  so  unterscheidet  es  sich  dadurch 
von  gewöhnlicher  Ladung  in  weiter  nichts  als  der  Art  der  Verpackung 
und  Verladung.  Ein  Beweis  dafür,  daß  es  Privateigentum  sei,  kann 
darin  aber  nicht  erkannt  werden. 

Des  weiteren  beruft  sich  der  Reklamant  zum  Beweis  dafür,  daß 
das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  ihm  privatim  gehöre,  auf  schrift- 
liche Aussagen  des  russischen  Obersten  Ogorodnikoff  und  des 
Oberleutnants  de  Reutlinger  sowie  eine  Bescheinigung  des  russi- 
schen Konsuls  L  a  p  t  e  w  in  Tientsin.  Da  aber  L  a  p  t  e  w  und  Ogorod- 
nikoff die  „Fuping''  ausgerüstet  haben,  um  mit  ihr  einen  Blockade- 
bruch  auszuführen,  so  kann  ihren  Aussagen  und  Bescheinigungen  in 
dieser  Sache  kein  Glauben  beigelegt  werden. 

Demnach  ist  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  als  Staatseigentum, 
welches  auf  einem  Schiff,  das  sich  eines  Blockadebruchs  schuldig  ge- 
macht hat,  nach  Port  Arthur  geschafft  werden  sollte,  einzuziehen. 

Selbst  aber  angenommen,  das  Geld  gehöre  dem  Reklamanten, 
so  ist  es  doch  Ladung  eines  Blockadebrechers,  und  da  es  nach  Port 
Arthur  gelangen  sollte,  so  kann  angenommen  werden,  daß  es  doch  zum 
feindlichen  Kriegsgebrauch  gedient  haben  würde.  Demnach  kann  es 
doch  der  Einziehung  nicht  entgehen. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  15.  Mai  1905  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Beisein 
des  Staatsanwalts  MizukamiChojiro. 

(Unterschriften.) 


444 


Pri8engerichtseiit8cheidungen:  „Fuping'^  Abschnitt  VI^^ 

Reklamant:  Wassili  Juliewitsch  Eckardt,  russischer 
Pionierhauptmann  in  Matsuyama,  Kriegsgefangenenquartier,  wohnhaft 
in  Wladiwostok,  Afanas^ieffskajauliza  Nr.  21. 

Prozeßvertreterr  Rechtsanwalt  Masushima  Rokuichiro, 
Regierungsbezirk  Kanagawa,  Yokohama,  Yamashitacho  Nr.  14. 

Am  15.  Mai  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der  Prisen- 
sache betreffend  Ladung  des  deutschen  Dampfers  „Fuping",  welcher 
am  12.  Oktober  1904  etwa  10  Seemeilen  nördlich  von  der  Hwang- 
Chang-Inselgruppe  von  dem  Kaiserlichen  Torpedoboot  „Shirataka"  auf- 
gebracht worden  ist,  ein  Urteil  gefällt,  in  welchem  auf  Einziehung  der 
auf  dem  Dampfer  „Fuping"  verladenen  67  000  russischen  Papierrubel 
erkannt  worden  ist.  Gegen  dieses  Urteil  hat  der  Reklamant  Wassili 
Julie  witsch  Eckardt  durch  den  Rechtsanwalt  Masushima 
Rokuichiro  als  Prozeßvertreter  die  Berufung  eingelegt,  welche  im 
Beisein  der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku  und  Dr.  jur.  Ishi- 
vtatari  Binichi  beim  Oberprisengericht  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Vertreters  der  Reklamation 
und  deren  Begründung  sind  folgende : 

Das  Gericht  erster  Instanz  habe  ausgeführt: 

es  gehe  aus   der   Bescheinigung  Ogorodnikoff's   und 

einem  an  „George''  gerichteten  Brief  des  Kapitäns  hervor,  daß 

der  Reklamant  im  amtlichen  Auftrag  von  Tongku  nach  Port 

Arthur  abgereist  sei. 

Es  sei   jedoch   nicht  klar,   von   wem   diese  sogenannte   Bescheinigung 

Ogorodnikoff's  dem  Kapitän  übergeben  worden  sei.    In  den  ganzen 

Akten  dieses  Falles  sei  die  Herkunft  dieser  Bescheinigung  nicht  angegeben 

und   die  Bescheinigung  selber  enthalte  nichts  über  den  Reklamanten. 

Das   Gericht  erster   Instanz   habe   demnach   in   unrechtmäßiger  Weise 

Tatsachen  angenommen,  für  die  kein  Beweis  vorhanden  sei. 

Was  ferner  den  Brief  des  Kapitäns  an  „George"  angehe,  so  sei 
sein  Inhalt  überaus  dunkel  und,  wenn  man  aus  der  Aussage  des  Kapitäns 
Vermutungen  aufstellen  wolle,  so  habe  er  es  doch  nur  von  irgend  je- 
mandem gehört  gehabt,  daß  der  Reklamant  eine  große  Menge  Rubel 
mit  sich  führe,  und  habe  dies  in  dem  Brief  geschrieben.  Dies  sei  aber 
kein  Beweis,  daß  die  Gelder,  die  der  Reklamant  mit  sich  gehabt  habe, 
amtliche  russische  Gelder  gewesen  seien.  Auch  liege  kein  Beweis  dafür 
vor,  daß  die  zur  Verhandlung  stehenden  67  000  Rubel  ein  Teil  jener 
größeren  Summe  gewesen  seien. 

Das  Gericht  erster  Instanz  habe  daraufhin,  daß  der  Reklamant  von 
dem  russischen  Konsul  in  Tientsin  zwei  in  Strohmatten  eingewickelte 
Kolli  empfangen  und  den  Auftrag  erhalten  habe,  die  Ladung  zu  ver- 
brennen, angenommen,  daß  er  sich  zur  Beaufsichtigung  auf  der  „Fuping'' 
eingeschifft.     Da  aber  der  Reklamant,  wie  er  erklärt  habe,  erst  nach 

445 


Abschnitt  VI«b  Prisengerichtsentscheidungen:  „Fuping''- 

seiner  Einschiffung  von  dem  Konsul  schriftlich  ersucht  worden 
sei,  so  sei  es  eine  nicht  durch  Gründe  belegte  Annahme,  daß  er  sich 
auf  Grund  der  genannten  Tatsache  zur  Beaufsichtigung  auf  der  „Fuping" 
eingeschifft  habe.  '" 

Wenn  man  aber  annehmen  wolle,  der  Reklamant  habe  sich  auf 
amtlichen  Befehl  auf  der  „Fuping"  eingeschifft,  so  liege  kein  Grund  vor, 
weshalb  Ogorodnikoff  die  Bescheinigung  dem  Kapitän  habe  zu- 
stellen sollen;  aber  auch  dem  Kapitän  hätte  er  sie  dann  durch  den 
Reklamanten  zustellen  müssen;  zum  mindesten  aber  hätte  der  Kapitän 
den  Reklamanten  kennen  müssen.  Der  Reklamant  habe  aber  die  Be- 
scheinigung Ogorodnikoff 's  bis  auf  den  heutigen  Tag  noch  nicht 
einmal  gesehen,  auch  von  dem  Kapitän  niemals  etwas  darüber  gehört. 
Zudem  sei  der  Reklamant  dem  Kapitän  Gray  von  der  „Fuping"  vor 
seiner  Einschiffung  nicht  bekannt  gewesen.  Daher  sei  das  Urteil  erster 
Instanz,  welches  einen  wichtigen  Streitpunkt  entschieden  habe,  ohne 
einen  Beweis  zugrunde  zu  legen,  ungesetzlich. 

Das  Urteil  erster  Instanz  behaupte,  die  Tatsache,  daß  das  zur  Ver- 
handlung stehende  Geld  sich  in  dem  Privatkoffer  des  Reklamanten 
befunden  habe,  sei  kein  ausreichender  Beweis  dafür,  daß  es  ihm  ge- 
höre. Es  werde  aber  aus  dem  Handelsrecht  offenbar,  daß  die  Ladung- 
eines Schiffes  und  das  Handgepäck  der  Passagiere  gänzlich  von  ein- 
ander verschiedene  Dinge  seien,  und  auch  in  dem  auf  der  „Fuping'' 
vorhandenen  Bescheinigung  über  die  Ladung*)  und  dem  Ladungs- 
verzeichnis finde  sich,  da  das  Handgepäck  des  Reklamanten  seiner  Art 
nach  dort  nicht  eingetragen  werden  dürfe,  eine  solche  Eintragung  nicht. 
Daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Papiergeld  sich  in  dem  Koffer  eines 
Passagiers  befunden  habe,  sei  daher  ein  Beweis  dafür,  daß  es  sein  un- 
zweifelhaftes Privateigentum  sei.  Wenn  jemand  das  Gegenteil  be- 
haupten wolle,  so  habe  er  unbedingt  den  Beweis  dafür  zu  liefern.  Das 
Urteil  erster  Instanz  führe  aber  aus,  wenn  das  Geld  auch  in  dem  Hand- 
gepäck des  Reklamanten  gewesen  sei,  so  liege  darin  nur  eine  Verschieden- 
heit in  der  Art  der  Verpackung  und  der  Verschiffung,  es  sei  aber 
darum  nicht  verschieden  von  der  gewöhnlichen  Ladung.  Diese  An- 
nahme stehe  nicht  in  logischem  Zusammenhang  mit  den  Tatsachen  und 
könne  dem  Vorwurf  unzureichender  Begründung  nicht  entgehen. 

Das  Urteil  erster  Instanz  behaupte,  daß  die  Aussage  Ogorod- 
nikoff'  s  nicht  glaubwürdig  sei,  da  er  einen  Blockadebruch  vorgehabt 
habe.  Diese  Beweisaussage  stimme  indes  mit  der  des  Leutnants  Reut- 
linger  überein,  der  ausgesagt  habe,  der  Reklamant  habe  in  seiner 
Gegenwart  etwa  30000  Rubel  von  Pawlowitsch  und  ungefähr  die- 
selbe Summe  von  dem  russischen  Postamt  erhalten.    Wenn  dessen  un- 


*)  Vermutlich  Konnossemente. 
446 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Fuping"«  Abschnitt  Vl^b 

geachtet  die  Aussage  Ogorodnikoff's  nicht  anerkannt  worden  sei, 
so  sei  das  ungerecht. 

Das  Urteil  erster  Instanz  habe  entschieden,  das  zur  Verhandlung 
stehende  Geld  müsse  eiiigezogen  werden,  weil  es  auf  einem  Blockade- 
brecher verschifft  worden  und  nach  Port  Arthur  bestimmtes  amtliches 
Geld  sei.  Es  widerlaufe  dem  Recht,  daß  dafür,  daß  das  Geld  nicht 
privates,  sondern  amtliches  Geld  sei,  kein  Beweis  erbracht  worden  sei. 
Das  Gericht  erster  Instanz  stelle  daraufhin,  daß  der  Reklamant  zwei 
Kolli  ins  Wasser  geworfen  habe,  die  Ansicht  auf,  daß  das  zur  Ver- 
handlung stehende  Geld  ein  Teil  von  400000  Rubeln  gewesen  sei. 
Diese  von  dem  Reklamanten  ins  Wasser  geworfenen  Pakete  seien  dem 
Reklamanten  von  dem  russischen  Konsul  in  Tientsin  zur  Beförderung 
an  den  russischen  Konsul  in  Tschifu  anvertraut  worden.  Er  habe  sie 
aber  nicht  von  Ogorodnikoff  bekommen.  Auch  hätten  sie  kein 
russisches  Papiergeld  enthalten. 

Daraus,  daß  der  Reklamant  nach  dem  Auftrag  des  Konsuls  mit 
Bezug  auf  die  anvertrauten  Pakete  verfahren  sei,  dagegen  die  Order, 
die  ganze  Ladung  zu  verbrennen,  nicht  befolgt  habe,  könne  man  er- 
sehen, daß  die  ins  Wasser  geworfenen  Pakete  und  die  allgemeine  Ladung 
durchaus  verschieden  seien  und  daß  der  Reklamant  zu  der  letzteren 
in  keiner  Beziehung  gestanden  habe. 

Wenn  daher  das  Urteil  annehme,  daß  die  von  dem  Reklamanten 
weggeworfenen  Pakete  russisches  Papiergeld  seien  und  daß  das  zui 
Verhandlung  stehende  Geld  der  Rest  davon  gewesen  sei,  so  sei  das  eine 
sich  nicht  auf  Beweise,  sondern  auf  Vorurteil  gründende  Entscheidung. 
Schließlich  entscheide  das  Urteil  erster  Instanz,  daß  das  zur  Ver- 
handlung stehende  Geld,  wenn  es  auch  dem  Reklamanten  gehöre,  doch 
als  Ladung  eines  Blockadebrechers,  wenn  es  nach  Port  Arthur  ge- 
kommen wäre,  zum  feindlichen  Kriegsgebrauch  gedient  haben  würde 
und  daher  einzuziehen  sei. 

Hierin  setze  sich  das  Urteil  erster  Instanz  aber  offenbar  in  Wider- 
spruch mit  einem  Grundsatz,  welcher  als  völkerrechtliche  Bestimmung 
und  Gewohnheit  anerkannt  sei.  Denn  dieser  Grundsatz  besage  klar, 
daß  Güter,  welche  Personen  gehörten,  die  von  der  Tatsache  des  Blockade- 
bruchs keine  Kenntnis  gehabt  hätten,  nicht  eingezogen  werden  könnten. 
Dies  gelte  um  so  mehr  für  Handgepäck  eines  Passagiers,  weil  dieses 
nicht  als  Ladung  angesehen  werden  könne. 

Ferner  gehe  es  aus  dem  Fahrschein  des  Reklamanten  klar  hervor, 
daß  er  nach  Tschifu  habe  fahren  wollen,  und  der  Kapitän  habe  dem 
Steward  des  genannten  Dampfers  gesagt,  daß  der  Reklamant  ein  Fahr- 
gast sei,  der  nach  Tschifu  fahre.  Auch  habe  der  Reklamant  sein  Cheque- 
buch  bei  sich  gehabt,  um  in  Tschifu  seine  Depositengelder  bei  der 
russisch-chinesischen  Bank  zu  ziehen. 

447 


Abschnitt  Vl^b  Pri8engericht8eiit8cheidungen:  „Fuping''. 

Trotz  dieser  Beweise  habe  das  Urteil  erster  Instanz  unter  Zugrunde- 
legung von  Tatsachen,  die  keine  direkten  Beweise  seien,  entschieden, 
daß  der  Reklamant  auf  amtlichen  Befehl  nach  Port  Arthur  zu  reisen 
im  Begriff  gewesen  sei.  Das  sei  eine  Entscheidung,  die  ausreichender 
Begründung  entbehre. 

Aus  diesen  Gründen  werde  Aufhebung  des  Urteils  erster  Instanz 
und  Freigabe  der  67  000  russischen  Papierrubel  beantragt. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  der  Staatsanwälte  beim  Prisen- 
gericht zu  Sasebo,  Mizukami  Chojiro  und  Yamamoto  Tat- 
surokuro,  sind  folgende: 

In  der  Bescheinigung  Ogorodnikoff's  sei  freilich  der  Name 
des  Reklamanten  nicht  erwähnt,  aber  man  könne  auf  Grund  dessen 
nicht  behaupten,  daß  der  Inhalt  sich  nicht  auf  den  Reklamanten  beziehe 
und  daß  das  Dokument  kein  Beweis  sei.  Der  in  der  genannten  Be- 
scheinigung erwähnte  Überbringer  derselben,  nämlich  der  britische  Staats- 
angehörige Gray,  sei  als  Kapitän  des  Dampfers  „Fuping"  freilich  be- 
auftragt worden,  die  Ladung  an  die  russischen  Behörden  in  Port  Arthur 
abzuliefern.  Die  geheimen  militärischen  Schriftstücke  und  das  Papier- 
geld aber  hätten  ihm  nicht  anvertraut  werden  können.  Noch  viel 
weniger  die  Aufgabe,  je  nach  den  Umständen,  falls  man  unterwegs 
japanische  Kriegsschiffe  träfe,  das  Schiff  zu  versenken,  um  es  der  Auf- 
bringung zu  entziehen. 

Daß  in  der  Bescheinigung,  die  der  Kapitän  zu  überbringen  gehabt 
habe,  nichts  über  die  Pflichten  des  mit  einer  geheimen  Aufgabe  be- 
trauten und  wohl  zu  der  Zeit  als  Aufsichtführender  auf  der  „Fuping" 
zu  betrachtenden  Reklamanten  Eckardt  enthalten  sei,  sei  durchaus 
nicht  seltsam.  Wenn  man  daneben  erwäge,  was  der  Kapitän  in  seinem 
an  „George"  gerichteten  Brief  geschrieben  habe,  so  genüge  das,  um 
zu  beweisen,  daß  der  Reklamant  damals  geheime  Schriftstücke  und 
Papiergeld  bei  sich  gehabt  habe,  und  diese  Annahme  sei  in  keiner  Weise 
unrechtlich. 

Das  Gericht,  habe  freilich  angenommen,  daß  der  Reklamant  sich 
als  Angehöriger  der  russischen  Armee  auf  der  „Fuping"  eingeschifft 
und  die  Pflicht  gehabt  habe,  wenn  das  Schiff  japanischen  Kriegsschiffen 
begegne  und  der  Aufbringung  nicht  entgehen  könne,  nicht  nur  die  Güter, 
sondern  auch  das  Schiff  zu  versenken.  Diese  Annahme  habe  es  aber 
nicht  nur  auf  die  Bescheinigung  Ogorodnikoff's,  sondern  auf 
verschiedene  andere  Beweise  gegründet,  und  sie  sei  nicht  unrechtmäßig. 
Was  die  Behauptung  angehe,  daß  der  Reklamant  erst  nach  seiner  Ein- 
schiffung schriftlich  von  dem  russischen  Konsul  in  Tientsin  beauftragt 
worden  sei,  so  habe  der  Reklamant  das  nur  mündlich  kurz  erwähnt. 
Ein  Brief  des  Konsuls,  welcher  diese  Behauptung  würde  bekräftigen 
können,  sei  indes  nicht  vorgelegt  worden. 

448 


Priseiigericht86iit8Cheidungen:  „Fuping".  Abschnitt  VI^^ 

Wenn  man  die  verschiedenen  Umstände  in  Betracht  ziehe,  so  sei 
der  Blockadebruch  und  die  Einfuhr  von  Kriegsbedarfsartikeln  nach  Port 
Arthur  eine  Handlung,  welche  die  größte  Gefahr  in  sich  trage  und  in 
ihrem  Resultat  von  der  größten  Bedeutung  sei.  Wenn  daher  im  Falle 
der  Begegnung  mit  den  feindlichen  Kriegsschiffen  die  geheimen  Schrift- 
stücke und  das  Papiergeld  verbrannt,  und  wenn  noch  Zeit  vorhanden, 
das  Schiff  habe  durch  Sprengen  versenkt  werden  sollen,  so  sei  das 
ein  Befehl,  der  so  wichtige  Aufgaben  auferlege,  daß  ihn  der  Oberst 
Ogorodnikoff  vielleicht  selber  würde  haben  erteilen  können;  er 
würde  ihn  aber  schwerlich  durch  den  Konsul  erteilen  lassen.  Ganz 
ausgeschlossen  aber  sei  es,  daß  der  Auftrag  erst  nach  der  Einschiffung 
schriftlich  erteilt  sein  solle,  denn  es  liege  doch  auf  der  Hand,  daß  das 
Versenken  eines  Schiffes  durch  Sprengen  nur  ausführbar  sei^  wenn 
die  nötigen  Vorbereitungen  getroffen  seien. 

Es  sei  daher  offenbar,  daß  der  Reklamant  sich  sicher  im  Auftrage 
des  Obersten  Ogorodnikoff  als  Aufsichtführender  eingeschifft  und 
einige  geheime  Schriftstücke  und  eine  große  Menge  Papiergeld  mit- 
genommen habe,  die  unabhängig  von  der  allgemeinen  Ladung  von 
Kriegsbedarfsartikeln  gewesen  seien;  ein  gewöhnlicher  Passagier  sei  er 
nicht   gewesen. 

Der  Reklamant  behaupte,  daß  die  ins  Wasser  geworfenen  Pakete 
von  dem  russischen  Konsul  in  Tientsin  an  den  russischen  Konsul  in 
Tschifu  gerichtet  und  kein  russisches  Papiergeld  gewesen  seien.  Da 
aber  die  „Fuping"  von  Anfang  an  zum  Blockadebruch  und  zur  Einfuhr 
von  Munition  und  Lebensmitteln  nach  Port  Arthur  bestimmt  gewesen 
sei,  nicht  aber  in  Tschifu  habe  anlaufen  sollen,  wie  aus  der  Aus- 
sage des  Kapitäns,  der  Bescheinigung  Ogorodnikoff's  und  anderen 
Beweismitteln  hervorgehe,  so  sei  es  selbstverständlich,  daß  dem  Schiff 
Pakete  für  den  Konsul  in  Tschifu  nicht  hätten  mitgegeben  werden 
können.  Was  insbesondere  die  Behauptung,  daß  die  Pakete  kein  russi- 
sches Papiergeld  enthalten  hätten,  angehe,  so  sei  das  nur  von  dem 
Reklamanten  mündlich  ausgesagt  worden  und  könne  nicht  anerkannt 
werden. 

Der  Reklamant  behaupte  ferner  bezüglich  dessen,  daß  er  dem 
Auftrag,  die  ganze  Ladung  zu  verbrennen,  nicht  nachgekommen  sei, 
daß  er  die  Ausführung  des  Auftrags  bezüglich  der  übrigen  Ladung  nicht 
für  nötig  gehalten  habe.  Da  aber  die  Pakete  und  die  übrige  Ladung  in 
gleicher  Weise  von  russischen  Behörden  stammten  und  Auftrag  er- 
teilt gewesen  sei,  sie  bei  Begegnung  mit  japanischen  Kriegsschiffen  zu 
verbrennen,  so  sei  der  Grund  nicht  einzusehen,  weshalb,  während  ein 
Teil  ausgeführt  worden  sei,  der  andere  unbefolgt  habe  bleiben  sollen. 
Eckardt  habe  auch  bei  der  Vernehmung  vor  dem  Prisengericht  durch 

Marstrand-Meohlenburgf,  Das  japanische  Priseareoht.    Band  I.       (29)  x4:cr 


Abschnitt  VI«b  Prlsengerichtsentscheidungen :  „Fuping". 

den  mit  dem  Fall  beauftragten  Rat  ausgesagt,  daß,  wenn  auch  die  Pakete 
ins  Wasser  geworfen  worden  seien,  doch  die  Beschlagnahme  zu  plötzlich 
gekommen  sei,  als  daß  die  Sprengung  des  Schiffes  sich  habe  ausführen 
lassen.  Daher  könne  die  Berufungsbegründung,  welche  dieser  Aus- 
sage widerspreche,  nicht  anerkannt  werden. 

Es  sei  selbstredend  richtig,  daß  zwischen  der  Ladung  eines  Schiffes 
und  dem  Handgepäck  der  Passagiere  ein  Unterschied  bestehe.  Im  vor- 
liegenden Falle  habe  aber  die  russische  Regierung  das  Schiff  gechartert, 
um  Kriegsbedarfsgegenstände  nach  dem  blockierten  Port  Arthur  zu 
schaffen,  und  der  auf  dem  Schiff  mitfahrende  Offizier,  der  auf  der  Reise 
nötigenfalls  über  die  Ladung  Entscheidung  habe  treffen  sollen,  habe 
die  wichtigsten  Teile  der  zu  Kriegszwecken  dienenden  Gegenstände, 
nämlich  Schriftstücke  und  Papiergeld,  in  Matten  beziehungsweise  in 
seinem  Koffer  verpackt,  mit  sich  geführt.  Danach  sei  es  eine  ober- 
flächliche Ansicht,  welche  behaupten  wolle,  daß  diese  Gegenstände,  weil 
sie  nicht  wie  die  andere  Ladung  im  Ladungsverzeichnis  aufgeführt  seien, 
keine  Ladung  darstellten.  Handgepäck  sei,  was  zum  allzeitigen  Gebrauch 
der  Passagiere  vonnöten  und  seiner  Art  nach  von  der  Ladung  zu 
unterscheiden  sei;  es  bestimme  sich  aber  nicht  danach,  ob  es  im  I^dungs- 
Verzeichnis  stehe,  noch  danach,  ob  Fracht  dafür  bezahlt  werde  oder 
nicht.  Auch  wenn  man  daher  annehmen  wolle,  daß  die  67  000  Papier- 
rubel unabhängig  von  den  400  000  den  Behörden  gehörigen  Rubeln 
seien,  so  müsse  man  sie  dann  auch  noch  als  Ladung  ansehen.  Denn 
obwohl  die  gleichfalls  von  dem  Reklamanten  mitgeführten,  zur  Zeit  der 
Aufbringung  ins  Wasser  geworfenen,  zwei  in  Matten  gepackten  Pakete 
nicht  in  dem  Ladungsverzeichnis  aufgeführt  und  daher  mit  dem  Koffer 
auf  dieselbe  Stufe  zu  stellen  seien,  habe  doch  der  Reklamant  diese  nicht 
als  Handgepäck  und  als  sein  Privateigentum  bezeichnet.  Überdies  habe 
der  Reklamant  für  seinen  täglichen  Gebrauch  oder  zur  Deckung  seiner 
persönlichen  Reisekosten  noch  besonderes  Geld  bei  sich  gehabt.  Daher 
sei  es  billig,  den  Koffer,  welcher  nur  das  Papiergeld  enthalten  habe, 
sowie  die  in  Matten  gepackten  Pakete  als  Ladung  anzusehen.  Aus 
dem  Vernehmungsprotokoll  des  Kapitäns  und  des  Obermaschinisten  er- 
gebe sich,  daß  der  Reklamant  als  Handgepäck  3  Koffer  und  2  in 
Matten  gewickelte  Pakete  gehabt  habe. 

Wenn  der  Reklamant  sich  auf  der  „Fuping''  eingeschifft  habe,  so 
sei  das  in  der  Absicht  geschehen,  sich  seines  Auftrags  zu  entledigen 
und  dann  sogleich  nach  Tientsin  zurückzukehren;  daß  er  sich  nicht, 
auf  der  Reise  nach  der  Heimat  via  Shanghai  befindlich,  eingeschifft  habe, 
gehe  auch  aus  der  Aussage  des  von  ihm  als  boy  engagierten  Chinesen 
hervor.  Da  demnach  durchaus  kein  Bedürfnis  vorgelegen  habe,  weshalb 
er  eine  so  große  Menge  privaten  Geldes  bei  sich  habe  führen  sollen, 
so  sei  die  Annahme,  daß  das  Geld  ein  Teil  der  nach  Port  Arthur  zu 

450 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Fuping'S  Abschnitt  VI«b 

befördernden,  dem  Kriegsbedarf  dienenden  400  000  Rubel  gewesen  sei, 
gerechtfertigt. 

Selbst  wenn  man  aber  dem  Reklamanten  darin  nachgebe,  daß  das 
Geld  sein ,  Privateigentum  sei,  so  sei  es  doch,  wie  oben  dargetan,  als 
Ladung  anzusehen  und  müsse  als  solche,  weil  es  nicht  bezweifelt 
werden  könne,  daß  der  Reklamant  von  dem  beabsichtigten  Blockadebruch 
Kenntnis  gehabt  habe,  mit  Recht  eingezogen  werden. 

Der  Reklamant  bringe  vor:  daß  er  nach  Tschifu  habe  gehen  wollen, 
gehe  aus  seinem  Fahrschein  hervor  usw.  Wenn  man  aber  einmal 
annehme,  daß  die  „Fuping''  wirklich  nach  Tschifu  habe  reisen  wollen, 
so  sei  auch  kein  Stück  der  Ladung  Konterbande.  Das  wisse  jeder  ge- 
wöhnliche Mensch,  von  dem  russischen  Konsul  und  dem  Reklamanten, 
einem  russischen  Militär,  nicht  zu  reden.  Wenn  demnach  die  Ladung 
keine  Konterbande  sei  und  die  Absicht  des  Blockadebruchs  nicht  vor- 
gelegen habe,  weshalb  solle  dann  wohl  der  russische  Konsul  in  Tientsin 
Auftrag  gegeben  haben,  daß  die  „Fuping'',  wenn  sie  auf  japanische 
Kriegsschiffe  stieße,  mit  ihrer  Ladung  verbrannt  werden  sollte,  und 
weshalb  sollte  der  Reklamant  diesem  Auftrag  Folge  geleistet  haben? 
Deute  nicht  vielmehr  das  ganze  Vorgehen  des  Reklamanten  darauf  hin, 
daß  er  von  seiner  Einschiffung  auf  die  „Fuping''  an  sehr  wohl  gewußt 
habe,  daß  das  Schiff  die  Blockade  habe  brechen  und  nach  Port  Arthur 
gehen  sollen? 

Wenn  der  Reklamant  das  Urteil  des  vorliegenden  Falles,  in  dem 
der  Blockadebruch  klar  erwiesen  sei,  mit  der  bei  Schiffen,  welche  zum 
Blockadebruch  oder  zum  Konterbandetransport  verwendet  würden,  üb- 
lichen Vorgabe  angreife,  daß  das  Schiff  nach  einem  in  der  Nähe  ge- 
legenen neutralen  Hafen  bestimmt  sei,  so  sei  das  eine  ohne  weitere 
Worte  haltlose  Behauptung. 

Da  die  Berufung  nach  dem  oben  Gesagten  in  allen  Punkten  un- 
begründet sei,  so  müsse  sie  abgewiesen  werden. 

Das   vorliegende    Urteil   wird,   wie   folgt,   begründet: 

Es  ist  unbestritten,  daß  der  Dampfer  „Fuping"  die  Blockade  von 
Port  Arthur  gebrochen  hat,  um  Kriegsbedarfsartikel  nach  dort  zu  be- 
fördern, und  daß  er  auf  dieser  Reise  aufgebracht  worden  ist. 

Der  Reklamant  behauptet  freilich,  daß  er  sich,  auf  der  Rückkehr 
in  die  Heimat  begriffen,  als  Fahrgast  von  Tientsin  nach  Tschifu  auf  dem 
Dampfer  eingeschifft  und  nicht  die  Absicht  gehabt  habe,  nach  Port 
Arthur  zu  gehen.  Während  aber  die  „Fuping''  vorhatte,  die  Blockade 
von  Port  Arthur  zu  brechen,  konnte  sie  keine  gewöhnlichen  Fahrgäste 
sich  einschiffen  lassen,  noch  konnte  der  Reklamant  sich  als  solcher 
einschiffen. 

In  einem  an  „George"  gerichteten  Brief  des  Kapitäns  heißt  es: 
Auf  meinem  Schiff  befindet  sich  ein  russischer  Offizier,  der 

(29*)  451 


Abschnitt  VIt2b  Prtsengertchtsentschetdungen:  ,,Fuptng". 

Briefe  für  Port  Arthur  und  400  000  Rubel  bei  sich  hat 

Derselbe  hat  sich  vorgenommen,  damit  das  Schiff  und  die 
auf  ihm  verladenen  Kriegsbedarfsartikel  nicht  aufgebracht 
werden,  das  Schiff  zu  sprengen,  und  er  wird  sich  nicht  be- 
ruhigen, wenn  er  das  nicht  auch  wirklich  ausführt 

Nach  dem  Vernehmungsprotokoll  des  Kapitäns  hat  derselbe  gesagt,  der 
Offizier  habe  drei  große  Handkoffer  als  Handgepäck  mitgebracht.  Er 
habe  in  Tongku  gehört,  daß  derselbe  eine  große  Menge  Rubel  bei  sich 
führe.  Der  Offizier  heiße  Eckard t.  Auch  der  Obermaschinist  hat 
nach  seinem  Vernehmungsprotokoll  zu  urteilen,  von  jemandem  gehört, 
daß  der  Offizier  eine  große  Menge  Rubel  bei  sich  habe.  Auch  der 
Reklamant  selber  hat  bei  seiner  Vernehmung  durch  den  mit  dem  Fall 
beauftragten  Rat  des  Prisengerichts  ausgesagt,  der  russische  Konsul  in 
Tientsin  habe  ihm  zwei  in  Matten  verpackte  Pakete  anvertraut  und  ihm 
Order  gegeben,  dieselben  im  Falle  einer  Begegnung  mit  japanischen 
Kriegsschiffen  irgendwie  zu  verbrennen  und  auch  die  ganze  Ladung 
zu  verbrennen.  Wenn  die  Aufbringung  nicht  so  schnell  vor  sich  ge- 
gangen wäre,  so  habe  er  beabsichtigt  gehabt,  das  Schiff  ganz  zu  ver- 
brennen. 

Aus  allem  diesen  geht  hervor,  daß  der  Reklamant  eine  große  Menge 
amtlichen  russischen  Geldes  bei  sich  geführt  und  sich  in  besonderem 
Auftrag  auf  der  „Fuping"  eingeschifft  hat,  um  nach  Port  Arthur  zu 
fahren,  nicht  aber,  um  als  gewöhnlicher  Passagier  nach  Tschifu  zu  gehen. 
Der  Reklamant  behauptet,  er  habe  den  Auftrag  von  dem  russi- 
schen Konsul  in  Tientsin  erst  nach  seiner  Einschiffung  schriftlich  er- 
halten. Vor  der  Einschiffung  habe  er  davon  nichts  gewußt.  Das  Ver- 
brennen der  ganzen  Ladung  eines  Schiffes  und  das  Sprengen  sogar 
auch  des  Schiffes  selbst  würde  aber  gehöriger  Vorbereitung  bedurft 
haben  und  hätte  sich  nicht  nach  der  Einschiffung  plötzlich  anordnen 
lassen.  Auch  würde  man  dem  Reklamanten,  wenn  er  ein  gewöhnlicher 
Passagier  wäre,  eine  solche  Aufgabe  nicht  anvertrauen.  Der  Reklamant 
würde  auch  nicht  den  Wunsch  haben,  einen  solchen  Auftrag  auszuführen. 
Wenn  der  Reklamant  auch  aus  seinem  Billet  und  seinem  Gespräch 
mit  dem  boy  und  dem  Kapitän  beweisen  will,  daß  er,  auf  der  Heim- 
reise begriffen,  nach  Tschifu  fahren  wollte,  so  ist  dies,  wenn  es  nicht 
überhaupt  eins  der  gebräuchlichen  Mittel,  sein  Ziel  zu  verheimlichen, 
gewesen  ist,  nur  eine  Aussage  des  Reklamanten  gewesen,  die  man  nicht 
als  Beweis  ansehen  kann. 

Der  Reklamant  hat  demnach  Schriftstücke  und  eine  große  Menge 
russisches  Papiergeld  bei  sich  gehabt,  um  es  nach  Port  Arthur  zu  be- 
fördern. Es  hatte  sich  eingeschifft  mit  der  Aufgabe,  wenn  dieser  mögliche 
Fall  eintreten  sollte,  dieselben  zusammen  mit  der  übrigen  Ladung  der 
Aufbringung  durch  die  japanische  Marine  zu  entziehen,  indem  er  je 

452 


Pri8engericht8ent8cheidungen:  ,,Fuplng".  Abschnitt  VI»^ 

nach  den  Verhältnissen  handelte.  Es  ist  daher  kein  grundloses  Vorurteil, 
wenn  man  annimmt,  daß  die  zur  Verhandlung  stehenden  67  000  Rubel 
zusammen  mit  den  beiden  ins  Wasser  geworfenen  Paketen  die  400000 
Rubel  gewesen  sind,  von  denen  der  Kapitän  in  seiner  Aussage  spricht. 

Der  Reklamant  behauptet,  daß  die  ihm  von  dem  russischen  Konsul 
in  Tientsin  anvertrauten,  in  Matten  gepackten  Pakete  für  den  russischen 
Konsul  in  Tschifu  bestimmt  und  kein  Papiergeld  gewesen  seien.  Wenn 
diese  Aussage  richtig  wäre,  so  würde  keine  Notwendigkeit  vorgelegen 
haben,  dem  Reklamanten  aufzutragen,  die  Pakete  im  Falle,  daß  man  auf 
japanische  Kriegsschiffe  treffen  solle,   zu  verbrennen. 

Da  es  ferner  daraus  allein,  daß  der  Auftrag  gegeben  wurde,  die 
Ladung  zu  verbrennen,  offenbar  ist,  daß  es  bekannt  war,  daß  die  „Fuping" 
die  Blockade  brechen  sollte,  so  ist  der  Grund  durchaus  unverständlich, 
weshalb  einem  Schiff,  das  einer  solchen  gefährlichen  Reise  entgegenging, 
die  in  Matten  verpackten  Pakete  für  Tschifu  hätten  mitgegeben  werden 
sollen. 

Selbst  wenn  man  einmal  annimmt,  die  zur  Verhandlung  stehenden 
67  000  Rubel  seien  verschieden  von  den  in  der  Aussage  des  Kapitäns 
erwähnten  400000  Rubeln,  so  sind  sie  doch  Ladung  eines  Blockade- 
brechers gewesen,  und  daß  sie  in  Kenntnis  der  Sachlage  verschifft 
worden  sind,  wird  daraus  klar,  daß  der  Reklamant  die  Absicht  gehabt 
hat,  die  ganze  Schiffsladung  zu  verbrennen,  wenn,  wie  möglich,  die 
Notwendigkeit  eintreten  sollte.  Daher  muß  das  Geld,  gleichviel  ob  es 
Regierungsgeld  oder  Privatgeld  war,  mit  Recht  der  Wegnahme  ver- 
fallen. 

Der  Reklamant  wünscht  mit  der  Begründung,  daß  das  zur  Ver- 
handlung stehende  Papiergeld  in  seinem  eigenen  Koffer  gewesen  sei, 
zu  beweisen,  daß  es  zu  dem  in  seinem  Privateigentum  stehenden  Hand- 
gepäck gehört  habe.  Da  aber  der  Reklamant  die  Reise  unternommen 
hat,  um  nach  einem  blockierten  Hafen  eine  große  Menge  amtlicher  Gelder 
zu  schaffen,  so  kann  lediglich  die  Tatsache,  daß  diese  Gelder  in  dem 
Koffer  des  Reklamanten  verpackt  gewesen  sind,  nicht  beweisen,  daß 
das  Geld  keine  Ladung  und  kein  amtliches  Geld  ist. 

Der  Reklamant  behauptet,  die  Zeugnisse  Ogorodnikoff's  und 
des  Leutnants  Reutlinger  betreffend  die  Herkunft  des  zur  Ver- 
handlung stehenden  Geldes  stimmten  überein.  Wenn  trotzdem  das 
Urteil  erster  Instanz  dieselben  nicht  anerkannt  habe,  so  sei  das  un- 
gerecht. Der  Reklamant  hat  aber  über  die  Herkunft  der  67  000  Rubel 
bei  seiner  Vernehmung  durch  den  mit  dem  Fall  beauftragten  Rat  des 
Prisengerichts  erster  Instanz  gesagt,  daß  30  000  Rubel  davon  ihm  von 
dem  Kaufmann  Wassilieff  in  Wladiwostok  geschickt  worden  seien; 
daß  er  ungefähr  4000  Rubel  von  Liaoyang  mitgebracht;  und  die  übrigen 
33000  Rubel  für  Eisenbahnlieferungen  erhalten  habe. 

453 


Abschnitt  VI>>>  Prisengerichtsentscheidungen:  „Nigretia". 

Ogorodnikoffhat  aber  dagegen  gesagt,  daß  der  Theaterbesitzer 
G  a  1  e  t  z  k  i  in  Wladiwostok  die  ganze  Summe  von  67  000  Rubeln  im 
Auftrag  des  Unternehmers  des  Theaterbaues  Wassilieff  durch  Ver- 
mittlung von  dessen  Stellvertreter  Pawlowitsch  an  den  Partner 
Wassilieffs,  den  Reklamanten,  geschickt  habe.  Während  der  Rekla- 
mant behauptet,  33  000  Rubel  von  Ogorodnikoff  erhalten  zu  haben, 
sagen  Ogorodnikoff  und  Leutnant  R  e  u  1 1  i  n  g  e  r  dagegen  aus,  daß 
Pawlowitsch,  der  Vertreter  des  Theaterbesitzers  in  Wladiwostok, 
das  Geld  selbst  dem  Reklamanten  bezahlt  habe.  Alles  dieses  widerspricht 
sich  so,  daß  man  nichts  davon  glauben  kann.  Vielmehr  beweisen  die  Aus- 
sagen des  Reklamanten  und  der  anderen  dadurch,  daß  sie  erdichtet 
sind,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Papiergeld  in  Wahrheit  nicht 
Privateigentum  des  Reklamanten  ist. 

Das  Urteil  erster  Instanz  ist  daher  nach  dem  oben  Gesagten  nicht, 
wie  der  Reklamant  behauptet,  rechtswidrig,  sondern  durchaus  zutreffend, 
wenn  es  entschieden  hat,  daß  das  Geld  als  Eigentum  der  russischen 
Behörden,  welches  mit  Bestimmung  nach  Port  Arthur  auf  einem 
Blockadebrecher  verschifft  worden  ist,  eingezogen  werden  muß. 

Der  Reklamant  bringt  noch  andere  Punkte  vor,  es  erscheint  aber 
nicht  notwendig,  darauf  im  einzelnen  noch  einzugehen. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  5.  September  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften). 


Reklamant:  SamuelHarrlson,  Kapitän  der  „Nigretia",  eng- 
lischer Staatsangehöriger  aus  Westhartlepool   in   England. 

Prozefivertreter:  Die  Rechtsanwälte:  Shigefuji  Tsuru- 
taro,  Nagasaki,  Hikijimachi  33  und  HatakeyamaShigeaki,  Naga- 
saki, Hiradomachi  18. 

In  der  Prisensache  betreffend  den  englischen  Dampfer  „Nigretia" 
wird,  wie  folgt,  entschieden: 

U  rteilsf  ormel: 
Der  Dampfer  „Nigretia"  wird  eingezogen. 

Tatbestand  und  Gründe: 
Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „Nigretia''  steht  im  Eigen- 
tum  der  Firma  Allan  &  Co.   in   Newcastle-on-Tyne  in   England,  er 

454 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Nigretia**.  Abschnitt  VI»« 

führt  die  englische  Flagge  und  ist  ein  Handelsschiff,  welches  ausschließlich 
zum  Gütertransport  dient.  Am  22.  Oktober  1904  schloß  der  russische 
Staatsangehörige  AlexanderSerebrenikmitder  Agentur  der  Firma 
Allan  &  Co.,  der  Firma  Möller  &  Co.,  einen  Chartervertrag  über 
das  genannte  Schiff  ab  und  verlud  70000  Kisten  Petroleum  auf  dem- 
selben. Sodann  veranlaßte  er  den  Kommandanten  des  seiner  Zeit  von 
Port  Arthur  nach  Tschifu  entwichenen  russischen  Torpedoboots  „Rasto- 
ropny",  das  sich  selbst  versenkte,  Kapitän leutnant  Paul  Michaelo- 
witsch  Prehn,  sich  als  einen  Deutschen  namens  Friedrich 
Pilsen  er  und  den  zur  Besatzung  dieses  Torpedoboots  gehörigen 
Leutnant. zur  See  K.  Valen  tinowitsch  Schweleff  sich  als  einen 
Deutschen  namens  Jean  Gorschalky  auszugeben.  Diese  beiden 
sowie  der  russische  Kaufmann  Serge  Politika  bezeichnete  er  als 
seine  Faktoren  bzw.  Supercargos,  gab  jedem  von  ihnen  einen  Brief, 
in  dem  er  sie  mit  der  Erledigung  der  kaufmännischen  Obliegenheiten 
betraute,  und  ließ  sie  sich  auf  der  „Nigretia"  einschiffen.  Am  16.  De- 
zember fuhr  der  Dampfer  von  Shanghai  ab  und  wurde,  als  er  in  der 
Tsushima-Straße  angelangt  war,  am  19.  d.  Mts.,  2  Uhr  nachmittags 
auf  350  8'  nördlicher  Breite  und  129 0  50'  östlicher  Länge  von  dem 
Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Tsushima"  unter  dem  Verdacht,  Kriegskonter- 
bandepersonen zu  befördern,  aufgebracht.  ^) 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Kommandanten  der  „Tsushima",  Sento  Buo,  die  Vernehmungs- 
protokolle des  Kapitäns  der  „Nigretia",  Samuel  Harrison,  des 
Kapitänleutnants  Paul  Michaelowitsch  Prehn  und  des  Leut- 
nants zur  See  K.  Valentinowitsch  Schweleff  von  der  russischen 
Marine,  des  russischen  Kaufmanns  Serge  Politika,  das  Schiffs- 
zertifikat des  genannten  Dampfers,  den  Chartervertrag,  das  Konnossement 
und  die  Briefe,  welche  Alexander  Serebrenik  den  drei  Passa- 
gieren gegeben  hatte. 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  der  Vertreter  der  Reklamation 
sind  folgende: 

Der  Reklamant  habe  Prehn,  Schweleff  und  Politika  an 
Bord  genommen,  weil  in  dem  Chartervertrag  eine  Bestimmung  vor- 
gesehen sei,  nach  welcher  er  verpflichtet  sei,  einen  Supercargo  und 
zwei  Passagiere  sich  einschiffen  zu  lassen.  Der  Reklamant  habe  den 
Worten  des  Charterers  durchaus  Glauben  geschenkt  und  Prehn  und 
Schweleff  für  Deutsche  gehalten.  Diese  beiden  russischen  Offiziere 
hätten  keine  Uniform  angehabt,  sich  selbst  als  Deutsche  ausgegeben 
und  sich  auf  Deutsch  unterhalten.  Infolge,  dieser  geschickten  Verheim- 
lichung ihres  wahren  Standes  habe  der  Reklamant  nicht  geahnt,  daß 
sie  russische  Offiziere  seien,  und  da  keinerlei  Anzeichen  vorlägen,  welche 

Tvr§  37,1. 

455 


Abschnitt  VI»«  Piisengerichtaentscheldungen:  „NIgretIa"» 

zu  der  Annahme  nötigten,  daß  der  Reklamant  darum  gewußt  habe,  so 
könne  ihm  bezüglich  der  Einschiffung  der  beiden  russischen  Offiziere 
keinerlei  Verschulden  zugemessen  werden.  2) 

Da  ferner  die  beiden  russischen  Offiziere  bereits  auf  Eid  von 
der  chinesischen  Regierung  freigelassen  seien,  so  hätten  sie  nicht  mehr 
die  Eigenschaften  von  Kombattanten  und  seien  daher  keine  Konterbande- 
personen. ») 

Aus  diesen  Gründen  könnte  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff 
nicht  unter  der  Anschuldigung,  Konterbandepersonen  befördert  zu  haben^ 
eingezogen  werden. 

Die  Hauptpunkte  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  sind  folgende: 

Da  Prehn  und  Schweleff  russische  Offiziere  seien,  so  habe 
der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  zum  Transport  von  Konterbande- 
personen gedient  und  sei  daher  einzuziehen. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Die  modernen  völkerrechtlichen  Bestimmungen  und  Gebräuche  er- 
kennen allgemein  an,  daß  neutrale  Schiffe,  welche  für  einen  krieg- 
führenden Staat  Kombattanten  befördern,  weil  sie  zur  Beförderung  von 
Konterbandepersonen  dienen,  einzuziehen  sind,  sofern  nicht  Beweis  vor- 
liegt, daß  der  Kapitän  ohne  sein  Verschulden  die  Umstände  nicht  ge- 
kannt hat. 

Es  steht  unzweifelhaft  fest,  daß  der  zur  Verhandlung  stehende 
Dampfer  „Nigretia''  zwei  russische  Marineoffiziere  nach  Wladiwostok 
zu  befördern  versucht  hat  und  demnach  zum  Transport  von  Konterbande- 
personen gedient  hat. 

Mit  Bezug  auf  die  Einschiffung  der  russischen  Marineoffiziere  macht 
der  Reklamant  geltend,  daß  er  nicht  die  geringste  Kenntnis  davon  gehabt 
habe,  daß  dieselben  Militärpersonen  seien,  auch  treffe  ihn  bezüglich 
dieser  Unkenntnis  kein  Verschulden.  Alles  dieses  sei  der  Handlung 
des  Charterers  entsprungen,  und  das  Schiff  sei  daher  nicht  einzuziehen. 
Es  liegt  aber  keinerlei  Beweis  dafür  vor,  daß  der  Kapitän  hiervon  nichts 
gewußt  hat.  Selbst  aber  angenommen,  er  habe  nicht  darum  gewußt, 
so  könne  man  doch  nicht  behaupten,  daß  ihn  kein  Verschulden  treffe^ 
da  er  verantwortlicherweise  den  Worten  des  Charterers  Glauben  ge- 
schenkt und  die  Leute  danach  für  Deutsche  gehalten  und  an  Bord  ge- 
nommen habe. 

Ferner  bringt  der  Reklamant  vor,  daß  die  russischen  Offiziere  be- 
reits auf  Eid  von  der  chinesischen  Regierung  freigelassen  seien.  Dem- 
nach hätten  sie  nicht  mehr  die  Eigenschaft  von  Kombattanten  und  seien 
keine  Konterbandepersonen.  Die  Tatsache,  daß  sie  der  chinesischen 
Regierung  Parole  gegeben  haben,  hat  aber  auf  ihren  Stand  als  Kom- 
battanten keinen  Einfluß.     Überdies  geht  daraus,  daß  sie  ihren  Stand 

*         2)  V.  §  42,2.  —  3)  V.  §  11. 

456 


Pri«engeiicht$8nt8cheldungen:  „NIgretia".  Abschnitt  VI«» 

verleugnet  und  heimlich  nach  Wladiwostok,  dem  Hauptflottenstutzpunkt 
Rußlands,  zu  gelangen  versucht  haben,  hervor,  daß  sie  auch  damals  noch 
mit  militärischen  Geschäften  zu  tun  hatten  und  im  militärischen  Dienst 
beschäftigt  waren. 

Da  demnach  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  zur  Beförderung 
von  Konterbandepersonen  gedient  hat,  so  kann  es  der  Strafe  der  Ein- 
ziehung nicht  entgehen. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  17.  April  1905  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Beisein 
des  Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurokuro. 

(Unterschriften). 


Reklamant:  Samuel  Harrison,  Kapitän  des  Dampfers  „Ni- 
gretia",  aus  Westhartlepool,  England. 

ProzeBvertreter:  Die  Rechtsanwälte  Hatakeyama  Shige- 
aki,  Nagasaki,  Hiradomachi  Nr.  18  und  Shigefuji  Tsurutaro, 
Nagasaki,  Hikijimachi  Nr.  33. 

Am  17.  April  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der  Prisen- 
sache betreffend  den  englischen  Dampfer  „Nigretia",  welcher  am  19. 
Dezember  1904  auf  35  o  18'  nördlicher  Breite  und  129  o  50'  östlicher 
Länge  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Tsushima''  aufgebracht  worden 
ist,  ein  Urteil  gefällt,  in  welchem  auf  Einziehung  des  Dampfers  „Ni- 
gretia"  erkannt  worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  der  Reklamant  SamuelHarrison  durch 
die  Rechtsanwälte  Hatakeyama  Shigeaki  und  Shigefuji 
Tsurutaro  als  Prozeßvertreter  die  Berufung  eingelegt,  welche  im 
Beisein  der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku  und  Dr.  jur.  Ishi- 
watari  Binichi  beim  Oberprisengericht  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  der  Vertreter  der  Reklamation 
Hatakeyama  Shigeaki  und  Shigefuji  Tsurutaro  sind  fol- 
gende : 

Es  werde  Aufhebung  des  Urteils  erster  Instanz  und  Freigabe  des 
Dampfers  „Nigretia"  beantragt,  und  zwar  aus  folgenden  Gründen: 

1.  Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „Nigretia"  sei  am 
22.  Oktober  1904  in  Shanghai  von  dem  russischen  Staatsangehörigen 
AlexanderSerebrenik  gechartert  und  mit  70  000  Kisten  Petroleum 
befrachtet  worden.  Am  16.  Dezember  d.  Js.  sei  es  von  Shanghai  nach 
Wladiwostok  abgefahren. 

457 


Abschnitt  VI<3a  Prlsengeiichtsentscheidungen:  „Nigretia'^ 

Es  sei  freilich  wahr,  daß  der  russische  Kapitänleutnant  Paul 
Michaelowitsch  Prehn  und  der  russische  Leutnant  zur  See 
K.  Valentinowitsch  Schwele  ff  an  Bord  der  „Nigretia"  ge- 
nommen seien,  doch  seien  sie  für  Deutsche  namens  Friedrich  Pil- 
sener und  Jean  Gorschalky  gehalten  worden.  Auf  Grund  der 
in  dem  Chartervertrag  enthaltenen  Bestimmung,  nach  welcher  ein  Super- 
cargo  und  zwei  Passagiere  mitzunehmen  gewesen  seien,  sei  am  Tage 
vor  der  Abreise  ein  Auftrag  erhalten  worden,  nach  welchem  zwei  Leute 
als  Supercargos  an  Bord  zu  nehmen  gewesen  seien.  Am  Tage  der 
Abreise  hätten  sich  die  beiden  Supercargos  eingeschifft,  und  der  Charterer 
Serebrenik  habe  dem  Reklamanten  gesagt,  diese  beiden  seien  zwei 
in  seinem  Dienste  stehende  Deutsche.  Der  Reklamant  habe  nichts 
bemerkt,  was  darauf  hätte  schließen  lassen,  daß  die  genannten  beiden 
Mitreisenden  russische  Kombattanten  seien,  oder  was  sonst  irgendwie 
zu  Verdacht  Anlaß  hätte  geben  können.  Di^se  Tatsachen  ergäben  sich 
klar  aus  den  Vernehmungsprotokollen  des  russischen  Kapitän leutnants 
Paul  Michaelowitsch  Prehn  und  des  Leutnants  zur  See 
K.  Valentinowitsch  Schweleff,  einer  Aussageschrift  des  Char- 
terers AlexanderSerebrenik,  dem  Chartervertrag  und  den  Beweis- 
dokumenten A  1  bis  3.  Wenn  demgegenüber  das  Gericht  erster  Instanz 
entschieden  habe,  daß  der  Reklamant  sich  des  Transports  von  Konter- 
bandepersonen schuldig  gemacht  habe,  so  habe  er  dabei  einen  un- 
zutreffenden Tatbestand  angenommen. 

Das  Urteil  erster  Instanz  führe  aus,  daß 

kein  Beweis  dafür  geliefert  sei,  daß  der  Kapitän  nicht  darum 
gewußt  habe,  daß  die  Mitreisenden  Kombattanten  seien.  Selbst 
aber  angenommen,  er  habe  nicht  davon  gewußt,  so  könne  man 
doch  nicht  behaupten,  daß  ihn  kein  Verschulden  treffe,  da 
er    unverantwortlicherweise    den    Worten    den    Charterers 
Glauben  geschenkt  und  die  Leute  danach  für  Deutsche  ge- 
halten und  an  Bord  genommen  habe. 
Es  sei  aber  ein  allgemeiner  Grundsatz  der  Beweislehre,  daß  eine  Beweis- 
pflicht nur  gegenüber  positiven  Behauptungen,  nicht  aber  gegenüber 
negativen  Behauptungen  bestehe.    Das  gelte  selbstverständlich  auch  für 
Fragen  des  öffentlichen  Rechts.     Selbst  aber  angenommen,  daß  es  in 
einem   Fall  wie  dem  vorliegenden   völkerrechtlich  notwendig  sei,  den 
Beweis  zu  führen,  so  sei  das  mit  dem  oben  Gesagten  hinreichend  ge- 
schehen. 

Wenn  ferner  die  Behauptung  aufgestellt  werden  solle,  daß  der 
Reklamant  um  die  fragliche  Tatsache  gewußt  habe,  so-müsse  die  Beweis- 
last hierfür  dem  obliegen,  der  die  Behauptung  aufstelle.  Es  sei  daher 
durchaus  im  Widerspruch  mit  den  Regeln  des  Beweisrechts,  wenn  ohne 
Vorbringung  irgendwelchen  Beweises  willkürlich  angenommen  worden 

458 


Prisengerichtsentscheidungeii:  „NIgretia*'.  Abschnitt  VI<» 

sei,  daß  der  Reklamant  bei  dem  Transport  der  Kombattanten  Mittäter 
gewesen  sei. 

2.  P r e h n  und  Schweleff  seien  Offiziere,  die  zu  der  Besatzung 
des  russischen  Torpedoboots  „Rastoropny"  gehört  hätten.  Danach 
scheine  es  freilich  auf  den  ersten  Blick  unzweifelhaft,  daß  sie  Konterbande- 
f)ersonen  seien.  Da  sie  aber,  ehe  sie  sich  auf  dem  zur  Verhandlung 
stehenden  Schiff  eingeschifft  hätten,  auf  Grund  des  der  chinesischen 
Regierung  geleisteten  Eides,  hinfort  nicht  am  Kriege  teilzunehmen,  frei- 
gelassen worden  seien,  so  hätten  sie  selbstverständlich  ihre  Eigenschaft 
als  Kombattanten  verloren.  Die  japanische  Seeprisenordnung  bezeichne 
als  Kriegskonterbandepersonen*)  feindliche  Soldaten  und  andere  Per- 
sonen, welche  befördert  würden,  um  beim  Feinde  Kriegsdienste  zu 
leisten.  Wenn  daher  Personen  in  der  Vergangenheit  die  Eigenschaft 
von  feindlichen  Kombattanten  gehabt  hätten,  so  könne  man  sie,  wenn 
sie  diese  einmal  vorhanden  gewesene  Eigenschaft  verloren  und  ihre  Ab- 
sicht, an  dem  Kriege  nicht  teilzunehmen,  durch  einen  Eid  dargetan 
hätten,  nicht  als  Kriegskonterbandepersonen  ansehen.  Wenn  dem  aber 
so  sei.  so  könne  es  nicht  bestritten  werden,  daß  das  Schiff,  welches  zu 
ihrer  Beförderung  gedient  hätte,  nicht  eingezogen  werden  könne. 

3.  Selbst  aber  einmal  angenommen,  die  genannten  beiden  Personen 
seien  Kriegskonterbandepersonen,  so  könne  doch  das  zur  Verhandlung 
stehende  Schiff  nicht  eingezogen  werden.  Denn  der  Grund,  aus  welchem 
Schiffe,  die  Konterbandepersonen  beförderten,  eingezogen  würden,  sei 
der,  daß  der  Transport  seinem  Charakter  nach  nicht  eine  kommerzielle 
Handlung  sei,  sondern  eine  kriegerische  Aktion,  weil  er  eine  Unter- 
stützung einer  der  kriegführenden  Parteien  darstelle.  Das  Völkerrecht 
sehe  hierin  Ausübung  eines  Teils  der  Feindseligkeiten.  In  diesem  Sinne 
«^tehe  es  daher  vollkommen  gleich,  ob  man  von  Kriegsdienst  oder  von 
Konterbandefahrt  spreche.  Daher  müßten  folgende  Tatsachen  klargestellt 
'«erden : 

a)  ob  der  Zweck  der  Reise  des  Schiffes  der  Transport  der  Konter- 
bandepersonen gewesen  sei; 

b)  ob  der  Reeder  oder  der  Kapitän  mit  der  feindlichen  Regierung 
einen  Vertrag  gemacht  habe,  bzw.  ob  der  Transport  dem  Willen  der 
feindlichen  Regierung  entsprungen  sei; 

c)  ob  die  fraglichen  Personen  in  einer  Eigenschaft  eingeschifft 
worden  seien,  in  welcher  sie  Kriegsdienste  zu  leisten   hätten. 

Daß  der  Zweck  der  Reise  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes 
ein  kaufmännischer  gewesen  sei,  ergebe  sich  aus  dem  Chartervertrag, 
und  auch  die  Tatsache,  daß  es  Petroleum  befördert  habe,  welches,  wie 
bekannt,  keine  Konterbande  sei,  ^)  müsse  es  über  jeden  Verdacht  er- 

*)  V.  §  11.  —  *)  Petroleum  wurde  erst  im  folgenden  Jahre  für  Konterbande 
erklärt.    Siehe  III. 

459 


Abschnitt  VI»a  Piisengerlchtsentscheidongen:  ,»Nlgretia"* 

heben.  Jedenfalls  liege  hierin  keinerlei  Beweis  dafür,  daß  es  den  Feind 
zu  unterstützen  vorgehabt  habe,  so  daß  die  Bedingung  unter  a)  nicht 
erfüllt  sei. 

Das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  habe  den  Transport  unter- 
nommen lediglich  im  Auftrage  einer  einzigen  Privatperson,  der  Firma 
Serebrenik.  Es  habe  nie  einen  Vertrag  mit  der  feindlichen  Regierung 
abgeschlossen,  und  der  Transport  sei  auch  nicht  dem  Willen  derselben 
entsprungen.    Somit  liege  auch  die  Bedingung  unter  b)  nicht  vor. 

Ferner  habe  der  Kapitän  keinerlei  Verpflichtung  gehabt,  zu  unter- 
suchen, ob  die  Mitreisenden,  welche  Zivilkleider  getragen  hätten,  Militär- 
personen seien  oder  nicht,  und  da  Prehn  und  Schweleff  sich 
als  Deutsche  ausgegeben  und  in  schlechter  Kleidung  an  Bord  gekommen 
seien,  so  habe  er  auf  den  ersten  Blick  nicht  sehen  können,  daß  sie 
Militärs  seien.     Demnach  sei  auch  die  Bedingung  unter  c)   unerfüllt. 

Da  aus  diesen  Gründen  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff 
sich  des  Transports  von  Kriegskonterbandepersonen  nicht  schuldig  ge- 
macht habe,  so  könne  es  nicht  eingezogen  werden. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  der  Staatsanwälte  beim  Prisen- 
gericht zu  Sasebo,  Mizukami  Chojiro  und  Yamamoto  Tat- 
surokuro,   sind   folgende: 

1.  Der  Reklamant  habe  in  keiner  Weise  bewiesen,  daß  er  keine 
Kenntnis  davon  gehabt  habe,  daß  die  beiden  Mitreisenden  russische 
Marineoffiziere  gewesen  seien.  Dagegen  heiße  es  in  dei\  von  dem 
Charterer  an  jeden  der  beiden  Mitreisenden  geschriebenen  und  von 
diesen  bei  ihrer  Einschiffung  dem  Reklamanten  übergebenen  Briefes: 

„ jetzt  nicht  leicht  zu  erhaltenden  Gelegenheit wünsche  Ihnen 

gute  Rückkehr ".    Das  seien  keine  Worte,  wie  man  sie  gewöhnlich 

seinen  Handelsangestellten  gegenüber  gebrauche.  Wenn  trotzdem  der 
Reklamant  einfach  die  Worte  des  Charterers  für  wahr  genommen  und 
die  beiden  als  deutsche  Faktoren  des  Charterers  an  Bord  genommen 
habe,  so  könne  man  nicht  sagen,  daß  ihn  dabei  kein  Verschulden  treffe. 

2.  Wenn  auch  Prehn  und  Schweleff  der  chinesischen  Re- 
gierung Parole  gegeben  hätten,  nicht  wieder  an  dem  Kriege  teilzunehmen, 
und  daraufhin  freigelassen  seien,  so  sei  es  doch  selbstverständlich,  daß 
sie  dadurch  ihren  militärischen  Stand  nicht  verloren  hätten.  Auch 
sei  es  unmöglich  anzunehmen,  daß  sie  ihrem  Eide  entsprechend  nicht 
wieder  am  Kriege  teilgenommen  haben  würden,  vielmehr  müsse  an- 
genommen werden,  daß  sie  unter  Verletzung  ihres  Eides  im  Begriff 
gewesen  seien  zu  entweichen,  um  wieder  in  den  Krieg  zu  gehen.  Denn 
sie  hätten  sich  nach  Wladiwostok  begeben,  welches  zur  Zeit  der  einzige 
Stützpunkt  der  russischen  Flotte  im  Osten  sei.  Dabei  hätten  sie  ihre 
Nationalität,  ihren  Namen  und  ihren  Stand  verleugnet  und  sich  als 
neutrale  Handelspersonen  ausgegeben.     Das  sei  ausreichend,   um  ihre 

460 


Prisengeiichtsentscheidungen:  „NIgretia".  Abschnitt  VI»> 

böse  Absicht  darzutun.  Hierzu  komme  auch  noch,  daß  der  Charterer 
Serebrenik  und  der  Kapitän  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes 
bei  dem  Betrug  mitgewirkt  hätten.  Das  sei  eine  Tatsache,  die  durch 
die  Bestimmung  in  dem  Artikel  16  des  Chartervertrags,  durch  die  Briefe 
Serebrenik'sandie  beiden  in  Frage  stehenden  Personen,  in  welchen 
er  ihnen  die  Sorge  für  die  Ladung  anvertraute,  und  die  Aussage  des 
Kapitäns  im  Prisengericht  erster  Instanz  gegenüber  dem  mit  dem  Fall 
beauftragten  Rat  klargestellt  sei. 

3.  Ein  Transport  von  Kriegskonterbandepersonen,  d.  h.  ein 
Neutralitätsbruch,  sei  nicht  notwendigerweise  von  der  Bedingung  ab- 
hängig, daß  ein  Vertrag  mit  der  feindlichen  Regierung  abgeschlossen 
sei  oder  daß  dem  Transport  der  Wille  derselben  zugrunde  liege. 

Es  gebe  viele  Präcedenzen  dafür,  daß  Reeder,  Charterer  und 
Kapitäne  sich  dadurch,  daß  sie  Kriegskonterbandepersonen  oder  Doku- 
mente in  bösem  Glauben  beförderten,  schuldig  machten.  Der  Reklamant 
behaupte  freilich,  daß 

den  Kapitän  kein  Verschulden  treffe,  da  P  r  e  h  n   und  der 
andere  in  Zivilkleidung  an  Bord  gekommen  seien. 

Das  möge  richtig  sein  für  gewöhnliche  Schiffe,  welche  als  regel- 
mäßige Schiffe  zum  Passagiertransport  dienten,  könne  aber  nicht  zu- 
treffen auf  den  vorliegenden  Fall  eines  Frachtdampfers,  der  nach  dem 
Kriegshafen  einer  kriegführenden  Macht  gefahren  sei. 

Kurz,  bezüglich  Konterbandetransports  könnten  neutrale  Staats- 
angehörige, welche  einen  solchen  unternähmen,  unbekümmert,  ob  sie 
darum  gewußt  oder  ob  sie  die  Handlung  unter  Bedrohung  und  gegen 
ihren  eigenen  Willen  ausgeführt  hätten,  der  Verantwortung  dafür  nicht 
entgehen.  Um  so  weniger  sei  dies  möglich  in  dem  vorliegenden  Falle, 
wo  der  Charterer,  der  Kapitän  und  die  entweichenden  Kombattanten 
in  Gemeinschaft  gehandelt  hätten. 

Aus  diesen   Gründen  sei  die  Berufung  abzuweisen. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „'Negretia"  hat  die  beiden 
russischen  Marineoffiziere,  den  Kapitänleutnant  P  r  e  h  n  und  den  Leut- 
nant zur  See  Schweleffan  Bord  genommen,  eine  Ladung  von  70000 
Kisten  Petroleum  geladen  und  ist  von  Shanghai  nach  Wladiwostok 
abgefahren. 

Der  Reklamant  behauptet,  daß  die  beiden  genannten  Personen 
auf  Grund  eines  der  chinesischen  Regierung  geleisteten  Eides,  hinfort 
keinen  Kriegsdienst  zu  leisten,  freigelassen  worden  seien.  Dadurch  hätten 
sie  selbstverständlich  die  Eigenschaft  von  Kombattanten  verloren  und 
seien  keine  Kriegskonterbandepersonen.  Dadurch,  daß  sie  den  Eid  ge- 
leistet und  freigelassen  sind,  haben  sie  aber  keineswegs  ihre  Eigenschaft 
als  Militärpersonen  verloren.    Auch  steht  es  nicht  unbedingt  fest,  daß 

461 


Abschnitt  VI»«  Prisengerichtsentscheidungen :  „Nigretia". 

sie,  wenn  sie  auch  den  Eid  geleistet  haben,  diesen  nicht  verletzen  würden. 
Die  genannten  beiden  Personen  haben  nun  ihre  Nationalität  und  ihren 
Namen  verleugnet,  ihren  Stand  als  feindliche  Militärs  verheimlicht,  und 
versucht,  heimlich  nach  einem  feindlichen  Kriegshafen  zu  gelangen. 
Wenn  man  dieses  Verhalten  betrachtet,  so  wird  es  offenbar,  daß  sie  noch 
mit  militärischen  Geschäften  zu  tun  hatten  und  beabsichtigten,  wieder 
militärischen  Dienst  zu  leisten.  Es  steht  daher  über  jedem  Zweifel^ 
daß  sie  Konterbandepersonen  sind. 

Der  Charterer  des  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfers,  die  Firma 
Serebrenik,  hat  die  genannten  russischen  Militärpersonen  bei  ihrer 
Einschiffung  sich  als  die  Deutschen  P  i  1  s  e  n  e  r  und  Gorschalk  y  aus- 
geben lassen  und  hat  ihnen  Briefe  gegeben,  nach  welchen  er  sie  mit 
der  Beaufsichtigung  bei  der  Loschung  der  Ladung  und  der  Begleichung 
der  Rechnung  beauftragte.  Er  hat  sie  auf  diese  Weise  als  seine  eigenen 
Handelsangestellten  vorgegeben  und  sie  ihren  Stand  als  feindliche  Militär- 
personen verheimlichen  lassen.  Diese  Tatsachen  werden  hinreichend 
klargestellt  durch  die  erstinstanzlichen  Vernehmungsprotokolle  des  auf 
dem  Schiff  mitreisenden  Politika,  der  obengenannten  Prehn  und 
Schweleff  sowie  des  Kapitäns  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Schiffes,  durch  die  Briefe  Serebrenik'san  Prehn  und  Schweleff 
und  den  Chartervertrag. 

Nach  allem  diesen  muß  angenommen  werden,  daß  der  Zweck  der 
Reise  des  Schiffes  der  Transport  von  Kriegskonterbandepersonen  war. 
Es  ist  aber  völkerrechtlich  anerkannt,  daß  Schiffe,  deren  Reisezweck  der 
Transport  von  Konterbandepersonen  ist,  eingezogen  werden  können.  ^) 
Überdies  läßt  sich  aus  den  obengenannten  Beweisdokumenten  ent- 
nehmen, daß  der  Kapitän  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes 
gewußt  hat,  daß  die  beiden  genannten  Personen  russische  Militärs 
waren. 

Da  hiernach  das  Schiff  der  Einziehung  nicht  entgehen  kann,  so 
ist  es  zutreffend  gewesen,  daß  das  Gericht  erster  Instanz  auf  Einziehung 
desselben  erkannt  hat. 

Es  erübrigt  sich  demnach,  auf  die  einzelnen  Berufungspunkte  noch 
besonders  einzugehen. 

Es   wird   daher,   wie   folgt,   entschieden : 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am   2.    November   1905   im   Oberprisengericht. 

(Unterschriften). 


')  V.  §  42,2. 
462 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Nigretia".  Abschnitt  VI  23  b 

Reklamant:  Alexander  Serebrenik,  russischer  Kauf- 
mann, wohnhaft  in   Shanghai,   Range   Road  Nr.  25. 

Prozeßvertreter:  Die  Rechtsanwälte  Shigefuji.Tsurutaro, 
Nagasaki,  Hikijimachi  Nr.  33  und  Hatakeyama  Shigeaki,  Naga- 
saki, Hiradomachi  Nr.  18. 

In  der  Prisensache  betreffend  die  Ladung  des  englischen  Dampfers 
„Nigretia''   wird,   wie  folgt,  entschieden: 

Urteilsformel: 
Die  auf  dem  Dampfer  „Nigretia''  verschifften  70000  Kisten  Petro- 
leum  werden  eingezogen. 

Tatbestand  und  Gründe: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  70000  Kisten  Petroleum  sind 
von  dem  Reklamanten  Alexander  Serebrenik  in  Shanghai, 
China,  auf  dem  Dampfer  „Nigretia''  verschifft  und  am  16.  Dezember 
1904  nach  Wladiwostok  in  Rußland  abgesandt  worden.  Der  Reklamant 
veranlaßte  den  Kommandanten  des  seiner  Zeit  von  Port  Arthur  nach 
Tschifu  entwichenen  russischen  Torpedoboots  „Rastoropny",  das  sich 
selbst  versenkte,  Kapitänleutnant  Paul  Michaelowitsch  Prehn, 
sich  als  einen  Deutschen  namens  Friedrich  Pilsener  und  den 
zu  der  Besatzung  dieses  Torpedoboots  gehörigen  Leutnant  zur  See 
K.  ValentinowitschS  chweleff  sich  als  einen  Deutschen  namens 
Jean  Gorschalky  auszugeben.  Diese  beiden  sowie  den  russischen 
Kaufmann  Serge  Politika  bezeichnete  er  als  seine  Faktoren  bzw. 
Supercargos,  gab  jedem  von  ihnen  einen  Brief,  in  dem  er  sie  mit  der 
Erledigung  der  kaufmännischen  Obliegenheiten  betraute  und  ließ  sie 
sich  auf  der  „Nigretia"  einschiffen. 

Die  genannte  Ladung  wurde  am  19.  Dezember  1904,  2  Uhr  nach- 
mittags auf  350  8'  nördlicher  Breite  und  129°  50'  östlicher  Länge 
von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Tsushima",  als  das  genannte  Schiff 
unter  dem  Verdacht,  Konterbandepersonen  zu  befördern,  aufgebracht 
wurde,  gleichzeitig  beschlagnahmt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Kommandanten  der  „Tsushima'',  Sento  Buo,  die  Vernehmungs- 
prötokolle  des  Kapitäns  der  „Nigretia",  Samuel  Harrison,  des 
Kapitänleutnants  Paul  Michaelowitsch  Prehn  und  des  Leut- 
nants zur  See  K.  Valentinowitsch  Schweleff  von  der  russischen 
Marine,  des  russischen  Kaufmanns  Serge  Politika,  das  Schiffs- 
zertifikat des  genannten  Dampfers,  den  Chartervertrag,  das  Konnossement 
und  die  Briefe,  welche  Alexander  Serebrenik  den  drei  Passa- 
gieren gegeben  hatte. 

463 


Abschnitt  Vl^sb  Pri86ngeiicht8eiit8cheidungen:  „Nigretia". 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  der  Vertreter  der  Reklamation 
sind  folgende: 

Die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  von  Petroleum  sei  keine 
Kriegskonterbande  1)  und  könne,  obwohl  im  Eigentum  eines  feindlichen 
Staatsangehörigen  stehend,  weil  auf  neutralem  Schiffe  befindlich  und 
nicht  nach  einem  blockierten  Hafen  bestimmt,  nicht  von  einer  krieg- 
führenden Macht  beschlagnahmt  werden.     Daher  sei  sie  freizulassen. 

Die  Hauptpunkte   der  Ansicht  des  Staatsanwalts  sind  folgende: 

Der  Reklamant  habe  zwei  russische  Marineoffiziere  fälschlich  als 
seinen  Faktor  und  Supercargo  ausgegeben  und  versucht,  sie  nach  feind- 
lichem Gebiet  zu  befördern.  Da  er  sich  daher  einer  Beförderung  von 
Konterbandepersonen  schuldig  gemacht  habe,  so  sei  die  ihm  gehörige 
zur  Verhandlung  stehende  Ladung  einzuziehen. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Es  ist  ein  Grundsatz  des  modernen  Völkerrechts,  daß  Schiffe,  welche 
zum  Konterbandetransport  2)  gedient  haben,  zur  Strafe  eingezogen 
werden  und  daß  die  Ladungsgüter  von  Ladungseigentümern,  welche  bei 
diesem  Transport  mit  beteiligt  gewesen  sind,  gleichfalls  eingezogen 
werden. 

Die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  ist  von  dem  Reklamanten 
Alexander  Serebrenik  auf  dem  Dampfer  „Nigretia"  verschifft 
worden.  Der  Reklamant  hat  ferner  zwei  russische  Marineoffiziere  als 
seinen  Faktor  beziehungsweise  Supercargo  ausgegeben  und  versucht,  sie 
nach  Wladiwostok  in  Rußland  zu  schaffen.  Serebrenik  hat  diesen 
Konterbandetransport  tatsächlich  selbst  unternommen  und  ausgeführt. 
Daher  ist  die  ihm  gehörige  Ladung,  gleichgültig,  ob  sie  Konterbande 
ist  oder  nicht,  einzuziehen.  ^) 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  17.  April  1905  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im 
Beisein  des  Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurokuro. 

(Unterschriften). 


^)  Petroleum  wurde  erst  im  folgenden  Jahre  für  Konterbande  erklärt.    Siehe  III. 

2)  Gemeint  ist  hier  ein  Transport  von  uneigentlicher  Konterbande,   in   diesem 
Falle  Militärpersonen. 

3)  Dieser  Fall  findet  in  der  japanischen  Seeprisenordnuog  keine  Deckung. 

464 


PriMngerichtsentscheidinigen:  »Nigretia".  Abschnitt  VI2s% 

Reklamant:  Alexander  Serebrenik,  russischer  Staats- 
angehöriger, wohnhaft  in  Shanghai,  China,  Range  Road  Nr.  25. 

Prozefivertreter:  Die  Rechtsanwälte  Hatakeyama  Shige- 
aki,  Nagasaki,  Hiradomachi  Nr.  18  und  ShigefujiTsurotaro,  Na- 
gasaki, Hikijimachi  Nr.  33. 

Am  17.  April  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der  Prisen- 
sache betreffend  die  Ladung  des  englischen  Dampfers  „Nigretia",  welcher 
am  19.  Dezember  1904  auf  35°  18'  nördlicher  Breite  und  129  o  50'  öst- 
licher Lange  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Tsushima"  aufgebracht 
worden  ist,  ein  Urteil  gefällt,  in  welchem  auf  Einziehung  der  auf  dem 
Dampfer  „Nigretia"  verschifften  70000  Kisten  Petroleum  erkannt 
worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  der  Reklamant  Alexander  Sere- 
brenik durch  die  Rechtsanwälte  Hatakeyama  Shigeaki  und 
Shigefuji  Tsurutaro  die  Berufung  eingelegt,  welche  im  Beisein 
der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku  und  Dr.  jur.  Ishiwatari 
B  i  n  i  c  h  i  beim  Oberprisengericht  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptberuf ungspunkte  der  Vertreter  der  Reklamation  Hata- 
keyama Shigeaki  und  Shigefuji  Tsurutaro  sind  folgende: 

Es  werde  Aufhebung  des  Urteils  erster  Instanz  und  Freigabe  der 
Ladung  des  Dampfers  „Nigretia"  von  70000  Kisten  Petroleum  be- 
antragt, und  zwar  aus  folgenden  Gründen: 

Der  Reklamant  habe  im  November  1904  sein  Hauptgeschäft  in 
Harbin  und  eine  Filiale  in  Wladiwostok  gehabt.  Er  habe  mit  dem  Proku- 
risten Heim  an  des  russischen  Kaufmanns  A.  L.  Kivotovsky  einen 
Vertrag  über  Verkauf  von  150000  Kisten  Petroleum  abgeschlossen. 
Diese  habe  er  in  Shanghai  eingekauft  und  Vorbereitungen  getroffen, 
sie  auf  dem  Dampfer  „Nordpol''  zu  verschiffen.  Da  aber  der  Dampfer 
eine  Bescheinigung  über  Ladefähigkeit  von  mehr  als  90000  Kisten 
nicht  gehabt  hätte,  so  habe  er  diese  Menge  verschifft  und  die  übrigen 
60000  Kisten  und  weitere  10000  Kisten,  die  er  zu  verkaufen  beabsichtigt 
gehabt  habe,  zusammen  auf  dem  Dampfer  „Nigretia"  verladen  und 
am  16.  Dezember  desselben  Jahres  abgesandt. 

Er  habe  den  russischen  Kapitänleutnant  PaulMichaelowitsch 
Prehn  für  den  Deutschen  Friedrich  Pilsener  und  den  Leutnant 
zurSeeK.  ValentinowitschSchwelefffür  den  Deutschen  Jean 
Oorschalky  gehalten,  und  es  sei  wahr,  daß  er  sie  zur  Erledigung 
kaufmännischer  Obliegenheiten  sich  auf  der  „Nigretia"  habe  einschiffen 
lassen.  Daß  sie  Marineoffiziere  seien,  habe  er  nicht  im  geringsten 
geahnt.  Dies  gehe  auch  hervor  aus  den  Vernehmungsprotokollen  des 
Kapitäns  der  „Nigretia",  Samuel  Harrison,  der  genannten  Prehn 
und  Schweleff,  aus  dem  Chartervertrag  und  den  Beweisstücken 
A  1  bis  3. 

M»rstrAn d-Meohlenbur ff,  Das  Japanische  Prisenrecht.    Band  I.    (30)  4:65 


Abschnitt  Vl^sb  Prisengerichtsentscheluungen:  „NIgretIa*'» 

Wenn  das  Urteil  erster  Instanz  daher  entschieden  habe,  daß  der 
Reklamant  die  beiden  russischen  Marineoffiziere  fälschlich  als  seinen 
Faktor  und  Supercargo  ausgegeben  und  versucht  habe,  sie  nach  Ruß- 
land zu  befördern,  und  daß  er  demnach  einen  Konterbandetransport 
vorgehabt  und  in  Ausführung  gesetzt  habe,  so  sei  dies  eine  völlig 
falsche  Auffassung  des  Tatbestandes. 

Außerdem  sei  die  Entscheidung,  daß,  wenn  der  Ladungseigentümer 
an  dem  Konterbandetransport  Anteil  gehabt  habe,  die  Ladung  ein- 
zuziehen sei,  eine  unzutreffende  Auslegung  des  Konterbandetransports,, 
welche  die  Grenzen  derselben  erweitere.  Denn  in  Fällen  von  Konter- 
bandetransport und  in  solchen,  wo  Güter,  d.  h.  Konterbandegüter,, 
an  Bord  seien,  sei  der  Rechtsgrund  für  die  Einziehung  ganz  ver- 
schieden. Im  letzteren  Falle  herrschte  der  Grundsatz,  daß  die  Ein- 
ziehung sich  vorzugsweise  gegen  die  Ladung  richte,  nicht  aber 
sich  auf  das  Schiff  erstrecke;  im  ersteren  Falle  dagegen  gelte  die 
Regel,  daß  sie  das  Schiff  treffe,  die  Ladung  dagegen  verschone.  Daß 
ausnahmsweise  Konterbandefahrt*)  die  Folge  habe,  daß  ihr  feindseliger 
Charakter  auch  auf  die  Ladung  übergehe  und  daß  diese  zusammen 
mit  dem  Schiff  eingezogen  werde,  beschränke  sich  auf  die  Fälle,  wo 
der  Eigentümer  des  Schiffes  und  der  Ladung  ein  und  dieselbe  Person 
sei.  Dies  sei  nicht  nur  allgemeine  völkerrechtliche  Praxis,  auch  die 
japanische  Seeprisenordnung*)  scheine  vielmehr  in  §§  42,  Absatz  2, 
46  und  47  diesen  Standpunkt  einzunehmen.  In  einem  Falle  aber  wie 
dem  vorliegenden,  wo  der  Reeder  und  der  Kapitän  des  Schiffes  von 
dem  Eigentümer  der  Ladung  verschieden  seien,  sei  es  ganz  klar,  daß 
die  obengenannte  Erweiterung  nicht  platzgreifen  könne. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  iVlizukami 
Chojiro  vom  Prisengericht  zu  Sasebo  sind  folgende: 

1.  Der  Reklamant  behaupte,  daß 

er  freilich  zur  Aufsicht  über  das  auf  dem  Dampfer  „Ni- 
gretia"  verladene  Petroleum  und  zur  Erledigung  anderer  Ob- 
liegenheiten die  beiden  Deutschen  Friedrich  Pilsener 
und  Jean  Gorschalky  an  Bord  geschickt  habe,  daß  er 
aber  nicht  im  geringsten  geahnt  habe,  daß  dieselben  russische 
Marineoffiziere  gewesen  seien. 

Es  sei  aber  selbstverständlich,  daß  jemand,  der  einen  anderen  mit 
seinen  kaufmännischen  Angelegenheiten  betraue,  diesen  gut  kennen  und 
hinreichendes  Vertrauen  zu  ihm  haben  müsse,  und  niemand  würde  so 
unvernünftig  sein,  jemanden  zu  engagieren,  von  dem  er  nicht  ein- 
mal den  Namen,  die  Nationalität  und  den  Stand  kenne.    W^enn  man 


*)  Der  Ausdruck   ist   ungeschickt  gewählt;   es  müßte  heißen  Quasikonterbande» 
transport. 
»)  V. 

466 


Prisengerichtsentscheldungen:  „NIgretia".  Abschnitt  VI  23b 

dagegen  erwäge,  daß  der  Reklamant  jeder  der  genannten  beiden  Per- 
sonen ausdrücklich  einen  Brief  geschickt  habe  und  daß  es  darin  heiße: 

M jetzt   nicht  leicht   zu   erhaltenden   Gelegenheit wünsche 

Ihnen  gute  Rückkehr ",  so  sei  es  offenbar,  daß  der  Reklamant  ge- 
wußt habe,  daß  die  beiden  russische  Marineoffiziere  seien  und  daß  er 
sie  unter  der  Vorgabe,  sie  seien  sein   Faktor   und   Supercargo,   nach 
Wladiwostok  zu  schaffen  beabsichtigt  habe. 
2.   Der  Reklamant  sage, 

wenn  auch  im  Falle  von  Konterbandetransport  6)  die  Strafe 
der  Einziehung  sich  für  das  Schiff  nicht  umgehen  lasse,  so 
sei  doch  die  Einziehung  der  Ladung  eine  Verletzung  der 
völkerrechtlichen  Prinzipien. 
Es  sei  aber  völkerrechtlicher  Grundsatz,  daß  Schiffe,  welche  zum  Kriegs- 
konterbandetransport gedient  hätten,  mit  Einziehung  bestraft  würden 
und  daß,  wenn  Ladungseigentümer  an  diesem  Transport  beteiligt  seien, 
auch  deren  Ladung  einzuziehen  sei.    Da  aber,  wie  im  vorigen  Punkte 
dargetan,  der  Reklamant  zwei  russische  Marineoffiziere  als  gewöhnliche 
Kaufleute  ausgegeben,  dieselben  nach  Wladiwostok  zu  schaffen  unter- 
nommen und  dies  in  Ausführung  gesetzt  habe,  so  sei  es  klar,  daß  er 
an  dem   Konterbandetransport  teilgenommen   habe,  und  es  sei  selbst- 
verständlich,  daß   die  ihm   gehörige  Ladting  dem   Schicksal   der   Ein- 
ziehung verfallen  müsse. 

Aus  diesen  Gründen  sei  die  Berufung  abzuweisen. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

Der  in  Frage  stehende  Dampfer  „Nigretia"  hat  die  beiden  russi- 
schen Marineoffiziere,  den  Kapitänleutnant  Prehn  und  den  Leutnant 
zur  See  Schweleff  an  Bord  genommen,  eine  Ladung  von  70000 
Kisten  Petroleum  geladen  und  ist  von  Shanghai  nach  Wladiwostok  ab- 
gefahren. Der  Charter>er  des  Schiffes,  die  Firma  Serebrenik,  hat 
die  genannten  russischen  Militärpersonen  bei  ihrer  Einschiffung  sich 
als  die  Deutschen  Pilsen  er  und  Gorschalky  ausgeben  lassen  und 
hat  ihnen  Briefe  gegeben,  nach  welchen  er  sie  mit  der  Beaufsichtigung 
bei  der  Löschung  der  Ladung  und  der  Begleichung  der  Rechnung  be- 
auftragte. Er  hat  sie  auf  diese  Weise  als  seine  eigenen  Handelsangestellten 
vorgegeben  und  sie  ihren  Stand  als  feindliche  Militärpersonen  verheim- 
lichen lassen.  Diese  Tatsachen  werden  hinreichend  klargestellt  durch 
die  erstinstanzlichen  Vernehmungsprotokolle  des  auf  dem  Schiff  mit- 
reisenden Politika,  der  oben  genannten  Prehn  und  Schweleff, 
sowie  des  Kapitäns  des  Schiffes,  durch  die  Briefe  Serebrenik's  an 
Prehn  und  Schweleff  und  den  Chartervertrag. 

Nach  allem  diesen  muß  angenommen  werden,  daß  der  Zweck  der 

^)  Der  Reklamant  meint  mit  dem  gewählten  Ausdnick  den  Quasikonterbande- 
transport.    Vgl.  Anm.  4. 

(30*)  467 


Abschnitt  VI  »•  Prisengerichtsentscheidungen:  „Nigretia". 

Reise  des  Schiffes  der  Transport  von  Kriegskonterbandepersonen  war 
Es  ist  aber  völkerrechtlich  anerkannt,  daß  Ladung,  welche  einer  Person 
gehört,  die  ein  Schiff  zum  Transport  von  Kriegskonterbandepersonen 
bereitstellt,  ^)  soweit  sie  sich  an  Bord  dieses  Schiffes  befindet,  eingezogen 
werden  kann.    Es  ist  daher  durchaus  rechtmäßig,  wenn  im  Urteil  erster 
Instanz  auf  Einziehung  der.  zur  Verhandlung  stehenden  Ladung  erkannt 
worden  ist,  und  die  Berufung  ist  unbegründet. 
Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden : 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  2.  November  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Die  Mitsu  Bishi-Kommanditgesellschaft  Tokio,  Koji- 
machiku  Yayesucho  Ichome  Nr.  1,  Geschäftsführer  und  gesetzlicher  Ver- 
treter Iwasaki  Hisaya. 

Prozeßvertreter:  Die  Rechtsanwälte  Takaki  Toyozo  und 
Nakamura  To.kujuro,  Tokio,  Kojimachiku  Uchisaiwaicho  Ichome 
Nr.  3. 

In  der  Reklamation  betreffend  ein  Vorzugsrecht  an  dem  englischen 
Dampfer  „Nigretia"  wird,  wie  folgt,  entschieden: 

Urteilsformel: 
Die  Reklamation  wird  abgewiesen. 

Tatbestand  und  Gründe: 
Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  der  Vertreter  der  Reklamation 
sind  folgende: 

Reklamant  habe  den  englischen  Dampfer  „Nigretia"  vom  14.  April 
bis  zum  24.  Oktober  1904  gechartert  gehabt.  Am  19.  Oktober  d.  Js. 
sei  der  Dampfer  etwa  65  Seemeilen  aufwärts  in  dem  Unterlauf  des 
Kiu  Kiang  in  China,  bei  Tonglin  Pagoda  auf  eine  Sandbank  auf- 
gelaufen. Reklamant  habe  die  Hilfeleistung  ausgeführt  und  darauf 
Yen  4379,57  verwandt.  Da  dies  allgemeine  Havariekosten  seien,  so 
stehe  dem  Reklamanten  an  dem  Schiffe  ein  Vorzugsrecht  für  die  ge- 
nannte Summe  zu.  Das  Schiff  sei  dann  aber  nach  Ablauf  der  Charter- 
frist des  Reklamanten  am  19.  Dezember  d.  Js.  auf  35  ^  18'  nördlicher 
Breite   und   129  ^   50'   östlicher  Länge  von   dem   Kaiserlichen   Kriegs- 

'')  Analoge  Erweitemng  des  .Eigentümers*  des  §  42,2  der  Seeprisenordnung  (V) 
auf  den  Charterer. 

468 


PriseBgerichtsentscheldunaen:  „Nigretla".  Abschnitt  VI»« 

schiff  „Tsushima"  aufgebracht  worden.  Reklamant  sei  an  den  Um- 
ständen, welche  zu  der  Aufbringung  geführt  hätten,  nicht  interessiert, 
es  stehe  ihm  aber  an  dem  Schiff  ein  dingliches  Recht,  nämlich,  wie 
oben  dargetan,  ein  Vorzugsrecht  zu,  welches  er  jedem  dritten  ent- 
gegensetzen könne.  Daher  müsse  jemand,  der  später  Rechte  an  dem 
Schiffe  erwürbe,  unbedingt  seine  Rechte  anerkennen.  Das  stehe  nachr 
privatrechtlichen  Begriffen  völlig  außer  Zweifel,  aber  es  stehe  nichts, 
im  Wege,  auch  eine  öffentlich-rechtliche  Beziehung,  wie  sie  eine  prisen- 
rechtliche Wegnahme  schaffe,  in  gleicher  Weise  zu  beurteilen.  D^s 
moderne  Völkerrecht  entwickele  sich  dahin,  die  Rechte  privater  Per- 
sonen in  weitestem  Maße  zu  respektieren.  Wenn  daher  die  jetzige 
japanische  Prisengerichtsordnung  i)  im  §  16  Absatz  2  ganz  allgemein 
Personen,  die  an  der  Prise  ein  Interesse  hätten,  ein  Reklamationsrecht 
zuerkenne,  und  dies  nicht  nur  auf  Personen,  denen  Eigentumsrechte 
zuständen,  beschränke,  so  müsse  auch  das  in  dem  vorliegenden  Falle 
geltend  gemachte  Vorzugsrecht  nach  Maßgabe  der  genannten  Be- 
stimmung geschützt  werden. 

Das  genannte  Vorzugsrecht  sei  ein  dingliches  Recht,  welches  von 
Gesetzes  wegen  zufalle,  nicht  aber  wie  ein  Pfandrecht  willkürlich  durch 
Vertrag  erteilt  werde.  Da  also  falsche  Angaben  hierüber  nicht  möglich 
seien,  so  habe  es  ganz  besonders  Anspruch  auf  Schutz.  Auch  werde 
durch  diesen  Scjiutz  das  Recht  auf  die  Prise  nicht  im  geringsten  ver- 
letzt. 

Es  werde  daher  ein  Urteil  erbeten,  in  welchem  ausgesprochen 
würde,  daß  der  Reklamant  an  der  „Nigretia"  ein  Vorzugsrecht  für 
Yen  4379,57  Hilfskosten  habe. 

Die  Hauptpunkte  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  sind  folgende: 

Der  Reklamant  habe  kein  rechtliches  Interesse  an '  dem  in  Frage 
stehenden  Schiffe.  Selbst  aber  angenommen,  er  habe  dies  Interesse, 
so  beziehe  sich  die  Reklamation  nicht  auf  Einziehung  bzw.  Freigabe 
des  Schiffes,  und  es  stehe  dem  Prisengericht  nicht  zu,  über  einen 
Antrag  auf  Festsetzung  eines  Vorzugsrechts  wegen  eines  Anspruchs  an 
dem  Schiffe  eine  Entscheidung  zu  treffen.  Daher  sei  die  Reklamation 
abzuweisen. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Wenn  auch  der  Reklamant  für  den  Dampfer  „Nigretia"  Yen  4397,57 
als  Hilfskosten  bezahlt  hat,  so  erkennen  doch  unsere  gesetzlichen  Be- 
stimmungen in  ihrem  Wortlaut  Vorzugsrechte  an  Prisen  nicht  an.  Auch 
das  Völkerrecht  erachtet  das  Recht  des  Kaptors  an  einer  Prise  als  ein 
absolutes  Recht,  dem  gegenüber  dritte  weder  dingliche  noch  Forderungs- 
rechte geltend  machen  können. 

Die  Vertreter  der  Reklamation   behaupten,   die  Bestimmung  des 

469 


Abschnitt  VI<3«  Prisengeiichtsentscheidungen:  MNigretIa". 

Absatzes  2,  §  16  der  Prisengerichtsordnung  beschränke  das  Recht  der 
Reklamation  nicht  auf  den  Eigentümer,  sondern  auch  ein  Vorzugsrecht 
müsse  nach  dieser  Bestimmung  Schutz  erhalten. 

Wenn  aber  auch  die  Befugnis,  eine  Reklamation  zu  erheben,  sich 
nicht  nur  auf  den  Eigentümer  beschränkt,  so  kann  doch  der  Reklamant 
keinen  Schutz  für  ein  Vorzugsrecht  an  einer  Prise  erhalten.  Daher 
ist  der  Antrag  der  Vertreter  der  Reklamation  auf  Festsetzung  eines 
Vorzugsrechts  an  dem  Schiffe  unbegründet. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  17.  April  1905  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im 
Beisein  des  Staatsanwalts  Mizukami  Chojiro. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Die  Mitsu  Bishi-Konimanditgesellschaft,  Tokio, 
Kojimachiku  Yayesucho  Ichome  Nr.  1,  Geschäftsführer  und  gesetzlicher 
Vertreter  Iwasaki  Hisaya. 

Prozeßvertreter:  Die  Rechtsanwälte  Takaki  Toyozo  und 
Nakamura  Tokujuro,  Tokio,  Kojimachiku  Uchisaiwaicho  Ichome 
Nr.   3. 

Am  17.  April  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  über  eine 
Reklamation  betreffend  Feststellung  eines  Vorzugsrechts  an  dem  eng- 
lischen Dampfer  „Nigretia",  welcher  am  19.  Dezember  1904  auf  35  «  18  ' 
nördlicher  Breite  und  129  ^  50'  östlicher  Länge  von  dem  Kaiserlichen 
Kriegsschiff  „Tsushima''  aufgebracht  worden  ist,  ein  Urteil  gefällt,  in 
welchem  auf  Abweisung  der  Reklamation  erkannt  worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  der  Reklamant,  der  gesetzliche  Vertreter 
.der  Mitsu  Bishi-Kommanditgesellschaft,  Iwasaki  Hisaya,  durch 
die  Rechtsanwälte  Takaki  Toyozo  und  Nakamura  Tokujuro 
als  Prozeßvertreter  die  Berufung  eingelegt,  welche  im  Beisein  der  Staats- 
anwälte Tsutsuki  Keiroku  und  Dr.  jur.  Ishiwatari  Binichi 
beim  Oberprisengericht  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptberuf ungspunkte  der  Vertreter  der  Reklamation  Takaki 
Toyozo  und  Nakamura  Tokujuro  sind  folgende: 

Es  werde  Aufhebung  des  Urteils  erster  Instanz  und  Festsetzung 
des  Vorzugsrechts  für  Yen  4375,57  Hilfskosten  an  dem  Dampfer  „Ni- 
gretia"  beantragt,  und  zwar  aus  folgenden  Gründen: 

In  einem  Falle,  wo  wie  der  Reklamant  es  vorbringe,  ein  Vorzugs- 
recht an  einem  beschlagnahmten  Schiff  zuständig  sei,  sei  der  Haupt- 
punkt der,  ob  er  es  geltend  machen  könne  oder  nicht. 

470 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Nigretia".  Abschnitt  VI  ^* 

Das  Gericht  erster  Instanz  habe  entschieden,  daß 

unsere  gesetzlichen  Bestimmungen  in  ihrem  Wortlaut  Vor- 
zugsrechte an  Prisen  nicht  anerkennten.  Auch  das  Völker- 
recht erachte  das  Recht  des  Kaptors  an  einer  Prise  als  ein 
absolutes  Recht,  dem  gegenüber  dritte  weder  dingliche  noch 
Forderungsrechte  geltend  machen  könnten. 
In  der  Prisengerichtsordnung  heiße  es  indes  im  §  16 -J) 

Wenn  der  Staatsanwalt  in  seinem  Schriftsatz  geltend  mache, 
daß  eine  Entscheidung  auf  Einziehung  abzugeben  sei,  oder 
wenn  das  Prisengericht  sich  der  Ansicht  des  Staatsanwalts, 
daß  die  Prise  sofort  freizulassen  sei>  nicht  anschließe,  habe 
das  Prisengericht  das  Bekanntmachungsverfahren  vorzu- 
nehmen. 

In  der  Bekanntmachung  des  vorigen  Absatzes  seien  die 
Interessenten  darüber  zu  unterrichten,  daß  sie  innerhalb  einer 
Frist  von  dreißig  Tagen,  vom  Tage  nach  der  Bekanntmachung 
an  gerechnet,  schriftlich  reklamieren  könnten  usw. 
Darin  sei  also  anerkannt,  daß  ganz  allgemein  Personen,  welche  bei  einer 
Entscheidung  über  Wegnahme  einer  Prise  interessiert  seien,  das  Recht 
der  Reklamation  zustehe.  Daß  das,  was  als  „Interesse"  bezeichnet 
sei,  sich  nicht  auf  das  des  Eigentümers  beschränke,  gehe  aus  der  Fassung 
der  Bestimmung  von  selbst  hervor.  Auch  ergebe  sich  daraus,  daß 
es  nicht  in  Zweifel  gezogen  werden  könne,  daß  eine  Person,  welcher 
ein  Vorzugsrecht  zustehe,  damit  auch  ein  Interesse  besitze,  ganz  klar, 
daß  der  Reklamant  unter  die  „Interessenten"  des  genannten  Paragraphen 
falle.  Wenn  dies  der  Sinn  dieser  Bestimmung  sei  und  trotzdem  in  der 
Weise  argumentiert  werde,  daß  dem  Wortlaut  nach  ein  Vorzugsrecht 
nicht  anerkannt,  sei,  so  heiße  das,  die  gesetzgeberische  Idee  zunichte 
machen,  welche  mit  dem  Ausdruck  „Interessenten"  einen  weiten  Begriff 
gewählt  habe.  Willkürlich  diesen  Ausdruck  „Intereressenten"  mit  „Eigen- 
tümer" identifizieren  zu  wollen,  sei  unbestreitbar  verkehrt,  und  das 
Urteil  erster  Instanz,  welches  der  Prisengerichtsordnung  diese  Auslegung 
gebe,  sei  unzutreffend.  Auch  passe  dies  nicht  mit  den  Begriffen  des 
Völkerrechts  zusammen. 

Das   Gericht  erster  Instanz  entscheide,  daß 

völkerrechtlich  das  Recht  des  Kaptors  an  der  Prise  ein  ab- 
solutes sei,  gegen  welches  dritte  weder  dingliche  noch 
Forderungsrechte  geltend  machen  könnten. 
Das  Völkerrecht  habe  indes  einen  derartigen  Grundsatz  noch  nicht 
aufgestellt.  Die  Wissenschaft  stehe  aber  auf  dem  Standpunkt,  daß 
Rechte  wie  das  in  dieser  Berufung  verfochtene,  welche  dem  Schiffe 
das  Leben  gerettet  hätten,  anzuerkennen  seien.    Wenn  man  nun  diesem 

«)  IV. 

471 


Abschnitt  VI  21c  Prisengerichtsentscheidungen :  „NIgretia". 

Rechtssatz  nachspüre,  so  finde  man,  daß  er  in  dem  Recht  aller  Länder 
anerkannt  sei,  daß  die  Kosten  einer  allgemeinen  Havarie  ein  Vorzugs- 
recht an  dem  Schiff  genössen  und  daß  es  keine  Bestimmung  gebe, 
welche  dies  Prinzip  verletze.  Man  müsse  daher  sagen,  daß  diese  Rechts- 
vorschrift ein  völkerrechtliches  Prinzip  darstelle.  Das  Vorzugsrecht  sei 
ein  dingliches  Recht,  welches  an  dem  Schiff  hafte  und  an  ihm  geltend 
gemacht  werden  könne.  Was  die  Gegenstände  angehe,  welchen  dieses 
Recht  anhafte,  so  hätten  sie  nicht  den  Wert  uneingeschränkten  Eigen- 
tums. Da  dem  so  sei,  so  sei  die  Einziehung  eines  Schiffes,  das  sich 
in  dieser  Rechtslage  befinde,  Einziehung  eines  belasteten  Eigentums, 
und  diese  Belastung  habe  Anspruch  auf  Anerkennung. 

Nach  den  §§  42  und  43  der  Seeprisen  Ordnung  3)  sei  ferner  die 
Einziehung  von  Konterbandegütern  eine  Strafe  für  die  Personen,  die 
sich  des  rechtswidrigen  Verhaltens  schuldig  gemacht  hätten,  und  es 
sei  selbstverständlich,  daß  sie  auf  die  Vermögensrechte  dritter  Personen, 
welche  an  diesem  Verhalten  keinen  Anteil  hätten,  keinen  Einfluß  aus- 
üben könne. 

Wenn  dem  so  sei,  so  sei  es  im  Völkerrecht  begründet,  wenn  dritte, 
welche  an  einer  Prise  dingliche  Rechte  besäßen  wie  der  Reklamant, 
in  diesen  geschützt  würden.  Es  sei  daher  unzutreffend,  wenn  das 
Gericht  erster  Instanz  das  Gesuch  des  Reklamanten  als  unbegründet 
verworfen  habe. 

Der  Staatsanwalt  des  Gerichts  erster  Instanz  behaupte  bezüglich 
der  Form*)  der  vorliegenden  Reklamation,  daß 

sie  nicht  die  Freigabe  des  Schiffes  beantrage,  sondern  auf 
Feststellung  eines  Vorzugsrechts  an  dem  Schiff  gerichtet 
sei.  Das  sei  eine  formwidrige  Reklamation. 
Reklamant  wünsche,  da  er  glaube,  daß  eine  Untersuchung  der  Amts- 
befugnisse in  diesem  Punkte  zu  den  Aufgaben  des  Oberprisengerichts 
gehöre,  im  folgenden  die  Gründe,  aus  denen  die  Reklamation  form- 
gerecht sei,  darzutun. 

Da,  wie  im  vorstehenden  dargetan,  eine  Reklamation  von  Per- 
sonen erhoben  werde,  welche  sich  als  durch  das  Urteil  auf  Wegnahme 
nach  §  16  der  Prisengerichtsordnung. 5)  in  ihren  Interessen  an  einem 
Schiff,  einer  Ladung  oder  dergleichen  geschädigt  erachteten,  so  müsse 
natürlich  jede  Art  und  Weise,  auf  welche  dem  Schaden  abgeholfen 
werden  könne,  ohne  die  Form  zu  berücksichtigen,  anerkannt  werden. 
In  der  Prisengerichtsordnung  sei  nicht  bestimmt,  daß  die  Rekla- 

8)  V. 

*)  Faktisch  wird  nicht  die  Form,  sondern  vielmehr  der  Inhalt  der  Reklamation 
gerügt. 

*)  Müßte  heißen:  durch  Einleitung  der  Verfahrens  nach  §  16  der  Prisengerichts- 
ordnung. (IV). 

472 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Nigretia".  Abschnitt  VI<>« 

mation  der  Form  nach  ein  Antrag  auf  Freigabe  sein  müsse.  Wenn 
das  Gericht  erster  Instanz  die  Reklamation  auf  diesen  einen  Punkt 
beschränke,  so  sei  es  nicht  bis  zum  wahren  Sinn  des  Gesetzes  durch- 
gedrungen. In  einem  Falle  zum  Beispiel,  wo  ein  Schiff  und  seine 
Ladung,  welche  zu  einer  verbotenen  Handlung  in  keiner  Beziehung 
stünden,  von  einem  japanischen  Kriegsschiff  in  den  Grund  gebohrt 
seien,  würde  die  von  den  Eigentümern  des  Schiffes  und  der  Ladung 
einzureichende  Reklamation  sicherlich  der  Form  nach  einen  Schadens- 
ersatz beantragen.  Wenn  man  in  diesem  Falle  behaupten  wolle,  daß 
die  Reklamation  nicht  formgerecht  sei,  weil  sie  nicht  eine  Freigabe  be- 
antrage, so  sei  das  nicht  die  Art  und  Weise,  wie  das  Gesetz  die  Rechte 
von  Interessenten  schütze. 

In  der  Prisengerichtsordnung  heiße  es  im  §  13: 

welche  der  beauftragte  Rat  zur  Entscheidung  darüber, 

ob  die  ganze  Prise  oder  ein  Teil  derselben  zu  nehmen  oder 

freizulassen  sei 

Es  möge  wohl  Leute  geben,  welche  diese  Worte  herausgriffen  und 
behaupteten,  daß  es  sich  nur  um  Wegnahme  oder  Freilassung  handeln 
könne.  Erstens  sehe  diese  Bestimmung  aber  nur  den  allergewöhnlichsten 
Fall  vor.  Sodann  werde  die  vorliegende  Reklamation  gegen  den  als 
Prise  weggenommenen  Gegenstand  geltend  gemacht  und  sei  somit  in 
der  Prise  mit  einbegriffen.  Überdies  beschäftige  sich  die  genannte 
Bestimmung  nicht  mit  der  Form  der  Reklamationen,  sondern  sei  lediglich 
eine  Vorschrift  betreffend  die  Untersuchung  des  Tatbestandes.  Daher 
lasse  sich  diese  Bestimmung  nicht  als  Grundlage  für  eine  Argumentation 
betreffend  die  Form  der  Reklamationen  verwenden.  Wenn  aber  be- 
hauptet werde,  daß  eine  Reklamation  eine  Prise  betreffen  müsse,  daß 
aber  die  vorliegende  Reklamation  sich  nicht  auf  eine  Prise  beziehe,  so 
sei  dem  entgegenzusetzen,  daß  diese  Reklamation  sich  auf  dem  Vor- 
handensein eines  Vorzugsrechts  an  der  Prise  gründe,  die  Feststellung 
des  Bestehens  dieses  Rechts  beantrage  und  behaupte,  daß  es  unrecht- 
mäßig sei,  wenn  die  Wegnahme  einfach  so  geschehe,  als  ob  ein  Vorzugs- 
recht gar  nicht  bestehe.  Da  die  Reklamation  in  dieser  Weise  die  Recht- 
mäßigkeit der  Wegnahme  in  Frage  stelle,  so  müsse  man  sagen,  daß  sie 
eine  sich  auf  das,  was  man  Prise  nenne,  beziehende  Reklamation  sei. 

Demnach  sei  die  zur  Verhandlung  stehende  Reklamation  form- 
gerecht, und  die  Abweisung  derselben  durch  das  Gericht  erster  Instanz 
sei  angesichts  des  wohlbegründeten  Antrags  unrechtmäßig. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  Mizukami 
Chojiro  beim  Prisengericht  zu  Sasebo  sind  folgende: 

Die  Kaiserlichen  Prisengerichte  hätten  sich  bezüglich  der  auf- 
gebrachten Gegenstände  mit  der  Untersuchung  und  Entscheidung  da- 
rüber zu  befassen,  ob  diese  Gegenstände  einzuziehen  oder  freizulassen 

473 


Abschnitt  Vl^^a  Prisengerichtsentscheidungen:  „Nigretia*'. 

seien.  Es  stehe  ihnen  daher  keine  Befugnis  zu,  über  das  Bestehen 
oder  Nichtbestehen  eines  Vorzugsrechts,  wie  der  Reklamant  es  geltend 
mache,  oder  über  das  Zutreffen  bzw.  Nichtzutreffen  seiner  Ausführungen 
zu  entscheiden.  Da  ferner  unsere  Rechtsbestimmungen  dem  Wortlaut 
nach  ein  Vorzugsrecht  an  Prisen  nicht  anerkennten,  so  sei  der  Antrag 
des  Reklamanten  auf  Feststellung  seines  Vorzugsrechts  an  dem  in  Frage 
stehenden  Schiff  nicht  berechtigt,  und  seine  Ausführungen  seien  un- 
begründet. 

Der  Reklamant  bringe  noch  manches  andere  vor,  was  indes  nur 
eine  Wiederholung  der  obigen  Ausfülirung  sei  und  daher  gleichfalls 
jeder  Begründung  entbehre. 

Die  Berufung  sei  daher  abzuweisen. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

Der  Reklamant  behauptet,  die  Verwerfung  seiner  Reklamation  auf 
Feststellung  seines  Vorzugsrechts  an  dem  Dampfer  „Nigretia"  sei  un- 
rechtmäßig. Ein  Prisengericht  ist  aber  für  die  Untersuchung  einer 
Reklamation  betreffend  die  Feststellung  eines  Vorzugsrechts  nicht  zu- 
ständig, und  die  Abweisung  derselben  durch  das  Gericht  erster  Instanz 
ist  durchaus  rechtmäßig. 

Es  ist  demnach  überflüssig,  auf  die  Berufungsgründe,  welche  aus- 
führen, daß  der  Reklamant  ein  Interessent  sei  und  daß  dritte,  welche 
an  einer  Prise  ein  dingliches  Recht  wie  ein  Vorzugsrecht  besäßen, 
völkerrechtlich  geschützt  werden  müßten,  noch  besonders  einzugehen. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden : 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  2.  November  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Der  deutsche  Reichsangehörige  Eduard  Eich- 
wede,  wohnhaft  in  Tschifu  in  China. 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  Ishibashi  Tomokichi  in 
Nagasaki,  Togiyamachi  Nr.  41. 

In  der  Prisensache  betreffend  den  deutschen  Dampfer  „Veteran" 
wird,  wie  folgt,  entschieden : 

Urteilsformel: 
Der  Dampfer  „Veteran"  wird  eingezogen. 

Tatbestand   und   Gründe: 
Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „Veteran"  ist  Eigentum 

474 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Veteran''.  Abschnitt  Vl^* 

des  in-Tschifu  ansässigen  deutschen  Reichsangehörigen  Eduard  Eich- 
wede,  er  fuhrt  die  deutsche  Flagge  und  dient  hauptsächlich  zum  Güter- 
transport. Am  6.  November  1904  wurde  der  Dampfer  von  der  aus 
deutschen  Handeltreibenden  bestehenden  Firma  Diederichsen, 
Jebsen&Co.  in  Tsingtau  gechartert  und  von  dieser  Firma  mit  wollenen 
Winterschutzdecken,  Stiefeln,  Seife,  Tabak,  Streichhölzern,  Arzneien  und 
Nahrungsmitteln,  die  für  Port  Arthur  bestimmt  waren,  beladen.  Die 
Schiffspapiere  waren  unvollständig,  der  chinesischen  Mannschaft  wurde 
Tschifu  als  Bestimmungsort  angegeben,  tatsächlich  aber  verließ  der 
Dampfer  mit  der  Absicht,  nach  Port  Arthur  zu  fahren,  am  17.  No- 
vember 1904  um  Mitternacht  Tsingtau.  Unterwegs  ließ  der  Kapitän, 
um  seine  Reise  unbemerkt  vollenden  zu  können,  die  Schiffsglocke  ab- 
nehmen, und  es  wurde  keine  Zeit  mehr  geglast.  Als  der  Dampfer  am 
folgenden  Tage,  dem  18.  November,  um  Mitternacht  auf  der  Höhe  von 
Wei-hai-wei  ankam,  änderte  der  Kapitän  plötzlich  den  Kurs  nach  NO 
und  gab  dem  Bootsmann  Wong  Tack  Sui  und  den  anderen  chine- 
sischen Schiffsleuten,  welche  ahnten,  daß  der  Dampfer  nach  Port  Arthur 
gehen  sollte,  auf  ihre  diesbezüglichen  Fragen  keine  Antwort,  sondern 
schlug  sie,  so  daß  sie  Verletzungen  davontrugen.  Auch  schoß  er  als 
Drohung  seinen  Revolver  ab.  Am  19.  November  1904  um  4  Uhr 
morgens  wurde  der  Dampfer,  mit  Kurs  W 1/2  NW,  also  in  der  Richtung 
auf  Port  Arthur  fahrend,  38  »  6 '  30 ''  nördlicher  Breite  und  122  0  40 '  30  " 
östlicher  Länge  von  dem  auf  Blockadedienst  befindlichen  Kaiserlichen 
Kriegsschiff  „Tatsuta"  als  Blockadebrecher  aufgebracht.  1) 

Diese  Tatsachen  gehen  klar  aus  dem  Protokoll  des  Offiziers,  der 
die  Beschlagnahme  in  Stellvertretung  (des  Kommandanten)  ausführte, 
Kapitänleutnants  Ohara  Shunji,  aus  den  Vernehmungsprotokollen 
des  Kapitäns  Karl  Edler,  des  ersten  Offiziers  Anton  Müller,  des 
ersten  Maschinisten  Max  Hase,  des  zweiten  Maschinisten  Fritz 
Bruns,  des  Bootsmanns  Wong  Tack  Sui,  der  Steuerleute  Wong 
Sai  Hock  und  Wong  Kee  Sang,  der  Heizer  Ka  Tack  Loi  und 
Hong  Hing  Wing,  aus  dem  Flaggenattest,  dem  Logbuch,  dem 
Original-Maschinenjournal,  aus  dem  Teil  der  Untersuchungsakten  be- 
treffend die  Abnahme  der  Schiffsglocke,  dem  Gutachten  des  Marine- 
Maschinen-Ingenieurs  Hirano  Katsuhiko  über  den  Maschinen- 
schaden an  der  Führungsstange  und  aus  dem  Chartervertrag  hervor. 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  des  Vertreters  der  Reklamation 
sind  folgende: 

Es  werde  Freigabe  des  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfers  be- 
antragt, und  zwar  aus  folgenden  Gründen : 

Der  Dampfer  sei  am  17.  November  1904  von  Tsingtau  abgefahren 
mit  der  Bestimmung,  zuerst  nach  Niutschwang  und  dann  über  Tientsin 

~~'yv7§  37,3. 

475 


Abschnitt  Vl^*  Prisengerichtsentscheidungen:  „Veteran". 

nach  Tschifu  zu  fahren.  Das  ergebe  sich  aus  dem  zwischen-  dem 
Reklamanten  und  Diederichsen,  Jebsen  &  Co.  abgeschlossenen 
Chartervertrag  und  den  Ladescheinen.  Ein  Teil  der  Ladung  sei  für 
die  Firma  B  a  n  d  i  n  e  1  &  Co.  in  Niutschwang  bestimmt  gewesen  und 
habe  durch  diese  verkauft  werden  sollen;  die  anderen  Güter  seien 
für  Teige,  Schröter  &  Co.  in  Tientsin  und  Diederichsen, 
Jebsen  &  Co.  in  Tschifu  bestimmt  gewesen.  Ein  Transport  der 
Güter  nach  Port  Arthur  sei  nie  beabsichtigt  gewesen. 

Für  einen  Dampfer  mit  dem  Reiseziel  Niutschwang  habe  es  aller- 
dings den  Anschein,  als  ob  der  Dämpfer  von  der  Höhe  des  Shantung- 
Vorgebirges  aus  zu  sehr  nordöstlich  in  die  offene  See  gesteuert  habe; 
aber  zu  der  Zeit  habe  der  Dampfer  Maschinenschaden  gehabt  und  wäre 
bei  seiner  verminderten  Fahrgeschwindigkeit  und  dem  herrschenden 
Nordwestwinde  in  Strandungsgefahr  gewesen,  wenn  er  nicht  einen  von 
dem  gewöhnlichen  Kurs  für  Niutschwang  nach  NO  abweichenden 
Kurs  angenommen  hätte.  Auf  Port  Arthur  sei  aber  niemals  Kurs 
gehalten  worden.  Der  Staatsanwalt  führe  in  seinem  Schriftsatz  als 
Beweis  für  die  beabsichtigte  heimliche  Fahrt  nach  Port  Arthur  die 
Tatsache  an,  daß  Kisten,  welche  Milch  und  Seife  enthielten,  mit  „Port 
Arthur"  gezeichnet  seien.  Es  sei  jedoch  kaum  anzunehmen,  daß  jemand 
der  eine  Blockade  zu  brechen  vorhabe,  selbst  das  Beweismäterial  für 
dieses  Vorgehen  offenbaren  würde.  Deshalb  sei  jene  Aufschrift  auf 
den  Kisten  vielmehr  ein  Beweis  dafür,  daß  der  Dampfer  die  ihm 
vorgeworfene  Absicht  nicht  gehabt  habe.  Daß  ferner  nach  dem 
Lichten  des  Ankers  während  der  Fahrt  der  Kapitän  die  Schiffsglocke  habe 
abnehmen  lassen,  sei  durchaus  nicht  mit  einer  Absicht,  die  Fahrt  nach 
Port  Arthur  unbemerkt  ausführen  zu  können,  in  Verbindung  zu  bringen ; 
die  Entfernung  der  Glocke,  welche  noch  den  alten  Namen  des  Schiffes 
„Phalos"  trug,  habe  vielmehr  lediglich  als  ein  gutes  Omen  für  die 
Fahrt  dienen  sollen.  Es  sei  ferner  nicht  erwiesen,  daß  die  aus  den 
Niutschwang  als  Bestimmungshafen  bezeichnenden  und  durchaus  in 
Ordnung  befindlichen  Schiffspapieren  sich  als  beabsichtigt  ergebende 
Reise  mit  dem  tatsächlich  genommenen  Kurs  nicht  in  Einklang  zu 
bringen  sei.  Des  weiteren  lieferte  die  Aufbringung  des  Dampfers  auf 
offener  See  in  einer  Entfernung  von  60  bis  70  Seemeilen  von  Port 
Arthur  keine  hinreichende  Unterlage  für  die  Behauptung,  daß  der 
Dampfer  geplant  habe,  die  Blockadelinie  zu  überschreiten  und  somit 
die  Blockade  zu  brechen.  Daher  sei  die  Beschlagnahme  unrechtmäßig. 
Selbst  aber  angenommen,  der  Kapitän  und  der  Charterer  hätten  unter 
sich  den  Blockadebruch  verabredet,  so  sei  doch,  da  der  in  diesem  Ver- 
fahren als  Reklamant  auftretende  Schiffsherr  nicht  die  geringste  Kenntnis 
davon  gehabt  habe,  wenn  auch  die  Güter  eingezogen  würden,  das 
Schiff  freizugeben. 

476 


Prisengerichtsentscheidiuigen:  „ Veteran".  Abschnitt  VI  24« 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  sind  folgende : 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  habe  versucht,  die 
Blockade  zu  brechen,  und  sei  deshalb,  da  zweifellos  die  Blockade 
zu  der  Zeit  effektiv  gewesen  sei,  einzuziehen. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Die  allgemeinen  völkerrechtlichen  Bestimmungen  und  Gebräuche 
kommen  dahin  überein,  daß  im  Falle  effektiven  Bestehens  einer  Blockade 
Schiffe,  welche  den  Blockadezustand  kennen  und  in  der  Absicht,  in 
das  Blockadegebiet  einzudringen,  sich  demselben  nähern,  als  Blockade- 
brecher anzusehen  und,  gleich>(ieV^ob  der  Reeder  von  der  Sache  wußte 
oder  nicht,  einzuziehen  sind.  Es  steht  außer  Zweifel,  daß  die  am  26.  Mai 
1904  von  dem  Oberstkommandierenden  der  vereinigten  Kaiserlichen 
Kriegsflotte  über  die  Südküste  der  Liaotung-Halbinsel  verhängte  Blockade 
zur  Zeit  der  Aufbringung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfers 
sich  in  effektivem  Zustand  befand.  Wenn  nun  Schiffe  eine  Blockade  zu 
brechen  vorhaben,  so  ist  ein  ganz  gewöhnliches  Mittel,  um  der  Auf- 
bringung zu  entgehen,  daß  sie  allerhand  falsche  Dokumente  herstellen. 
So  waren  unter  den  Schiffspapieren  des  fraglichen  Dampfers  nur  für 
einen  Teil  der  Ladung  Frachtscheine  vorhanden,  das  Original-Maschinen- 
journal und  die  Reinschrift  stimmten  nicht  überein,  und  auch  das  von 
dem  Prozeßvertreter  des  Reklamanten  beigebrachte  Ladungsverzeichnis 
deckt  sich  nicht  mit  der  vorhandenen  Ladung.  Daher  kann  die  Echt- 
heit aller  dieser  Dokumente  nicht  anerkannt  werden.  Was  den  Kurs 
des  Dampfers  angeht,  so  hat  der  Prozeßvertreter  behauptet,  daß  der 
Dampfer,  als  er  die  Höhe  des  Shantung-Vorgebirges  passiert  hatte, 
Maschinenschaden  erlitt,  infolgedessen  die  Geschwindigkeit  herabgesetzt 
wurde  und  der  Dampfer  in  Gefahr  kam,  auf  Land  getrieben  zu  werden. 
Diese  Behauptungen  können  jedoch  in  Anbetracht  der  Beweise,  die 
sich  aus  den  Protokollen  der  im  Maschinenraum  zur  fraglichen  Zeit  be- 
schäftigt gewesenen  Chinesen  und  aus  dem  Originalmaschinenjournal 
ergeben,  sowie  der  Beweise,  die  sich  auf  das  Vorhandensein  oder 
Nichtvorhandensein  des  Maschinenschadens  beziehen,  nicht  als  richtig 
anerkannt  werden.  Es  ist  vielmehr  klar  erwiesen,  daß  der  Dampfer 
auf  der  Höhe  von  Wei-hai-wei  plötzlich  den  Kurs  nach  NO  änderte 
und  von  da  ab  in  der  Richtung  nach  Port  Arthur  fuhr,  während  welcher 
Fahrt  er  aufgebracht  wurde.  Die  Tatsache  ferner,  daß  der  Dampfer  60 
bis  70  Seemeilen  von  Port  Arthur  auf  der  See  aufgebracht  wurde,  steht 
nicht  dem  Schlüsse  entgegen,  daß  es  beabsichtigt  war,  mit  demselben 
einen  Blockadebruch  auszuführen.  Nach  Aufführung  aller  der  vor- 
stehenden Tatsachen  erübrigt  es  sich,  auf  die  anderen  Verteidigungs- 
punkte des  Prozeßvertreters  einzugehen.  Da  dem  Charterer  sowohl 
wie  dem  Kapitän  des  fraglichen  Dampfers  bekannt  war,  daß  zur  fraglichen 
Zeit  die  Blockade  seitens  des  Kaiserlichen  Geschwaders  bestand,  und 

477 


Abschnitt  Vl^^a  Prisengerichtsentscheidungen:  ,,Veteran". 

es  anerkannt  werden  muß,  daß  der  Dampfer  zwecks  Schleichimports 
die  Blockade  zu  brechen  beabsichtigte,  so  entscheidet  das  Gericht,  wie 
im   Tenor,  auf  Einziehung  des  D^ampfers.  2) 

Verkündet  im  Prisengericht  zu  Sasebo  am  1.  März  1905  im  Beisein 
des  Staatsanwalts  Mizukami  Chojiro. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Der  deutsche  Reichsangehörige  Eduard  Eich- 
wede,  wohnhaft  in  Tsingtau,  China. 

ProzeBvertreter :  Rechtsanwalt  IshibashiTomokichi,  Re- 
gierungsbezirk Nagasaki,  Nagasaki,  Togiyamachi  41. 

Am  1.  März  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der  Prisen- 
sache betreffend  den  am  10.  November  1904  38»  6'  36"  nördlicher 
Breite  und  122°  40'  30"  östlicher  Länge  von  dem  Kaiserlichen  Kriegs- 
schiff „Tatsuta"  aufgebrachten  deutschen  Dampfer  „Veteran"  ein  Urteil 
gefällt,  nach  welchem  der  Dampfer  einzuziehen  ist.  Gegen  diese  Ent- 
scheidung hat  der  Rechtsanwalt  Ishibashi  Tomokichi  als  Prozeß- 
vertreter des  Reklamanten  Eduard  Eichwede  Berufung  eingelegt. 
Diese  Berufung  ist  von  ciem  Oberprisengericht  im  Beisein  des  Staats- 
anwalts Dr.  jur.  Ishiwatari  Binichi  geprüft  worden. 

Die  Hauptberuf ungspunkte  des  Vertreters  der  Reklamation  Ishi- 
bashi Tomokichi  und  deren  Begründung  sind  folgende: 

1.  Das  Urteil  erster  Instanz  erblicke  den  Hauptbeweis  dafür,  daß 
das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  die  Blockade  zu  brechen  und 
nach  Port  Arthur  zu  gelangen  beabsichtigt  habe,  in  der  alleinigen  Tat- 
sache, daß  das  Schiff  auf  der  Höhe  von  Wei-hai-wei  plötzlich  seinen 
Kurs  nach  Nordost  geändert  habe.  Diese  Entscheidung  entbehre  jeder 
Grundlage,  denn,  wenn  das  Schiff  von  Wei-hai-wei  nach  Port  Arthur 
zu  gelangen  vorgehabt  habe,  so  wäre  es  besser  gewesen,  gleich  von 
Wei-hai-wei  aus  nördlich  zu  fahren.  Um  nach  Port  Arthur  zu  ge- 
langen, hätte  es  nicht  nötig  gehabt,  Kurs  auf  Nordost  in  die  Bai  von 
Korea  zu  nehmen  und  so  einen  ungefähr  viermal  so  langen  Umweg  zu 
machen.  Ferner  wäre,  um  die  Blockade  zu  brechen,  die  Nachtzeit  am 
geeignetsten  gewesen  und,  wenn  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff 
ein  derartiges  Unternehmen  vorgehabt  hätte,  so  hätte  es  dazu  von 
Wei-hai-wei  um  Mitternacht  aufbrechen  und  direkt  nach  Port  Arthur 
fahren  müssen.  Bei  gesundem  Menschenverstand  könne  man  schwerlich 
annehmen,  daß  jemand  anstatt  dessen  seinen  Kurs  auf  Nordost  ändern 

')  V.  §  45. 

478 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Veteran".  Abschnitt  VI^* 

und,  gerade  als  ob  er  es  darauf  anlege,  von  unseren  Kriegsschiffen 
gesehen  zu  werden,  bei  Tagesanbruch  an  der  Stelle,  wo  der  Dampfer 
aufgebracht  worden  sei,  umherfahren  werde.  Daher  beruhten  die  dem 
erstinstanzlichen  Urteil  zugrunde  gelegten  und  von  demselben  an- 
erkannten Tatsachen  auf  Irrtum. 

2.  Da  der  Ort,  an  welchem  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff 
aufgebracht  worden  sei,  von  der  Blockadelinie  etwa  70  Seemeilen  ent- 
fernt sei,  so  könne  man  es  nicht  als  Tatsache  ansehen,  daß  das  Schiff 
die  BlockadeHnie  zu  überschreiten  und  in  den  Hafen  einzufahren  be- 
absichtigt habe.  Wenn  das  Kriegsschiff  die  Aufbringung  auf  das  so- 
genannte Repressionsrecht  stützen  wolle,  so  erblicke  der  Reklamant  darin 
einen  Mißbrauch  dieses  Rechts,  denn  eine,  wie  im  vorliegenden  Falle, 
auf  einem  von  der  Blockadelinie  70  Seemeilen  entfernten  Punkte  er- 
folgte Aufbringung  stehe  nicht  im  Einklang  mit  Absatz  1  des  §  29  un- 
serer Seeprisenordnung, »)  die  von  Schiffen  spreche,  „welche  die  Blockade- 
linie überschreiten  und  in  das  Blockadegebiet  eindringen  oder  ein- 
zudringen beabsichtigen",  Schiffe,  wie  das  zur  Verhandlung  stehende, 
könnten,  selbst  wenn  sie  nach  dem  blockierten  Hafen  bestimmt  seien, 
weil  sie  inzwischen  noch  reichlich  Zeit  hätten,  diese  Bestimmung 
aufzugeben  oder  zu  ändern,  nach  einem  rechtmäßigen  völkerrechtlichen 
Grundsatz  nicht  zur  Verantwortung  gezogen  werden.  Dies  umsoweniger, 
wenn  es  nicht  einmal  klar  bewiesen  sei,  ob  der  blockierte  Hafen  der 
Bestimmungshafen  sei  oder  nicht.  Deshalb  müsse  der  Ort  der  Auf- 
bringung in  der  Nähe  der  Blockadelinie  liegen  und,  bevor  ein  solcher 
Punkt  erreicht  sei,  könne  das  Repressionsrecht  nicht  als  bestehend  an- 
gesehen werden. 

3.  Unsere  Seeprisenordnung  sei  lediglich  eine  vom  Großen  Haupt- 
quartier erlassene  Verordnung,  welche  weder  die  Japaner,  geschweige 
denn  die  Ausländer,  allgemein  zu  kennen  und  zu  befolgen  verpflichtet 
seien.  Daher  sei  die  Frage,  welche  Stellung  Japan  zu  der  Blockade 
einnehme,  nicht  klar.  Das  Urteil  erster  Instanz  besage  in  der  Begründung 
der  Entscheidung,  daß  die  allgemeinen  völkerrechtlichen  Bestimmungen 
und  Gebräuche  dahin  übereinkämen,  daß  Schiffe,  welche  den  Blockade- 
zustand kennten  und  in  der  Absicht,  in  das  Blockadegebiet  einzudringen, 
sich  demselben  näherten,  als  Blockadebrecher  anzusehen  seien  usw. 
Der  Reklamant  müsse  aber  abweisen,  daß  es  eine  ganz  allgemeine  Be- 
stimmung oder  ein  ausnahmslos  anerkannter  Brauch  des  Völkerrechts 
sei,  daß  der  noch  unvollendete  Akt  schon  als  Blockadebruch  anzusehen 
sei.  Der  europäische  Kontinent  erkenne  als  Prinzip  an,  daß  nur  der 
wirkliche  Blockadebruch  bestraft  werden  könne,  daß  aber,  wenn  das  . 
betreffende  Schiff  nicht  auf  frischer  Tat  oder  wenn  es  vor  Ausführung 
des   Blockadebruchs   betroffen   würde,   nicht  als   Blockadebrecher  an- 

3)  V. 

479 


Abschnitt  VI  24a  Prisengerlchtseiitschefdungen:  „Veteran". 

zusehen  sei.  Es  sei  daher  klar,  daß  der  in  Frage  stehende  Dampfer,  weil 
er  70  Seemeilen  von  der  Blockadelinie  entfernt  gewesen  sei,  nicht  als 
Blockadebrecher  abgeurteilt  werden  könne.  Daher  fordere  der  Rekla- 
mant Verwerfung  des  erstinstanzlichen  Urteils  und  eine  Entscheidung 
auf  Freilassung  des  Dampfers  „Veteran". 

Der  Staatsanwalt  beim  Sasebo-Prisengericht,  Yamamoto  Tat- 
surokuro,  bringt  hiergegen  folgendes  vor: 

1.  Der  Reklamant  habe  behauptet,  daß  das  Urteil  erster  Instanz 
den  Hauptbeweis  dafür,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  die 
Blockade  zu  brechen  und  nach  Port  Arthur  zu  gelangen  beabsichtigt 
habe,  in  der  alleinigen  Tatsache  erblicke,  daß  das  Schiff  auf  der  Höhe 
von  Wei-hai-wei  plötzlich  seinen  Kurs  nach  Nordost  geändert  habe, 
und  erkläre,  daß  diese  Entscheidung  jeder  Grundlage  entbehre.  Die 
Entscheidung  des  Gerichts,  daß  das  Schiff  nach  Port  Arthur  bestimmt 
gewesen  sei,  habe  sich  aber  darauf  begründet,  daß  der  Kapitän  nachts 
in  der  Richtung  nach  Port  Arthur  abgefahren  sei  und,  um  die  Reise 
unbemerkt  vollenden  zu  können,  die  Schiffsglocke  abgenommen  und 
von  dieser  Zeit  an  keine  Stunden  mehr  geglast  habe;  daß  er  ferner, 
als  er  auf  der  Höhe  von  Wei-hai-wei  angekommen  sei,  plötzlich  den 
Kurs  auf  Nordost  geändert  habe;  daß  er  dem  Bootsmann  und  den 
andern  chinesischen  Schiffsleuten,  welchen  damals  der  Verdacht  kam, 
daß  der  Dampfer  nach  Port  Arthur  gehen  solle,  auf  ihre  diesbezüglichen 
Fragen  keine  Antwort  gegeben,  sondern  sie  geschlagen  habe,  so  daß 
sie  Verletzungen  davontrugen,  und  als  Drohung  seinen  Revolver  ab- 
geschossen habe ;  daß  er  dann  den  oben  angedeuteten  Kurs  auf  W  V2  NW, 
d.  i.  auf  Port  Arthur,  geändert  habe.  Freilich  sei  es  wahr,  daß  die  Kurs- 
änderung des  Dampfers  zu  der  Zeit  nicht  nur  einen  Umweg,  sondern 
fast  ein  Zurückfahren  bedeute,  aber  der  Grund  hierfür  sei  der  ge- 
wesen, daß  der  Dampfer  vor  sich  Kriegsschiffe  gesehen  habe  und, 
um  deren  Gesichtsfeld  zu  entgehen,  entflohen  sei.  Später  sei  er  dann 
nach  Änderung  des  Kurses  auf  W 1/2  NW  gerade  auf  Port  Arthur  zu- 
gefahren. 

Ferner  behauptete  der  Reklamant,  daß,  um  nach  Port  Arthur  hinein- 
zukommen, der  Dampfer  um  Mitternacht  von  Wei-hai-wei  hätte  auf- 
brechen und  direkt  nach  Port  Arthur  fahren  müssen;  daß  es  daher 
bei  gesundem  Menschenverstand  schwer  anzunehmen  sei,  daß  jemand 
dies  anstatt  dessen  bei  Tagesanbruch  unternehmen  würde,  gerade  als 
ob  er  es  darauf  anlege,  von  unseren  Kriegsschiffen  gesehen  zu  werden. 
Aber  die  Aussage  des  Kapitäns  sowie  die  Notierung  im  Logbuch  gäben 
4  Uhr  morgens,  die  Aussageschrift  des  beschlagnehmenden  Offiziers 
4*0  morgens  als  Zeit  der  Beschlagnahme  an.  Wie  dem  nun  sei,  am 
19.  November  von  4  bis  5  Uhr  morgens  sei  es  noch  nicht  Tagesanbruch, 

480 


Pri«e«gerichUent8cheidiiiigen:  „Veteran''.  Abschnitt  VI<4« 

und  man  müsse  daher  mit  Recht  annehmen,  daß  die  Reise  heimlich 
im  Schutze  der  Nacht  unternommen  worden  sei. 

2.  Der  Reklamant  habe  behauptet,  daß  der  Ort,  wo  der  „Veteran" 
aufgebracht  worden  sei,  von  der  Blockadelinie  ungefähr  70  Seemeilen 
entfernt  sei  und  daß  die  Beschlagnahme  mit  Artikel  29  Absatz  1  '.unserer 
Seeprisenordnung*)  nicht  in  Einklang  zu  bringen  sei.  Das  sei  aber 
leeres  Oerede,  über  welches  man  nicht  zu  disputieren  brauche. 
Daß  der  Ort  der  Aufbringung  von  dem  Eingang  des  Hafens  von 
Port  Arthur  ungefähr  60  bis*  70  Seemeilen  entfernt  sei,  möge  wohl 
wahr  sein,  daß  er  aber  70  Seemeilen  von  der  Blockadelinie  ent- 
fernt sei,  sei  eine  Behauptung,  die  jedes  Beweises  entbehre.  Blockade- 
linie sei  das  Fahrgebiet,  in  welchem  die  Kriegsschiffe,  um  die  Blockade 
affektiv  zu  erhalten,  hin-  und  herführen  und  Aufsicht  ausübten.  Da 
es  nun  erwiesen  sei,  daß  der  Feind  in  einer  Entfernung  von  10  See- 
meilen von  Liaotishan  Minen  gestreut  hätte,  so  sei  es  nicht  schwer  aus- 
ziu'echnen,  daß  dieses  Fahrgebiet  der  Kriegsschiffe  etwa  30  bis  40  See- 
meilen weiter  auf  die  Höhe  des  Meeres  hinaus  sich  befunden  habe. 
Wenn  nun  auch,  wie  angenommen,  der  Ort  der  Aufbringung  des  frag- 
lichen Dampfers  vom  Hafeneingang  60  bis  70  Seemeilen  entfernt 
^wesen  sei,  von  der  Blockadelinie  sei  er  sicherlich  nicht  weit, 
ja  er  sei  vielleicht  ganz  in  der  Nähe  derselben  gewesen.  Da  »es  demnach 
unleugbar  sei,  daß  die  Aufbringung  mit  dem  Absatz  2  *)  des  Artikels  29 
unserer  Prisenordnung  durchaus  im  Einklang  sei,  so  stelle  sie  sich  keines- 
-wegs  als  ein  Mißbrauch  des  Repressionsrechts,  vielmehr  als  die  dem 
Fall  gerechtwerdende  Handlung  dar. 

Da  außerdem  der  Reklamant  in  seinen  Behauptungen : 

daß  die  Aufbringung  sieb  nicht  mit  Artikel  29,  Absatz  1, 
der  Prisenbestimmungen  vereinbaren  lassej  daß  das  Schiff 
rechtmäßig  nicht  zur  Verantwortung  gezogen  werden  könne, 
weil  es  noch  Zeit  gehabt  hätte,  sein  Vorhaben  aufzugeben, 
oder  zu  ändern  usw. 
jfegen  Sachen  Vorwürfe  erhöbe,  welche  dem   erstinstanzlichen   Urteil 
gar  nicht  zugrunde  gelegt  seien,  so  erübrige  es  sich,  dagegen  zu  dis- 
putieren. 

3.  Der  Reklamant  behaupte,  daß  nach  kontinentaler  Theorie  nur 
der  wirkliche  Blockadebruch  Bestraft  werde,  daß  aber  eine  nicht  frische 
oder  noch  unvollendete  Tat  nicht  als  Blockadebruch  gelte.  Aus  diesem 
Grunde  halte  der  Reklamant  die  Aufbringung  des  hier  verhandelten 
Schiffes  für  unrechtmäßig.  Aber  von  den  beiden  Theorien,  welche 
fast  allen  Präcedenzen  und  Gebräuchen  zugrunde  lägen  und  von 
allen  zivilisierten  Staaten  als  völkerrechtliche  Prinzipien  anerkannt  seien, 

♦)  V.  —  *)  soll  heißen:  „Absatz  1". 

MArttrand-MdehlenbariTi  Du  jApanitoh»  Prisenreoht.    BhuI  I.       (31)  wl 


Abschnitt  VI 24a  Prisengerichtsentscheidungen:  .Veteran*. 

nämlich  den  englischen  Prinzipien  auf  der  einen  und  den  kontinentalen 
auf  d^r  andern  Seite,  seien  die  englischen  Grundsätze  am  verbreitetsten^ 
und  es  sei  ferner  allgemein  bekannt,  daß  der  japanische  Staat  seit  dem 
Kriege  im  Jahre  1894  bis  95  die  englischen  Theorien  angenommen  habe. 
Je  nach  dem  Prinzip,  welches  man  zugrunde  lege,  sei  natürlich  auch 
das  Resultat  ein  anderes.  Es  sei  aber  unmöglich,  dem  Urteil  erster 
Instanz  einen  Vorwurf  daraus  zu  machen,  daß  es  sich  auf  das  englische 
Prinzip  stütze,  anstatt  das  kontinentale  anzunehmen. 

Die  Berufung  sei  daher,  weil  in  all^en  Punkten  unbegründet,  ab- 
zuweisen. 

Die  vorliegende  Entscheidung  wird,  wie  folgt,  begründet: 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „Veteran"  ist  Eigentum 
des  in  Tsingtau  ansässigen  deutschen  Reichsangehörigen  Eduard 
Eichwede. 

Es  ist  unbestritten,  daß  der  Kapitän  des  Dampfers  am  17.  November 
1904  um  Mitternacht  Tsingtau  verlassen  hat  und  am  19.  November  um 
4  Uhr  morgens  an  einem  Punkte  38°  6'  30"  nördlicher  Breite  und 
122  0  40'  30"  östlicher  Länge  von  dem  auf  Blockadedienst  befindlichen 
Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Tatsuta"  aufgebracht  worden  ist. 

Punkt  1  der  Berufung  sagt,  das  Urteil  erster  Instanz  erblicke  den 
Hauptbeweis  dafür,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  die 
Blockade  zu  brechen  und  nach  Port  Arthur  zu  gelangen  beabsichtigt 
habe,  in  der  alleinigen  Tatsache,  daß  das  Schiff  auf  der  Höhe  von  Wei- 
hai-wei  plötzlich  seinen  Kurs  nach  Nordost  geändert  habe,  und  erklärt 
die  Entscheidung  für  völlig  grundlos.  Dem  steht  jedoch  ein  Telegramm 
des  Oberstkommandierenden  unserer  vereinigten  Kriegsflotte  an  den 
Kommandanten  des  Kriegshafens  Sasebo  entgegen,  des  Inhalts,  daß  sein 
Schiff  am  19.  November  um  3  Uhr  morgens  in  einer  Entfernung  von 
32  Seemeilen  S  zu  O  3/4  O  von  der  Insel  Yuentao  bei  nordwestlichem 
Kurs  auf  Backbord  einen  fast  in  derselben  Richtung  fahrenden  Dampfer 
gesichtet,  nach  einiger  Zeit  die  Schiffslichter  außer  Sicht  verloren  und 
sofort  die  „Tatsuta''  auf  die  Suche  geschickt  habe,  welche  den  Dampfer 
um  5  Uhr  morgens  gefunden  habe  usw.  Nach  diesem  Telegramm 
kann  die  Vermutung,  daß  der  fragliche  Dampfer,  als  er  auf  der  Höhe 
von  Wei-hai-wei  unser  Kriegsschiff  sichtete,  seinen  Kurs  änderte,  um 
aus  dem  Gesichtsfeld  desselben  zu  gelangen  und  zu  entweichen,  nicht 
bezweifelt  werden.  Dies  wird  noch  klarer,  wenn  man  damit  die  Aus- 
sage des  Steuermanns  Wong  Tak  Sui  und  die  Differenz  der  Zeit 
des  „Veteran"  und  des  Kriegsschiffes  von  ungefähr  einer  Stunde  zu- 
sammenhält. Das  Gericht  ist  demnach  der  Ansicht,  daß  der  Dampfer 
schon  vor  Änderung  seines  Kurses  auf  Schleichfahrt  nach  Port  Arthur 
begriffen  war.  Denn  wenn  der  Dampfer  nicht  die  Absicht  des  Blockade- 
bruchs hatte,  so  lag  keine  Notwendigkeit  vor,  weshalb  er  seinen  Kurs 

482  


Prisengerichtsentscheidungen:  „Veteran''.  Abschnitt  VI^' 

fast  bis  zur  entgegengesetzten  Richtung  hätte  ändern  und  die  Flucht 
ergreifen  sollen.  Wenn  er  ferner  nach  Niutschwang  zu  fahren  vorhatte, 
so  hätte  er  von  dem  Punkte,  wo  er  das  Leuchtfeuer  des  Shantung-Vor- 
gebirges  4  Seemeilen  westlich  sichtete,  direkt  in  die  Mitte  der  Liaotishan- 
Straße  mit  nordwestlichem  Kurs  steuern  müssen.  Wenn  man  nun  die 
Entfernung  des  von  dem  Kriegsschiff  gesichteten  Backbordlichts  zu: 
dem  gewöhnlichen  Oesichtshorizont  von  2  Seemeilen  ansetzt  und  an-' 
nimmt,  daß  der  Ort,  wo  unser  Kriegsschiff  dasselbe  am  19.  November 

3  Uhr  morgens  gesichtet  hat,  ungefähr  in  einer  nördlichen  Breite  von 
38®  1 '  und  einer  östlichen  Länge  von  122 <>  26',  d.  h.,  daß  er  von  dem 
Punkte,  wo  man   das  Leuchtfeuer  des  Shantung-Vorgebirges  westlich 

4  Seemeilen  ab  sichtet,  in  der  Richtung  von  N  zu  WV2W  liegt,  so 
weicht  dieser  Punkt  von  der  Fahrrichtung  nach  Niutschwang  ungefähr 
21/2  Strich  nach  Osten  ab,  und  der  Bug  des  zu  der  Zeit  mit  unserm 
Kriegsschiff  ziemlich  in  gleicher  Richtung  fahrenden  Dampfers  „Veteran" 
vt'ies  demnach  gerade  auf  den  Hafeneingang  von  Port  Arthur. 

Der  Kapitän  behauptet  ferner,  daß  durch  Maschinenschaden  seine 
Fahrgeschwindigkeit  vermindert  gewesen  sei  und  daß  er,  um  der  Gefahr, 
auf  Land  getrieben  zu  werden,  zu  entgehen,  die  von  dem  gewöhnlichen 
Kurse  abweichende  Richtung  einzuschlagen  genötigt  gewesen  sei.  Selbst 
wenn  man  der  Tatsache,  daß  weder  die  Eintragung  im  Schiffsjournal 
mit  der  Wirklichkeit,  noch  auch  die  Kladde  des  Maschinenjournals  mit 
der  Reinschrift  übereinstimmen,  kein  entscheidendes  Gewicht  beilegt, 
so  muß  doch  demgegenüber  gesagt  werden,  daß,  da  unbestrittenermaßen 
nur  ein  leichter  Nordwest  wehte,  weder  die  Windverhältnisse  noch  auch 
die  Position  des  Schiffes  zum  Lande,  selbst  bei  etwas  verminderter 
Fahrmöglichkeit  das  Schiff  nicht  nötigten,  einen  besonderen  Umweg 
zu  nehmen,  um  der  Gefahr  des  Auftreibens  zu  entgehen.  Denn  das 
Schiff  hatte,  wenn  es  nach  Niutschwang  fuhr,  nur  eine  leichte  Brise  von 
vorn;  achtern  lag  kein  Land  zum  Auflaufen,  und  im  Weiterfahren 
entfernte  es  sich  von  selbst  allmählich  von  dem  zu  Backbord  liegenden 
Land. 

Ferner  hat  der  Kapitän  am  Tage  nach  der  Abfahrt  von  Tsingtau 
die  Schiffsglocke  abgenommen  und  von  da  ab  keine  Stunden  mehr  glasen 
lassen;  er  hat  weiter,  als  er  auf  die  Höhe  von  Wei-hai-wei  kam,  plötzlich 
den  Kurs  geändert  und  dem  Bootsmann  und  den  andern  chinesischen 
Schiffsleuten,  welchen  damals  der  Verdacht  kam,  daß  der  Dampfer  nach 
Port  Arthur  gehen  solle,  auf  ihre  diesbezüglichen  Fragen  keine  Antwort 
gegeben,  sondern  sie  geschlagen,  so  daß  sie  Verletzungen  davontrugen; 
schließlich  hat  er  als  Drohung  seinen  Revolver  abgeschossen;  er  hat 
währenddessen  den  neuangenommenen  Kurs  beibehalten,  um  erst  später 
mit  wiederum  verändertem  Kurs  in  die  Richtung  auf  Port  Arthur  zu-, 
zufahren;  ferner  war  es  festzustellen,  daß  er  erst  einige  Tage  zuvor 

(31*)  48a 


Abschnitt  VI  24  a  Prisengerichtsentscheidungen:  »Veterftn*. 

den  Schiffskörper  sowie  die  Boote  schwarzgrau  hat  anstreichen  lassen; 
zur  Zeit  der  Beschlagnahme  brannten  die  Toplaterne  und  die  Backbord- 
laterne nur  sehr  schwach,  und  die  Luken  und  alle  sonstigen  Stellen, 
aus  denen  Licht  hätte  herausdringen  können,  waren  verschlossen.  Alle 
diese  Handlungen  sind  unzweifelhaft  mit  dem  Zwecke  vorgenommen, 
unserer  Kontrolle  Auge  und  Ohr  zu  benehmen.  Alles  dieses,  sowie  die 
Tatsache,  daß  das  Schiff  zur  Zeit  der  Beschlagnahme  mit  dem  Kurs 
NWVäW,  d.  h.  auf  Port  Arthur,  fuhr,  sind  ausreichend,  um  zu  dem 
Schluß  zu  kommen,  daß  der  Dampfer  unter  dem  Schutze  der  Nacht 
die  Blockade  zu  brechen  und  heimlich  nach  Port  Arthur  zu  fahren 
vorhatte. 

Daher  ist  Punkt  1  der  Berufung  unbegründet. 

Im  Punkte  2  der  Berufung  behauptet  der  Reklamant,  der  Ort, 
an  welchem  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  aufgebracht  worden 
sei,  sei  von  der  Blockadelinie  etwa  70  Seemeilen  entfernt,  und  es  könne 
nicht  als  Tatsache  angesehen  werden,  daß  das  Schiff  die  Blockadelinie 
zu  überschreiten  und  in  den  Hafen  einzufahren  beabsichtigt  habe.  Die 
Aufbringung  des  hier  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfers  sei  ein 
gründlicher  Mißbrauch  des  Repressionsrechts,  denn  sie  sei  mit  dem 
Absatz  1  des  Artikels  29  unserer  Seeprisenordnung,  die  von  Schiffen 
spreche,  „welche  die  Blockadelinie  überschreiten  und  in  das  Blockade- 
gebiet eindringen  oder  einzudringen  beabsichtigen",  nicht  in  Einklang 
zu  bringen.  Schiffe,  welche  so  weit  wie  das  vorliegende  von  der 
Blockadelinie  entfernt  seien,  könnten,  selbst  wenn  sie  nach  dem  blockierten 
Hafen  bestimmt  seien,  nicht  zur  Verantwortung  gezogen  werden,  da 
sie  noch  reichlich  Zeit  hätten,  diese  Bestimmung  aufzugeben  oder  zu 
ändern.  Da  aber  unsere  Blockadeschiffe,  die  in  ungefähr  10  Seemeilen 
Entfernung  von  der  Küste  aufrangiert  waren,  die  darüber  hinausliegende 
Meeresfläche  abzufahren  hatten  und  bei  dieser  Ausübung  des  Wach- 
dienstes bis  zu  30  Seemeilen  und  mehr  südlich  von  der  22  Seemeilen 
von  der  Küste  entfernt  liegenden  Insel  Yuentao  umherkreuzten,  wo 
erwiesenermaßen  der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  von  einem 
der  Blockadeschiffe  entdeckt  wurde,  so  muß  der  Ort  der  Aufbringung 
als  in  der  Nähe  des  Blockadegebiets  befindlich  erachtet  werden.  Es 
ist  demnach  klar,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  den  Blockade- 
bruch bereits  begonnen  hatte,  und  auch  Punkt  2  der  Berufung  ist 
grundlos. 

Da  es  ferner  völkerrechtlich  anerkannt  ist,  daß  Schiffe,  welche 
einen  Blockadebruch  begonnen  haben,  aufgebracht  werden  können,«) 
so  ist  auch  Punkt  3  der  Berufung  hinfällig. 


«)  V.  §§  29.2  und  37,3 
48i 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Veteran*.  Abschnitt  VI  24b 

.  Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden : 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  6.  Juli  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


Reklamanten:  Die  in  Tsingtau,  China,  ansässigen  deutschen  Reichs- 
angehörigen, Prokuristen  der  Firma  Diederichsen,  Jebsen  &Co. : 
Emil  Walikoff  und  Werner  Qeim. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Ishibashi  Tomokichi  in 
Nagasaki,  Togiyamachi  Nr.  41. 

In  der  Prisensache,  betreffenid  die  auf  dem  deutschen  Dampfer 
„Veteran"  verschifften  Güter,  wird,  wie  folgt,  entschieden: 

Urteilsformel: 
Die  sämtlichen  auf  dem  deutschen  Dampfer  „Veteran"  verschifften, 
in   beigeheftetem  Verzeichnis  aufgeführten  Güter  werden  eingezogen. 

Tatbestand  und  Gründe: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  sind  Eigentum  der  in 
Tsingtau  ansässigen,  aus  deutschen  Handelstreibenden  bestehenden  Firma 
Diederichsen,  Jebsen  &  Co.,  wurden  auf  dem  von  dieser  Firma 
gecharterten  Dampfer  „Veteran"  verschifft  und  verließen  am  17.  No- 
vember 1904  um  Mitternacht  Tsingtau  mit  Bestimmung  für  Port  Arthur. 
Am  19.  desselben  Monats  um  4  Uhr  morgens  wurde  der  „Veteran"  von 
dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Tatsuta"  38  o  6'  30"  nördlicher  Breite 
und  122  0  40'  30"  östlicher  Länge  wegen  Blockadebruchs  zusammen 
mit  den  zur  Verhandlung  stehenden  Gütern  beschlagnahmt,  i) 

Diese  Tatsachen  gehen  klar  hervor  aus  dem  Protokoll  des  Offi- 
ziers, der  die  Beschlagnahme  in  Stellvertretung  (des  Kommandanten) 
ausführte,  Kapitänleutnants  Ohara  Shunji,  aus  den  Vernehmungs- 
protokollen des  Kapitäns  Karl  Edler,  des  ersten  Offiziers  Anton 
Müller,  des  ersten  Maschinisten  M  a  x  H  a  s  e ,  des  zweiten  Maschinisten 
Fritz  Bruns,  des  Bootsmanns  Wong  Tack  Sui,  der  Steuerleute 
Wong  Sai  Hock  und  Wong  Kee  Sang,  der  Heizer  Ka  Tack 
Loi  ;und  Hong  Hing  Wing,  aus  dem  Flaggenatteste,  dem  Log- 
buch, dem  Original-Maschinenjournal,  aus  dem  Teil  der  Untersuch ungs- 

0  V.  §  37,3. 

tö5 


Abschnitt  VI 24k  Prisengerichtsentscheidungen:  .Veteran'. 

akten  des  beaufsichtigten  Rats,  betreffend  die  Abnahme  der  Schiffs- 
glocke, dem  Gutachten  des  Marine-Maschinen-Ingenieurs  Hirano 
Katsuhiko  über  den  Maschinenschaden  an  der  Führungsstange  und 
aus  dem  Chartervertrag. 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  des  Vertreters  der  Rekla- 
mation sind  folgende: 

Es  werde  Freigabe  der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  be- 
antragt,  und  zwar  aus  folgenden  Gründen: 

Der  Dampfer  sei  am  17.  November  1904  von  Tsingtau  abgefahren 
mit  der  Bestimmung,  zuerst  nach  Niutschwang  und  dann  über  Tientsin 
nach  Tschifu  zu  fahren.  Das  ergebe  sich  aus  dem  zwischen  den  Rekla- 
manten und  dem  Schiffseigentümer  abgeschlossenen  Chartervertrag  und 
den  Ladescheinen.  Ein  Teil  der  Ladung  sei  für  die  Firma  Bandinel 
&  Co.  in  Niutschwang  bestimmt  gewesen  und  habe  durch  diese  ver- 
kauft werden  sollen;  die  anderen  Güter  seien  für  Teige,  Schröter 
&  Co.  in  Tientsin  und  Diederichsen,  Jebsen  &  Co.  in  Tschifu 
bestimmt  gewesen.  Ein  Transport  der  Güter  nach  Port  Arthur  sei 
nie  beabsichtigt  gewesen. 

Für  einen  Dampfer  mit  dem  Reiseziel  Niutschwang  habe  es  aller- 
dings den  Anschein,  als  ob  der  Dampfer  von  der  Höhe  des  Shantung- 
Vorgebirges  aus  zu  sehr  nordöstlich  in  die  offene  See  gesteuert  habe; 
aber  zu  der  Zeit  habe  der  Dampfer  Maschinenschaden  gehabt  und 
wäre  bei  seiner  verminderten  Fahrgeschwindigkeit  und  dem  herrschenden 
NW-Wind  in  Strandungsgefahr  gewesen,  wenn  er  nicht  einen  von 
dem  gewöhnlichen  Kurs  für  Niutschwang  nach  NO  abweichenden  Kurs 
angenommen  hätte.  Auf  Port  Arthur  sei  aber  niemals  Kurs  gehalten 
worden.  Der  Staatsanwalt  führe  in  seinem  Schriftsatz  als  Beweis  für 
die  beabsichtigte  heimliche  Fahrt  nach  Port  Arthur  die  Tatsache  an, 
daß  Kisten,  welche  Milch  und  Seife  enthielten,  mit  „Port  Arthur"  ge- 
zeichnet seien.  Es  sei  jedoch  kaum  anzunehmen,  daß  jemand,  der 
eine  Blockade  zu  brechen  vorhabe,  selbst  das  Beweismaterial  für  dieses 
Vorgehen  offenbaren  würde.  Deshalb  sei  jene  Aufschrift  auf  den  Kisten 
vielmehr  ein  Beweis  dafür,  daß  der  Dampfer  die  ihm  vorgeworfene 
Absicht  nicht  gehabt  habe.  Daß  ferner  nach  dem  Lichten  des  Ankers 
während  der  Fahrt  der  Kapitän  die  Schiffsglocke  habe  abnehmen  lassen, 
sei  durchaus  nicht  mit  einer  Absicht,  die  Fahrt  nach  Port  Arthur  un- 
bemerkt ausführen  zu  können,  in  Verbindung  zu  bringen;  die  Ent- 
fernung deu  Glocke,  welche  noch  den  alten  Namen  des  Schiffes  „Phalos" 
trug,  habe  vielmehr  lediglich  als  ein  gutes  Omen  für  die  Fahrt  dienen 
sollen.  Es  sei  ferner  nicht  erwiesen,  daß  die,  aus  den  Niutschwang  als 
Bestimmungshafen  bezeichnenden  und  durchaus  in  Ordnung  befind- 
lichen Schiffspapieren  sich  als  beabsichtigt  ergebende  Reise  mit  dem 
tatsächlich  genommenen  Kurs  nicht  in  Einklang  zu  bringen  sei.     Des 

486 


Priaengerichtsentscheidungen:  «Veteran*.  Abschnitt  VI  24  h 

weiteren  liefere  die  Aufbringung  des  Dampfers  auf  offener  See  in 
einer  Entfernung  von  60  bis  70  Seemeilen  von  Port  Arthur  keine 
hinreichende  Unterlage  für  die  Behauptung,  daß  der  Dampfer  geplant 
habe,  die  Blockadelinie  zu  überschreiten  und  somit  die  Blockade  zu 
brechen.    Daher  sei  die  Beschlagnahme  unrechtmäßig. 

Die  Hauptpunkte  der  Ansicht    des  Staateariwalts   sind    folgende: 

Der  fragliche  Dampfer  habe  versucht,  die  Blockade  zu  brechen,  zu 
einer  Zeit,  wo  zweifellos  die  Blockade  effektiv  gewesen  sei.  Alle  an 
Bord  des  Dampfers  befindlichen  Güter  seien  daher,  weil  es  beabsichtigt 
gewesen  sei,  dieselben  heimlich  nach  Port  Arthur  einzuführen,  ein- 
zuziehen. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Die  allgemeinen  völkerrechtlichen  Bestimmungen  und  Gebräuche 
kommen  dahin  überein,  daß  die  Ladung  von  Schiffen,  welche  als 
Blockadebrecher  handeln,  einzuziehen  sind,  mit  Ausnahme  von  solchen 
Gütern,  welche  Personen  gehören,  die  von  der  Sache  absolut  keine 
Kenntnis  hatten.  Wenn  nun  Schiffe  eine  Blockade  zu  brechen  vor- 
haben., so  ist  ein  ganz  gewöhnliches  Mittel,  um  der  Aufbringung  zu 
entgehen,  daß  sie  allerhand  falsche  Dokumente  herstellen.  So  waren 
unter  den  Schiffspapieren  des  fraglichen  Dampfers  nur  für  einen  Teil 
der  Ladung  Frachtscheine  vorhanden,  das  Original-Maschinenjournal 
und  die  Reinschrift  stimmten  nicht  überein,  und  auch  das  von  dem 
Prozeßvertreter  des  Reklamanten  beigebrachte  Ladungsverzeichnis  deckt 
sich  nicht  mit  der  vorhandenen  Ladung.  Daher  kann  die  Echtheit 
aller  dieser  Dokumente  nicht  anerkannt  werden.  Was  den  Kurs  des 
Dampfers  angeht,  so  hat  der  Prozeßvertreter  behauptet,  daß*  der  Dampfer, 
als  er  die  Höhe  des  Shantung- Vorgebirges  passiert  hatte,  Maschinen- 
schaden erlitt,  infolge  dessen  die  Geschwindigkeit  herabgesetzt  wurde 
und  der  Dampfer  in  Gefahr  kam,  auf  Land  getrieben,  zu  werden.  Diese 
Behauptungen  können  jedoch  in  Anbetracht  der  Beweise,  die  sich  aus 
den  Protokollen  der  im  Maschinenraum  zur  fraglichen  Zeit  beschäftigt 
gewesenen  Chinesen  und  aus  dem  Original-Mäschinenjoiirnal  ergeben, 
sowie  der  Beweise,  die  sich  auf  das  Vorhandensein  oder  das  Nicht- 
vorhandensein des  Maschinenschadens  beziehen,  nicht  als  richtig  an- 
erkannt werden.  Es  ist  vielmehr  klar  erwiesen,  daß  der  Dampfer  auf 
der  Höhe  von  Wei-hai-wei  plötzlich  den  Kurs  nach*  NO  änderte  und 
von  da  ab  in  der  Richtung  nach  Port  Arthur  fuhr,  während  welcher 
Fahrt  er  aufgebracht  wurde.  Die  Tatsache  ferner,  daß  der  Dampfer 
60  bis  70  Seemeilen  vor  Port  Arthur  auf  der  See  aufgebracht  wurde, 
steht  nicht  dem  Schlüsse  entgegen,  daß  es  beabsichtigt  war,  mit  dem- 
selben einen  Blockadebruch  auszuführen.  Nach  Aufführung  aller  der 
vorstehenden  Tatsachen  erübrige  es  sich,  auf  die  anderen  Verteidigungs- 
punkte  des  Prozeßvertreters  einzugehen.     Da  dem   Charterer  sowohl 

487 


Abschnitt  VI»» 


Prisengetichtsentscheidungen:  .Veteran*. 


wie  dem  Kapitän  des  fraglichen  Dampfers  bekannt  war,  daß  zur  frag- 
lichen Zeit  die  Blockade  seitens  des  japanischen  Geschwaders  t)estand, 
und  es  anerkannt  werden  muß,  daß  der  Dampfer  zwecks  Schleichimports 
die  Blockade  zu  brechen  beabsichtigte,  so  entscheidet  das  Gericht,  da 
die  Güter  auf  einem  Schiff  verladen  worden  waren,  welches  als  Blockade- 
brecher anzusehen  ist  und  da  sie  alle  im  Eigentum  des  Charterers  dieses 
Blockadebrechers  stehen,  wie  in  der  Urteilsformel  auf  Einziehung  der 
gesamten  Ladung.*) 

Verkündet  im  Prisengericht  zu  Sasebo  am  1.  März  1905  im  Beisein 
des  Staatsanwalts  Mizukami  Chojiro. 

(Unterschriften.) 


Ladungsverzeichnis  des  Dampfers  „Veteran". 


Nr. 


Art  der  Güter 


Zahl  der 
Stocke 


Absender 


2 

3 

4 

5 

6 

7 

8 

9 

10 

11 

12 

13 

14 

15 

16 

17 

18 
19 


Pelze 


Pelzmantel    .    .    . 

Stiefel 

Baumw.  Beinkleider 
Baumw.  Hemden  . 
Gesalzenes  Rindfleisch 
Gesalzene  Gemflse 

Tee 

Kartoffeln     .    .    . 
Kondensierte  Milch 
Fleischkonserven   . 
Tabak  .    .    . 
Zigaretten     . 
Streichhölzer 
Seife    .    .    . 
Arzneimittel  . 


Schwefelsäure 
Heilmittel      . 


89  Kolli 


130 

60 

40 

19 

1859 

339 

300 

379 

335 

1454 

68 

3 

78 

1600 

12 

1 

96 
74 


Kisten 
Kolli 

Fässer 

Kisten 
Säcke 
Kisten 


Fässer 
Kollo 
i.Stroh 
Kisten 


Diederichsen,  Jebsen  &  Co. 
in  Tsingtau 


488 


*)  V.  §  45. 


Prisengerichtsentscheidungen:  »Veteran*.  Abschnitt  VI  24  b 

Reklamanten :  Die  Prokuristen  der  Firma  Diederichsen,  Jeb- 
s  e  n  &  Co.  in  Tsingtau,  China :  E  m  i  1  Wa  1  i  k  o  f  f  und  WernerGleim. 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  IshibashiTomokichi,  Re- 
gierungsbezirk Nagasaki,  Nagasaki,  Togiyamachi  41. 

Am  1.  März  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der  Prisen- 
sache, betreffend  die  Ladung  des  am  19.  November  1904  38»  6'  36" 
nördlicher  Breite  und  122  ^  40'  30"  östlicher  Länge  von  dem  Kaiser- 
lichen Kriegsschiff  „Tatsuta"  aufgebrachten  deutschen  Dampfers 
„Veteran",  ein  Urteil  gefällt,  nach  welchem  diese,  in  dem  der  Ent- 
scheidung beigefügten  Ladungsverzeichnis  aufgeführte  Ladung  insgesamt 
einzuziehen  ist.  Gegen  diese  Entscheidung  hat  der  Rechtsanwalt 
Ishibashi  Tomokichi  als  Prozeß  Vertreter  der  Reklamanten  Emil 
Walikoff  und  Werner  Geim  Berufung  eingelegt.  Diese  Berufung 
ist  von  dem  Oberprisengericht  im  Beisein  des  Staatsanwalts  Dr.  jur. 
Ishiwatari  Binichi  geprüft  worden. 

Die  Hauptberufungspunkte  des  Vertreters  der  Reklamation  Ishi- 
bashi Tomokichi  und  deren  Begründung  sind  folgende: 

1.  Das  Urteil  erster  Instanz  erblicke  den  Hauptbeweis  dafür,  daß 
das  fragliche  Schiff  die  Blockade  zu  brechen  und  nach  Port  Arthur 
zu  gelangen  beabsichtigt  habe,  in  der  alleinigen  Tatsache,  daß  das  Schiff 
auf  der  Höhe  von  Wei-hai-wei  plötzlich  seinen  Kurs  nach  Nordost 
geändert  habe.  Diese  Entscheidung  entbehre  jeder  Grundlage,  denn, 
wenn  das  Schiff  von  Wei-hai-wei  nach  Port  Arthur  zu  gelangen  vor- 
gehabt habe,  so  wäre  es  besser  gewesen,  gleich  von  Wei-hai-wei  aus 
nördlich  zu  fahren.  Um  nach  Port  Arthur  zu  gelangen,  hätte  es 
nicht  nötig  gehabt,  Kurs  auf  Nordost  in  die  Bai  von  Korea  zu  nehmen 
und  so  einen  ungefähr  viermal  so  langen  Umweg  zu  machen.  Ferner 
wäre,  um  die  Blockade  zu  brechen,  die  Nachtzeit  am  geeignetsten  ge- . 
wesen  und,  wenn  das  fragliche  Schiff  ein  derartiges  Unternehmen  vor- 
gehabt hätte,  so  hatte  es  dazu  von  ,Wei-hai-wei  um  Mitternacht  auf- 
brechen und  direkt  nach  Port  Arthur  fahren  müssen.  Bei  gesundem 
Menschenverstand  könne  man  schwerlich  annehmen,  daß  jemand  anstatt 
dessen  seinen  Kurs  auf  Nordost  ändern  und,  gerade  als  ob  er  es  darauf 
anlege,  von  unseren  Kriegsschiffen  gesehen  zu  werden,  bei  Tagesanbruch 
an  der  Stelle,  wo  der  Dampfer  aufgebracht  worden  sei,  um  herfahren 
werde.  Daher  beruhten  die  dem  erstmstanzlichen  Urteil  zugrunde 
gelegten  und  von  demselben  anerkannten  Tatsachen  auf  Irrtum. 

2.  Da  der  Ort,  an  welchem  das  fragliche  Schiff  aufgebracht  worden 
sei,  von  der  Blockadelinie  etwa  70  S^meilen  entfernt  sei,  so  könne 
man  es  nicht  als  Tatsache  ansehen,  daß  das  Schiff  die  Blockadelinie 
zu  überschreiten  und  in  den  Hafen  einzufahren  beabsichtigt  habe.  Wenn 
das  Kriegsschiff  die  Aufbringung  auf  das  sogenannte  Repressionsrecht 

m 


Abschnitt  VI  24k  Prisengerichtsentscheidungen:  „Veteran". 

stützen  wolle,  so  erblickten  die  Reklamanten  darin  einen  Mißbrauch 
dieses  Rechts,  denn  eine,  wie  im  vorliegenden  Falle,  auf  einem  von 
der  Blockadelinie  70  Seemeilen  entfernten  Punkte  erfolgte  Aufbringung 
stehe  nicht  im  Einklang  mit  Absatz  1  des  Artikels  29  unserer  See- 
prisenordnung, 3)  die  von  Schiffen  spreche,  „welche  die  Blockadelinie 
überschreiten  und  in  das  Blockadegebiet  eindringen  oder  einzudringen 
beabsichtigen'*.  Schiffe,  wie  das  fragliche,  könnten,  selbst  wenn  sie 
nach  dem  blockierten  Hafen  bestimmt  seien,  weil  sie  inzwischen  noch 
reichlich  Zeit  hätten,  diese  Bestimmung  aufzugeben  oder  zu  ändern, 
nach  einem  rechtmäßigen  völkerrechtlichen  Grundsätze  nicht  zur  Ver- 
antwortung gezogen  werden.  Dies  um  so  weniger,  wenn  es  nicht  ein- 
mal klar  bewiesen  sei,  ob  der  blockierte  Hafen  der  Bestimmungshafen 
sei  oder  nicht.  Deshalb  müsse  der  Ort  der  Aufbringung  in  der  Nähe 
der  Blockadelinie  liegen  und,  bevor  ein  solcher  Punkt  erreicht  sei, 
könne  das  Repressionsrecht  nicht  als  bestehend  angesehen  werden. 

3.  Unsere  Seeprisenordnung  sei  lediglich  eine  vom  Hauptquartier 
erlassene  Verordnung,  welche  weder  die  Japaner,  geschweige  denn  die 
Ausländer,  allgemein  zu  kennen  und  zu  befolgen  verpflichtet  seien. 
Daher  sei  die  Frage,  welche  Stellung  Japan  zu  der  Blockade  einnehme, 
nicht  klar.  Das  Urteil  erster  Instanz  besage  in  der  Begründung  der 
Entscheidung,  daß  die  allgemeinen  völkerrechtlichen  Bestimmungen  und 
Gebräuche  dahin  übereinkämen,  daß  Schiffe,  welche  den  Blockade- 
zustand kennten  und  in  der  Absicht,  in  das  Blockadegebiet  einzudringen, 
sich  demselben  näherten,  als  Blockadebrecher  anzusehen  seien  usw. 
Die  Reklamanten  müßten  es  aber  abweisen,  daß  es  eine  ganz  allgemeine 
Bestimmung  oder  ein  ausnahmslos  anerkannter  Brauch  des  Völkerrechts 
sei,  daß  der  noch  unvollendete  Akt  schon  als  Blockadebruch  anzusehen 
sei.  Der  europäische  Kontinent  erkenne  als  Prinzip  an,  daß  nur  der 
wirkliche  Blockadebruch  bestraft  werden  könne,  daß  aber,  wenn  das 
betreffende  Schiff  nicht  auf  ifrischer  Tat  oder  wenn  es  vor  Aus- 
führung des  Blockadebruchs  betroffen  würde,  nicht  als  Blockadebrecher 
anzusehen  sei.  Es  sei  daher  klar,  daß  der  in  Frage  stehende  Dampfer, 
weil  er  70  Seemeilen  von  der  Blockadelinie  entfernt  gewesen  sei,  nicht 
als  Blockadebrecher  abgeurteilt  werden  könne.  Daher  forderten  die 
Reklamanten  Verwerfung  des  erstinstanzlichen  Urteils  und  eine  Ent- 
scheidung auf  Freilassung  der  Ladung  des  Dampfers  „Veteran". 

Der  Staatsanwalt  beim  Sasebo-Prisengericht,  Yamamoto  Tat- 
surokuro,  bringt  hiergegen  folgendes  vor: 

Da  die  Berufungsgründe  in  der  vorliegenden  Sache  Wort  für  Wort 
mit  den  Berufungsgründen  der  Prisensache  des  Dampfers  „Veteran" 
übereinstimmten,  so  wünsche  er  seine  dort  vorgebrachte  Replik  auf  den 
vorliegenden  Fall  anzuwenden. 

')  V. 

490 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Veteran'.  Abschnitt  VI  24  k 

Die  vorliegende  Entscheidung  wird,  wie  folgt,  begründet: 

Die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  ist  auf  dem  Dampfer 
„Veteran"  verschifft  worden. 

Es  ist  unbestritten,  daß  der  Kapitän  des  Dampfers  am  17.  No- 
vember 1904  um  Mitternacht  Tsingtau  verlassen  hat  und  am  19.  No- 
vember um  4  Uhr  morgens  an  einem  Punkte  38 »  6'  30''  nördlicher 
Breite  und  122^  40'  30''  östlicher  Länge  von  dem  auf  Blockadedienst 
befindlichen  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Tatsuta"  aufgebracht  worden  ist. 

Punkt  1  der  Berufung  sagt,  das  Urteil  erster  Instanz  erblicke  den 
Hauptbeweis  dafür,  daß  das  in  Frage  stehende  Schiff  die  Blockade  zu 
brechen  und  nach  Port  Arthur  zu  gelangen  beabsichtigt  habe,  in  der 
alleinigen  Tatsache,  daß  das  Schiff  auf  der  Höhe  von  Wei-hai-wei  plötzlich 
seinen  Kurs  nach  Nordost  geändert  habe,  und  erklärt  die  Entscheidung 
für   völlig  grundlos.     Dem   steht  jedoch  ein   Telegramm   des  Oberst- 
kommandierenden unserer  vereinigten  Kriegsflotte  an  den  Kommandanten 
des  Kriegshafens  Sasebo  entgegen,  des  Inhalts,  daß  sein  Schiff  am  19. 
November  um  3  Uhr  morgens  in  einer  Entfernung  von  32  Seemeilen 
S  zu  O   Vi  O   von    der  Insel  Vuentao   bei   nordwestlichem  Kurs   auf 
Backbord  einen  fast  in  derselben  Richtung  fahrenden  Dampfer  gesichtet, 
nach   einiger  Zeit  die   Schiffslichter  auße'r  Sicht  verloren    und   sofort 
die  „Tatsuta"  auf  die  Suche  geschickt  habe,  welche  den  Dampfer  um 
5  Uhr  morgens  gefunden  habe  usw.    Nach  diesem  Telegramm  kann  die 
Vermutung,  daß  der  fragliche  Dampfer,  als  er  auf  der  Höhe  von  Wei- 
hai-wei  unser  Kriegsschiff  sichtete,  seinen  Kurs  änderte,  um  aus  dem 
Gesichtsfeld  desselben  zu  gelangen  und  zu  entweichen,  nicht  bezweifelt 
werden.     Dies  wird  noch   klarer,   wenn   man   damit  die   Aussage   des 
Steuermanns  WongTakSui  und  die  Differenz  der  Zeit  des  „Veteran" 
und  des  Kriegsschiffs  von  ungefähr  einer  Stunde  zusammenhält.    Das 
Gericht  ist  demnach  der  Ansicht,  daß  der  Dampfer  schon  vor  Änderung 
seines  Kurses  auf  Schleichfahrt  nach  Port  Arthur  begriffen  war.    Denn 
wenn  der  Dampfer  nicht  die  Absicht  des  Blockadebruchs  hatte,  so  lag 
kf  ine  Notwendigkeit  vor,  weshalb  er  seinen  Kurs  fast  bis  zuj*  entgegen- 
gesetzten Richtung  hätte  ändern  und  die  Flucht  ergreifen  sollen:    Wenn 
er  ferner  nach  Niutschwang  zu  fahren  vorhatte,  so  hätte  er  von  dem 
Punkte,  wo  er  das  Leuchtfeuer  des  Shantung-Vorgebirges  4  Seemeilen 
westlich  sichtete,  direkt  in   die  Mitte  der  Liaotishan-Straße  mit  nord- 
westlichem  Kurs  siieuern   müssen.     Wenn    man    nun    die   Entfernung 
des  von  dem  Kriegsschiff  gesichteten  Backbordlichts  zu  dem  gewöhn- 
lichen  Qesichtshorizont  von   2   Seemeilen   ansetzt   und  annimmt,   da& 
der  Ort,  wo  unser  Kriegsschiff  dasselbe  am  19.  November  3  Uhr  morgens 
gesichtet   hat,   ungefähr  in   einer   nördlichen   Breite   von   38  ^    1 '    und 
einer  östlichen  Länge  von  122  ^  26',  d.  h.,  daß  er  von  dem  Punkte, 
wo  man   das  Leuchtfeuer  des  Shantung-Vorgebirges  westlich   4  See- 

491 


Abschnitt  VI 24k  Prisengerichtsentscheidungen:  „Veteran". 

meilen  ab  sichtet,  in  der  Richtung  von  N  zu  W  ^/g  W  liegt,  so  weicht 
dieser  Punkt  von  der  Fahrrichtung  nach  Niutschwang  ungefähr  2V? 
Strich  nach  Osten  ab,  und  der  Bug  des  zu  der  Zeit  mit  unserm  Kriegs- 
schiff ziemlich  in  gleicher  Richtung  fahrenden  Dampfers  „Veteran'' 
wies  demnach  auf  den   Hafeneingang  von  Port  Arthur. 

Der  Kapitän  behauptet  ferner,  daß  durch  Maschinenschaden  seine 
Fahrgeschwindigkeit  vermindert  gewesen  sei  und  daß  er,  um  der  Gefahr, 
auf  Land  getrieben  zu  werden,  zu  entgehen,  die  von  dem  gewöhnlichen 
Kurs  abweichende  Richtung  einzuschlagen  genötigt  gewesen  sei.  Selbst 
wenn  man  der  Tatsache,  daß  weder  die  Eintragung,  im  Schiffsjournal 
mit  der  Wirklichkeit,  noch  auch  die  Kladde  des  Maschinenjournals  mit 
der  Reinschrift  übereinstimmen,  kein  entscheidendes  Gewicht  beilegt,, 
so  muß  doch  demgegenüber  gesagt  werden,  daß,  da  unbestrittener- 
maßen nur  ein  leichter  Nordwest  wehte,  weder  die  Windverhältnisse 
noch  auch  die  Position  des  Schiffes  zum  Lande,  selbst  bei  etwas  ver- 
minderter Fahrmöglichkeit,  das  Schiff  nicht  nötigten,  einen  besonderen 
Umweg  zu  nehmen,  um  der  Gefahr  des  Auftreibens  zu  entgehen.  Denn 
das  Schiff  hatte,  wenn  es  nach  Niutschwang  fuhr,  nur  eine  leichte 
Brise  von  vorn;  achtern  lag  kein  Land  zum  Auflaufen,  und  im  Weiter- 
fahren entfernte  es  sich  von  selbst  allmählich  von  dem  zu  Backbord 
liegenden  Land. 

Ferner  hat  der  Kapitän  am  Tage  nach  der  Abreise  von  Tsingtau 
die  Schiffsglocke  abgenommen  und  von  da  ab  keine  Stunde  mehr  glasen 
lassen ;  er  hat  weiter,  als  er  auf  die  Höhe  von  Wei-hai-wei  kam,  plötzlich 
den  Kurs  geändert  und  dem  Bootsmann  und  den  andern  chinesischen 
Schiffsleuten,  welchen  damals  der  Verdacht  kam,  daß  der  Dampfer 
nach  Port  Arthur  gehen  solle,  auf  ihre  diesbezüglichen  Fragen  keine 
Antwort  gegeben,  sondern  sie  geschlagen,  so  daß  sie  Verletzungen 
davontrugen;  schließlich  hat  er  als  Drohung  seinen  Revolver  ab- 
geschossen; er  hat  währenddessen  den  neuangenommenen  Kurs  bei- 
behalten, um  erst  später  mit  wiederum  verändertem  Kurs  in  die  Rich- 
tung auf  Port  Arthur  zuzufahren;  ferner  war  es  festzustellen,  daß  er 
erst  einige  Tage  zuvor  den  Schiffskörper  sowie  die  Boote  schwarz- 
grau hat  anstreichen  lassen;  zur  Zeit  der  Beschlagnahme  brannte  die 
Toplaterne  und  die  Backbqrdlateme  nur  sehr  schwach,  und  die  Luken 
und  alle  sonstigen  Stellen,  aus  denen  Licht  hätte  herausdringen  können,, 
waren  verschlossen.  Alle  diese  Handlungen  sind  unzweifelhaft  mit  dem 
Zwecke  vorgenommen,  unserer  Kontrolle  Auge  und  Ohr  zu  benehmen. 
Alles  dieses,  sowie  die  Tatsache,  daß  das  Schiff  zur  Zeit  der  Beschlag- 
nahme mit  dem  Kurs  NW  V2  W,  d.  h.  auf  Port  Arthur,  fuhr,  sind 
ausreichend,  um  zu  dem  Schluß  zu  kommen,  daß  der  Dampfer  unter 
dem  Schutze  der  Nacht  die  Blockade  zu  brechen  und  heimlich  nach. 
Port  Arthur  zu  fahren  vorhatte. 

492 


Prisengerichtsentscheidungen:  ,, Veteran''.  Abschnitt  VI  24b 

Daher  ist  Punkt  1  der  Berufung  unbegründet. 

Im  Punkt  2  der  Berufung  behaupten  die  Reklamanten,  der  Ort, 

an  welchem  das  in  Frage  stehende  Schiff  aufgebracht  worden  sei,  sei 

von  der  Blockadelinie  etwa  70  Seemeilen  entfernt,  und  es  könne  nicht 

als   Tatsache  angesehen  werden,  daß  das  Schiff  die  Blockadelinie  zu 

überschreiten  und  in  den   Hafen  einzufahren   beabsichtigt  habe.     Die 

Aufbringung  des  hier  in  Frage  stehenden  Dampfers  sei  ein  gründlicher 

Mißbrauch  des  Repressionsrechts,  denn  sie  sei  mit  dem  Absatz  1  des 

Artikels  29  unserer  Seeprisenordnung,  die  von  Schiffen  spreche,  „welche 

die  Blockadelinie  überschreiten  und  in  das  Blockadegebiet  einbrechen 

oder  einzubrechen  beabsichtigen",  nicht  in  Einklang  zu  bringen.    Schiffe, 

welche  so  weit  wie   das  vorliegende   von   der   Blockadelinie   entfernt 

seien,  könnten,  selbst  wenn  sie  nach  dem  blockierten  Hafen  bestimmt 

seien,  nicht  zur  Verantwortung  gezogen  werden,  da  sie  noch  reichlich 

Zeit  hätten,  diese  Bestimmung  aufzugeben  oder  zu  ändern.    Da  aber 

unsere  Blockadeschiffe,  die  in  ungefähr  10  Seemeilen  Entfernung  von 

der  Küste  aufrangiert  waren,  die  darüber  hinausliegende  Meeresfläche 

abzufahren  hatten  und  bei  dieser  Ausübung  des  Wachdienstes  bis  zu 

30  Seemeilen  und  mehr  südlich  von  der  22  Seemeilen  von  der  Küste 

entfernt  liegenden  Insel  Yuentao  umherkreuzten,  wo  erwiesenermaßen 

der  fragliche  Dampfer  von  einem  der  Blockadeschiffe  entdeckt  wurde, 

so  muß  der  Ort  der  Aufbringung  als  in  der  Nähe  des  Blockadegebiets 

befindlich  erachtet  werden.     Es  ist  demnach   klar,  daß  das  in  Frage 

stehende  Schiff  den  Blockadebruch  bereits  begonnen  hatte,  und  auch 

Punkt  2  der  Berufung  ist  grundlos. 

Da  es  ferner  völterrechtlich  anerkannt  ist,  daß  Schiffe,  welche 
einen  Blockadebruch  begonnen  haben,  aufgebracht  werden  können,  so 
ist  auch  Punkt  3  der  Berufung  hinfällig. 

Da  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  zur  Zeit  der  Aufbringung 
Artikel  dringenden  Bedarfs  für  die  in  Port  Arthur  befindlichen  feind- 
lichen Truppen  waren;  sie  ferner  alle  dem  Charterer  des  Dampfers 
gehören;  ferner  der  Charterer  sowohl  wie  der  Kapitän  des  Dampfers 
genaue  Kenntnis  von  dem  Bestehen  der  Blockade  hatten,  und  endlich 
angenommen  werden  muß,  daß  diese  einen  Blockadebruch  vorhatten, 
so  ist  das  Erkenntnis  der  ersten  Instanz  auf  Einziehung  der  gesamten 
Ladung  gerechtfertigt.*) 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  IQ.  Juli  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


*)  V.  §§  29  Ziffer  2  und  45. 

493 


Abschnitt  Vl^f  Prisengerichtsentschef düngen:  „King  Arthur". 

Reklamant:  Alonzo  Albert  Cox,  englischer  Staats- 
angehöriger, wohnhaft  in  London,  England,  New  Gross,  Waller  Road 
Nr.  135. 

In  der  Prisensache,  betreffend  den  englischen  Dampfer  „King 
Arthur",  wird,  wie  folgt,  entschieden: 

Urteilsformel  : 

Der  Dampfer  „King  Arthur"  wird  eingezogen. 

Die  Reklamation  betreffend  Ersatz  von  Schaden  und  Kosten  wird 
abgewiesen. 

Tatbestand  und  Gründe: 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „King  Arthur"  steht  im 
Eigentum  des  Reklamanten,  des  englischen  Staatsangehörigen  Alonzo 
Albert  Gox,  sein  Heimatshafen  ist  Bombay  in  Britisch  Indien,  er 
führt  die  englische  Handelsflagge  und  dient  zum  Gütertransport.  Ob- 
wohl Gox,  der  selbst  der  Kapitän  ist,  gewußt  hat,  daß  Port  Arthui 
zu  der  fraglichen  Zeit  von  dem  japanischen  Kriegsgeschwader  blockiert 
wurde,  hat  er  mit  Absicht,  sie  nach  dort  einzuführen,  ihm  gehörige 
50000  Sack  Weizenmehl  geladen  und  ist  am  8.  November  1904  unter 
der  Vorgabe,  nach  Niutschwang  zu  fahren,  von  Bombay  abgedampft. 
Am  12.  Dezember  desselben  Jahres  traf  er  5  bis  6  Seemeilen  auf  der 
Höhe  von  Liaotishan  auf  der  Halbinsel  Liaotung  ein  russisches  Kriegs- 
schiff, welches  ihn  nach  Port  Arthur  hineinführte.  Nach  Löschung" 
der  Ladung  nahm  er  den  deutschen  Kaufmann  Pauli  und  drei  andere 
Personen  an  Bord,  ließ  sich  aus  eigenem  Antriebe  eine  große  Zahl 
von  Briefen  anvertrauen  und  fuhr  am  19.  d.  M.  von  dort  wieder  ab. 
Auf  der  Reise  nach  Tschifu  in  Ghina  wurde  er  von  dem  auf  Blockade- 
dienst befindlichen  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Asakiri"  gesichtet,  erhielt 
etwa  um  11  Uhr  abends  desselben  Tages  etwa  12  Seemeilen  auf  der 
Höhe  von  Tschifu  Order  zu  stoppen  und  wurde  nach  Tsunglo,  einer 
Insel  der  EUiot-Gruppe,  gebracht.  Am  21.  d.  M.,  8  Uhr  morgens  wurde 
er  dort  von  dem  gleichfalls  auf  Blockadedienst  befindlichen  Kaiser- 
lichen Kriegsschiff  „Otowa"  mit  Beschlag  belegt. 

Zu  dieser  Zeit  war  keine  Ladung  an  Bord. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  und 
die  Bescheinigung  über  die  an  Bord  befindlichen  Güter  des  Stellvertreters 
des  Kommandanten  der  „Otowa",  Marineoberleutnants  K  i  t  a  m  u  r  a 
Masakichi,  die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns  der  „King 
Arthur"  Gox,  des  1.  Offiziers  Triplet,  des  2.  Offiziers  Reck,  des 
3.  Offiziers  Turner,  des  1 .  Maschinisten  Phillips,  des  2.  Ma- 
schinisten Johnson,  des  3.  Maschinisten  Gooper,  des  Oberkochs 
Morris,  der  Passagiere  Pauli,  Liesecke,  Oberbeck  und 
Waehner,  durch  das  Schiffszertifikat,  das  Tagebuch,  Maschinenjour- 

494 


Priaengerichtsentecheidungen:  „King  Arthur".  Abschnitt  VI^s. 

nal,  Ausklarierungsattest,  Ladungsverzeichnis,  eine  Bescheinigung  der 
russischen  Marinebehörden  in  Port  Arthur  über  die  Beschlagnahme 
des  Schiffs,  die  dem  Kapitän  von  Einwohnern  Port  Arthurs  anver- 
trauten Briefe,  ein  Schreiben  und  einen  Auftrag  des  russischen  Offi- 
ziers Maltschenko  an  den  Kapitän. 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen*  des  Prozeßvertreters  sind 
folgende . 

Das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  sei  auf  der  Reise  nach 
Niutschwang  von  einem  russischen  Kriegsschiff  beschlagnahmt  und 
nach  Port  Arthur  geschafft  worden.  Es  sei  daher  nicht  in  die 
Blockade  eingebrochen. i)  Dies  gehe  auch  aus  der  Bescheinigung  der 
russischen  Marinebehörden  über  die  Beschlagnahme  hervor. 

Ferner  habe  das  Schiff  sowohl  bei  der  Einfahrt  als  bei  der  Aus- 
fahrt von  Port  Arthur  keinerlei  Hinderung  durch  japanische  Kriegs- 
schiffe erfahren.  Es  habe  seine  Fahrt  dorthin  unbehindert  ausgeführt 
und  habe  erst  nach  der  Ausfahrt  auf  der  See  bei  Tschifu  ein  ja- 
panisches Kriegsschiff  getroffen.  Danach  zu  urteilen,  sei  die  Blockade 
der  Liaotung-Halbinsel  nicht  effektiv  gewesen.  Aber  auch  angenommen, 
sie  sei  effektiv  gewesen  und  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  habe 
sie  gebrochen,  so  sei  sie  doch  jetzt  noch  vor  Erlaß  der  Entscheidung 
in  dieser  Sache  schon  aufgehoben.  Daher  sei  es  billig,  entsprechend 
der  Entscheidung  in  dem  Fall  „Lisette",  wo  es  heiße,  daß  nach  Auf- 
lösung der  Blockade  ein  Bedürfnis  für  Bestrafung,  um  künftige  Ober- 
tretungen  zu  verhüten,  nicht  vorliege,  das  zur  Verhandlung  stehende 
Schiff  freizugeben. 

Es  werde  beantragt,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff 
mit  seiner  gesamten  Ausrüstung  freigegeben  werde  und  daß  die  in- 
folge der  Beschlagnahme  erlittenen  Verluste  und  Kosten  ersetzt  würden. 

Die   Hauptpunkte   der  Ansicht  des  Staatsanwalts  sind  folgende: 

Das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  habe  die  Blockade  ge- 
brochen, welche  erwiesenermaßen  zu  der  Zeit  effektiv  gewesen  sei. 
Daher  müsse  auf  Wegnahme  des  Schiffes  entschieden  werden.  Der 
Antrag  auf  Ersatz  des  Schadens  sei  abzuweisen. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Es  ist  allgemein  bekannt,  daß  der  Schiffsverkehr  mit  Niutschwang 
jedes  Jahr  um  Mitte  Dezember  unterbrochen  wird.  Daher  ist  es  durch- 
aus unglaubwürdig,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  zu  dieser 
Zeit,  ohne  einen  bestimmten  Besteller  zu  haben,  es  unternommen  haben 
sollte,  eine  große  Menge  Weizenmehl  dorthin  zu  befördern.  Wenn 
man  ferner, überlegt,  daß  das  Schiff  sich  auf  dem  von  der  gewöhnlichen 
Fahrroute  nach  Niutschwang  ab  gelegenen  Punkte  von  5  bis  6  See- 
meilen von  Liaotishan  befunden  hat,  so  muß  man  annehmen,  daß  der 

0  V.  §  29. 

495 


Abschnitt  VI»  Prisengorichtsentecheidttiigen:  „King  Arthur'. 

Bestimmungsort  des  Schiffs  nicht  Niutschwang  war.  Der  Kapitän  be- 
hauptet, daß  er,  bis  er  die  Erlaubnis,  Port  Arthur  zu  verlassen,  er- 
halten habe,  erwartet  habe,  daß  die  Russen  sein  Schiff  einziehen 
würden.  Wenn  man  aber  erwägt,  daß  er  bereits  vor  Empfang  der  Ab- 
fahrtserlaubnis vier  deutsche  Kaufleute,  die  Port  Arthur  zu  verlassen 
wünschten,  an  Bord  genommen  und  auf  eigenes  Angebot  sich  viele 
Briefe  hat  anvertrauen  lassen,  so  muß  man  zu  dem  Schluß  kommen, 
daß  es  von  vornherein  bestimmt  war,  daß  das  Schiff  Port  Arthur  nach 
Löschen  seiner  Ladung  verlassen  sollte  und  daß  dies  nicht  erst  nach 
Empfang  der  Erlaubnis  der  russischen  Behörden  abgemacht  worden  ist. 

Es  ist  völkerrechtliches  Prinzip,  aufgebrachte  Schiffe  der  Ent- 
scheidung von  Prisengerichten  zu  unterwerfen.  Obwohl  aber  das  zur 
Verhandlung  stehende  Schiff  in  Port  Arthur  keinerlei  Untersuchung 
durch  russische  Beamte  —  von  einem  Prisengericht  nicht  zu  reden  — 
unterworfen  worden  ist,  hat  doch  der  Kapitän  dagegen  keine  Ein- 
wendungen gemacht.  Der  von  dem  Reklamanten  beigebrachten  Be- 
scheinigung der  russischen  Marinebehörden  in  Port  Arthur,  daß  das 
Schiff  mit  Beschlag  belegt  gewesen,  sei,  ist  kein  Glauben  beizumessen. 
Man  muß  im  Gegenteil  annehmen,  daß  diese  Bescheinigung  auf  der 
einen  Seite  geplant  war,  um  die  Ausfahrt  zu  sichern,  auf  der  andereni 
Seite  als  Beweismaterial  dafür  dienen  sollte,  daß  der  Import  ausgeführt 
worden  sei.  Es  ist  daher  ersichtlich,  daß  das  Schiff  nicht  von  einem* 
russischen  Kriegsschiff  beschlagnahmt  worden,  vielmehr  nach  Ausfuhr 
eines  Schleichimports  wieder  von  Port  Arthur  ausgefahren  ist. 

Der  Reklamant  bringt  vor,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende 
Schiff  frei  nach  Port  Arthur  ein-  und  von  dort  wieder  ausgefahren, 
die  Blockade  also  nicht  effektiv  gewesen  sei.  Es  kann  aber  den  Tat- 
sachen nach  nicht  im  geringsten  bezweifelt  werden,  daß  die  Blockade 
über  die  Südküste  von  Liaotung,  welche  der  Oberstkommandierende 
der  vereinigten  japanischen  Kriegsflotte  in  seiner  Erklärung  vom  26. 
Mai  1904  verhängt  hat,  immer  in  effektivem  Zustand  erhalten  worden 
ist.  Außerdem  ist  es  ein  völkerrechtlich  fest  bestimmter  Grundsatz,  daß 
die  Tatsache,  daß  gelegentlich  einige  Schiffe  der  Kontrolle  der  Kriegs- 
flotte entgehen  und  die  Blockädelinie  passieren,  kein  Präjudiz  gegen 
die  Effektivität  der  Blockade  bildet.  2) 

Der  Reklamant  zieht  die  Entscheidung  des  Falls  „Lisette"  an  und 
sagt,  daß  die  Blockade  über  Liaotung  schon  vor  diesem  Urteil  auf- 
gehoben worden  sei,*)  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  daher 
freigegeben  werden  müsse.  Da  aber  der  von  dem  Reklamanten  an- 
gezogene Passus  der  erwähnten  Präcedenzentscheidung  lediglich  die 
Freigabe  eines  Schiffes  begründet,  welches  nach  Aufhebung  der 
Blockade  beschlagnahmt  wurde,  so  kann  dieser  Fall  nicht  als  Präcedenz 

«)  V.  §  21.  —  •)  V.  §  31. 

496 


Prisengerichtsentscheidungen:  .King  Arthur'.  Abschnitt  VI<s 

für  den  vorliegenden  angezogen  werden,  wo  das  Schiff  beschlagnahmt 
wurde,  während  die  Blockade  bestand.  Ein  genauer  Vorgang  des  vor- 
liegenden Falls  ist  vielmehr  der  der  „Charlotte  Sophia",  welche  gerade 
wie  die  „Lisette"  die  Blockade  gebrochen  hatte,  aber  während  des 
Bestehens  derselben  aufgebracht  und  schließlich  eingezogen  wurde. 

Das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  ist,  nach  allem  zu  urteilen, 
ohne  einen  rechtmäßigen  Grund  zu  haben,  nach  Port  Arthur  ein-*) 
und  von  dort  wieder  ausgefahren.  ^)  Es  hat  demnach  die  Blockade 
des  japanischen  Geschwaders  gebrochen  und  das  Völkerrecht  erkennt 
es  als  recht  und  billig,  daß  es  mitsamt  der  ihm  zugehörigen  Aus- 
rüstung eingezogen  werden  kann,  ß) 

Des  weiteren  macht  der  Reklamant  Anspruch  auf  Ersatz  des 
durch  die  Aufbringung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  er- 
littenen Verlustes  und  der  Kosten.  Dies  gehört  aber  nicht  zur  Ent- 
scheidungskompetenz des  Prisengerichts  und  die  Reklamation  über 
diesen   Punkt  wird   demnach  abgewiesen. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  9.  März  1905  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Bei- 
sein des  Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurokuro. 

(Unterschriften). 


Reklamant:  Der  englische  Staatsangehörige  Alonzo  Albert 
Cox,  wohnhaft  in  London,  England,  New  Groß  Waller  Road  Nr.  135. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Hatakeyama  Shigeakira, 
Hiradomachi  Nr.  18. 

Am  9.  März  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der  Prisen- 
sache, betreffend  den  englischen  Dampfer  „King  Arthur'*,  welcher  am 
19.  Dezember  1904  auf  der  See  bei  Tschifu  in  Ghina  von  dem  Kaiser- 
lichen Kriegsschiff  „Asakiri"  beschlagnahmt  worden  ist,  ein  Urteil  er- 
lassen, in  welchem  auf  Einziehung  des  Dampfers  und  Abweisung  des 
Antrags  auf  Ersatz  des  Schadens  und  der  Kosten  erkannt  worden  ist. 
Der  Reklamant  Alonzo  Albert  Cox  hat  gegen  den  Teil  der  Ent- 
scheidung, welcher  die  Einziehung  des  Dampfers  ausspricht,  durch  den 
Rechtsanwalt  Hatakeyama  Shigeakira  als  Prozeßvertreter  die 
Berufung  eingelegt,  welche  im  Beisein  der  Staatsanwälte  T  s  u  t  s  u  k  i 
Keiroku  und  Dr.  jur.  Ishiwatari  Binichi  beim  Oberprisen- 
gericht geprüft  worden  ist. 

*)  V.  §  29.1.  -  *)  V.  §  27,1.  -  •)  V.  §  45. 

MftrBtrand-Meohleiibarg,  Das  JftpftnlBche  Prisenrooht.    Band  I.     (32)  4:«77 


Abschnitt  Vl^i  Prisengerichtsentscheidungen :  .King  Arthur*. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Vertreters  der  Reklamation 
Hatakeyama  Shigeakira  und  deren  Gründe  sind  folgende: 

1.  Da  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff,  auf  der  Reise  nach 
Niutschwang  begriffen,  von  einem  russischen  Torpedoboot  aufgebracht 
und  nach  Port  Arthur  geführt  worden  sei,  so  habe  es  die  Blockade 
nicht  gebrochen. 

Das  Urteil  erster  Instanz  habe  angenommen,  daß 

der  Reklamant,  obwohl  er  gewußt  habe,  daß  Port  Arthur 
zu  der  fraglichen  Zeit  von  dem  japanischen  Kriegsgeschwader 
blockiert  gewesen  sei,  mit  der  Absicht,  sie  nach  dort 
einzuführen,  ihm  gehörige  50000  Sack  Weizenmehl  ge- 
laden habe  und  am  8.  November  1904  unter  der  Vorgabe, 
nach  Niutschwang  zu  fahren,  von  Bombay  abgedampft  sei 
und  am  12.  Dezember  desselben  Jahres  5 — 6  Seemeilen 
auf  der  Höhe  von  Liaotishan  auf  der  Halbinsel  Liaotung 
ein  russisches  Kriegsschiff  getroffen  habe.  Dies  habe  ihn 
nach  Port  Arthur  hineingeführt,  wo  die  Ladung  gelöscht 
worden  sei. 
Ferner  habe  das  Urteil  erster  Instanz  entschieden,  daß 

es  von  vornherein  bestimmt  gewesen  sei,  daß  das  Schiff 
Port  Arthur  nach  dem  Löschen  seiner  Ladung  habe  ver- 
lassen sollen,  und  daß  dies  nicht  erst  nach  Empfang  der 
Erlaubnis  der  russischen  Behörden  abgemacht  worden  sei. 
Dieser  Annahme  sei  jedoch  nur  zugrunde  gelegt,  daß 

der  Kapitän  behauptet  habe,  daß  er  bis  zum  Empfang  der 
Erlaubnis,  Port  Arthur  zu  verlassen,  erwartet  habe,  daß  die 
Russen  sein  Schiff  einziehen  würden,  während  er  doch  be- 
reits vor  Empfang  der  Abfahrtserlaubnis  vier  deutsche  Kauf- 
leute, die  Port  Arthur  zu  verlassen  gewünscht  hätten,  an  Bord 
genommen  habe  und  auf  eigenes  Angebot  sich  viele  Briefe 
habe  anvertrauen  lassen. 
Aus  den  von  dem  Gericht  angezogenen  Schriftstücken  gehe  jedoch 
hierfür   keinerlei   Beweis   hervor. 

Nach  der  japanischen  Seeprisenordnung  7)  §  66  müsse  bei  Ent- 
scheidung über  die  Frage,  ob  ein  Schiff  aufzubringen  sei  oder  nicht, 
die  Art  des  Schiffes,  seihe  Ausrüstung,  seine  Ladung*^  seine  Papiere, 
der  Kapitän,  die  Mannschaft  und  deren  Aussagen  berücksichtigt  werden. 
Auch  sei  es  ein  allgemeiner  völkerrechtlicher  Grundsatz,  daß  in  Prisen- 
angelegenheiten der  Beweis  sich  beschränken  solle  auf  die  Schiffs- 
papiere und  die  Aussagen  des  Kapitäns,  der  Offiziere  und  der  sonst 
zur  Zeit  der  Beschlagnahme  an  Bord  befindlichen  Personen  und  daß 
darüber  nicht  hinausgegangen  werden  dürfe;  ferner  daß  die  Beweis- 

498 


Prisengerichtsentscheidungen:  „King  Arthur".  Abschnitt  VI  21 

last  dafür,  daß  eine  neutrale  Person  die  Neutralität  gebrochen  habe, 
dem  obliege,  der  die  Beschlagnahme  ausführe.  Das  Urteil  erster  In- 
stanz habe  aber  die  Beweislast  umgedreht,  willkürlich  angenommen, 
daß  die  Schiffspapiere  nicht  die  Wahrheit  angäben  und  von  vorn- 
herein entschieden,  daß  der  Reklamant  die  Blockade  verletzt  habe. 
Diese  Annahme  von  Tatsachen,  die  sich  nicht  auf  dem  Recht  ent- 
sprechende Beweise  stützten,  verstoße  nicht  nur  gegen  den  Wortlaut 
der  Seeprisenordnung  und  die  Doktrinen  des  Völkerrechts,  sondern 
kollidiere  auch  mit  den  allgemeinen  Rechtsgrundsätzen.  Sie  sei  da- 
her widerrechtlich. 

2.  Das  Urteil  erster  Instanz  behaupte,  daß 

es  nicht  glaubwürdig  sei,  daß  das  Schiff  um  die  Mitte  De- 
zember,  d.   h.   zu  einer  Zeit,  wo  jedes  Jahr  der  Verkehr 
nach   Niutschwang  gesperrt  sei,   den    Import  einer  großen 
Menge  Weizenmehl  vorgehabt  haben  solle. 
Da  aber  das  Schiff  Bombay  am  8.  November  verlassen  habe,  so 
hätte   es   Niutschwang  vor  Mitte   Dezember   erreichen   müssen,   wenn 
es  nicht  unterwegs  Maschinenschaden  gehabt   hätte   und    wegen    der 
Reparaturen  sich    verspätet  gehabt   hätte.     Wenn   man   sich   überlege,, 
daß   trotz  dieser  Verspätung  die  Beschlagnahme  durch   das  russische 
Kriegsschiff  am  12.  Dezember  erfolgt  sei,  so  sei  es  unbegründet,  wenn 
das   Urteil  sage,    daß   es  unglaubwürdig  sei,    daß   das   zur  Verhand- 
lung stehende  Schiff,   obwohl  es  gewußt  habe,    daß    zu    dieser  Zeit 
der  Schiffsverkehr  nach  Niutschwang  gesperrt  sei,  dennoch  zu  dieser 
Zeit  einen  Import  nach  dort  vorgehabt  haben  solle. 

Da  ferner  die  Weizenmehleinfuhr  nach  Nordchina  jährlich  stark 
zunehme,  so  könne  die  Menge  des  Weizenmehls,  welche  auf  dem  zur 
Verhandlung  stehenden  Schiff  verladen  gewesen  sei,  nicht  als  ein  für 
die  Einfuhr  nach  Niutschwang  zu  großes  Quantum  angesehen  werden. 

3.  Das  Urteil  erster  Instanz  erkläre, 

man  müsse  daraus,  daß  das  Schiff  bis  zu   5  oder  6  See- 
meilen auf  der  Höhe  von  Liaotishan  gelangt  sei,  da  dieser 
Ort  nicht  auf  der  gewöhnlichen  Fahrlinie  nach  Niutschwang 
liege,  annehmen,  daß  der  Bestimmungsort  nicht  Niutschwang 
gewesen  sei. 
Wenn  aber  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  mehr  oder  weniger 
von  der  üblichen  Fahrroute  abgewichen  sei,  so  habe  das  seinen  Grund 
darin,  daß  es  Maschinenschaden  erlitten  und  einen  Teil  seiner  Fahr- 
geschwindigkeit eingebüßt  gehabt  habe.    Wenn  man  überdies  eine  See- 
karte ansehe,    so  finde  man,    daß   die  Route    den   direkten  Weg  von 
Bombay  nach  Niutschwang  darstelle,  der  für  alle  gewöhnlichen  Handels- 
schiffe  die   geeignetste    Fahrlinie   sei.     Daher   sei   die    Darlegung   des 
Urteils  erster  Instanz  über  diesen  Punkt  unhaltbar. 

(32*)  499 


Abschnitt  VI^s  Prisengerichtsentschef düngen :  .King  Arthur'. 

4.  Das  Urteil  erster  Instanz  besage,  daß 

es  völkerrechtliches  Prinzip  sei,  aufgebrachte  Schiffe  der  Ent- 
scheidung von  Prisengerichten  zu  unterwerfen ;  daß  aber  der 
Kapitän,  obwohl  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  in  Port 
Arthur  keinerlei  Untersuchung  durch  russische  Beamte  — 
von  einem  Prisengericht  nicht  zu  reden  —  unterworfen 
worden    sei,     dagegen     keinerlei    Einwendungen     gemacht 

habe Es  sei  daher  ersichtlich,  daß  das  Schiff  nicht  von 

einem  russischen  Kriegsschiff  beschlagnahmt  worden  sei,  viel- 
mehr nach  Ausführung  eines  Schleichimports  wieder  von 
Port  Arthur  ausgefahren  sei. 

Daß  aber  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  in  Port  Arthur  nicht 
der  Untersuchung  durch  ein  russisches  Prisengericht  oder  sonstige  russi- 
sche Beamte  unterworfen  worden  sei,  habe  seinen  Grund  darin,  daß 
nach  der  damaligen  militärischen  Lage  Port  Arthurs  die  Einziehung 
des  Schiffes  den  Militärbehörden  lediglich  Verwicklungen  und  Un- 
bequemlichkeiten bereitet  haben  würde,  ohne  für  sie  von  irgendwelchem 
Vorteil  zu  sein.  Da  es  klar  gewesen  sei,  daß  zu  der  Zeit  die  Ver- 
teidigung Port  Arthurs  nicht  mehr  lange  habe  fortgeführt  werden  können, 
so  sei  es,  anstatt  ein  kleines  Fahrzeug  wie  das  in  Frage  stehende  ein- 
zuziehen, vielmehr  durchaus  das  zweckmäßigste  Verfahren  gewesen,  die 
auf  demselben  befindlichen  Lebensmittel  zu  nehmen,  das  Schiff  aber 
selber  sofort  wieder  aus  dem  Hafen  fortzuschicken.  Daraus,  daß  ander- 
seits der  Dampfer  den  Wunsch  gehabt  habe,  möglichst  schnell  einen 
so  gefährlichen  Hafen  zu  verlassen,  und  überstürzt  auf  die  See  ent- 
wichen sei,  dem  Schiff  den  Vorwurf  einer  Verletzung  des  öffentlichen 
Rechts  zu  konstruieren,  sei  doch   ungeheuerlich. 

5.  Das  Urteil  erster  Instanz  behaupte,  das  zur.  Verhandlung  stehende 
Schiff  habe  die  Blockade  gebrochen.  Der  Reklamant  habe  aber,  wie 
oben  dargetan,  niemals  die  Absicht  des  Blockadebruchs  gehabt.  Selbst 
aber  angenommen,  eine  solche  Absicht  habe  vorgelegen,  so  sei  doch 
die  Blockade  von  Port  Arthur  nicht  effektiv  gewesen.  Um  nämlich 
eine  nach  dem  Völkerrecht  effektive  Blockade  herzustellen,  müsse  man 
ständig  Kriegsschiffe  aufstellen  und  dieselben  in  hinreichend  kleiner 
Entfernung  halten,  um  offenbar  für  das  Einfahren  in  diesen  Bereich 
eine  Gefahr  zu  schaffen.  Die  Pariser  Seerechtsdeklaration  vom  Jahre 
1856  schreibe  vor,  daß  zur  Effektivität  einer  Blockade  eine  Macht  unter- 
halten werden  müsse,  die  ausreiche,  um  Annäherungen  an  die  feindliche 
Küste  abzuwehren.  Wenn  daher  die  Kontrollschiffe  zu  anderen  Zwecken 
benutzt  würden  oder  aus  anderen  Gründen  die  Kontrolle  nicht  aus- 
reiche, so  stünden  den  Neutralen,  wenn  dies  auch  nur  eine  kleine 
Zeit  andauere,   mit  Bezug  auf  das   Blockadegebiet  die  gewöhnlichen 

500 


Prlsengerichtsentscheidungen:  i,King  Arthur".  Abschnitt  VI  29 

Freiheiten  des  Handelsverkehrs  zu^     Dies  sei  auch  in  dem  §  21   der 
japanischen  Seeprisenordnung  nicht  anders  geregelt. 

Das  Urteil  erster  Instanz  sage  mit  Bezug  auf  den  vorliegenden 
Fall,   daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff 

in  einer  Entfernung  von  5  bis  6  Seemeilen  von  Liaotishan 
ein  russisches  Kriegsschiff  getroffen  habe  und  unter  dessen 
Führung  nach  Port  Arthur  hineingelangt  sei  usw. 
Wenn  aber  ein  feindliches  Schiff  bis  zu  5  oder  6  Seemeilen  von  dem 
blockierten  Hafen  in  der  offenen  See  umherkreuzen  und  nach  Gefallen 
ein  Handelsschiff  beschlagnahmen,  dies  in  den  Hafen  ziehen,  die  Ladung 
landen  und  das  Schiff  wieder  aus  dem  Hafen  fortschicken  könne,  so 
sei  von  einem  Blockadezustand  nicht  zu  reden.  Überdies  habe  das 
zur  Verhandlung  stehende  Schiff  von  seiner  Abfahrt  aus  Port  Arthur 
an  bis  in  die  kleine  Entfernung  von  zwölf  Seemeilen  von  Tschifu, 
wo  es  von  dem  japanischen  Kriegsschiff  gesichtet  worden  sei,  auch 
nicht  den  Schatten  eines  japanischen  Kriegsschiffs  gesehen. 

Wenn  man  erwäge,  daß  ein  feindliches  Schiff  so  bis  weit  in  die 
offene  See  hinaus  fahre  und  ein  Handelsschiff  nehme  und  daß  dieses 
Handelsschiff  bei  klarem  Wetter  ungehindert  wieder  ausfahren  und 
so  weit  als  bis  in  die  See  von  Tschifu  habe  gelangen  können,  so  sei 
die  Blockade  von  Port  Arthur  zu  dieser  Zeit  nicht  effektiv  gewesen. 

6.  Wenn  auch  ein  Schiff,  welches  eine  Blockade  gebrochen  habe, 
bis  zur  Vollendung  der  Rückreise  jederzeit  der  Aufbringung  unter- 
worfen sei,  so  könne  doch  ein  Schiff,  wenn  die  Blockade  vor  seiner 
Wegnahme  aufgehoben  werde,  nicht  weggenommen  oder  bestraft  werden. 
Das  gehe  klar  aus  der  Entscheidung  in  dem  „Lisette"-Fall  hervor,  wo 
es  heiße,  daß  nach  Auflösung  der  Blockade  die  zum  Zwecke  der  Ver- 
meidung künftiger  Übertretungen  geschaffene  Straf  bestimm  ung  nicht 
angewandt  werden  dürfe.  Freilich  sei  die  „King  Arthur"  vor  der  Be- 
kanntmachung der  Aufhebung  der  Blockade  aufgebracht  worden,  jedoch 
sei  noch  bis  nach  Aufhebung  der  Straf  bestimm  ung  das  Prisenverfahren 
nicht  in  Angriff  genommen  gewesen.  Der  Zweck,  weshalb  ein  krieg- 
führender Staat  neutrale  Schiffe,  die  eine  Blockade  gebrochen  hätten, 
wegnehme,  sei  nicht  der,  die  Güter  für  sich  anzusammeln  oder  den 
neutralen  Eigentümer  zu  bestrafen,  sondern  lediglich  der,  die  Blockade 
durchzuführen.  Daher  müsse  die  „King  Arthur",  obwohl  vor  der  Auf- 
hebung der  Blockade  aufgebracht,  weil  sie  die  Übertretung  zu  wieder- 
holen nicht  in  der  Lage  sei,  gerade  wie  ein  Schiff,  welches  nach  Auf- 
hebung der  Blockade  aufgebracht  worden  sei,  freigegeben  werden. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  beim  Prisen- 
gericht zu  Sasebo,  Yamamoto  Tatsurokuro,  sind  folgende: 

1.  Der  Reklamant  habe  eine  Bescheinigung  der  russischen  Marine- 
behörden in  Port  Arthur  über  seine  Beschlagnahme  beigebracht  und 

501 


Abschnitt  VI^s  Prisengerichtsentscheidungen:  „King  Arthur'^ 

behaupte,  da  das  Schiff  von  einem  russischen  Kriegsschiff  beschlag- 
nahmt und  vorgeführt  worden  und.  die  Ladung  von  Weizenmehl  ein- 
gezogen sei,  so  habe  es  einen  Blockadebruch  nicht  begangen.  Aber 
bei  den  Schiffen,  welche  die  Blockade  brächen,  um  Schleichimporte  nach 
Port  Arthur  auszuführen,  sei  es  ganz  gebräuchlich,  bis  Liaotishan  zu 
fahren,  dort  zu  signalisieren  und  sich  dann  von  einem  aus  dem  Hafen 
herauskommenden  Torpedoboot  hineinführen  zu  lassen.  Auch  bei  dem 
von  diesem  Prisengericht  verurteilten  Dampfer  „George"  8)  sei  es  so 
gemacht  worden.  Aber  selbst  wenn  man  annehme,  daß  das  Schiff  wirklich 
aufgebracht  worden  sei,  so  hätte  nach  völkerrechtlichem  Brauch  auf 
jeden  Fall  ein  prisengerichtliches  Urteil  ergehen  müssen  und  auch  die 
Ladung  hätte  nicht  willkürlich  eingezogen  werden  können.  Der  Kapitän 
und  Reklamant  habe  jedoch  ganz  klar  ausgesprochen,  daß  das  Schiff 
keinerlei  Untersuchung  durch  irgendwelche  russische  Behörden  —  von 
einem  Prisengericht  nicht  zu  reden  —  unterworfen  worden  sei.  Da- 
gegen habe  er,  ehe  noch  das  Löschen  beendet  gewesen  sei,  vier  deutsche 
Kaufleute,  welche  Port  Arthur  zu  verlassen  gewünscht  hätten,  an  Bord 
genommen  und  sich  aus  eigenem  Antrieb  viele  Briefe  anvertrauen  lassen. 
Alles  dies  seien  Spuren  des  Beweises,  daß  der  Kapitän  schon  damals 
im  voraus  gewußt  habe,  daß  er  nach  Vollendung  des  Löschens  seiner 
Ladung  würde  abreisen  müssen,  und  aus  ihnen  ergebe  sich  ganz  klar, 
daß  die  Bescheinigung  über  die  Aufbringung  nur  ein  Mittel  sei,  das 
bezwecke,  auf  der  einen  Seite  die  Ausfahrt  zu  sichern,  auf  der  anderen 
dazu  dienen  solle,  die  Ausführung  des  Schleichimports  nachzuweisen. 

Ferner  müsse  es  einem  Seemann  bekannt  sein,  daß  zur  Zeit,  als 
das  Schiff  die  Reise  gemacht  habe,  der  Hafen  von  Niutschwang  zu- 
gefroren und  daher  der  Schiffsverkehr  gesperrt  gewesen  sei.  Da  dies 
dem  Kapitän  auch  bekannt  sei,  so  könne  man  nur  annehmen,  daß  Niu- 
tschwang lediglich  als  Bestimmungsort  vorgegeben  worden  sei,  in 
Wirklichkeit  aber  das  Schiff  einen  Schleichimport  nach  Port  Arthur 
ausgeführt  habe,  wobei  es  nach  der  Ausfahrt  von  dort  von  einem 
Kaiserlichen  Kriegsschiff  aufgebracht  worden  sei. 

2.  Der  Reklamant  vertrete  die  Ansicht,  daß  die  Blockade  von  Port 
Arthur  nicht  für  effektiv  angesehen  werden  könne,  da  das  zur  Ver- 
handlung stehende  Schiff  dort  frei  ein-  und  ausgefahren  sei.  Die 
Effektivität  einer  Blockade  bedinge  keineswegs  die  Verwendung  einer 
Macht,  die  die  Hafenzufahrt  absolut  versperre.  Es  genüge  vielmehr, 
daß  eine  Streitmacht  aufgestellt  würde,  welche  ausreiche,  um  An- 
näherungen an  die  feindliche  Küste  erfolgreich  abwehren  zu  können. 
Es  sei  aber  klar  erwiesen,  daß  die  in  der  Erklärung  des  Kommandierenden 
der  japanischen  Kriegsflotte  über  die  Südküste  von  Liaotung  verhängte 
Blockade  immer  mit  hinreichenden  Mitteln  effektiv  erhalten  worden  sei. 

«rvi,20. 

502 


Prisengeijlchtsentschef düngen:  „King  Arthur*'.  Abschnitt  VI^s 

Ferner  sei  es  von  der  Wissenschaft  und  den  Präcedenzen  in  gleicher 
Weise  anerkannt,  daß,  wenn  auch  hin  und  wieder  das  eine  oder  andere 
Schiff  der  Gefahr  trotzend  ungehindert  in  das  Blockadegebiet  habe  ein- 
fahren oder  aus  demselben  ausfahren  können,  dies  keinen  Grund  bilde, 
um  die  Blockade  für  nicht  effektiv  erklären  zu  können.  Daher  sei  es 
unbestreitbar,  daß  man  aus  dem  einen  Fall,  daß  das  zur  Verhandlung 
stehende  Schiff  der  Kontrolle  der  Kriegsschiffe  und  Torpedoboote  habe 
entgehen  und  unbehindert  die  Blockadelinie  passieren  und  in  das. 
Blockadegebiet  eindringen  können,  nicht  schließen  könne,  daß  die 
Blockade  nicht  effektiv  gewesen  sei. 

3.  Das  Urteilsbeispiel  der  „Lisette"  beziehe  sich  auf  eine  Auf- 
bringung nach  Aufhebung  der  Blockade  und  könne  nicht  als  Präcedenz- 
fall  für  die  vorliegende,  während  des  Bestehens  der  Blockade  ausgeführte 
Beschlagnahme  angezogen  werden. 

Die  Berufung  sei  demnach  nicht  begründet,  das  Urteil  der  ersten 
Instanz  dagegen  zutreffend  und  nicht  zu  beanstanden.  Daher  sei  die 
Berufung  zu  verwerfen. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

Im  ersten  Punkt  der  Berufung  macht  der  Reklamant  im  wesent- 
lichen geltend,  daß  das  Urteil  erster  Instanz  annehme,  das  zur  Ver- 
handlung stehende  Schiff  sei  nicht  von  einem  russischen  Kriegsschiff 
aufgebracht  worden  und  habe  die  Blockade  gebrochen.  Als  Grund- 
lage hierfür  diene  ihm  die  Tatsache,  daß  der  Dampfer  vor  Empfang  der 
Abfahrtserlaubnis  deutsche  Kaufleute,  die  Port  Arthur  zu  verlassen 
gewünscht  hätten,  an  Bord  genommen  habe  und  sich  auf  eigenen  An- 
trieb viele  Briefe  habe  mitgeben  lassen.  Weitere  wichtige  Beweise  habe 
es  nicht  festgestellt. 

Aus  den  vielen,  in  dem  Urteil  erster  Instanz  aufgestellten  Beweisen 
geht  jedoch  klar  hervor,  daß  es  sich  nur  auf  diese  Tatsachen  gestützt 
hat,  um  zu  der  Entscheidung,  daß  Blockadebruch  vorliege,  zu  gelangen. 
Punkt  1  der  Berufung  ist  daher  unbegründet. 

Der  Verkehr  mit  Niutschwang  hört  in  jedem  Jahre  in  den  Tagen 
vom  27.  November  bis  zum  6.  Dezember  auf.  Das  zur  Verhandlung 
stehende  Schiff  ist  am  8.  November  von  Bombay  abgefahren.  Nach 
den  Papieren  zu  urteilen,  ist  die  höchste  Geschwindigkeit  desselben 
ungefähr  77«  Knoten.  Der  Dampfer  würde  also,  ohne  irgendwo  an- 
zulaufen, ohne  Maschinenschaden  zu  haben,  in  ununterbrochener  Fahrt, 
wenn  er  den  kürzesten  Weg  von  etwa  5250  Seemeilen  zwischen  Bombay 
und  Niutschwang  genommen  hätte,  etwa  29  Tage  gebraucht  haben.  Die 
Zeit  seiner  Ankunft  in  Niutschwang  hätte  afeo  nach  Eintritt  der  Sperre 
des  Schiffsverkehrs  fallen  müssen.  Daher  ist  es  durchaus  unglaubwürdig, 
daß  das  Schiff,  ohne  einen  Besteller  zu  haben,  unter  solchen  Umständen 
eine  so  große  Menge  Weizenmehl  nach  Niutschwang  einzuführen  vor- 

.   503 


Abschnitt  VI  28  Prf8engericht8ent8cheidungen:  „King  Arthur'^ 

gehabt  haben  sollte.  Vielmehr  ist  es  aus  der  Tatsache,  daß  das  Schiff 
aus  dem  gewöhnlichen  Kurs  nach  Niutschwang  heraus  bis  5  oder  6 
Seemeilen  auf  die  Höhe  von  Liaotishan  gefahren  ist,  zu  vermuten,  daß 
Niutschwang  nicht  der  Bestimmungsort  gewesen  ist. 

Der  Reklamant  behauptet  in  seiner  Beruf ungsschrift,  daß  das  Schiff 
mehr  oder  weniger  von  dem  gewöhnlichen  Fahrweg  abgewichen  sei,- 
müsse  auf  einen  von  ihm  erlittenen  Maschinenschaden  und  die  ver- 
ringerte Fahrgeschwindigkeit  zurückgeführt  werden.  Bei  seiner  Ver- 
nehmung hat  jedoch  der  Kapitän  als  Grund  hierfür  die  Stromverhältnisse, 
die  Unfähigkeit  des  Steuerers  und  Ungenauigkeit  des  Kompasses  an- 
gegeben. Diese  Widersprüche  deuten  darauf  hin,  daß  es  sich  hier 
um  unglaubwürdige  Ausreden  handelt  und  daß  die  Annahme  des  Urteils 
erster  Instanz,  der  Bestimmungsort  sei  nicht  Niutschwang  gewesen,, 
zutreffend  ist.  Daher  sind  die  Punkte  2  und  3  der  Berufung  beide  un- 
begründet. 

Es  ist  völkerrechtliche  Regel,  daß  die  Entscheidung  über  auf- 
gebrachte Schiffe  und  Güter  im  Wege  einer  prisengerichtlichen  Unter- 
suchung zu  geschehen  hat  und  daß  sie  nicht  willkürlich  eingezogen 
werden  können.  Wenn  auch  die  militärische  Lage  Port  Arthurs  zur  Zeit 
der  Ankunft  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  so  gewesen  sein 
mag,  wie  sie  der  Reklamant  darstellt,  so  kann  doch  nicht  angenommen 
werden,  daß  die  russische  Marine  neutrales  Gut  einziehen  würde,  ohne 
mit  Bezug  auf  .dasselbe  eine  prisengerichtliche  Untersuchung  vor- 
zunehmen. Der  Behauptung  des  Reklamanten,  daß  das  Schiff  von  einem 
russischen  Kriegsschiff  beschlagnahmt  worden  ist  und  keinen  Transport 
nach  Port  Arthur  beabsichtigt  und  daher  die  Blockade  nicht  gebrochen 
•  hat,  kann  demnach  kein  Glauben  geschenkt  werden.  Daher  ist  auch 
Punkt  4  der  Berufung  unbegründet. 

Die  am  26.  Mai  1904. voa  dem  Oberkommandierenden  der  ver- 
einigten japanischen  Kriegsflotte  bekanntgemachte  Blockade  über  die 
Südküste  von  Liaotung  ist  seit  der  Zeit  mit  hinreichenden  Mitteln  aus- 
geübt worden,  um  ihren  Zweck  zu  erreichen.  Es  war  zum  unmittelbaren 
Blockadedienst  bei  Port  Arthur  in  einer  Ausdehnung  von  ungefähr  20 
Seemeilen  entlang  der  Küste  stets  eine  große  Anzahl  von  Kriegsschiffen 
aufgestellt.  An  dem  Tage,  an  welchem  das  zur  Verhandlung  stehende 
Schiff  in  Port  Arthur  einlief,  waren  3  Schlachtschiffe,  10  Kreuzer,  9 
Torpedozerstörer  und  Torpedoboote;  am  Tage,  an  welchem  das  Schiff 
aufgebracht  wurde,  also  am  19.  Dezember,  9  Torpedozerstörer,  8  Kreuzer 
und  1  Schlachtschiff  in  einer  Entfernung  von  ungefähr  10  Seemeilen 
aufgestellt,  und  außer  diesen  ließ  man  noch  andere  Schiffe  zur  Aus- 
übung des  Blockadedienstes  umherkreuzen.  Daraus  wird  es  offenbar^ 
daß  die  Blockade  in  effektivem  Zustand  gehalten  worden  ist.  Wenn 
das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  zufällig  bis  vor  Port  Arthur  hat 

504 


Prlsengerichtsent8cheidungeii:  •Roseley*.  Abschnitt  Vl^ta 

gelangen  können,  so  ist  ihm  das  gelungen,  indem  es  sich  der  Kon- 
trolle des  Blockadegeschwaders  entzog  und  so  durch  die  Blockadelinie 
hindurchkam.  Es  kann  aber  nicht  behauptet  werden,  daß  es  dabei 
keine  Gefahr  gelaufen  sei.  Da  demnach  die  Behauptung  des  Re- 
klamanten, die  Blockade  über  die  Südküste  von  Liaotung  sei  nicht 
effektiv  gewesen,  mit  den  Tatsachen  in  Widerspruch  steht,  so  ist  auch 
Punkt  5  der  Berufung  unbegründet. 

Ferner  ist  es  völkerrechtlich  anerkannt,  daß,  wenn  ein  vollendeter 
Blockadebruch  vorliegt,  das  Schiff,  welches  die  Blockade  verletzt  hat, 
wenn  es  während  der  Dauer  der  Blockade  aufgebracht  wird,  gleich- 
gültig, ob  die  Blockade  zur  Zeit  der  Untersuchung  noch  fortbesteht 
oder  nicht,  eingezogen  werden  kann.  Daher  ist  auch  Punkt  6  der 
Berufung  unbegründet. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  11.  Juli  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschrift). 


Reklamant:  William  Robert  Rea,  Reeder  des  Dampfers 
„Roseley",  wohnhaft  in  Belfast,  Provinz  Antrim  in  Irland,  England, 
Donegal  Quay  Nr.  19,  vertreten  durch  David  M.  Robertson, 
Kapitän  des  Dampfers  „Roseley",  wohnhaft  in  Tayport,  England,  Queens 
Street. 

ProzeBvertreter :  Rechtsanwalt  AkiyamaOenzo,  Regierungs- 
bezirk Kanagawa,  Yokohama  Yamashitacho  Nr.  75. 

In  der  Prisensache,  betreffend  den  englischen  Dampfer  „Roseley", 
wird,  wie  folgt,  entschieden: 


Urteilsform  el: 
Der  Dampfer  „Roseley"  wird  eingezogen. 


Tatbestand  und  Gründe: 
Der  Dampfer  „Roseley"  steht  im  Eigentum  des  Reklamanten,  des 
englischen  Staatsangehörigen  William  Robert  Rea,  er  führt  die 
englische  Flagge  und  dient  zum  Gütertransport.  Der  Kapitän  David 
M.  Robertson  lud  Anfang  November  1904  zur  Beförderung  nach 
Wladiwostok  in  Rußland  in  Barry,  England,  6462  Tons  Cambrische 
Kohle.  In  dem  Chartervertrag  wurde  fälschlich  als  Reiseziel  Hongkong, 
Shanghai  oder  Kiautschou  angegeben.    Am  11.  d.  M.  fuhr  der  Dampfer 

505 


Abschnitt  Vl^ta  Prisengeilchtseiitscheidungeii :  „Roseley". 

von  Barry  ab,  lief  Singapore  und  Hongkong  an,  wo  er  stets  fälschlich 
angab,  er  führe  nach  Shanghai,  so  daß  ihm  Ausklarierungspapiere  für 
Shanghai  gegeben  wurden.  Am  5.  Januar  1905  verließ  er  Hongkong 
und  fuhr,  ohne  Shanghai  anzulaufen,  direkt  weiter  nach  Wladiwostok. 
Er  machte  absichtlich  einen  Umweg,  als  ob  er  nach  Shimonoseki  führe, 
passierte  die  östliche  Straße  von  Shimonoseki,  i)  änderte  dann  plötzlich 
seinen  Kurs  und  wurde  am  12.  d.  M.,  12  Uhr  15  morgens,  auf  der 
Fahrt  nach  Wladiwostok  begriffen,  auf  36  o  18'  n.  Br.  und  130»  52' 
ö.  L.,  weil  er  Konterbande  führte,  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff 
„Tokiwa''  beschlagnahmt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Vertreters  des  Kommandanten  der  „Tokiwa",  Kapitänleutnants  Ando 
Shokyo,  die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns  der  „Roseley", 
David  M.  Robertson,  des  1.  Offiziers  Adam  Harry  Brown 
und  des  1.  Maschinisten  Robert  James  Thompson,  das  Schiffs- 
zertifikat, Privatschiffsjournal,  die  Ausklarierungspapiere,  den  Charter- 
vertrag und  das  Konnossement. 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  des  Vertreters  der  Re- 
klamation sind  folgende: 

Der  Reklamant  habe  als  Eigentümer  des  Dampfers  „Roseley'\am 
1.  November  1904  mit  dem  Vertreter  des  russischen  Staatsahgehörigen 
E.  A.  Qrabowski,  der  Aktiengesellschaft  Pyman  and  Watson  in 
London  einen  Vertrag  geschlössen,  laut  welchem  das  Schiff  zum  Trans- 
port von  Steinkohlen  von  Barry  in  England  nach  Hongkong,  Shanghai 
oder  Kiautschou  gechartert  worden  sei.  Wenn  das  zur  Verhandlung 
stehende  Schiff  nach  anderen  als  den  in  dem  Chartervertrag  benannten 
Bestimmungshäfen  gereist  sei,  so  sei  das  auf  Maßnahmen  des  Charterers 
oder  Absenders  hin  geschehen.  Der  Reklamant  und  Reeder  habe  daran 
weder  Anteil  gehabt  noch  darum  gewußt.  Da  die  Güter  nicht  im 
Eigentum  das  Reklamanten  stünden,  so  könne  das  Schiff,  wenn  auch 
die  Ladung  Konterbande  sei,  nicht  mit  dieser  zusammen  eingezogen 
werden.  Da  ferner  der  Reklamant  bei  Abreise  des  Schiffs  von  Barry 
keinerlei  Kenntnis  davon  gehabt  habe,  daß  das  Schiff  nach  anderen 
als  den  in  dem  Chartervertrag  bestimmten  Häfen  fahren  würde,  so 
könne  man  darin,  daß  die  Schiffspapiere  nicht  Wladiwostok  als  Be- 
stimmungshafen angäben,  einen  betrügerischen  Plan,  um  der  Auf- 
bringung zu  entgehen,  nicht  erblicken.  Selbst  aber  einmal  angenommen, 
es  sei  als  Mittel  zur  Erreichung  dieses  Zweckes  geschehen,  so  sei  dies 
eine  Handlung  des  Charterers  oder  des  Absenders,  welchen  der  Be- 
sitz des  Schiffes  und  der  Befehl  und  die  Kontrolle  der  Besatzung  zu- 
stehe.  Da  der  Reklamant  hieran  keinen  Teil  habe,  so  könne  man  nicht 


0  Müßte  heifien:  östliche  Straße  des  Tsushimakanals. 

506 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Roseley^^  Abschnitt  Vl^ia 

sagen,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  unter  Anwendung  be- 
trügerischer Mittel  Kriegskonterbande  geladen  habe. 

Aus  diesen  Gründen  werde  Freigabe  des  Schiffes  beantragt. 

Die   Hauptpunkte  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  sind  folgende: 

Da  die  auf  dem  zur  Verhandlung  stehenden  Schiff  verladene 
Steinkohle  nach  Wladiwostok,  einem  militärischen  Stützpunkt  Rußlands, 
bestimmt  sei  und  es  offenbar  sei,  daß  sie  für  den  Kriegsgebrauch 
des  Feindes  hätte  geliefert  werden  sollen,  so  sei  sie  Konterbande.  Da 
ferner  die  Schiffspapiere  des  Dampfers,  auf  dem  die  Ladung  verschifft 
sei,  gefälschte  Angaben  enthielten,  so  müsse  das  Schiff  eingezogen 
werden. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Es  ist  in  den  Bestimmungen  und  in  der  Praxis  des  Völkerrechts 
anerkannt,  daß  Schiffe,  welche  unter  Anwendung  betrügerischer 
Mittel  Konterbande  führen,  eingezogen  werden  können.  ^) 

Die  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  ist  aber 
cambrische  Kohle,  wie  sie  gegenwärtig  ausschließlich  von  Kriegsschiffen 
gebraucht  wird,  und  ihr  Bestimmungsort  ist  Wladiwostok,  ein  Haupt- 
stützpunkt der  russischen  Kriegsflotte.  Daraus  geht  unzweifelhaft  her- 
vor, daß  sie  für  den  Kriegsgebrauch  geliefert  werden  sollte.  Sie  wird 
deshalb  als  Konterbande  angesehen.  3) 

Obwohl  es  schon  von  der  Abreise  von  Barry  an  klar  war,  daß 
das  Schiff  nach  Wladiwostok  reisen  sollte,  wurden  doch,  wie  oben  er- 
wähnt, in  dem  Chartervertrag,  dem  Konnossement  und  dem  Tagebuch 
neutrale  Häfen  wie  Hongkong  und  Shanghai  als  Bestimmungsorte  ein- 
getragen. Dies  ist  als  Anwendung  betrügerischer  Mittel  zum  Zweck  des 
Konterbandetransports  anzusehen. 

Der  Reklamant  bringt  vor,  daß  die  Reise  nach  anderen  als  den 
abgemachten  Bestimmungsorten  ein  Unterfangen  des  Charterers  oder 
Absenders  sei,  welchen  der  Besitz  und  die  Kontrolle  des  Schiffes  zu- 
stand, und  daß  der  Reklamant  hieran  keinen  Teil  und  auch  keine 
Kenntnis  davon  gehabt  habe.  Nach  seinem  Wortlaut  hat  indes  offenbar 
der  in  Frage  kommende  Chartervertrag  nicht  den  Charakter  einer  Sach- 
miete, und  man  kann  nur  zu  der  Ansicht  kommen,  daß  der  Besitz  und 
die  Kontrolle  des  Dampfers  nicht  auf  den  Charterer  übergegangen  ist, 
sondern,  wie  vorher,  dem  Reklamanten  zusteht.  Wenn  daher  der  Kapitän 
von  seiner  Abreise  von  Barry  an  die  Absicht  hatte,  nach  Wladiwostok 
zu  fahren  und  auch  dorthin  fuhr,  so  kann  der  Reklamant  als  Miets- 
herr des  Kapitäns  die  Verantwortung  für  diese  Handlung  desselben  nicht 
ablehnen.  Daher  kann  er  auch  nicht  geltend  machen,  daß,  wenn  der 
Kapitän  falsche  Schiffspapiere  herstellte,  er  an  dieser  Handlung  keinen 
Anteil  hatte  und  nicht  darum  wußte. 


2)  V.  §  44.  —  3)  n,  Ziffer  2. 

507 


Abschnitt  Vl^ia  Prisengerichtsentscheidungen :  „Roseley". 

Ferner  bringt  der  Reklamant  vor,  daß  die  Unterlassung  der  Ein- 
tragung Wladiwostoks  in  die  Schiffspapiere  nicht  geschehen  sei,  um  der 
Aufbringung  zu  entgehen  und  daß  darin  demnach  ein  betrügerisches 
Mittel  nicht  erblickt  werden  könne.  Der  Dampfer  hat  aber,  als  er  nach 
Wladiwostok  fuhr,  nicht  den  üblichen  Kurs  durch  die  westliche  Straße 
des  Tsushimakanals  genommen,  sondern  sich  dadurch,  daß  er  die  öst* 
liehe  Straße  nahm,  den  Anschein  gegeben,  als  ob  er  nach  Shimonoseki 
führe.  Dann  hat  er,  wie  sich  aus  der  Aussage  des  Kapitäns  klar  ergibt, 
plötzlich  den  Kurs  geändert,  um  nach  Wladiwostok  zu  gehen,  wobei  er 
schließlich  aufgebracht  wurde.  Danach  steht  es  über  jedem  Zweifel, 
daß  die  falschen  Eintragungen  in  den  Schiffspapieren  den  Zweck  hatten, 
der  Aufbringung  zu  entgehen. 

Da  nun  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  dieser  Art,  unter 
Anwendung  betrügerischer  Mittel,  KonterJ^ande  befördert  hat,  so  ist 
es  durchaus  unnötig  zu  untersuchen,  in  wessen  Eigentum  die  auf  ihm 
verschifften  Steinkohlen  stehen  und  das  Schiff  ist  einzuziehen. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  10.  April  1905  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Bei- 
sein des  Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurokuro. 

(Unterschriften), 


Reklamant:  William  Robert  Rea,  englischer  Staatsan- 
gehöriger, wohnhaft  in  England,  Irland,  County  Antrim,  Belfast  Done- 
gal Quay  Nr.  19. 

ProzeBveftreter :  Rechtsanwalt  AkiyamaGenzo,  Regierungs- 
bezirk Kanagawa,  Yokohama,  Yamashitacho  Nr.  75. 

Am  10.  April  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der  Prisen- 
sache, betreffend  den  englischen  Dampfer  „Roseley",  welcher  am  12. 
Januar  1905  auf  36  o  18'  n.  Br.  und  130  <>  52'  ö.  L.  von  dem  Kaiser- 
lichen Kriegsschiff  „Tokiwa"  beschlagnahmt  worden  ist,  ein  Urteil  ge- 
fällt, in  welchem  auf  Einziehung  des  Dampfers  „Roseley"  erkannt 
worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  der  Rechtsanwalt  Akiyama  Genzo 
die  Berufung  eingelegt,  welche  im  Beisein  der  Staatsanwälte  Tsutsuki 
Keiroki  und  Dr.  jur.  Ishiwatari  Binichi  geprüft  worden  ist. 

Die  Häuptpunkte  der  Berufung  des  Vertreters  der  Reklamation 
Akiyama  Genzo  und  deren  Begründung  sind  folgende : 

1.  Der  einzige  Grund,  aus  dem  die  Einziehung  verfügt  sei,  sei  der, 
daß   unter  Verwendung  gefälschter  Schiffspapiere   und   Angabe  eines 

508 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Roseley".  Abschnitt  Vl^ta 

falschen  Bestimmungsortes  Konterbande  befördert  worden  sei.  Da  aber 
die  Konterbande  nicht  im  Eigentum  des  Reeders  stehe,  so  müsse  sich 
die  Einziehung  auf  die  Ladung  beschränken.  Das  Schiff  könne  da- 
gegen nicht  konfisziert  werden.  Denn,  um  das  Schiff  zu  konfiszieren, 
sei  es  unbedingt  nötig,  daß  neben  der  Annahme  der  Verwendung  be- 
trügerischer Mittel  bei  der  Verschiffung  der  Konterbande  auch  feststehe, 
daß  der  Reeder  an  diesem  betrügerischen  Verfahren  beteiligt,  d.  h.  im 
Einverständnis  sei.  Wenn  daher,  ohne  daß  diese  Beteiligung  bei  dem 
in  Frage  kommenden  Reeder  vorliege,  einfach  der  zivilrechtliche  Stand- 
punkt eingenommen  werde,  daß  der  Reeder  Unkenntnis  gegenüber  den 
Handlungen  des  Kapitäns  nicht  vorschützen  könne  und  daraufhin  so- 
gleich die  Einziehung  verfügt  werde,  so  sei  das  unrechtmäßig. 

2.  Der  zur  Einziehung  des  Schiffes  erforderliche  Tatbestand  be- 
trügerischer Maßnahmen  könne  lediglich  damit,  daß  in  den  Schiffs- 
papieren der  Bestimmungsort  nicht  angegeben  sei,  nicht  als  vorliegend 
erachtet  werden.  Es  sei  vielmehr  nötig,  daß  die  Papiere  in  der  bösen 
Absicht  gefälscht  seien,  die  kriegführende  Marine  bei  der  Visitierung 
und  Durchsuchung  zu  täuschen  und  dadurch  der  Aufbringung  zu 
entgehen;   auch   müßten   die  Mittel   zu   der  Täuschung  tauglich   sein. 

Da  aber  keine  tatsächliche  Spur  dafür  vorliege,  daß  die  Papiere 
des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  in  solcher  Absicht  hergestellt 
worden  seien,  und  es  durchaus  klar  sei,  daß  die  Papiere  nicht  ge- 
eignet seien,  um  damit  der  Beschlagnahme  zu  entgehen,  so  sei  die 
Einziehung  des  Schiffes  unrechtmäßig. 

3.  Der  Reeder  habe  das  Schiff  zum  Kohlentransport  an  den 
Ladungseigentümer  vermietet  und  einen  Chartervertrag  abgeschlossen, 
in  welchem  Hongkong,  Shanghai  oder  Kiautschou  als  Bestimmungshäfen 
festgesetzt  gewesen  seien.  Daher  habe  der  Reeder  an  der  Bestimmung 
des  Schiffes  nach  einem  anderen  Hafen  keinen  Anteil  gehabt.  Wenn 
man,  wie  das  englische  Recht,  annehme,  daß  der  Chartervertrag  von 
der  Art  einer  Sachmiete  sei,  so  stehe  für  die  Zeit  das  Recht  des  Be- 
sitzes und  die  Verfügungsgewalt  dem  Charterer  zu.  Selbst  aber  wenn 
man  den  Fall  nicht  so  auslege,  sondern  einen  gewöhnlichen  Frachtver- 
trag annehme,  so  entspreche  doch  dem  Willen  des  Reeders  die  in  dem 
Vertrag  bezeichnete  Refee  und  wenn  der  Kapitän  den  Willen  des 
Charterers  ausgeführt  habe,  so  könne  man  nicht  sagen,  daß  der  Reeder 
als  Mittäter  bei  dem  Konterbandetransport  gehandelt  habe.  Auch  könne 
mangels  Beweises  der  Mittäterschaft  die  Verantwortung  für  eine  das 
Völkerrecht  verletzende  Handlung,  wie  den  Konterbandetransport  unter 
Anwendung  betrügerischer  Mittel,  dem  Reeder  nicht  auferlegt  werden, 
weil  eine  solche  Handlung  außerhalb  der  Vertretungsbefugnisse  des 
Kapitäns  als  Vertreters  des  Reeders  liege. 

509 


Abschnitt  Vl^sa  Prisengerichtsentscheidungen:  „Roseley". 

4.  Der  Charterer  habe  bei  der  Abreise  des  Schiffes  dem  Kapitän 
für  den  Fall,  daß  er  bei  Ankunft  in  Hongkong  keine  andere  Order  er- 
halte, Befehl  gegeben,  mit  einem  beliebigen  Kurs  nach  Wladiwostok 
weiter  zu  fahren.  Danach  zu  urteilen,  sei  Wladiwostok  damals  noch  nicht 
fest  als  Bestimmungsort  festgesetzt  gewesen.  Dies  sei  erst  fest  be- 
stimmt worden,  als  der  Dampfer  bei  Ankunft  in  Hongkong  keine  andere 
Order  erhalten  habe.  Daher  könne  darin,  daß  in  dem  im  Abfahrts- 
hafen ausgestellten  Konnossement  und  Ausklarierungsschein  Hongkong 
als  Bestimmungsort  bezeichnet  sei,  ein  Grund  für  Verdacht  nicht  liegen, 
und  man  könne  daraus  nicht  schließen,  daß  die  Papiere  auf  einen  falschen 
Bestimmungsort  ausgestellt  worden  seien  in  der  bösen  Absicht,  dadurch 
der  Aufbringung  durch  die  kriegführende  Macht  zu  entgehen. 

Wenn  der  Dampfer  sich  in  Singapore  und  Hongkong  Aus- 
klarierung für  Shanghai  habe  geben  lassen,  so  sei  das  lediglich  in  der 
Befürchtung  geschehen,  daß  zur  Zeit  die  englischen  Behörden  die  Reise 
nach  Wladiwostok  verweigern  würden.  Wenn  er  genötigt  gewesen 
wäre,  um  Ausklarierung  nach  Wladiwostok  zu  bitten,  so  würde  er  bei 
der  Abreise  Schwierigkeiten  erfahren  haben,  welche  er  gescheut  habe. 
So  habe  er  lediglich,  um  seine  Abfahrt  zu  erleichtern,  den  Behörden 
gegenüber  eine  falsche  Meldung  gemacht,  die,  wie  von  selbst  klar  sei, 
nicht  den  Zweck  gehabt  habe,  dadurch  der  Aufbringung  durch  ja- 
panische Kriegsschiffe  zu  entgehen. 

Die  Ausklarierungsbescheinigung  sei  eigentlich  kein  wichtiges 
Schiffspapier.  Daß  die  verschiedenen  Staaten  ihr  kein  Gewicht  beilegten, 
könne  man  daraus  entnehmen,  daß  sie  sich  unter  den  in  den  Artikeln 
177  bis  194  der  englischen  Prisenordnung  aufgeführten  Schiffspapieren 
der  einzelnen  europäischen  und  amerikanischen  Staaten  nicht  finde. 
Wenn  daher  auch  in  den  fraglichen  Ausklarierungsbescheinigungen  nicht 
der  richtige  Bestimmungsort  angegeben  sei,  so  könne  man  doch  nicht 
sagen,  daß  es  den  Prinzipien  des  modernen  Völkerrechts  entspreche, 
wenn  man  daraufhin  dem  Schiffe  die  schwere  Strafe  der  Einziehung 
auferlege. 

5.  Die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  sei  keine  Kriegskonter- 
bande, denn,  wenn  sie  auch  nach  Wladiwostok  bestimmt  sei,  so  ver- 
einige dieser  Platz  doch  in  sich  die  Eigenschaften  eines  Kriegs-  und 
eines  Handelshafens  und  es  sei,  wie  das  Beispiel*  des  „Neptun us"-Falls 
im  englisch-holländischen  Krieg  lehre,  billig,  in  diesem  Fall  anzunehmen, 
daß  die  Ladung  nach  dem  Handelshafen  Wladiwostok  eingeführt 
werden  solle. 

Ferner  behaupte  das  Urteil  erster  Instanz,  daß 

es  bekannt  sei,  daß  zur  Zeit  als  der  zur  Verhandlung, stehende 
Dampfer  von  Barry  abgefahren  sei,  die  russische  Regierung 
einen   Vertreter   nach    England   geschickt  gehabt   habe,   der 

510 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Roseley*'.  Abschnitt  Vl^t« 

in  Vorbereitung  der  Ausreise  der  baltischen  Flotte  nach  dem 
Osten    viel   Steinkohle    nach    Wladiwostok    habe    befördern 
lassen   usw. 
Die  daraus  gefolgerte  Entscheidung  gründe  sich  nicht  auf  einem 
richtigen  Beweise  und  sei  daher  unrechtmäßig. 

Aus  diesen  Gründen  werde  Aufhebung  des  Urteils  erster  Instanz 
und  Erlaß  einer  Entscheidung  auf  Freilassung  des  zur  Verhandlung 
stehenden  Dampfers  beantragt. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  Mizukami 
Chojirg  vom  Prisengericht  zu  Sasebo  sind  folgende: 

1.  Da  der  Reeder  der  Mietsherr  des  Kapitäns  sei,  so  sei  er  in  Be- 
zug auf  die  vort  dem  Kapitän  in  Ausübung  seiner  Pflichten  begangenen 
Handlungen,  gleichgültig,  ob  er  darum  wisse  oder  daran  beteiligt  sei 
oder  nicht,  verantwortlich.  Daher  könne  er  nicht  mit  der  Begründung, 
er  habe  keine  Beziehung  zu  der  Ausstellung  der  gefälschten  Papiere 
durch  den  Kapitän,  seine  Verantwortung  ablehnen.  Dies  um  so  weniger, 
als  nach  eigener  Aussage  des  Kapitäns  die  Vertreter  des  Charterers  und 
des  Reklamanten  Pyman  Watson  A.  G.,  dem  Kapitän,  als  er  B^rry 
verlassen  habe,  die  Konnossemente,  welche  auf  Shanghai  als  Be- 
stimmungsort lauteten,  übergeben,  ihn  dabei  aber  mündlich  beordert 
hätten,  nach  Wladiwostok  zu  fahren. 

2.  Da  die  Frage,  ob  die  auf  dem  zur  Verhandlung  stehenden  Schiff 
verladene  Kohle  Konterbande  sei  oder  nicht,  sich  nach  den  Verhältnissen 
des  Bestimmungsorts  entscheide,  so  müßten  unstreitbar  Schiffspapiere 
als  gefälscht  gelten,  wenn  in  ihnen  kein  oder  ein  falscher  Bestimmungs- 
ort angegeben  sei,  gleichviel  aus  welchem  Grunde  dies  geschehen  sei. 
Denn  dadurch  könnten  die  im  Kriege  befindlichen  Kriegsschiffe  bei  der 
Visitierung  und  Durchsuchung  getäuscht  werden. 

Aus  den  eigenen  Aussagen  des  Kapitäns  gehe  es  hervor,  daß  das 
Schiff,  als  es  nach  Wladiwostok  habe  fahren  wollen,  nicht  den  übHchen 
Kurs  durch  die  westliche  Straße  des  Tsushimakanals  genommen,  sondern 
absichtlich,  um  sich  den  Anschein  zu  geben,  daß  es  nach  Shimonoseki 
fahre,  die  östliche  Straße  passiert,  dann  aber  plötzlich  den  Kurs  geändert 
habe,  und  schließlich  auf  der  Fahrt  nach  Wladiwostok  von  einem  Kaiser- 
lichen Kriegsschiff  aufgebracht  worden  sei.  Daraus  werde  es  klar,,  daß 
die  Eintragung  eines  falschen  Bestimmungsorts,  bzw.  die  Unterlassung 
der  Eintragung  in  das  Konnossement,  das  Tagebuch  und  die  Aus- 
klarierungsbescheinigungen nur  den  Zweck  gehabt  hätten,  die  Auf- 
bringung durch  die  Kaiserlichen  Kriegsschiffe  zu  verhüten. 

3.  Da  es  nach  dem  Wortlaut  des  Chartervertrages  klar  sei,  daß 
er  seiner  Natur  nach  kein  Mietsvertrag  über  das  Schiff,  sondern  ein 
Transportvertrag  sei,  so  müsse  man  annehmen,  daß  das  Recht  des  Be- 
sitzes und  die  Verfügungsgewalt  über  das  Schiff  nicht  auf  den  Charterer 

511 


Abschnitt  VI^«  Prisengerichtsentscheidungen:  „Roseley'*. 

übergegangen  sei,  sondern  nach  wie  vor  dem  Reklamanten  zugestanden 
habe. 

Da  der  Kapitän  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  schon  bei 
der  Abreise  von  Barry  den  Willen  gehabt  habe,  nach  Wladiwostok  zu 
fahren,  und  versucht  habe  dorthin  zu  kommen,  so  könne  der  Reklamant 
als  Mietsherr  des  Kapitäns  der  Verantwortung  hierfür  nicht  entgehen. 
Dies  um  so  weniger,  als  Pyman  Watson  A.  Q.,'  welche,  wie  oben 
gesagt,  die  Vertretung  des  Reklamanten  hätten,  bei  der  Abreise  des 
Schiffs  dem  Kapitän  Order  gegeben  hätten,  nach  Wladiwostok  zu  fahren. 

Da,  wie  dargetan,  das  Urteil  erster  Instanz  zutreffend  und  die  Be- 
rufung in  allen  Punkten  unbegründet  sei,  so  müsse  dieselbe  abgewiesen 
werden. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

1.  Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegs- 
hafen ist.  Seit  dem  Krieg  mit  Japan  hat  Rußland  es  zum  Stützpunkt 
für  seine  Kriegsflotte  und  zum  Hauptetappenort  gemacht.  Es  hat  dort 
in  ausgedehntem  Maße  Kriegsgeräte,  Lebensmittel,  Kohlen  und  sonstige 
Kriegsbedarfsartikel  aufgestapelt.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr  nach 
dorthin  hat  fast  ganz  aufgehört.  Es  ist  daher  durchaus  begründet,  wenn 
das  Gericht  erster  Instanz  angenommen  hat,  daß  die  nach  diesem  Hafen 
bestimmten  Steinkohlen  für  den  russischen  Kriegsgebrauch  geliefert 
werden  sollten  und  daher  Kriegskonterbande  seien.  Dies  um  so  mehr, 
als  die  Kohlenladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfers  aus- 
gewählte Cardiffkohle  ist  und  die  Preise  für  solche  im  Osten  so  außer- 
ordentlich hoch  sind,  daß  außer  für  den  Gebrauch  auf  Kriegsschiffen 
keine  Nachfrage  dafür  vorhanden  ist,  so  daß  es  ganz  unzweifelhaft  ist, 
daß  sie  für  den  russischen  Kriegsgebrauch  geliefert  werden  sollte. 

Der  Reklamant  sagt,  es  müsse  nach  der  Art  der  Präcedenz- 
entscheidung,  betreffend  den  „Neptunus",  ajuch  in  diesem  Falle  an- 
genommen werden,  daß  die  in  Frage  stehende  Ladung  für  friedliche 
Zwecke  bestimmt  gewesen  sei.  Aber  die  Ladung  im  „Neptun us"-Fall 
und  die  des  vorliegenden  Falls  sind  ihrer  Art  nach  von  Grund  aus  ver- 
schieden, auch  die  Verhältnisse  der  Bestimmungsorte  sind  ganz  andere. 
Es  ist  daher  unfraglich,  daß  jener  Fall  nicht  als  Präcedenz  auf  den 
vorliegenden  angewandt  werden  kann. 

2.  Das  Völkerrecht  erkennt  an,  daß  Schiffe  wie  das  zur  Ver- 
handlung stehende,  deren  Reisezweck  der  Transport  von  Konterbande 
ist,  eingezogen  werden  können.*)  Das  Oberprisengericht  ist  der 
Ansicht,  daß  dies  den  Verhältnissen  gerecht  wird.  Besonders  im  vor- 
liegenden Fall,  wo  die  ganze  Ladung  des  Schiffs  Konterbande  ist  und, 
obwohl  erwiesenermaßen  schon  seit  der  Abfahrt  von  England  Wladi- 

*)  Anders  die  japanische  Seeprisenordnung,  §§  43,  44  (V)  und  Ihre  Grandlage 
das  englische  Manual  of  Naval  Prize  Law,  art  82  bis  85. 

612 


PrisengerichtseBt8cbeidnBgen:  •Roseley.  Abschnitt  VIttfc 

wostok  das  Reiseziel  war,  der  Chartervertrag  und  die  anderen  Schiffs- 
papiere einen  falschen  Bestimmungsort  angeben  und  das  Schiff  demnach 
zur  Beförderung  von  Konterbande  unter  Anwendung  betrügerischer 
Mittel  gedient  hat. 

Da  schon  nach  dem  in  Punkt  l!  urjd  2  Qesagten  die  Entscheidung 
der  ersten  Instanz,  auf  Einziehung  des  Schiffs  unfraglich  gerechtfertigt 
ist,  so  liegt  kein  Bedürfnis  vor,  auf  die  einzelnen  Punkte  der  Berufung 
besonders  einzugehen. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  8.  August  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  PymanWatson  A.  O.,  Absender  der  Ladung  des 
Dampfers  „Roseley",  England,  Wales,  Cardiff,  vertreten  durch  David 
M.  Robertson,  Kapitän  des  Dampfers  „Roseley",  wohnhaft  in  Eng- 
land, Tayport,  Queens  Street. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Akiyama  Oenzo,  Regie- 
rungsbezirk Kanagawa,  Yokohama,  Yamashitacho  Nr.  75. 

In  der  Prisensache,  betreffend  die  Ladung  des  englischen  Dampfers 
„Roseley",  wird,  wie  folgt,  entschieden: 

Urteilsformel: 
Die  auf  dem   Dampfer  „Roseley"  verladenen   6462  Tons  Stein- 
kohlen werden  eingezogen. 

Tatbestand   und   Gründe: 

Die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  wurde  Anfang  November 
1904  in  Barry,  England,  auf  dem  von  der  Aktiengesellschaft  Pyman 
Watson  gecharterten  englischen  Dampfer  „Roseley"  verladen.  Am 
n.  d.  M.  ging  sie  mit  Bestimmung  nach  Wladiwostok  von  dort  ab 
und  wurde  am  12.  Januar  1905  morgens  12  Uhr  15  Minuten  auf  der 
See  in  36 M8'  n.  Br.  und  130  o  52'  ö.  L.,  als  der  Dampfer  „Roseley", 
auf  dem  sie  verschifft  war,  weil  er  Konterbande  führte,  von  dem  Kaiser- 
lichen Kriegsschiff  „Tokiwa"  aufgebracht  wurde,  zugleich  mit  diesem 
beschlagnahmt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Vertreters  des  Kommandanten  der  „Tokiwa",  Kapitänleutnants  Ando 

Mftrstrftnd-Meohlenbariri  !>*>  Japanlsohe  Priaenreoht.    Band  I.       (33)  ölo 


Abschnitt  VI  Mb  Prisengerichtsentscheidungen:  .Roseley*. 

ShokyO;  die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns  der  „Roseley", 
David  M.  Robertson,  des  1.  Offiziers  Adam  Harry  Brown 
und  des  1 .  Maschinisten  Robert  James  Thompson,  das  Schiffs- 
zertifikat, das  Privatschiffsjournal,  die  Ausklarierungspapiere,  den  Charter- 
vertrag und  das  Konnossement 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  des  Vertreters  der  Reklamation 
sind  folgende: 

Der  Reklamant  habe  im  November  1904  für  den  russischen  Staats- 
angehörigen E.  A.  Qrabowski  in  Glasgow,  England,  den  dem 
William  Robert  Rea  gehörigen  Dampfer  „Roseley''  gechartert  und 
die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  mit  Bestimmung  nach  Wladi- 
wostok auf  demselben  verschifft. 

Nach  der  japanischen  Seeprisenordnung  i)  gelte  die  Kohlenladung 
nur  dann  als  Kriegskonterbande,  wenn  sie  zum  Gebrauch  der  feind- 
lichen Armee  oder  Marine  oder  nach  einem  feindlichen  Ort  bestimmt 
sei,  nach  dessen  Verhältnissen  angenommen  werden  müsse,  daß  sie  zum 
Gebrauch  der  feindlichen  Armee  oder  Marine  geliefert  werden  würde. 
In  dem  vorliegenden  Falle  aber,  wo  die  Kohle  nach  Wlodiwostok  gehe, 
einem  Hafen,  der  die  Eigenschaften  eines  Kriegshafens  und  eines  Handels- 
hafens vereinige,  sei  es  billig,  daß  man  annehme,  sie  sei  nach  dem  Handels- 
hafen Wladiwostok  befördert  worden.  Das  tue  auch  die  Präcedenz- 
entscheidung  des  Prisenfalls  „Neptun us"  dar.  Dies  gelte  auch  um 
so  mehr,  als  die  Verwendbarkeit  der  zur  Verhandlung  stehenden  Ladung 
sich  nicht  ausschließlich  auf  den  Krieg  beschränke,  dieselbe  vielmehr 
auch  für  gewerbliche  Zwecke  gebraucht  werden  könne. 

Selbst  einmal  angenommen,  die  Ladung  sei  feindliches  Gut,  so 
könne  doch  nach  Artikel  2  der  Pariser  Seerechtsdeklaration  vom  Jahre 
1856  Beschlagnahme  nicht  erfolgen. 

Es  werde  daher  Freigabe  der  zur  Verhandlung  stehenden  Ladung 
beantragt. 

Die  Hauptpunkte  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  sind  folgende: 

Die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  sei  nach  dem  Hauptstütz- 
punkt der  russischen  Marine,  Wladiwostok,  bestimmt  und  hätte  offenbar 
zum  Kriegsgebrauch  des  Feindes  geliefert  werden  sollen.  Sie  sei  daher 
Konterbande  und  müsse  eingezogen  werden. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  ist  cambrische  Kohle,  wie 
sie  gegenwärtig  ausschließlich  von  Kriegsschiffen  gebraucht  wird.  Ihr 
Bestimmungsort  ist  Wladiwostok,  ein  Hauptstützpunkt  der  russischen 
Kriegsflotte. 

Es  ist  bekannt,  daß  zur  Zeit,  als  der  Dampfer  „Roseley"  von  Barry 
abfuhr,  die  russische  Regierung  einen  Vertreter  nach  England  geschickt 

^)  §  14  der  japanischen  Seeprisenordnung  (V). 

514 


PrisengerichtsentscheMungen:  .Roseley".  Abschnitt  VI»k 

halte,  der  in  Vorbereitung  der  Ausreise  der  baltischen  Flotte  nach  dem 
Osten  viel  Steinkohle  nach  Wladiwostok  befördern  ließ.  Es  ist  daher 
unzweifelhaft,  daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Kohle  für  den  Kriegs- 
gebrauch des  Feindes  nach  Wladiwostok  geliefert  werden  sollte.  Sie 
ist  demnach  Konterbaride,  und  man  kann  der  Behauptung  des  Rekla- 
manten nicht  beipflichten,  welcher  sagt,  daß  es  in  dem  vorliegenden 
Falle,  wo  die  Ladung  nach  Wladiwostok  gehe,  einem  Hafen,  der  die 
Eigenschaft  eines  Kriegs-  und  eines  Handelshafens  vereinige,  billig  sei, 
anzunehmen,  sie  sei  nach  einem  Handelshafen  befördert  worden,  und 
daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Kohle  daher  keine  Konterbande  sei. 

Da  die  übrigen  Ausführungen  des  Reklamanten  zu  dem  vorliegen- 
den Urteil  keine  direkte  Beziehung  haben,  so  ist  es  unnötig,  sie  einzeln 
zu  erörtern. 

Die  Ladung  ist  daher  als  Konterbande  nach  den  Grundsätzen  des 
Völkerrechts  mit  Recht  einzuziehen*),  und  es  wird  wie  in  der  Urteils- 
formel entschieden. 

Verkündet  am  10.  April  1905  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Beisein 
des  Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurokuro. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Pyman  Watson  A.  G.,  England,  Wales,  Cardiff, 
vertreten  durch  David  M.  Robertson,  Kapitän  des  Dampfers  „Rose- 
ley", wohnhaft  in  Tayport,  Queens  Street. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Akiyama  Genzo,  Regie- 
rungsbezirk Kanagawa,  Yokohama,  Yamashitacho  Nr.  75. 

Am  10.  April  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der  Prisen- 
sache, betreffend  die  Ladung  des  Dampfers  „Roseley",  welcher  am  12. 
Januar  1905  auf  36  o  18'  n.  Br.  und  130 »  52'  ö.  L.  von  dem  Kaiser- 
lichen Kriegsschiff  „Tokiwa"  beschlagnahmt  worden  ist,  ein  Urteil  ge- 
fällt, in  welchem  auf  Einziehung  der  an  Bord  des  genannten  Dampfers 
verschifften  6462  Tons  Steinkohlen  erkannt  worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  David  M.  Robertson  als  Vertreter 
der  Reklamanten  Pyman  Watson  A.  G.  durch  den  Rechtsanwalt 
Akiyama  Genzo  als  Prozeßvertreter  die  Berufung  eingelegt,  welche 
im  Beisein  der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku  und  Dr.  jur.  Ishi- 
watari  Binichi  beim  Oberprisengericht  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Vertreters  der  Reklamation 
Akiyama  Genzo  sind  folgende: 

*)  V.  §  43. 

(33*)  515 


Abschnitt  Jfink  Prisengerichtsentscheidungen:  «Roseley*. 

Das  Urteil  der  ersten  Instanz  sei  unzutreffend.  Es  werde  Ab- 
gabe einer  Entscheidung  auf  Freilassung  der  auf  dem  Dampfer  „Roseley" 
verladenen  6462  Tons  Steinkohlen  beantragt,  und  zwar  aus  folgenden 
Gründen : 

1.  Es  sei  freilich  in  neuerer  Zeit  äußerst  bestritten,  ob  Kohle 
Konterbande  sei.  In  der  japanischen  Seeprisenordnung  3)  sei  aber  als 
Prinzip  anerkannt,  daß  sie  nur  als  Konterbande  gelte,  wenn  sie  erwiesener- 
maßen zum  Kriegsgebrauch  des  Feindes  geliefert  werden  solle.  Aber 
wenn  man  selbst  annehme,  daß  dies  Prinzip  mit  dem  Grundsatz  des 
Völkerrechts  übereinstimme,  so  sei  doch  der  Bestimmungshafen  der 
zur  Verhandlung  stehenden  Ladung  Wladiwostok  sowohl  Rußlands  ein- 
ziger Kriegshafen  wie  auch  sein  einziger  Handelshafen  im  Osten.  Da 
an  diesem  Platz  verschiedene  Arten  von  kaufmännischen  und  gewerb- 
lichen Unternehmungen  betrieben  würden  und  neutrale  Firmen  dort 
Niederlassungen  hätten,  so  könne  man  aus  der  Tatsache,  daß  Kohle, 
welche  nicht  absolute  Konterbande  sei,  dorthin  transportiert  werde,  nicht 
ohne  weiteres  schließen,  daß  diese  für  den  Gebrauch  der  Kriegsmacht 
bestimmt  sei.  Auch  nach  der  Präcedenzentscheidung,  betreffend  den 
„Neptunus"  im  Kriege  zwischen  England  und  Holland  im  Jahre  1798, 
sei  es  billig,  daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  als  zur  Ein- 
fuhr nach  dem  Handelshafen  Wladiwostok  und  zu  friedlichem  Gebrauch 
bestimmt  angesehen  werde. 

2.  Das  Urteil  erster  Instanz  behaupte,  daß 

es  bekannt  sei,  daß  zur  Zeit,  als  der  in  Frage  stehende  Dampfer 
„Roseley"  von  Barry  abgefahren  sei,  die  russische  Regierung 
einen  Vertreter  nach  England  geschickt  gehabt  habe,  der  in 
Vorbereitung  der  Ausreise  der  baltischen  Flotte  nach  dem 
Osten    viel    Steinkohle    nach    Wladiwostok   habe    befördern 
lassen  usw. 
Auf  was  für  einem   Beweis  gründe  sich  aber  diese   Annahme?     Das 
Prisengericht  habe  sich  nicht  an  die  für  die  Beweisaufnahme  geltenden 
Normen  gehalten,  sondern  nach  freier  Überzeugung  geurteilt.     Es  sei 
aber  ein  völkerrechtlicher  Grundsatz  für  das  Prisenverfahren,  daß  man 
als  Material  für  die  Entscheidung  nur  die  Papiere  des  aufgebrachten 
Schiffs  und  die  Aussagen  der  Besatzung  benutzen  solle.*)    Es  sei  daher 
unfraglich,  daß  das  Urteil  unzutreffend  sei,  weil  es  gegen  diese  völker- 
rechtliche Grundregel  verstoßen  habe. 

3.  Bezüglich  der  Behandlung  relativer  Konterbande  auf  neutralem 
Schiff  weiche  zwar  das  englische  Prinzip  von  dem  kontinentalen  in 
etwas  ab,  aber  im  großen  und  ganzen  sei  ihr  Sinn  doch  derselbe.  Nach 

»rv7§  14. 

*)  Art.  240,  326  Manual  of  Naval  Prize  Law,  doch  die  japanische  Seeprisen- 
ordnung nur  §  66  (V). 

516 


Prisengoiichtsentscheldungen:  i^Roseley".  Abschnitt  VI**^ 

der  englischen  Praxis  würden  Güter,  welche,  weil  für  die  feindlichen 
Kriegsschiffe  oder  Truppen  bestimmt,  als  Kriegskonterbande  anzusehen 
seien,  unter  Zahlung  einer  Vergütung  eingezogen.*)  Nach  dem  kon- 
tinentalen Prinzip  sei,  wie  es  die  völkerrechtlichen  Kongresse  be- 
schlossen hätten,  für  Güter,  welche  sowohl  friedlichen  als  auch 
kriegerischen  Zwecken  dienen  könnten,  wenn  sie  auf  der  Reise  nach 
einem  feindlichen  Hafen  begriffen  seien,  bestimmt,  daß  dem  krieg- 
führenden Staat  ihnen  gegenüber  unter  der  Bedingung  der  Vergütung 
das  Beschlagnahmerecht  und  außerdem  das  Vorkaufsrecht  zustehe. 
Während  so  die  moderne  Rechtspraxis  mit  Bezug  auf  relative  Konter- 
bande eine  immer  weitherziger  werdende  Tendenz  zeige,  sei- nur  Japan 
unbillig  streng,  indem  es  im  Gegensatz  zu  den  erwähnten  Rechts- 
prinzipien und  Gewohnheiten  Kohle,  die  sowohl  friedlichen  als  auch 
kriegerischen  Zwecken  diene,  wenn  sie  nach  einem  Platz,  der  Handels- 
und Kriegshafen  sei,  bestimmt  wäre,  bedingungslos  einziehe.  Besonders 
weil  die  japaniSthe  Prisenordnung  sich  auf  den  englischen  Prinzipien 
aufbaue,  sei  es  wünschenswert,  daß,  wo  es  sich  um  neutrale  relative 
Konterbandegüter  handele,  eine  billigere  Haltung  eingenommen  würde. 
Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  beim  Prisen- 
gericht zu  Sasebo,  Mizukami  Chojiro,  sind  folgende: 

1.  Cardiffkohle,  wie  die  zur  Verhandlung  stehende,  werde  in  der 
gegenwärtigen  Zeit  ausschließlich  auf  Kriegsschiffen  gebraucht.  Die 
Ladung  sei  nach  Wladiwostok  bestimmt,  welches  als  Handelshafen  seit 
dem  japanischen  Kriege  nur  dem  Namen  nach  existiere,  tatsächlich  aber 
ein  wirklicher  Kriegshafen  und  der  Hauptstützpunkt  für  die  russische 
Kriegsflotte  sei.  Es  sei  bekannt,  daß  diese  Flotte  bezüglich  der  von  ihr 
benötigten  Kohle  fast  gänzlich  auf  Import  von  Cardiff  angewiesen  sei. 
Daher  sei  es  klar,  daß  die  zur.  Verhandlung  stehende  Kohle,  welche 
nach  Wladiwostok  bestimmt  gewesen  sei,  unmittelbar  zum  Kriegs- 
gebrauch des  Feindes  hätte  geliefert  werden  sollen  und  daher  un- 
zweifelhaft Kriegskonterbande  sei. 

Da  man  den  holländischen  Hafen  Amsterdam,  welcher  weder  dem 
Namen  noch  den  tatsächlichen  Verhältnissen  nach  zugleich  die  Eigen- 
schaften eines  Kriegs-  und  eines  Handelshafens  habe,  nicht  auf  gleiche 
Stufe  mit  Wladiwostok  stellen  könne,  so  könne  die  Präcedenzent- 
scheidung  des  „Neptun us"-Falls  nicht  für  den  vorliegenden  Fall  an- 
gezogen werden. 

2.  Da  besondere  Regeln  für  die  Beweisaufnahme,  an  welche  das 
Prisengericht  gebunden  wäre,  nicht  existierten,  so  könne  das  Gericht 
unter  Zugrundelegung  der  Schiffspapiere,  der  Aussagen  der  Besatzung 
und  jedes  anderen  Umstandes  nach  freier  Überzeugung  den  Tatbestand 

^)  Manual  of  N.  P.  L.  Art.  84.  Anders  die  japanische  Seeprisenordnung 
§43(V). 

617 


Abschnitt  VI 28b  Prisengerichtsentscheidungen:  •Roseley". 

feststellen.  Daher  lasse  sich  nicht  sagen,  daß  es  unrechtmäßig  sei, 
bei  Feststellung  des  Tatbestands  über  die  Schiffspapiere  und  Aussagen 
der  Besatzung  hinauszugehen,  ß)  besonders  auch  da  die  von  dem  Ur- 
teil erster  Instanz  angenommenen  Tatsachen  allgemein  bekannt  seien. 

3.  Daß  Kohle,  welche  für  feindliches  Gebiet  bestimmt  sei,  wenn 
anzunehmen  sei,  daß  sie  für  den  feindlichen  Kriegsgebrauch  geliefert 
werden  solle,  als  Konterbande  angesehen  und  eingezogen  werden  müsse, 
sei  nicht  nur  von  der  völkerrechtlichen  Praxis  anerkannt,  sondern  auch 
in  der  japanischen  Seeprisenordnung  klar  ausgesprochen.  Es  sei  daher 
zutreffend,  wenn  das  Gericht  erster  Instanz,  weil  es  diesen  Tatbestand 
annahm,  auf  Einziehung  der  zur  Verhandlung  stehenden  Kohle  erkannt 
habe.  Auch  sei  es  als  zutreffend  zu  bezeichnen,  wenn  das  Prisen- 
gericht den  Ausführungen  des  Reklamanten  bezüglich  Einziehung  unter 
Leistung  einer  Vergütung,  bedingter  Beschlagnahme  und  Vorkauf  nicht 
gefolgt  sei,  denn  diese  seien  nur  die  Praxis  vereinzelter  Staaten  bzw. 
Gelehrtenansichten,  könnten  aber  nicht  als  Bestimmungen  oder  Praxis 
des  geltenden  Völkerrechts  anerkannt  werden. 

Da  demnach,  wie  ausgeführt,  das  Urteil  erster  Instanz  zutreffend 
sei  und  die  Berufungspunkte  sämtlich  unbegründet  seien,  so  sei  die  Be- 
rufung zu  verwerfen. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 
Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegs- 
hafen ist.  Seit  dem  Kriege  mit  Japan  hat  Rußland  es  zum  Hauptstütz- 
punkt für  seine  Kriegsflotte  und  zum  Hauptetappenort  gemacht.  Es  hat 
dort  in  ausgedehntem  Maße  Kriegsgerät,  Lebensmittel,  Kohlen  und 
sonstige  Kriegsbedarfsartikel  aufgespeichert.  Der  gewöhnliche  Handels- 
verkehr nach  dorthin  hat  fast  gänzlich  aufgehört.  Es  ist  daher  durch- 
aus begründet,  wenn  das  Gericht  erster  Instanz  angenommen  hat,  daß 
die  nach  diesem  Hafen  bestimmten  Steinkohlen  für  den  russischen 
Kriegsgebrauch  geliefert  werden  sollten  und  daher  Kriegskonterbande 
seien.  Dies  um  so  mehr,  als  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  aus- 
gewählte Cardiffkohle  ist  und  die  Preise  für  solche  im  Osten  so  außer- 
ordentlich hoch  sind,  daß  außer  für  den  Gebrauch  auf  Kriegsschiffen 
zur  Kriegszeit  keine  Nachfrage  dafür  vorhanden  ist,  so  daß  es  ganz 
.unzweifelhaft  ist,  daß  sie  für  den  russischen  Kriegsgebrauch  geliefert 
.werden  sollte. 

Der  Reklamant  sagt,  es  müsse  nach  Art  der  Präcedenzentscheidung, 
betreffend  den  „Neptun us'',  auch  in  diesem  Falle  angenommen,  werden, 
daß  die  Ladung  für  friedliche  Zwecke  bestimmt  gewesen  sei.  Aber  die 
Ladung  im  „Neptunus''-Fall  und  die  des  vorliegenden  Falls  sind  ihrer 
Art  nach  von  Grund  aus  verschieden,   und  auch  die  Verhältnisse  der 


^)  Anders  derselbe  Staatsanwalt  in  Vi,  29  b. 
518 


Prisengerichtsentscheidungeit:  .Lethington*.  Abschnitt  V1<t* 

Bestimmungsorte  sind  ganz  andere.    Es  ist  daher  unfraglich,  daß  jener 
Fall  nicht  als  Präcedenz  auf  den  vorliegenden  angewandt  werden  kann. 
Daher  ist  Punkt  1  der  Berufung  unbegründet. 

2.  Da  ein  Prisengericht  bei  Feststellung  des  Tatbestands  die  Schiffs- 
papiere, die  Aussagen  des  Kapitäns  und  der  Besatzung  und  alle  anderen 
Tatsachen  und  Umstände  berücksichtigen  und  nach  freier  Über- 
zeugung urteilen  kann,  so  ist  der  zweite  Berufungspunkt,  welcher  das 
Urteil  erster  Instanz  für  unzutreffend  erklärt,  weil  es  die  Tatsachen,  die 
außerhalb  der  Schiffspapiere  und  der  Aussagen  der  Besatzung  liegen, 
als  Material  für  die  Entscheidung  verwandt  habe,  unbegründet. 

3.  Es  ist  völkerrechtliches  Prinzip,  daß  Konterbande  schlechthin 
eingezogen  werden  kann.  Wünsche  bezüglich  Vorkauf,  Einziehung  gegen 
Entgelt  oder  Beschlagnahme  unter  der  Bedingung  der  Entschädigung, 
wie  sie  der  Reklamant  äußert,  sind  nur  verwirklicht,  wo  besondere  ver- 
tragliche Abmachungen  vorliegen.  Im  übrigen  finden  sich  diese  Er- 
scheinungen in  Praxis  und  Theorie  nur  vereinzelt.  Keinenfalls  können 
sie  jedoch  als  völkerrechtliche  Regel  anerkannt  werden.  Man  kann 
daher  nicht  sagen,  daß  das  Urteil  erster  Instanz  es  in  etwas  versehen 
habe,  wenn  es  diesem  Ansuchen  des  Reklamanten  nicht  Folge  leistete. 

Demnach  ist  auch  Punkt  3  der  Berufung  unbegründet. 
Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  8.  August  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  William  Robert  Rea,  Reeder  des  Dampfers 
„Lethington",  wohnhaft  in  Belfast,  Provinz  Antrim  in  Irland,  England, 
Donegal  Quay  Nr.  19,  vertreten  durch  Thomas  Täte,  Kapitän  des 
Dampfers  „Lethington",  wohnhaft  North  Field  Newcastle  Street  Nr.  3. 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  AkiyamaQenzo,  Regierungs- 
bezirk Kanagawa,  Yokohama,  Yamashitacho  Nr.  75. 

In  der  Prisensache,  betreffend  den  englischen  Dampfer  „Lething- 
ton",  wird,  wie  folgt^  entschieden: 

Urteilsformel: 
Der  Dampfer  „Lethington"  wird  eingezogen. 

619 


Abschnitt  VI<T*  Prisengerichtsentscheldungen:  .Leihlngton'. 

Tatbestand  und  Gründe: 
Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „Lethington"  steht  im 
Eigentum  des  Reklamanten  Robert  Rea,  führt  die  englische  Flagge, 
sein  Heimatshafen  ist  Belfast  in  Irland,  England,  und  er  ist  ein  Handels- 
schiff, das  ausschließlich  zum  Gütertransport  dient.  Der  Reklamant 
hat  am  1.  November  1904  mit  den  Vertretern  des  in  England  wohn- 
haften russischen  Staatsangehörigen  E.  A.  Grabowski,  der  Aktien- 
gesellschaft Pyman  Watson,  einen  Chartervertrag  abgeschlossen, 
laut  welchem  der  Dampfer  Kohle  von  Cardiff  nach  Hongkong,  Shanghai 
oder  Kiautschou  befördern  sollte.  Der  Dampfer  nahm  in  Cardiff  6495 
Tons  Kohlen  ein.  Die  Konnossemente  besagen,  daß  der  Empfänger  sich 
nach  Order  richten  solle.  Als  Bestimmungsort  sollte  nach  Ankunft  in 
Hongkong  einer  der  Häfen  Hongkong,  Shanghai  oder  Kiautschou  fest- 
gesetzt werden.  Ferner  war  gesagt,  daß,  wenn  der  Kapitän  bei  An- 
kunft in  Hongkong  keine  andere  Weisung  erhalte,  er  nach  Wladiwostok 
fahren  solle. 

Am  11.  November  d.  J.  fuhr  der  Dampfer  demgemäß  von  Car- 
diff unter  Angabe  von  Hongkong  als  Bestimmungsort  ab.  In  Hong- 
kong erhielt  er  auf  Grund  seiner  Angaben  eine  Ausklarierungs- 
bescheinigung für  Shanghai,  fuhr  jedoch  direkt  nach  Wladiwostok  und 
wurde  auf  dieser  Reise  etwa  10  Seemeilen  westlich  von  Okinoshima 
im  Regierungsbezirk  Fukuoka  von  dem  Kaiserlichen  Torpedoboot  Nr.  72 
aufgebracht. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Kommandanten  des  genannten  Torpedoboots  Nr.  72,  Yamaguchi 
Denichi,  die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns  der  „Lethington" 
Thomas  Täte,  des  1.  Offiziers  George  Bergwitz,  des  1. 
Maschinisten  W.  Moffit,  das  Schiffszertifikat,  den  Chartervertrag,  das 
Konnossement,  das  Privatschiffsjournal  und  die  Ausklarierungspapiere 
des  Hafenamts  in  Hongkong. 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  des  Vertreters  der  Re- 
klamation sind  folgende: 

Da  der  Reklamant  und  Reeder  das  zur  Verhandlung  stehende 
Schiff  auf  Grund  eines  Chartervertrages  vermietet  habe,  so  habe  er  weder 
Anteil  daran  gehabt  noch  darum  gewußt,  daß  das  Schiff  nach  Wladi- 
wostok, welches  im  Chartervertrag  nicht  verzeichnet  sei,  gereist  w^re. 
Das  Schiff  könne  daher,  wenn  auch  seine  Ladung  Konterbande  sei^ 
da  der  Reklamant  nicht  der  Eigentümer  dieser  Ladung  sei,  i)  nicht  das 
Schicksal  derselben  teilen  und  der  Einziehung  verfallen.  Wenn  ferner 
auch  das  Schiff  schon  zur  Zeit  seiner  Abfahrt  von  Cardiff  mit  der 
Absicht,  es  nach  Wladiwostok  fahren  zu  lassen,  gechartert  gewesen  sei, 

')  V.  §  43,2. 

520 


PriMngerichtsentscheldiingeii:  i^Lethlngton*.  Abschnitt  VI^^* 

so  sei  das  lediglich  ein  Plan  des  Charterers  oder  des  Absenders  ge- 
wesen, an  dem  der  Reeder  in  keiner  Weise  beteiligt  gewesen  sei. 

Auch  die  Unterlassung  der  Eintragung  Wladiwostoks  als  eines 
der  Bestimmungsorte  sei  lediglich  eine  Handlung  des  Charterers  oder 
Befrachters,  zu  der  der  Reeder  in  keiner  Beziehung  stehe.  Da  das 
Schiffsjournal  übrigens  klar  Wladiwostok  als  Bestimmungsort  angebe, 
so  sei  die  Unterlassung  der  Eintragung  dieses  Hafens  in  die  übrigen 
Schiffspapiere  nicht  geschehen,  um  der  Aufbringung  durch  die  ja- 
panische Marine  zu  entgehen.  Da  das  Schiff  lediglich  sich  in  Hong- 
kong eine  Ausklarierung  nach  Shanghai  anstatt  nach  Wladiwostok  habe 
geben  lassen,  so  sei  die  Tatsache,  daß,  außer  in  dem  Journal,  in  den 
Schiffspapieren  Wladiwostok  nicht  als  Bestimmungsort  eingetragen  sei, 
einfach  als  Unvollständigkeit  der  Schiffspapiere  anzusehen.  Man  könne 
dagegen  nicht  daraus  schließen,,  daß  das  Schiff  für  den  Kohlentrans- 
port betrügerische  Mittel  habe  anwenden  wollen.  Dies  um  so  weniger, 
als  die  Ladung  nicht  als  absolute  Konterbande  gelten  könne. 

Das  Schiff  unterliege  daher  nicht  der  Strafe  der  Einziehung. 

Die  Hauptpunkte  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  sind  folgende: 

Da  es  erwiesen  sei,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff, 
um  der  Aufbringung  durch  die  japanische  Marine  zu  entgehen,  sich  mit 
gefälschten  Schiffspapieren  versehen  und  unter  Angabe  eines  falschen 
Bestimmungshafens  Konterbande  nach  Wladiwostok  habe  befördern 
wollen,  so  müsse  es  mitsamt  seiner  Ladung  eingezogen  werden. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

In  gewöhnlichen  Fällen  beschränkt  sich  die  Strafe  für  Konter- 
bandetransport auf  die  Einziehung  der  Konterbandeartikel.  Wenn  aber 
gefälschte  Schiffspapiere  verwandt  werden  und  ein  falscher  Be- 
stimmungsort angegeben  wird,  so  ist  es  die  Regel,  auch  das  Schiff 
einzuziehen.  Das  ist  im  modernen  Völkerrecht  von  Wissenschaft  und 
Praxis  allgemein  anerkannt. 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „Lethington"  hat  Car- 
diffkohle,  wie  sie  ausschließlich  für  Kriegsschiffe  verwandt  wird,  ge- 
laden, um  sie  nach  dem  Hauptflottenstützpunkt  Rußlands,  Wladiwostok, 
zu  befördern.  Darüber,  daß  es  sich  um  einen  Transport  von  Konter- 
bande handelt,  besteht  nicht  der  geringste  Zweifel.  Obwohl  es  schon 
von  der  Zeit  der  Abreise  von  Cardiff  in  England  an  bestimmt  war, 
daß  Wladiwostok  das  Ziel  der  Reise  sein  sollte,  war  im  Charterver- 
trag, dem  Konnossement  usw.  vorgegeben,  daß  die  Kohle  in  Hongkong, 
Shanghai  oder  Kiautschou  verkauft  werden  solle.  In  Hongkong  hat 
der  Dampfer  sich  eine  Ausklarierung  für  Shanghai  verschafft  und  ist 
dann  nach  Wladiwostok  gefahren.  Alle  diese  Maßnahmen  hat  der 
Dampfer  durchaus  in  der  Absicht,  dadurch  der  Aufbringung  durch  die 
Kaiserliche  Marine  zu  entgehen,  getroffen.    Er  hat  demnach  dazu  ge- 

521 


Abschnitt  VI^Ta  Prisengerichtsentschei düngen:  .Lethington*. 

dient,  unter  Anwendung  betrügerischer  Mittel  Konterbande  zu  beför- 
dern. Wenn  auch  im  Tagebuch  sich  Wladiwostok  verzeichnet  findet, 
so  reicht  das  doch  nicht  aus,  um  zu  der  Annahme  zu  gelangen,  es  habe 
keine  betrügerischen  Mittel  für  den  Transport  benutzt. 

Da  derartige  betrügerische  Handlungen  vorliegen,  so  muß  die 
Einziehung  des  Schiffs  erfolgen,  gleichviel  ob  die  Handlungen  aus 
dem  Willen  des  Reeders  oder  des  Charterers  entsprungen  sind.  2) 

Weil  daher  alle  Ausführungen  des  Vertreters  der  Reklamation 
unbegründet  sind,  wird  w^e  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  10.  April  1905  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im 
Beisein   des  Staatsanwalts   Yamamoto  Tatsurokuro. 

(Unterschriflen.) 


Reklamant:  William  Robert  Rea,  englischer  Staatsange- 
höriger, Belfast,  Donegal  Quay  Nr.  19,  England,  Irland,  County  Antrim. 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  AkiyamaQenzo,  Regierungs- 
bezirk Kanagawa,  Yokohama,  Yamashitacho  Nr.  75. 

Am  10.  April  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der  Prisen- 
-oache,  betreffend  den  englischen  Dampfer  „Lethington'',  welcher  am 
12.  Januar  1905  auf  der  See  in  einer  Entfernung  von  etwa  18  See- 
meilen westlich  von  Okinoshima  von  dem  Kaiserlichen  Torpedoboot 
Nr.  72  aufgebracht  worden  ist,  ein  Urteil  gefällt,  in  welchem  auf  Ein- 
ziehung des  Dampfers  „Lethington"  erkannt  worden   ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  der  Reklamant  William  Robert  Rea 
durch  den  Rechtsanwalt  Akiyama  Qenzo  als  Prozeßvertreter  die 
Berufung  eingelegt,  welche  im  Beisein  der  Staatsanwälte  T  s  u  t  s  u  k  i 
Keiroku  und  Dr.  jur.  Ishiwatari  Binichi  beim  Oberprisen- 
gericht geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Vertreters  der  Reklamation 
Akiyama  Qenzo  und  deren  Begründung  sind  folgende: 

1.  Der  einzige  Grund,  aus  welchem  die  Einziehung  verfügt  sei, 
sei  der,  daß  unter  Verwendung  gefälschter  Schiffspapiere  und  Angabe 
eines  falschen  Bestimmungsorts  Konterbande  befördert  worden  sei.  Da 
aber  die  Konterbande  nicht  im  Eigentum  des  Reeders  stehe,  so  müsse 
sich  die  Einziehung  auf  die  Ladung  beschränken.  Das  Schiff  dagegen 
könne  nicht  konfisziert  werden.  Denn  um  das  Schiff  zu  konfiszieren, 
sei   es   unbedingt   nötig,    daß    neben    der   Annahme   der   Verwendung 

2)  V.  §  44. 

522 


Prisengerichtsentscheidungen:  ,Lethington'.  Abschnitt  VI  27  a 

betrügerischer  Mittel  bei  der  Verschiffung  der  Konterbande  auch  fest- 
stehe; daß  der  Reeder  an  diesem  betrügerischen  Verfahren  beteiligt, 
d.  h,  im  Einverständnis  sei.  Wenn  man  daher,  ohne  daß  diese  Be- 
teiligung bei  dem  in  Frage  kommenden  Reeder  vorliege,  einfach  den 
zivilrechtlichen  Standpunkt  einnehme,  daß  der  Reeder  Unkenntnis  gegen- 
über den  Handlungen  des  Kapitäns  nicht  vorschützen  könne,  und  darauf- 
hin   ohne  weiteres  die   Einziehung  verfüge,  so  sei  das   unrechtmäßig. 

2.  Der  zur  Einrichtung  des  Schiffes  erforderliche  Tatbestand  be- 
trügerischer Maßnahmen  könne  damit,  daß  lediglich  in  den  Schiffs- 
papieren der  Bestimmungsort  nicht  angegeben  sei,  nicht  als  vorliegend 
erachtet  werden.  Es  sei  nötig,  daß  die  Papiere  gefälscht  seien  in  der 
bösen  Absicht,  die  Visitierung  und  Durchsuchung  der  kriegführenden 
Marine  zu  täuschen  und  dadurch  der  Aufbringung  zu  entgehen;  auch 
müßten  die  Mittel  zu  der  Täuschung  tauglich  sein. 

Da  aber  keine  tatsächliche  Spur  dafür  vorliege,  daß  die  Papiere 
des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  in  solcher  Absicht  ausgestellt 
w^orden  seien,  und  es  durchaus  klar  sei,  daß  die  Papiere  nicht  geeignet 
seien,  um  damit  der  Beschlagnahme  zu  entgehen,  so  sei  die  Einziehung 
des  Schiffs  unrechtmäßig. 

3.  Der  Reeder  habe  das  Schiff  zum  Kohlentransport  an  den 
Ladungseigentümer  vermietet  und  einen  Chartervertrag  abgeschlossen, 
in  welchem  Hongkong,  Shanghai  oder  Kiautschou  als  Bestimmungs- 
häfen angegeben  gewesen  seien.  Daher  habe  der  Reeder  an  der  Be- 
stimmung des  Schiffs  nach  einem  anderen  Hafen  keinen  Anteil  gehabt. 
Wenn  man  mit  dem  englischen  Recht  annehme,  daß  der  Chartervertrag 
von  der  Art  einer  Sachmiete  sei,  so  stünden  für  die  Zeit  die  Rechte 
des  Besitzes  und  der  Verfügung  dem  Charterer  zu.  Selbst  wenn  man 
aber  einmal  den  Fall  nicht  so  auslege,  sondern  einen  gewöhnlichen  Fracht- 
vertrag annehme,  so  entspreche  doch  dem  Willen  des  Reeders  die  in 
dem  Vertrag  bezeichnete  Reise,  und  wenn  der  Kapitän  den  Willen  des 
Charterers  ausgeführt  habe,  so  könne  man  nicht  sagen,  daß  der  Reeder 
Mittäter  an  dem  Konterbandetransport  gewesen  sei.  Dies  um  so  weniger, 
als  mangels  Beweises  der  Mittäterschaft  die  Verantwortung  für  eine  das 
Völkerrecht  verletzende  Handlung  wie  den  Konterbandetransport  unter 
Anwendung  betrügerischer  Mittel,  dem  Reeder  nicht  auferlegt  werden 
könne,  weil  eine  solche  Handlung  außerhalb  der  Vertretungsbefugnisse 
des  Kapitäns  als  Stellvertreters  des  Reeders  liege. 

4.  Der  Charterer  habe  bei  Abreise  des  Schiffes  dem  Kapitän  für 
den  Fall,  daß  er  bei  Ankunft  in  Hongkong  keine  andere  Order  erhalte, 
Befehl  gegeben,  mit  einem  beliebigen  Kurs  nach  Wladiwostok  weiter- 
zufahren. Danach  zu  urteilen,  sei  damals  Wladiwostok  noch  nicht  fest 
als  Bestimmungsort  abgemacht  gewesen.  Dies  sei  erst  fest  bestimmt 
worden,  als  der  Dampfer  bei  Ankunft  in  Hongkong  keine  andere  Order 

523 


Abschnitt  VI<T*  Prisengerichtsentscheldungen:  .Leihington*. 

erhalten  habe.  Daher  könne  Harin,  daß  in  dem  im  Abfahrtshafen  aus- 
gestellten Konnossement  und  Ausklarierungsschein  Hongkong  als  Be- 
stimmungsort bezeichnet  sei,  ein  Grund  für  Verdacht  nicht  liegen,  und 
man  könne  daraus  nicht  schließen,  daß  die  Papiere  auf  einen  gefälschten 
Bestimmungsort  ausgestellt  worden  seien  in  der  bösen  Absicht,  dadurch 
der  Aufbringung  durch  die  kriegführende  Macht  zu  entgehen. 

Wenn  der  Dampfer  sich  in  Singapore  und  Hongkong  Ausklarierung 
für  Shanghai  beschafft  habe,  so  sei  das  lediglich  in  der  Befürchtung 
geschehen,  daß  zurzeit  die  englischen  Behörden  die  Reise  nach  Wladi- 
wostok verweigern  würden.  Wenn  er  genötigt  gewesen  wäre,  um  Aus- 
klarierung nach  Wladiwostok  zu  bitten,  so  hätte  er  bei  der  Abreise 
Schwierigkeiten  erfahren,  welche  er  gescheut  habe.  So  habe  er  den 
Behörden  gegenüber  eine  falsche  Meldung  nur  gemacht,  um  seine  Ab- 
fahrt zu  erleichtern.  Daß  dies  nicht  geschehen  sei,  um  der  Aufbringung 
durch  die  japanischen  Kriegsschiffe  zu  entgehen,  gehe  auch  daraus 
hervor,  daß  in  dem  Tagebuch  Wladiwostok  deutlich  als  Bestimmungsort 
genannt  sei. 

Die  Ausklarierungsbescheinigung  sei  eigentlich  kein  wichtiges 
Schiffspapier.  Daß  die  verschiedenen  Staaten  ihr  kein  Gewicht  bei- 
legten, könne  man  auch  daraus  entnehmen,  daß  sie  sich  unter  den  in 
den  Artikeln  177  bis  194  der  englischen  Prisenordnung  aufgeführten 
Schiffspapieren  der  einzelnen  Staaten  Europas  und  Amerikas  nicht  finde. 
Wenn  daher  auch  in  den  fraglichen  Ausklarierungsbescheinigungen  nicht 
der  richtige  Bestimmungsort  angegeben  sei,  so  könne  man  doch  nicht 
sagen,  daß  es  den  Prinzipien  des  modernen  Völkerrechts  entspreche, 
wenn  man  daraufhin  dem  Schiffe  die  schwerste  Strafe  der  Einziehung 
auferlege. 

5.  Die  in  Frage  stehende  Ladung  sei  keine  Kriegskonterbande,  denn, 
wenn  sie  auch  nach  Wladiwostok  bestimmt  sei,  so  vereinige  dieser 
Platz  doch  in  sich  die  Eigenschaft  eines  Kriegshafens  und  eines  Handels- 
hafens, und  es  sei,  wie  das  Beispiel  des  „Neptunus"-Falls  im  englisch- 
holländischen Krieg  lehre,  billig,  in  diesem  Fall  anzunehmen,  daß  die 
Ladung  nach  dem  Handelshafen  Wladiwostok  eingeführt  werden  solle. 
Das  Urteil  erster  Instanz  nehme  an, »)  daß 

in  Wladiwostok  zur  Zeit  gewöhnliche  Schiffe  fast  gar  nicht 
vorhanden  seien  und  daß  der  Schluß  gerechtfertigt  sei,  daß 
die  auf  dem  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfer  verschiffte 
Cardiffkohle,  welche  von  der  Art  sei,  wie  sie  ausschließlich 
auf  Kriegsschiffen  zur  Verwendung  komme,  wenn  sie  nach 
Wladiwostok  gelangt  wäre,  für  den  Gebrauch  der  Marine  ge- 
liefert worden  wäre. 


■)  Eine  Verwechslung  mit  dem  erstinstanzlichen  Urteil  über  die  Ladung  dieses 
Schiffes.    Siehe  VI,  27  b. 

524 


Priaengerichtsentscheidangen:  .Lethington*.  Abschnitt  VI*t* 

Diese  Annahme  sei  unzutreffend,  weil  sie  sich  auf  keinen  richtigen  Beweis 
gründe. 

Aus  diesen  Gründen  werde  Aufhebung  des  Urteils  erster  Instanz 
und  Abgabe  einer  Entscheidung  auf  Freilassung  des  zur  Verhandlung 
stehenden  Dampfers  beantragt. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  beim  Prisen- 
gericht zu  Sasebo,  Mizukami  Chojiro,  sind  folgende : 

1.  Da  der  Reeder  der  Mietsherr  des  Kapitäns  sei,  so  sei  er  mit  Bezug 
auf  die  von  dem  Kapitän  in  Ausübung  seiner  Pflichten  begangenen 
Handlungen,  gleichgültig  ob  er  darum  wisse  und  daran  beteiligt  sei 
oder  nicht,  verantwortlich.  Daher  könne  er  nicht  mit  der  Begründung, 
er  habe  keine  Beziehung  zu  der  Ausstellung  der  gefälschten  Papiere 
druch  den  Kapitän,  seine  Verantwortung  ablehnen. 

2.  Da  die  Frage,  ob  die  auf  dem  zur  Verhandlung  stehenden  Schiff 
verladene  Kohle  Konterbande  sei  oder  nicht,  sich  nach  den  Verhältnissen 
des  Bestimmungsortes  entscheide,  so  müßten  unstreitbar  die  Schiffspapiere 
als  gefälscht  gelten,  weil  in  ihnen  kein  oder  ein  falscher  Bestimmungs- 
ort angegeben  sei,  gleichviel  aus  welchem  Grunde  dies  geschehen  sei. 
Denn  dadurch  könnten  die  im  Kriege  begriffenen  Kriegsschiffe  bei  der 
Visitierung  und  Durchsuchung  getäuscht  werden- 

Zumal  habe  auch  der  Kapitän  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Schiffes  schon  beim  Verlassen  von  Barry  die  Absicht  gehabt,  nach  Wladi- 
wostok zu  fahren.  Wenn  trotzdem  in  den  Schiffspapieren  ein  falscher 
Bestimmungsort  verzeichnet  sei,  so  müsse  man  vermuten,  daß  dies 
geschehen  sei,  um  der  Gefahr  der  Aufbringung  während  der  Reise  zu 
entgehen. 

3.  Da  es  nach  dem  Wortlaut  des  Chartervertrages  klar  sei,  daß 
er  seiner  Natur  nach  kein  Mietsvertrag  über  das  Schiff,  sondern  ein 
Transportvertrag  sei,  so  müsse  man  annehmen,  daß  das  Recht  des  Be- 
sitzes und  der  Verfügung  des  Schiffs  nicht  auf  den  Charterer  über- 
gegangen sei,  sondern  nach  wie  vor  dem  Reklamanten  zustehe. 

Da  der  Kapitän  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  schon 
bei  der  Abreise  von  Cardiff  den  Willen  gehabt  habe,  nach  Wladiwostok 
zu  fahren  und  versucht  habe,  dorthinzukommen,  so  könne  der  Rekla- 
mant als  Mietsherr  des  Kapitäns  der  Verantwortung  hierfür  nicht  ent- 
gehen. 

Da,  wie  dargetan,  das  Urteil  erster  Instanz  zutreffend  und  die 
Berufung  in  allen  Punkten  unbegründet  sei,  so  müsse  dieselbe  abgewiesen 
werden. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

1.  Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegs- 
hafen ist.  Seit  dem  Krieg  mit  Japan  hat  Rußland  es  zum  Stützpunkt 
für  seine  Kriegsflotte  und  Hauptetappenort  gemacht.    Es  hat  dort  in 

525 


:  Abschnitt  VI  27  a  Prisengerichtsentscheidungen :  ,  Lethington  * . 

ausgedehntem  Maße  Kriegsgerät,  Lebensmittel,  Kohlen  und  sonstige 
Kriegsbedarfsartikel  aufgespeichert.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr 
nach  dorthin  hat  fast  ganz  aufgehört.  Es  ist  daher  durchaus  begründet, 
wenn  das  Gericht  erster  Instanz  angenommen  hat,  daß  nach  diesem 
Hafen  bestimmte  Steinkohle  für  den .  russischen  Kriegsgebrauch  geliefert 
werden  sollte  und  daher  Kriegskonterbande  sei.  Dies  um  so  mehr, 
als  die  Kohlenladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  aus- 
gewählte Cardiffkohle  ist  und  die  Preise  für  solche  im  Osten  so  außer- 
ordentlich hoch  sind,  daß  außer  für  den  Gebrauch  auf  Kriegsschiffen 
zur  Kriegszeit  keine  Nachfrage  dafür  vorhanden  ist,  so  daß  es  ganz 
unzweifelhaft  ist,  daß  sie  für  den  russischen  Kriegsgebrauch  geliefert 
werden  sollte. 

Der  Reklamant  sagt,  es  müsse  nach  Art  der  Präcedenzentscheidung; 
betreffend  den  „Neptunus"  auch  in  diesem  Falle  angenommen  werden, 
daß  die  in  Frage  stehende  Ladung  für  friedliche  Zwecke  bestimmt  ge- 
wesen sei.  Aber  die  Ladung  im  „Neptunus''-Fall  und  die  des  vor- 
liegenden Falles  sind  ihrer  Art  nach  von  Grund  aus  verschieden,  und 
auch  die  Verhältnisse  der  Bestimmungsorte  sind  ganz  andere.  Es  ist 
daher  unfraglich,  daß  jener  Fall  nicht  als  Präcedenz  auf  den  vor- 
liegenden angewandt  werden  kann. 

2.  Das  Völkerrecht  erkennt  an,  daß  Schiffe  wie  das  zur  Ver- 
handlung stehende,  deren  Reisezweck  der  Transport  von  Konterbande 
ist,  eingezogen  werden  können.  *)  Das  Oberprisengericht  ist  der  An- 
sicht, daß  dies  den  Verhältnissen  gerecht  wird,  besonders  im  vorliegenden 
Fall,  wo  die  ganze  Ladung  des  Schiffs  Konterbande  ist  und,  obwohl  er- 
wiesenermaßen schon  seit  der  Abfahrt  von  England  Wladiwostok  das- 
Reiseziel  war,  der  Chartervertrag  und  andere  Schiffspapiere  einen  falschen 
Bestimmungsort  angeben  und  das  Schiff  demnach  zur  Beförderung  von 
Konterbande  unter  Anwendung  betrügerischer  Mittel  gedient  hat. 

Da  schon  nach  dem  in  Punkt  1  und  2  Gesagten  die  Entscheidung- 
erster  Instanz  auf  Einziehung  des  Schiffs  unfraglich  gerechtfertigt  ist, 
so  liegt  keine  Notwendigkeit  vor,  auf  die  einzelnen  Punkte  der  Berufung; 
noch  besonders  einzugehen. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden : 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  8.  August  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


*)  Anders  die  japanische  Seeprisenordnung,  §§  43,  44  (V)  und  ihre  Grundlage^ 

ii__t__     «« t     _*    XT 1     n.2.^    T  MioT      nw4^      OO    Kio     Qi; 


das  englische  Manual  of  Naval  Prizc  Law,  art.  82  bis  85. 
526 


Piisengerichtsentscheidungen:  •Lethington".  Abschnitt  VI^v» 

Reklamant:  Pyman  Watson  A.  Q.,  Absender  der  auf  dem 
Dampfer  „Lethington"  verschifften  Kohlen,  Cardiff,  Wales,  England, 
vertreten  durch  Thomas  Täte,  Kapitän  des  Dampfers  „Lethington", 
•wohnhaft  in  England,  Northfield,  Newcastle  Street  Nr.  3. 

Prozeßvertreter :  Rechtsanwalt  Akiyama  Qenzo,  Regie- 
rungsbezirk Kanagawa,  Yokohama,  Yamashitacho  Nr.  75. 

In  der  Prisensache,  betreffend  die  Ladung  des  englischen  Dampfers 
„Lethington",  wird,  wie  folgt,  entschieden: 

Urteilsformel: 
Die  auf  dem  Dampfer  „Lethington"  verschifften  6495  Tons  Stein- 
kohle werden  eingezogen. 

Tatbestand   und   Gründe: 

Die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  von  6495  Tons  Cardiff- 
kohle  ist  auf  Grund  des  am  1.  November  1904  von  dem  Reklamanten 
als  Vertreter  des  in  England  wohnhaften  russischen  Staatsangehörigen 
E.  A.  Grabowski  mit  dem  Reeder  des  Dampfers  „Lethington'', 
Robert  Rea,  abgeschlossenen  Chartervertrags  mit  der  Absicht,  sie 
nach  Wladiwostok  in  Rußland  zu  befördern,  in  Cardiff  geladen  worden. 
Nach  dem  Konnossement  sollte  sich  der  Empfänger  nach  Order  be- 
stimmen. Als  Bestimmungsort  sollte  nach  Ankunft  in  Hongkong  einer 
der  Häfen  Hongkong,  Shanghai  oder  Kiautschou  festgesetzt  werden.  Zu- 
gleich war  aber  gesagt,  daß,  wenn. der  Kapitän  bei  Ankunft  in  Hong- 
kong keine  andere  Weisung  erhalte,  er  nach  Wladiwostok  fahren  solle. 

Am  H.  November  d.  J.  fuhr  der  Dampfer  demgemäß  von  Cardiff 
unter  Angabe  von  Hongkong  als  Bestimmungsort  ab.  In  Hongkong 
erhielt  er  auf  Grund  seiner  Angabe  eine  Ausklarierung  nach  Shanghai, 
fuhr  jedoch  direkt  nach  Wladiwostok  und  wurde  auf  dieser  Reise  etwa 
10  Seemeilen  westlich  von  Okinoshima  im  Regierungsbezirk  Fukuoka  von 
dem  Kaiserlichen  Torpedoboot  Nr.  72  zusammen  mit  der  zur  Ver- 
handlung stehenden  Ladung  beschlagnahmt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussagesclirift  des 
Kommandanten  des  genannten  Torpedoboots  Nr.  72,  Yamaguchi  Denichi, 
die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns  der  „Lethington",  Thomas 
Täte,  des  1.  Offiziers  George  Bergwitz,  des  L  Maschinisten 
W.  Moffit,  das  Schiffszertifikat,  den  Chartervertrag,  das  Konnossement 
das  Privatschiffsjournal  und  die  Ausklarierungspapiere  des  Hafenamts 
in  Hongkong. 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  des  Vertreters  der  Reklamation 
sind  folgende: 

Die  von  dem  Reklamanten,  einem  neutralen  Staatsangehörigen, 
unternommene  Beförderung  von  Steinkohle  nach  Wladiwostok,  einem 

627 


Abschnitt  VI<Ta  Prisengerichtaeiitscheidttngen:  .Lethington'. 

Hafen  einer  kriegführenden  Macht,  sei  eine  offene  Handeistransaktion, 
welche  unter  den  Freiheiten  des  neutralen  Handelsverkehrs  stehe  und 
nicht  vom  Völkerrecht  untersagt  sei.  Auch  nach  der  japanischen  See- 
prisenordnung sei  Kohle  keine  absolute  Konterbande.  Sie  gelte  als 
Konterbande  nur,  wenn  sie  zum .  Gebrauch  der  feindlichen  Armee  oder 
Marine  oder  nach  einem  feindlichen  .Ort  bestimmt  sei,  nach  dessen  be- 
sonderen Verhältnissen  angenommen  werden  müsse,  daß  sie  zum  Ge- 
brauch der  feindlichen  Armee  oder  Marine  geliefert  werden  würde,  i) 
In  dem  vorliegenden  Fall,  wo  die  Kohle  nach  Wladiwostok  gehe,  einem 
Hafen,  welcher  die  Eigenschaften  eines  Kriegs-  und  eines  Handels- 
hafens in  sich  vereinige,  sei  es  billig  anzunehmen,  daß  sie  nach  dem 
Handelshafen  Wladiwostok  bestimmt  und  nicht  für  Kriegszwecke  zu 
liefern  sei. 

Auch  wenn  man  einmal  annehme,  daß  das  Eigentum  an  der 
Ladung,  welche  auf  der  Reise  beschlagnahmt  worden  sei,  auf  den 
Empfänger  im  Feindesland  übergegangen,  die  Güter  daher  feindlichen 
Charakters  seien,  so  könnten  sie  doch,  weil  sie  unter  neutraler  Flagge 
stünden,  nicht  weggenommen  werden. 

Aus  diesen  Gründen  könne  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung 
nicht  eingezogen  werden. 

Die   Hauptpunkte  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  sind  folgende: 

Die  zur  Verhandlung  stehende  Steinkohle  sei  nach  dem  Haupt- 
stützpunkt der  russischen  Marine,  Wladiwostok,  bestimmt  gewesen,  und 
es  stehe  außer  Zweifel,  daß  sie  für  den  Krieg  habe  verwandt  werden 
sollen.    Daher  müsse  sie  eingezogen  werden. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Wenn  Lebensmittel,  Kohle  und  dergleichen  nach  einem  von  feind- 
lichen Truppen  innegehabten  Hafen  abgiesandt  sind,  so  können  sie 
je  nach  den  Verhältnissen  als  für  den  Gebrauch  dieser  Truppen  be- 
stimmt angesehen  werden.  Da  Wladiwostok  der  einzige  Kriegshafen 
Rußlands  im  Osten  und  zurzeit  der  Hauptstützpunkt  seiner  Flotte 
ist,  wo  zurzeit  gewöhnliche  Schiffe  fast  gar  nicht  vorhanden  sind,  so 
ist  es  gerechtfertigt  anzunehmen,  daß  die  zur  Verhandlung  stehende 
Cardiffkohle,  welche  von  der  Art  ist,  wie  sie  ausschließlich  auf  Kriegs- 
schiffen zur  Verwendung  kommt,  wenn  sie  nach  Wladiwostok  gelangt 
wäre,  sicher  für  den  Bedarf  der  Marine  geliefert  worden  wäre.  Es 
steht  daher  außer  Frage,  daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung 
Konterbande  ist.*) 

Da  dies  aber  feststeht,  so  erübrigt  es  sich,  auf  die  weiteren  Aus- 
führungen  des  Vertreters  der   Reklamation  einzeln  einzugehen. 

^)  Vgl.  §  14  der  japanischen  Seeprisenordnung  (V). 
2)  II.  Ziffer  2. 

528 


Prl«mgerielit8eiit8ch6ifhniS6ii:  „LetMiigtoR^.  Abschnitt  VI*^* 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden.*) 

Verkündet  am  10.  April  1905  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Bei- 
sein des  Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurokuro. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  PymanWatson,A.  O.,  England,  Wales,  Cardiff , 
vertreten  durch  den  Kapitän  des  Dampfers  „Lethington",  Thomas 
Täte,  wohnhaft  in  Northfield,  New  Castle  Street  Nr.  3. 

ProzeBveilrettM':  Rechtsanwalt  AkiyamaGenzo,  Regierungs- 
bezirk Kanagawa,  Yokohama  Yamashitacho  Nr.  75. 

Am  10.  April  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der  Prisen- 
sache, betreffend  die  Ladung  des  englischen  Dampfers  „Lethington", 
welcher  am  12.  Januar  1905  auf  der  See  in  einer  Entfernung  von  etwa 
18  Seemeilen  westlich  von  Okinoshima  von  dem  Kaiserlichen  Torpedo- 
boot Nr.  72  aufgebracht  worden  ist,  ein  Urteil  gefällt,  in  welchem  auf 
Einziehung  der  auf  dem  genannten  Dampfer  verladenen  6495  Tons  Stein- 
Icohlen  erkannt  worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  Thomas  Täte  als  Vertreter  des  Rekla^ 
manten,  der  Aktiengesellschaft  Pyman  Watson,  durch  den  Rechts- 
anwalt Akiyama  Genzo  als  Prozeßvertreter  die  Berufung  eingelegt, 
welche  im  Beisein  der  Staatsanwälte  beim  Oberprisengericht  Tsutsuki 
K  e  i  r  o k  u  und  Dr.  jur.  I  s  h  i  w  a t  a r  i  B  i  n  i  c  h  i  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Vertreters  der  Reklamation 
Akiyama  Genzo  sind  folgende: 

Das  Urteil  erster  Instanz,  welches  auf  Einziehung  der  auf  dem 
Dampfer  „Lethington"  verladenen  6495  Tons  Steinkohlen  entschieden 
habe,  sei  unzutreffend.  Es  werde  die  Aufhebung  desselben  und  Erlaß 
einer  Entscheidung  auf  Freigabe  der  genannten  Ladung  beantragt,  und 
zwar  aus  folgenden  Gründen: 

1.  Es  sei  freilich  in  neuerer  Zeit  äußjerst  bestritten,  ob  Kohle 
Konterbande  sei.  In  der  japanischen  Seeprisenordnung  sei  aber  als 
Prinzip  anerkannt,  daß  sie  nur  als  Konterbande  gelte,  wenn  sie  er- 
wiesenermaßen zum  Kriegsgebrauch  des  Feindes  geliefert  werden 
sollte.*)  Aber  wenn  man  selbst  annehme,  daß  dieses  Prinzip  mit  den 
Grundsätzen  des  Völkerrechts  übereinstimme^  so  sei  doch  der  Be- 
stimmungshafen der  zur  Verhandlung  stehenden  Ladung,  Wladiwostok, 
nicht  nur  Rußlands  einziger  Kriegshafen,   sondern  auch  sein   einziger 

VV~§  43.  -  *)  V.  §  14. 

HArstrAnd-Heohlenburff,  Das  JApAniBohe  Prisenreoht.    B*nd  I.       (34)  OJv 


Abschnitt  VI » *  Prisengerichtsentscheidungen :  „Lethington'^ 

Handelshafen  im  Osten.  Da  an  diesem  Platz  verschiedene  Arten  von 
kaufmännischen  und  gewerblichen  Unternehmungen  betrieben  würden 
und  neutrale  Firmen  dort  Niederlassungen  hätten,  so  könne  man  aus  der 
Tatsache,  daß  Kohle,  welche  nicht  absolute  Konterbande  sei,  dorthin 
transportiert  werde,  nicht  ohne  weiteres  schließen,  daß  diese  für  den 
Gebrauch  der  Kriegsmacht  bestimmt  sei.  Auch  nach  der  Präcedenz- 
entscheidung,  betreffend  den  „Neptunus"  im  Krieg  zwischen  England 
und  Holland  im  Jahre  1798,  sei  es  billig,  daß  die  zur  Verhandlung 
stehende  Ladung  als  zur  Einfuhr  nach  dem  Handelshafen  Wladiwostok 
und  zu  friedlichem  Gebrauch  bestimmt,  angesehen  werde. 

2.  Das  Urteil  erster  Instanz  behaupte,  daß 

in  Wladiwostok  zur  Zeit  gewöhnliche  Schiffe  fast  gar  nicht 
vorhanden    seien    und    daß    der    Schluß    gerechtfertigt    sei, 
daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Cardiffkohle,  welche  von 
der  Art  sei,  wie  sie  hauptsächlich  auf  Kriegsschiffen  zur  Ver- 
wendung komme,  wenn  sie  nach  Wladiwostok  gelangt  wäre, 
für  den  Gebrauch  der  Marine  geliefert  wenden  wäre,  usw. 
Was  für  Beweise  habe  man  dafür,  daß  zur  Zeit  in  Wladiwostok 
gewöhnliche  Schiffe  gar  nicht  vorhanden  seien?  Das  Gericht  habe  sich 
nicht  an  die  für  die  Beweisaufnahme  geltenden  Normen  gehalten,  sondern 
nach   freier  Überzeugung  geurteilt.    Es  sei  aber  ein   völkerrechtlicher 
Grundsatz  für  das  Prisenverfahren,  daß  man  als  Material  für  die  Ent- 
scheidung nur  die  Papiere  des  aufgebrachten  Schiffs  und  die  Aussagen 
der  Besatzung  benutzen  solle.    Es  sei  daher  unfraglich,  daß  das  Urteil 
unzutreffend  sei,  weil  es  gegen  diese  völkerrechtliche  Grundregel  ver- 
stoßen habe. 

3.  Bezüglich  der  Behandlung  relativer  Konterbande  auf  neutralem 
Schiff  weiche  zwar  das  englische  Prinzip  von  dem  kontinentalen  etwas 
ab,  aber  im  großen  und  ganzen  sei  ihr  Sinn  doch  derselbe.  Nach  der 
englischen  Praxis  würden  Güter,  welche,  weil  für  die  feindlichen  Kriegs- 
schiffe oder  Truppen  bestimmt,  als  Kriegskonterbande  anzusehen  seien^ 
unter  Zahlung  einer  Vergütung  eingezogen.  Nach  dem  kontinentalen 
Prinzip  sei,  wie  es  die  völkerrechtlichen  Kongresse  beschlossen  hätten^ 
für  Güter,  welche  sowohl  friedlichen  als  auch  kriegerischen  Zwecken 
dienen  könnten,  wenn  sie  auf  der  Reise  nach  einem  feindlichen  Hafen 
begriffen  seien,  bestimmt,  daß  dem  kriegführenden  Staat  ihnen  gegen- 
über unter  der  Bedingung  der  Vergütung  das  Beschlagnahmerecht  und 
außerdem  das  Vorkaufsrecht  zustehe.  Während  so  die  moderne  Rechts- 
praxis mit  Bezug  auf  relative  Konterbande  eine  immer  weitherziger  wer- 
dende Tendenz  zeige,  sei  nur  Japan  unbillig  streng,  indem  es  im  Gegen- 
satz zu  den  erwähnten  Rechtsprinzipien  und  Gewohnheiten  Kohle,  die 
sowohl  friedlichen  als  kriegerischen  Zwecken  diene,  wenn  sie  nach  einem 
Platz,    der    Handelshafen    und    Kriegshafen    sei,    bestimmt    wäre,    be- 

530 


Prisengerichtsentsoheidunyen:  „Lethington".  Abschnitt  Vl^^fe 

dingungslos  einziehe.  Besonders  weil  die  japanische  Prisenordnung  sich 
auf  den  englischen  Prinzipien  aufbaue,  sei  es  wünschenswert,  daß,  wo  es 
sich  um  neutrale  relative  Konterbandegüter  handele,  eine  billigere  Hal- 
tung eingenommen  werde. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  beim  Prisen- 
gericht zu  Sasebo  Mizukami  Chojiro  sind  folgende: 

1.  Cardiffkohle,  wie  die  zur  Verhandlung  stehende,  werde  in  der 
gegenwärtigen  Zeit  ausschließlich  auf  Kriegsschiffen  gebraucht.  Die 
Ladung  sei  nach  Wladiwostok  bestimmt,  welches  als  Handelshafen  seit 
dem  japanisch-russischen  Kriege  nur  dem  Namen  nach  existiere,  tat- 
sächlich aber  ein  wirklicher  Kriegshafen  und  der  Hauptstützpunkt  für 
die  russische  Kriegsflotte  sei.  Es  sei  bekannt,  daß  diese  Elotte  be- 
züglich der  von  ihr  benötigten  Kohle  fast  gänzlich  auf  Import  von 
Cardiff  angewiesen  sei.  Daher  sei  es  klar,  daß  die  zur  Verhandlung 
stehende  Ladung  Kohlen,  welche  nach  Wladiwostok  bestimmt  gewesen 
sei,  unmittelbar  für  den  Kriegsgebrauch  des  Feindes  hätte  geliefert 
werden  sollen  und  daher  unzweifelhaft  Kriegskonterbande  sei. 

Da  man  den  holländischen  Hafen  Amsterdam,  welcher  weder  dem 
Namen,  noch  den  tatsächlichen  Verhältnissen  nach  zugleich  die  Eigen- 
schaften eines  Kriegshafens  und  eines  Handelshafens  habe,  nicht  auf 
gleiche  Stufe  mit  Wladiwostok  stellen  könne,  so  könne  die  Präcedenz- 
entscheidung  des  „Neptun us''-Falls  nicht  auf  den.  voriiegenden  Fall 
angezogen  werden. 

2.  Da  besondere  Regeln  für  die  Beweisaufnahme,  an  welche  das 
Prisengericht  gebunden  wäre,  nicht  existierten,  so  könne  das  Gericht 
unter  Zugrundelegung  der  Schiffspapiere,  der  Aussagen  der  Besatzung 
und  jedes  anderen  Umstandes  nach  freier  Überzeugung  den  Tatbestand 
feststellen.  Daher  lasse  sich  nicht  sagen,  daß  es  unrechtmäßig  sei,  bei 
Feststellung  des  Tatbestandes  über  die  Schiffspapiere  und  Aussagen 
der  Besatzung  hinauszugehen,  besonders  auch  da  die  von  dem  Urteil 
erster  Instanz  angenommenen  Tatsachen  allgemein  bekannt  seien. 

3.  Daß  Kohle,  welche  für  feindliches  Gebiet  bestimmt  sei,  wenn 
anzunehmen  sei,  daß  sie  für  den  feindlichen  Kriegsgebrauch  geliefert 
werden  solle,  als  Kriegskonterbande  angesehen  und  eingezogen  werden 
müsse,  sei  nicht  nur  von  der  Völkerrechtspraxis  anerkannt,  sondern* 
auch  in  der  japanischen  Seeprisenordnung  klar  ausgesprochen.  Es  sei 
daher  zutreffend,  wenn  das  Gericht  erster  Instanz,  weil  es  dies  an- 
genommen habe,  auf  Einziehung  der  zur  Verhandlung  stehenden  Kohle 
erkenne.  Auch  sei  es  als  zutreffend  zu  bezeichnen,  wenn  das  Prisen- 
gericht den  Ausführungen  des  Reklamanten  bezüglich  Einziehung  unter 
Leistung  einer  Vergütung,  bedingter  Beschlagnahme  und  Vorkauf  nicht 
gefolgt  sei,  denn  diese  seien  nur  vereinzelte  Staatenpraxis  bzw.  Gelehrten- 

(34*)  531 


Abschnitt  VI '7  b  Prisettgerichtsmteeheichiiigeii:  „Uthington''. 

ansichten,    könnten  aber    nicht    als  Bestimmungen    oder   Praxis     des 
geltenden  Völkerrechts  anerkannt  werden. 

Da  demnach,  wie  ausgeführt,  das  Urteil  erster  Instanz  zutreffend 
und  die  Berufung  in  allen  Punkten  unbegründet  sei,  so  sei  die  Berufung 
zu  verwerfen. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

1.  Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegs- 
hafen ist.    Seit  dem  Krieg  mit  Japan  hat  Rußland  es  zum  Stützpunkt 
für  seine  Kriegsflotte  und  Hauptetappenort  gemacht.    Es  hat  dort    in 
ausgedehntem   Maße   Kriegsgerät,   Lebensmittel,   Kohlen    und   sonstige 
Kriegsbedarfsartikel  aufgespeichert.     Der  gewöhnliche   Handelsverkehr 
nach  dorthin  hat  fast  ganz  aufgehört.    Es  ist  daher  durchaus  begründet, 
wenn  das  Gericht  erster  Instanz  angenommen  hat,  daß  die  nach  diesem 
Hafen  bestimmten  Steinkohlen  für  den  russischen  Kriegsgebrauch  ge- 
liefert werden  sollten  und  daher  Konterbande  seien.   Dies  um  so  mehr, 
als  die  zur  Verhandlung  stehende  Kohlenladung  ausgewählte  Cardiff- 
kohle  ist  und  die  Preise  für  solche  im  Osten  so  außerordentlich  hoch 
sind,  daß  außer  für  den  Gebrauch  auf  Kriegsschiffen  zur  Kriegszeit 
keine  Nachfrage  dafür  vorhanden   ist,  so  daß  es  ganz  unzweifelhaft 
ist,  daß  sie  für  den  russischen  Kriegsgebrauch  geliefert  werden  sollte. 

Der  Reklamant  sagt,  es  müsse  nach  der  Art  der  Präcedenz- 
entscheidung,  betreffend  den  „Neptunus",  auch  in  diesem  Falle  ange- 
nommen werden,  daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  für  fried- 
liche Zwecke  bestimmt  gewesen  sei.  Aber  die  Ladung  im  „Neptun us"- 
Fall  und  die  des  vorliegenden  Falls  sind  ihrer  Art  nach  von  Grund  aus 
verschieden.  Es  ist  daher  unfraglich,  daß  jener  Fall  nicht  als  Präcedenz 
auf  den  vorliegenden  angewandt  werden  kann.  Daher  ist  Punkt  1  der 
Berufung  unbegründet. 

2.  Da  ein  Prisengericht  bei  Feststellung  des  Tatbestands  die  Schiffs- 
papiere, die  Aussagen  des  Kapitäns  und  der  Besatzung  und  alle  anderen 
Tatsachen  und  Umstände  berücksichtigen  und  nach  freier  Oberzeugung 
urteilen  kann,  so  ist  der  zweite  Beruf ungsp unkt,  welcher  das  Urteil 
erster  Instanz  für  unzutreffend  erklärt,  weil  es  Tatsachen,  die  außer- 
halb der  Schiffspapiere  und  der  Aussagen  der  Besatzung  liegen,  als 
Material  für  die  Entscheidung  verwandt  habe,  unbegründet. 

3.  Es  ist  völkerrechtliches  Prinzip,  daß  Konterbande  schlechthin 
konfisziert  werden  kann.  Wünsche  bezüglich  Vorkauf,  Einziehung  gegen 
Entgelt  oder  Beschlagnahme  unter  der  Bedingung  der  Entschädigung, 
wie  sie  der  Reklamant  äußert,  sind  nur  verwirklicht,  wo  besondere 
vertragliche  Abmachungen  vorliegen.  Im  übrigen  finden  sich  diese  Er- 
scheinungen in  Praxis  und  Theorie  nur  vereinzelt.  Keinesfalls  können 
sie  jedoch  als  völkerrechtliche  Regel  anerkannt  werden.  Man  kann 
daher  nicht  sagen,  daß  das  Urteil  erster  Instanz  es  in  etwas  versehen 

632 


PriMBg^rfchtsentscIieldungen:  „Scotsman*'.  Abschnitt  VI »  • 

habe,  wenn  es  diesem  Ansuchen  des  Reklamanten  nicht  Folge  geleistet 
hat.     Demnach  ist  auch  Punkt  3  der  Berufung  unbegründet. 
Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  8.  August  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


Reklttlfiant:  Lombard  Steamship  Company,  England,  London, 
Qreat  St.  Helen's  Street  Nr.  20,  vertreten  durch  den  Prokuristen  John 
White. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Akiyama  Oenzo,  Tokio, 
Kyobashiku  Unemecho  Nr.  15. 

In  der  Prisensache  betreffend  den  englischen  Dampfer  „Scotsman" 
wird  nach  Beendigung  der  Untersuchung,  wie  folgt,  entschieden: 

Urteilsformel: 
Es   wird   auf   Wegnahme    des   englischen  Dampfers  „Scotsman" 
erkannt. 

Tatbestand  und  Gründe: 
Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „Scotsman''  steht  im 
Eigentum  des  Reklamanten,  sein  Heimatshafen  ist  London,  England, 
und  er  ist  ein  Handelsschiff,  welches  die  englische  Flagge  führt.  Der 
Dampfer  hat  auf  Grund  eines  am  4.  Januar  1905  in  Shanghai,  China, 
von  der  Vertretung  des  Reklamanten,  der  Firma  Dodwell  &  Co. 
Ltd.,  in  Shanghai  mit  der  dortigen  Firma  R.  Peretz  (diese  Firma  ist 
am  12.  Februar  dieses  Jahres  aufgelöst,  und  alle  ihre  Geschäfte  sind 
der  Firma  A.  Chazalon  übertragen  worden)  abgeschlossenen  Charter- 
vertrags in  Saigon  ungefähr  20  000  Sack  Saigon  Reis  (Gewicht  ungefähr 
134  000  Pud)  geladen,  um  sie  nach  Wladiwostok  in  Rußland  zu  befördern. 
Die  Absender  waren  die  Vertreter  der  Firma  R.  Peretz  in  Saigon, 
P.  Rauzy  &  P.  Vi  He.  Nach  dem  Konnossement  sollte  sich  der 
Empfänger  nach  Order  bestimmen.  Ein  Chartervertrag  wurde  nicht 
an  Bord  gegeben.  Am  24.  Januar  dieses  Jahres  fuhr  der  Dampfer 
mit  Bestimmung  nach  Wladiwostok  von  Saigon  ab,  kam  am  29.  des- 
selben Monats  in  Hongkong  an  und  nahm  bei  seiner  Abfahrt  vouf 
dort  am  1.  Februar  vorsätzlich  einen  Umweg,  der  ihn  durch  die  Tsugaru- 
Straße  nach  Wladiwostok  bringen  sollte.  Auf  dieser  Reise  wurde  er 
am  14.  des  Monats,  7  Uhr  abends,  in  der  Straße  von  Tsugaru  in  der 

533 


Abschnitt  VI 28«  Prisengerichtsentscheidungen:  „Scotsman". 

Nähe  des  Leuchtturms  von  Shiokubi  von  dem  Kaiserlichen  Torpedo- 
boot Nr.  30  aufgebracht. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Vertreters  des  Kommandanten  des  Kaiserlichen  Torpedoboots  Nr.  30, 
Oberleutnants  zur  See  Tominaga  Ryutaro,  die  Vernehmungs- 
protokolle des  Vertreters  des  Kommandanten  des  genannten  Torpedo- 
boots, Kapitänleutnants  Nagasawa  Naotaro  und  des  Kapitäns  des 
Dampfers  „Scotsman",  Edward  Albert  Mackenzie,  durch  das 
Schiffszertifikat,  die  Ausklarierungsscheine  von  Saigon  und  Hongkong, 
das  Ladungsverzeichnis,  das  Konnossement,  das  Tagebuch,  den  von  dem 
Vertreter  der  Reklamation  eingereichten  Chartervertrag  und  eine  von 
dem  spanischen  Konsulat  in  Shanghai  für  R.  Peretz  ausgestellte  Be- 
scheinigung. 

Die  Hauptpunkte  der   Reklamation  sind  folgende: 

Da  die  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfers  nicht 
im  Eigentum  des  Reeders  stehe,  so  könne  das  Schiff,  selbst  wenn  die 
Ladung  als  Konterbande  betrachtet  werde,  nicht  mit  derselben  zu- 
sammen eingezogen  werden.  Da  ferner  der  Reeder  davon,  daß  Konter- 
bande habe  befördert  werden  sollen,  keine  Kenntnis  gehabt  habe,  auch 
in  den  Schiffspapieren  Wladiwostok  klar  als  Bestimmungsort  für  Schiff 
und  Ladung  bezeichnet  sei,  so  sei  eine  Fälschung  in  nichts  versucht 
worden.  Freilich  sei  zufällig  der  Chartervertrag  zur  Zeit  der  Aufbringung 
nicht  an  Bord  vorhanden  gewesen.  Der  Grund  hierfür  sei  aber  der, 
daß  der  Chartervertrag  über  dieses  Schiff  in  Shanghai  abgeschlossen 
worden  sei  und  daß  keine  Zeit  vorhanden  gewesen  sei,  denselben  dem 
Schiff  zu  übersenden,  weil  dieses  damals  in  Saigon  gelegen  habe. 

Wenn  Reis  auch  nach  einem  Hafen,  wo  feindliche  Truppenteile 
lägen,  befördert  werde,  so  müsse  er  doch  nicht  notwendigerweise  nur 
zum  Gebrauch  dieser  Truppen  geliefert  werden,  sondern  auch  die  übrige 
Bevölkerung  lebe  davon.  Demgemäß  stünde  eine  Reihe  von  kontinen- 
talen Völkerrechtslehrern  auf  dem  Standpunkt,  daß  es  zu  verwerfen 
sei.  Reis  als  Konterbande  zu  betrachten.  Auch  der  englische  Gelehrte 
Holland  habe  zur  Zeit  des  südafrikanischen  Krieges  die  englische  Praxis 
dahin  beschrieben,  daß  Lebensmittel  nur  in  dem  Falle,  wo  es  fest- 
stehe, daß  sie  an  die  feindliche  Armee  oder  Marine  oder  nach  Festungen 
befördert  würden,  als  Konterbande  gelten  könnten.  Auch  für  diesen 
Fall  nehme  er  an,  daß  lediglich  ein  Vorkaufsrecht  ausgeübt  werden 
dürfe. 

Ferner  habe  England  in  dem  französisch-chinesischen  Krieg  vom 
Jahre  1885,  als  Frankreich  aus  Gründen  der  Kriegsführung  eine  Zeit 
lang  das  gewöhnliche  Prinzip  durchbrochen  und  Reis  für  Kriegskonter- 
bande erklärt  habe,  einen  energischen  Protest  gegen  die  Unbilligkeit 
dieser  Behandlung  von   Reis  als  Konterbande  eingelegt. 

534 


Prisengerichtsentscheidungen;  „Scotsman"*  Abschnitt  VI^** 

Auch  im  japaniscli-chinesischen  Krieg  hätten  England  und  Frank- 
reich sich  absolut  dagegen  ausgesprochen,  als  China  Reis  für  Konter- 
bande erklärt  habe,  und  Japan  habe  gegen  diesen  Standpunkt  der  beiden 
Länder  keinen  Einspruch  eingelegt. 

So  seien  sich  die  Staaten  fast  alle  in  dem  Punkte  einig,  daß  Reis 
nicht  als  Konterbande  gelten  dürfe,  und  die  Wissenschaft  sowohl  wie 
die  Praxis  erkennten  dieses  an. 

Selbst  einmal  angenommen,  Japan  habe  lediglich  für  den  Krieg 
mit  Rußland  den  Standpunkt  eingenommen,  daß  Reis,  welcher  für  die 
feindlichen  Truppen  bestimmt  sei,  als  Konterbande  gelte,  so  habe  doch 
Wladiwostok  zu  gleicher  Zeit  die  Eigenschaffen  eines  -  Handels-  und 
eines  Kriegshafens.  Auch  sei  der  Handelsverkehr  nach  dort  keines- 
wegs völlig  unterbunden.  Daß  in  diesem  Falle  die  dorthin  beförderte 
Ladung  rechtmäßigerweise  als  nach  dem  Handelshafen  Wladiwostok 
und  nicht  für  den  Kriegsgebrach  bestimmt  anzusehen  sei,  gehe  aus  der 
Präcedenz-Entscheidung  über  den  während  des  englisch-holländischen 
Kriegs  im  Jahre  1798  aufgebrachten  „Neptunus"  hervor.  Dies  geltt 
umsomehr,  als  bei  den  Russen  der  Reis  kein  gewöhnliches  Nahrungs- 
mittel sei,  während  er  von  der  fremden  Bevölkerung  Wladiwostoks  ganz 
allgemein  gegessen  werde. 

Wenn  der  Empfänger  der  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Dampfers  nicht  klar  bestimmt  sei,  so  komme  das  daher,  daß  das  Kon- 
nossement auf  Order  laute.  Darin  könne  man  aber  keinen  Grund  zu 
irgendwelchem  Verdacht  erblicken. 

Aus  diesen  Gründen  werde  Freigabe  des  zur  Verhandlung 
stehenden  Dampfers  beantragt. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Es  ist  eine  bekannte  Tatsache,  daß  Wladiwostok  Rußlands  einziger 
Kriegshafen  im  Osten  und  zur  Zeit  der  Hauptstutzpunkt/ür  seine  Kriegs- 
marine ist.  Seit  dem  Kriege  mit  Japan  hat  die  russische  Regierung 
den  Platz  zu  einem  Hauptetappenort  gemacht  und  sie  ist  mit  allen 
Kräften  bestrebt,  dort  große  Kriegsvorräte  anzuhäufen.  Der  gewöhnliche 
Handelsverkehr  hat  dort  fast  gänzlich  aufgehört.  Wenn  daher  eine  La- 
dung Reis,  wie  die  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes,  deren  Kon- 
terbandeeigenschaft von  besonderen  Umständen  abhängig  ist,  nach 
Wladiwostok  befördert  wird,  so  muß  mangels  klaren  Gegenbeweises  an- 
genommen werden,  daß  dieselbe  für  den  Kriegsgebrauch  zu  liefern  war. 
Das  Konnossement  über  die  Ladung  des  zur  Verhandlung 
stehenden  Schiffs  lautet  nun  auf  Order,  und  der  Kapitän  hat  ausgesagt, 
daß  ihm  bezüglich  des  Empfängers  derselben  bei  seiner  Ankunft  in 
Wladiwostok  Mitteilung  von  dem  Eisbrecher  hat  zuteil  werden  sollen. 
Auch  steht  in  dem  Chartervertrag  eine  Abmachung,  nach  welcher  das 
Schiff  bei  Ankunft  in  Wladiwostok  erforderlichenfalls  kostenlos  die  Un- 

^35 


Abschnitt  VI<^  PrteMgMiohtMiitscIwidiiiigon:  „Scotsman". 

terstützung  des  Eisbrechers  erbalten  könne.  Nach  der  von  den  russischen 
Küstenbehörden  im  Jahre  1901  und  1902  herausgegebenen  „Übersicht 
über  Sibirien"  gehört  der  Eisbrecher  in  Wladiwostok  zu  dem  sibirischen 
Geschwader  der  russischen  Kriegsmarine. 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  hat  1679  Brutto-Tons  Ge- 
halt. Nach  dem  Ladungsverzeichnis  ist  die  Ladung  reichlich  210000 
Franks  wert.  Das  Chartergeld  von  Saigon  bis  Wladiwostok  beträgt 
die  enorme  Summe  von  L.  6250.  Auch  sagt  der  Kapitän  aus,  er  glaube^ 
daß  der  Reeder  in  Voraussicht  einer  Konfiskation  für  diese  Reise  die 
höchste  Versicherungsprämie  bezahlt  habe.  Danach  ist  es  schwer  an- 
zunehmen, daß  eine  gewöhnliche  Handelstransaktion  bezweckt  ge- 
wesen ist. 

Der  Vertreter  der  Reklamation  sagt,  Reis  sei  bei  den  Russen  kein 
gebräuchliches  Nahrungsmittel,  aber  nach  den  russischen  Verpflegungs- 
vorschriften wird  Reis  zur  Verpflegung  der  Truppen  verwandt.  Auch  ist 
es  bekannt,  daß  zur  Zeit  bei  den  russischen  Truppenteilen  im  Osten 
Chinesen  und  Koreaner  angestellt  sind,  deren  gewöhnliche  Nahrung 
Reis  ist. 

Wenn  man  alles  dies  in  Erwägung  zieht,  so  muß  man  zu  dem 
Schluß  kommen,  daß  die  Reisladung  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Dampfers  der  russischen  Regierung  gehöriger  Kriegsvorrat  ist  und  da- 
her mit  Recht  als  Konterbande  angesehen  werden  muß.  i) 

Der  Vertreter  der  Reklamation  führt  die  Ansichten  der  kontinentalen 
Völkerrechtslehrer  und  des  englischen  Professors  Holland  sowie  die 
Beispiele  des  chinesisch-französischen  und  des  japanisch-chinesischen 
Kriegs  an  und  behauptet,  die  Staaten  seien  fast  alle  über  das  Prinzip  einig,, 
daß  Reis  nicht  als  Konterbande  gelten  dürfe,  und  die  Wissenschaft  sowie 
die  Praxis  erkennten  dieses  an.  Holland  aber  und  andere  englische 
Gelehrte  vertreten  den  Standpunkt,  daß  Reis  in  dem  Falle,  wo  es  klar 
erwiesen  sei,  daß  er  an  die  feindliche  Armee  oder  Marine  oder  nach  einer 
Festung  befördert  werde,  als  Kriegskonterbande  angesehen  werden  könne.. 
Als  in  dem  jetzigen  Kriege  Rußland  Reis  für  absolute  Konterbande  er- 
klären wollte,  hat  die  englische  Regierung  dagegen  protestiert  und  ge- 
sagt, daß  sie  einverstanden  sei,  wenn  die  kriegführenden  Mächte  Reis 
als  bedingungsweise  Konterbande  erklären  wollten,  daß  es  aber  dem 
Völkerrecht  und  seiner  Praxis  widerspreche,  wenn  Reis  für  absolute 
Konterbande  erklärt  werde.  Aus  der  britischen  diplomatischen  Kor- 
respondenz vom  Jahre  1905,  Teil  Rußland  Nr.  1,  in  dem  Erlaß  des 
britischen  Staatssekretärs  des  Auswärtigen  Lansdowne  an  den  eng- 
lischen Botschafter  Sir  Charles  Hardinge  in  Rußland  vom  1.  Juni 
1904  ist  der  Standpunkt  Englands  ersichtlich.  Daß  auch  die  Vereinigten 
Staaten  von  Nordamerika  auf  diesem  Prinzip  stehen,  ergibt  sich  aus 

1)  U.  Ziffer  2. 

536 


PriMBg^riehtMiitachtldBBg^B:  „Scotsnas^  Abschnitt  VI  »• 

Praxis  und  Wissenschaft  dieses  Staats.  Rußland  hat,  wie  oben  erwähnt, 
während  des  jetzigen  Krieges  Reis  für  Konterbande  erklärt.  Wenn  man 
alle  diese  Beispiele  ansieht,  so  ist  offenbar  die  Behauptung  des  Re- 
klamanten, alle  Staaten  stünden  auf  dem  Prinzip,  daß  Reis  nicht  als 
Kriegskonterbande  angesehen  werde,  völlig  unbegründet. 

Was  die  von  dem  Reklamanten  angezogene  Präcedenz  aus  dem 
chinesisch-französischen  Krieg  angeht,  so  hat  die  englische  Regierung 
gerade  wie  jetzt  gegenüber  Rußland,  sich  damals  nur  Frankreichs  Er- 
klärung, daß  Reis  absolute  Konterbande  sei,  widersetzt.  Keineswegs 
ist  sie  jedoch  gegen  die  Erklärung  von  Reis  als  bedingter  Konterbande 
eingetreten. 

Einmal  die  Frage  betrachtet,  ob  es  sich  mit  der  Präcedenz  aus 
dem  japanisch-chinesischen  Krieg  wirklich  so  verhält,  wie  der  Vertreter 
der  Reklamation  behauptet,  so  hat  vielmehr  Japan  im  §  10  der  damaligen 
Prisenordnung  Nahrungsmittel  deutlich  als  bedingte  Konterbande  be- 
zeichnet und  während  jenes  Krieges  sind  keine  Änderungen  hinzu- 
gefügt, so  daß  also  das  Gegenteil  der  Behauptung  des  Reklamanten  der 
Fall  ist. 

Sodann  führt  der  Vertreter  der  Reklamation  zur  Begründung  da- 
für, daß  ein  Chartervertrag  nicht  an  Bord  gewesen  ist,  an,  daß  keine 
Zeit  gewesen  sei,  denselben  zu  übersenden.  Aus  dem  Chartervertrag 
des  Schiffs  und  anderen  Papieren  ergibt  sich  indes,  daß  der  Vertrag, 
während  das  Schiff  in  Kobe  lag,  das  heißt  am  4.  Januar  dieses  Jahres, 
in  Shanghai  abgeschlossen  worden  ist.  Da  ferner  das  Schiff  am  24. 
Januar  von  Saigon  nach  Wladiwostok  abgefahren,  am  29.  des  Monats  in 
Hongkong  angekommen  und  am  1.  Februar  von  dort  abgefahren  ist, 
so  daß  für  die  Übersendung  des  Chartervertrages  an  das  Schiff  hin- 
reichend Zeit  vorhanden  gewesen  ist,  muß  man  annehmen,  daß  das 
Schiff  überhaupt  nicht  mit  einem   solchen   versehen   werden   sollte.  2) 

Wie  oben  beschrieben,  hat  der  Reeder  das  Schiff  zum  Transport 
von  Reis  nach  Wladiwostok  bereitgestellt  und  dafür  ein  enormes  Charter- 
geld erhalten  und  in  Voraussicht  einer  Aufbringung  durch  japanische 
Kriegsschiffe  eine  reichliche  Versicherung  genommen.  Nach  der  Aus- 
sage des  Kapitäns  sollte  diesem  bezüglich  des  Empfängers  des  Schiffes 
eine  Mitteilung  von  seiten  des  der  russischen  Marine  angehörigen  Eis- 
brechers zuteil  werden.  Ferner  ist  in  dem  Chartervertrag  ausgemacht 
worden,  daß  das  Schiff  die  kostenlose  Hülfe  des  Eisbrechers  erhalten 
solle.  Überdies  hat  der  Kapitän  seiner  Aussage  nach  die  Order  für  diese 
Reise  von  dem  Reeder  erhalten.  Der  Dampfer  hat,  um  nach  Wladiwostok 
zu  fahren,  vorsätzlich  einen  Umweg  genommen  und  außer  der  Konter- 
bandeladung von  Reis  keine  andere  Ladung  eingenommen.   Wenn  man 

')  Ob  dies  als  eine  betrügerische  Maßnahme  (§  44  der  Seeprisenordnung  V> 
angesehen  wird,  ist  nicht  ersichtlich. 

537 


Abschnitt  VI  2ta  Prisengerfchtsentscheidungen:  „Scotsman". 

alles  dies  nebeneinander  stellt,  so  muß  man  annehmen,  daß  der  Rekla- 
mant gewußt  hat,  daß  die  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Dampfers  der  russischen  Regierung  gehöriger  Kriegsvorrat  war,  und  daß 
der  Dampfer  nach  einem  wohlüberlegten  Plan  zu  dem  Transport  der- 
selben gedient  hat.  Mit  andern  Worten,  der  Reklamant  hat  mit  seinem 
Schiffe  den  Feind  unterstützt.  8)  Die  Wissenschaft  und  die  Praxis  des 
Völkerrechts  erkennen  an,  daß  ein  Schiff,  welches  sich  solcher  Hand- 
lung schuldig  gemacht  hat,  zusammen  mit  seiner  Konterbandeladung 
einzuziehen  ist.*) 

Da  aus  diesen  Gründen  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  ein- 
zuziehen ist,  so  liegt  eine  Notwendigkeit  zur  Beantwortung  der  übrigen 
Behauptungen  des  Vertreters  der  Reklamation  nicht  vor. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  7.  Juni  1905  im  Prisengericht  zu  Yokosuka  im  Bei- 
sein des  Staatsanwalts  Kobayashi  Yoshio. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  J.  LombardSteamshipCompany,  England, 
London,  Great  St.  Helen's  Street  20. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  AkiyamaGenzo,  Tokio,  Kio- 
bashiku  Unemecho  Nr.  15. 

Am  7.  Juni  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Yokosuka  in  der  Prisen- 
sache, betreffend  den  englischen  Dampfer  „Scotsman",  welcher  am 
4.  Februar  1905  in  der  Straße  von  Tsugaru  bei  dem  Leuchtturm  Shiokubi 
von  dem  Kaiserlichen  Torpedoboot  Nr.  30  aufgebracht  worden  ist,  ein 
Urteil  erlassen,  in  welchem  auf  Wegnahme  des  englischen  Dampfers 
„Scotsman"  erkannt  worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  der  Reklamant,  die  J.  Lombard 
Steamship  Company,  durch  den  Rechtsanwalt  A  k  i  y  a  m  a 
G  e  n  z  o  als  Prozeßvertreter  die  Berufung  eingelegt,  welche  im  Beisein 

8)  Ob  dies  als  eine  Verletzung  des  §  47  der  Seeprisenordnung  (V)  angesehen 
v^ird,  ist  nicht  klar  ersichtlich. 

^)  Diese  Entscheidung  wird  durch  die  japanische  Seeprisenordnung  nicht  gedeckt, 
es  sei  denn,  daß  das  Gericht  Anwendung  betrügerischer  Mittel  nach  §  44  oder  Unter- 
stützung des  Feindes  nach  §  47  der  Seeprisenordnung  (V)  angenommen  hat,  wie  es 
den  Anschein  hat.  Das  Oberprisengericht  nimmt  offenbar  Verletzung  dieser  Bestim- 
mungen nicht  an,  sondern  erkennt  auf  Einziehung,  weil  der  „Reisezweck**  Konter- 
bandetransport sei. 

538 


Prisengerichtsentscheidungeti:  „Scotsman".  Abschnitt  VI  28  a 

der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku  und  Dr.  jur.  Ishiwatari 
B  i  n  i  c  h  i  beim  Oberprisengericht  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptberuf ungspunkte  des  Vertreters  der  Reklamation,  Aki- 
yama  Oehzo,  sind  folgende: 

Das  Urteil  des  Prisengerichts  zu  Yokosuka  vom  7.  Juni  1905,  be- 
treffend Wegnahme  des  Dampfers  „Scotsman"  sei  unzutreffend.  Es  werde 
Aufhebung  desselben  und  Freigabe  des  genannten  Dampfers  beantragt, 
und  zwar  aus  folgenden  Gründen: 

1.  Obwohl  die  Verwendung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes 
zum  Transport  seiner  Ladung  ein  rechtmäßiges  Handelsgeschäft  sei, 
das  unter  den  Freiheiten  des  neutralen  Handelsverkehrs  stehe,  habe 
das  Gericht  erster  Instanz  ungerechterweise  entschieden,  daß  diese  Hand- 
lung zur  Unterstützung  des  Feindes  diene  und  habe  die  Einziehung 
des  Schiffes  mit  der  Ladung  angeordnet. 

2.  Die  Übernahme  eines  Konterbandetransports  seitens  eines  Han- 
delsschiffs sei  Übernahme  eines  Handelsgeschäfts,  und  das  Schiff  könne 
außer  in  dem  Falle,  daß  es  im  selben  Eigentum  stehe  wie  die  Ladung, 
nicht  eingezogen  werden.  Anderseits  würden  Seetransportfirmen, 
welche  Transporte  übernähmen,  die  die  Neutralität  verletzten,  nach 
völkerrechtlichem  Prinzip  mit  Einziehung  des  Schiffes  bestraft. 

Das  Gericht  erster  Instanz  habe  seine  Entscheidung  auf  Weg- 
nahme des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  damit  begründet,  daß 

der  Reklamant  sich  der  Unterstützung  des  Feindes  mit  seinem 
Schiff  schuldig  gemacht  habe,  und  daß  solche  Schiffe  zu- 
sammen mit  ihrer  Konterbandeladung  eingezogen  werden 
müßten. 

Das  sei  eine  rechtswidrige  Entscheidung,  weil  sie  das  oben  ge- 
nannte Prinzip  außer  acht  lasse.  i 

Was  die  Strafe  für  Konterbandetransport  angehe,  so  sei  die' 
Grundregel  die,  daß  man  für  das  Schiff  den  Verlust  von  Zeit,  Kosten 
und  Fracht  als  ausreichend  erachte,  im  übrigen  aber  keine  Schädi- 
gung auferlege.  Aber  in  den  beiden  Fällen,  daß  der  Reeder  der  Eigen- 
tümer der  Konterbandeladung  sei  und  daß  das  Schiff  sich  bei  der  Ver- 
schiffung von  Kriegskonterbande  betrügerischer  Mittel  bedient  habe, 
werde  auch  das  Schiff  eingezogen.  Im  letzten  Falle  müsse  das  Schiff, 
weil  der  Reeder  offenbar  an  dem  Kriegskonterbandetransport  mit- 
gewirkt und  an  der  unrechtmäßigen  Handlung  teilgenommen  habe,  als 
ein  Gegenstand,  der  hierbei  verwendet  worden  sei,  eingezogen  werden. 

Das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  habe  aber  einem  andern 
gehörige  Handelsware  befördert  und  nicht  zum  Konterbandetransport 
gedient.  Selbst  aber  angenommen,  die  Ladung  sei  Konterbande,  so 
liege  doch  eine  Beteiligung  des  Reeders  bei  Verwendung  be- 
trügerischer Mittel  und  Kenntnis  desselben  von  der  Konterbandeeigen- 

539 


Abschnitt  VI>i>  PriMngericiitMntscIieiduBgen:  „Scoteman^'. 

Schaft  der  Ladung  nicht  vor.  Wenn  daher  das  Gericht  erster  Instanz 
entscheide,  daß  die  fragliche  Handlung  eine  Unterstützung  des  Feindes 
und  eine  Verletzung  der  Neutralität  sei,  und  deshalb  auf  Einziehung* 
des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  neben  der  Ladung  erkenne, 
so  sei  das  rechtswidrig. 

3.  Es  ergebe  sich  aus  den  an  Bord  befindlichen  Papieren,  daß 
bei  der  Beförderung  der  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Schiffes  von  Saigon  nach  Wladiwostok  keine  Spur  von  betrügerischem 
Verfahren  vorhanden  sei.  Alle  diese  Rapiere  gäben  Wladiwostok  als 
Bestimmungsort  an,  keines  enthalte  einen  .unwahren  Bestimmungsort. 
Es  sei  daher  ohne  Raum  für  jeden  Zweifel  klar,  daß  von  einer  Ver- 
heimlichung des   Bestimmungshafens   keine   Rede  sein   könne. 

Das  Gericht  erster  Instanz  nehme  unter  Verweisung  auf  die  in 
dem   Urteil  aufgezählten  Tatsachen  an,  daß 

das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  gewußt  habe,  daß  seine 
Ladung  der  russischen  Regierung  gehöriger  Kriegsvorrat  sei 
und  daß  es  sich  durch  Verwendung  zur  Beförderung  der- 
selben der  Unterstützung  des  Feindes  schuldig  gemacht,  nicht 
aber  eine  gewöhnliche  Handelstransaktion  ausgeführt  habe. 

Dies  sei  eine  unzutreffende  Entscheidung,  welche  die  Tatsachen 
falsch  auffasse,  wie  im  folgenden  dargetan  werde: 

a)  Wladiwostok  sei  nicht  nur  Rußlands  einziger  Kriegshafen, 
sondern  auch  sein  einziger  Handelshafen  im  Osten.  Sein  Handel  sei 
zur  Zeit  der  Beförderung  der  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Schiffes  wie  früher  ausgeübt  worden  und  durchaus  nicht  zum  Stillstand 
gekommen.  Es  sei  bekannt,  daß  auch  neutrale  Kaufleute  ihre  Geschäfte 
geöffnet  und  betrieben  hätten.  Aus  dem  in  dem  „Neptunus"-Fall  des 
^englisch-holländischen  Krieges  vom  Jahre  1798  gegebenen  Urteilsbei- 
spiel sei  ersichtlich,  daß  die  völkerrechtliche  Praxis  auf  dem  Standpunkt 
stehe,  daß  im  Falle,  wo  Güter,  welche  sowohl  zu  kriegerischem  wie  fried- 
lichem Gebrauch  dienen  könnten,  nach  einem  Hafen  wie  dem  genannten 
befördert  würden,  der  die  Eigenschaften  eines  Kriegs-  und  eines  Han- 
delshafens in  sich  vereinige,  angenommen  werden  müsse,  daß  sie  nach 
dem  Handelshafen  befördert  würden.  Es  sei  daher  im  Widerspruch  mit 
dieser  Präcedenz,  wenn  angenommen  worden  sei,  daß  das  zur  Verhand- 
lung stehende  Schiff  zum  Transport  von  Kriegsvorrat  gebraucht 
worden  sei. 

b)  Wenn  der  Eisbrecher  auch  der  russischen  Regierung  gehöre,  so 
werde  er  doch  immer  dazu  verwandt,  für  dort  verkehrende  Handelsschiffe 
aller  Länder  das  Eis  zu  brechen,  den  Verkehr  zu  erleichtern  und  aller- 
hand Bequemlichkeiten  zu  vermitteln.  Das  sei  nicht  nur  während  der 
Kriegszeit,  sondern  auch   im  Frieden  der  Fall. 

540 


PriMngMichtstBttcMduiigan:  y,8cotfniaH".  Abschnitt  VI<<t 

Wenn  daher  auch  im  Chartervertrag  eine  Bestimmung  stehe,  daß 
das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  nötigenfalls  kostenlos  die  Hülfe 
des  Eisbrechers  erhalten  werde,  und  wenn  auch  der  Kapitän  geglaubt 
habe,  daß  er  von  dem  Eisbrecher  Mitteilung  darüber  habe  erhalten  sollen, 
wer  der  Empfänger  sei,  so  könne  man  daraus  nicht  ohne  weiteres  kon- 
struieren, daß  die  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  für 
die  russischen  Truppen  bestimmter  Kriegsvorrat  sei. 

c)  Wenn  das  Chartergeld  für  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff 
außerordentlich  hoch  gewesen  sei,  und  der  Reeder  eine  hohe  Ver- 
sicherungsprämie bezahlt  habe,  so  sei  das  etwas  im  .Seetransportwesen 
zu  Kriegszeiten  ganz  Gewöhnliches. 

Besonders  weil  bei  einer  Reise  nach  einem  dem  Kriegsschauplatz 
nahe  gelegenen  Hafen  einer  der  kriegführenden  Mächte  zu  den  ge- 
wöhnlichen Seegefahren  noch  Kriegsgefahren  vorzusehen  seien,  so  sei  es 
eine  öffentlich  anerkannte  Handelsgewohnheit,  im  Vergleich  mit  Friedens- 
zeiten hohes  Chartergeld  und  große  Versicherungsprämien  zu  nehmen, 
um  den  möglicherweise  entstehenden  Schaden  zu  decken.  Etwas  Ver- 
dächtiges könne  hierin  keinenfalls  gesehen  werden,  und  wenn  das  Urteil 
erster  Instanz  hierin  etwas  Ungewöhnliches  erblicke,  so  sei  das  ein  un- 
geheuerliches Unverständnis  gegenüber  den  Tatsachen. 

d)  Daß  ein  Chartervertrag  nicht  an  Bord  gewesen  sei,  habe  seinen 
Grund  darin,  daß  der  Platz,  wo  dieser  abgeschlossen  worden  sei,  von 
dem  Liegeplatz  des  Schiffes  weit  entfernt  gewesen  sei,  so  daß  es  zur 
Übersendung  an  Zeit  gefehlt  habe.  Selbst  aber  angenommen,  ^er  sei 
nicht  übersandt  worden,  trotzdem  reichlich  Zeit  gewesen  sei,  so  sei  das 
lediglich  eine  Versäumnis  der  Schiffsagentur,  und  man  könne  daraus 
dem  Reeder  nicht  den  Vorwurf  machen,  daß  er  betrügerische  Mittel  an- 
gewandt habe,  und  könne  dara(us,  daß  der  Chartervertrag  unter  den 
Schiffspapieren  fehle,  nicht  auf  betrügerisches  Vorgehen  des  Kapitäns 
schließen;  dies  um  so  weniger,  als  sein  Fehlen  nicht  ausreichen  könne, 
um  die  Kaptoren  zu  täuschen. 

e)  Daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  bei  der  Reise  nach 
Wladiwostok  vorsätzlich  einen  Umweg  gemacht  und  seinen  Kurs  durch 
den  Stillen  Ozean  genommen  habe,  sei,  wie  sich  aus  der  Aussage  des 
Kapitäns  klar  ergäbe,  geschehen,  weil  zu  der  Zeit,  als  die  Reise  gemacht 
worden  sei,  die  Wind-  und  Wetterverhältnisse  im  chinesischen  und  ja- 
panischen Meer  sehr  rauh  seien.  In  dieser  Weise  nach  den  Verhältnissen 
des  Wetters  von  dem  gewöhnlichen  Kurs  abzuweichen,  seien  Seefahrer 
selbstredend  befugt,  und,  da  selbst  ein  Reeder  darin  nichts  zu  bestimmen 
habe,  so  könne  darin,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  einen 
Umweg  gemacht  habe,  eine  verdächtige  Handlung  nicht  erblickt  werden. 

Aus  den  obigen  Ausführungen  ergebe  sich,  daß  die  von  dem  Ge- 
richt erster  Instanz  angenommenen  und  als  Urteilsgründe  aufgestellten 

541 


Abschnitt  VI  2ta  Prisengerichtsentscheidungeit:  ^,Scot8man". 

Tatsachen  alle  nicht  als  Handlungen  des  Reklamanten,  durch  welche 
er  den  Feind  unterstützt  haben  solle,  angesehen  werden  könnten. 

4.  Wenn  die  russischen  Truppen  auch  Reis  essen  möchten,  so 
könne  man  doch  darüber,  daß  er  bei  ihnen  kein  gebräuchliches  Nahrungs- 
mittel sei,  nicht  streiten.  Es  könne  freilich  nicht  bestritten  werden,  da& 
die  russischen  Truppen  in  Nord-Korea  und  in  der  Mandschurei  viele 
Koreaner  und  Chinesen  angestellt  hätten.  In  Wladiwostok  und  seiner 
Umgebung  seien  aber  tatsät:hlich  derartige  Bevölkerungselemente  nicht 
engagiert.  Daher  müsse  man  es  als  unzutreffend  bezeichnen,  wenn  an- 
genommen worden  sei,  daß  die  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Schiffes  für  diese  Leute  bestimmt  gewesen  sei. 

Nach  allem  diesem  reiche  keine  der  von  dem  Gericht  erster  In- 
stanz zur  Begründung  des  Urteils  aufgestellten  Tatsachen  aus,  um  zu 
beweisen,  daß  die  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  Kriegs- 
vorrat gewesen  sei.  Kurz,  wenn  der  Reis  auch  nach  einem  Hafen,  wo 
feindliche  Truppen  lägen,  befördert  worden  sei,  so  beschränke  sich  sein 
Gebrauch  doch  nicht  unbedingt  auf  die  Truppen,  sondern  auch  die  übrige 
Bevölkerung  lebe  davon.  Wissenschaft  und  Praxis  seien  sich  darin  einig 
und  man  brauche  es  nicht  zu  diskutieren,  daß  Reis  nicht  als  Konter- 
bande gelten  dürfe,  weil,  wenn  die  Reistransporte  ganz  aufhören,  die 
Zivilbevölkerung  dem  Hunger  preisgegeben  würde. 

Da  kein  absoluter  Beweis  vorliege,  daß  die  Ladung  des  zur  Ver- 
handlung stehenden  Schiffes  den  russischen  Truppen  habe  geliefert 
werden  sollen,  so  sei  es  billig,  zu  entscheiden,  daß  sie  gewöhnliche  Han- 
delsware sei  und  es  sei  rechtswidrig,  das  zur  Verhandlung  stehende 
Schiff,  auf  dem  die  Ladung  verschifft  sei,  einzuziehen. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  bei  dem  Prisen- 
gericht zu  Yokosuka,  Yanagita  Kunio,  sind  folgende: 

L  Es  werde  behauptet,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff 
die  Ladung  auf  Grund  eines  Chartervertrages  befördere.  An  Bord  be* 
finde  sich  aber  die  unter  den  Schiffspapieren  eine  wichtige  Rolle  spielende 
Abschrift  des  Chartervertrages  nicht.  Nach  dem  Völkerrecht  liege  die 
Verantwortung  für  diesen  schwerwiegenden  Mangel  dem  Reklamantea 
ob,  dieser  habe  ihn  aber  nicht  begründen  und  rechtfertigen  können. 
Selbst  wenn  man  annehme,  daß  der  nach  Entdeckung  dieses  Fehlers  ein- 
gereichte Chartervertrag  echt  sei,  so  gehe  doch  aus  seinen  Bestimmungen 
und  den  sich  darauf  beziehenden  früheren  Aussagen  des  Kapitäns  und 
dem  Vorgehen  des  Schiffes  hervor,  daß  der  Reeder  bzw.  sein  Vertreter 
um  den  Konterbandetransport  gewußt,  daran  teilgenommen  und  dazu 
Hülfe  geleistet  habe.  Daß  in  einem  solchen  Falle  die  Strafe  der  Ein- 
ziehung sich  nicht  auf  die  Ladung  zu  beschränken,  sondern  auch  auf 
das  Schiff  zu  erstrecken  habe,  sei  von  vielen  Gelehrten  einstimmig  anr^ 

542 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Scotsman".  Abschnitt  VI^«» 

erkannt  worden,  und  daher  sei  die  Entscheidung  des  Gerichts  erster 
Instanz  zutreffend. 

2.  Wie  der  Konterbandetransport  theoretisch  auf  keinen  Fall  als 
ein  natürliches  Recht  des  neutralen  Staatsangehörigen  bezeichnet  werden 
könne,  so  stehe  es  auf  der  andern  Seite  dem  kriegführenden  Staat  mit 
Recht  frei,  den  Konterbandetransport  zu  verhindern  und  zugleich  durch 
Bestrafung  für  die  Zukunft  eine  Warnung  zu  geben. 

Freilich  seien  Fälle,  wo  Reeder  in  gutem  Glauben  zufällig  einige 
Konterbandegüter  an  Bord  nähmen,  häufig;  da  es  aber  tatsächlich  un- 
möglich sei,  zu  beweisen,  ob  Vorsatz  oder  Teilnahme  auf  selten  des 
Reeders  vorliege,  so  bestehe  allgemein  nur  der  Gebrauch,  bei  einer 
solchen  Annahme  das  Vorhandensein  ausreichender  deutlicher  Gründe 
zur  Richtschnur  zu  nehmen  und  weiteren  Beweisen  nicht  nachzuspüren. 
In  dem  vorliegenden  Falle  ergebe  es  sich  aber  ganz  klar  aus  den  Akten, 
daß  der  Reeder  des  Schiffs  über  die  Umstände  unterrichtet  gewesen  sei 
und  zur  Erreichung  des  Ziels  seine  'Beihülfe  gewährt  habe,  und  der  Re- 
klamant könne  nicht  behaupten,  wie  er  es  getan  habe,  daß  er  keinen 
Neutralitätsbruch  begangen  habe. 

Wenn  der  Reeder  wünsche,  seine  Verantwortung  für  die  Unvoll- 
ständigkeit  der  Schiffspapiere  und  die  sonstigen  unklaren  Handlungen 
abzulehnen,  so  sei  es  erforderlich,  daß  er  hierfür  treffende  Gründe  dar- 
lege. Er  habe  aber,  wie  oben  dargetan,  keinerlei  Antwort  geben  können. 

Der  Reklamant  habe  erklärt,  daß  ein  Versehen  des  Vertreters  des 
Reeders  vorliege.  An  der  Folge  dieses  Versehens  könne  aber  die  be- 
troffene kriegführende  Macht  keinen  Teil  nehmen.  Der  Reklamant  wieder- 
hole zwecklos  den  alten  Standpunkt,  ohne  indes  etwas  Neues  vorzu- 
bringen. Das  lasse  vermuten,  daß  seine  Handlungsweise  nicht  auf  Ver- 
sehen, sondern  auf  Absicht  beruhe.  Der  Grund,  weshalb  eine  Kopie 
des  Chartervertrags,  welche  an  Bord  habe  geliefert  werden  müssen, 
nicht  geliefert  worden  sei^  sei  glücklicherweise  der,  daß  ein  Charter* 
vertrag  von  Anfang  an  nicht  vorhanden  gewesen  und  der  Verkauf  der 
Ladung  auf  Rechnung  des  Reeders  geschehen  sei,  oder  der,  daß  man 
gefürchtet  habe,  daß  der  Wortlaut  des  Chartervertrags  offenbart  haben 
würde,  daß  die  Ladung  Kriegsvorrat  und  daß  der  Reeder  beteiligt  ge- 
wesen sei.  Eins  von  diesen  beiden  sei  wohl  sicher  der  Fall,  und  wie 
es  auch  sei,  könne  das  Schiff  der  Verantwortung  hierfür  nicht  ent- 
gehen. 

Aus  diesen  Gründen  sei  die  Berufung  unbegründet  und  müsse  ab- 
gewiesen werden. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

Es  ist  völkerrechtlich  anerkannt,  daß  Lebensmittel  wie  Reis,  im 
Falle,  daß  sie  für  die  feindliche  Armee  oder  Marine  bestimmt  sind  oder 
nach  einem  Platz  in  Feindesland  gehen  und  angenommen  werden  muß, 

543 


Abschnitt  Vl^t  PtiMiigericIilMiitscMdiragM:  ,3eotMim''. 

daß  sie  zum  Gebrauch  der  feindlichen  Armee  oder  Marine  dienen  wurden, 
als  Kriegskonterbande  anzusehen  sind  und  eingezogen  werden  können. 
Es  ist  nun  aber  unbestritten,  daß  der  in  Frage  stehende  Reis  nach  Wladi- 
wostok bestimmt  gewesen  ist.  Femer  ist  es  eine  bekannte  Tatsache,  daß 
Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegshafen  ist  und  daß  Rußland 
diesen  Platz  seit  dem  Kriege  mit  Japan  zum  Hauptstützpunkt  für  seine 
Flotte  und  Hauptetappenort  gemacht  hat.  Es  hat  dort  in  ausgedehntem 
Maße  Waffen,  Lebensmittel,  Kohle  und  sonstige  Kriegsbedarfsartikel  auf- 
gespeichert, und  der  gewöhnliche  Handelsverkehr  ist  dort  fast  gänzlich 
zum  Stillstand  gekommen. 

In  dem  Chartervertrag  des  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfers 
„Scotsman"  steht  eine  Bestimmung,  nach  welcher  die  Verpflichtung 
übernommen  wird,  daß  das  Schiff  bei  Ankunft  in  Wladiwostok  er- 
forderlichenfalls, ohne  daß  ihm  daraus  Kosten  erwüchsen,  sich  von  dem 
Eisbrecher  innerhalb  und  außerhalb  des  Hafens  eine  Fahrrinne  solle 
brechen  lassen  können. 

Es  wird  also,  obwohl,  wie  auch  der  Reklamant  annimmt,  der  Eis- 
brecher im  Eigentum  der  russischen  Regierung  steht,  ausdrücklich  ver- 
bürgt, daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff,  welches  einen  Trans- 
port von  Saigon-Reis  übernommen  habe,  den  Eisbrecher  kostenlos  be- 
nutzen könne,  um  sich  bei  Wladiwostok  eine  Fahrrinne  brechen  zu 
lassen.  Nach  Aussage  des  Kapitäns  hat  ihm,  wenn  er  nach  Wladiwostok 
kam,  der  Empfänger  der  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Dampfers   von  dem  Eisbrecher  mitgeteilt  werden  sollen. 

Nach  dem  Ladungsverzeichnis  ist  der  Wert  der  Ladung  reichHch 
210000  Franks.  Demgegenüber  beträgt  das  Chartergeld  von  Saigon 
nach  Wladiwostok  den  enormen  Betrag  von  L.  6250  netto.  Nach  allem 
diesen  zu  schließen,  kann  man  auf  keinen  Fall  annehmen,  daß  der  Reis 
im  gewöhnlichen  Handelsverkehr  nach  Wladiwostok  geschafft  worden  ist. 

Der  Reklamant  behauptet  ferner,  daß  der  Handelsverkehr  in  Wla- 
diwostok zur  Zeit  der  Beförderung  der  Ladung  des  zur  Verhandlung 
stehenden  Schiffes  wie  früher  ausgeübt  und  noch  keineswegs  zum  Still- 
stand gekommen  sei.  Da  für  diese  Behauptung  aber  keinerlei  Beweis 
erbracht  worden  ist,  so  kann  sie  nicht  als  der  Wahrheit  entsprechend 
angesehen  werden. 

Weiter  sagt  er,  die  in  Frage  stehende  Ladung  Reis  müsse  nach 
dem  Urteilsbeispiel  des  „Neptun us"-Falls  als  zu  friedlichem  Gebrauch 
bestimmt  angesehen  werden.  Da  aber  die  Verhältnisse  des  Bestimmungs- 
orts in  dem  genannten  Fall  von  denen  der  vorliegenden  Sache  von  Grund 
aus  verschieden  sind,  so  kann  jener  Fall  nicht  als  Präcedenz  für  den 
vorliegenden  dienen.   Kurz,  es  ist  durchaus  zutreffend,  daß  das  Gericht 


Prisengerichtsentscheidungen:  •Sootaman'.  Abschnitt  Vl^k 

erster   Instanz  den  auf  dem  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffe  ver- 
schifften Saigon-Reis  als  Kriegskonterbande  betrachtet  hat.  ^) 

Wie  im  Vorigen  dargetan,  kann  keinenfalls  angenommen  werden, 
daß  der  Transport  der  Reisladung  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Schiffs  nach  Wladiwostok  im  gewöhnlichen  Handelsverkehr  geschehen 
ist.  Die  ganze  Ladung  ist  Reis,  also  Konterbalnde.  Nach  der  Aussage 
des  Kapitäns  hat  der  Reeder  in  Voraussicht  der  Gefahr  der  Einziehung 
auf  dieser  Reise  eine  reichliche  Versicherung  genommen,  so  daß  er, 
wenn  auch  das  Schiff  eingezogen  werde,  keinen  Schaden  erleiden  werde. 
Wenn  man  diese  Tatsachen  zusammenstellt,  so  liefern  sie  reichlich  Un- 
terlage für  die  Vermutung,  daß  der  Zweck  der  Reise  des  zur  Verhand- 
lung stehenden  Schiffes  ein  Transport  von  Konterbande  war.  Das  Völker- 
recht steht  aber  auf  dem  Standpunkt,  daß  Schiffe,  deren  Reisezweck  die 
Beförderung  von  Konterbande  ist,  eingezogen  werden  können.«)  Das 
Oberprisengericht  erkennt  dies  als  den  Umständen  gerecht  werdend  an. 

Da  nach  dem  oben  Gesagten  die  Entscheidung  des  Gerichts  erster 
Instanz  auf  Einziehung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  durch- 
aus zutreffend  ist,  so  ist  es  unnötig,  auf  die  einzelnen  Berufungsgründe 
noch  besonders  einzugehen. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden : 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  5.  September  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  A.  Chazalon  &  Co.,  Shanghai,  China,  vertreten 
durch   den  Prokuristen  Maurice  Jacquet. 

ProzeBvertreter :  Rechtsanwalt  Akiyama  Genzo,  Tokio, 
Kyobashiku,  Unemecho  Nr.  15. 

In  der  Prisensache  betreffend  die  Ladung  des  englischen  Dampfers 
„Scotsman"  wird  nach  Beendigung  der  Untersuchung,  wie  folgt,  ent- 
schieden : 

Urteilsformel: 
Es  wird  auf  Wegnahme  der  auf  dem  englischen  Dampfer  „Scots- 
man"  verladenen  ungefähr  20000  Sack  Saigon-Reis  erkannt. 

*)  II.  Ziffer  2. 

^  Anders  die  Japanische  Seeprisenordnung,  §§  43,  44  (V)  und  Ihre  Grundlage, 
das  engUsche  Manual  of  Naval  Prize,  Art.  82—85. 

Marstrand-Meohlenbnrff,  Das  japanische  Priaenreoht.    Band  I.     (35)  545 


Abschnitt  VI>sb  Prisengerlchtsentscheidungen:  .Scotsman'» 

Tatbestand  und  Grunde: 
Die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  ist  auf  Grund  des  am 
4.  Juni  1905  in  Shanghai,  China,  zwischen  dem  Vertreter  des  Reeders 
des  Dampfers  „Scotsman",  der  Firma  Dodwell  &  Co.  in  Shanghai 
und  der  Firma  R.  Peretz  ebendaselbst  (diese  Firma  ist  am  12.  Fe- 
bruar dieses  Jahres  aufgelöst,  und  alle  ihre  Geschäfte  sind  der  Firma 
A.  Chazalon  übertragen  worden)  abgeschlossenen  Chartervertrags  in 
Saigon  auf  dem  Dampfer  „Scotsman"  verladen  worden,  um  sie  nach 
Wladiwostok  in  Rußland  zu  befördern.  Die  Absender  waren  die  Ver- 
treter der  Firma  R.  Peretz  in  Saigon  P.  Rauzy  &  P.  Ville.  Nach 
dem  Konnossement  sollte  sich  der  Empfänger  nach  Order  richten.  Am 
24.  Januar  dieses  Jahres  fuhr  der  genannte  Dampfer  von  Saigon  ab^ 
kam  am  29.  des  Monats  in  Hongkong  an  und  nahm  bei  seiner  Abfahrt 
von  dort  am  1.  Februar  vorsätzlich  einen  Umweg,  der  ihn  durch  die 
Tsugaru-Straße  nach  Wladiwostok  führen  sollte.  Auf  dieser  Reise  wurde 
die  Ladung  am  14.  des  Monats  in  der  Straße  von  Tsugaru  in  der  Nähe 
des  Leuchtturms  von  Shiokubi  von  dem  Kaiserlichen  Torpedoboot  Nr.  30 
zusammen  mit  dem  Dampfer  beschlagnahmt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Vertreters  des  Kommandanten  des  Kaiserlichen  Torpedoboots  Nr.  30, 
Oberleutnants  zur  See  Tomimaga  Ryutaro,  die  Vernehmungs- 
protokolle des  Vertreters  des  Kommandanten  des  genannten  Torpedo- 
boots, Kapitänleutnants  Nagasawa  Naotaro  und  des  Kapitäns  des 
Dampfers  „Scotsman",  Edward  Albert  Mackenzie,  durch  das 
Schiffszertifikat,  das  Ladungsverzeichnis,  das  Konnossement,  den  von 
dem  Vertreter  der  Reklamation  eingereichten  Chartervertrag  und  eine 
von  dem  japanischen  Konsul  in  Shanghai  für  die  Firma  R.  Peretz  aus- 
gestellte Bescheinigung. 

Die  Hauptpunkte  der  Reklamation  sind  folgende: 

Wenn  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  Reis  auch  nach  einem 
Hafen,  wo  die  feindlichen  Truppenteile  sich  sammelten,  befördert  werde, 
so  beschränke  sich  ihre  Lieferung  doch  nicht  notwendigerweise  auf 
den  Gebrauch  von  seiten  der  Truppen,  sondern  auch  die  übrige  Be- 
völkerung lebe  davon.  Demgemäß  stünde  eine  Reihe  von  kontinen- 
talen Völkerrechtslehren  auf  dem  Standpunkt,  daß  es  zu  verwerfen  sei. 
Reis  als  Konterbande  zu  betrachten.  Auch  der  englische  Gelehrte 
Holland  habe  zur  Zeit  des  südafrikanischen  Krieges  die  englische 
Praxis  dahin  beschrieben,  daß  Lebensmittel  nur  in  dem  Falle,  wo  es 
feststehe,  daß  sie  an  die  feindliche  Armee  oder  Marine  oder  nach 
Festungen  befördert  würden,  als  Konterbande  gelten  könnten.  Auch 
für  diesen  Fall  nehme  er  an,  daß  lediglich  ein  Vorkaufsrecht  ausgeübt 
werden  dürfe. 

546 


Prisengerlchtsentscheidungen:  „Scotsman".  Abschnitt  Vl^b 

Ferner  habe  England  in  dem  französisch-chinesischen  Krieg  vom 
Jahre  1885,  als  Frankreich  aus  Gründen  der  Kriegsführung  zeitweise 
das  gewöhnliche  Prinzip  durchbrochen  und  Reis  für  Kriegskonterbande 
erklärt  habe,  einen  energischen  Protest  gegen  die  Unbilligkeit  dieser 
Behandlung  von  Reis  als  Konterbande  eingelegt. 

Auch  in  dem  japanisch-chinesischen  Krieg  hätten  England  und 
Frankreich  sich  absolut  dagegen  ajusgesprochen,  als  China  Reis  für 
Konterbande  erklärt  habe,  und  Japan  habe  gegen  diesen  Standpunkt 
der  beiden  Länder  keinen  Einspruch  eingelegt. 

So  seien  die  Staaten  sich  fast  alle  in  dem  Punkt  einig,  daß  Reis 
nicht  als  Konterbande  gelten  dürfe,  und  die  Wissenschaft  sowie  die 
Praxis  erkennten  dieses  an. 

Selbst  einmal  angenommen,  Japan  habe  lediglich  für  den  Krieg 
mit  Rußland  den  Standpunkt  eingenommen,  daß  Reis,  welcher  für  die 
feindlichen  Truppen  bestimmt  sei,  als  Konterbande  gelte,  so  habe  doch 
Wladiwostok  zu  gleicher  Zeit  die  Eigenschaften  eines  Handels-  und 
eines  Kriegshafens.  Auch  sei  der  Handelsverkehr  nach  dort  keines- 
wegs völlig  unterbunden.  Daß  in  diesem  Falle  die  dorthin  beförderte 
Ladung  rechtmäßigerweise  als  nach  dem  Handelshafen  Wladiwostok 
und  nicht  für  den  Kriegsgebrauch  bestimmt  anzusehen  sei,  gehe  aus 
der  Präcedenzentscheidung  über  den  während  des  englisch-holländischen 
Kriegs  im  Jahre  1798  aufgebrachten  „Neptun us"  hervor.  Dies  um 
so  mehr,  als  bei  den  Russen  der  Reis  kein  gewöhnliches  Nahrungsmittel 
sei,  während  er  von  der  fremden  Bevölkerung  Wladiwostoks  ganz  all- 
gemein gegessen  werde. 

Wenn  der  Empfänger  der  zur  Verhandlung  stehenden  Ladung  nicht 
klar  bestimmt  sei,  so  komme  das  daher,  daß  das  Konnossement  auf 
Order  laute.  Darin  könne  man  aber  keinen  Grund  zu  irgendwelchem 
Verdacht  erblicken. 

Aus  diesen  Gründen  werde  Freigabe  der  zur  Verhandlung  stehen- 
den Ladung  beantragt. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Es  ist  eine  bekannte  Tatsache,  daß  Wladiwostok  Rußlands  ein- 
ziger Kriegshafen  im  Osten  und  zurzeit  der  Hauptstützpunkt  für  seine 
Kriegsmarine  ist.  Seit  dem  Kriege  mit  Japan  hat  die  russische  Re- 
gierung den  Platz  zu  einem  Hauptetappenort  gemacht  und  sie  ist  mit 
allen  Kräften  bestrebt,  dort  große  Kriegsvorräte  anzuhäufen.  Der  ge- 
wöhnliche Handelsverkehr  hat  dort  fast  gänzlich  a^ufgehört.  Wenn 
daher  eine  Ladung  Reis  wie  die  zur  Verhandlung  stehende,  deren 
Konterbandeeigenschaft  von  besonderen  Umständen  abhängig  ist,  nach 
Wladiwostok  befördert  wird,  so  muß  mangels  klaren  Gegenbeweises  an- 
genommen werden,  daß  dieselbe  für  den  Kriegsgebrauch  zu  liefern  war. 

(35*)  547 


Abschnitt  VI>sb  Prisengerichtsentscheidungen:  „Scotsman". 

Das  Konnossement  über  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung 
lautet  nun  auf  Order  und  der  Kapitän  des  Dampfers  „Scotsman"  hat 
ausgesagt,  daß  ihm  bezüglich  des  Empfängers  derselben  bei  seiner 
Ankunft  in  Wladiwostok  Mitteilung  von  dem  Eisbrecher  habe  zuteil 
werden  sollen.  Auch  steht  in  dem  Chartervertrag  eine  Abmachung, 
nach  welcher  das  Schiff  bei  Ankunft  in  Wladiwostok  erforderlichenfalls 
kostenlos   die   Unterstützung  des   Eisbrechers  erhalten  könne. 

Nach  der  von  den  russischen  Küstenbehörden  im  Jahre  1901  und 
1902  herausgegebenen  „Obersicht  über  Sibirien"  gehört  der  Eisbrecher 
in  Wladiwostok  zu  dem  sibirischen  Geschwader  der  russischen  Kriegs- 
marine. 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  hat  1679  Brutto  Tons 
Gehalt.  Nach  dem  Ladungsverzeichnis  ist  die  Ladung  reichlich  Fcs. 
210000  wert.  Das  Chartergeld  von  Saigon  bis  Wladiwostok  beträgt 
die  enorme  Summe  von  £  6250.  Auch  sagt  der  Kapitän  aus,  daß 
er  glaube,  daß  der  Reeder  in  Voraussicht  einer  Konfiskation  für  diese 
Reise  die  höchste  Versicherungsprämie  bezahlt  habe.  Danach  ist  es 
schwer  anzunehmen,  daß  eine  gewöhnliche  Handelstransaktion  bezweckt 
gewesen  ist. 

Der  Vertreter  der  Reklamation  sagt.  Reis  sei  bei  den  Russen  kein 
gebräuchliches  Nahrungsmittel,  aber  nach  den  russischen  Verpflegungs- 
vorschriften wird  Reis  zur  Verpflegung  der  Truppen  verwandt.  Auch 
ist  es  bekannt,  daß  zurzeit  bei  den  russischen  Truppenteilen  im  Osten 
Chinesen  und  Koreaner  angestellt  sind,  deren  gewöhnliche  Nahrung 
Reis  ist. 

Wenn  man  alles  dies  in  Erwägung  zieht,  so  muß  man  zu  dem 
Schluß  kommen,  daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  Reis  der 
russischen  Regierung  gehöriger  Kriegsvorrat  ist  und  daher  mit  Recht 
als  Konterbande  angesehen  werden  muß.i) 

Der  Vertreter  der  Reklamation  führt  die  Ansichten  der  kontinen- 
talen Völkerrechtslehrer  und  des  englischen  Professors  Holland  sowie 
die  Beispiele  des  chinesisch-französischen  sowie  des  japanisch-chine- 
sischen Krieges  an  und  behauptet,  die  Staaten  seien  fast  alle  über  das 
Prinzip  einig,  daß  Reis  nicht  als  Konterbande  gelten  dürfe  und  die 
Wissenschaft  und  die  Praxis  erkennten  dieses  an.  Holland  aber  und 
andere  englische  Gelehrte  vertreten  den  Standpunkt,  daß  Reis  in  dem 
Falle,  wo  es  klar  erwiesen  sei,  daß  er  an  die  feindliche  Armee  oder 
Marine  oder  nach  einer  Festung  befördert  werde,  als  Kriegskonterbande 
jangesehen  werden  könne.  Als  in  dem  jetzigen  Kriege  Rußland  Reis 
für  absolute  Konterbande  erklären  wollte,  hat  die  englische  Regierung 
dagegen  protestiert  und  gesagt,  daß  sie  einverstanden  sei,  wenn  die 
kriegführenden  Mächte  Reis  als  bedingungsweise  Konterbande  erklären 

*)  IL  Ziffer  2. 

548 


Prisengerichtsentscheidungen:  ,.Scotsnian".  Abschnitt  VI»* 

wollten,  daß  es  aber  dem  Völkerrecht  und  seiner  Praxis  widerspreche, 
^x-enn  Reis  für  absolute  Konterbande  erklärt  werde.    Aus  der  britischen 
diplomatischen  Korrespondenz  vom  Jahre  1905,  Teil  Rußland,  Nr.  1, 
in    dem   Erlaß  des  britischen  Staatssekretärs  des  Auswärtigen,  Lans- 
downe,  an  den  englischen  Botschafter  Sir  Charles  Hardinge 
in   Rußland  vom  1.  Juli  1904  ist  der  Standpunkt  Englands  ersichtlich. 
Daß  auch  die  Vereinigten  Staaten  von  Nord-Amerika  auf  diesem  Prinzip 
stehen,  ergibt  sich  aus  der  Praxis  und  Wissenschaft  dieses  Staats.   Ruß- 
land  hat,  wie  oben  erwähnt,  während  des  jetzigen   Krieges  Reis  für 
Konterbande  erklärt.     Wenn   man  alle   diese  Beispiele  ansieht,  so  ist 
offenbar  die  Behauptung  des   Reklamanten,  alle  Staaten  stünden  auf 
dem  Prinzip,  daß  Reis  nicht  als  Kriegskonterbande  angesehen  werde, 
völlig    unbegründet.      Was    die    von    dem    Reklamanten    angezogene 
Präcedenz  aus  dem  französisch-chinesischen  Kriege  angeht,  so  hat  die 
englische  Regierung  gerade  wie  jetzt  gegenüber  Rußland  sich  damals 
nur  Frankreichs  Erklärung,  daß  Reis  absolute  Konterbande  sei,  wider- 
setzt.    Keineswegs  ist  sie  jedoch   gegen   die   Erklärung  von   Reis  als 
bedingter  Konterbande  eingetreten. 

Einmal  die  Frage  betrachtet,  ob  es  sich  mit  der  Präcedenz  aus 
dem  japanesisch-chinesischen  Krieg  wirklich  so  verhält,  wie  der  Ver- 
treter der  Reklamation  behauptet,  so  hat  vielmehr  Japan  im  §  10  der 
damaligen  Prisenordnung  Nahrungsmittel  deutlich  als  bedingte  Konter- 
bande bezeichnet  und  während  jenes  Kriegs  sind  keine  Änderungen 
hinzugefügt,  so  daß  also  das  Gegenteil  der  Behauptung  des  Reklamanten 
der  Fall  ist. 

Daß  aber  Kriegskonterbande,  wenn  auch  unter  neutraler  Flagge 
fahrend,  eingezogen  werden  kann,  ist  in  der  Pariser  Seerechtsdeklaration, 
vom  Jahre  1856  und  von  der  völkerrechtlichen  Wissenschaft  und  Praxis 
in  gleicher  Weise  anerkannt.  *) 

Da  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  aus  den  obigen  Gründen 
einzuziehen  ist,  so  erübrigt  es  sich,  auf  die  übrigen  Punkte  des  Ver- 
treters der  Reklamation  einzugehen. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  7.  Juni  1905  im  Prisengericht  zu  Yokosuka  im  Bei- 
sein des  Staatsanwalts  beim  Prisengericht  zu  Yokosuka,  Kobayashi 
Y  o  s  h  i  o. 

(Unterschriften.) 


2)  V.  §  43. 

549 


Abschnitt  Vissb  Pri8engeiicht8ent8cheidungen :  „Scotsman'^  | 

Reklamant:  A.  Chazalon  and  Company,  Shanghai,  China,  ver- 
treten  durch   den   Prokuristen   Maurice   Jacquet. 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  Akiyama  Qenzo,  Tokio, 
Kyobashiku  Unemecho  Nr.  15. 

Am  7.  Juni  hat  das  Prisengericht  zu  Yokosuka  in  der  Prisensache 
betreffend  die  Ladung  des  englischen  Dampfers  „Scotsman",  welcher 
am  14.  Februar  1905  in  der  Tsugarustraße  bei  dem  Leuchtturme  von 
Shiokubi  von  dem  Kaiserlichen  Torpedoboot  Nr.  30  aufgebracht  worden 
ist,  ein  Urteil  gefällt,  in  welchem  auf  Wjegnahme  der  auf  dem  englischen 
Dampfer  verschifften  ungefähr  20  000  Sack  Saigon-Reis  erkannt, 
worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  Maurice  Jacquet  als  Vertreter  des 
Reklamanten,  der  Firma  A.  Chazalon  and  Company,  durch  den  Rechts- 
anwalt Akiyama  Qenzo  als  Prozeßvertreter  die  Berufung  eingelegt, 
welche  im  Beisein  der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku  und  Dr. 
jur.  Ishiwatari  Binichi  beim  Oberprisengericht  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Vertreters  der  Reklamation, 
Akiyama  Oenzo,  sind  folgende: 

Das  am  7.  Juni  1905  von  dem  Prisengericht  zu  Yokosuka  gefällte 
Urteil  auf  Wegnahme  der  Ladung  des  Dampfers  „Scotsman"  von  etwa 
20000  Sack  Saigon-Reis  sei  unzutreffend.  Es  werde  Aufhebung  des- 
selben und  Freigabe  der  genannten  Ladung  beantragt,  und  zwar  aus 
folgenden  Gründen: 

1.  Es  sei  von  der  Wissenschaft  und  der  Praxis  als  billig  anerkannt, 
daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  von  Saigon-Reis,  welche 
nach  Wladiwostok,  dem  einzigen  Handels-  und  Kriegshafen  Rußlands 
im  Osten,  befördert  worden  sei,  als  zur  Einfuhr  nach  dem  Handels- 
hafen des  genannten  Platzes  und  nicht  zur  Lieferung  für  den  Kriegs- 
gebrauch bestimmt  betrachtet  werden  müsse.  Es  sei  daher  unzutreffend, 
daß  das  Gericht  erster  Instanz  die  Ladung  als  zum  Kriegsgebrauch 
bestimmt  und  daher  als  Konterbande  angesehen  habe. 

2.  Das  Gericht  erster  Instanz  nehme  unter  Verweisung  auf  die 
in  dem  Urteil  aufgezählten  Tatsachen  an,  daß  die  zur  Verhandlung 
stehende  Ladung  der  russischen  Regierung  gehöriger  Kriegsvorrat,  daher 
Konterbande  sei. 

Dies  sei  eine  unzutreffende  Entscheidung,  welche  die  Tatsachen 
falsch  auffasse,  wie  im  folgenden  dargetan  werde: 

a)  Wladiwostok  sei  nicht  nur  Rußlands  einziger  Kriegshafen, 
sondern  auch  sein  einziger  Handelshafen  im  Osten,  sein  Handel  sei 
zur  Zeit  der  Beförderung  der  zur  Verhandlung  stehenden  Ladung  wie 
früher  ausgeübt  worden  und  durchaus  nicht  zum  Stillstand  gekommen. 
Es  sei  bekannt,  daß  auch  neutrale  Kaufleute  ihre  Geschäfte  geöffnet 
gehalten  und  betrieben  hätten.    Aus  dem  in  dem  „Neptun us"-Fall  des 

550 


Prisengerichtsentscheidungeii:  „Scotsman".  Abschnitt  VI»k 

englisch-holländischen  Krieges  vom  Jahre  1798  gegebenen  Urteilsbeispiel 
sei  ersichtlich,  daß  die  völkerrechtliche  Praxis  auf  dem  Standpunkt 
stehe,  daß  im  Falle,  wo  Güter,  welche  sowohl  zu  kriegerischem  wie 
friedlichem  Gebrauch  dienen  könnten,  nach  einem  Hafen  wie  dem  ge- 
nannten befördert  würden,  der  die  Eigenschaften  eines  Kriegs-  und 
eines  Handelshafens  in  sich  vereinige,  angenommen  werden  müsse,  daß 
sie  nach  dem  Handelshafen  befördert  würden  und  zu  friedlichem  Ge- 
brauch bestimmt  seien.  Es  sei  daher  im  Widerspruch  mit  dieser 
Präcedenz,  daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  als  Kriegsvorrat 
angesehen  worden  sei. 

b)  Wenn  der  Eisbrecher  auch  der  russischen  Regierung  gehöre, 
so  werde  er  doch  immer  dazu  verwandt,  für  dort  verkehrende  Handels- 
schiffe aller  Länder  das  Eis  zu  brechen,  den  Verkehr  zu  erleichtern 
und  allerhand  Bequemlichkeiten  zu  vermitteln.  Das  sei  nicht  nur 
während  der  Kriegszeit,  sondern  auch  im  Frieden  der  Fall.  Wenn  daher 
auch  im  Chartervertrag  des  Dampfers,  auf  dem  die  zur  Verhandlung 
stehende  Ladung  verschifft  sei,  eine  Bestimmung  stehe,  daß  der  Dampfer 
nötigenfalls  kostenlos  die  Hülfe  des  Eisbrechers  erhalten  werde,  und 
wenn  auch  der  Kapitän  geglaubt  habe,  daß  er  von  dem  Eisbrecher 
Mitteilung  darüber  habe  erhalten  sollen,  wer  der  Empfänger  sei,  so  könne 
man  daraus  nicht  ohne  weiteres  schließen,  daß  die  zur  Verhandlung 
stehende  Ladung  Kriegsvorrat  sei,  welcher  an  die  russischen  Truppen 
habe  befördert  werden  sollen. 

c)  Wenn  das  Chartergeld  und  die  Versicherungsprämie  sehr  hoch 
gewesen  sei,  so  sei  das  in  Kriegszeiten  etwas  ganz  Gewöhnliches.  Be- 
sonders, weil  bei  einer  Reise  nach  einem  dem  Kriegsschauplatz  nahe 
gelegenen  Hafen  einer  der  kriegführenden  Mächte  das  Chartergeld  und 
die  Versicherungsprämie  für  das  Schiff  außer  der  gewöhnlichen  See- 
gefahr noch  die  Kriegsgefahr  zu  berücksichtigen  und  den  daraus  mög- 
licherweise entstehenden  Schaden  im  voraus  zu  decken  habe,  so  sei 
eine  anerkannte  Handelsgewohnheit,  im  Vergleich  mit  Friedenszeiten 
hohe  Summen  zu  vereinbaren.  Daher  könnten  die  Tatsachen  nicht 
als  Unterlagen  für  die  Annahme  dienen,  daß  die  zur  Verhandlung 
stehende   Ladung   Kriegsvorrat  sei. 

d)  Wenn  die  russischen  Truppen  auch  Reis  essen  möchten,  so 
könne  man  darüber,  daß  er  bei  ihnen  kein  gebräuchliches  Nahrungs- 
mittel sei,  nicht  streiten.  Es  könne  freilich  nicht  bestritten  werden, 
daß  die  russischen  Truppen  in  Nord-Korea  und  in  der  Mandschurei 
viele  Koreaner  und  Chinesen  angestellt  hätten.  In  Wladiwostok  und 
seiner  Umgegend  seien  aber  tatsächlich  derartige  Bevölkerungselemente 
nicht  engagiert.  Daher  müsse  man  es  als  unzutreffend  bezeichnen, 
wenn  angenommen  worden  sei,  daß  die  zur  Verhandlung  stehende 
Ladung  für  diese  Leute  bestimmt  gewesen  sei. 

551 


Abschnitt  VI<8k  Prisengerichtsentscheidungen:  „Scotsman". 

Nach  allem  diesen  reiche  keine  der  von  dem  Gericht  erster  Instanz 
als  zur  Begründung  des  Urteils  aufgestellten  Tatsachen  aus,  um  zu  be- 
weisen, daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  Kriegsvorrat  ge- 
wesen sei. 

Kurz,  wenn  der  Reis  auch  nach  einem  Hafen,  wo  die  feindlichen 
Truppen  sich  sammelten,  befördert  worden  sei,  so  beschränke  sich  sein 
Gebrauch  doch  nicht  unbedingt  auf  die  Truppen,  sondern  auch  die 
übrige  Bevölkerung  lebe  davon.  Wissenschaft  und  Praxis  seien  sich  darin 
einig  und  man  brauche  es  nicht  zu  diskutieren,  daß  Reis  nicht  als  Kon- 
terbande gelten  dürfe,  weil,  wenn  Reistransporte  so  ganz  aufhören 
würden,  die  Zivilbevölkerung  dem  Hunger  preisgegeben  würde. 

Da  kein  absoluter  Beweis  vorliege,  daß  die  zur  Verhandlung 
stehende  Ladung  den  russischen  Truppen  habe  geliefert  werden  sollen, 
so  sei  es  billig,  zu  entscheiden,  daß  sie  gewöhnliche  Handelsware  sei. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  beim  Prisen- 
gericht zu  Yokosuka,  Yanagita  Kunio,  sind  folgende : 
l.   Der  Reklamant  behaupte, 

der   Bestimmungsort   der   zur  Verhandlung  stehenden   La- 
dung Wladiwostok  habe  neben  seiner  Eigenschaft  als  Kriegs- 
hafen  auch    die  eines    Handelshafens,    und    Güter,    welche 
dorthin  eingeführt  würden,  könnten  nicht  als  zum  Kriegs- 
gebrauch bestimmt  angesehen  werden. 
Aber   vor    der    Kriegseröffnung    habe    man    Wladiwostok    auf    keinen 
Fall  nach  den  damaligen  Zuständen  als  einen  allgemeinen  Handelsplatz 
betrachten  können.     Wenn  man  dazu  erwäge,  daß  die  russische  Re- 
gierung mit  allen  Mitteln  Vorräte  für  die  Armee  und  Marine  dort  an- 
zusammeln bestrebt  sei,  so  sei  es  gerechtfertigt  anzunehmen,    daß  Le- 
bensmittel, die  dorthin  gingen,  Konterbande  seien.   Wenn  es  auch  viel- 
leicht Präcedenzen  und  wissenschaftliche  Ansichten,  wie  der  Reklamant 
sie  angebe,  geben  möge,  so  paßten  diese  doch  nicht  auf  Wladiwostok^ 
welches  kein  Handelshafen  sei. 

Daß  eine  im  Verhältnis  zu  Frachtgeldern  in  Friedenszeiten  zehn- 
fache Summe  geleistet  und  empfangen  worden  sei,  und  daß  in  Voraus- 
sicht einer  Einziehung  eine  besonders  hohe  Versicherung  genommen  sei^ 
deute  darauf  hin,  daß  nicht  eine  gewöhnliche  Handelstransaktion  be- 
zweckt gewesen  sei. 

Kurz,  es  sei  nach  den  damaligen  Verhältnissen  des  Bestimmungs- 
ortes sowie  früheren  und  jetzigen  Anzeichen  klar,  daß  der  Transport 
der  zur  Verhandlung  stehenden  Ladung  für  die  feindlichen  Truppen  be- 
absichtigt gewesen  sei;  und  sowohl  nach  den  Grundsätzen  des  Völker- 
rechts wie  nach  dem  neuerlich  verkündeten  japanischen  Standpunkt 
stehe  der  Einziehung  derselben  nichts  im  Wege. 

552 


Pri86ngeiicht8ent8cheiditogen:  ,Scot8inaii'.  Abschnitt  VI»* 

2.   Es  sei  überflüssig  zu  erörtern,  daß  Reis  bedingte  Konterbande 
sei.   Der  Hauptpunkt  der  Reklamation  besage,  daß 

es  unzutreffend  sei,  wenn  das  Gericht  erster  Instanz  daraufhin, 
daß  der  Bestimmungsort  Wladiwostok  sei,  ohne  weiteres  an- 
genommen habe,  daß  die  Ladung  zum  Kriegsgebrauch  habe 
geliefert  werden  sollen. 
Da     es     aber    bekannt    sei,     daß    Rußland     beim     Ansammeln     von 
Kriegsvorräten  für  Marine  und   Armee  Wladiwostok  zum  iMittelpunkt 
gemacht  habe,  so  liege  schon  darin,  daß  Lebensmittel  dorthin  gingen, 
ein  ausreichender  Grund  für  die  Annahme,  daß  sie  zum  Kriegsgebrauch 
zu  liefern  gewesen  wären,  wenn  auch  sonst  keine  Anzeichen  vorhanden 
seien,  welche  einen  Schluß  auf  ihre  Bestimmung  gestatteten. 

Der  Reklamant  führe  dafür,  daß  Wladiwostok  ein  Handelshafen 
sei,  als  Beispiel  an,  daß  es  außer  dem  Militär  auch  noch  sonstige  Ein- 
wohner gebe  und  daß  kleine  Läden  vorhanden  seien.  Diese  Behauptung 
tue  dar,  daß  er  die  Verhältnisse  nicht  verstehe.  Wenn  Wladiwostok  bei- 
spielsweise ein  Hafen  sei,  wie  der  auch  in  dem  von  dem  Reklamanten 
zitierte  „Neptunus"-Urteil  erwähnte  französische  Hafen  Brest,  so  müsse 
man  doch  mit  Recht  behaupten,  daß  es  unmöglich  der  ungünstigen 
Präsumption  entgehen  könne.  Wladiwostok  übertreffe  aber  offenbar 
.Brest  bei  weitem  an  militärischer  Bedeutung. 

Kurz,  die  Berufung  sei  in  allen  Punkten  unbegründet. 

Da^  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

Es  ist  völkerrechtlich  anerkannt,  daß  Lebensmittel  wie  Reis,  im 
Falle,  daß  sie  für  die  feindliche  Armee  oder  Marine  bestimmt  sind  oder 
nach  einem  Platz  in  Feindesland  gehen  und  angenommen  werden  muß, 
daß  sie  zum  Gebrauch  der  feindlichen  Armee  oder  Marine  dienen  würden, 
als  Kriegskonterbande  anzusehen  sind,  und  eingezogen  werden  können. 

Es  ist  nun  aber  unbestritten,  daß  der  in  Frage  stehende  Reis  nach 
Wladiwostok  bestimmt  gewesen  ist.  Ferner  ist  es  eine  bekannte  Tat- 
sache, daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegshafen  ist  und  daß 
Rußland  diesen  Platz  seit  dem  Kriege  mit  Japan  zum  Hauptstützpunkt 
für  seine  Flotte  und  Hauptetappenort  gemacht  hat.  Es  hat  dort  in  aus- 
gedehntem Maße  Waffen,  Lebensmittel,  Kohle  und  sonstige  Kriegs- 
bedarfsartikel aufgespeichert,  und  der  gewöhnliche  Handelsverkehr  ist 
dort  fast  gänzlich  zum  Stillstand  gekommen. 

In  dem  Chartervertrag  des  Dampfers  „Scotsman",  auf  dem  die  zur 
Verhandlung  stehende  Ladung  verschifft  worden  ist,  steht  eine  Be- 
stimmung, nach  welcher  die  Verpflichtung  übernommen  wird,  daß  das 
Schiff  bei  Ankunft  in  Wladiwostok  erforderlichenfalls,  ohne  daß  ihm 
daraus  Kosten  erwüchsen,  sich  von  dem  Eisbrecher  innerhalb  und 
außerhalb  des  Hafens  eine  Fahrrinne  solle  brechen  lassen  können.  ''  Es 
wird  also,  obwohl,  wie  auch  der  Reklamant  annimmt,  der  Eisbrecher  im 

553 


Abschnitt  Vl^b  Prisengerichtsentscheidungen:  ,iScotsman". 

Eigentum  der  russischen  Regierung  steht,  ausdrücklich  verbürgt,  daß 
das  Schiff,  welches  zur  Beförderung  der  zur  Verhandlung  stehenden 
Ladung  diene,  den  Eisbrecher  kostenlos  benutzen  könne,  um  sich  bei 
Wladiwostok  eine  Fahrrinne  brechen  zu  lassen.  Nach  Aussage  des 
Kapitäns  hat  ihm,  wenn  er  nach  Wladiwostok  kam,  der  Empfänger  der 
zur  Verhandlung  stehenden  Ladung  von  dem  Eisbrecher  mitgeteilt 
werden  sollen.  Nach  dem  Ladungsverzeichnis  ist  der  Wert  der  Ladung 
reichlich  Fcs.  210000. — .  Demgegenüber  beträgt  das  Chartergeld  von 
Saigon  bis  Wladiwostok  den  enormen  Betrag  von  £  6250  netto.  Nach 
allem  diesen  zu  schließen,  kann  man  auf  keinen  Fall  annehmen,  daß 
der  zur  Verhandlung  stehende  Saigon-Reis  im  gewöhnlichen  Handels- 
verkehr nach  Wladiwostok  geschafft  worden  ist. 

Der  Reklamant  behauptet,  daß  der  Handelsverkehr  in  Wladiwostok 
zur  Zeit  der  Beförderung  der  zur  Verhandlung  stehenden  Ladung  wie 
früher  ausgeübt  und  noch  keineswegs  zum  Stillstand  gekommen  sei. 
Da  für  diese  Behauptung  aber  keinerlei  Beweis  erbracht  worden  ist, 
so  kann  sie  nicht  als  der  Wahrheit  entsprechend  angesehen  werden. 

Weiter  sagt  er,  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  Reis  müsse 
nach  dem  Urteilsbeispiel  des  „Neptun us"-FaIles  als  zum  friedlichen  Ge- 
brauch bestimmt  angesehen  werden.  Da  aber  die  Verhältnisse  des  Be- 
stimmungsortes in  dem  genannten  Falle  von  denen  der  vorliegenden 
Sache  von  Grund  aus  verschieden  sind,  so  kann  jener  Fall  nicht  als 
Präcedenz  für  den  vorliegenden  dienen. 

Da  es,  wie  oben  dargetan,  durchaus  zutreffend  ist,  daß  das  Ur- 
teil erster  Instanz  den  zur  Verhandlung  stehenden  Saigon-Reis  als 
Kriegskonterbande  angesehen  und  seine  Wegnahme  verfügt  hat,  so  ist 
es  nicht  notwendig,  auf  die  einzelnen  Berufungspunkte  noch  besonders 
einzugehen. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  5.  September  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Holland  Gulf  Stoomvaart  Maatschappy,  vertreten 
durch  Johannes  Joseph  us  de  Poorter,  wohnhaft  in  Rotterdam. 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  AkiyamaGenzo,  Regierungs- 
bezirk Kanagawa,  Yokohama,  Yamashitacho  Nr.  75. 

554 


Pri8engericht8ent8Cheidungen:  „Wllhelmina''.  Abschnitt  VI**' 

In  der  Prisensache,  betreffend  den  holländischen  Dampfer  „Wil- 
helmina" wird,  wie  folgt,  entschieden: 

Urteilsformel: 
Der  Dampfer  „Wilhelmina"  wird  eingezogen. 

Tatbestand    und    Gründe: 

Der  zur  Verhandlung  stehende .  Dampfer  „Wilhelmina"  steht  im 
Eigentum  der  Holland  Gulf  Stoomvaart  Maatschappy,  Rotterdam, 
Holland.  Er  führt  die  holländische  Flagge  und  dient  zum  Gütertransport. 

Der  Kapitän  A.  Wolkammer  lud  im  August  1904  in  Cardiff  eine 
Ladung  Steinkohle,  mit  welcher  er  nach  Wladiwostok  gelangte.  Als 
er  die  Ladung  an  die  russischen  Behörden  abgeliefert  hatte,  erhielt  er 
am  L  Dezember  dieses  Jahres  von  seinem  Reeder  die  Order,  nach 
Shanghai  zu  fahren,  um  dort  Schiffskohle  zu  laden  und  wieder  nach 
Wladiwostok  zu  fahren.  Am  12.  d.  M.  verließ  er  Wladiwostok  und  traf 
am  24.  in  Shanghai  ein.  Am  28.  d.  M.  erhielt  er  von  dem  Reeder 
Order,  sofort  Steinkohle  zu  laden  und  lud  nach  Anweisung  der  Firma 
AlexanderBielfeld  &Co.  in  Shanghai  am  Hafen  liegende  68971/2 
Tons  Cardiffkohle,  gab  vor,  nach  Astoria  in  den  Vereinigten  Staaten 
von  Nordamerika  zu  fahren,  erhielt  von  dem  holländischen  Konsul  in 
Shanghai  Ausklarierungsschein  und  Gesundheitspaß  für  Astoria  und  fuhr, 
ohne  ein  Konnossement  zu  haben,  am  13.  Januar  1905  von  Shanghai 
ab.  Auf  der  Fahrt  nach  Wladiwostok  begriffen,  wurde  er  am  16.  des- 
selben Monats  nachmittags  2  Uhr  30  Minuten  auf  35 »  2'  45''  n.  Br. 
und  129  ö  24'  15"  ö.  L.  etwa  15  Seemeilen  östlich  von  der  koreanischen 
Insel  Chyöllyöng,  weil  er  Konterbande  führe,  von  dem  Kaiserlichen 
Kriegsschiff  „Naniwa"  und  dem  Kaiserlichen  Torpedoboot  Nr.  60  auf- 
gebracht. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Vertreters  des  Kommandanten  der  „Naniwa",  Marineleutnants  S  h  i  - 
raishi  Shinsei,  die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns  der  „Wil- 
helmina" A.  Wolkammer,  des  1.  Offiziers  de  Vries,  des  2.  Offi- 
ziers D.  Geertsma  und  des  1.  Maschinisten  H.  P.  Burgdorffer, 
durch  das  Schiffszertifikat,  das  Tagebuch,  die  Ausklarierungsbescheini- 
gung und  die  Telegramme  des  Reeders  an  den  Kapitän. 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  des  Vertreters  der  Reklamation 
sind  folgende: 

Der  Reklamant  sei  der  Eigentümer  des  Dampfers  „Wilhelmina". 
Der  Dampfer  habe  vom  28.  Dezember  1904  in  Shanghai  Steinkohle, 
welche  dem  Charterer,  Daniel  Milberg  in  Hamburg,  Deutschland, 
gehörte,  geladen  und  sei  damit  nach  Wladiwostok  abgefahren. 

555 


Abschnitt  VI»«  Prisengerichtsentscheidungen:  „Wilhelmina". 

Kohle  sei  aber  keine  absolute  Konterbande.  Vielmehr  gelte  sie  nach 
der  japanischen  Seeprisenordnung  i)  als  Konterbande  nur,  wenn  sie 
für  die  feindliche  Armee  oder  Marine  bestimmt  sei  oder  als  für  den 
feindlichen  Kriegsgebrauch  zu  liefern  angesehen  werden  müsse. 

Im  Falle  aber,  daß  Kohle  nach  einem  Hafen  wie  Wladiwostok  be- 
fördert werde,  der  die  beiden  Eigenschaften  eines  Kriegs-  und  Handels- 
hafens in  sich  vereinige,  sei  es  richtig,  anzunehmen,  daß  dieselbe  nach 
dem  Handelshafen  befördert  werde  und  nicht  für  den  Kriegsgebrauch 
geliefert  werden  solle.  Das  tue  die  Präcedenzentscheidung  des  „Nep- 
tunus'^-Falls  dar.  Daher  könne  die  Kohle,  wenn  sie  auch  nach 
Wladiwostok  befördert  worden  sei,  nicht  ohne  weiteres  als  zum  Kriegs- 
gebrauch bestimmt  angesehen  werden. 

Wenn  die  Papiere  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  un- 
vollständig und  nicht  in  Ordnung  seien,  so  sei  der  Grund  dafür  der, 
daß  der  Absender  im  Ladehafen  oder  dessen  Vertreter  keine  Zeit  gehabt 
habe,  dem  Kapitän  die  Papiere  zu  behändigen.  Daß  die  Ausklarierungs- 
bescheinigung usw.  auf  Astoria  ausgestellt  worden  seien,  sei  geschehen,, 
um  die  Mannschaft,  die  nicht  nach  Wladiwostok  habe  fahren  wollen,  zu 
beruhigen,  nicht  aber,  um  dadurch  der  Aufbringung  zu  entgehen.  Man 
könne  daher  nicht  sagen,  daß  die  Ladung  unter  Anwendung  be- 
trügerischer Mittel  verschifft  worden  sei. 

Besonders  auch,  da  die  Kohle  nicht  dem  Reeder  gehöre,  könne  das 
Schiff,  selbst  wenn  man  die  Kohle  als  Konterbande  ansehe,  nicht  mit 
der  Ladung  zusammen  eingezogen  werden. 

Es  werde  daher  eine  Entscheidung  auf  Freigabe  des  zur  Ver- 
handlung stehenden  Dampfers  beantragt. 

Die  Hauptpunkte  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  sind  folgende: 

Die  auf  dem  zur  Verhandlung  stehenden  Schiff  verladene  Stein- 
kohle sei  nach  dem  russischen  Kriegshafen  Wladiwostok  bestimmt  und 
Rei,  da  es  somit  offenbar  sei,  daß  sie  zum  feindlichen  Kriegsgebrauch 
habe  geliefert  werden  sollen,  Konterbande. 

Da  ferner  angenommen  werden  könne,  daß  die  Kohle  im  Eigen- 
tum des  Reeders  stehe,  und  die  Ausklarier ungs-  und  sonstigen  Papiere 
falsche  Angaben  enthielten,  so  sei  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff 
einzuziehen. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Die  Bestimmungen  und  die  Praxis  des  Völkerrechts  stehen  auf  dem 
Standpunkt,  daß  ein  Schiff,  welches  Konterbande  führt,  im  Falle, 
daß  sein  Eigentümer  und  der  Eigentümer  der  Konterbande  dieselbe 
Person  ist,  eingezogen  werden  muß;  ebenso  daß  Schiffe,  welche  unter 
Anwendung  betrügerischer  Mittel  Konterbande  befördern,  eingezogen 
werden  müssen. 

^)'vr§  14. 

556 


Prisengerichtsentscheidungen :  „ Wilhelmina' .  Abschnitt  VI  <•  > 

Die  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  besteht  aus 
Cardiffkohle,  wie  sie  zurzeit  ausschließlich  auf  den  Kriegsschiffen  ver- 
wandt wird.  Ihr  Bestimmungsort  ist  Wladiwostok,  der  Hauptstützpunkt 
der  russischen  Flotte.  Auf  seiner  letzten  Reise  hat  das  Schiff  Kohle  von 
Cardiff  in  England  nach  Wladiwostok  befördert  und  dort  an  die 
russischen  Behörden  abgeliefert.  Daraus  ergibt  sich  unzweifelhaft,  daß 
die  jetzige  Kohlenladung  für  den  feindlichen  Kriegsgebrauch  zu  liefern 
und  daher  Konterbande  ist.  Wenn  man  weiter  überlegt,  daß  ein  Charter- 
vertrag und  ein  Konnossement  4uf  dem  Schiff  nicht  vorhanden  war, 
und  daß  der  Kapitän  nach  Order  des  Reeders,  die  er  in  Wladiwostok 
und  Shangahi  erhielt,  in  Shanghai  die  Kohle  geladen  hat,  sowie  daß 
der  Reeder  den  Kohlenhandel  gewerbsmäßig  betreibt,  so  darf  man  an- 
nehmen, daß  die  genannte  Kohlenladung  ihm  gehört. 

Wenn  man  ferner  die  Tatsachen  nebeneinander  hält,  daß  der  zur 
Verhandlung  stehende  Dampfer,  obwohl  er  vorhatte,  nach  Wladiwostok 
zu  fahren,  mit  einer  Ausklarierung,  die  fälschlich  auf  Astoria  lautete, 
gereist  ist,  und  daß  der  Kapitän  von  dem  Reeder  Order  erhalten  hatte, 
bei  der  Fahrt  nach  Wladiwostok  südlich  um  Japan  herum  zu  fahren, 
so  ergibt  sich,  daß  das  Schiff  Konterbande  befördert  und  dabei,  um  der 
Aufbringung  zu  entgehen,  betrügerische  Mittel  verwandt  hat.  Aus  allen 
diesen  Gründen  muß  das  Schiff  eingezogen  werden.«) 

Der  Reklamant  macht  unter  Anziehung  des  „Neptunus"-Urtejls 
geltend,  daß  es  richtig  sei,  im  Falle,  daß  eine  Ladung  nach  einem  Hafen 
wie  Wladiwostok  befördert  werde,  der  die  Eigenschaften  eines  Kriegs- 
und Handelshafens  in  sich  vereinige,  anzunehmen,  daß  die  Ladung 
nach  dem  Handelshafen  befördert  werde  und  nicht  für  den  Kriegs- 
gebrauch, geliefert  werden  solle.  Da  aber  d^r  Kapitän  ausgesagt  hat, 
daß  als  der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  früher  nach  Wladiwostok 
gefahren  sei,  der  Hafen  ausschließlich  Kriegshafen  gewesen  sei,  so  sind  die 
Verhältnisse  von  Wladiwostok  und  dem  in  dem  „Neptun us"-Fall  er- 
wähnten Amsterdam  grundverschieden. 

Da  demnach  die  Kohle  offenbar  für  den  Kriegsgebrauch  geliefert 
werden  sollte,  so  ist  die  Behauptung  des   Reklamanten   unbegründet. 

Ferner  hat  der  Vertreter  der  Reklamation  einen  am  9.  Dezember 
1904  zwischen  Daniel  Milberg  und  dem  Vertreter  des  Reeders 
Poorter  abgeschlossenen  Vertrag  bezüglich  Transports  von  Kohle 
eingereicht  und  behauptet,  daß  nach  diesem  das  zur  Verhandlung 
stehende  Schiff  an  Milberg  verchartert  sei  und  daß  die  Kohlenladung 
Milberg.  gehöre.  Da  aber  die  in  diesem  Vertrag  angegebenen  Tat- 
sachen, angesichts  der  auf  dem  Schiff  vorhandenen  Papiere  und  der 
Aussagen  des  Kapitäns,  nicht  glaubwürdig  erscheinen,  so  kann  diese 
Ausführung  des   Reklamanten    nicht  anerkannt  werden. 

*)  V.  §§  43,2  und  44. 

567 


Abschnitt  VI»!  Pri86ngericht8ent8cheidungen:  „Wilhelmina". 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  26.  Mai  1905  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Beisein 
des  Staatsanwalts  Mizukami  Chojiro. 

(Unterschriften.)  ) 


Reklamant:  Holland  Gulf  Stoomvaart  Maatschappy,  vertreten 
durch  Johannes  Josephus  de  Poorter  aus  Oravenhage  und 
Josephus  de  Poorter  in   Rotterdam,   Holland. 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  Akiyama  Oenzo,  Regie- 
rungsbezirk Kanagawa,  Yokohama,  Yamashitacho  Nr.  75. 

Am  16.  Mai  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der  Prisen- 
sache betreffend  den  holländischen  Dampfer  „Wilhelmina", '  welcher 
am.  16.  Januar  1905  etwa  15  Seemeilen  östlich  von  der  koreanischen 
Insel  Chyöllyöng  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Naniva"  und  dem 
Kaiserlichen  Torpedoboot  60  aufgebracht  worden  ist,  ein  Urteil  ge- 
fällt, in  welchem  auf  Einziehung  des  Dampfers  „Wilhelmina"  erkannt 
worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  haben  Johannes  Josephus  de  Poorter 
und  Josephus  de  Poorter  als  Vertreter  des  Reklamanten,  der 
Firma  Holland  Oulf  Stoomvaart  Maatschappy,  durch  den  Rechtsanwalt 
Akiyama  Oenzo  als  Prozeßvertreter  die  Berufung  eingelegt,  welche 
im  Beisein  der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku  und  Ishiwatari 
Bin  ich  i  beim  Oberprisengericht  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Vertreters  der  Reklamation 
Akiyama   Oehzo  und   deren   Begründung  sind  folgende: 

Das  Gericht  erster  Instanz  habe  angenommen,  daß  die  auf  dem 
zur  Verhandlung  stehenden  Schiff  verladenen  Steinkohlen  dem  Reeder 
gehörten,  und  zwar  auf  Grund  folgender  Tatsachen: 

1.  daß  auf  dem  zur  Verhandlung  stehenden  Schiff  kein  Charter- 
vertrag und  kein  Konnossement  vorhanden  gewesen  sei; 

2.  daß  der  Kapitän  auf  Order  des  Reeders,  die  er  in  Wladiwostok 
und  Shanghai  erhalten  habe,  in  Shanghai  die  Kohlen  geladen  habe; 

3.  daß  der  Reeder  den  Kohlenhandel  als  Gewerbe  betreibe. 

Dazu  habe  es  das  Bestehen  des  am  9.  Dezember  1904  zwischen 
dem  Reeder  und  dem  Ladungseigentümer  abgeschlossenen  Kohlen- 
transportvertrags   nicht  anerkannt  und   denselben   gänzlich   verworfen. 

Hierin  habe  das  Urteil  erster  Instanz  die  Tatsachen  falsch  auf- 
gefaßt und  folglich  sei  seine  Vermutung  im  Widerspruch  mit  der 
Billigkeit.     Dies  solle  nunmehr  dargetan  werden: 

558 


Priaengerichtsentscheidangen:  .Wilhetmlna*.  Abschnitt  VI<>» 

1 .  Was  das  Nichtvorhandensein  eines  Chartervertrags  auf  dem  zur 
Verhandlung  stehenden  Schiff  angehe,  so  sei  der  Ort,  an  welchem  dieser 
Vertrag  geschlossen  sei,  von  dem  Ort,  wo  sich  das  Schiff  zurzeit  be- 
funden habe,  so  weit  entfernt  gewesen,  daß  keine  Zeit  gewesen  sei, 
um  denselben  an  den  Kapitän  zu  übersenden.  Was  die  Unterlassung 
der  Ausstellung  eines  Konnossements  angehe,  so  sei  es  nach  Handels- 
gebrauch nicht  unbedingt  nötig,  ein  solches  auszustellen,  wenn  die 
Ladung  von  einer  einzigen  Art  sei.  Wenn  daher  auf  dem  zur  Ver- 
handlung stehenden  Schiff  ein  Konnossement  nicht  vorhanden  sei,  so 
sei    dies  kein  schwerwiegender  Verdachtsgrund. 

2.  Was  die  Tatsache  angehe,  daß  der  Kapitän  auf  Order  des 
Reeders,  die  er  in  Wladiwostok  und  Shanghai  erhalten,  in  Shanghai 
Kohlen  geladen  habe,  so  habe  der  Reeder  ledigHch  dem  Kapitän  die 
Erfüllung  des  Transportvertrages  aufgetragen,  und  der  Kapitän  habe 
diese  Order  ausgeführt.  Die  Handlungen  dieser  beiden  bewegten  sich 
also  durchaus  nur  in  dem  Rahmen  ihrer  Pflichten  und  gäben  zu  Ver- 
dacht nicht  den  geringsten  Anlaß. 

3.  Wenn  auch  das  Gewerbe  des  Reeders  mit  Kohlen  zu  tun  habe^ 
so  sei  es  doch,  wenn  man  nicht  annehmen  wolle,  daß  er  überhaupt 
von  Dritten  keine  Transportaufträge  für  Kohle  erhalte,  für  ihn,  den 
Reklamanten,  als  eine  Dampfschiffahrtsfirma  eine  ganz  natürliche  Aus- 
übung seines  Gewerbes,  wenn  er  mit  dem  Ladungseigentümer  Daniel 
Milberg  einen  Transportyertrag  für   Kohle  abgeschlossen   habe. 

Aus  diesen  Gründen  könne  keine  von  den  oben  angeführten  Tat- 
sachen als  Unterlage  für  die  Annahme  dienen,  daß  die  Ladung  des  zur 
Verhandlung  stehenden  Schiffs  dem  Reeder  gehöre,  und  man  müsse 
sagen,  daß  das  Urteil  erster  Instanz,  welches  bei  der  Annahme  be- 
treffend das  Eigentumsrecht  an  der  Ladung  diese  Tatsachen  zugrunde 
gelegt   habe,   mit   der   gewöhnlichen   Billigkeit  in   Widerspruch   stehe. 

Ferner  habe  das  Urteil  erster  Instanz  entschieden,  daß  in  An- 
betracht der  Schiffspapiere  und  der  Aussagen  des  Kapitäns  dem  zwischen 
dem  Reeder  und  dem  Ladungseigentümer  abgeschlossenen,  oben  er- 
wähnten Transportvertrag  kein  Glauben  geschenkt  werden  könne.  Daß 
das  Gericht,  ohne  sich  darüber  zu  äußern,  in  welchen  Punkten  dieser 
Vertrag  mit  den  Schiffspapieren  kollidiere  und  welche  Aussage  des 
Kapitäns  mit  ihm  im  Widerspruch  stehe,  einfach  das  Bestehen  des 
Vertrags  verwerfe,  sei  eine  Entscheidung  von  ungeheuerlicher  Willkür. 

Für  seine  weitere  Behauptung,  daß  Konterbandetransport  unter 
Anwendung  betrügerischer  Mittel  vorliege,  führe  das  Urteil  erster  Instanz 
an,  daß 

dies  klar  werde,  wenn  man  die  Tatsachen  neben  einander 
halte,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff,  obwohl 
es  vorgehabt  habe,  nach  Wladiwostok  zu  fahren,  mit  einer 

559 


Abschnitt  VI^s«  Prisengerichtsentscheidungen:  „Wilhelmina". 

Ausklarierung  und  einem  Gesundheitspaß,  die  auf  Astoria 
gelautet  hätten,  gereist  sei,  und  daß  der  Reeder  dem  Kapitän 
Order  gegeben  habe,  bei  der  Fahrt  nach  Wladiwostok  sudlich 
um  Japan  herumzufahren. 
Daß  der  Kapitän  aber  keine  Ausklarierung  und  keinen   Gesundheits- 
paß für  Wtajü^ostok  genommen  habe,  habe  seinen  Grund  darin,  daß 
die  Mannschaft  diesen  Platz  für  gefährlich  gehalten  und  sich  geweigert 
habe,  dorthin  zu  gehen.     Der  Kapitän  habe  daraufhin,  um  die  Leute 
zu  beruhigen,  in  sehr  politisther  Behandlung  der  Verhältnisse  den  un- 
wahren  Ausklarierungsschein    und   Gesundheitspaß    ausstellen    lassen. 
Daß  dies  nicht  geschehen  sei,  um  die  Rechte  des  kriegführenden  Staats 
zu  verletzen,  sei  von  selbst  klar. 

Wenn  ferner  der  Reeder  dem  Kapitän  gesagt  habe,  es  sei  besser, 
bei  der  Abreise  von  Shanghai  südlich  um  Japan  zu  fahren,  jedoch  über- 
lasse er  das  seiner  Entscheidung,  so  sei  das  eine  durchaus  natürliche 
Handlung  für  einen  Reeder  und  man  brauche  daraus  nicht  ohne  weiteres 
zu  schließen,  daß  dabei  die  Absicht,  den  kriegführenden  Staat  zu  täuschen 
und  seiner  Aufbringung  zu  entgehen,  zugrunde  liege.  Man  könne 
daher  nicht  behaupten,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  sich 
betrügerisches  Vorgehen  habe  zu  schulden  kommen  lassen. 
Das  Urteil  erster  Instanz  besage: 

das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  habe  auf  einer  früheren 
Reise  Kohle  von  Cardiff  in  England  nach  Wladiwostok  be- 
fördert und   dort  an   die  russischen   Behörden   abgeliefert. 
Daraus  ergebe  sich,  daß  auch  die  jetzige  Kohlenladung  des 
Schiffs  wie  die  frühere  für  den  feindlichen  Kriegsgebrauch 
zu    liefern    gewesen    und    daher    als    Konterbande    zu    be- 
trachten sei. 
Um  indes  aus  einer  früheren  Handlung  auf  eine  spätere  Schlüsse  ziehen 
zu  können,  müßten  zwischen  den  beiden  Handlungen  gegenseitige  Be- 
ziehungen bestehen.    Wenn  man  dagegen  aus  zwei  unabhängigen  Tat- 
beständen, wenn  sie  auch  ähnhch  seien,  ohne  weiteres  schließe,  daß 
die  Handlungen  bei  beiden  dem  gleichen  Zweck  entsprängen  und  gleich- 
artige Handlungen  seien,  so  sei  das  eine  Annahme,  die  sich  auf  einem 
Mißverstehen  der  bei  der  Aufstellung  von  Vermutungen  zu  beobachten- 
den Gesetze  gründe. 

Des  weiteren  bringe  das  Urteil  erster  Instanz  die  Aussage  des 
Kapitäns  vor,  daß  Wladiwostok,  als  er  früher  mit  dem  zur  Verhandlung 
stehenden  Schiff  dort  gewesen  sei,  ausschließlich  nur  Kriegshafen  ge- 
wesen sei,  und  behaupte  daraufhin,  daß 

die  Verhältnisse  von  Amsterdam  zur  Zeit  des  von  dem  Rekla- 
manten angezogenen  „Neptunus"-Falls  von  Wladiwostok 
grundverschieden  seien. 

560 


Prisengerlchtsentscheidungen :  „Wilhelmina".  Abschnitt  VI » ■ 

Wenn  aber  auch  der  Kapitän  zufällig  von  Wladiwostok  den  Eindruck 
eines  Kriegshafens  bekommen  habe,  so  könne  man  auf  Grund  dessen 
doch  nicht  behaupten,  daß  die  Eigenschaft  des  Platzes  als  eines  Handels- 
hafens sich  geändert  habe. 

Was  den  Punkt  angehe,  daß  das  in  dem  erwähnten  Präcedenzfall 
vorkommende  Amsterdam  seinen  Verhältnissen  nach  anders  sein  solle, 
so  liege  der  Unterschied  lediglich  in  dem  während  der  Kriegszeit  be- 
stehenden Umfang  des  Handelsverkehrs.  In  jeder  anderen  Beziehung 
seien  die  Verhältnisse  absolut  dieselben,  und  das  Urteil,  welches  die 
Präcedenzentscheidung,  obwohl  sie  den  vorliegenden  Fall  durchaus 
decke,  völlig  außer  Acht  gelassen  habe,  müsse  als  zutreffend  bezeichnet 
werden. 

Aus  diesen  Gründen  werde  Aufhebung  des  Urteils  erster  Instanz 
und  eine  Entscheidung  auf  Freigabe  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Dampfers  beantragt. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  der  Staatsanwälte  beim  Prisen- 
gericht zu  Sasebo,  Mizukami  Chojiro  und  Yamamoto  Tatsu- 
rokuro,   sind  folgende: 

Es  gehe  aus  der  eigenen  Aussage  des  Kapitäns  hervor,  daß  das 
Gewerbe  des  Reklamanten  Kohlenhandel  sei  und  daß  die  Kohlenladung 
des  zur  Verhandlung  stehenden   Schiffs  auf  Order  des   Reklamanten 
und  Reeders  in  Shanghai  verschifft  worden  sei.    Auch  seien  auf  dem 
Schiff  weder  Chartervertrag  noch  Konnossement  noch  sonstige  Papiere 
vorhanden  gewesen,  welche  darauf  schließen  ließen,  daß  ein  anderer 
Absender  oder  Eigentümer  der  Ladung  existiere  als  der  Reeder.   Daher 
sei,  weil  kein  Gegenbeweis  vorliege,  die  Vermutung  gerechtfertigt,  daß 
die  Steinkohlen  dem   Reeder  und  Reklamanten  gehörten.     Der  Rekla- 
mant behaupte  freilich,  daß  aus  dem,  nach  seiner  Aussage  am  9.  De- 
zember   1 904   zwischen    Daniel   Milberg  und   dem   Vertreter   des 
Reeders,  Poorter,  abgeschlossenen,  Kohlentransportvertrag hervorgehe^ 
daß  die  Kohlenladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  Mil- 
berg gehöre.    Einen  solchen  Vertrag  könnten  indes  die  Interessenten 
jederzeit  abschließen    und    das    von  dem   Reeder  an    den  Kapitän    in 
Wladiwostok  gerichtete  Telegramm,   welches  sich    bei   den   Akten   des 
Falls  befinde,  tue  dar,  daß  der  Reeder  schon  vor  der  Errichtung  des 
genannten  Vertrages,  nämlich  am  30.  November  1904,  Order  gegeben 
habe,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  nach  Shanghai  fahren 
und  dort  Schiffskohle   laden   solle.     Daher  könne  jener  Vertrag,   der 
auch  nach  Form  und  Inhalt  schwer  als  hinreichend  glaubwürdig  an- 
gesehen werden  könne,  nicht  als  Gegenbeweis  dienen. 

Obwohl  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  von  Anfang  an 
nach  Wladiwostok  bestimmt  gewesen  sei,  habe  es  bei  der  Abreise  von 
Shanghai  ausdrücklich  von  dem  Reeder  den  Rat  erhalten,  südlich  um 

Harstrand'MechlenburfiT,  Das  japanische  Prisenrecht.    Band  I.      (36)  001 


Abschnitt  Vl^ta  Prisengerichtsentscheidungen:  „Wllhelmina". 

Japan  herumzufahren.  Es  habe  sich  daher  in  Shanghai  Ausklarierung 
und  Gesundheitspaß  für  Astoria  in  den  Vereinigten  Staaten  von  Nord- 
amerika geben  lassen,  sei  indes  sogleich  nach  Wladiwostok  gefahren. 
Danach  könne  man  nicht  annehmen,  wie  der  Reklamant  es  behaupte, 
daß  die  genannten  Papiere  beschafft  worden  seien,  um  die  Mannschaft 
zu  beruhigen.  Vielmehr  lasse  dies  auf  die  Absicht  schließen,  die 
japanische  Marine  zu  täuschen  und  der  Aufbringung  zu  entgehen. 

Da  außerdem  die  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs 
Cardiffkohle  sei,  wie  sie  ausschließlich  für  die  Kriegsmarinen  geliefert 
werde,  und  da  ihr  Bestimmungsort,  Wladiwostok,  der  Hauptstützpunkt 
der  feindlichen  Flotte  sei,  so  sei  es  offenbar,  daß  sie  zum  Gebrauch 
dieser  Flotte  habe  geliefert  werden  sollen.  Es  sei  deshalb  unbestreitbar, 
daß  sie  als  Konterbande  angesehen  werden  müsse. 

Demnach  sei  es  erwiesen,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende 
Schiff  sich  des  Transports  von  Konterbande  unter  Anwendung  be- 
trügerischer Mittel  schuldig  gemacht  habe. 

Das  Gericht  erster  Instanz  habe  bei  der  Begründung  seiner  An- 
nahme, daß  die  Kohlenladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs 
Konterbande  sei,  ausgeführt,  daß 

das  Schiff  auf  seiner  letzten  Reise  Cardiffkohle  nach  Wladi- 
wostok  befördert  und  dort  an  die  russischen  Behörden  ab- 
geliefert habe.    Danach  sei  es  unzweifelhaft,  daß  auch  die 
diesmalige    Kohlenladung   zum    feindlichen    Kriegsgebrauch 
habe  geliefert  werden  sollen  usw. 
Aber,  wenn  man  auch,  wie  der  Reklamant,  diese  Ausführung  für  nicht 
ganz  zutreffend  halten  wolle,  so  diene  doch  Kohle,  wie  die  auf  dem  zur 
Verhandlung  stehenden  Schiff  vorhandene  Cardiffkohle,  wie  schon  dar- 
getan,   ausschließlich  zum  Gebrauch    auf  Kriegsschiffen,   und  der  Be- 
stimmungsort der  Kohle,  Wladiwostok,  sei,  wie  bekannt,  der  Hauptflotten- 
stützpunkt des  Feindes  und   der  einzige  Lieferungsort  der  von  dieser 
Flotte  benötigten  Kohle.     Daher  sei  mangels  Gegenbeweises  die  Ver- 
mutung berechtigt,  daß  die  Kohlenladung  des  zur  Verhandlung  stehen- 
den Schiffs,  welche  nach  Wladiwostok  bestimmt  sei,  für  die  feindliche 
Marine  habe  geliefert  werden  sollen. 
Der  Reklamant  behaupte, 

das  Urteil  der  ersten  Instanz  gehe  darin  fehl,  daß  es  der 
Entscheidung  des  „Neptun us''-FalIs,  welcher  eine  Präcedenz 
des  vorliegenden  sei,  nicht  folge. 
Wladiwostok  sei  aber  der  Hauptstützpunkt  der  f^ndlichen  Flotte,  und 
seit  dem  Kriege  mit  Japan  hätten  die  gewöhnlichen  Handelsschiffe  ihren 
Verkehl  nach  dort  fast  gänzlich  eingestellt.  Es  sei  bekannt,  daß  Wladi- 
wostok ein  Handelshafen  nur  dem  Namen  nach,  tatsächlich  aber  seinen 
Verhältnissen  nach  ein  reiner  Kriegshafen  sei.    Es  sei  von  dem  in  dem 

562 


Prisengerichtsentscheidungen;  „Wflhelmina''.  Abschnitt  VI  ^  • 

„Neptunus"-Fall  in  Betracht  kommenden  Amsterdam  der  damaligen 
Zeit  so  verschieden,  daß  die  beiden  Häfen  nicht  auf  eine  Stufe  gestellt 
werden  könnten.  Demnach  könne  jener  Fall  nicht  als  Präcedenz  für 
den  vorliegenden  angewendet  werden.  Das  Urteil  erster  Instanz  sei 
ihm  daher  mit  Recht  nicht  gefolgt,  und  die  Berufung  sei  in  diesem 
Punkte  unbegründet. 

Da,  wie  dargetan,  das  Urteil  erster  Instanz  zutreffend   und  die 
Berufung  unbegründet  sei,  so  müsse  sie  abgewiesen  werden. 
Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

1.  Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegs- 
hafen ist.  Seit  dem  Krieg  mit  Japan  hat  Rußland  es  zum  Stützpunkt 
für  seine  Kriegsflotte  und  Hauptetappenort  gemacht.  Es  hat  dort  in 
ausgedehntem  Maße  Waffen,  Lebensmittel,  Kohlen  und  sonstige  Kriegs- 
bedarfsartikel aufgespeichert.  Der  gew^öhnliche  Handelsverkehr  nach 
dorthin  hat  fast  ganz  aufgehört.  Es  ist  daher  durchaus  begründet,  wenn 
das  Gericht  erster  Instanz  angenommen  hat,  daß  die  nach  diesem  Hafen 
bestimmten  Steinkohlen  für  den  russischen  Kriegsgebrauch  geliefert 
werden  sollten  und  daher  Kriegskonterbande  seien.  Dies  um  so  mehr, 
als  die  Kohlenladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfers  aus- 
gewählte Cardiffkohle  ist  und  die  Preise  für  solche  im  Osten  so  außer- 
ordentlich hoch  sind,  daß  außer  für  den  Gebrauch  auf  Kriegsschiffen 
zur  Kriegszeit  keine  Nachfrage  dafür  vorhanden  und  es  somit  un- 
zweifelhaft ist,  daß  die  Kohle  für  den  russischen  Kriegsgebrauch  ge- 
liefert werden  sollte. 

Der  Reklamant  sagt,  es  müsse  nach  Art  der  Präcedenzentscheidung 
betreffend  die  „Neptun us"  auch  in  diesem  Falle  angenommen  werden, 
daß  die  hier  in  Frage  stehende  Ladung  für  friedliche  Zwecke  bestimmt 
gewesen  sei.  Aber  die  Ladung  im  „Neptun us"-Fall  und  die  des  vor- 
liegenden Falles  sind  ihrer  Art  nach  von  Grund  aus  verschieden,  und 
auch  die  Verhältnisse  der  Bestimmungsorte  sind  ganz  andere.  Es  ist 
daher  unfraglich,  daß  jener  Fall  nicht  als  Präcedenz  auf  den  vor- 
liegenden angewandt  werden  kann. 

2.  Das  Völkerrecht  erkennt  an,  daß  Schiffe,  wie  das  zur  Ver- 
handlung stehende,  deren  Reisezweck  der  Transport  von  Konterbande 
ist,  eingezogen  werden  können.  3)  Das  Oberprisengericht  ist  der  An- 
sicht, daß  dies  den  Verhältnissen  gerecht  wird ;  besonders  im  vorliegenden 
Falle,  wo  die  ganze  Ladung  des  Schiffes  Konterbande  ist  und,  obwohl 
erwiesenermaßen  schon  bei  der  Abreise  von  Shanghai  Wladiwostok 
das  Reiseziel  war,  die  Ausklarierungsbescheinigung  und  sonstigen  Schiffs- 
papiere einen  falschen  Bestimmungsort  angeben  und  das  Schiff  dem- 

3)  Anders  §§  43,  44  der  japanischen  Seeprisenordnung  (V)  und  Art.  82  bis  85 
des  englischen  Manual  of  Naval  Prize  Law. 

(36*)  563 


Abschnitt  Vl^^  Prisengerichtsentscheidungen:  „Wilhelmina". 

nach  zur  Beförderung  von  Konterbande  unter  Anwendung  betrügerischer 
Mittel  gedient  hat. 

Ferner  kann  nach  den  Schiffspapieren  und  auch  sonst  nicht  an- 
genommen werden,  daß  ein  anderer  Ladungseigentumer  als  der  Reeder 
vorhanden  ist.  Das  Datum  des  angeblich  zwischen  Daniel  Mil- 
berg und  dem  Vertreter  des  Reeders  abgeschlossenen  Vertrags  liegt 
später  als  die  Order  des  Reeders  an  den  Kapitän,  nach  Shanghai  zu 
fahren,  um  dort  Kohlen  zu  laden.  Schließlich  ist  auch  das  Gewerbe 
des  Reeders  der  Kohlenhandel.  Aus  all  diesem  ist  zu  schließen, 
daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  und  seine  Ladung  dem  gleichen 
Eigentümer  gehören. 

Da  schon  nach  dem  in  Punkt  1  und  2  Gesagten  die  Entscheidung 
der  ersten  Instanz  auf  Einziehung  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Schiffs  unzweifelhaft  gerechtfertigt  ist,  so  liegt  keine  Notwendigkeit  vor, 
auf  die  einzelnen   Punkte  der  Berufung  noch  besonders  einzugehen. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  26.  August  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Daniel  Milberg,  Hamburg,  Deutschland,  ver- 
treten durch  den  Kapitän  der  „Wilhelmina",  A.  Wolkammer,  Delfzijl, 
Holland. 

ProzeBvertreter: Rechtsanwalt  AkiyamaGenzo, Regierungs- 
bezirk Kanagawa,  Yokohama,  Yamashitacho  Nr.  75. 

In  der  Prisensache,  betreffend  die  Ladung  des  holländischen 
Dampfers  „Wilhelmina"  wird,  wie  folgt,  entschieden : 

Urteilsform  el: 
Die  Reklamation  wird  abgewiesen. 

Die  auf  dem  Dampfer  „Wilhelmina"  verladenen  6897V2  Tons  Stein- 
kohlen werden  eingezogen. 

Tatbestand  und  Gründe: 

Die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  von  ÖSQTV?  Tons  Cardiff- 

kohle  ist  in  Shanghai,  China,  auf  dem  Dampfer  „Wilhelmina"  verladen 

und  am  13.  Januar  1905  von  dort  nach  Wladiwostok  abgesandt  worden. 

Als  am  16.  d.  M.  der  Dampfer  „Wilhelmina"  unter  dem  Verdacht,  Konter- 

564 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Wilhelmina".  Abschnitt  Vl^sb 

bände  zu  führen,  auf  35»  2'  4b"  n.  Br.  und  129 «  24'  15"  ö.  L. 
etwa  15  Seemeilen  östlich  von  der  koreanischen  Insel  Chyöllyöng  von  dem 
Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Naniwa''  und  dem  Kaiserlichen  Torpedoboot 
60  aufgebracht  wurde,  ist  auch  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung 
beschlagnahmt  worden. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des  Ver- 
treters des  Kommandanten  der  „Naniwa'',  Marineleutnants  S  h  i  r  a  i  s  h  i 
Shinsei,  die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns  der  „Wilhelmina", 
A.  Wolkammer,  des  1 .  Offiziers  de  V r i e s ,  des  2.  Offiziers  D. 
G  eertsma  und  des  1.  Maschinisten  H.  P.  Burgdorffer,  durch  das 
Schiffszertifikat,  das  Tagebuch,  die  Ausklarierungsbescheinigung  und  die 
Telegramme  des  Reeders  an  den  Kapitän. 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  des  Vertreters  der  Reklamation 
sind  folgende: 

Der  Reklamant  habe  die  ihm  gehörige,  zur  Verhandlung  stehende 
Ladung  im  Dezember  1904  in  Shanghai,  China,  auf  dem  von  ihm  ge- 
charterten Dampfer  „Wilhelmina"  verladen  und  sie  von  dort  am  13. 
Januar  1905  mit  der  Absicht,  sie  nach  Wladiwostok  befördern  zu  lassen, 
abgeschickt. 

Kohle  sei  aber  ihrer  Art  nach  keine  natürliche  Konterbande,  sei  viel- 
mehr nur  dann  als  Konterbande  anzusehen,  wenn  sie  für  die  feindliche 
Armee  oder  Marine  bestimmt  sei  oder  als  für  den  feindlichen  Kriegs- 
gebrauch zu  liefern  angesehen  werden  müsse.  Im  Falle  aber,  daß  Kohle 
nach  einem  Hafen  wie  Wladiwostok  befördert  werde,  der  die  beiden 
Eigenschaften  eines  Kriegs-  und  eines  Handelshafens  in  sich  vereinige, 
sei  es  richtig,  anzunehmen,  daß  dieselben  nach  dem  Handelshafen  be- 
fördert werde  und  nicht  für  den  Kriegsgebrauch  geliefert  werden  solle. 
Das  tue  die  Präcedenzentscheidung  des  „Neptun us"-Falls  dar.  Daher 
könne  die  Kohle,  wenn  sie  auch  nach  Wladiwostok  befördert  worden  sei, 
nicht  ohne  weiteres  als  zum  Kriegsgebrauch  bestimmt  angesehen  werden. 

Daher  sei  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  freizugeben. 

Die  Hauptpunkte  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  sind  folgende: 

Die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  sei  nach  dem  Hauptstütz- 
punkt der  russischen  Marine,  Wladiwostok,  bestimmt  und  sei,  da  es  so- 
mit offenbar  sei,  daß  sie  zum  feindlichen  Kriegsgebrauch  habe  geliefert 
werden  sollen,  Konterbande.   Daher  sei  sie  einzuziehen. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Der  Vertreter  der  Reklamation  hat  einen  am  9.  Dezember  1904 
zwischen  dem  Reklamanten  und  dem  Vertreter  des  Reeders  der  „Wil- 
helmina" Poorter  abgeschlossenen  Vertrag  bezüglich  Transports  von 
Kohle  eingereicht  und  behauptet,  daß  nach  diesem  der  Dampfer  „Wil- 
helmina" an  den  Reklamanten  verchartert  sei  und  daß  die  zur  Ver- 
handlung stehende  Ladung  dem  Reklamanten  gehöre.    Da  aber  die  in 

565 


Abschnitt  Vl^ab  Prisengerichtsentscheidungen:  y^Wilhelmina". 

diesenl  Vertrag  angegebenen  Tatsachen,  angesichts  der  auf  dem  Schiff 
vorhandenen  Papiere  und  der  Aussagen  des  Kapitäns,  nicht  glaubwürdig 
erscheinen,  so  kann  diese  Ausführung  des  Vertreters  der  Reklamation 
nicht  anerkannt  werden.  Vielmehr  muß  man  daraus,  daß  auf  dem  Schiff 
kein  Chartervertrag  und  kein  Konnossement  vorhanden  waren;  daß  der 
Kapitän  nach  Order  des  Reeders,  die  er  in  Wladiwostok  und  Shanghai 
erhielt  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  in  Shanghai  lud;  sowie 
daß  der  Reeder  den  Kohlenhandel  gewerbsmäßig  betreibt,  schließen,  daß 
die  zur  Verhandlung  stehende  Kohle  dem  Reeder  gehört.  Demnach  ist 
die  Reklamation,  weil  der  Reklamant  kein  rechtliches  Interesse  an  der  zur 
Verhandlung  stehenden  Ladung  hat,  abzuweisen. 

Die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  besteht  aus  Cardiff kohle, 
wie  sie  zurzeit  vorzugsweise  auf  Kriegsschiffen  verwandt  wird.  Ihr 
Bestimmungsort  ist  Wladiwostok,  der  Hauptstützpunkt  der  russischen 
Flotte.  Auf  seiner  letzten  Reise  hat  das  in  Frage  stehende  Schiff  Kohle 
von  Cardiff  in  England  nach  Wladiwostok  befördert  und  dort  an  die 
russischen  Behörden  abgeliefert.  Daraus  ergibt  sich  unzweifelhaft,  daß 
die  zur  Verhandlung  stehende  Kohle  für  den  feindlichen  Kriegsgebrauch 
zu  liefern  war  und  daher  Konterbande  ist.  i)  Demnach  ist  sie  nach  den 
völkerrechtlichen  Grundsätzen  mit  Recht  einzuziehen.  2) 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  16.  Mai  1905  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Bei- 
sein des  Staatsanwalts  Mizukami  Chojiro. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Daniel  Milberg  in  Hamburg,  vertreten  durch 
den  Kapitän  des  Dampfers  „Wilhelmina'',  A.  Wolkammer,  aus  Delfzijl, 
Holland. 

ProzeBvertreter :  Rechtsanwalt  AkiyamaGenzo,  Regierungs- 
bezirk Kanagawa,  Yokohama,  Yamashitacho  Nr.  75. 

Am  16.  Mai  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der  Prisen- 
sache, betreffend  die  Ladung  des  holländischen  Dampfers  „Wilhelmina", 
welcher  am  16.  Januar  1905  etwa  15  Seemeilen  östlich  von  der  ko- 
reanischen Insel  Chyöllyöng  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Naniwa" 
und  dem  Kaiserlichen  Torpedoboot  Nr.  60  aufgebracht  worden  ist,  ein 
Urteil  gefällt,  in  welchem  auf  Einziehung  der  auf  dem  Dampfer  „Wil- 
helmina" verladenen  6897V2  Tons  Steinkohlen  erkannt  worden  ist. 

1)  U.  Ziffer  2.  —  «)  V.  §  43. 

566 


Prisengerlchtsentscheidungen:  „Wilhelmina".  Abschnitt  VI»b 

Gegen  dieses  Urteil  hat  A.  Wolkammer  als  Vertreter  des  Re- 
klamanten Daniel  Milberg  durch  den  Rechtsanwalt  A  k  i  y  a  m  a 
O  e  n  z  o  als  Prozeßvertreter  die  Berufung  eingelegt,  welche  im  Beisein 
der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku  und  Dr.  jur.  Ishiwatari 
Binichi  beim  Oberprisengericht  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Vertreters  der  Reklamation 
Akiyama  Genzo  und  deren  Gründe  sind  folgende: 

In  unserer  Zeit  werde  Cardiffkohle  nicht  auf  Kriegsschiffen  aus- 
schließlich gebraucht,  sondern  finde  auch  in  allen  Arten  von  Industrien 
reichlich  Verwendung. 

In  einem  Falle,  wo  Güter,  die  in  dieser  Weise  zu  kriegerischem 
und  friedlichen  Gebrauch  verwandt  würden,  nach  Wladiwostok,  Ruß- 
lands einzigem  Handels-  und  Kriegshafen  im  Osten  befördert  würden, 
sei  es  billig,  wie  in  der  Präcedenzentscheidung  des  „Neptunus''-Falls  an- 
zunehmen, daß  sie  nach  dem  Handelshafen  Wladiwostok  eingeführt 
und  zu  friedlichen  Zwecken  verbraucht  werden  sollten. 

Das  Gericht  habe  die  in  dem  am  9.  Dezember  1904  zwischen  dem 
Reklamanten  und  dem  Reeder  abgeschlossenen  Transportvertrag  an- 
gegebenen Tatsachen  als  im  Hinblick  auf  die  Schiffspapiere  und  die 
Aussagen  des  Kapitäns  unglaubwürdig  erachtet  und  unberücksichtigt 
gelassen.  Das  müsse  als  durchaus  unbegründet  bezeichnet  werden.  Die 
Schiffspapiere  und  die  Aussagen  des  Kapitäns  könnten  die  Wahrheit  des 
oben  angegebenen  Vertrages  und  sein  Bestehen  nicht  in  Frage  stellen, 
denn  es  sei  keine  Spur  von  Widersprüchen  vorhanden.  Wenn  daher  der 
erwähnte  Vertrag  als  unglaubwürdig  bei  Seite  gelassen  worden  sei,  so 
sei  das  eine  nicht  zu  rechtfertigende  Entscheidung. 

Ferner  gründe  das  Urteil  erster  Instanz  seine  Annahme,  daß  die 
zur  Verhandlung  stehende  Ladung  dem  Reeder  gehöre,  darauf,  daß 

auf  dem  Schiff  kein  Chartervertrag  und  kein  Konnossement 
vorhanden  gewesen  sei,  daß  der  Kapitän  nach  Order  des  Ree- 
ders, die  er  in  Wladiwostok  und  Shanghai  erhalten  habe, 
die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  in  Shanghai  geladen 
habe  und  daß  der  Reeder  als  Gewerbe  den  Kohlenhandel  be- 
treibe. 
Wie  aber  bereits  in   den   Berufungsgründen    in   der  Prisensache,   be- 
treffend den  Dampfer  „Wilhelmina'', »)  auf  dem  die  zur  Verhandlung 
stehenden    Kohlen    verschifft   seien,    hinreichend    erörtert   worden    sei, 
könnten  diese  Tatsachen  nicht  zur  Unterstützung  der  Annahme  dienen, 
daß  das  Eigentum  an  der  zur  Verhandlung  stehenden  Ladung  nicht  dem 
Reklamanten  zustehe.   Wenn  deshalb  daraufhin  entschieden  worden  sei, 
daß  sie  dem  Reeder  gehöre,  so  sei  (der  wahre  Sachverhalt  verkannt  und 

«)  VI.  29  a. 

567 


Abschnitt  VI»*  Prisengerichtsentscheidungen:  „Wllhelmina". 

die  Entscheidung  sei  ungerecht,  weil    sie  mit    den  Tatsachen  nicht  in 
logischem  Einklang  stehe. 

Aus  diesen  Gründen  werde  Aufhebung  des  Urteils  erster  Instanz 
und  eine  Entscheidung  auf  Freigabe  der  zur  Verhandlung  stehenden 
Ladung  beantragt. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  der  Staatsanwälte  beim  Prisen- 
gericht zu  Sasebo  Mizukami  Chojiro  und  Ya.mamoto  Tat- 
surokuro  sind  folgende : 

Wladiwostok  sei  seit  dem  japanisch-russischen  Krieg,  besonders  seit 
dem  Fall  von  Port  Arthur,  Rußlands  einziger  Flottenstützpunkt  im  Osten; 
es  sei  ausschließlich  Kriegshafen  und  der  wichtigste  Etappenort  für  Armee 
und  Marine.  Von  seiner  in  Friedenszeiten  gleichzeitig  bestehenden  Eigen- 
schaft eines  Handelshafens  sei  nichts  übrig  geblieben.  Da  ferner  die  zur 
Verhandlung  stehende  Ladung  die  von  den  Kriegsmarinen  verwandte 
rauchlose  Cardiff kohle  sei,  so  könne  das  Urteil  des  „Neptun us''-Falls 
weder  vom  Gesichtspunkt  der  Ladung  noch  des  Bestimmungshafens  als 
Präcedenz  zugunsten  der  Freilassung  der  zur  Verhandlung  stehenden 
Ladung  geltend  gemacht  werden;  vielmehr  müsse  man  es  als  eine  Prä- 
cedenz zugunsten  der  Einziehung  bezeichnen. 

Die  Tatsache,  daß  ein  Konnossement  auf  dem  Schiff  nicht  vor- 
handen gewesen  sei,  daß  der  Reeder  Kohlenhandel  treibe  und  daß  die 
Einnahme  der  Ladung  und  die  Reise  des  Schiffes  auf  telegraphische  Order 
des  Reeders  geschehen  sei,  lieferten  klaren  Beweis  dafür,  daß  der 
Reeder  als  Eigentümer  der  zur  Verhandlung  stehenden  Ladung  an- 
zusehen sei.  Demgegenüber  könne  man  dem  angeblich  von  dem  Rekla- 
manten mit  dem  Reeder  abgeschlossenen  Transportvertrag  nicht  die 
Kraft  eines  glaubwürdigen  Beweises  zuerkennen,  da  der  Vertrag  sich 
nicht  an  Bord  des  Schiffes  befunden  habe.  Denn  einen  solchen  Ver- 
trag könnten  die  Interessenten  jederzeit  abschließen  und  die  völker- 
rechtliche Wissenschaft  und  die  Präcedenzen  stimmten  darin  überein,, 
daß  in  Prisensachen  nur  die  auf  dem  Schiffe  befindlichen  Papiere  und 
die  Aussagen  der  Schiffsbesatzung  und  Passagiere  Beweiskraft  hätten.-^) 

Es  sei  daher  zutreffend,  wenn  das  Urteil  erster  Instanz  diesen  Ver- 
trag beiseite  lasse  und  auf  Grund  der  vorhandenen  Beweise  annehme^ 
daß  die  Ladung  dem  Reeder  gehöre. 

Daher  müsse  die  Berufung,  welche  nicht  zutreffend  begründet  sei,, 
verworfen  werden. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

Der  Reklamant  sagt,  das  Urteil  erster  Instanz,  welches  seine  Re- 
klamation abgewiesen  habe,  sei  unrechtmäßig.  Auf  der  „Wilhelmina'' 
haben  sich  jedoch  weder  ein  Chartervertrag,  noch  ein  Konnossement, 

*)  Dereelbe  Staatsanwalt  benutzt  die  gegenteilige  Behauptung  gegen  den  Rekla- 
manten in  VI  26  b. 

568 


Prisengerichtsentscheldungen:  „Bawtry".  Abschnitt  VI  so» 

noch  sonst  irgend  ein  Dokument  vorgefunden,  aus  dem  sich  ergeben 
hätte,  daß  ein  anderer  Absender  oder  Eigentümer  als  der  Reeder 
existiert.  Dagegen  ist  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  auf  Order 
des  Reeders  in  Shanghai  verschifft  worden,  und  der  Reeder  betreibt 
das  Gewerbe  des  Kohlenhandels.  Es  ist  daher  gerechtfertigt,  wenn  das 
Urteil  erster  Instanz  im  Hinblick  auf  diese  Tatsachen  angenommen  hat, 
daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  demselben  Eigentümer  ge- 
hört wie  das  Schiff. 

Der  Reklamant  will  freilich  aus  dem  am  9.  Dezember  1Q04  zwischen 
ihm  und  dem  Reeder  abgeschlossenen  Transportvertrag  beweisen,  daß 
die  Ladung  in  seinem  Eigentum  stehe;  der  Kapitän  hat  jedoch  die  Order, 
die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  einzunehmen,  bereits  vor  dem 
Datum  des  genannten  Vertrags  erhalten,  und  da  ein  solcher  Vertrag 
jederzeit  von  den  Beteiligten  abgeschlossen  werden  kann,  so  hat  er 
nicht  den  Wert  eines  Beweises  dafür,  daß  die  Ladung  dem  Reklamanten 
gehöre.  Daher  ist  die  Entscheidung  der  ersten  Instanz  auf  Abweisung 
der  Reklamation  zutreffend. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  26.  August  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  The  Imperial  Steamship  Company  Ltd.,  Eigen- 
tümerin des  Dampfers  „Bawiry",  England,  Manchester,  Gross  Street 
Nr.  14,  vertreten  durch  den  englischen  Staatsangehörigen  W.  C.  Bacon, 
Geschäftsführer  der  Firma  Sivewright  Bacon  Gompany. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Akiyama  Genzo,  Regie- 
rungsbezirk Kanagawa,  Yokohama,  Yamashitacho  Nr.  75. 

In  der  Prisensache  betreffend  den  englischen  Dampfer  „Bawtry" 
wird,  wie  folgt,  entschieden: 

Urteilsform  el: 
Der  Dampfer  „Bawtry''  wird  eingezogen. 

Tatbestand   und   Gründe: 
Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „Bawtry"  steht  im  Eigen- 
tum des  Reklamanten,  The  Imperial  Steamship  Company  Ltd.,  er  führt 
die  englische  Flagge  und  ist  ein   Handelsschiff,  welches  zum   Güter- 

569 


Abschnitt  VI^**  Prisengerichtsentscheidungen:  ,,Bawtry" 

transport  dient.  Der  Dampfer  wurde  am  15.  Dezember  1904  in  Shanghai, 
China,  von  der  Firma  Diederichsen,  Jebsen  &  Co.  gechartert 
Er  lud  in  Hongkong  und  Kiautschou  Bau-  und  Ausrüstungsmaterial 
für  Kriegs-  und  andere  Schiffe,  Lebensmittel  und  Getränke,  Eisenbahn- 
baumaterialien zusammen  mit  vieler  gemischter  Ladung. 

Um  der  Aufbringung  durch  die  japanische  Marine  zu  entgehen, 
wurde  in  den  Konnossementen  und  dem  Ladungsverzeichnis  ohne  Aus- 
nahme fälschlich  Hakodate  als  Bestimmungsort  angegeben.  Am  14. 
Januar  1905  brach  der  Dampfer  von  Kiautschou  auf 'und  wurde  auf 
der  Reise  nach  Wladiwostok  in  Rußland  am  1.  d.  Mts.,  1  Uhr  15  Mi- 
nuten nachmittags  auf  der  See  in  34^  58  '  nördlicher  Breite  und  130  ^  2S ' 
estlicher  Länge  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Tokiwa",  weil  er 
Konterbande  führe,  aufgebracht. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Vertreters  des  Kommandanten  der  „Tokiwa",  Kapitänleutnants  Tori- 
zaki  Yasuzo,  die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns  der  „Bawtry", 
Harry  Retcliff  Shotton,  des  Supercargo  Otto  Meier,  das 
Schiffszertifikat  des  genannten  Schiffes,  das  Deckjournal,  den  Charter- 
vertrag, die  Konnossemente  und  das  Ladungsverzeichnis. 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführung  des  Vertreters  der  Reklamation 
sind  folgende: 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  habe  in  Charter  der  Firma 
Diederichsen,  Jebsen  &  Co.  Güter  geladen,  um  diese  nach 
Wladiwostok  zu  befördern.  Da  demnach  der  Reeder  nicht  der  Eigen- 
tümer der  Ladung  sei,  so  könne  das  Schiff,  wenn  auch  anzunehmen  sei, 
daß  sich  unter  der  Ladung  Kriegskonterbande  befinde,  da  der  Reeder 
die  Ladung  nicht  unter  Anwendung  betrügerischer  Mittel  verladen  habe, 
nicht  der  Strafe  der  Einziehung  unterliegen.  Wenn  ferner  unter  den 
Schiffspapieren  solche  seien,  welche  Hakodate  als  Bestimmungsort  an- 
gäben, so  sei  das  auf  Veranlassung  des  Kapitäns  geschehen,  ohne  daß 
der  Reeder  daran  irgendwie  beteiligt  sei.  Daher  könne  letzteren  hierfür 
keine  Verantwortung  treffen.  Demnach  müsse  das  zur  Verhandlung 
stehende  Schiff  freigegeben  werden. 

Die  Hauptpunkte  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  sind  folgende: 
Das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  habe  sich,  um  der  Auf- 
bringung durch  die  japanische  Marine  zu  entgehen,  eines  gefälschten 
Bestimmungsorts  bedient  und  Kriegskonterbande  befördert.  Wenn  auch 
dieser  Betrug  eine  Handlung  des  Kapitäns  sei,  so  habe  doch  dieser 
als  Vertreter  des  Reeders  diesen  Transport  ausgeführt.  Daher  könne 
der  Reeder  der  Verantwortung  nicht  entgehen  und  das  zur  Verhandlung 
stehende  Schiff  sei  einzuziehen. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht : 

570 


Trisengerichtsentscheidungen:  „Bawtry''.  Abschnitt  Vl^a 

In  gewöhnlichen  Fällen  beschränkt  sich  die  Strafe  für  Konterbande- 
transport auf  Einziehung  der  Konterbandegüter,  i)  Wenn  aber  bei  diesem 
Transport,  um  der  Aufbringung  der  im  Kriege  begriffenen  Marine  zu 
entgehen,  betrügerische  Mittel  verwandt  werden,  so  wird  auch  das 
Schiff  eingezogen.  Das  ist  von  den  Bestimmungen  und  der  Praxis  des 
modernen  Völkerrechts  allgemein  anerkannt. 

Die  von  dem  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfer  „Bawtry''  ver- 
ladenen Güter,  wie  Material  zum  Bau  und  zur  Ausrüstung  von  Kriegs- 
und anderen  Schiffen,  Nahrungsmittel  und  Getränke,  Eisenbahnbau- 
materialien usw.  2)  sollten  nach  Wladiwostok,  dem  Hauptflottenstützpunkt 
Rußlands,  befördert  werden.  Wenn  bei  dieser  Reise  Hakodate  als 
Bestimmungsort  vorgegeben  wurde,  so  ist  das  offenbar  geschehen,  um 
■durch  dies  betrügerische  Mittel  die  Aufbringung  durch  die  Kaiser- 
lichen Kriegsschiffe  zu  vermeiden  und  den  Kriegskonterbandetransport 
auszuführen. 

Da  demnach  das  Schiff  unter  Anwendung  betrügerischer  Mittel 
Konterbande  befördert  hat,  so  kann  es,  gleichgültig,  ob  der  Reeder 
-der  Eigentümer  der  Konterbande  ist  oder  nicht,  gleichgültig  auch,  ob 
er  sie  selber  unter  betrügerischen  Mitteln  verladen  oder  nicht,  der 
Strafe  der  Einziehung  nicht  entgehen. ») 

Der  Vertreter  der  Reklamation  behauptet  freilich,  daß  das  be- 
trügerische Vorgehen  auf  Seiten  des  Kapitäns  oder  Absenders  geschehen 
sei  und  daß  der  Reeder  hieran  nicht  im  geringsten  beteiligt  gewesen 
sei.  Daher  könne  den  Reeder  hierfür  keinerlei  Verantwortung  treffen. 
Die  Fälschung  des  Bestimmungsorts  in  den  Konnossementen  und  dem 
Ladungsverzeichnis  ist  aber  nach  der  Natur  der  Handlung  und  nach 
•dem  Geständnis  des  Kapitäns  offenbar  eine  Handlung  des  Kapitäns. 
Wenn  es  aber  eine  Handlung  des  Kapitäns  ist,  so  muß  unbestreitbar 
der  von  ihm  vertretene  Reeder  die  Verantwortung  hierfür  tragen. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  10.  Juli  1905  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Bei- 
sein des  Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurokuro. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  The  Imperial  Steamship  Company  Limited,  Eng- 
land, Manchester,  Gross  Street  Nr.  14,  vertreten  durch  W.  C.  Bacon, 
Geschäftsführer  der  Firma  Sivewright  Bacon  Company. 

*)  Vergleiche  dagegen   die  Ansicht   des  Oberprisengerichts   im  Punkt  2  dieses 
Falls,  in  den  Fällen  VI  28  a,  40  a,  57  und  anderen. 
«)  II.  1  und  2.  —  3)  V.  §  44. 

571 


Abschnitt  Vl^oa  Prisengerichtsentscheidungen :  „Bavdry^ 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  Akiyama  Genzo,  Regie- 
rungsbezirk Kanagawa,  Yokohama,  Yamashitacho  Nr.  75. 

Am  10.  Juli  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der  Prisen- 
sache,  betreffend  den  englischen  Dampfer  ,,Bawtry",  welcher  am  17.  Ja- 
nuar 1905  auf  340  58'  nördlicher  Breite  und  130«  28'  östlicher  Länge 
von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Tokiwa"  aufgebracht  worden  ist^ 
ein  Urteil  gefällt,  in  welchem  auf  Einziehung  des  Dampfers  „Ba^try" 
erkannt  worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  W.  C.  Bacon  als  Vertreter  des  Rekla- 
manten, The  Imperial  Steamship  Company  Ltd.,  durch  den  Rechts- 
anwalt Akiyama  Qenzo  als  Prozeßvertreter  die  Berufung  eingelegt, 
welche  im  Beisein  des  Staatsanwalts  Ishiwatari  Binichi  beim  Ober- 
prisengericht geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptberuf ungspunkte  des  Vertreters  der  Reklamation,  Aki- 
yama Genzo,  und  deren  Begründung  sind  folgende: 

1.  Das  Urteil  erster  Instanz  habe  angenommen,  daß  das  zur  Ver- 
handlung stehende  Schiff  unter  Anwendung  betrügerischer  Mittel  Konter- 
bande geladen  habe,  und  daraufhin  die  Strafe  der  Einziehung  ver- 
hängt. Wenn  man  prüfe,  welche  Handlungen  als  Betrug  angesehen 
worden  seien,  so  sage  das  Urteil  hierüber, 

in  den  Konnossementen  und  in  dem  Ladungsverzeichnis  sei 
nicht   der  wahre   Bestimmungsort  Wladiwostok  angegeben, 
vielmehr  sefi  Hakodate  vorgegeben.    Da  dies  in  der  Absicht 
geschehen  sei,  dadurch  der  Aufbringung  durch  die  japanische 
Marine  zu  entgehen,  so  stelle  es  eine  betrügerische  Hand- 
lung dar. 
Um  aber  auf  Grund  von   betrügerischem  Verhalten  einem  Schiff  die 
Strafe  der   Einziehung  auferlegen   zu   können,   müsse   der   Reeder   zu- 
sammen mit  dem  Ladungseigentümer  den  Plan  gehabt  haben,  zwecks 
Ausführung  eines  Konterbandetransports  die  Kaptoren  zu  täuschen,  und 
ferner  sei  es  unbedingt  erforderlich,  daß   die  dazu  ergriffenen  Mittel 
auch  zur  Durchführung  des  betrügerischen  Plans  geeignet  seien.    Was 
nun  diesen  Punkt  angehe,  so  gehe  es  aus  der  Charte-Partie  ganz  klar 
hervor,  daß  der  Reeder  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  in  Shanghai 
an  die  Firma  Diederichsen,  Jebsen  &  Co.  vermietet  und  einen 
Chartervertrag  abgeschlossen  habe,  nach  welchem  er  es  zum  Transport 
von  gemischter  Ladung  nach  Wladiwostok  bereitgestellt  habe.  Wenn  zur 
Zeit  der  Beförderung  der  Ladung  nicht  Wladiwostok,  sondern  Hakodate 
als  Bestimmungsort  angegeben  und  die  Konnossemente  und  das  Ladungs- 
verzeichnis in  diesem  Sinne  ausgestellt  worden  sei,  so  sei  das  unter  Zu- 
sammenwirken des  Kapitäns  mit  dem   Charterer  oder  den  Absendern 
geschehen.    Daß  der  Reeder  hieran  nicht  den  geringsten  Anteil  gehabt 
habe,  gehe  aus  den  Akten  des  Falls  klar  hervor. 

572 


Piisengerichtsentscheidungen:  „Bawtry'^  Abschnitt  Vl^oa 

Wenn  auch  unstreitbar  in  der  Regel  der  Kapitän  als  Vertreter 
des  Reeders  gelte,  so  stünden  Grotius  und  andere  große  Gelehrte 
doch  auf  dem  Standpunkt,  daß  den  Reeder  für  solche  ungesetzliche  und 
willkürliche  Handlungen  die  Verantwortung  nicht  treffen  könne,  und  das 
moderne  Völkerrecht  erkenne  dies  an. 

Selbst  wenn  man  aber  einmal  annehme,  der  Reeder  könne  der  Ver- 
antwortung nicht  entgehen,  so  sei  doch  in  dem  Chartervertrag  Wla- 
diwostok klar  als  Bestimmungsort  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes 
angegeben  und,  wenn  daneben  in  den  Konnossementen  und  den  La- 
dungsverzeichnissen ein  falscher  Bestimmungsort  eingetragen  sei,  so 
hätte  man  doch  damit  den  Plan,  der  Aufbringung  zu  entgehen,  nicht  zur 
Durchführung  bringen  können.  Man  könne  daher  nicht  sagen,  daß  das 
zur  Verhandlung  stehende  Schiff  sich  betrügerischen  Vergehens  schuldig 
gemacht  habe. 

2.  Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  seien  keine  absolute 
Konterbande.  Daher  könnten  sie,  nur  wenn  sie  zum  Kriegsgebrauch  des 
Feindes  bestimmt  seien,  als  Kriegskonterbande  angesehen  werden.  Das 
Gericht  erster  Instanz  habe  indes  angenommen,  daß 

die  Ladung,  weil  sie  nach  Wladiwostok,  dem  Hauptflotten- 
stützpunkt Rußlands  bestimmt  gewesen  sei,  Konterbande  sei. 
Aber  da  Wladiwostok  sowohl  der  einzige  Handels-  als  Kriegshafen  Ruß- 
lands im  Osten  sei,  so  müsse  in  einem  Falle,  wo  Güter  nach  einem 
solchen  Hafen  befördert  würden,  welche  sowohl  zu  friedlichem  als 
kriegerischem  Gebrauch  dienten,  nach  der  Präcedenzentscheidung  des 
„Neptun us"-Falls  aus  dem  englisch-holländischen  Kriege  vom  Jahre  1798 
angenommen  werden,  daß  die  Güter  nach  dem  Handelshafen  Wla- 
diwostok befördert  und  zu  friedlichem  Gebrauch  bestimmt  gewesen  seien. 
Dies  entspreche  den  völkerrechtlichen  Bestimmungen  und  Gebräuchen. 

Es  werde  daher  Freigabe  des  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfers 
beantragt. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  der  Staatsanwälte  beim  Prisen- 
gericht zu  Sasebo,  Mizukami  Chojiro  und  Yamamoto  Tat- 
surokuro,  sind  folgende : 

Die  völkerrechtliche  Wissenschaft  und  Praxis  stimme  darin  überein, 
daß  im  Falle,  daß  ein  neutrales  Schiff  Kriegskonterbande  befördere,  eine 
kriegführende  Macht  das  Schiff  beschlagnahmen,  die  Kriegskonterbande- 
güter und  die  dem  Eigentümer  dieser  Konterbande  gehörigen  Güter 
einziehen  und  diese  Strafe  der  Einziehung  auch  auf  das  Schiff  erstrecken 
könne,  wenn  dasselbe  mit  gefälschten  Schiffspapieren  versehen  sei  oder 
einen  falschen  Bestimmungsort  vorgebe,  oder  Eigentümer  von  Schiff 
und  Ladung  derselbe  sei. 

Der  Absender  des  größten  Teils  der  zur  Verhandlung  stehenden 
Ladung  sei  die  Firma  Jebsen  &  Co.,  welche  erwiesenermaßen  in  Ge- 

573 


Abschnitt  VI 30a  Prisengerichtsentscheidungen:  „Bawtry''.. 

meinschaft  mit  dem  Kapitän  die  Konnossemente  und  das  Ladungs- 
verzeichnis fälschlich  auf  Hakodate  als  Bestimmungsort  ausgestellt  hätten^ 
um  der  Aufbringung  durch  die  japanische  Marine  zu  entgehen.  Dies  sei 
Betrug  von  der  schwersten  Art. 

Was  die  Handlungen  des  Kapitäns  anginge,  so  sei  es  natürliches. 
Rechtsprinzip,  daß  den  Reeder  die  Verantwortung  dafür  treffe.  Da  im 
vorliegenden  Falle  die  Handlung  des  Kapitäns  geschehen  sei,  um  der 
Aufbringung  durch  die  japanische  Marine  zu  entgehen,  so  habe  sie  dea 
Vorteil  des  Reeders  bezweckt,  und  es  sei  selbstverständlich,  daß  der 
Reeder  der  Verantwortung  hierfür  nicht  mit  der  Begründung  sich  ent- 
ziehen könne,  er  habe  hierzu  keinen  besonderen  Befehl  erteilt. 

Ferner  sei  das  gegenwärtige  Wladiwostok  von  Amsterdam  zur  Zeit 
des  englisch-holländischen  Krieges  durchaus  verschieden,  und  seit  dem 
japanisch-russischen  Krieg,  besonders  seit  dem  Fall  von  Port  Arthur,  sei 
Wladiwostok  tatsächlich  kein  Handelshafen. 

Der  Kapitän  habe  ausgesagt,  daß  er  gewußt  habe,  daß  Wladiwostok 
zurzeit  die  wichtigste  Flottenbasis  für  die  Armee  und  Marine  sei.  Ferner 
habe  der  Charterer,  die  Firma  Jebsen  &  Co.,  schon  früher  in  dem 
Fall  des  „Veteran"*)  versucht,  die  Blockade  von  Port  Arthur  zu  brechen. 
Daher  sei  es  offenbar,  daß  auch  diesmal  ein  Kriegskonterbandetransport 
zum  Zwecke  großen  Gewinns  unternommen  gewesen  sei. 

Die  Entscheidung  erster  Instanz  auf  Einziehung  des  zur  Ver- 
handlung stehenden  Dampfers  sei  daher  zutreffend,  und  die  Berufung 
müsse  abgewiesen  werden. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

1.  Da  der  Bestimmungshafen  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Schiffes  Wladiwostok  ist,  so  ist  es  klar,  daß  die  unter  der  Ladung  be- 
findlichen Waffen  und  Materialien  für  Bau  und  Ausrüstung  von  Kriegs- 
schiffen Kriegskonterbande  sind.  ^) 

Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegshafen 
ist.  Seit  dem  Krieg  mit  Japan  hat  Rußland  es  zum  Stützpunkt  für  seine 
Kriegsflotte  und  Hauptetappenort  gemacht.  Es  hat  dort  in  ausgedehntem 
Maße  Waffen,  Lebensmittel,  Kohle  und  sonstige  Kriegsbedarfsartikel 
aufgespeichert.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr  nach  dort  hat  fast 
ganz  aufgehört.  Daher  müssen  auch  die  unter  der  Ladung  des  zur  Ver- 
handlung stehenden  Schiffes  befindlichen  Lebensmittel,  Getränke  und 
Eisenbahnbaumaterialien  als  für  den  russischen  Kriegsgebrauch  bestimmt 
und  demgemäß  als  Konterbande  angesehen  werden,  ß) 

Der  Reklamant  sagt,  es  müsse  nach  Art  der  Präcedenzentscheidung 
betreffend  den  „Neptun  us"  auch  in  diesem  Fall  angenommen  werden, 
daß  die  Ladung  für  friedliche  Zwecke  bestimmt  gewesen  sei.  Wie  aber 
oben  angegeben,  befindet  sich  unter  der  Ladung  absolute  Konterbande^ 

♦)  VI.  24a  und  b.  —  '^)  11.  Ziffer  I.  —  «)  11.  Ziffer  2. 

574 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Bawtry".  Abschnitt  Vl^^ 

und  auch  wenn  man  die  bedingte  Konterbande  ins  Auge  faßt,  so  sind 
docli  die  Verhältnisse  des  Bestimmungsorts  im  vorliegenden  und  im  „Nep- 
tunus"-Fall  so  verschieden,  daß  dieser  Fall  nicht  als  Präcedenz  geltend 
gemacht  werden  kann. 

2.  Das  Völkerrecht  erkennt  an,  daß  Schiffe,  wie  das  zur  Ver- 
handlung stehende,  deren  Reisezweck  der  Transport  von  Konterbande 
ist,  eingezogen  werden  können.  ^)  Das  Oberprisengericht  ist  der  An- 
sicht, daß  dies  den  Verhältnissen  gerecht  wird,  besonders  im  vorliegenden 
Fall,  wo,  obwohl  es  schon  bei  der  Abfahrt  von  Shanghai  bestimmt  war, 
daß  das  Schiff  nach  Wladiwostok  gehen  sollte,  in  den  Konnossementen 
und  im  Ladungsverzeichnis  der  falsche  Bestimmungsort  Hakodate  an- 
gegeben war;  wo  also  Konterbandetransport  unter  Anwendung  be- 
trügerischer Mittel  vorliegt.®) 

Nach  dem  in  den  Punkten  1  und  2  Ausgeführten  ist  die  Ent- 
scheidung erster  Instanz  auf  Einziehung  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Schiffes  durchaus  gerechtfertigt  und  die  Berufung  unbegründet. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  30.  November  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


Reklamanten:  Harry  Ratcliff  Shotton,  Kapitän  des 
Dampfers  „Bawtry"  aus  England,  South  Shields,  lorante  Terrace  Nr.  13, 
als  Vertreter 

des   Österreich  -  ungarischen    Staatsangehörigen    Hermann    Ko- 
britz  in  Shanghai,  China, 

der  deutschen  Firma  Diederichsen,  Jebsen  &  Co.  in  Kiau- 
tschou,  China,  und 

der  Firma  Siemssen  &Co.  in  Kiautschou,  China, 
die  deutsche  Firma  Sietas,  Plambeck  &  Co.  in  Kiautschou,  China. 

ProzeBvertreter  der  beiden  Reklamanten:  Rechtsanwalt 
Akiyama  Genzo,  Regierungsbezirk  Kanagawa,  Yokohama,  Yamashi- 
tacho  Nr.  75. 

In  der  Prisensache,  betreffend  Ladung  des  engh'schen  Dampfers 
„Bawtry"  wird,  wie  folgt,  entschieden : 

')  Anders  die  japanische  Seeprisenordnung,  §§  43,  44  (V)  und  ihre  Grundlage, 
das  englische  Manual  of  Naval  Prize  Law,  Art.  82  bis  85. 
0  V.  §  44. 

575 


Abschnitt  Vl^ok  Prisengerichtsentscheidungen:  „Bawtry^ 

U  r  t  e  i  1  s  f  o  rm  e  1 : 
Die  auf  dem  Dampfer  ,,Bawtry"  verschifften,  in  dem  beigefügten 
Verzeichnis  aufgeführten  Güter  werden  sämtlich  eingezogen. 

Tatbestand   und   Gründe: 

Die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  ist  in  Hongkong  und 
Kiautschou,  China,  von  dem  englischen  Dampfer  „Bawtry"  geladen 
worden.  Am  14.  Januar  1905  fuhr  sie  von  Kiautschou  ab,  um  nach 
Wladiwostok  in  Rußland  befördert  zu  werden.  Als  am  17.  d.  Mts.,  1  Uhr 
15  Minuten  nachmittags  die  „Bawtry"  auf  der  See  in  34  <>  58'  nördlicher 
Breite  und  130  o  28'  östlicher  Länge  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff 
„Tokiwa"  aufgebracht  wurde,  wurde  auch  die  Ladung  mit  beschlag- 
nahmt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Vertreters  des  Kommandanten  der  „Tokiwa",  Kapitänleutnants  Tori- 
zakiYasuzo,die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns  der  „Bawtry", 
Harry  Ratcliff  Shotton  und  des  Supercargo  Otto  Meier,  das 
Schiffszertifikat 'des  genannten  Schiffes,  das  Deckjournal,  den  Charter- 
vertrag, die  Konnossemente  und  das  Ladungsverzeichnis. 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  des  Vertreters  der  Reklamation 
sind  folgende: 

Die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  stehe  im  Eigentum  der  Re- 
klamanten, sei  im  Dezember  1904  in  Kiautschou,  China,  auf  dem  eng- 
lischen Dampfer  „Bawtry"  verschifft  und  auf  der  Reise  nach  Wla- 
diwostok zusammen  mit  dem  Schiff  von  einem  Kaiserlichen  Kriegs- 
schiff beschlagnahmt  worden. 

Unter  dieser  Ladung  befänden  sich  Güter,  welche  keine  Konter- 
bande seien  und  solche,  welche  sowohl  zu  friedlichem  als  kriegerischem 
Gebrauch  dienen  können.  Die  letzteren  könnten  aber  als  Kriegskonter- 
bande nur  dann  angesehen  werden,  wenn  Beweis  vorhanden  sei,  daß 
sie  zum  Gebrauch  der  feindlichen  Truppen  zu  liefern  gewesen  wären. 
In  dem  gegenwärtigen  Falle  lägen  indes  derartige  Beweise  nicht  vor, 
und  die  Güter  seien  nach  Wladiwostok,  welches  die  Eigenschaften  eines 
Handels-  und  eines  Kriegshafens  vereinige,  bestimmt  gewesen.  Es  ent- 
spreche den  Bestimmungen  und  der  Praxis  des  Völkerrechts,  wenn  in 
diesem  Falle  unter  Anwendung  des  Entscheid ungsbeispiels  über  den 
„Neptunus"-Fall  aus  dem  englisch-holländischen  Kriege  vom  Jahre  1796 
angenommen  würde,  daß  die  Güter  nach  dem  Handelshafen  Wladiwostok 
bestimmt  nud  für  friedliche  Zwecke  zu  liefern  gewesen  seien. 

Es  werde  daher  Freigabe  der  gesamten  zur  Verhandlung  stehenden 
Ladung  beantragt.  . 

Die  Hauptpunkte  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  sind  folgende: 
576 


1 


Prjsengerichtsentscheidungen:  .Bawtry«.  Abschnitt  Visob 

Da  ein  großer  Teil  der  zur  Verhandlung  stehenden  Ladung  Kriegs- 
konterbande und  sein  Bestimmungsort  der  russische  Kriegshafen  Wla- 
diwostok sei,  der  Kapitän  auch  ausgesagt  habe,  ,daß  der  Empfänger  dieser 
Güter  wohl  die  russisch-chinesische  Bank  sei,  so  sei  es'  offenbar,  daß  sie 
für  den  Gebrauch  der  feindlichen  Truppen  hätten  geliefert  werden 
sollen.   Es  sei  daher  unbestreitbar,  daß  sie  eingezogen  werden  müßten. 

Da  ferner  die  unter  der  Ladung  befindlichen  Nichtkonterbande- 
güter dem  Eigentümer  der  Konterbandegüter  gehörten,  so  seien  sie 
gleichfalls  einzuziehen. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Es  ist  durchaus  richtig,  wenn  der  Vertreter  der  Reklamation  be- 
hauptet, Wladiwostok  sei  ein  russischer  Hafen,  der  sich  aus  einem 
Handels-  und  einem  Kriegshafen  zusammensetze.  Seitdem  aber  der  Krieg 
zwischen  Japan  und  Rußland  ausgebrochen  ist,  bat  der  Verkehr  der  ge- 
wöhnlichen Handelsschiffe  dort  gänzlich  aufgehört,  und  es  ist  bekannt, 
daß  Wladiwostok  ausschließlich  zum  Flottenstützpunkt  der  russischen 
Marine  geworden  ist. 

Die  in  dem  beigefügten  Verzeichnis  aufgeführten  Güter  haben  alle 
zum  Absender  den  Reklamanten,  der  Empfänger  lautet  „auf  Order", 
und  ihre  Bestimmung  ist  Wladiwostok.  Unter  diesen  Gütern  sind  die 
Nummern 

19,  22,  46,  47,  52,  58,  64,  92,  93,  95  bis  97,  130,  139,  171,  177, 

178,  216,  230,  234,  237,  245,  252,  253,  262,  274,  275,  287,  288, 

292,  283,  318,  321  bis  323,  326,  345,  347,  349,  356,  362,  363, 
368,  370,  394,  398,  409,  415,  499,  512,  534  bis  536,  546 

Materialien   zum  Bau   und  zur  Ausrüstung  von   Kriegs-   und  anderen 
Schiffen ;  i) 

die  Nummern  264,  555, 
Waffen,!) 

die  Nummern    1,   13  bis  17,  24,  35,  39,  40,  110,  113  bis  115, 

122,  127  bis  129,  131,  134,  135,  231,  235,  258,  426,  428,  429, 

511,  551 
Lebensmittel  und  Getränke; 2) 

die  Nummern  2  bis  10 
Eisenbahnmaterialien ;  2) 

die  Nummern  309,  338,  412 
Pferdegeschirr ; «) 

die  Nummer  478 
Telephonbaumaterial.  *) 

Da  alle  diese  Güter  nach  einem  feindlichen  Kriegshafen  bestimmt 
waren  und  nach  der  Aussage  des  Kapitäns  wahrscheinlich  die  russisch- 
chinesische Bank  der  Empfänger  war,  so  ist  es  als  erwiesen  zu  erachten, 

0  II.  Ziffer  1.  —  «)  II.  Ziffer  2. 

Mftrs trftnd-Meohlenbur ff,  Das  Japanische  PriBenreoht.    Band  I.      (37)  Ol 7 


Abschnitt  VI  Mb 


Prisengerichtsentscheidungen :  ,Bawtry'. 


daß  sie  zum  feindlichen  Kriegsgebrauch  geliefert  werden  sollten.  Sie 
sind  daher  mit  Recht  als  Konterbande  einzuziehen.  ^) 

Die  übrigen  Güter  sind  freilich  keine  Konterbande,  Sie  können  aber, 
da  sie  alle  den  Eigentümern  der  vorbezeichneten  Konterbande  gehören, 
der  Einziehung  nicht  entgehen.*) 

Der  Vertreter  der  Reklamation  macht  geltend,  daß  die  Präcedenz- 
entscheidung  des  ,,Neptunus''-Falls  auf  den  vorliegenden  Fall  anzu- 
wenden sei;  diese  Behauptung  ist  aber  unbegründet,  da  die  Ver- 
hältnisse des  heutigen  Wladiwostok  und  des  damaligen  Amsterdam 
ganz  verschieden  sind. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  10.  Juli  1905  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Bei- 
sein des  Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurokuro. 

(Unterschriften.) 


Verzeichnis  der  auf  dem  Dampfer  „Bawtry  verschifften  Gfiter. 

(Hier  folgt  im  japanischen  Original  zunächst  das  Verzeichnis,  welches 
dem  Urteil,  betreffend  die  Reklamation  von  Hermann  Kobritz  (VI  30  d),  sodann 
das  Verzeichnis,  welches  dem  Urteil,  betreffend  die  Reklamation  der  Fimia 
Diederichsen,  Jebsen  &  Co.,  vertreten  durch  August  Müller  (VI  30  c),  beigefügt 
ist.    Daran  schließt  sich  das  Folgende  an.) 


Nr. 

der  Bekannt- 

maohun^ 

Art  der  Güter 

Zahl 
der  Stücke 

Absender 

Emp- 
fänger 

550 

Roheisen 

29  Bund 

551 

Schokolade     .... 

5  Kisten 

552 

Ausschnittwaren  .    .    . 

1  Kiste 

553 

Gelbmetallliugeln     .    . 

!•     . 

554 

Weißblech 

1      . 

555 

Gewehre 

1      . 

135 

Zucker 

297  Sack 

Siemssen 

Order 

136 

Streichhölzer  .... 

185  Kisten 

n 

I» 

137 

»                        .... 

5      . 

n 

« 

138 

n                    .... 

10      , 

» 

ft 

139 

Eisendraht 

10  Faß 

» 

» 

140 

Watteabfälle    .... 

16  Kolli 

» 

» 

215 

Eisenwaren     .... 
43.1.  -  *)  V.  §  43,2. 

6  Kisten 

Sietas,Plam- 
beck  &  Co. 

» 

•)  V.  § 

578 


Prisengerichtsentscheidungen :  .Bawtry ' . 


Abschnitt  VI  »Ob 


Nr.  der 

Bekannt- 
maohuDff 

Art  der  Güter 

Zahl 
der  Stacke 

Absender 

Emp- 
pfänger 

216 

Eisennetz 

10  Rollen 

Sietas,  Plam- 
beck  &  Co. 

Order 

218 

Eiserne  Träger    .    .    . 

409  Stück 

n 

n 

219 

Eisenwaren     .    . 

.    . 

3  Kisten 

n 

n 

220 

»                          •        • 

,    , 

4  Kolli 

y» 

n 

221 

Kupferröhren  .    . 

. 

1  Kiste 

n 

n 

222 

Wagenfedern  .    . 

, 

2  Kisten 

n 

n 

223 

Eisenwaren     .    , 

• 

4  Kolli  u. 
6  Faß 

n 

n 

224 

Warenmuster  . 

, 

2  Kisten 

n 

n 

225 

Palmöl  .    .    . 

4      . 

n 

n 

226 

Eisenwaren     . 

, 

1  Kiste 

n 

r* 

227 

Gelbmetallwaren 

. 

2  Faß 

» 

1» 

228 

Treibriemen    . 

. 

1  Kiste 

n 

f» 

229 

Stahltrossen    . 

, 

15  Rollen 

n 

f» 

230 

Schiffsgerät     . 

. 

2  Faß 

n 

n 

231 

Branntwein 

, 

20  Kisten 

n 

n 

232 

Feilen    .    .    . 

,    , 

5      . 

n 

n 

233 

Treibriemen    . 

,    , 

1  Kiste 

n 

f> 

234 

Gelbmetall  und 

Kupfe 

r- 

, 

blech.    .    . 

,    , 

2  Kisten 

m 

1» 

235 

Speisesalz  .    . 

,    , 

1902  Sack 

n 

n 

236 

Eisenstäbe  .    . 

. 

1286  Stück  u. 

335  Bündel 

n 

n 

237 

Gelbmetallröhren 

• 

1  Kiste 

n 

» 

Reklamanten:  Harry  Ratcliff  Shotton,  Kapitän  des 
Dampfers  „Bawtry"  aus  England,  South  Shields,  lorante  Terrace  Nr.  13, 
als  Vertreter 

des   Österreich  -  ungarischen   Staatsangehörigen    Hermann    Ko- 
britz  in  Shanghai,  China. 

der  deutschen  Firma  Diederichsen,  Jebsen  &  Co.  in  Kiau- 
tschou,  China, 

und  der  Firma  Siemssen  &  Co.  in  Kiautschou,  China; 
die  deutsche  Firma  Sietas,  Plambeck  &  Co.  in  Kiautschou,  China. 

Prozeßvertreter  der  beiden  Reklamanten:  Rechtsanwalt 
Akiyama  Genzo,  Regierungsbezirk  Kanagawa,  Yokohama,  Yamashi- 
tacho  Nr.  76. 

Am  10.  Juli  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der  Prisen- 
sache betreffend  die  Ladung  des  englischen  Dampfers  „Bawtry",  welcher 
am  17.  Januar  1905  auf  34«  58'  nördlicher  Breite  und  130  o  28'  öst- 
licher Länge  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Tokiwa"  aufgebracht 
worden  ist,  ein  Urteil  gefällt,  in  welchem  auf  Einziehung  sämtlicher 
in  dem  dem  Urteil  beigefügten  Verzeichnis  aufgeführten,  auf  dem 
Dampfer  „Bawtry"  verschifften  Güter  erkannt  worden  ist. 


(37*) 


579 


Abschnitt  Vl^ob  Prisengerichtsentscheidungen:  .Bawtry' 

Gegen  dieses  Urteil  haben  Harry  Ratcliff  Shotton  als  Ver- 
treter der  Reklamanten  Hermann  Kobritz,  Diederichsen, 
Jebsen  &  Co.  und  Siemssen  &  Co.  sowie  die  Reklamanten  Sie- 
tas,  Plambeck  &  Co.  durch  den  Rechtsanwalt  Akiyama  Qenzo 
als  Prozeß  Vertreter  die  Berufung  eingelegt,  welche  im  Beisein  des  Staats- 
anwalts Dr.  jur.  IshiwatariBinichi  beim  Oberprisengericht  geprüft" 
worden  ist. 

Die  Hauptberuf ungspunkte  des  Vertreters  der  Reklamation,  Aki- 
yama Oenzo,  und  deren  Begründung  sind  folgende : 

1.  Das  Gericht  habe  entschieden, 

da  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  alle  nach  einem 
feindlichen  Kriegshafen  bestimmt  gewesen  seien,  und  nach 
der  Aussage  des  Kapitäns  wahrscheinlich  die  russisch-chine- 
sische Bank  der  Empfänger  gewesen  sei,  so  sei  es  als  erwiesen 
zu  erachten,  daß  sie  zum  feindlichen  Kriegsgebrauch  hätten 
geliefert  werden  sollen.  Sie  seien  daher  mit  Recht  als  Kriegs- 
konterbande einzuziehen. 

Die  übrigen  Güter  seien  freilich  keine  Konterbande.  Sie 
könnten  aber,  da  sie  alle  dem'Eigentümer  der  vorbezeichneten 
Konterbande  gehörten,  der  Einziehung  nicht  entgehen. 
Die  von  dem  Gericht  erster  Instanz  als  Konterbande  eingezogenen 
Güter  seien  alle  nur  im  Falle,  daß  sie  zum  Kriegsgebrauch  geliefert 
würden,  Konterbande.  Da  diese  Güter  sogenannte  bedingte  Konter- 
bande^ seien,  so  könnten  sie  nicht  ohne  weiteres  mit  der  Begründung, 
daß  sie  nach  dem  russischen  Kriegshafen  "Wladiwostok  bestimmt  gewesen 
seien,  als  Kriegsbedarfsartikel  angesehen  werden.  Denn  da  Wladiwostok 
von  jeher  neben  seiner  Eigenschaft  als  einziger  Kriegshafen  Rußlands 
auch  die  seines  einzigen  Handelshafens  im  Osten  besessen  habe,  so 
entspreche  es  den  völkerrechtlichen  Bestimmungen,  daß  Güter,  welche 
dorthin  befördert  würden,  wenn  sie  wie  die  zur  Verhandlung  stehenden 
ihrer  Art  nach  nicht  nur  zum  Kriegsgebrauch,  sondern  auch  allgemein 
zum  Handels-  und  Industriebetrieb  dienten,  nach  der  Präcedenz  in 
dem  „Neptun us''-Falle  als  nach  dem  Handelshafen  Wladiwostok  und 
zu  friedlichem  Gebrauch  bestimmt  angesehen  würden. 

2.  Das  Urteil  erster  Instanz  besage,  daß  die  Verhältnisse  des 
jetzigen  Wladiwostok  und  des  damaligen  Amsterdam  verschieden  seien. 
Wladiwostok  sei  aber  zur  Zeit  der  Beförderung  der  zur  Verhandlung 
stehenden  Güter  noch  wie  früher  ein  Handelsplatz  gewesen,  in  dem 
Handel-  und  Gewerbetreibende  aller  Länder  ihre  Niederlassungen  ge- 
öffnet gehabt  und  ihre  Geschäfte  betrieben  hätten.  Wenn  man  das 
erwäge,  so  sei,  wenn  Wladiwostok  in  seiner  Lage  und  in  dem  Grade 
seiner  Entwicklung  von  Amsterdam  verschieden  sei,  doch  in  der  Eigen- 
schaft als  Handelsplatz  kein  Unterschied  vorhanden.    Demnach  sei  die 

580 


Piisengerichtsentscheidungen:  .Bawtry*.  Abschnitt  VI»*« 

Entscheidung,  daß  das  .Urteilsbeispiel  der  „Neptunus"    auf    den    vor- 
liegenden Fall  keine  Anwendung  finden  könne,  unzutreffend. 

Wenn  ferner  auch  der  Kapitän  ausgesagt  habe,  daß  der  Empfänger 
der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  wohl  die  russisch-chinesische 
Bank  sei,  so  genüge  das  doch  nicht,  um  darauf  die  Vermutung  zu 
gründen,  daß  die  Güter  zum  Kriegsgebrauch  hätten  geliefert  werden 
sollen.  Da  die  Banken'  Organe  zur  Vermittlung  des  Geldumlaufs 
in  Handelskreisen  seien,  so  seien  sie  zeitweilig  Besitzer  der  Handels- 
viaren  oder,  wenn  sie  einen  Frachtwechsel  negociierten,  Empfänger  der- 
selben. Es  sei  daher  falsch,  aus  den  Aussagen  des  Kapitäns,  daß  die 
russisch-chinesische  Bank  wohl  der  Empfänger  sei,  darauf  schließen 
zu  wollen,  in  welcher  Weise  die  Güter  verbraucht  werden  sollten. 

Aus  diesen  Gründen  werde  Aufhebung  des  Urteils  erster  Instanz 
und  Freigabe  der  gesamten  zur  Verhandlung  stehenden  Ladung  be- 
antragt. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  der  Staatsanwälte  beim  Prisen- 
gericht zu  Sasebo,  Mizukami  Chojiro  und  Yamamoto  Tatsu- 
rok  uro,  sind  folgende: 

Unter  der  zur  Verhandlung  stehenden  Ladung  befänden  sich  über 
50  Positionen  absoluter  Kriegskonterbande,  nämlich  Material  zum  Bau 
und  zur  Ausrüstung  von  Kriegsschiffen,  und  zwei  Positionen  Waffen. 
Außerdem  seien  in  der  Mehrzahl  vorhanden  Güter  wie  Lebensmittel, 
Telegraphen-,  Telephon-  und  Eisenbahnmaterialien,  welche  im  Falle, 
daß  man  annehmen  könne,  daß  sie  zum  feindlichen  Kriegsgebrauch 
geliefert  werden  sollten,  als  Kriegskonterbande  gelten  müßten. 

Die  Materialien  zum  Bau  von  Kriegsschiffen  und  die  Waffen 
könnten  schon  lediglich  daraufhin,  daß  sie  nach  dem  feindlichen  Wladi- 
wostok bestimmt  seien,  als  Kriegskonterbande  eingezogen  werden. 

Die  übrigen  Güter  seien  freilich  sogenannte  bedingte  Konterbande, 
aber  die  Verhältnisse  des  gegenwärtigen  Wladiwostok  könnten,  wie 
im  Urteil  erster  Instanz  dargetan,  nicht  mit  denen  von  Amsterdam 
während  des  englisch-holländischen  Krieges  im  Jahre  1798  für  gleich 
erklärt  werden. 

Der  Reklamant  behaupte, 

Wladiwostok  sei  zu    der    fraglichen  Zeit    immer    noch    ein 
Handelsplatz  gewesen  wie  früher.     Handel-  und  Gewerbe- 
treibende hätten  ihre  Niederlassungen  geöffnet  gehabt  und 
alle  blühende  Geschäfte  betrieben. 
Dies  sei  in  Wirklichkeit  eine  völlig  unbegründete  Behauptung,  die  nicht 
anerkannt  werden  könne.    Denn  der  genannte  Hafen  sei  vielmehr  seit 
dem  japanisch-russischen  Kriege,    und  insbesondere  seit  dem  Fall  von 
Port  Arthur,  d.  h.  seit  Januar  dieses  Jahres,  Rußlands  einzige  F.tappen- 
basis  im  Osten  gewesen,  welche  sein  Heer  und  seine  Marine  auf  dem 

581 


Abschnitt  VI»*  Prisengerichtsentscheidungen:  .Bawtry'. 

Seewege  hätten  erreichen  können.  Es  sei  ei^e  nicht  zu  verbergende 
Tatsache,  daß  von  gewöhnlichen  Handelsschiffen  auch  nicht  ein  ein- 
ziges dort  verkehrt  habe.  Daher  könne  der  „Neptunus"-Fall,  wie  auch 
das  Urteil  erster  Instanz  angenommen  habe,  nicht  als  ein  auf  diesen 
Fall  passendes  Beispiel  angesehen  werden. 
Der  Reklamant  behaupte  ferner, 

die  russisch-chinesische  Bank  sei  wie  eine  gewöhnliche  Bank 
ein  Organ  zur  Vermittlung  des  Oeldverkehrs  für  rein  kauf- 
männische Kreise. 
Das  sei  indes  eine  Behauptung,  welche  den  wahren  Charakter  der 
genannten  Bank  nicht  klarstelle.  Im  Jahre  1896  habe  Rußland  unter 
dem  Vorwande  der  Vermittlung  der  Rückgabe  der  Liaotung-Halbinsel 
mit  China  den  Cassini- Vertrag  abgeschlossen  und  12  Artikel  über  die 
Eisenbahn  festgestellt.  In  dem  Artikel  10  sei  bestimmt  worden,  daß 
Port  Arthur,  Dalni  und  das  benachbarte  Gebiet,  welche  von  großer 
militärischer  Wichtigkeit  seien,  zu  einem  einheitlichen  Kriegshafengebiet 
gemacht  werden  sollten.  Da  dieser  Vertrag  ein  Geheimvertrag  zwischen 
Rußland  und  China  gewesen  sei,  sp  habe  man  Verhandlungen  er- 
öffnet, in  welchen  dem  Anscheine  nach  Rußland  China  mit  der  Be- 
gründung, daß  der  Bau  der  vorher  bestimmten  Bahnlinie  der  sibirischen 
Eisenbahn  gefährdet  sei,  zu  bestimmen  versucht  habe,  diese  Bahn  durch 
die  Mandschurei  legen  zu  lassen.  Am  27.  August  russisclien  Stils  sei 
der  Welt  vorgemacht  worden,  daß  zwischen  China  und  der  russisch- 
chinesischen Bank  ein  Vertrag  abgeschlossen  worden  sei,  in  welchem 
dieser  der  Bau  und  der  Betrieb  der  mandschurischen  Eisenbahn  kon- 
zessioniert w^orden  sei. 

In  der  Folge  habe  die  russisch-chinesische  Bank,  angeblich  auf 
Grund  dieses  Vertrages,  einen  Entwurf  eines  Eisenbahnreglements  unter 
dem  Namen  „Reglement  der  ostchinesischen  Eisenbahngesellschaft"  der 
russischen  Regierung  eingereicht,  welcher  die  Kaiserliche  Genehmigung 
erhalten  habe.  Seitdem  sei  es  nicht  mehr  verborgen  worden,  daß  die 
sogenannte  ostchinesische  Eisenbahngesellschaft  ein  Organ  für  das  Nach- 
richtenwesen zu  Wasser  und  zu  Lande  und  für  militärische  Zwecke 
sei,  mittels  dessen  Rußland  die  Besetzung  Port  Arthurs  und  Dalnis 
ausgeführt  und  auch  die  Mandschurei  mit  übergeschluckt  habe.  Die 
russisch-chinesische  Bank  sei  daher  in  Wirklichkeit  eine  russische  Be- 
hörde, und  man  müsse  annehmen,  daß  die  zur  Verhandlung  stehenden 
Güter,  deren  Empfänger  die  russisch-chinesische  Bank  sei,  für  die  russi- 
schen Behörden  bestimmt  gewesen  seien.  Dies  um  so  mehr,  als  bei  den 
gegenwärtigen  Verhältnissen  Wladiwostoks  anzunehmen  sei,  daß  Güter, 
wie  die  in  Frage  stehenden,  zum  Kriegsgebrauch  für  Armee  und  Marine 
dienen  sollten. 

Aus  diesen  Gründen  sei  die  Berufung  zu  verwerfen. 

582 


Prisengerichtsentscheidungen:  ,Bawtry'.  Abschnitt  VI^^ 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 
1.    Da  der  Bestimmungsort  des  Schiffes  Wladiwostok  ist,    so   ist 
es  klar,  daß  die  unter  der  Ladung  befindlichen  Waffen  und  Materialien 
für   Bau  und  Ausrüstung  von   Kriegsschiffen  Kriegskonterbande    sind. 
Es   ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegshafen  ist. 
Seit   dem  Krieg  mit  Japan  hat  Rußland  es  zum  Stützpunkt  für  seine 
Kriegsflotte  und  Hauptetappenort  gemacht.  Es  hat 'dort  in  ausgedehntem 
Maße    Waffen,   Lebensmittel,    Kohle    und    sonstige   Kriegsbedarfsartikel 
aufgespeichert.     Der    gewöhnliche   Handelsverkehr  nach   dort  hat  fast 
ganz  aufgeliört.    Daher  müssen  auch  die  unter  der  zur  Verhandlung 
stehenden  Ladung  befindlichen  Lebensmittel,  Getränke,  Eisenbajin-  und 
Telephonbaumaterialien    sowie    Pferdegeschirr   als   für    den    russischen 
Kriegsgebrauch   bestimmt  angesehen  werden,   und  es  ist  außer  Zweifel, 
daß  sie  nach  den  Bestimmungen  und  der  Praxis  des  Völkerrechts  Kriegs- 
konterbande sind. 

Es  ist  völkerrechtliches  Prinzip,  daß  Konterbande  schlechthin  ein- 
gezogen werden  kann.  Der  von  dem  Reklamanten  geltend  gemachte 
Verkauf  ist  nur  ausgeführt  worden,  wo  besondere  vertragliche  Ab- 
machungen vorlagen.  Im  übrigen  findet  er  sich  in  Theorie  und  Praxis 
nur  vereinzelt.  Keinenfalls  kann  er  jedoch  als  völkerrechtliche  Regel 
anerkannt  werden. 

Unter  den  zur  Verhandlung  stehenden  Gütern  befinden  sich  freilich 
solche,  die  nicht  zur  Kriegskonterbande  gehören,  da  sie  aber  Ladung 
des  Eigentümers  der  Konterbande  auf  demselben  Schiff  sind,  so  erkennt 
<Ias  Völkerrecht  an,  daß  sie  mit  dieser  zusammen  eingezogen  werden 
können,  und  das  Oberprisengericht  ist  der  Ansicht,  daß  dies  den  Ver- 
hältnissen gerecht  wird. 

Da  aus  den  obigen  Gründen  das  Urteil  erster  Instanz  auf  Ein- 
ziehung der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  durchaus  zutreffend 
ist,  so  erübrigt  es  sich,  auf  die  einzelnen  Berufungspunkte  noch  be- 
sonders einzugehen. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  30.  November  1905  im  Oberprisengericht. 
(Unterschriften.) 


Reklamant:  August  Müller,  deutscher  Reichsangehöriger, 
Prokurist  der  Firma  Diederichsen,  Jebsen  &  Co.  in  Shanghai, 
•China. 

Prozeßvertreter :  Rechtsanwalt  Ishibashi  Tomokichi, 
Nagasakiken,  Nagasaki,  Togiyamachi  Nr.  41. 

583 


Abschnitt  VI30e  Prisengerichtsentscheidungen:  .Bawtry*. 

In  der  Prisensache  betreffend  die  Ladung  an  Bord  des  britischen 
Dampfers  „Bawtry''  wird,  wie  folgt,  entschieden: 

Urteilsformel: 

Die  in  dem  beigefügten  Verzeichnis  aufgeführten,  auf  dem  Dampfer 
„Bawtry''  verschifften  Güter  werden  sämtlich  eingezogen. 

Tatbestand   und  Gründe: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter,  welche  in  Kiautschou  in 
China  auf  dem  Dampfer  „Bawtry''  verladen  waren  und  am  14.  Januar 
1905  den  genannten  Hafen  mit  Bestimmung  nach  Wladiwostok  ver- 
ließen, wurden  am  17.  Januar,  1  Uhr  15  Minuten  nachmittags,  auf  offener 
See  in  34  ^  58  '  nördlicher  Breite  und  130  ^  28  '  östlicher  Länge  zusammen 
mit  dem  genannten  Dampfer,  welcher  unter  dem  Verdacht  stand,  Kriegs- 
konterbande zu  führen,  von  dem  Kaiserlich  Japanischen  Kriegsschiff 
„Tokiwa"   aufgebracht. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Vertreters  des  Kommandanten  der  „Tokiwa'',  Kapitänleutnants  Tori- 
zakiYasuzo,die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns  der  „Bawtry", 
Harry  Ratcliff  Shotton,  und  des  Supercargo  Otto  Meier, 
das  Schiffszertifikat  des  genannten  Schiffes,  dasiDeckjournal,  den  Charter- 
vertrag, die  Konnossemente  und  das  Ladungsverzeichnis. 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  des  Vertreters  der  Rekla- 
mation sind  folgende: 

1.  Die  meisten  Stücke  der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter 
seien  solche,  welche  nur  in  Friedenszeiten  gebraucht  würden  und  seien 
keine  Kriegskonterbande.  Wenn  auch  einige  Güter  vorhanden  seien, 
welche  indirekt  für  Kriegszwecke  verwendbar  seien,  also  sogenannte 
relative  Kriegskonterbande,  so  diene  doch  keins  von  ihnen  direkt  für 
Kriegszwecke  und  keins  sei  demnach  sogenannte  absolute  Kriegskonter- 
bande. Nun  hätten  aber  die  Staaten  des  europäischen  Kontinents  bis 
heute  das  Prinzip  anerkannt,  daß  nur  Güter,  welche  wirkliche  Kriegs- 
gebrauchsartikel darstellten,  als  Kriegskonterbande  gälten,  und  daß  die 
sogenannten  relativen  Kriegskonterbandegüter  nicht  unter  dieselbe  zu 
rechnen  seien.  Dies  Prinzip  sei  zur  Durchführung  gekommen  in  dem 
dänischen  Krieg  von  1866,  dem  deutsch-französischen  Krieg  von  1870 
und  dem  russisch-türkischen  Krieg  von  1877,  und  es  sei  heute  eine 
fest  bestimmte  Regel  des  Völkerrechts,  von  der  nur  das  englische  Prinzip 
abweiche.  Auch  die  Völkerrechtskonferenz  zu  Venedig  im  Jahre  1896 
habe  in  ihrem  Artikel  1  das  Gebiet  der  Kriegskonterbandegüter  strikt 
auf  die  absolute  Kriegskonterbande  beschränkt  und  beschlossen,  daß 
die  relative  Kriegskonterbande  auszuschließen  sei.     Der    Reklamant   sei 

584 


Piisengerichtsentscheidungen:  .Bawtry".  Abschnitt  VI3o» 

der  Ansicht,  daß  diese  Meinung  von  Gelehrten  und  Kongressen  hin- 
reichend gewichtig  sei  und  beachtet  werden  müsse.  In  unserer  Prisen- 
ordnung i)  sei  allerdings  im  §  14  die  relative  Kriegskonterbande  an- 
erkannt, aber  da  die  Verordnung  nur  eine  für  unsere  Marineoffiziere 
erlassene  Instruktion  sei,  so  habe  sie  nicht  die  Kraft  einer  völkerrecht- 
lichen Regel.  Daher  könnten  auch  die  unter  der  zur  Verhandlung 
stehenden  Ladung  befindlichen  relativen  Kriegskonterbandegüter  nicht 
eingezogen  werden. 

2.  Selbst  wenn  man  zugebe,  daß  auch  relative  Kriegskonterbande 
eingezogen  werden  könne,  so  beschränke  sich  das  doch  lediglich  auf 
solche  Fälle,  wo  es  ausreichend  bewiesen  sei,  daß  diese  Güter  für 
den  Gebrauch  von  Heer  oder  Marine  des  Feindes  bestimmt  seien. 
Für  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  sei  aber  auch  nicht  die  ge- 
ringste Spur  eines  solchen  Beweises  vorhanden,  und  lediglich  aus  der 
Tatsache,  daß  Wladiwostok  feindliches  Gebiet  sei,  eine  derartige  Ver- 
mutung abzuleiten  und  auf  Grund  dieser  die  Bestimmung  der  Güter 
für  den  Kriegsgebrauch  als  erwiesen  zu  erachten,   sei  ungerechtfertigt. 

3.  Da  die  Güter  neutral  seien,  so  unterlägen  sie  nicht  der  Weg- 
nahme. Selbst  aber  angenommen,  sie  seien  feindliche  Güter,  so  müßten 
sie  nach  Artikel  3  der  Pariser  Deklaration,  weil  sie  nicht  Konterbande 
seien,  freigelassen  werden. 

Aus  diesen  Gründen  werde  eine  Entscheidung  auf  Freilassung 
der  Güter  beantragt. 

Die   Hauptpunkte   der  Ansicht   des   Staatsanwalts  sind   folgende: 

Die  unter  der  zur  Verhandlung  stehenden  Ladung  befindlichen 
Lebensmittel,  Getränke,  Eisenbahnbaumaterialien,  Schiffsbau-  und  Aus- 
rüstungsgegenstände seien,  weil  sie  nach  Wladiwostok,  dem  Hauptstütz- 
punkt der  feindlichen  Streitmacht,  verschifft  seien,  und  es  nach  Aus- 
sage des  Kapitäns  außer  Zweifel  stehe,  daß  der  Empfänger  der  Ladung 
die  russisch-chinesische  Bank  sei,  für  den  Kriegsgebrauch  des  Feindes 
bestimmt  und  folglich  Kriegskonterbande.  Daher  seien  sie  einzuziehen. 
Was  ferner  die  unter  der  Ladung  befindlichen  Güter  angehe,  die  nicht 
Kriegskonterbande  seien,  so  müßten  sie,  weil  der  Eigentümer  der  Kriegs- 
konterbandegüter gehörig,   mit  diesen   zusammen   eingezogen   werden. 

Das  Gericht  ist  folgender   Ansicht: 

In  den  von  der  Kaiserlichen  Regierung  erlassenen  und  veröffent- 
lichten Verordnungen  des  Marineministeriums  Nr.  1  vom  Jahre  1904  2) 
und  Nr.  1  vom  Jahre  1905  3)  ist  ganz  klar  bezeichnet,  welche  Güter 
während  des  japanisch-russischen  Krieges  als  Kriegskonterbandc  be- 
handelt werden  sollen.  Der  Prozeßvertreter  behauptet  unter  Anführung 
einiger  kontinentaler  europäischer  Präcedenzen  und  Meinungen  von 
Gelehrten,   daß   der   Begriff  der   Kriegskonterbande   sich    lediglich   auf 

\)  V.   —  2)  II.  —  3)  III. 

585 


Abschnitt  VI30e  Prisengerichtsentscheidungen:  »Bawtry*. 

direkt  zum  Kriegsgebrauch  bestimmte  Güter  beschränke.  Es  ist  aber 
nach  englischen  und  amerikanischen  Beispielen  sowie  wissenschaftlichen 
Ansichten  des  europäischen  Kontinents  ebenso  klar,  daß  diese  die 
Eigenschaft  von  Gütern  als  Kriegskonterbande  nicht  unbedingt  danach 
begrenzen,  ob  sie  direkt  zum  Kriegsgebrauch  dienen  oder  nicht.  Da 
der  Standpunkt  darin,  welche  Güter  unter  die  Kriegskonterbande  fallen, 
dergestalt  in  den  verschiedenen  Staaten  variiert,  so  kann  der  Behauptung 
des  Prozeßvertreters  nicht  beigepfHchtet  werden. 

Was  die  in  dem  beigefügten  Verzeichnis  aufgeführten  Güter  an- 
geht, so  sind  dieselben  von  dem  Verschiffer,  nämlich  den  Reklamanten, 
an  „Order''  nach  Wladiwostok  verschifft  worden. 
Unter  diesen  Gütern  sind : 

No.  46,  47,  52,  64,  92,  93,   130,   171,   177,   178,   262,   274,  275, 

287,    288,   292,    293,   318,  321    bis   323,    326,    345,    347,    349, 

356,  362,  363,  368,  375,  394,  398,  405,   415,  499,  512,  534  bis 

536,  546 
Schiffbau-  und   Ausrüstungsmaterialien,*) 

264 
Waffen,  *) 

35,  40,  114,  115,  131,  258,  425,  426,  428,  429,  511 
Lebensmittel   und  Getränke,  0) 

309,  338,  412 
Pferdegeschirr.  ^) 

Da  der  Bestimmungshafen  dieser  Güter  Wladiwostok,  der  einzige 
Kriegshafen  Rußlands  im  fernen  Osten  ist,  und  da  nach  Aussage  des 
Kapitäns  der  Empfänger  wahrscheinlich  die  russisch-chinesische  Bank  ist, 
es  demnach  klar  ist,  daß  dieselben  für  den  Kriegsgebrauch  des  Feindes 
bestimmt  gewesen  sind,  so  müssen  dieselben  als  Kriegskonterbande  an- 
gesehen werden. 

Was  die  übrigen  Güter  angeht,  so  sind  sie  zwar  keine  Kriegskonter- 
bande, sie  gehören  aber  alle  dem  Eigentümer  der  oben  angeführten 
Kriegskonterbande.  Daher  sind  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter, 
weil  sie  Kriegskonterbande  sind,  beziehungsweise  demselben  Eigentümer 
gehören,  einzuziehen.  ^) 

Die  übrigen  Ausführungen  des  Vertreters  der  Reklamation  bedürfen 
keiner  Erörterung. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  10.  Juli  1905  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Bei- 
sein des  Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurokuro. 

(Unterschriften.) 


*)  II.  Ziffer  1.  —  *)  II.  Ziffer  2.  —  «)  V.  §  43. 


586 


Prisengerichtsentscheidungen :  „Bawtry " . 
Verzeichnis  der  auf  dem  Dampft: 


Abschnitt  VI  »• 
ifflen  0  (er. 


Nr.  der 

Bekannt- 
maohunff 


25 


26 
27 
28 
29 
30 
31 
32 
33 
34 
35 
36 
37 
38 
39 
40 
41 
42 
43 
44 
45 
46 
47 
48 
49 
50 
51 
52 
56 
57 
63 
64 
65 
66 
67 
68 
69 
70 
71 
72 
73 
74 
75 
76 
77 


Art  der  Gjter 


Kleidung 


Holzgeräte . 
Hüte.    .    . 


Tuch 


Emaille\/aren 
Gewe::.    . 
Wasserdichtes 
Webstoff    . 
Schreibfedern 
Webstoff    . 
Saucen  .    . 
Baurowolltuch 
Emaillewaren 
Webstoff    . 
Kognak .    . 
Benediktiner 
Hanftuch    . 
Emaillewaren 
Seidentuch . 
Wasserdichte  Stoffe 
Papier    . 
Schrauben 


Soda .  .  . 
Salzsäure  . 
Salpetersäure 
Hanf.  .  . 
Holzschrauben 
Eisenstangen 
Fensterglas 
Dachrinnen 
Eisenschrauben 
Spaten  .  . 
Wagen  .  . 
Fahrradteile 
Emaillewaren 
Metallwaren 
Bögeleisen . 
Möbel  .  . 
Spaten  .  . 
Gummi  und  Pinsel 
Maschinen  . 
Films  .  . 
Lichtempfdl.  Papier 
Maschinen  .    .    . 


der  ^.K'Lti " 


Kisie 


2 

1 

1 
6 
1 
i 
1 
1 
1 
4 
1 
7 
1 

96 

49 
1 

27 
1 
1 

20 
3 
3 
1 
5 
1 
8 
4 
474 
207 
1 
3 
2 
7 
3 

10 
3 
1 
3 
2 
2 

12 
3 
1 
5 


Kib.^-: 

t.  .toi  ^ 

II 

Kisten 
Kiste 


Faß 

Kiste 

Kisten 

Kiste 

Kisten 

Kiste 

Kisten 

Kiste 

Ballen 
Kisten 

Kiste 

Kisten 

Kiste 

Ballen 

Kisten 

Stück 

Kisten 

Kiste 

Kisten 


Kiste 
Kisten 


Kiste 
Kisten 


^.^ 

A  j   '.ndcr 

Emp- 
fänger 

V  ..cerichsen, 
,  ,.  sen  &  Co. 
:i  Kiautschou 

Order 

w 

n 

ft 

n 

n 

n 

n 

» 

n 

n 

fi 

1» 

n 

m 

m 

m 

f» 

» 

}i 

w 

n 

N 

» 

n 

n 

1» 

» 

f» 

n 

n 

II 

II 

f» 

11 

II 

1« 

n 

II 

n 

II 

1» 

» 

n 

m 

587 


Abschnitt  VI30o 


Prisengerichtsentscheidungen :  .Bawtry*» 


Nr.  der 
Bekannt- 
machung 

Art  der  Güter 

Zahl 
der  Stücke 

Absender 

Emp- 
fänger 

78 

Maschinen      .... 

16  Kfsten 

Diederichsen, 
Jebsen  &  Co. 
in  Kiautschou 

Order 

79 

n                

16      . 

80 

Klosetts 

2      , 

81 

Chlorkalk 

1  Kiste 

82 

Eisenrinnen     .... 

2  Kisten 

83 

Baumwolltuch      .    .    . 

2      . 

84 

Delfter  Porzellan     .    . 

2      , 

85 

Sonnenschirme    .    .     . 

3      „ 

86 

Baumwollzeug     .    .    . 

2      . 

87 

Schmirgelleinen  .    .    . 

2      . 

88 

Glas 

1  Kiste 

89 

Wollgewebe    .... 

1      , 

90 

n                      .... 

1         n 

91 

Gewebe 

1    , 

92 

Eisenschrauben    .    .    . 

3  Kisten 

93 

n                          ... 

6      . 

94 

Baumwollzeug     .    .    . 

1  Kiste 

114 

Eingemacht.  Rindfleisch 

486  Kisten 

115 

Champagner  .... 

497      , 

116 

Tafelmesser     .... 

1  Kiste 

117 

Bügeleisen 

2  Kisten 

118 

Bürsten 

1  Kiste 

119 

Nähmaschinen     .    .    . 

7  Kisten 

120 

Kolfosmatten  .... 

1  Ballen 

121 

Öfen  und  Zubehör .    . 

2  Kisten 

130 

Drahtstifte 

353      „ 

131 

Salz 

777  Sack 

132 

Kleidungsartikel  .    .    . 

1  Kiste 

133 

Zigarren 

1      . 

141 

Fleischhackmaschinen  . 

2  Kisten 

142 

Bestandteile  von  Kinder- 
wagen      

3      , 

143 

Nähmaschinen     .    .    . 

45      , 

144 

Sprungfedern  .... 

14  Ballen 

145 

Sägen     

1  Kiste 

146 

Fleischhackmaschinen  . 

6  Kisten 

147 

Hufeisennägel      .    .    . 

24      . 

148 

Bügeleisen 

2      . 

149 

Kinderwagen  .... 

6      . 

150 

Metallgeschirr.    .    .    . 

3      , 

151 

Messerwaren   .... 

1  Kiste 

152 

Messingteile    .... 

1      , 

153 

Nähmaschinen     .    .    . 

9  Kisten 

154 

Schaufeln 

23      , 

155 

Nähmaschinen     .    .    . 

30      , 

156 

Bratpfannen    .... 

1  Kiste 

588 


Prisengerichtsentscheidungen :  ,Bawtry " . 


Abschnitt  VI»« 


Nr.  der 
Bekanni- 
xnaohQng' 


Art  der  Güter 


Zahl 
der  Stücke 


Absender 


Emp- 
fänger 


157 


158 
159 
160 
161 
162 
163 
164 
165 
166 
167 
168 
169 
170 
171 
172 
173 
174 
175 
176 
177 
178 
179 
180 
181 
182 
183 
184 
185 
186 
187 
188 
189 
190 
191 
192 
193 
194 
195 
196 
197 
198 
199 
200 

201 


Metallwaren 


Schaufeln 

Nähnadeln 

Schaufeln 

Nähmaschinen     .    .    . 

Mafistabe 

Schaufeln 

Eisenwaren     .    .    .    . 

Kinderwagen  .    .    .    . 

Sägen    

Kurzwaren 

Bandmaße  .    .    .    .    . 

Eisendraht 

Petroleumkocher .    .    . 

Eisenwaren 

ji        ,    .    .    .    . 

y,  ■  ■  .  .  • 

Hufeisen 

Eisennägel 

Schrauben 

Kinderwagen  .    .    .    . 

Sandpapier 

Schmirgelleinen  .  .  . 
Schraubstöcke  .  .  . 
Eisenwaren     .    .    .    . 

Sägen    

Eisenwaren      .    .    .    . 

Ambosse 

Hammer 

Eisenwaren     .    .    .    . 

Feilen 

Eisenwaren  .  .  .  . 
Hufeisennägel  .  .  . 
Fleischhackmaschinen  . 

Wagen 

Sägen 

Bandmaße 

Maßstäbe 

Fleischhackmaschinen  . 
Sprungfedern  .    .    .    . 
Bandmaße  und  Wasser- 
wagen      


1  Kiste 


1 

34 
100 

18 

20 
1 

78 
1 
1 
2 
4 
1 
1 
5 
.4 
1 
1 
1 
1 
1 
1 
1 
2 
1 

35 
1 
5 
2 

20 
5 
4 
2 
1 

12 
5 
9 
5 
6 
1 
1 
2 
3 


Bund 

Kisten 

Bund 

Kisten 

Kiste 

Kisten 

Kiste 

Kisten 

Kiste 

Kisten 

Kiste 


Faß 
Kiste 

Kisten 

Ballen 

Stück 

Kiste 

Kisten 

Stück 
Kisten 

Faß 

Kiste 

Kisten 


Kiste 
Kisten 


Diederichsen, 
Jebsen  &  Co. 
in  Kiautschou 


Order 


1  Kiste 
1      . 


589 


Abschnitt  VI300 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Bawtry' 


Nr.  der 

Bekannt- 

xnaohung 

Art  der  Güter 

Zahl 
der  Stücke 

Absender 

Emp- 
fänger 

202 

Äxte 

20  Kisten 

Diederichsen, 
Jebsen  &  Co. 
in  Kiautscliou 

Order 

203 

Bügeleisen 

8      „ 

204 

Emaillewaren  .    .    . 

1  Kiste 

1» 

205 

Säeen    

1      , 

206 

wru^wa*            •            •            •            •            ■ 

Nähmaschinen     .    . 

50  Kisten 

n 

207 

n                         ■ 

46      , 

n 

. 

208 

Näeel 

1  Kiste 

209 

*  ^**ö        •    •    •    •    • 
Kopierpressen     .    , 

1      . 

n 

210 

Öfen  und  Kacheln  . 

2  Kisten 

n 

n- 

211 

Äxte 

100      . 

2      , 

10      . 

n 
m 
n 

212 

Sensen  

n 

213 

Emaillewaren  .    . 

214 

Kaufmannsgüter  .    . 

1  Kiste 

» 

ft- 

258 

Stärke 

3  Kisten 
159      . 

n 

259 

Tonplatten  .... 

» 

260 

Emaillegeschirr    . 

10      . 

261 

n 

18      . 

1» 

»• 

262 

Verz.  eiserne  Nägel 

16      . 

1» 

n 

263 

Eisenwaren      .    . 

3      . 

n 

!»• 

264 

Ladeapparate  .    . 

1  Kiste 

m 

»■ 

265 

Eisenwaren     .    . 

1      . 

n 

» 

266 

Papierwäsche  .    . 

1      , 

n 

n 

267 

1» 

1      . 

n 

n 

268 

Metallwaren    ..   . 

1      . 

n 

n 

269 

n                   ... 

1  Kollo 

n 

n- 

270 

Baumwollwaren  .    . 

1  Kiste 

n 

n- 

271 

Schuhe  .... 

8  Kisten 
1  Kiste 

n 

272 

Stahlfedern      .    .    . 

1»" 

273 

Wollwirkwaren     . 

1      , 

n 

1» 

274 

Verz.  Nägel    .    . 

20  Kisten 

n 

y» 

275 

Unterlegescheiben 

13  Faß 

n 

1» 

276 

Eisenwaren      .    . 

2  Kisten 

n 

1» 

277 

Schleifsteine    .    . 

1  Kiste 

n 

n 

278 

Schleifsteingestelle 

5  Kisten 

n 

yi 

279 

Schleifsteine    .    . 

1  Kiste 

n 

n 

280 

Schleifsteingestelle 

1      , 

•  n 

1» 

281 

Eisenwaren      .    . 

7  Kisten 

n 

n 

282 

Wollwirkwaren 

1  Kiste 

1» 

n 

283 

Herrenstiefel   .    . 

1      . 

n 

n 

284 

Fensterglas      .    . 

548  Kisten 

n 

n 

285 

Glasscheiben  .    . 

7      . 

n 

n 

286 

Schleifsteine    .    . 

450  Stück 

n 

n 

287 

Verz.  eis.  Nägel. 

25  Faß 

» 

» 

288 

Unterlegescheiben 

13     , 

}i 

1» 

289 

Tischmesser  u.  Gabeln 

1  Kiste 

m 

n 

290 

Eiserne  Türangeln 

4  Kisten 

n 

ji- 

590 


Prisengerichtsentscheidungen :  ,  Bawtry ' . 


Abschnitt  VI30o 


Nr.  der 
Bekannt- 
maohancf 

Art  der  Güter 

Zahl 
der  Stücke 

Absender 

Emp- 
pfänger 

291 

Landwirtschaftliche  Ma- 

Diederichsen, 

Order 

schinen  

9  Verschl.  u. 
3  Stück 

Jebsen  &  Co. 
in  Kiautschou 

292 

Verz.  eis.  Nägel.    .    . 

25  Faß 

11 

293 

Verzinkte  eis.Unterlege- 

scheiben .    . '  .    .    . 

8  Kisten 

19 

294 

Verz.  eis.  Dachleisten  . 

10  Verschl. 

11 

295 

Verz.  eis.  Dachrinnen   . 

3 

11 

296 

Sensenringe    .... 

2  Sack 

»» 

297 

Holzschuhleisten .    .    . 

2  Kisten 

11 

298 

Drahtfußmatten    .    .    . 

1  Kiste 

11 

299 

Emaillegeschirr   .    .    . 

11  Kisten 

11 

300 

Petroleumkocher .    .    . 

2      „ 

11 

301 

Papier 

3      „ 

11 

302 

Eis.  Türangeln    .    .    . 

2      „ 

11 

303 

Verz.  Waschbecken.    . 

7  Faß 

11 

304 

Klosettanlagen     .    .    . 

13     „     . 

11 

305 

Maschinenteile     .    .    . 

•       1     „ 

11 

306 

Petroleumöfen     .    .    , 

3  Verschl. 

19 

307 

Tonfliesen 

27  Kisten 

11 

308 

Nachüichte 

1  Kiste 

11 

iy 

309 

Sporen,  Steigbügel,  Ge- 

bisse und  Ketten.    . 

1      » 

11 

310 

Baumwollwaren   .    .    . 

1      ,, 

11 

311 

Emaillegeschirr    .    .    . 

50  Kisten 

11 

312 

Schuhe  und  Reklame- 

tafeln   

3      „ 

19 

313 

Gußeiserne  Oberbalken- 
türen, Chamottesteine 

und  Reinigungstflren 

40      „ 

11 

ir 

314 

Eiserne  Tafelrpsten  .    . 

12      „ 

11 

315 

Pflüge  u.Reservescharen 

18      „ 

11 

11- 

316 

Emaillegeschirr    .    .    . 

5      „ 

11 

317 

Eis.  Mutterscb  rauben   . 

8      „ 

11 

ir 

318 

Eiserne  Nieten    .    .    . 

3  Faß 

11 

ir 

319 

Lackiertes    eis.   Draht- 

gewebe   

1  Kiste 

11 

ir 

320 

Verz.  eis.  Drahtgewebe 

10  Rollen 

11 

321 

Bandeisen 

1595  Bund 

11 

322 

Winkeleisen    .... 

196      „ 

11 

323 

f,                        .... 

1408      , 

11 

324 

Stabeisen 

3350      , 

11 

325 

fi          ..... 

22819  Stück 

11 

326 

Eisenwaren     .... 

1  Faß 

11 

327 

Siebe 

1  Kiste 

11 

328 

Waschtische,  Geschirre 

und  Eimer  .... 

2  Kisten 

11 

329 

Eisen-  u.  Messingwaren, 
Streichriemen  usw.  . 

1  Kiste 

11 

591 


Abschnitt  VI»« 


Prisengerichtsentscheidungen :  .Bawtry ' 


Nr.  der 
Bekannt- 
maohuDg 

Art  der  Güter 

Zahl 
der  Stücke 

Absender 

Emp- 
fänger 

330 

Metallwaren,  Abzieh- 
steine     und      Haar- 

Diederichsen, 
Jebsen  &  Co. 

schneidemaschinen    . 

1  Kiste 

in  Kiautschou 

Order 

331 

Handwerksgeräte,  verz. 
Eisenwaren  .... 

1      « 

>i 

332 

Salmiak '. 

1  Faß 

1» 

333 

Salzsäure 

1  Kiste 

>> 

334 

Kupfervitriol     in    Kry- 
stallen 

1      . 

>» 

335 

Sclileifsteine    .... 

29  Stück 

>» 

336   . 

Pflüge 

3  Kisten 

>» 

337 

Bohrmaschinen    .    .    . 

2           n 

it 

338 

Sporen,  Steigbügel, 
Trensen,  Gebisse  und 
Ketten 

1  Kiste 

>» 

339 

Stählerne  Steinkeile      . 

1      . 

» 

340 

Eiserne  Heugabeln  .    . 

1  Faß 

9} 

341 

Gußeiserne  Hähne  .    . 

1  Kiste 

» 

342 

Wetzsteine 

1      . 

» 

343 

Eiserne  Schrauben  .    . 

2  Kisten 

99 

344 

Trockene  Farbe  .    .    . 

4  Faß 

» 

345 

Eisendraht 

16  Bund 

n 

346 

Verzinkte  eis.  Träger  . 

1  Verschl. 

)9 

347 

Schrauben 

2  Kisten 

99 

348 

Draht 

7  Trossen 

99 

349 

Segeltuch 

5  Ballen 

» 

350 

Eisenwaren      .... 

1  Kiste 

J» 

351 

Hammer 

1          n 

» 

352 

Mützen  und  Muster     . 

1      . 

>l 

353 

Gußeiserne  Pumpen  u. 
Zubehör 

5  Kisten 

>) 

354 

Pumpenstangen     nebst 
Kolben 

1  Kiste 

» 

355 

Eiserne  Scharniere  .    . 

1      . 

»> 

356 

Verz.  Stacheldrahtseil  . 

8  Bund 

» 

357 

Naphthalin 

15  Faß 

M 

358 

Bindfaden 

1  Kiste 

>» 

359 

Eis.  Schraubenschlüssel 

1      „ 

)} 

360 

Schleifsteine    und    Ge- 
stelle   

1      » 

)f 

361 

Stählerne  Spaten      .    . 

5  Faß 

»» 

362 

Flaschenzugblöcke  .     . 

1     » 

»> 

363 

Metallene  Armaturen    . 

1  Kiste 

99 

364 

Hobel  mit  Eisen .    .    . 

1      „ 

91 

365 

Eisenwaren      .... 

3  Kisten 

}} 

366 

Handwerksgerät  .    .    . 

3      „ 

»» 

367 

Eiserne  Rechen   .    .    . 

1  Kiste 

» 

368 

Weißblech 

1      ,, 

>> 

369 

Glaswaren,  Laternen    . 

1  Faß 

» 

592 


Prisengerichtsentscheidungen :  „Bawtry". 


Abschnitt  VI»« 


Nr.  der 
Bekannt- 
machung' 


Art  der  Güter 


Zahl 
der  Stücke 


Absender 


Emp- 
pfänger 


370 


371 
372 
373 
374 
375 
376 
377 
378 
379 
380 
381 
382 
383 
384 

385 
386 

387 
388 
389 
390 
391 
392 
393 
394 
395 

396 
397 
398 
399 
400 

401 
402 
403 
404 
405 

406 
407 
408 
409 
410 


Eiserne  Schrauben  . 


Eiserne  Farbenmühlen 

Äxte  .... 

Stiele  für  Beile 

Petroleumkocher 

Flachsschläuche 

Gummischeiben 

Glaspapier  .    . 

Eisendraht  .    « 

Eis.  Garderobenleisten 

Eisen-  und  Metallwaren 

Eisen-  u.  Messingwaren 

Sägen     

Parfümerien    .    .    .    . 

Parfümerien,  Puder  und 
Kataloge      .    .    .    . 

Creme,   Puder  u.  Seife 

Blech,  Draht  und  Zink- 
waren       

Gummi  arabicum     .    . 

Dextrin 

Faßhähne   


Schlösser    .    .    .    .    - 

Plätteisen 

Bettstellen 

Tapeten 

Eisendraht 

Eiserne  Ketten    .    .    . 

Ambosse 

Nieten 

Asbest-  u.  Gummiwaren 

Wäsche 

Apparate  aus  Holz  und 

Gußeisen  .  .  .  . 
Lampengestelle  .  .  . 
Waschgamituren .  .  . 
Klosetts  u.  Wassereimer 
Waschtische  u.Geschirre 
Waschbecken,    Spiegel 

und  Kasten 
Stahlfedern  . 
Öfen  .... 
Weiße  Karten. 
Stahldraht  .  . 
Messingdraht . 


1  Kiste 


1  „ 
28  Kisten 

2  „ 

1  Kiste 
1      „ 

1  „ 

2  Kisten 
7  Bund 

1  Kiste 
1      „ 

1  „ 

2  Kisten 
1  Kiste 

1      „ 
1      „ 

6  Kisten 

7  Faß 

1     „ 

1  Kiste 

3  Kisten 

2  „ 

1  Kiste 
22  Kisten 
66  Bund 

1  Faß  und 

3  Stücke 

5  Stück 

8  Faß 

6  Kisten 
1  Kiste 

1  „ 

2  Kisten 
1  Kiste 

1  „ 

2  Kisten 

1  Kiste 

1      „ 

6  Verschlag 

1  Kiste 

37  Bund 


Diederichsen, 
Jebsen  &  Co. 
in  Kiautschon 


Order 


ifarstrand-Mechlenbursr,  Das  Japanische  Prisenrecht.    Band  I.    (38) 


593 


Abschnitt  VI3«« 


Prisengerichtsentscheidungen :  „Bawtry". 


Nr.  der 
Bekannt- 
machungr 

Art  der  Güter 

Zahl 
der  Stücke 

Absender 

Emp- 
pfänger 

411 

Papier 

1  Kiste 

Diederichsen, 
Jebsen  &  Co. 
in  Kiautschou 

Order 

412 

Sporen,  Steigbügel, 
Trensen,    Gebisse  u. 

Ketten 

1      . 

n 

i> 

413 

Schreibpapier .... 

1          n 

n 

»> 

414 

n                  .... 

2  Kisten 

1» 

ft 

415 

Eisenwaren      .... 

1  Kiste 

yt 

*> 

416 

Laternen     .    .    .    .    . 

4  Kisten 

n 

»» 

417 

Badewannen  u.  Bürsten- 

waren  

1  Kiste 

f» 

» 

418 

Eisenwaren     .... 

5  Kisten 

11 

» 

419 

»                         .... 

1  Faß 

it 

y> 

420 

Lampenwaren .... 

2  Kisten 

n 

» 

421 

Hohlglas 

1  Kiste 

» 

if 

422 

Emaillegeschirr  a.  Eisen 

11  Kisten 

» 

i> 

423 

Petroleumöfen     .    .    . 

3  Verschlag 

rt 

ii 

424 

Wollwirkwaren     .    .    . 

1  Kiste 

n 

n 

425 

Stärke 

5  Kisten 

n 

>» 

426 

Dosenhummer     .    .    . 

8      „ 

n 

» 

427 

Kokosöl 

10  Faß 

» 

i> 

428 

Sardinen 

38  Kisten 

n 

" 

429 

Cognac 

98  Kisten 

n 

91 

430 

Woll-  und  BaumwoU- 

wirkwaren    .... 

1  Kiste 

» 

n 

431 

Zinkwaren 

*■      >i 

n 

it 

432 

if          .'.... 

^      >> 

n 

yy 

433 

Schwarzblech  u.  Zink- 

waren  

*■      » 

n 

»> 

434 

Schwarzblechwaren  .    . 

*■      » 

yy 

»y 

435 

Schwarzblech,  Zink- 
waren und  Weißblech- 

laternen   

A         n 

ly 

>»• 

436 

Eisenwaren      .... 

*         >> 

ft 

>»• 

437 

Weißblechlaternen 
Messing-  und  Eisen- 

waren  

^         i> 

»> 

>► 

438 

Weißblechwaren  .    .    . 

*         >> 

ir 

» 

439 

Weißblechlaternen  und 

Glaswaren   .... 

*■         i> 

»> 

yy 

440 

Steingut,      Weißblech- 
laternen, Spiegelglas 

und  Eisenblechwaren 

*■         » 

» 

yy 

441 

Handwerksgeräte     .    . 

^         i> 

n 

>» 

442 

Kristall-Glaswärmer .    . 

2  Faß 

}) 

)^ 

443 

Parftimerien    .... 

1  Kiste 

ii 

}} 

444 

Lampenteile    .... 

8  Kisten 

1* 

>» 

445 

Emaillegeschirr  a.  Eisen 

10      „ 

t* 

yy 

594 


Prisengerichtsentscheidungen :  „Bawtry'*. 


Abschnitt  VI»« 


Nr.  der 
Beka-*t- 

mAcnttug 

Art  der  Güter 

Zahl 
der  Stücke 

Absender 

Emp- 
pfänger 

446 

Zahnwasser  und  Puder 

1  Kiste 

Diederichsen, 
Jebsen  &  Co. 
in  Kiautschou 

Order 

447 

Lederwaren     .... 

1      „ 

i> 

99 

448 

Baumwollwaren  .    .    . 

1      .. 

ff 

)) 

449 

Feuerspritzen  .... 

1      „ 

ff 

1) 

450 

Emaillegeschirra.  Eisen- 

blech   

8  Kisten 

ff 

>» 

451 

Wollwirkwaren     .    .    . 

1  Kiste 

ff 

)) 

452 

Kochgeschirr  .... 

1      „ 

ff 

y> 

453 

Eis.  Schnallen     .    .    . 

1      „ 

ff 

)) 

454 

Holzleisten 

1      „ 

ff 

)) 

455 

Kakaopulver    und    Re- 

klameartikel    .    .    . 

3  Kisten 

ff 

)y 

456 

Schrauben 

2      „ 

ff 

jy 

457 

Gufieiseme  Oberbalken- 
tflren  und  Reinigungs- 
türen   

22      „ 

458 

Gußeis.  Roststäbe   .    . 

12      „ 

459 

„       Tafelroste   .    . 

5      „ 

460 

Stahlwaren 

1  Kiste 

461 

Eisenwaren. 

1      „ 

462 

>» 

1      „ 

463 

Wagen  .    . 

1      ,. 

» 

464 

Eisenwaren 

9  Kisten 

^^ 

465 

Eismaschinen 

2      „ 

466 

Eisenwaren 

1  Kiste 

467 

}> 

1  Faß 

468 

Schleifsteine 

3  Kisten 

469 

» 

1  Kiste 

• 

470 

Teppichfeger 

1      „ 

471 

Schleifsteine 

1      „ 

472 

Eisenwaren 

1      „ 

473 

if 

1  Faß 

474 

» 

2  Kisten 

475 

Wagen  .    . 

4      „ 

476 

>» 

2      „ 

477 

Verkupf.  Möbelfedern  . 

3  Kolli 

478 

Telephonapparate    .    . 

.  2  Kisten 

479 

Pumpen 

1  Kiste 

480 

Eisenwaren 

1      »     . 

481 

» 

6  Kisten 

482 

Wringmaschinen 

1  Kiste 

483 

Eisenwaren     .    . 

1  Faß 

484 

Petroleumöfen 

3  Verschlag 

485 

Eisenwaren 

24  Kisten 

486 

» 

2      „ 

487 

» 

2  Faß 

(38*) 


595 


Abschnitt  VI»« 


Prisengerichtsentscheidungen :  „Bawtry'' . 


Nr.  der 
Bekannt- 
machuDgr 

Art  der  Güter 

Zahl 
der  Stücke 

Absender 

Emp- 
pfänger 

488 

Parfümerien    .... 

1  Kiste 

Dicderichsen, 
Jebsen  &  Co. 
in  Kiautschou 

Order 

489 

Papierwäsche  mit  Stoff- 

Überzug  und  Plakate 

2  Kisten 

»» 

>» 

490 

Baumwoli-  und  Leinen- 

waren  

1  Kiste 

>i 

)) 

491 

Schuhe  

1      „ 

ff 

>» 

492 

Anilinfarben    .... 

2  Kisten 

)> 

» 

493 

Zinkblech 

5  Faß 

ti 

»> 

494 

Kalk 

1  Kiste 

» 

n 

495 

Stahlfedern,  Metall- 

spiegel U.Drucksachen 

1      ,, 

)) 

u 

496 

Drahtgeflecht  .... 

2  Rollen 

>» 

>» 

497 

Dezimalwagen 

. 

2  Kisten 

»» 

» 

498 

Schreibpapier  . 

. 

3      „ 

>» 

» 

499 

Eis.  Schrauben 

, 

1  Kiste 

» 

)f 

500 

Kurzwaren  .    . 

, 

1  Faß 

» 

M 

501 

II        •    • 

1  Kiste 

n 

>» 

502 

Stahl.     .     .     . 

11  Kisten 
1  Kiste 

9t 

503 

Tischgeschirr  .    . 

, 

« 

504 

Buchbinderpapier 

. 

8  Ballen 

» 

» 

505 

Puder  und  Schminke  . 

1  Kiste 

)) 

„ 

506 

Zeichenpapier.     .     .     . 

1      „ 

n 

W 

507 

Blei-  u.  Farbstifte,  färb. 
Kreide,   Drucksachen 

und  Plakate     .     .     . 

1      „ 

>9 

II 

508 

Ölpapier 

1      ,, 

}> 

1» 

509 

Ultramarinblau     .    .     . 

10  Kisten 

jf 

II 

510 

Zeugstoffe 

1  Kiste 

9f 

99 

511 

Stärke 

3  Kisten 

» 

512 

Geteerte  Hanftaue   .    . 

11  Rollen 

}) 

It 

513 

Drahtgewebe  .... 

1  Kiste 

H 

II 

514 

Kinderwagen  .... 

1      „ 

9} 

II 

515 

Papierbeutel    .... 

1      „ 

9> 

II 

516 

Eis.  Geldschränke    .     . 

1      » 

}y 

II 

517 

Emaillegeschirr  aus 

Eisenblech  .... 

10  Kisten 

>) 

1» 

518 

Schreibpapier .... 

86  Ballen 

» 

II 

519 

Kochgeschirr  aus  Alumi- 

nium   

1  Kiste 

91 

II 

520 

Schreibutensilien .     .     . 

1      „ 

99 

II 

521 

Tischlerwaren,     Papier, 

Filze,  Farben  ;    .    . 

1      „ 

t1 

II 

522 

Mathem.  Instrumente, 

Winkel  u.  Reißschien. 

1      ,, 

}) 

II 

523 

Gummiplatten.     .    .     . 

1      „  • 

99 

II 

524 

Spiral-Schläuche .    .    . 

1      „ 

91 

1» 

525 

Lampenwaren .    , 

. 

8  Kisten 

» 

II 

596 


Prisengerichtsentscheidungen :  „B^wtry". 


Abschnitt  VI»« 


Nr.  der 
Bekannt- 
machung 

Art  der  Güter 

Zahl 
der  Stücke 

Absender 

Emp- 
pfänger 

526 

Hohlglas     .... 

4  Kisten 

Diederichsen, 
Jebsen  &  Co. 
in  Kiautschou 

Order 

527 

Tafelwagen     .    .    . 

2      „ 

j> 

)> 

528 

Schreib-   und  Zeichen- 

material .... 

1  Kiste 

)) 

» 

529 

Fayence     .... 

'■           »> 

M 

» 

530 

Wollentuch     .    .    . 

*■           » 

11 

19 

531 

Eisenwaren.    .    .    . 

■1           »» 

11 

19 

532 

i>        .... 

A           „ 

11 

91 

533 

Glaswaren  .... 

4  Kisten 

1t 

19 

534 

Unterlegescheiben   . 

4  Faß 

11 

9> 

535 

Nagel 

2    „ 

11 

>> 

536 

Schrauben  .... 

2    „ 

11 

y* 

537 

Eis.  Bettstellen    .    . 

12  Verschlag 

11 

9> 

538 

Eis.  Waschständer  und 

Bettstellen  .    .    . 

1        „ 

11 

>> 

539 

Holzmöbel .... 

28  Kisten 

11 

1> 

540 

Krist.  Zitronensäure 

1  Faß 

19 

11 

541 

Wollwirkwaren     .    . 

1  Kiste 

11 

19 

542 

Eisenwaren     .    .    . 

^           >> 

19 

1> 

543 

Drahtwaren      .    .    . 

^          » 

11 

91 

544 

Pumpen     .... 

^           >> 

11 

19 

545 

Messingwaren,     Werk- 

zeug- und  Bettsteller 

*■            99 

11 

» 

546 

Messingblech .    .    . 

•                    ^            >» 

» 

9> 

547 

Zinnplatten     .    .    . 

2  Kisten 

» 

» 

548 

Schrauben  .... 

3      „ 

}) 

»> 

549 

Packpapier.    .    .    . 

10  Verschlag 

n 

19 

Reklamant:  Der  deutsche  Staatsangehörige  August  Müller, 
Prokurist  der  Firma  Diederichsen,  Jebsen  &  Co.  in  Shanghai, 
China. 

Prozeßvertreter: Rechtsanwalt  Ishibashi  Tomokichi,  Na- 
gasaki, Togiyamachi  Nr.  41. 

Am  10.  Juli  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der  Prisensache, 
betreffend  Ladung  des  englischen  Dampfers  „Bawtry",  welcher  am 
17.  Januar  1905  auf  34  o  58'  nördlicher  Breite  und  130«  28'  östlicher 
Länge  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Tokiwa"  aufgebracht  worden 
ist,  ein  Urteil  gefällt,  in  welchem  auf  Einziehung  der  in  dem  dem 
Urteil  beigefügten  Verzeichnis  aufgeführten  Ladung  des  englischen 
Dampfers  „Bawtry"  erkannt  worden  ist. 

597 


Abschnitt  VI^oo  Prisengerichtsentscheidungen:  „Bawtry". 

Gegen  dieses  Urteil  hat  der  Reklamant,  August  Müller,  durch 
den  Rechtsanwalt  IshibashiTomokichials  Prozeßvertreter  die  Be- 
rufung eingelegt,  welche  im  Beisein  des  Staatsanwalts  Dr.  jur.  Ishi- 
watari  Binichi  beim  Oberprisengericht  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptberuf ungspunkte  des  Vertreters  der  Reklamation,  Ishi- 
bashiTomokichi,  und  deren  Begründung  sind  folgende : 

1.  Die  Staaten  des  europäischen  Kontinents  hätten  bis  heute  das 
Prinzip  verfolgt,  daß  nur  Güter,  welche  wirkliche  Kriegsgebrauchsartikel 
darstellten,  als  Kriegskonterbande  gölten,  und  daß  die  sogenannten 
relativen  Kriegskonterbandegüter  nicht  unter  dieselbe  zu  rechnen  seien. 
Dies  Prinzip  sei  zur  Durchführung  gekommen  in  dem  dänischen  Krieg 
von  1864,  dem  deutsch-französischen  Krieg  von  1870  und  dem  russisch- 
türkischen Krieg  von  1877,  und  es  sei  heute  eine  fest  bestimmte  Regel 
des  Völkerrechts,  von  der  nur  das  englische  Prinzip  abweiche.  Diesem 
englischen  Prinzip  stünden  indes  viele  Ansichten  gegenüber.  So  tidele 
zum  Beispiel  Pereis,  daß  die  Rechte  der  Kriegführung  die  Rechte 
des  neutralen  Handels  unbillig  beschränkten.  Selbst  der  Vertreter  des 
englischen   Prinzips,   Holland,  sage,   daß 

Lebensmittel  und  Schiffsbaumaterialien,  wenn  sie  erwiesener- 
maßen an  die  Armee,  Marine  oder  nach  einer  Festung  des 
Feindes    befördert    würden,    nicht    unbedingt     eingezogen 
werden  dürften.    Man  müsse  sich  darauf  beschränken,  das 
Vorkaufsrecht  auszuüben,  um  dem  Feind  die  Möglichkeit  zu 
nehmen,  die  Güter  anzukaufen. 
Diese  Ansicht  Hollands  sei  von  dem  gegenwärtigen  Recht  Englands 
anerkannt.    Auch  die  Völkerrechtskonferenz  zu  Venedig  im  Jahre  18Q6 
habe  in  ihrem  Artikel  1   das  Gebiet  der  Kriegskonterbandegüter  strikt 
auf   die   absolute   Konterbande   beschränkt   und    beschlossen,   daß    die 
relative  Konterbande  auszuschließen  sei.    Reklamant  meine,  daß  diese 
Ansichten  und  Beschlüsse  von  Gelehrten  und  Kongressen  hinreichend 
gewichtig  seien,   um  beachtet  werden  zu  müssen. 

Der  größte  Teil  der  Ladung  sei  Nichtkonterbande,  welche  außer 
zu  friedlichen  Zwecken  keine  Verwendung  habe.  Freilich  befinde  sich 
auch  darunter  einige  sogenannte  relative  Kriegskonterbande,  welche  zu 
friedlichem  und  indirekt  auch  zu  kriegerischem  Gebrauch  dienen  könnte. 
Da  sie  aber  keine  absolute  Konterbande  sei,  so  müsse  sie  billiger- 
weise aus  den  vorstehenden  Gründen  freigegeben  werden. 

Selbst  wenn  er  sich  einmal  auf  das  englische  Prinzip  stelle,  sei 
Reklamant  der  Ansicht,  daß  die  japanische  Regierung  das  Vorkaufsrecht 
ausüben,  nicht  aber  unbedingte  Einziehung  verfügen  dürfe. 
Das  Urteil  erster  Instanz  besage,  daß 

in  den  von  der  Kaiserlichen  Regierung  erlassenen  und  ver- 
öffentlichten  Verordnungen   des  Marineministeriums  Nr.    1 

598 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Bawtry".  Abschnitt  Vl^oe 

vom  Jahre  1904  und  Nr.  1  vom  Jahre  1905  ganz  klar  be- 
zeichnet sei,  welche  Güter  während  des  japanisch-russischen 
Krieges  als  Kriegskonterbande  behandelt  werden  sollten. 
Diese  Verordnungen  seien  von  dem  Marineministerium  indes  nur  zur 
Beachtung  für  sein  Ressort  erlassen.  Außerhalb  dieses  Ressorts  hätten 
sie  keine  bindende  Kraft  und  könnten  daher  nicht  als  völkerrechtliche 
Normen  angesehen  werden. 

2.  Selbst  einmal  das  Gebiet  der  Konterbande  in  der  Weise  er- 
weitert, wie  es  das  Urteil  erster  Instanz  tue,  und  angenommen,  daß 
auch  bedingte  Konterbande  als  Kriegskonterbande  gelte,  so  sei  es  doch 
selbstverständlich,  daß  sich  die  Einziehung  auf  solche  Fälle  beschränke, 
wo  hinreichender  Beweis  für  die  Annahme  vorliege,  daß  die  Güter  zum 
Gebrauch  für  die  feindliche  Armee  oder  Marine  hätten  geliefert  werden 
sollen.  Im  vorliegenden  Fall  könne  man  jedoch  nicht  den  geringsten 
Beweis  finden,  daß  die  Güter  für  den  feindlichen  Kriegsgebrauch  be- 
stimmt gewesen  seien. 

Das  Gericht  erster  Instanz  behaupte  freilich,  daß  die  Nägel,  der 
Eisendraht  usw.  zum  Bau  und  zur  Ausrüstung  der  feindlichen  Kriegs- 
und sonstigen  Schiffe  bestimmt  gewesen  seien.  Die  Annahme  finde 
jedoch  in  den  Akten  des  Falls  keinerlei  Unterstützung,  vielmehr  sei 
es  daraus  klar,  daß  sie  für  Schiffe,  Häuser,  Werkstätten  und  Kranken- 
häuser bestimmt  gewesen  seien. 

Auch  sei  es  unzutreffend,  lediglich  daraus,  daß  Wladiwostok 
Feindesland  sei,  zu  schließen,  daß  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter, 
welche  Handelszwecken  dienten,  zum  Kriegsgebrauch  hätten  geliefert 
werden  sollen. 

Aus  diesen  Gründen  werde  Aufhebung  des  Urteils  erster  Instanz 
und  Freigabe  aller  dem  Reklamanten  gehörigen,  auf  dem  Dampfer 
„Bawtry''   verschifften  Güter  beantragt. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  der  Staatsanwälte  beim  Prisen- 
gencht  zu  Sasebo,  Mizukami  Chojiro  und  YamamotoTat- 
surokuro,  sind  folgende : 

1.  Soweit  bezüglich  von  Kriegskonterbande  keine  vertraglichen 
Bestimmungen  vorlägen,  an  die  ein  Staat  gebunden  sei,  gehöre  es  zu 
den  Vorrechten  der  betreffenden  Regierungsgewalt,  zur  Kriegszeit  die 
bereits  bestehenden  Bestimmungen  sowohl  über  absolute  als  relative 
Konterbandegüter  zu  erweitern  oder  einzuschränken.  Das  Völkerrecht 
halte  es  für  richtig,  bei  Beginn  des  Krieges  im  allgemeinen  die  für  den 
Krieg  zu  befolgenden  Regeln  zu  veröffentlichen  und  die  Kriegskonter- 
bandegüter festzustellen.  Auch  der  europäische  Kontinent  nehme  hierin 
keinen  anderen  Standpunkt  ein,  und  es  fehle  nicht  an  Beispielen,  wo 
in  dortigen  Kriegen  Verordnungen  von  Marineministerien  erlassen  und 
die  Liste   der  Konterbande  vermehrt  oder  vermindert  worden   sei. 

599 


Abschnitt  vi^e  Prisengerichtsentscheidungen:  y^awtry'^r 

In  den  am  28.  Februar  vorigen  Jahres  von  der  russischen  Re- 
gierung für  den  japanisch-russischen  Krieg  veröffentlichten,  bei  der 
Kriegführung  zu  beobachtenden  Regeln  seien  in  der  Aufstellung  der 
als  Kriegskonterbande  zu  betrachtenden  Gegenstände  Brennholz  und 
Holzkohle,  Telegraphen-  und  Eisen  bah  nzube  hör  aller  Art,  Waren  für  die 
Kriegführung  zu  Wasser  und  zu  Lande,  Reis  und  Lebensmittel  klar  ge- 
nannt. Daraus  sei  es  klar,  daß  das  kontinentale  Prinzip  die  Konter- 
bande nicht  unbedingt  auf  die  absolute  beschränke.  Überdies  sei  es 
schon  .seit  dem  japanisch-chinesischen  Krieg  allen  Mächten  bekannt^ 
daß  Japan  sich  dem  englischen  Prinzip  angeschlossen  habe,  und  die 
Liste  der  Konterbandegüter  sei  durch  Verordnung  des  Marineministeriums 
bekannt  gemacht  worden.  Daher  sei  der  Vorwurf,  das  Urteil  erster 
Instanz  entspreche  nicht  dem   kontinentalen  Prinzip,  unbegründet. 

Da  der  Reklamant  die  Verordnungen  oder  Verträge,  die  von  den 
Mächten  tatsächlich  ausgeführt  worden  seien,  als  Völkerrecht  anerkenne^ 
so  sei  die  Behauptung,  die  Verordnung  unseres  Marineministeriums 
habe  keine  Wirkung  außerhalb  des  Ressorts  desselben  und  sei  daher 
keine  Bestimmung  des  Völkerrechts,  nicht  anzuerkennen. 

2.  Der  größte  Teil  der  auf  dem  Dampfer  „Bawtry"  verladenen^ 
zur  Verhandlung  stehenden  Güter  sei  Kriegskonterbande.  Der  Be- 
stimmungsort sei  Wladiwostok,  Rußlands  einziger  Kriegshafen  im  Ostea 
und  die  Hauptetappenbasis  für  seine  Armee  und  Marine.  Der  Ab- 
sender sei  die  Firma  Jebsen  &  Co.,  welche  auch  Ladungseigentümer  des 
„Veteran'' 7)  gewesen  sei,  der  die  Blockade  von  Port  Arthur  gebrochen 
habe.  Der  Empfänger  sei  die  mit  der  russischen  Regierung  als  identisch 
zu  betrachtende  russisch-chinesische  Bank.  Danach  stehe  es  außer 
Zweifel,  daß  die  Gäter  nach  Ankunft  sofort  zum  Gebrauch  für  Armee 
und  Marine  zu  liefern  gewesen  und.  daher  Konterbande  seien. 

Der  Reklamant  tadele  das  Urteil  erster  Instanz  dafür,  daß  un- 
zutreffenderweise  Nägel  und  Eisendraht  als  Material  zum  Bau  und  zur 
Ausrüstung  von  Kriegs-  und  anderen  Schiffen  angesehen  worden  seien. 
Es  sei  aber  auf  einen  Blick  offenbar,  daß  die  hier  in  Frage  stehenden 
Nägel  nach  ihrer  Form  und  Stärke  Material  zum  Bau  von  Kriegs-  und 
anderen  Schiffen  seien.  Der  Eisendraht  sei  nicht  als  solches  betrachtet 
worden. 

Aus  diesen  Gründen  sei  das  Urteil  erster  Instanz  wohlbegründet 
und  die  Berufung  abzuweisen. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

1.  Da  der  Bestimmungsort  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes 
Wladiwostok  ist,  so  ist  es  klar,  daß  die  unter  der  Ladung  befindlichen. 
Waffen  und  Materialien  für  Bau  und  Ausrüstung  von  Kriegs-  und 
anderen  Schiffen  Kriegskonterbande  sind. 

')  VI  24  a  und  c. 
600 


Prisengerichtsentscheidungen:  ,3Awtry'^  Abschnitt  VI»'- 

Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostolc  Rußlands  wichtigster  Kriegs- 
hafen ist.  Seit  dem  Krieg  mit  Japan  hat  Rußland  es  zum  Stützpunkt 
für  seine  Kriegsflotte  und  Hauptetappenort  gemacht.  Es  hat  dort  in 
ausgedehntem  Maße  Waffen,  Lebensmittel,  Kohle  und  sonstige  Kriegs- 
bedarfsartikel aufgespeichert.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr  nach 
dort  hat  fast  ganz  aufgehört.  Daher  müssen  auch  die  unter  der  zur 
Verhandlung  stehenden  Ladung  befindlichen  Lebensmittel,  Getränke  und 
Pferdegeschirr  als  für  den  russischen  Kriegsgebrauch  bestimmt  angesehen 
'^''erden,  und  es  ist  außer  Zweifel,  daß  sie  nach  den  Bestimmungen 
und  der  Praxis  des  Völkerrechts  Kriegskonterbande  sind. 

2.  Es  ist  völkerrechtliches  Prinzip,  daß  Konterbande  schlechthin  ein- 
gezogen werden  kann.  Der  von  dem  Reklamanten  geltendgemachte 
Vorkauf  ist  nur  ausgeführt  worden,  wo  besondere  vertragliche  Ab- 
machungen vorliegen.  Im  übrigen  findet  er  sich  in  Theorie  und  Praxis 
nur  vereinzelt.  Keinenfalls  kann  er  jedoch  als  völkerrechtliche  Regel 
anerkannt  werden. 

Unter  den  zur  Verhandlung  stehenden  Gütern  befinden  sich  freilich 
solche,  die  nicht  zur  Kriegskonterbande  gehören,  da  sie  aber  J^adung; 
des  Eigentümers  der  Konterbande  auf  demselben  Schiff  sind,  so  erkennt 
das  Völkerrecht  an,  daß  sie  mit  dieser  zusammen  eingezogen  werden 
können,  und  das  Oberprisengericht  ist  der  Ansicht,  daß  dies  den  Ver- 
hältnissen gerecht  wird. 

Da  aus  den  obigen  Gründen  das  Urteil  erster  Instanz  auf  Ein- 
ziehung der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter;  durchaus  zutreffend 
ist,  so  erübrigt  es  sich,  auf  die  einzelnen  Berufungspunkte  noch  be- 
sonders einzugehen. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  30.  November  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Der  österreichische  Staatsangehörige  Hermana» 
Kobritz,  Shanghai,  China,  Quinsan  Gardens  Nr.   17. 

Prozeßvertreter: Rechtsanwalt  Ishibashi  Tomokichi,  Na- 
gasaki, Togiyamachi  Nr.  14. 

In  der  Prisensache,  betreffend  Ladung  des  englischen.  Dampfers 
„Bawtry"  wird,  wie  folgt,  entschieden : 

601 


Abschnitt  VI»*  Prisengerichtsentscheidungen:  „Bawtry**. 

U  r  t  e  i  1  s  f  o  r  m  e  1 : 
Die  in  dem  beigefügten  Verzeichnis  aufgeführten  Güter  werden 
sämtlich  eingezogen. 

Tatbestand   und   Gründe: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter,  welche  in  Kiautschou  in 
China  auf  dem  Dampfer  ,,Bawtry"  verladen  waren  und  am  14.  Januar 
1905  den  genannten  Hafen  mit  Bestimmung  nach  Wladiwostok  ver- 
ließen, wurden  am  17.  Januar,  1  Uhr  15  Minuten  nachmittags  auf  offener 
See  in  34<^  58 '  nördlicher  Breite  und  130^  28 '  östlicher  Länge  zusammen 
mit  dem  genannten  Dampfer,  welcher  unter  dem  Verdacht  stand,  Kriegs- 
konterbande zu  führen,  von  dem  Kaiserlich  Japanischen  Kriegsschiff 
„Tokiwa"  aufgebracht. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Vertreters  des  Kommandanten  der  „Tokiwa'',  Kapitänleutnants  Tori- 
zaki  Yasuzo,  die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns  der  „Bawtry'^ 
Harry  Ratcliff  Shotton,  und  des  Supercargo  Otto  Meier,  das 
Schiffszertifikat  des  genannten  Schiffes,  das  Deckjournal,  den  Charter- 
vertrag, die  Konnossemente  und  das  Ladungsverzeichnis. 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  des  Vertreters  der  Reklamation 
sind  folgende: 

1.  Die  meisten  Stücke  der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  seien 
solche,  welche  nur  in  Friedenszeiten  gebraucht  würden  und  seien  keine 
Kriegskonterbande.  Wenn  auch  einige  Güter  vorhanden  seien,  welche 
indirekt  für  Kriegszwecke  verwendbar  seien,  also  sogenannte  relative 
Kriegskonterbande,  so  diene  doch  keins  von  ihnen  direkt  für  Kriegszwecke 
und  keins  sei  demnach  sogenannte  absolute  Kriegskonterbande.  Nun 
hätten  aber  die  Staaten  des  europäischen  Kontinents  bis  heute  das  Prinzip 
anerkannt,  daß  nur  Güter,  welche  wirkliche  Kriegsgebrauchsartikel  dar- 
stellten, als  Kriegskonterbande  gälten,  und  daß  die  sogenannten  relativen 
Kriegskonterbandegüter  nicht  unter  dieselbe  zu  rechnen  seien.  Dies 
Prinzip  sei  zur  Durchführung  gekommen  in  dem  dänischen  Kriege  von 
1864,  dem  deutsch-französischen  Kriege  von  1870  und  dem  russisch- 
türkischen Kriege  von  1877,  und  es  sei  heute  eine  fest  bestimmte  Regel 
-des  Völkerrechts,  von  der  nur  das  englische  Prinzip  abweiche.  Auch  die 
Völkerrechtskonferenz  zu  Venedig  im  Jahre  1896  habe  in  ihrem  Ar- 
tikel 1  das  Gebiet  der  Kriegskonterbandegüter  strikt  auf  die  absolute 
Kriegskonterbande  beschränkt  und  beschlossen,  daß  die  relative  Kriegs- 
konterbande auszuschließen  sei.  Der  Reklamant  sei  der  Ansicht,  daß 
diese  Meinung  von  Gelehrten  und  Kongressen  hinreichend  gewichtig 
sei  und  beachtet  werden  müsse.    In  unserer  Prisenordnung i)  sei  aller- 

^02 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Bawtry''.  Abschnitt  VI»' 

dings  im  §  14  die  relative  Kriegskonterbande  anerkannt,  aber  da  die 
Verordnung  nur  eine  für  unsere  Marineoffiziere  erlassene  Instruktion 
sei,  so  habe  sie  nicht  die  Kraft  einer  völkerrechtlichen  Regel.  Daher 
könnten  auch  die  unter  der  zur  Verhandlung  stehenden  Ladung  be- 
findlichen  relativen   Kriegskonterbandegüter  nicht  eingezogen   werden. 

2.  Selbst  wenn  man  zugebe,  daß  auch  relative  Kriegskonterbande 
•eingezogen  werden  könne,  so  beschränke  sich  das  doch  lediglich  auf 
solche  Fälle,  wo  es  ausreichend  bewiesen  sei,  daß  diese  Güter  für  den 
Gebrauch  von  Heer  oder  Marine  des  Feindes  bestimmt  seien.  Für  die 
^ur  Verhandlung  stehenden  Güter  sei  aber  auch  nicht  die  geringste 
Spur  eines  solchen  Beweises  vorhanden,  und  lediglich  aus  der  Tatsache, 
daß  Wladiwostok  feindliches  Gebiet  sei,  eine  derartige  Vermutung  ab- 
zuleiten und  auf  Grund  dieser  die  Bestimmung  der  Güter  für  den  Kriegs- 
^ebrauch  als  erwiesen  zu  erachten,  sei  ungerechtfertigt. 

3.  Da  die  Güter  neutral  seien,  so  unterlägen  sie  nicht  der  Weg- 
nahme. Selbst  aber  angenommen,  sie  seien  feindliche  Güter,  so  müßten 
sie  nach  Artikel  3  der  Pariser  Deklaration,  weil  sie  nicht  Konterbande 
seien,  freigelassen  werden. 

Aus  diesen  Gründen  werde  eine  Entscheidung  auf  Freilassung  der 
Güter  beantragt. 

Die   Hauptpunkte  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  sind  folgende: 

Die  unter  der  zur  Verhandlung  stehenden  Ladung  befindlichen 
Lebensmittel,  Getränke,  Eisenbahnbaumaterialien,  Schiffsbau-  und  Aus- 
rüstungsgegenstände seien,  weil  sie  nach  Wladiwostok,  dem  Hauptstütz- 
punkt der  feindlichen  Streitmacht,  verschifft  seien,  und  es  nach  Aussage 
des  Kapitäns  außer  Zweifel  stehe,  daß  der  Empfänger  der  Ladung  die 
russisch-chinesische  Bank  sei,  für  den  Kriegsgebrauch  des  Feindes  be- 
stimmt und  folglich  Kriegskonterbande.  Daher  seien  sie  einzuziehen. 
Was  ferner  die  unter  der  Ladung  befindlichen  Güter  angehe,  die  nicht 
Kriegskonterbande  seien,  so  müßten  sie,  weil  dem  Eigentümer  der  Kriegs- 
konterbandegüter gehörig,  mit  diesen  zusammen  eingezogen  werden. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

In  den  von  der  Kaiserlichen  Regierung  erlassenen  und  ver- 
öffentlichten Verordnungen  des  Marineministeriums  Nr.  1  vom  Jahre 
1904  2)  und  Nr.  1  vom  Jahre  1905*)  ist  ganz  klar  bezeichnet,  welche 
Güter  während  des  japanisch-russischen  Krieges  als  Kriegskonterbande 
behandelt  werden  sollen.  Der  Prozeßvertreter  behauptet  unter  An- 
führung einiger  kontinentaler  europäischer  Präcedenzen  und  Meinungen 
von  Gelehrten,  daß  der  Begriff  der  Kriegskonterbande  sich  lediglich  auf 
direkt  zum  Kriegsgebrauch  bestimmte  Güter  beschränke.  Es  ist  aber 
nach  englischen  und  amerikanischen  Beispielen,  sowie  wissenschaftlichen 
Ansichten  des  europäischen  Kontinents  ebenso  klar,  daß  diese  die  Eigen- 

*)  IL  —  •)  III. 

603 


i 


Abschnitt  VI  M<  Prisengerichtsentscheidungen :  „Bawtry'^         J 

Schaft  von  Gütern  als  Kriegskonterbande  nicht  unbedingt  danach  be- 
grenzen, ob  sie  direkt  zum  Kriegsgebrauch  dienen  oder  nicht.  Da  der 
Standpunkt  darin,  welche  Güter  unter  die  Kriegskonterbande  fallen,  der- 
gestalt in  den  verschiedenen  Staaten  variiert,  so  kann  der  Behauptung  des 
Prozeß  Vertreters  nicht  beigepflichtet  ^c'erden. 

Was  die  in  dem  beigefügten  Verzeichnis  aufgeführten  Güter  an- 
geht, so  sind  dieselben  von  dem  Verschiffer,  nämlich  dem  Reklamanten, 
„an  Order''  nach  Wladiwostok  verschifft  worden. 

Unter  diesen  Gütern  sind 

Nr.  1,  13  bis  17,  24,  110,  113,  122,127  bis  129,  134 
Lebensmittel  und  Getränke,*) 

Nr.  2  bis  10 
Eisenbahnbaumaterialien,  *) 

Nr.  19,  22,  58,  95  bis  97,  245,  252,  253 
Bau-  und  Ausrüstungsgegenstände  für  Kriegs-  und  andere  Schiffe. 

Da  der  Bestimmungshafen  dieser  Güter  Wladiwostok,  der  einzige 
Kriegshafen  Rußlands  im  fernen  Osten  ist  und  da  nach  Aussage  des 
Kapitäns  der  Empfänger  wahrscheinlich  die  russisch-chinesiche  Bank  ist 
es  demnach  klar  ist,  daß  dieselben  für  den  Kriegsgebrauch  des  Feindes 
bestimmt  gewesen  sind,  so  müssen  dieselben  als  Kriegskonterbande  an- 
gesehen werden. 

Was  die  übrigen  Güter  angeht,  so  sind  sie  zwar  keine  Kriegs- 
konterbande, sie  gehören  aber  alle  dem  Eigentümer  der  oben  angeführten 
Knegskonterbande.  Daher  sind  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter,, 
weil  sie  Kriegskonterbande  sind,  beziehungsweise  demselben  Eigentümer 
gehören,  einzuziehen,  ß) 

Die  übrigen  Ausführungen  des  Vertreters  der  Reklamation  bedürfen 
keiner  Erörterung. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  10.  Juli  1905  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Bei- 
sein des  Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurokuro. 

(Unterschriften.) 


*)  II.  Ziffer  2.  —  *)  II.  Ziffer  1.  —  c)  V.  §  43. 
604 


Prisengerichtsentscheidungen :  „Bawtry". 


Abschnitt  VI»* 


Verzeichnis  der  auf  dem  Dampfer  „Bawtr) 

'«  verschifften  Gfiter. 

Nr.  der 
Bekannt- 
maohungr 

Art  der  Güter 

Zahl 
der  Stücke 

Absender 

Emp- 
fänger 

1 

Weizenmehl    .... 

7540  Sack 

Hermann  Ko- 
britz,  Shanghai 

Order 

2 

Eisenbahnschienen  .    . 

670  Stück 

)» 

3 

Fischplatten    .    .    . 

1340      „ 

4 

Zubehör     .... 

4  Kisten 

.5 

Rader  und  Achsen  . 

4      „ 

« 

Achsenbüchsen   .    . 

2      „ 

7 

Mulden 

4      „ 

8 

Untergestelle  .    .    . 

4      „ 

9 

Zungenweichen  .    . 

6  Stück 

• 

10 

»»                             •        • 

12      „ 

11 

Streichhölzer  .    .    . 

60  Kisten 

12 

»            ... 

90      „ 

13 

Schwarzer  Tee    .    . 

223      „ 

14 

>»           »      •    • 

37      „ 

15 

>»           >>      •    • 

525      „ 

16 

>»           »      •    • 

85      „ 

17 

»»           »1      •    • 

5      „ 

18 

Schmirgelräder    .    . 

1  Kiste 

19 

Drahtseil     .... 

14  Rollen 

20 

Öl  zum  Einschmieren 

42  Kisten 

21 

Putzwolle   .... 

1  Ballen 

22 

Trossen 

101  Rollen 

23 

Fensterscheiben  .    . 

116  Kisten 

24 

Reis 

2900  Säcke 

53 

Seife 

1  Kiste 
1      „ 

54 

55 

295  Kisten 
30  Stück 

58 

Eisenplatten    .    .    . 

59 

»»            ... 

19  Bund 

€0 

Schwarze  Stahlplatten 

153     „ 

61 

Galv.  Zinnplatten     . 

250     „ 

62 

Galv.  Eisenplatten  . 

17     „ 

95 

Drahtseil    .... 

HO     „ 

96 

Eisennägel 

100  Faß 

97 

"        » 

122     „ 

98 

Säcke     .    . 

23  Stück 

99 

Spiegel  .    . 

2  Kisten 

100 

Farbe     .    . 

160  Faß 

101 

Streichhölzer 

309  Kisten 

102 

Zeichenfedern 

1  Kiste 

103 

Schreibmaschinen    . 

3  Kisten 

104 

Buchbinderwaren     . 

1  Kiste 

105 

Waschpulver  .    .    . 

1      „ 

106 

Löschpapier 

• 

1      „ 

605 


Abschnitt  VI  30< 


Prisengerichtsentscheidungen :  „Bawtry". 


Nr.  der 

BekaDut- 
machuuc^ 

Art  der  Güter 

Zahl 
der  Stücke 

Absender 

Emp- 
fänger 

107 

Ing.  Papier     .... 

1  Kisttf 

Hermann  Ko- 
j)ritz,  Shanghai 

Order 

108 

Putzpomade    .... 

1           ,1 

n 

n 

109 

Papier    .    . 

1           II 

n 

m 

110 

Rum  .    .    . 

5  Kisten 

n 

n 

111 

Zigarren 

1  Kiste 

n 

n 

112 

Seife.    .    . 

50  Kisten 

1» 

n 

113 

Weizenmehl 

15  Sack 

n 

» 

122 

Kuba-Zucker 

58  Kisten 

n 

n 

123 

Seife .    .    . 

12      „ 

1» 

n 

124 

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Sardinen 

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5      „ 

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129 

Butter    . 

3      1, 

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134 

Reis  .    . 

50  Sack 

n 

» 

238 

Verz.  Wellblech  .    .    . 

160  Bund 

n 

» 

239 

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640      „ 

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240 

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323      „ 

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241 

1»                            M                     ... 

161      „ 

n 

» 

242 

Glattes,  verz.  Eisenblech 

200      „ 

n 

n 

243 

Eisenblech      .... 

176      „ 

1» 

» 

244 

>»              .... 

160      „ 

» 

» 

245 

II              .... 

1369  Stück 

n 

» 

246 

Schwarzes  Stahlblech  . 

345  Bund 

n 

n 

247 

II                II 

537      „ 

n 

» 

248 

II                II 

266      „ 

» 

» 

249 

Eisenblech      .... 

380     „ 

n 

n 

250 

Schwarzes  Stahlblech  . 

165      „ 

» 

n 

251 

II                II 

.38      „ 

II 

n 

252 

Eisenblech      .... 

100  Stück 

II 

» 

253 

II              .... 

35      „ 

n 

» 

254 

Stahlblech 

366      „ 

n 

» 

255 

Schwarzes  Stahlblech  . 

263  Bund 

n 

n 

256 

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182      „ 

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1» 

257 

Eisernes  Di 

ich 

blech      . 

198      „ 

» 

1» 

606 


Prisengerichteentscheidangen:  ,3awtry'^  Abschnitt  VI>*< 

Reklamant:  Der  österreichische  Staatsangehörige  Hermann 
Kobritz  in  Shanghai,  China,  Quinsan  Qardens  Nr.  17. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Ishibashi  Tomokichi,  Na- 
gasaki, Togiyamachi  Nr.  41. 

Am  10.  Juli  1905  1-at  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der  Prisen- 
sache, betreffend  Ladung  des  englischen  Dampfers  „Bawtry'',  welcher 
am  17.  Januar  1905  auf  34  o  58'  nördlicher  Breite  und  130  o  28'  öst- 
licher Länge  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Tokiwa"  aufgebracht 
worden  ist,  ein  Urteil  gefällt,  in  welchem  auf  Einziehung  der  in  dem 
dem  Urteil  beigefügten  Verzeichnis  aufgeführten  Ladung  des  englischen 
Dampfers  „Bawtry''  erkannt  worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  der  Reklamant,  Hermann  Kobritz, 
durch  den  Rechtsanwalt  Ishibashi  Tomokichi  als  Prozeßvertreter 
die  Berufung  eingelegt,  welche  im  Beisein  des  Staatsanwalts  Dr.  jur. 
Ishiwatari  Binichi  beim  Oberprisengericht  geprüft  worden  ist. 
Die  Hauptberuf ungspunkte  des  Vertreters  der  Reklamation,  I  s  h  i  - 
bashiTomokichi,  und  deren  Begründung  sind  folgende : 

1.  Die  Staaten  des  europäischen  Kontinents  hätten  bis  heute  das 
Prinzip  verfolgt,  daß  nur  Güter,  welche  wirklich  Kriegsgebrauchsartikel 
darstellten,  als  Kriegskonterbande  gölten,*  und  daß  die  sogenannten 
relativen  Kriegskonterbandegüter  nicht  unter  dieselbe  zu  rechnen  seien. 
Dies  Prinzip  sei  zur  Durchführung  gekommen  in  dem  dänischen  Kriege 
von  1864,  dem  deutsch-französischen  Kriege  von  1870  und  dem  russisch- 
türkischen  Kriege  von  1877,  und  es  sei  heute  eine  fest  bestimmte  Regel 
des  Völkerrechts,  von  der  nur  das  englische  Prinzip  abweiche.  Diesem 
englischen  Prinzip  stünden  indes  viele  Ansichten  gegenüber.  So  tadele 
zum  Beispiel  Pereis,  daß  die  Rechte  der  Kriegführung  die  Rechte 
des  neutralen  Handels  unbillig  beschränkten.  Selbst  der  Vertreter  des 
englischen  Prinzips,  Holland,  sage,  daß 

Lebensmittel  und  Schiffsbaumaterialien,  wenn  sie  erwiesener-  . 
maßen  an  die  Armee,  Marine  oder  nach  einer  Festung  des 
Feindes    befördert    würden,    nicht    unbedingt    eingezogen 
werden  dürften.    Man  müsse  sich  darauf  beschränken,  das 
Vorkaufsrecht  auszuüben,  und  dem   Feind  die  Möglichkeit 
zu  nehmen,  die  Güter  anzukaufen. 
Diese  Ansicht  Hollands  sei  von  dem  gegenwärtigen  Recht  Englands 
anerkannt.   Auch  die  Völkerrechtskonferenz  zu  Venedig  im  Jahre  1896 
habe  in  ihrem  Artikel  1  das  Gebiet  der  Kriegskonterbandegüter  strikt 
auf   die   absolute   Konterbande   beschränkt   und   beschlossen,   daß   die 
relative  Konterbande  auszuschließen  sei.    Reklamant  meine,  daß  diese 
Ansichten  und  Beschlüsse  von  Gelehrten  und  Kongressen  hinreichend 
gewichtig  seien,  um  beachtet  werden  zu  müssen. 

607 


Abschnitt  VI3od  Prisengerichtsentscheidungen:  „Bftwtry'^ 

Der  größte  Teil  der  Ladung  sei  Nichtkonterbande,  vcelche  außer 
zu  friedlichen  Zwecken  keine  Verwendung  habe.  Freilich  befinde  sich 
darunter  auch  einige  sogenannte  relative  Kriegskonterbande,  welche  zu 
friedlichem  und  indirekt  auch  zu  kriegerischem  Gebrauch  dienen  könnte. 
Da  sie  aber  keine  absolute  Konterbande  sei,  ^o  müsse  sie  billigerweise 
.aus  den  vorstehenden  Gründen  freigegeben  werden. 

Selbst  wTnn  er  sich  einmal  auf  das  englische  Prinzip  stelle,  sei 
Reklamant  der  Ansicht,  daß  die  japanische  Regierung  das  Vorkaufsrecht 
.ausüben,  nicht  aber  unbedingte  Einziehung  verfügen  dürfe. 

Das  Urteil  erster  Instanz  besage,  daß 

in  den  von  der  Kaiserlichen  Regierung  erlassenen  und  ver- 
öffentlichten  Verordnungen   des  Marineministeriums  Nr.    1 
vom  Jahre  1904  und  Nr.  1  vom  Jahre  1905  ganz  klar  be- 
zeichnet sei,  welche  Güter  während  des  japanisch-russischen 
,  Krieges  als  Kriegskonterbande  behandelt  werden  sollten. 
Diese  Verordnungen  seien  von  dem  Marineministerium  indes  nur  zur 
Beachtung  für  sein  Ressort  erlassen.    Außerhalb  dieses  Ressorts  hätten 
.sie  keine  bindende  Kraft  und  könnten  daher  nicht  als  völkerrechtliche 
Normen  angesehen  werden. 

2.  Selbst  einmal  das  Gebiet  der  Konterbande  in  der  Weise  er- 
weitert, wie  es  das  Urteil  erster  Instanz  tue,  und  angenommen,  daß 
auch  bedingte  Konterbande  als  Kriegskonterbande  gelte,  so  sei  es  doch 
.selbstverständlich,  daß  sich  die  Einziehung  auf  solche  Fälle  beschränke, 
wo  hinreichender  Beweis  für  die  Annahme  vorliege,  daß  die  Güter  zum 
Gebrauch  für  die  feindliche  Armee  oder  Marine  hätten  geliefert  werden 
sollen.  Im  vorliegenden  Fall  könne  man  jedoch  nicht  den  geringsten 
Beweis  finden,  daß  die  Güter  für  den  feindlichen  Kriegsgebrauch  be- 
stimmt gewesen  seien. 

Das  Gericht  erster  Instanz  behaupte  freilich,  daß  die  Nägel,  der 
Eisendraht  usw.  zum  Material  zum  Bau  und  zur  Ausrüstung  von  feind- 
lichen Kriegsschiffen  7)  bestimmt  gewesen  seien.  Die  Annahme  finde 
jedoch  in  den  Akten  des  Falls  keinerlei  Unterstützung,  vielmehr  sei  es 
daraus  klar,  daß  sie  für  Schiffe,  Häuser,  Werkstätten  und  Krankenhäuser 
bestimmt  gewesen  seien. 

Auch  sei  es  unzutreffend,  lediglich  daraus,  daß  Wladiwostok 
Feindesland  sei,  zu  schließen,  daß  die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter, 
welche  Handelszwecken  dienten,  zum  Kriegsgebrauch  hätten  geliefert 
werden  sollen. 

')  Das  Urteil  erster  Instanz  gebraucht  hier  den  im  §  14  der  Seeprisenordnung 
(V)  erscheinenden  Ausdruck,  welcher  nicht  nur  Kriegsschiffe  bezeichnet,  sondern  .Kriegs- 
schiffe und  Schiffe",  also  Schiffe  schlechthin  bedeutet.  Der  Rechtsanwalt  hat  diesen 
Ausdruck  so  verstanden,  als  ob  er  nur  Kriegsschiffe  umfasse. ' 

-608 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Bawtry".  Abschnitt  Ifl^^ 

Aus  diesen  Gründen  werde  Aufhebung  des  Urteils  erster  Instanz 
und  Freigabe  aller  dem  Reklamanten  gehörigen,  auf  dem  Dampfer 
-„Bawtry''  verschifften  Güter  beantragt. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  der  Staatsanwälte  beim  Prisen- 
gericht zu  Sasebo,  Mizukami  Chojiro  und  Yamamoto  Tat- 
surokuro,  sind  folgende : 

1.  Es  sei  das  Vorrecht  der  Regierungsgewalt,  zu  bestimmen,  was 
im  Kriege,  gleichgültig  ob  absolut  oder  relativ,  als  Konterbande  gelten 
solle.  Das  Völkerrecht  halte  es  für  richtig,  bei  Beginn  des  Kriegs  im 
allgemeinen  die  für  den  Krieg  zu  treffenden  Regeln  zu  veröffentlichen 
und  die  Kriegskonterbandegüter  festzustellen.  Auch  auf  dem  euro- 
päischen Kontinent  mangele  es  nicht  an  solchen  Beispielen. 

In  den  am  28.  Februar  vorigen  Jahres  von  der  russischen  Re- 
^erung  veröffentlichten,  für  den  Krieg  mit  Japan  zu  befolgenden  Regeln 
seien  in  der  Aufstellung  der  als  Konterbande  zu  betrachtenden  Gegen- 
stände Brennholz  und  Holzkohle,  Telephon-,  Telegraphen-  und  Eisen- 
bahnzubehör aller  Art,  Reis  und  Lebensmittel  klar  genannt.  Demnach  be- 
schränke das  kontinentale  Prinzip  die  Konterbande  nicht  unbedingt  auf 
■die  absolute.  Was  insbesondere  den  Punkt  angehe,  daß  die  Regierungs- 
gewalt das  Vorrecht  habe,  das  Gebiet  der  Kriegskonterbande  zu  be- 
grenzen, so  könne  die  Argumentation  des  Reklamanten,  daß  die  dies- 
bezügliche Verordnung  unseres  Marineministeriums  außerhalb  dieses 
Ressorts  keinerlei  Wirkung  habe,  völkerrechtlich  keine  Anerkennung 
finden. 

2.  Der  größte  Teil  der  auf  dem  Dampfer  „Bawtry''  veriadenen, 
zur  Verhandlung  stehenden  Güter  sei  Kriegskonterbande.  Der  Be- 
stimmungsort sei  Wladiwostok,  Rußlands  einziger  Kriegshafen  im  Osten 
und  sein  Hauptflottenstützpunkt.  Des  Anscheins  wegen  sei  der 
Empfänger  auf  Order  gestellt.  Es  ergebe  sich  aber  aus  der  Aussage 
des  Kapitäns,  daß  tatsächlich  die  einer  russischen  Behörde  gleich- 
zustellende russisch-chinesische  Bank  der  Empfänger  sei.  Danach  liege 
es  auf  der  Hand,  daß  die  ganze  Ladung  für  den  feindlichen  Kriegs- 
_gebrauch  hätte  geliefert  werden  sollen  und  demnach  selbstverständlich 
Kriegskonterbande  sei. 

Der  Reklamant  tadele  das  Urteil  erster  Instanz  dafür,  daß  es  un- 
zutreffenderweise  Nägel  und  "Eisendraht  als  Material  zum  Bau  und  zur 
Ausrüstung  von  Kriegsschiffen  angesehen  habe.  Es  sei  aber  auf  einen 
Blick  offenbar,  daß  die  hier  in  Frage  stehenden  Nägel  Material  zum  Bau 
und  zur  Ausrüstung  von  Kriegs-  und  anderen  Schiffen  seien.  Der  Eisen- 
draht sei  nicht  als  solches  erachtet  worden. 

Demnach  sei  die  Berufung  unbegründet  und  abzuweisen. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

lf»rBtr»nd-Meohlenburg,  Das  Japanisohe  Priseoreoht.    Band  I.       (39)  0U<? 


Abschnitt  Visot  Prisengerichtsentscheidungen:  „Bawtry". 

Da  der  Bestimmungsort  der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter 
Wladiwostok  ist,  so  ist  es  klar,  daß  die  Materialien  für  Bau  und  Aus- 
rüstung von  Kriegs-  und  anderen  Schiffen  Kriegskonterbande  sind. 

Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegshafen 
ist.  Seit  dem  Kriege  mit  Japan  hat  Rußland  es  zum  Stützpunkt  für  seine 
Kriegsflotte  und  Hauptetappenort  gemacht.  Es  hat  dort  in  ausgedehntem 
Maße  Waffen,  Lebensmittel,  Kohle  und  sonstige  Kriegsbedarfsartikel  auf- 
gespeichert. Der  gewöhnliche  Handelsverkehr  nach  dort  hat  fast  ganz 
aufgehört.  Daher  müssen  auch  die  unter  der  zur  Verhandlung  stehenden 
Ladung  befindlichen  Lebensmittel,  Getränke  und  Eisenbahnbau- 
materialien als  für  den  russischen  Kriegsgebrauch  bestimmt  angesehen 
werden,  und  es  ist  außer  Zweifel,  daß  sie  nach  den  Bestimmungen  und 
der  Praxis  des  Völkerrechts  Kriegskonterbande  sind. 

Es  ist  völkerrechtliches  Prinzip,  daß  Konterbande  schlechthin  ein- 
gezogen werden  kann.  Der  von  dem  Reklamanten  geltend  gemachte 
Vorkauf  ist  nur  ausgeführt  worden,  wo  besondere  vertragliche  Ab- 
machungen vorlagen.  Im  übrigen  findet  er  sich  in  Theorie  und  Praxis 
nur  vereinzelt.  Keinenfalls  kann  er  jedoch  als  völkerrechtliche  Regel 
anerkannt  werden. 

Unter  den  zur  Verhandlung  stehenden  Gütern  befinden  sich  freilich 
solche,  die  nicht  zur  Kriegskonterbande  gehören,  da  sie  aber  Ladung 
des  Eigentümers  der  Konterbande  auf  demselben  Schiff  sind,  so  er- 
kennt das  Völkerrecht  an,  daß  sie  mit  dieser  zusammen  eingezogen 
werden  können,  und  das  Oberprisengericht  ist  der  Ansicht,  daß  dies  den 
Verhältnissen  gerecht  wird. 

Da  aus  den  obigen  Gründen  das  Urteil  erster  Instanz  auf  Ein- 
ziehung der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  durchaus  zutreffend  ist, 
so  erübrigt  es  sich,  auf  die  einzelnen  Beruf ungspunkte  noch  besonders 
einzugehen. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  30.  November  1905  im  Oberprisengericht. 
(Unterschriften.) 


Reklamant:  Die  deutsche  Firma  KarlBoetticher&Co.  in 
Kiautschou,  China,  vertreten  durch  Harry  Ratcliff  Shotton, 
Kapitän  des  Dampfers  „Bawtry",  wohnhaft  in  South  Shields,  lorante 
Terrace  Nr.  13,  England. 

610 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Bawtry".  Abschnitt  VI  m* 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Akiyama  Genzo,  Regie- 
rungsbezirk Kanagawa,  Yokohama,  Yamashitacho  Nr.  75. 

In  der  Prisensache  betreffend  Ladungsstücke  des  Dampfers 
„Bawtry"  wird,  wie  folgt,  entschieden: 

Urteilsform  el: 
Die  auf  dem  Dampfer  „Bawtry"  verladenen  vier  Kisten  Ausschnitt- 
waren werden  freigegeben. 

Tatbestand    und   Gründe: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  vier  Kisten  Ausschnittwaren  sind 
in  Kiautschou,  China,  zusammen  mit  einer  großen  Anzahl  von  Kriegs- 
konterbandegütern, die  anderen  Absendern  und  Empfängern  gehören, 
auf  dem  englischen  Dampfer  „Bawtry''  verschifft  worden.  Am  14.  Januar 
1905  gingen  sie  mit  der  Bestimmung,  nach  Wladiwostok  befördert  zu 
w- erden,  von  Kiautschou  ab  und  wurden  am  17.  desselben  Monats  auf 
offener  See  in  34»  58'  n.  Br.  und  130 «  28'  ö.  L.  zusammen  mit  dem 
erwähnten  Dampfer  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Tokiwa"  be- 
schlagnahmt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Stellvertreters  des  Kommandanten  der  „Tokiwa",  Kapitänleutnants  Tori- 
zaki  Yosuzo,  das  Vernehmungsprotokoll  des  Kapitäns  der  „Bawtry", 
Harry  Ratcliff  Shotton,  das  Schiffszertifikat,  den  Chartervertrag, 
das  Schiffsjournal,  die  Konnossemente  und  das  Ladungsverzeichnis. 

Die  Hauptpunkte  des  Vertreters  der  Reklamation  sind  folgende: 

Der  Reklamant  sei  der  Eigentümer  der  zur  Verhandlung  stehenden 
Güter.  Diese  Güter  seien  keine  Kriegskonterbande.  Wenn  auch  an 
Bord  der  „Bawtry''  Konterbandegüter  sein  sollten,  so  stehe  doch  keins 
von  diesen  im  Eigentum  des  Reklamanten,  so  daß  also  die  zur  Ver- 
handlung stehenden  Güter  nicht  im  Eigentum  eines  Konterbande- 
eigentümers stünden  und  daher  nach  Artikel  2  der  Pariser  Seerechts- 
deklaration vom  Jahre  1856  nicht  beschlagnahmt  werden  könnten.  Sie 
müßten  daher  freigegeben  werden. 

Die  Ansicht  des  Staatsanwalts  geht  im  wesentlichen  dahin,  daß  die 
zur  Verhandlung  stehenden  Güter  freilich  keine  Konterbande  seien, 
daß  aber  angenommen  werden  müsse,  daß  sie  im  Eigentum  eines  Eigen- 
tümers der  auf  dem  Schiff  vorhandenen  Konterbande  stünden.  Daher 
müßten  sie  eingezogen  werden. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  sind  keine  Konterbande,  0 

^)  Zur  fraglichen  Zeit  waren  Kleidungsstücke  und  deren  Materialien  noch  keine 
Konterbande.  Sie  wurden  erst  für  solche  erklärt  durch  die  Instruktion  des  Marine- 
ministeriums  Nr.  1  vom  Jahre  1905  (III). 

(39*)  611 


Abschnitt  VI'^*  Prisengerichtsentscheidungen:  „Oakley"* 

auch  ist  ihr  Eigentümer  von  den  Absendern  und  den  Empfängern  der 
auf  der  „Bawtry''  verladenen  Konterbandegüter  durchaus  verschieden. 
Es  liegt  kein  Grund  dafür  vor,  denselben  Eigentümer  anzunehmen.  Sie 
sind  lediglich  gewöhnliche  Güter,  die  auf  einem  neutralen  Schiff  nach 
feindlichem  Gebiet  befördert  werden  sollten  und  müssen  daher  billiger- 
weise freigegeben  w^erden. 

Es  wird  demnach  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  10.  Juli  1905  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Beisein 
des   Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurökuro. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  William  Robert  Rea,  Reeder  des  Dampfers 
„Oakley",  wohnhaft  in  Belfast,  Provinz  Antrim  in  Irland,  England, 
Donegal,  Quay  Nr.  19,  vertreten  durch  den  Kapitän  des  Dampfers 
„Oakley",  William  Wisnow,  wohnhaft  in  Maryport,  Northstreet 
Nr.  20,  England. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Akiyama  Genzo,  Regie- 
rungsbezirk Kanagawa,  Yokohama  Yamashitacho  Nr.  75. 

In  der  Prisensache  betreffend  den  englischen  Dampfer  „Oakley'' 
wird,  wie  folgt,  entschieden: 

Urteilsformel: 
Der  Dampfer  „Oakley''  wird  eingezogen. 

Tatbestand  und  Gründe: 
Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „Oakley"  steht  im  Eigen- 
tum des  Reklamanten  Robert  Rea,  er  führt  die  englische  Flagge,  sein 
Heimatshafen  ist  Belfast  in  Irland,  England,  und  er  ist  ein  Handels- 
schiff, das  ausschließlich  zum  Gütertransport  dient.  Der  Reklamant  hat 
am  1.  November  1904  mit  dem  Vertreter  des  in  England  wohnhaften 
russischen  Staatsangehörigen  E.  A.  Grabowski,  der  Aktiengesellschaft 
Pyman  Watson,  einen  Chartervertrag  abgeschlossen,  laut  welchem  der 
Dampfer  Kohle  von  Cardiff  nach  Hongkong,  Shanghai  oder  Kiautschou 
befördern  sollte.  Der  Dampfer  nahm  in  Cardiff  5893  Tons  Kohlen 
ein.  Mit  einem  Konnossement  wurde  er  nicht  versehen.  Dem  Kapitän 
wurde  brieflich  mitgeteilt,  daß  die  Agentur  der  Befrachter  in  Kiautschou 
die  Firma  Sietas,  Plambeck  und  Co.  sei.  Daneben  wurde  dem  Kapitän 
Order  gegeben,  nach  Wladiwostok  zu  fahren.    Am  17.  November  d.  J. 

612 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Oakley".  Abschnitt  VI  3i ■ 

verließ  der  Dampfer  Cardiff  unter  der  Vorgabe,  nach  Kiautschou  zu 
gehen,  fuhr  aber  über  Singapore  und  Hongkong  direkt  nach  Wladiwostok. 
Auf  dieser  Reise  wurde  er  am  18.  Januar  1905,  4  Uhr  nachmittags, 
auf  der  See  in  34^  22'  n.  Br.  und  129 «  55'  ö.  L.  von  dem  Kaiserlichen 
Kriegsschiff  „Tokiwa''  aufgebracht. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Vertreters  des  Kommandanten  der  „Tokiwa",  Kapitänleutnants  F  u  k  u  - 
zakiSetsuye,die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns  der  „Oakley", 
William  Wisnom,  und  des  Kochs  Kurikawa  Yosuke,  das 
Schiffszertifikat,  das  Privatschiffsjournal,  den  Chartervertrag  und  die 
Ausklarierungspapiere  der  Hafenbehörden  von  Cardiff  und  Singapore. 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  des  Vertreters  der  Reklamation 
sind  folgende: 

Da  der  Reklamant  und  Reeder  das  zur  Verhandlung  stehende 
Schiff  auf  Grund  eines  Chartervertrages  vermietet  habe,  so  habe  er  weder 
Anteil  daran  gehabt,  noch  habe  er  darum  gewußt,  daß  das  Schiff  nach 
Wladiwostok,  welches  im  Chartervertrag  nicht  verzeichnet  sei,  gereist 
wäre.  Das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  könne  daher,  wenn  auch 
seine  Ladung  Konterbande  sei,  da  der  Reklamant  nicht  der  Eigentümer 
dieser  Ladung  sei,  nicht  das  Schicksal  derselben  teilen  und  der  Ein- 
ziehung verfallen.  Wenn  ferner  auch  das  Schiff  schon  zur  Zeit  seiner 
Abfahrt  von  Cardiff  mit  der  Absicht,  es  nach  Wladiwostok  fahren  zu 
lassen,  gechartert  worden  sei,  so  sei  das  lediglich  ein  Plan  des  Charterers 
oder  des  Absenders  gewesen,  an  dem  der  Reeder  in  keiner  Weise  be- 
teiligt gewesen  sei.  Auch  die  Unterlassung  der  Eintragung  Wladiwostoks 
als  eines  der  Bestimmungsorte  sei  lediglich  eine  Handlung  des  Charterers 
oder  Befrachters,  zu  der  der  Reeder  in  keiner  Beziehung  stehe. 

Im  übrigen  sei  die  Unterlassung  der  Eintragung  Wladiwostoks  als 
Bestimmungshafens  in  die  Schiffspapiere  nicht  geschehen,  um  dadurch 
der  Aufbringung  durch  die  japanische  Marine  zu  entgehen.  Da  das  Schiff 
lediglich  sich  in  Singapore  eine  Ausklarierung  nach  Kiautschou  anstatt 
nach  Wladiwostok  habe  geben  lassen,  so  sei  die  Tatsache,  daß  in  den 
Schiffs  papieren  Wladiwostok  nicht  als  Bestimmungsort  eingetragen  sei, 
einfach  als  eine  Unvollständigkeit  derselben  anzusehen.  Man  könne  aber 
daraus  nicht  schließen,  daß  das  Schiff  für  den  Kohlentransport  be- 
trügerische Mittel  habe  anwenden  wollen ;  das  auch  um  so  weniger,  als 
die  Ladung  nicht  als  absolute  Konterbande  gelten  könne.  Daher  unter- 
liege das  Schiff  nicht  der  Strafe  der  Einziehung. 

Die   Hauptpunkte  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  sind  folgende: 

Da  es  erwiesen  sei,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff,  um 
der  Aufbringung  durch  die  japanische  Marine  zu  entgehen,  sich  mit  ge- 
fälschten Schiffspapieren  versehen  und  daß  es  unter  Angabe  eines 
falschen  Bestimmungshafens  Konterbande  nach  Wladiwostok  habe  be- 

613 


Abschnitt  Vl'i«  Prisengerichtsentscheidungen:  „Oakley". 

fördern  wollen,  so  müsse  es  mit  seiner  Ladung  eingezogen  werden. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

In  gewöhnlichen  Fällen  beschränkt  sich  die  Strafe  für  Konterbande- 
transport auf  die  Einziehung  der  Konterbandeartikel.  Wenn  aber  ge- 
fälschte Schiffspapiere  verwandt  werden  und  ein  falscher  Bestimmungsort 
angegeben  wird,  so  ist  es  die  Regel,  auch  das  Schiff  einzuziehen.  Das 
ist  im  modernen  Völkerrecht  von  Wissenschaft  und  Praxis  allgemein  an- 
erkannt. 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „Oakley''  hat  Cardiffkohle^ 
wie  sie  ausschließlich  für  Kriegsschiffe  verwandt  wird,  geladen,  um 
sie  nach  dem  Hauptflottenstützpunkt  Rußlands,  Wladiwostok,  zu  be- 
fördern. Darüber,  daß  es  sich  um  einen  Transport  von  Konterbande 
handelt,  besteht  daher  nicht  der  geringste  Raum  für  Zweifel.  ^)  Obwohl 
es  schon  von  der  Zeit  der  Abreise  von  Cardiff  an  bestimmt  war,  daß 
Wladiwostok  das  Ziel  der  Reise  sein  sollte,  hat  der  Dampfer  stets  vor- 
gegeben, nach  Kiautschou  zu  fahren.  Er  ist  nicht  mit  einem  Konnosse- 
ment versehen  worden.  Der  Chartervertrag  gibt  vor,  die  Ladung  solle 
in  Hongkong,  Shanghai  oder  Kiautschou  verkauft  werden.  In  Cardiff, 
Singapore  usw.  hat  der  Dampfer  sich  unter  Vorgabe,  er  gehe  nach 
Kiautschou,  Ausklarierungspapiere  verschafft  und  ist  dann  von  Hongkong 
direkt  nach  Wladiwostok  gefahren.  Alles  dieses  sind  Handlungen,  welche 
getan  wurden,  um  der  Aufbringung  durch  die  japanische  Marine  zu 
entgehen.  Der  Dampfer  hat  demnach  dazu  gedient,  unter  Anwendung 
betrügerischer  Mittel  Konterbande  zu  befördern.  Es  ist  daher  recht 
und  billig,  daß  er  wie  seine  Ladung  eingezogen  wird,-)  und  da  be- 
trügerische Handlungen  vorliegen,  so  kann  er  der  Strafe  der  Einziehung 
nicht  entgehen,  gleichviel  ob  diese  Handlungen  aus  dem  Willen  des 
Reeders  oder  des  Charterers  hervorgegangen  sind  oder  nicht. 

Weil  daher  alle  Ausführungen  des  Vertreters  der  Reklamation  un- 
begründet sind,  wird  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  12.  April  1905  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Beisein 
des  Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurokuro. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:     William     Robert     Rea,     englischer     Staats- 
angehöriger, England,   Irland,  County  Antrim,  Belfast,  Donegal  Quay 

Nr.   19. 


1)  IL  Ziffer  2.  -  2)  V.  §  44. 
614 


Prisengerichtsentscheidungen:  ,,0akley".  Abschnitt  VI3ia 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Akiyama  Genzo,  Regie- 
rungsbezirk Kanagawa,  Yokohama,  Yamashitacho  Nr.  75. 

Am  12.  April  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der  Prisen- 
sache betreffend  den  englischen  Dampfer  „Oakley",  welcher  am  18.  Ja- 
nuar 1905  auf  340  22'  n.  Br.  und  129  0  55'  ö.  L.  von  dem  Kaiserlichen 
Kriegsschiff  „Tokiwa"  aufgebracht  worden  ist,  ein  Urteil  gefällt,  in 
welchem  auf  Einziehung  des  Dampfers  „Oakley''  erkannt  worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  der  Reklamant  William  Robert  Rea 
durch  den  Rechtsanwalt  Akiyamä  Oenzo  als  Prozeßvertreter  die 
Berufung  eingelegt,  welche  im  Beisein  der  Staatsanwälte  T  s  u  t  s  u  k  i 
Keiroku  und  Dr.  jur.   Ishiwatari  Bin  ich  i  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Vertreters  der  Reklamation 
Akiyama  Oenzo  und  deren  Begründung  sind  folgende: 

1.  Der  einzige  Grund,  aus  dem  die  Einziehung  verfügt  sei,  sei  der, 
daß  unter  Verwendung  gefälschter  Schiffspapiere  und  Angabe  eines 
falschen  Bestimmungsorts  Konterbande  befördert  worden  sei.  Da  aber 
die  Konterbande  nicht  im  Eigentum  des  Reeders  stehe,  so  müsse  sich  die 
Einziehung  auf  die  Ladung  beschränken.  Das  Schiff  dagegen  könne 
nicht  konfisziert  werden.  Denn,  um  das  Schiff  zu  konfiszieren,  sei 
es  unbedingt  nötig,  daß  neben  der  Annahme  der  Anwendung  be- 
trügerischer Mittel  bei  der  Verschiffung  der  Konterbande  auch  fest- 
stehe, daß  der  Reeder  an  diesem  betrügerischen  Verfahren  beteiligt,  d.  h. 
im  Einverständnis  sei.  Wenn  man  daher,  ohne  daß  diese  Beteiligung 
bei  dem  in  Frage  kommenden  Reeder  vorliege,  einfach  den  zivilrechtlichen 
Standpunkt  einnehme,  daß  der  Reeder  Unkenntnis  gegenüber  den  Hand- 
lungen des  Kapitäns  nicht  vorschützen  könne,  und  daraufhin  ohne 
weiteres  die  Einziehung  verfüge,  so  sei  das  unrechtmäßig.  ! 

2.  Der  zur  Einziehung  des  Schiffes  erforderliche  Tatbestand  be- 
trügerischer Maßnahmen  könne  damit,  daß  lediglich  in  den  Schiffs- 
papieren der  Bestimmungsort  nicht  angegeben  sei,  nicht  als  vorliegend 
erachtet  werden.  Es  sei  nötig,  daß  die  Papiere  gefälscht  seien  in  der 
bösen  Absicht,  die  visitierende  und  durchsuchende  kriegführende  Ma- 
rine zu  täuschen  und  dadurch  der  Aufbringung  zu  entgehen;  auch 
müßten  die  Mittel  zu  der  Täuschung  tauglich  sein. 

Da  aber  keine  tatsächliche  Spur  dafür  vorliege,  daß  die  Papiere 
des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  in  solcher  Absicht  ausgestellt 
worden  seien,  und  es  durchaus  klar  sei,  daß  die  Papiere  nicht  ge- 
eignet seien,  um  damit  der  Beschlagnahme  zu  entgehen,  so  sei  die  Ein- 
ziehung des  Schiffes  unrechtmäßig. 

3.  Der  Reeder  habe  das  Schiff  zum  Kohlentransport  an  den  La- 
dungseigentümer vermietet  und  einen  Chartervertrag  abgeschlossen,  in 
welchem  Hongkong,  Shanghai  oder  Kiautschou  als  Bestimmungshäfen 
xereinbart  worden  seien.  Daher  habe  der  Reeder  an  der  Bestimmung  des 

615 


Abschnitt  VI3ia  Prisengerichtsentscheidungen:  ,,0al<1ey''. 

Schiffes  nach  einem  anderen  Hafen  keinen  Anteil  gehabt.  Wenn  man 
mit  dem  englischen  Recht  annehme,  daß  der  Chartervertrag  von  der  'Art 
einer  Sachmiete  sei,  so  stehe  für  die  Zeit  das  Recht  des  Besitzes  und  die 
Verfügungsgewalt  dem  Charterer  zu.  Selbst  wenn  man  den  Fall  nicht 
so  auslege,  sondern  einen  gewöhnlichen  Frachtvertrag  annehme,  so  ent- 
spreche doch  dem  Willen  des  Reeders  die  in  dem  Vertrag  bezeichnete 
Reise  und,  wenn  der  Kapitän  den  Willen  des  Charterers  ausgeführt  habe, 
so  könne  man  nicht  sagen,  daß  der  Reeder  als  Mittäter  an  dem  Konter- 
bandetransport gehandelt  habe.  Dies  um  so  weniger,  als  mangels  Be- 
weises der  Mittäterschaft  die  Verantwortung  für  eine  das  Völkerrecht 
verletzende  Handlung,  wie  den  Konterbandetransport  unter  Anwendung^ 
betrügerischer  Mittel,  dem  Reeder  nicht  auferlegt  werden  könne,  weil 
eine  solche  Handlung  außerhalb  der  Vertretungsbefugnisse  des  Kapitäns 
als  Vertreters  des  Reeders  liege. 

4.  Der  Charterer  habe  bei  der  Abreise  des  Schiffes  dem  Kapitän 
für  den  Fall,  daß  er  bei  der  Ankunft  in  Hongkong  keine  andere  Order 
erhalte,  Befehl  gegeben,  mit  einem  beliebigen  Kurs  nach  Wladiwostok 
weiter  zu  fahren.  Danach  zu  urteilen,  sei  damals  Wladiwostok  noch 
nicht  fest  als  Bestimmungsort  abgemacht  gewesen.  Dies  sei  erst  fest 
bestimmt  worden,  als  der  Dampfer  bei  der  Ankunft  in  Kiautschou  keine 
andere  Order  erhalten  habe.  Daher  könne  darin,  daß  in  dem  im  Aus- 
fahrtshafen ausgestellten  Konnossement  und  Ausklarierungsschein  Ki- 
autschou als  Bestimmungsort  bezeichnet  sei,  ein  Grund  für  Verdacht 
nicht  liegen,  und  man  könne  daraus  nicht  schließen,  daß  die  Papiere 
auf  einen  gefälschten  Bestimmungsort  ausgestellt  worden  seien  in  der 
bösen  Absicht,  dadurch  der  Aufbringung  durch  die  kriegführende  Macht 
zu  entgehen. 

Wenn  der  Dampfer  sich  in  Singapore  und  Hongkong  Aus- 
klarierung für  Kiautschou  beschafft  habe,  so  sei  das  lediglich  in  der  Be- 
fürchtung geschehen,  daß  zur  Zeit  die  englischen  Behörden  die  Reise 
nach  Wladiwostok  verweigern  würden.  Wenn  er  genötigt  gewesen  wäre^ 
um  Ausklarierung  nach  Wladiwostok  zu  bitten,  so  hätte  er  bei  der  Ab- 
reise Schwierigkeiten  erfahren,  welche  er  gescheut  habe.  So  habe  er 
lediglich,  um  seine  Abfahrt  zu  erleichtern,  den  Behörden  gegenüber 
eine  falsche  Meldung  gemacht,  die,  wie  von  selber  klar  sei,  nicht  den 
Zweck  gehabt  habe,  dadurch  der  Aufbringung  durch  die  japanischen 
Kriegsschiffe  zu  entgehen. 

Die  Ausklarierungsbescheinigung  sei  eigentlich  kein  wichtiges. 
Schiffspapier.  Daß  die  verschiedenen  Staaten  ihr  kein  Oew^'cht  bei- 
legten, könne  man  auch  daraus  entnehmen,  daß  sie  sich  unter  den  in 
den  Artikeln  177  bis  194  der  englischen  Prisenordnung  aufgeführten 
Schiffspapieren  der  einzelnen  Staaten  Europas  und  Amerikas  nicht  finde.. 
Wenn  daher  auch  in  den  fraglichen  Ausklarierungsbescheinigungen  nicht 

616 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Oakley".  Abschnitt  VI3i» 

der  richtige  Bestimmungsort  angegeben  sei,  so  könne  man  doch  nicht 
sagfen,  daß  es  den  Prinzipien  des  modernen  Völkerrechts  entspreche, 
wenn  man  daraufhin  dem  Schiffe  die  schwerste  Strafe  der  Einziehung 
auferlege. 

5.  Die  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  sei  keine 
Kriegskonterbande,  denn,  wenn  sie  auch  nach  Wladiwostok  bestimmt 
sei,  so  vereinige  dieser  Platz  doch  in  sich  die  Eigenschaften  eines 
Kriegshafens  und  eines  Handelshafens  und  es  sei,  wie  das  Beispiel 
des  „Neptunus"-Falls  im  englisch-holländischen  Krieg  lehre,  billig,  in 
diesem  Falle  anzunehmen,  daß  die  Ladung  nach  dem  Handelshafen 
Wladiwostok  eingeführt  werden  solle. 

Ferner  behaupte  das  Urteil  erster  Instanz,  daß 

in  Wladiwostok  gewöhnliche  Schiffe  zurzeit  fast  gar  nicht 
vorhanden  seien  und  daß  der  Schluß  gerechtfertigt  sei,  daß 
die  auf  dem  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfer  ver- 
schiffte Cardiffkohle,  welche  von  der  Art  sei,  wie  sie  haupt- 
sächlich auf  Kriegsschiffen  zur  Verwendung  komme,  wenn 
sie  nach  Wladiwostok  gelangt  wäre,  für  den  Gebrauch  der 
Marine  geliefert  worden  wäre. 
Diese  Entscheidung  sei  unzutreffend,  weil  sie  sich  auf  keinem  richtigen 
Beweis  gründe. 

Aus  diesen  Gründen  werde  Aufhebung  des  Urteils  erster  Instanz 
und  Abgabe  einer  Entscheidung  auf  Freilassung  des  zur  Verhandlung 
stehenden  Dampfers  beantragt. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  Mizukami 
Chojiro  vom  Prisengericht  zu  Sasebo  sind  folgende: 

L  Da  der  Reeder  der  Mietsherr  des  Kapitäns  sei,  so  sei  er  mit  Be- 
zug auf  die  von  dem  Kapitän  in  Ausübung  seiner  Pflicht  begangenen 
Handlungen,  gleichgültig  ob  er  darum  wisse  und  daran  beteiligt  sei  oder 
nicht,  verantwortlich.  Daher  könne  er  nicht  mit  der  Begründung,  er 
habe  keine  Beziehung  zu  der  Ausstellung  der  gefälschten  Papiere  durch 
den  Kapitän,  seine  Verantwortlichkeit  ablehnen. 

2.  Da  die  Frage,  ob  die  auf  dem  zur  Verhandlung  stehenden  Schiff 
verladene  Kohle  Konterbande  sei  oder  nicht,  sich  nach  den  Verhältnissen 
des  Bestimmungsorts  entscheide,  so  müßten  unstreitbar  die  Schiffspapiere 
als  gefälscht  gelten,  weil  in  ihnen  kein  oder  ein  falscher  Bestimmungs- 
ort angegeben,  sei,  gleichviel  aus  welchem  Grunde  dies  geschehen  sei. 
Denn  dadurch  könnten  die  im  Kriege  befindlichen  Kriegsschiffe  bei  der 
Visitier ung  und  Durchsuchung  getäuscht  werden.  Zumal  habe  auch  der 
Kapitän  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  schon  beim  Verlassen 
von  Barry  die  Absicht  gehabt,  nach  Wladiwostok  zu  fahren.  Wenn  trotz- 
dem in  die  Schiffspapiere  ein  falscher  Bestimmungsort  eingetragen  sei, 

617 


Abschnitt  VI3ia  Prisengerichtsentscheidungen:  „Oakley*'. 

so  müsse  man  vermuten,  daß  dies  geschehen  sei,  um  der  Gefahr  der 
Aufbringung  während  der  Reise  zu  entgehen. 

3.  Da  es  nach  dem  Wortlaut  des  Chartervertrages  klar  sei,  daß  er 
seiner  Natur  nach  kein  Mietsvertrag  über  das  Schiff,  sondern  ein  Trans- 
portvertrag sei,  so  müsse  man  annehmen,  daß  das  Recht  des  Besitzes 
und  der  Verfügung  über  das  Schiff  nicht  auf  den  Charterer  über- 
gegangen sei,  sondern  nach  wie  vor  dem  Reklamanten  zustehe. 

Da  der  Kapitän  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  schon 
bei  der  Abreise  von  Barry  den  Willen  gehabt  habe,  nach  Wladiwostok 
zu  fahren,  und  versucht  habe,  dort  hinzukommen,  so  könne  der  Rekla- 
mant als  Mietsherr  des  Kapitäns  der  Verantwortung  hierfür  nicht 
entgehen. 

Da,  wie  oben  dargetan,  das  Urteil  erster  Instanz  zutreffend  und  die 
Berufung  in  allen  Punkten  unbegründet  sei,  so  müsse  dieselbe  abgewiesen 
werden. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

1.  Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegs- 
hafen ist.  Seit  dem  Kriege  mit  Japan  hat  Rußland  dasselbe  zum  Stütz- 
punkt für  seine  Kriegsflotte  und  Hauptetappenort  gemacht.  Es  hat  dort 
in  ausgedehntem  Maße  Kriegsgerät,  Lebensmittel,  Kohlen  und  sonstige 
Kriegsbedarfsartikel  aufgespeichert.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr 
nach  dorthin  hat  fast  ganz  aufgehört.  Es  ist  daher  durchaus  begründet, 
wenn  das  Gericht  erster  Instanz  angenommen  hat,  daß  die  nach  diesem 
Hafen  bestimmten  Steinkohlen  für  den  russischen  Kriegsgebrauch  ge- 
liefert werden  sollten  und  daher  Kriegskonterbande  seien.  Dies  um  so 
mehr,  als  die  Kohlenladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfers 
.ausgewählte  Cardiffkohle  ist  und  die  Preise  für  solche  im  Osten  so  außer- 
ordentlich hoch  sind,  daß  außer  für  den  Gebrauch  auf  Kriegsschiffen 
zur  Kriegszeit  keine  Nachfrage  dafür  vorhanden  ist,  so  daß  es  ganz  un- 
zweifelhaft ist,  daß  sie  für  den  russischen  Kriegsgebrauch  geliefert 
werden  sollte. 

Der  Reklamant  sagt,  es  müsse  nach  der  Art  der  Präcedenzent- 
scheidung,  betreffend  den  „Neptunus''  auch  in  diesem  Falle  angenommen 
werden,  daß  die  hier  in  Frage  stehende  Ladung  für  friedliche  Zwecke  be- 
stimmt gewesen  sei.  Aber  die  Ladung  im  „Neptun us"-Fall  und  die  des 
vorliegenden  Falls  sind  ihrer  Art  nach  von  Grund  aus  verschieden  und 
auch  die  Verhältnisse  der  Bestimmungsorte  sind  ganz  andere.  Es  ist 
daher  unfraglich,  daß  jener  Fall  nicht  als  Präcedenz  auf  den  vorliegenden 
angewandt  werden  kann. 

.    2,    Das  Völkerrecht  erkennt  an,   daß  Schiffe,  wie  das  zur  Ver- 
handlung stehende,  deren  Reisezweck  der  Transport  von  Konterbande 

•618 


Prisengerichtsentscheidungen:  ,,Oal<ley".  Abschnitt  VI3ib 

ist,  eingezogen  werden  können.»)  Das  Oberprisengericht  ist  der  An- 
sicht, daß  dies  den  Verhältnissen  gerecht  wird.  Besonders  im  vorliegenden 
Fall,  wo  die  ganze  Ladung  des  Schiffs  Konterbande  ist  und,  obwohl  er- 
wiesenermaßen schon  seit  der  Abfahrt  von  England  Wladiwostok  das 
Reiseziel  war,  der  Chartervertrag  und  die  anderen  Schiffspapiere  einen 
falschen  Bestimmungsort  angegeben  und  das  Schiff  danach  zur  Be- 
förderung von  Konterbande  unter  Anwendung  betrügerischer  Mittel 
gedient  hat.  ^) 

Da  schon  nach  dem  in  den  Punkten  1  und  2  Gesagten  die  Ent- 
scheidung der  ersten  Instanz  auf  Einziehung  des  Schiffes  unfraglich 
gerechtfertigt  ist,  so  liegt  keine  Notwendigkeit  vor,  auf  die  einzelnen 
Punkte  der  Berufung  noch  besonders  einzugehen. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  8.  August  1905  im  Oberprisengericht. 
(Unterschriften.) 


Reklamant:  Pyman  Watson  A.  O.,  England,  Wales,  Car- 
diff,  Absender  der  auf  dem  Dampfer  „Oakley"  verschifften  Kohlen,  ver- 
treten durch  den  Kapitän  der  „Oakley",  William  Wisnom,  wohn- 
haft in  England,  Maryport  North  Street  Nr.  20. 

Prozeßvertreter: Rechtsanwalt  AkiyamaOenzo,  Regierungs- 
bezirk Kanagawa,  Yokohama,  Yamashitacho  Nr.  75. 

In  der  Prisensache,  betreffend  die  Ladung  des  englischen  Dampfers 
,,Oakley"  wird,  wie  folgt,  entschieden. 

Urteilsformel: 
Die  auf  dem   Dampfer  „Oakley"  verschifften   5893  Tons  Stein- 
kohlen werden  eingezogen. 

Tatbestand  und  Gründe: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  5893  Tons  Cardiffkohle  sind  auf 

Grund  des  am  1.  November  1904  von  dem  Reklamanten  als  Vertreter 

des  in  England  wohnhaften  russischen  Staatsangehörigen  E.  A.  Ora- 

bowski  mit  dem  Reeder  des  Dampfers  „Oakley",.  Robert  Rea,  ab- 

*)  Anders  die  Japanische  Seeprisenordnung,  §§  43,  44  (V)  und  das  ihr  zu  Gninde 
liegende  englische  Manual  of  Neval  Prize  Law,  Art.  82—85. 
*)  V.  §  44. 

619 


Abschnitt  Vl^ib  Prfsengerichtsentscheidungen:  „Oakley*. 

geschlossenen  Chartervertrags  in  Cardiff  geladen  worden,  um  sie  nach 
Wladiwostok  zu  befördern.  Ein  Konnossement  wurde  dem  Dampfer  nicht 
mitgegeben.  Als  Bestimmungsort  wurde  Kiautschou  angegeben.  Der 
Kapitän  erhielt  dagegen  Order,  nach  Wladiwostok  zu  gehen.  Am  17. 
November  1904  fuhr  der  Dampfer  von  Cardiff  über  Singapore  und  Hong- 
kong direkt  nach  Wladiwostok.  Auf  dieser  Reise  wurden  die  zur  Ver- 
handlung stehenden  Güter  am  18.  Januar  1905  nachmittags  4  Uhr  auf 
der  See  in  34»  22'  n.  Br.  und  129  ^  55'  ö.  L.  zusammen  mit  dem  ge- 
nannnten  Dampfer  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Tokiwa"  be- 
schlagnahmt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Vertreters  des  Kommandanten  der  „Tokiwa",  Kapitänleutnants  F  u  k  u  - 
zakiSetsuye,die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns  der  „Oakley", 
William  Wisnom,  und  des  Kochs  Kurikawa  Yusuke,  das 
Schiffszertifikat,  das  Privatschiffsjournal,  den  Chartervertrag  und  die  Aus- 
klarierungspapiere der  Hafenbehörden  von  Cardiff  und  Singapore. 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  des  Vertreters  der  Reklamation 
sind  folgende: 

Die  von  dem  Reklamanten,  einem  neutralen  Staatsangehörigen, 
unternommene  Beförderung  von  Steinkohle  nach  Wladiwostok,  einem 
Hafen  einer  kriegführenden  Macht,  sei  eine  offene  Handelstransaktion, 
welche  unter  den  Freiheiten  des  neutralen  Handelsverkehrs  stehe  und 
nicht  vom  Völkerrecht  untersagt  werde.  Auch  die  japanische  Prisen- 
ordnung betrachte  Kohle  nicht  als  absolute  Konterbande.  Kohle  gelte 
als  Konterbande  nur,  wenn  sie  zum  Gebrauch  der  feindlichen  Armee  oder 
Marine  oder  nach  einem  feindlichen  Ort  bestimmt  sei,  nach  dessen  Ver- 
hältnissen angenommen  werden  müsse,  daß  sie  zum  Gebrauch  der  feind- 
lichen Armee  oder  Marine  geliefert  werden  würde.  In  dem  vorliegenden 
Fall,  wo  die  Kohle  nach  Wladiwostok  gehe,  einem  Hafen,  welcher  die 
Eigenschaften  eines  Kriegs-  und  eines  Handelshafens  in  sich  vereinige, 
sei  es  billig  anzunehmen,  daß  sie  nach  dem  Handelshafen  Wladiwostok 
bestimmt  und  nicht  für  Kriegszwecke  zu  liefern  sei. 

Auch  wenn  man  einmal  annehme,  daß  das  Eigentum  an  den  Gütern^ 
welche  während  der  Reise  beschlagnahmt  worden  seien,  auf  den 
Empfänger  im  Feindesland  übergegangen,  die  Güter  daher  feindlichen 
Charakters  seien,  so  könnten  sie  doch,  weil  sie  unter  neutraler  Flagge 
stünden,  nicht  weggenommen  werden. 

Aus  diesen  Gründen  sei  eine  Einziehung  der  zur  Verhandlung- 
stehenden  Güter  nicht  zulässig. 

Die  Hauptpunkte  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  sind  folgende: 

Die  zur  Verhandlung  stehende  Steinkohle  sei  nach  dem  Hauptstütz- 
punkt der  russischen  Marine,  Wladiwostok  bestimmt  gewesen,  und  es 

620 


Prlsengerichtsentscheidungen:  „Oakley".  Abschnitt  VI^^^ 

stehe  außer  Zweifel,  daß  sie  für  den  Krieg  habe  verwandt  werden  sollen. 
Daher  müsse  sie  eingezogen  werden. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Wenn  Lebensmittel,  Kohle  und  dergleichen  nach  einem  von  feind- 
lichen Truppen  innegehabten  Hafen  abgeschickt  sind,  so  können  sie,  je 
nach  den  Verhältnissen,  als  für  den  Gebrauch  dieser  Truppen  bestimmt 
angesehen  werden.  Da  Wladiwostok  der  einzige  Kriegshafen  Rußlands 
im  Osten  und  zurzeit  der  Hauptstützpunkt  seiner  Flotte  ist,  wo  gegen- 
^•ärtig  gewöhnliche  Schiffe  fast  gar  nicht  vorhanden  sind,  so  ist  es  ge- 
rechtfertigt, anzunehmen,  daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Cardiff- 
kohle,  welche  von  der  Art  ist,  wie  sie  ausschließlich  auf  Kriegsschiffen 
zur  Verwendung  kommt,  wenn  sie  nach  Wladiwostok  gelangt  wäre,  sicher 
für  den  Bedarf  der  Marine  geliefert  worden  wäre.  Es  steht  daher  außer 
Zweifel,  daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  Konterbande  ist.  ^) 

Da  dies  somit  feststeht,  so  erübrigt  es  sich,  auf  die  weiteren  Aus- 
führungen des  Vertreters  der  Reklamation  einzeln  einzugehen. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden.  ^) 

Verkündet  am  12.  April  1905  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Bei- 
sein des  Staatsanwalts  YamamotoTatsurokuro. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Pyman,  Watson  A.  Q.,  England,  Wales,  Car- 
diff,  vertreten  durch  den  Kapitän  des  Dampfers  „Oakley",  William 
Wisnom,  wohnhaft  in  England,  Maryport,  North  Street  Nr.  20. 

Prozeßvertreter: Rechtsanwalt  AkiyamaOenzo,  Regierungs- 
bezirk Kanagawa,  Yokohama,  Yamashitacho  Nr.  75. 

Am  12.  April  1904  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der  Prisen- 
sache betreffend  die  Ladung  des  englischen  Dampfers  „Oakley'*,  welcher 
am  18.  Januar  1905  auf  34«  22'  n.  Br.  und  129°  55'  ö.  L.  von  dem 
Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Tokiwa"  aufgebracht  worden  ist,  ein  Urteil 
gefällt,  in  welchem  auf  Einziehung  der  auf  dem  Dampfer  „Oakley'', 
verladenen  5893  Tons  Steinkohlen  erkannt  worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  W  i  1 1  i  a  m  Wisnom  als  Vertreter  des  Re- 
klamanten, der  Pyman  Watson  A.  O.,  durch  den  Rechtsanwalt  Aki- 
yama  Oenzo  als  Prozeßvertreter  die  Berufung  eingelegt,  welche  im 
Beisein  der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku  und  Ishiwatari 
Bin  ich  i  beim  Oberprisengericht  geprüft  worden  ist. 

^iTziffer  2.  —  •)  V.  §  43. 

621 


Abschnitt  VI  ^^  b  Prisengerichtsentscheidungen :  „Oakley"  * 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Vertreters  der  Reklamation^ 
Akiyama  Oenzo,  sind  folgende: 

Das  Urteil  erster  Instanz,  welches  auf  Einziehung  der  auf  dem 
Dampfer  „Oakley"  verladenen  6893  Tons  Steinkohlen  entschieden  habe, 
sei  unzutreffend.  Es  werde  Aufhebung  desselben  und  Abgabe  einer 
Entscheidung  auf  Freigabe  der  genannten  I^dung  beantragt,  und  zwar 
aus  folgenden  Gründen: 

1.  Es  sei  freilich  in  neuerer  Zeit  äußerst  bestritten,  ob  Kohle  Konter- 
bande sei.    In  der  japanischen  Seeprisenordnung 3)  sei  aber  als  Prinzip 
anerkannt,   daß  sie   nur  als   Konterbande  gelte,   wenn   sie  erwiesener- 
maßen zum  Kriegsgebrauch  des  Feindes  habe  geliefert  werden  sollen. 
Aber  wenn  man  selbst  annehme,  daß  dies  Prinzip  mit  den  Grundsätzen 
des  Völkerrechts  übereinstimme,  so  sei  doch  der  Bestimmungshafen  der 
zur  Verhandlung  stehenden  Ladung,  Wladiwostok,  nicht  nur  Rußlands 
einziger  Kriegshafen,  sondern  auch  sein  einziger  Handelshafen  im  Osten, 
Da  an  diesem  Platz  alle  Arten  von  kaufmännischen  und  gewerblichen 
Unternehmungen  betrieben  würden  und  neutrale  Firmen  dort  Nieder- 
lassungen hätten,  so  könne  man  aus  der  Tatsache,  daß  Kohle,  welche 
nicht  absolute  Konterbande  sei,  dorthin   befördert  werde,  nicht  ohne 
weiteres  schließen,  daß  sie  für  den  Gebrauch  der  Kriegsmacht  bestimmt 
sei.   Auch  nach  der  Präcedenzentscheidung,  betreffend  den  „Neptun us" 
im  Kriege  zwischen  England  und  Holland  vom  Jahre  1798  sei  es  billig-^ 
daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  als  zur  Einfuhr  nach  dem 
Handelshafen  Wladiwostok  und  zu  friedlichem  Gebrauch  bestimmt  an- 
gesehen werde. 

2.  Das  Urteil  erster  Instanz  behaupte,  daß 

in  Wladiwostok  zurzeit  gewöhnliche  Schiffe  fast  gar  nicht 
vorhanden  seien  und  daß  der  Schluß  gerechtfertigt  sei,  daß 
die  zur  Verhandlung  stehende  Cardiffkohle,  welche  von  der 
Art  sei,  wie  sie  hauptsächlich  auf  Kriegsschiffen  zur  Ver- 
wendung komme,  wenn  sie  nach  Wladiwostok  gelangt  wäre^ 
für  den  Gebrauch  der  Marine  geliefert  worden  wäre,  usw. 
Was  für  Beweise  habe  man  dafür,  daß  in  Wladiwostok  zurzeit  gewöhn- 
liche Schiffe  fast  gar  nicht  vorhanden  seien  ?  Das  Gericht  habe  sich  nicht 
an  die  für  die  Beweisaufnahme  geltenden  Normen    gehalten,    sondern 
nach  freier  Überzeugung  geurteilt.    Es  sei  aber  ein  völkerrechtlicher 
Grundsatz  für  das  Prisenverfahren,    daß  man  als  Material  für  die  Ent- 
scheidung nur  die  Papiere  des  aufgebrachten  Schiffes  und  die  Aus- 
sagen der  Besatzung  benutzen  solle.    Es  sei  daher  unfraglich,  daß  das 
Urteil  unzutreffend  sei,  weil  es  gegen  diese  völkerrechtliche  Grundregel 
verstoßen  habe. 

"  ^  V~§  14. 
622 


Prisengerichtsentscheidungen:  MOakley*'.  Abschnitt  VI^^^ 

3.  Bezuglich  der  Behandlung  relativer  Konterbande  auf  neutralem 
Schiff  weiche  zwar  das  englische  Prinzip  von  dem  kontinentalen  in  etwas 
ab,  aber  im  großen  und  ganzen  sei  ihr  Sinn  doch  derselbe.  Nach  der 
englischen  Praxis  würden  Güter,  welche,  weil  für  die  feindlichen  Kriegs- 
schiffe oder  Truppen  bestimmt,  als  Kriegskonterbande  anzusehen  seien, 
unter  Zahlung  einer  Vergütung  eingezogen.  Nach  dem  kontinentalen 
Prinzip  sei,  wie  es  die  völkerrechtlichen  Kongresse  beschlossen  hätten,, 
für  Güter,  welche  sowohl  friedlichen  als  auch  kriegerischen  Zwecken 
dienen  könnten,  wenn  sie  auf  der  Reise  nach  einem  feindlichen 
Hafen  begriffen  seien,  bestimmt,  daß  dem  kriegführenden  Staat  ihnen 
gegenüber  unter  der  Bedingung  der  Vergütung  das  Beschlagnahme- 
recht und  außerdem  das  Vorkaufsrecht  zustehe.  Während  so  die  mo- 
derne Rechtspraxis  mit  Bezug  auf  relative  Konterbande  eine  immer  weit- 
herziger werdende  Tendenz  zeige,  sei  nur  Japan  unbillig  streng,  indem 
es  im  Gegensatz  zu  den  erwähnten  Rechtsprinzipien  und  Gewohnheiten 
Kohle,  die  sowohl  friedlichen  als  auch  kriegerischen  Zwecken  diene,, 
wenn  sie  nach  einem  Platz,  der  Handels-  und  Kriegshafen  sei,  bestimmt: 
wäre,  bedingungslos  einziehe.  Besonders,  weil  die  japanische  Prisen- 
ordnung sich  auf  den  englischen  Prinzipien  aufbaue,  sei  es  wünschens- 
wert, daß,  wo  es  sich  um  neutrale  relative  Konterbandegüter  handele, 
eine  billigere  Haltung  eingenommen  würde. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  beim  Prisen- 
gericht zu  Sasebo,  Mizukami  Chojiro,  sind  folgende: 

1.  Cardiff kohle,  wie  die  zur  Verhandlung  stehende,  werde  in  der 
gegenwärtigen  Zeit  hauptsächlich  auf  Kriegsschiffen  gebraucht.  Die  La- 
dung sei  nach  Wladiwostok  bestimmt,  welches  als  Handelshafen  seit: 
dem  japanisch-russischen  Kriege  nur  dem  Namen  nach  existiere,  tat- 
sächlich aber  ein  wirklicher  Kriegshafen  und  der  Hauptstützpunkt  für  die 
russische  Kriegsflotte  sei.  Es  sei  bekannt,  daß  diese  Flotte  bezüglich 
der  von  ihr  benötigten  Kohle  fast  gänzlich  auf  Import  von  Cardiff  an- 
gewiesen sei.  Daher  sei  es  klar,  daß  die  zur  Verhandlung  stehende 
Ladung  Kohlen,  welche  nach  Wladiwostok  bestimmt  gewesen  sei,  un- 
mittelbar für  den  Kriegsgebrauch  des  Feindes  habe  geliefert  werden 
sollen  und  daher  unzweifelhaft  Kriegskonterbande  sei. 

Da  man  den  holländischen  Hafen  Amsterdam,  welcher  weder  dem 
Namen  noch  den  tatsächlichen  Verhältnissen  nach  zugleich  die  Eigen- 
schaften eines  Kriegshafens  und  eines  Handelshafens  habe,  nicht  auf 
gleiche  Stufe  mit  Wladiwostok  stellen  könne,  so  könne  die  Präcedenz- 
entscheidung  des  „Neptunus"-Falls  nicht  für  den  vorliegenden  Fall  an- 
gezogen werden. 

2.  Da  besondere  Regeln  für  die  Beweisaufnahme,  an  welche  das 
Prisengericht  gebunden  wäre,  nicht  existierten,  so  könne  das  Gericht 
unter  Zugrundelegung  der  Schiffspapiere,  der  Aussagen  der  Besatzung 

62* 


Abschnitt  VI «  fc  Prisengerichtsentschcidungen :  „Oakley**- 

und  jedes  anderen  Umstandes  nach  freier  Überzeugung  den  Tatbestand 
feststellen.  Daher  lasse  sich  nicht  sagen,  daß  es  unrechtmäßig  sei,  bei 
Feststellung  des  Tatbestandes  über  die  Schiffspapiere  und  die  Aus- 
sagen der  Besatzung  hinauszugehen;  besonders  auch,  da  die  von  dem 
Urteil  erster  Instanz  angenommenen  Tatsachen  allgemein  bekannt  seien. 

3.  Daß  Kohle,  welche  für  feindliches  Gebiet  bestimmt  sei,  wenn  an- 
zunehmen sei,  daß  sie  für  den  feindlichen  Kriegsgebrauch  geliefert 
werden  solle,  als  Konterbande  angesehen  und  eingezogen  werden  müsse, 
sei  nicht  nur  von  der  Völkerrechtspraxis  anerkannt,  sondern  auch  in 
•der  japanischen  Seeprisenordnung  klar  ausgesprochen.  Es  sei  daher  zu- 
treffend, wenn  das  Gericht  erster  Instanz,  weil  es  diese  Tatsache  an- 
genommen habe,  auf  Einziehung  der  zur  Verhandlung  stehenden  Kohle 
erkenne.  Auch  sei  es  als  zutreffend  zu  bezeichnen,  wenn  das  Prisen- 
Bericht  den  Ausführungen  des  Reklamanten  bezüglich  Einziehung  unter 
Leistung  einer  Vergütung,  bezüglich  bedingter  Beschlagnahme  und  Vor- 
kaufs nicht  gefolgt  sei,  denn  diese  seien  nur  vereinzelte  Staatenpraxis 
bzw.  Gelehrtenansichten,  könnten  aber  nicht  als  Bestimmungen  oder 
Praxis  des  geltenden  Völkerrechts  anerkannt  werden. 

Da  demnach,  wie  ausgeführt,  das  Urteil  erster  Instanz  zutreffend 
.sei  und  die  Berufungspunkte  sämtlich  unbegründet  seien,  so  müsse  die 
Berufung  abgewiesen  werden. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 
1.  Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegs- 
Jiafen  ist.  Seit  dem  Kriege  mit  Japan  hat  Rußland  denselben  zum  Stütz- 
punkt für  seine  Kriegsflotte  und  Hauptetappenort  gemacht.  Es  hat  dort 
in  ausgedehntem  Maße  Kriegsgerät,  Lebensmittel,  Kohlen  und  sonstige 
Kriegsbedarfsartikel  aufgespeichert.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr 
nach  dorthin  hat  fast  ganz  aufgehört.  Es  ist  daher  durchaus  begründet, 
wenn  das  Gericht  erster  Instanz  angenommen  hat,  daß  die  nach  diesem 
Hafen  bestimmten  Steinkohlen  für  den  russischen  Kriegsgebrauch  ge- 
liefert werden  sollten  und  daher  Kriegskonterbande  seien.  Dies  um  so 
mehr,  als  die  Kohlenladung  ausgewählte  Cardiffkohle  ist  und  die  Preise 
für  solche  im  Osten  so  außerordentlich  hoch  sind,  daß  außer  für  den 
Gebrauch  der  Kriegsschiffe  zur  Kriegszeit  keine  Nachfrage  dafür  vor- 
handen und  es  somit  unzweifelhaft  ist,  daß  die  Kohle  für  den  russischen 
Kriegsgebrauch  geliefert  werden  sollte. 

Der  Reklamant  sagt,  es  müsse  nach  Art  der  Präcedenzentscheidung, 
betreffend  den  „Neptunus"  auch  in  diesem  Falle  angenommen  werden, 
daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  für  friedliche  Zwecke  bestimmt 
gewesen  sei.  Aber  die  Ladung  im  „Neptun us"-Fall  und  die  des  vor- 
liegenden Falles  sind  ihrer  Art  nach  von  Grund  aus  verschieden  und 
auch  die  Verhältnisse  der  Bestimmungsorte  sind  ganz  andere.    Es    ist 

^624 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Burma*.  Abschnitt  VI»« 

daher  unfraglich,  daß  jener  Fall  nicht  als  Präcedenz  auf  den  vorliegenden 
angewandt  werden  kann. 

Daher  ist  Punkt  1  der  Berufung  unbegründet. 

2.  Da  ein  Prisengericht  bei  der  Feststellung  des  Tatbestandes  die 
Schiffspapiere,  die  Aussagen  des  Kapitäns  und  der  Besatzung  und  alle 
anderen  Tatsachen  und  Umstände  berücksichtigen  und  nach  freier  Über- 
zeugung urteilen  kann,  so  ist  der  zweite  Berufungspunkt,  in  welchem 
das  Urteil  erster  Instanz  für  unzutreffend  erklärt  wird,  weil  es  Tatsachen, 
die  außerhalb  der  Schiffspapiere  und  der  Aussagen  der  Besatzung  liegen, 
als  Material  für  die  Entscheidung  verwandt  habe,  unbegründet. 

3.  Es  ist  völkerrechtliches  Prinzip,  daß  Konterbande  schlechthin 
konfisziert  werden  kann.  Wünsche  bezüglich  Vorkaufs,  Einziehung  gegen 
Entgelt  oder  Beschlagnahme  unter  der  Bedingung  der  Entschädigung, 
wie  sie  der  Reklamant  äußert,  sind  nur  verwirklicht,  wo  besondere  ver- 
tragliche Abmachungen  vorliegen.  Im  übrigen  finden  sich  diese  Er- 
scheinungen in  Praxis  und  Theorie  nur  vereinzelt.  Keinenfalls  können 
sie  jedoch  als  völkerrechtliche  Regel  anerkannt  werden. 

Man  kann  daher  nidrt  »sagen,  daß  das  Urteil  erster  Instanz  es  in 
etwas  versehen  habe,  wenn  es  diesen  Ansichten  des  Reklamanten  nicht 
Folge  leistete.    Demnach  ist  auch  Punkt  3  der  Berufung  unbegründet. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  8.  August  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Societa  Anonima  Ungherese  di  Armamento  Maritimo 
Oriente  in  Fiume,.  Österreich-Ungarn,  vertreten  durch  die  Geschäfts- 
führer Luigi  Cosulich  und  E.  Cunradi. 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  Akiyama  Qenzo,  Kyoba- 
shiku,  Unemacho  Nr.  15. 

In  der  Prisensache,  betreffend  den  österreichischen  Dampfer 
„Burma"  wird  nach  Beendigung  der  Untersuchung,  wie  folgt,  ent- 
schieden : 

Urteilsformel: 
Es  wird  auf  Wegnahme  des  österreichisch-ungarischen  Dampfers 
„Burma"  erkannt. 

MarBtrand-Meohlenbarg,  Das  japanische  Prisenreoht.  (40)  y ^5 


Abschnitt  Vis>a  Prf sengerichtsentscheidungen :  .Burma*. 

Tatbestand  und  Gründe: 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  steht  im  Eigentum  des 
Reklamanten,  sein  Heimatshafen  ist  Fiume  in  Österreich-Ungarn  und 
er  ist  ein  Handelsschiff,  welches  die  österreichisch-ungarische  Flagge 
führt. 

Der  Dampfer  lud  auf  Qrund  eines  am  11.  November  1904  von 
dem  Reklamanten  mit  der  Firma  Mann,  George  &  Co.  in  London 
abgeschlossenen  Chartervertrags  mit  der  Bestimmung,  sie  nach  Wla- 
diwostok in  Rußland  zu  befördern,  in  Cardiff,  England,  etwa  4000  Tons 
doppelt  gesiebte  Cardiffkohle.  In  dem  Chartervertrag  und  dem  Kon- 
nossement wurden  Hongkong,  Shanghai  oder  Kiautschou  als  Be- 
stimmungsorte genannt.  Nach  dem  Konnossement  sollte  sich  der 
Empfänger  nach  Order  richten.  Am  19.  November  desselben  Jahres 
fuhr  der  Dampfer  von  Cardiff  ab  und  traf  am  9.  Januar  des  folgenden 
Jahres  in  Hongkong  ein.  Dort  erhielt  er  auf  Grund  seiner  Angaben  Aus- 
klarierung für  Kiautschou,  nahm  aber  bei  Abreise  von  dort  absichtlich 
einen  Umweg  und  versuchte  durch  die  Kunishiri-Straße  beim  Hokkaido« 
den  Soyakanal  zu  passieren.  Er  geriet  jedoch  in  Treibeis,  fuhr  nach  Süden 
und  wurde,  als  er  mit  einem  südlichen  Kurs  fuhr,  der  ihn  durch  die 
Tsugaru-Straße  nach  Wladiwostok  bringen  mußte,  am  25.  Januar  1906- 
nach  9  Uhr  abends  bei  dem  Shiokubi-Vorgebirge  von  dem  Kaiserlichen 
Torpedoboot  Nr.  30  beschlagnahmt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Stellvertreters  des  Kommandanten  des  Torpedobootes  Nr.  30,  Kapitän- 
leutnants Akiyoshi  Shoichi,  durch  die  Vernehmungsprotokolle  des 
Kapitäns  der  „Burma",  M.  V  a  1  e  n  t  i  n ,  und  des  1 .  Offiziers  Giuseppe 
P  e  k  u  1  i  c  h ,  durch  das  Schiffszertifikat,  den  Chartervertrag,  das  Kon- 
nossement, das  Tagebuch  und  die  Ausklarierungspapiere  von  Hongkong.. 

Die  Hauptpunkte  der  Reklamation  sind  folgende: 
Der  Reklamant  habe  am  11.  November  1904  in  London  mit  den 
Vertretern  des  in  Glasgow,  St.  Vincent  Street  Nr.  127  wohnhaften  Kauf- 
manns E.  A.  G r a b o w s k i ,  der  Firma  Mann,  George  &  Co.  in 
London   einen  Chartervertrag  abgeschlossen,   nach   dem   das  zur  Ver- 
handlung stehende  Schiff  zum  Transport  von  Kohle  von  Cardiff  in  Eng- 
land nach  Hongkong,  Shanghai  oder  Kiautschou  zur  Verfügung  zu  stellen 
gewesen  sei.    Wenn   das  Schiff  nach  einem  anderen  als  den   in   dem 
Chartervertrag  benannten  Bestimmungshäfen  gereist  sei,  so  sei  das  auf 
Maßnahmen  des  Charterers  oder  Absenders  hin  geschehen.   Der  Reeder 
habe  sich  daran  nicht  beteiligt  und  auch  nicht  darum  gewußt.    Da  die 
Güter  nicht  im  Eigentum  des  Reklamanten  stünden,  so  könne  das  Schiff,, 
wenn  auch  seine  Ladung  Konterbande  sei,  nicht  mit  dieser  zusammen  ein- 
gezogen werden. 

626 


Prisengerichtsentscheidungen :  .Burma'.  Abschnitt  VI  «• 

Wenn  in  den  Schiffspapieren  Wladiwostok  nicht  als  einer  der  Be- 
stimmungsorte angeführt  sei,  so  könnten  freilich  die  Papiere  dem  Vor- 
wurf der  UnVollständigkeit  nicht  entgehen,  man  könne  dies  aber  nicht 
ohne  weiteres  als  Beweis  für  das  Vorliegen  betrügerischen  Vergehens  er- 
achten. Daß  der  Dampfer  sich  in  Hongkong  Ausklarierung  nach  Ki- 
autschou  habe  geben  lassen,  sei  lediglich  zur  Erleichterung  der  Reise 
geschehen.  Daß  es  nicht  auf  Grund  eines  betrügerischen  Plans  ge- 
schehen sei,  um  der  Aufbringung  zu  entgehen,  könne  man  auch  daraus 
ersehen,  daß  nach  der  Abreise  von  Hongkong  in  dem  Tagebuch  Wla- 
diwostok als  Reiseziel  verzeichnet  worden  sei.  Selbst  aber  wenn  man 
annehme,  es  sei  geschehen,  um  die  Reise  heimlich  ausführen  zu  können, 
so  sei  dies  doch  eine  Handlung  des  Charterers  oder  des  Absenders. 
Es  liege  indes  kein  Beweis  vor,  daß  der  Reeder  darum  gewußt  habe. 

Da  die  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  keine  ab- 
solute Konterbande  sei,  so  müsse  im  vorliegenden  Fall,  wo  sie  nach 
Wladiwostok  gehe,  einem  Hafen,  der  die  Eigenschaft  sowohl  eines  Kriegs- 
wie  eines  Handelshafens  besitze,  mangels  Gegenbeweises  angenommen 
werden,  daß  sie  nach  dem  Handelshafen  Wladiwostok  befördert  und 
nicht  für  den  Kriegsgebrauch  geliefert  werden  sollte.  Daß  dies  billig 
sei,  tue  auch  die  Präcedenzentscheidung,  betreffend  die  im  englisch- 
holländischen Krieg  im  Jahre  1798  aufgebrachte  „Neptunus"  dar.  Für 
den  vorliegenden  Fall  gelte  dies  um  so  mehr,  als  die  Verwendbarkeit 
der  Ladung  sich  nicht  auf  den  Kriegsgebrauch  beschränke,  diese  viel- 
mehr auch  ganz  allgemein  im  Gewerbebetriebe  verwandt  werde. 

Aus  diesen  Gründen  werde  Freigabe  des  zur  Verhandlung 
stehenden  Schiffes  beantragt. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegshafen 
im  Osten  und  zurzeit  der  Hauptstützpunkt  für  seine  Marine  ist.  Seit 
dem  Kriege  mit  Japan  hat  die  russische  Regierung  den  Platz  zu  einem 
Hauptetappenort  gemacht,  und  sie  ist  mit  allen  Mitteln  bestrebt,  dort 
große  Kriegsvorräte  anzuhäufen.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr  hat 
dort  fast  gänzlich  aufgehört.  Wenn  daher  Kohle  oder  Lebensmittel  und 
dergleichen  Güter,  deren  Konterbandeeigenschaft  von  besonderen  Um- 
ständen abhängig  ist,  nach  Wladiwostok  beförd^-t  werden,  so  muß 
mangels  klaren  Gegenbeweises  angenommen  werden,  daß  dieselben  für 
den  Kriegsgebrauch  zu  liefern  waren.  Besonders  kann  es  bezüglich 
der  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfers,  welche  aus  aus- 
gewählter Cardiffkohle  besteht,  wie  sie  im  wesentlichen  nur  zum  Ge- 
brauch auf  Kriegsschiffen  dient,  nicht  bezweifelt  werden,  daß  sie  wirklich 
für  den  Kriegsgebrauch  bestimmt  war.  Sie  ist  daher  mit  Recht  als  Konter- 
bande anzusehen.!) 

i)  n.  Ziffer  2. 

(40*)  627 


Abschnitt  Vis2a  Prisengerichtsentscheidungen:  .Burma'. 

Was  das  von  dem  Reklamanten  angezogene  Urteil  in  dem  „Nep- 
tunus''-Fall  angeht,  so  deckt  sich  jener  Fall,  in  dem  Tierfett  nach 
Amsterdam  befördert  werden  sollte,  nicht  mit  dem  vorliegenden.  Im 
Gegenteil  kann  jenes  Urteil  viel  eher  zur  Bekräftigung  der  Annahme, 
daß  die  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  Konterbande  ist, 
geltend  gemacht  werden.  Denn  Amsterdam  hatte  damals  einen  vor- 
wiegend kommerziellen  Charakter.  Die  gegenwärtigen  Verhältnisse  von 
Wladiwostok  sind  aber,  wie  oben  dargetan,  wesentlich  verschieden.  Das 
in  dem  Urteil  erwähnte  Brest  kommt  den  gegenwärtigen  Verhältnissen 
Wladiwostoks  viel  mehr  gleich. 

Obwohl  es  bereits  vor  der  Abfahrt  von  Cardiff  bestimmt  war, 
daß  das  Schiff  nach  Wladiwostok  gehen  sollte,  geben  doch  der  Charter- 
vertrag und  das  Konnossement  die  neutralen  Häfen  Hongkong,  Shanghai 
oder  Kiautschou  als  Bestimmungsorte  an.  Auch  noch  bei  der  Ab- 
fahrt von  Hongkong  gab  der  Dampfer  fälschlich  Kiautschou  als  Reise- 
ziel an  und  erhielt  entsprechende  Ausklarierungspapiere.  Von  dort  ab- 
fahrend, nahm  er  absichtlich  einen  Umweg,  um  durch  die  Soyastraße 
nach  Wladiwostok  zu  gelangen.  Alles  dies  ist  nicht  anzusehen  als  ein 
entschuldbares  Versehen  oder  als  zur  Erleichterung  der  Reise  geschehen. 
Vielmehr  muß  man  annehmen,  daß  es  der  wohlüberlegten  List  ent- 
sprungen ist,  den  Bestimmungshafen  zu  verheimlichen,  um  so  der  Auf- 
bringung zu  entgehen. 

Wenn  sich  auch  zufälligerweise  im  Tagebuch  nach  der  Abreise 
von  Hongkong  Wladiwostok  als  Bestimmungsort  verzeichnet  findet,  so 
kann  man  nicht  daraufhin  allein  die  Fälschungen,  die  in  den  anderen 
Papieren  ausgeführt  worden  sind,  außer  acht  lassen  und  annehmen, 
das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  habe  sich  keines  betrügerischen 
Vorgehens  schuldig  gemacht.  Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer 
„Burma"  hat  demnach  unter  Anwendung  betrügerischer  Mittel  Kriegs- 
konterbande befördert. 

Die  völkerrechtliche  Wissenschaft  und  Praxis  erkennen  aber  an, 
daß  Schiffe,  welche  sich  derartigen  betrügerischen  Vorgehen^  schuldig 
machen,  gleichviel  ob  der  Reeder  hierbei  beteiligt  ist  oder  nicht,  zu- 
sammen mit  ihrer  Konterbandeladung  eingezogen  werden  können.  ^) 

Die  Ausführungen  des  Reklamanten  sind  folglich  unbegründet. 

Da  aus  den  obigen  Gründen  der  zur  Verhandlung  stehende 
Dampfer  einzuziehen  ist,  so  erübrigt  es  sich,  auf  die  weiteren  Punkte 
des  Reklamanten  einzugehen. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

«)  V.  §  44. 
628 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Burma*.  Abschnitt  VI3>* 

Verkündet  am  28.  April  1905  im  Prisengericht  zu  Yokosuka  im 
Beisein  des  Staatsanwalts  beim  Prisengericht  zu  Yokosuka  Uchida 
Shigenari. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Societa  Anonima  Ungherese  di  Armamento  Mari- 
timo  Oriente  in  Fiume,  Österreich-Ungarn,  vertreten  durch  Luigi 
C  OS  u  lieh  und  E.  Cunradi. 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  Akiyama  Genzo,  Tokio, 
Kyobashiku  Unemecho  Nr.  15. 

Am  28.  April  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Yokosuka  in  der  Prisen- 
sache betreffend  den  österreichisch-ungarischen  Dampfer  „Burma", 
welcher  am  25.  Januar  1905  bei  dem  Shiokubi- Vorgebirge  von  dem 
Kaiserlichen  Torpedoboot  Nr.  30  aufgebracht  worden  ist,  ein  Urteil 
gefällt,  in  welchem  auf  Wegnahme  des  österreichischen  Dampfers 
„Burma"  erkannt  worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  haben  die  Vertreter  des  Reklamanten,  der 
Societa  Anonima  Ungherese  di  Armamento  Maritimo  Oriente,  Luigi 
C  OS  u  lieh  und  E.  Cunradi  durch  den  Rechtsanwalt  Akiyama 
Genzo  als  Prozeßvertreter  die  Berufung  eingelegt,  welche  im  Bei- 
sein der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku  und  Ishiwatari  Bi- 
n  i  c  h  i  beim  Oberprisengericht  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Vertreters  der  Reklamation, 
Akiyama  Genzo,  sind  folgende: 

Die  Entscheidung  des  Prisengerichts  zu  Yokosuka  auf  Einziehung 
des  Dampfers  „Burma"  sei  unzutreffend.  Es  werde  Verwerfung  des- 
selben und  Freigabe  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  beantragt, 
und  zwar  aus  folgenden  Gründen: 

1.  Der  Eigentümer  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  sei  von 
dem  Ladungseigentümer  verschieden  und  habe  nicht  unter  Anwendung 
betrügerischer  Mittel  Konterbande  geladen.  Wenn  daher  auch  die 
Ladung  als  Konterbande  angesehen  werde,  so  könne  doch  das  Schiff 
nicht  eingezogen  werden. 

2.  Der  einzige  Grund,  aus  dem  das  Gericht  erster  Instanz  die 
Wegnahme  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  verfügt  habe,  sei 
der,  daß 

das  Schiff  unter  Anwendung  betrügerischer  Mittel  Kriegs- 
konterbande befördert  habe  und  daß  ein  Schiff,  welches  sich 
solchen  betrügerischen  Vorgehens  schuldig  gemacht  habe, 
gleichviel   ob   dies   unter   Beteiligung   und   mit  Wissen   des 

629 


Abschnitt  VI  32a  Prisengerichtsentscheidungen :  .Burma'. 

Reeders  geschehen  sei  oder  nicht,  mit  seiner  Konterbande- 
ladung eingezogen  werden  müsse. 
Die  Strafe  für  Konterbandetransport  sei,  wenn  die  Konterbandeladung 
nicht  im  Eigentum  des  Reeders  stehe,  lediglich  der  Verlust  an  Zeit, 
Fracht  und  Kosten;  die  Strafe  der  Einziehung  könne  indes  nicht  auf- 
erlegt werden.  Auch  sei  es  ein  Grundsatz  des  modernen  Völkerrechts, 
daß,  wenn  die  Konterbande  unter  Anwendung  betrügerischer  Mittel 
verschifft  sei,  doch  auch  das  Schiff  nur  eingezogen  werden  könne,  wenn 
es  klar  erwiesen  sei,  daß  der  Reeder  Mittäter  bei  dem  betrügerischen 
Vorgehen  sei.  Nicht  nur  England  erkenne  dies  an,  auch  die  japanische 
Prisenordnung  stehe  auf  demselben  Standpunkt.  Um  annehmen  zu 
können,  daß  ein  Schiff  unter  Anwendung  betrügerischer  Mittel  Konter- 
bande geladen  habe,  müsse  unbedingt  Beteiligung  und  Mitwissen  des 
Reeders  an  dem  betrügerischen  Vorgehen  vorliegen;  derselbe  müsse 
der  Mittäterschaft  schuldig  sein.  In  dem  vorliegenden  Fall  liege  aber 
Mittäterschaft  des  Reeders  ganz  sicher  nicht  vor.  Es  sei  daher  unrecht- 
mäßig, wenn  das  Urteil  erster  Instanz,  ohne  diese  Tatsache  zu  prüfen 
und  ohne  sich  überhaupt  darum  zu  kümmern,  ob  der  Reeder  bei  dem 
betrügerischen  Vorgehen  beteiligt  gewesen  sei  oder  nicht,  entschieden 
habe,   daß   das   Schiff   zusammen   mit  seiner   Ladung  einzuziehen   sei. 

3.  Um  auf  Grund  von  Anwendung  betrügerischer  Mittel  die  Strafe 
der  Einziehung  auferlegen  zu  können,  genüge  es  nicht,  daß  in  den 
Schiffspapieren  lediglich  der  Bestimmungsort  nicht  angegeben  sei,  es 
sei  vielmehr  außerdem  erforderlich,  daß  die  Papiere  hergestellt  seien 
mit  der  Absicht,  die  im  Kriege  begriffene  Marine  bei  der  Visitierung  und 
Durchsuchung  zu  täuschen  und  so  der  Aufbringung  zu  entgehen,  und 
daß  diese  Marine  auch  wirklich  dadurch  getäuscht  werden  könne.  Es 
lägen  aber  keinerlei  Anzeichen  vor,  daß  die  Papiere  des  zur  Verhandlung 
stehenden  Schiffs  in  der  Absicht  hergestellt  worden  seien;  auch  sei  es 
klar,  daß  mit  ihnen  der  Zweck,  der  Aufbringung  zu  entgehen,  nicht 
hätte  erreicht  werden  können.  Daher  könne  das  Schiff  nicht  eingezogen 
werden. 

4.  Der  Reeder  habe  den  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfer  zum 
Transport  von  Kohle  an  den  Ladungseigentümer  vermietet  und  im 
Chartervertrag  seien  Hongkong,  Shanghai  oder  Kiautschou  als  Be- 
stimmungshäfen festgesetzt  worden.  Der  Reeder  habe  daher  von  der 
Fahrt  nach  einem  anderen  Orte  nichts  gewußt. 

Was  den  Charakter  und  die  Wirkung  des  in  Frage  stehenden 
Chartervertrags  angehe,  so  sei  dieser  Vertrag  nach  dem  Rechte  Englands, 
wo  er  abgeschlossen  sei,  auszulegen.  Nach  dem  englischen  Recht  habe 
aber  der  Vertrag  den  Charakter  einer  Sachmiete,  und  man  müsse  an- 
nehmen, daß  der  Besitz  und  die  Verfügungsgewalt  über  das  Schiff 
für  die  Zeit  auf  den  Charterer  übergegangen  seien.     Aber  wenn  man 

630 


Prisengerlchtsentscheidungen:  3^trO^  '  Abschnitt  VI«« 

den  vorliegenden  Chartervertrag  ^Uch  lediglich  als  einen  gewöhnlichen 
Transportvertrag  ansehe,  so  sei  es  doch  offenbar,  daß  der  Wille  des 
Reeders  über  die  in  dem  Vertrag  bezeichnete  Reise  nicht  hinausgereicht 
habe.  Wenn  daher  der  Charterer  heimlich  dem  Kapitän  Order  ge- 
geben habe,  nach  Wladiwostok  zu  gehen,  und  der  Kapitän  diesen  Befehl 
ausgeführt  habe,  könne  man  nicht  behaupten,  daß  der  Reeder  an  diesem 
Vorhaben  beteiligt  sei  und  sich  bei  dem  Konterbandetransport  in  Mit- 
täterschaft gesetzt  habe.  Auch  nach  den  gewöhnlichen  Rechtsbegriffen 
könne,  wenn  auch  der  Kapitän  als  der  Stellvertreter  des  Reeders  gelte, 
•dieser  doch  für  willkürliche  Handlungen  des  Kapitäns,  welche  außer- 
halb von  dessen  gewöhnlichen  gesetzlichen  Befugnissen  lägen,  nicht 
haftbar  gemacht  werden.  Um  so  mehr  müsse  das  gelten,  wo  es  sich  um 
einen  Kriegskonterbandetransport  unter  Anwendung  betrügerischer  Mittel 
handele,  da  eine  solche  Handlung  eine  Verletzung  des  Völkerrechts  sei. 
Aus  diesen  Gründen  habe  der  Reeder  selbstverständlich  für  keinerlei  Ein- 
tragungen in  die  Schiffspapiere,  abgesehen  von  dem  Chartervertrag, 
die  Verantwortung  zu  tragen.  Selbst  einmal  angenommen,  es  wären 
falsche  Eintragungen  in  die  Schiffspapiere  gemacht,  so  könne  doch  dem 
Reeder,  solange  nicht  der  Beweis  seiner  Mittäterschaft  vorliege,  die 
Verantwortung  hierfür  nicht  auferlegt  werden. 

5.  Der  Charterer  habe  bei  der  Abreise  des  Schiffes  dem  Kapitän 
für  den  Fall,  daß  er  bei  Ankunft  in  Hongkong  keine  andere  Order  er- 
halte, Befehl  gegeben,  mit  einem  beliebigen  Kurs  nach  Wladiwostok  weiter 
zu  fahren.  Danach  zu  urteilen,  sei  damals  Wladiwostok  noch  nicht  fest  als 
Bestimmungsort  abgemacht  gewesen.  Dies  sei  erst  fest  bestimmt 
worden,  als  der  Dampfer  bei  Ankunft  in  Hongkong  keine  andere  Order 
.erhalten  habe.  Daher  könne  darin,  daß  in  dem  im  Abfahrtshafen  aus- 
gestellten Konnossement  und  Ausklarierungsschein  Hongkong  oder 
Kiautschou  als  Bestimmungsorte  bezeichnet  seien,  ein  Grund  für  Ver- 
dacht nicht  liegen,  und  man  könne  daraus  nicht  schließen,  daß  die 
Papiere  auf  einen  gefälschten  Bestimmungsort  ausgestellt  worden  seien 
in  der  Absicht,  dadurch  der  Aufbringung  durch  die  kriegführende 
JVlacht  zu  entgehen. 

Wenn  der  Dampfer  sich  in  Hongkong  Ausklarierung  für  Kiautschou 
beschafft  habe,  so  sei  das  lediglich  in  der  Befürchtung  geschehen,  daß 
zurzeit  die  englischen  Behörden  die  Reise  nach  Wladiwostok  nicht 
erlauben  würden.  Wenn  der  Dampfer  genötigt  gewesen  wäre,  um 
Ausklarierung  nach  Wladiwostok  zu  bitten,  so  hätte  er  bei  der  .abreise 
Schwierigkeiten  erfahren,  welche  er  gescheut  habe.  So  habe  er,  lediglich 
um  seine  Abfahrt  zu  erleichtern,  den  Behörden  gegenüber  eine  falsche 
Meldung  gemacht.  Daß  dies  nicht  geschehen  sei,  um  der  Aufbringung 
durch  die  japanischen  Kriegsschiffe  zu  entgehen,  gehe  auch  daraus  klar 

631 


Abschnitt  Vl^^a  Prisengerichtsentscheidungeii :  .Burma'. 

hervor,  daß  in  dem  Tagebuch  nach  der  Abreise  von  Hongkong  Wladi- 
wostok als  Reiseziel  angegeben  sei. 

Die  Ausklarierungsbescheinigung  sei  eigentlich  kein  wichtiges 
Schiffspapier.  Daß  die  verschiedenen  Staaten  ihr  kein  Gewicht  bei- 
legten, könne  man  auch  daraus  entnehmen,  daß  sie  sich  unter  den  in 
den  Artikeln  177  bis  194  der  englischen  Prisenordnung  aufgeführten 
Schiffspapieren  der  einzelnen  Staaten  Europas  und  Amerikas  nicht  finde. 
Wenn  daher  auch  in  den  fraglichen  Ausklarierungsbescheinigungen 
nicht  der  richtige  Bestimmungsort  angegeben  sei,  so  könne  man  doch 
nicht  sagen,  daß  es  den  Prinzipien  des  modernen  Völkerrechts  ent- 
spreche, wenn  man  daraufhin  dem  Schiffe  die  schwerste  Strafe  der  Ein- 
ziehung auferlege. 

6.  Die  japanische  Prisenordnung  stehe  auf  dem  Standpunkt,  daß 
Kohle  nur  als  Konterbande  gelte,  wenn  es  erwiesen  sei,  daß  sie  für  den 
feindlichen  Kriegsgebrauch  geliefert  werden  solle.  Einmal  angenommen, 
dieser  Standpunkt  entspreche  den  völkerrechtlichen  Grundsätzen,  so 
sei  doch  Wladiwostok,  der  Bestimmungsort  der  in  Frage  kommenden 
Ladung,  nicht  nur  Rußlands  einziger  Kriegshafen,  sondern  auch  sein 
einziger  Handelshafen  im  Osten.  Es  sei  daher  unrechtmäßig,  ohne 
weiteres  anzunehmen,  daß  dorthin  bestimmte  Kohle,  welche  keine  ab- 
solute Konterbande  sei,  für  den  Kriegsgebrauch  bestimmt  sei.  Es  müsse 
vielmehr  entsprechend  dem  Urteil  in  dem  „Neptunus"-Fall  im  englisch- 
holländischen Krieg  im  Jahre  1798  angenommen  werden,  daß  die  in 
Frage  stehende  Ladung  für  den  Handelshafen  Wladiwostok  bestimmt 
sei  und  für  friedlichen  Gebrauch  geliefert  werden  solle. 

Aus  diesen  Gründen  sei  die  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Schiffes  keine  Konterbande,  und  das  Schiff  könne  daher  nicht  ein- 
gezogen werden. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  beim  Prisen- 
gericht zu  Yokosuka,  Uchida  Shigenari,  sind  folgende : 

1.  Schon  vor  der  Abreise  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs 
von  Cardiff  in  England  sei  Wladiwostok  als  Bestimmungsort  festgesetzt 
worden.  In  den  Chartervertrag  und  dem  Konnossement  seien  jedoch 
die  neutralen  Häfen  Hongkong,  Shanghai  oder  Kiautschou  als  Be- 
stimmungsorte angegeben.  Auch  noch  bei  der  Abfahrt  von  Hongkong 
sei  fälschlich  Kiautschou  als  Bestimmung  angegeben  und  eine  ent- 
sprechende Ausklarierung  erwirkt  worden.  Nach  der  Abreise  von  dort 
habe  der  Dampfer  absichtlich  einen  Umweg  genommen,  um  durch  die 
Soyastraße  nach  Wladiwostok  zu  gelangen.  Alles  dies  sei  weder  auf 
entschuldbares  Versehen  zurückzuführen  noch  auf  die  Absicht,  die  für 
die  Reise  bequemere  Route  zu  nehmen.  Vielmehr  sei  die  Verheimlichung 
des  Bestimmungsorts  eine  List,  durch  welche  man  der  Aufbringung  durch 
die  japanische  Marine  zu  entgehen  gehofft  habe.     Es  sei  bekannt,  daß 

632 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Burma'.  Abschnitt  Vis>^ 

Wladiwostok,  der  Bestimmungsort  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Schiffs,  zurzeit  Rußlands  einziger  Kriegshafen  im  Osten  und  der  Haupt- 
stützpunkt für  seine  Flotte  sei.  Seit  dem  Kriege  habe  die  russische  Re- 
gierung diesen  Platz  zu  einem  Hauptetappenort  gemacht  und  häufe 
dort  mit  allen  Kräften  Kohle,  Kriegswaffen  und  -Gerät  und  sonstige 
Kriegsbedarfsartikel  an.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr  habe  dort 
fast  ganz  aufgehört.  Wenn  daher  nach  diesem  Platz  Kohle  befördert 
werde,  so  sei  es  billig,  mangels  klaren  Gegenbeweises  anzunehmen, 
daß  sie  für  den  Kriegsgebrauch  geliefert  werden  solle.  Besonders  im 
vorliegenden  Fall,  wo  die  Ladung  doppelt  gesiebte  Cardiff kohle  sei, 
wie  sie  im  Osten  ausschließlich  von  der .  Kriegsmarine  verwandt  werde, 
müsse  man  mit  Recht  annehmen,  daß  sie  sicher  für  den  Kriegsgebrauch 
zu  liefern  und  daher  Konterbande  sei. 

Da  demnach  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  zur  Beförderung 
von  Konterbande  unter  Verwendung  betrügerischer  Mittel  gedient  habe, 
so  könne  es  nach  völkerrechtlichen  Regeln,  gleichgültig  ob  der  Reeder 
an  dem  betrügerischen  Vorgehen  beteiligt  gewesen  sei  oder  nicht,  mit- 
samt seiner  Konterbandeladung  der  Einziehung  nicht  entgehen. 

2.  Die  Reederei  des  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfers  habe 
dem  Kapitän  Order  gegeben,  das  Schiff  nach  Cardiff  zu  bringen,  Kohle 
zu  laden  und  dieselbe  nach  Hongkong  und  Wladiwostok  zu  befördern. 
In  dem  Chartervertrag  jedoch,  der  doch  mit  Beteiligung  des  Reeders 
aufgestellt  sein  müsse,  seien  Hongkong,  Shanghai  oder  Kiautschou  als 
Bestimmungsorte  angegeben.  Danach  müßten  diese  Eintragungen  in 
den  Schiffspapieren  als  betrügerisch  betrachtet  werden. 

Selbst  aber  einmal  angenommen,  der  Reeder  sei  an  der  Fälschung 
der  Schiffspapiere  nicht  beteiligt  gewesen,  so  machten  doch  die  völker- 
rechtliche Wissenschaft  und  Praxis  im  Falle,  daß  ein  Schiff  unter  An- 
wendung betrügerischer  Mittel  Konterbande  befördere,  keinen  Unter- 
schied in  der  Strafe  danach,  ob  der  Reeder  Mittäter  sei  oder  nicht. 

3.  Die  Fälschung  des  Bestimmungsorts  sei  in  ihrer  Wirkung  am 
schädlichsten,  und  das  Schiff  habe  den  Versuch,  mit  großem  Umweg 
die  Soyastraße  zu  passieren,  in  keiner  anderen  Absicht  gemacht,  als 
um  durch  diese  List  der  Aufbringung  zu  entgehen.  Daher  sei  es 
recht,  daß  das  Schiff,  weil  es  sich  betrügerischen  Vorgehens  schuldig 
gemacht  habe,  der  Strafe  der  Einziehung  verfalle. 

Die  Punkte  4,  5  und  6  erforderten  keine  Erwiderung,  und  es 
werde  daher  aus  obigen  Gründen  Verwerfung  der  Berufung  beantragt. 
Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 
1.  Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegs- 
hafen ist.  Seit  dem  Krieg  mit  Japan  hat  Rußland  es  zum  Stützpunkt 
für  seine  Kriegsflotte  und  Hauptetappenort  gemacht.  Es  hat  dort  in 
ausgedehntem  Maße  Waffen,  Lebensmittel,  Kohlen  und  sonstige  Kriegs- 

633 


Abschnitt  VI  32a  Prfsengerichtsentscheidungen:  .Burma'. 

bedarfsartikel  aufgespeichert.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr  nach 
dorthin  hat  fast  ganz  aufgehört.  Es  ist  daher  durchaus  begründet,  wenn 
das  Gericht  erster  Instanz  angenommen  hat,  daß  die  nach  diesem  Hafen 
bestimmten  Steinkohlen  für  den  russischen  Kriegsgebrauch  geliefert 
werden  sollten  und  daher  Kriegskonterbande  seien.  Dies  um  so  mehr, 
als  die  Kohlenladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfers  aus- 
gewählte Cardiffkohle  ist  und  die  Preise  für  solche  im  Osten  so  außer- 
ordentlich hoch  sind,  daß  außer  für  den  Gebrauch  auf  Kriegsschiffen 
zur  Kriegszeit  keine  Nachfrage  dafür  vorhanden  und  es  somit  un- 
zweifelhaft ist,  daß  die  Kohle  für  den  russischen  Kriegsgebrauch  ge- 
liefert werden  sollte. 

Der  Reklamant  sagt,  es  müsse  nach  der  Art  der  Präcedenzent- 
scheidung,  betreffend  die  „Neptunus"  auch  in  diesem  Falle  angenommen 
werden,  daß  die  hier  in  Frage  stehende  Ladung  für  friedliche  Zwecke 
bestimmt  gewesen  sei.  Aber  die  Ladung  im  „Neptun us"-Fall  und  die 
des  vorliegenden  Falles  sind  ihrer  Art  nach  von  Grund  aus  verschieden, 
und  auch  die  Verhältnisse  der  Bestimmungsorte  sind  ganz  andere.  Es 
ist  daher  unfraglich,  daß  jener  Fall  nicht  als  Präcedenz  auf  den  vor- 
liegenden angewendet  werden  kann. 

2.  Das  Völkerrecht  erkennt  an,  daß  Schiffe,  wie  das  zur  Ver- 
handlung stehende,  deren  Reisezweck  der  Transport  von  Konterbande 
ist,  eingezogen  werden  können.  3)  Das  Oberprisengericht  ist  der  An- 
sicht, daß  dies  den  Verhältnissen  gerecht  wird.  Besonders  im  vor- 
liegenden Fall,  wo  die  ganze  Ladung  des  Schiffes  Konterbande  ist  und, 
obwohl  erwiesenermaßen  schon  seit  der  Abfahrt  von  England  Wla- 
diwostok das  Reiseziel  war,  der  Chartervertrag,  das  Konnossement  und 
die  Ausklarierungsscheine  einen  falschen  Bestimmungsort  angeben  und 
das  Schiff  demnach  zur  Beförderung  von  Konterbande  unter  Anwendung 
betrügerischer  Mittel  gedient  hat. 

Da  schon  nach  dem  in  den  Punkten  1  und  2  Gesagten  die  Ent- 
scheidung der  ersten  Instanz  auf  Einziehung  des  Schiffes  unfraglich  ge- 
rechtfertigt ist,  so  liegt  keine  Notwendigkeit  vor,  auf  die  einzelnen 
Punkte  der  Berufung  noch  besonders  einzugehen. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  26.  August  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


')  Anders  die  japanische  Seeprisenordnung,  §§  43,  44  (V)  und  ihre  Grundlage, 
das  englische  Manual  of  Naval  Prize  Law,  Art.  82—85. 

634 


Frisengerichtsentscheidungen:  .Burma**.  Abschnitt  VI  32b 

Reklamant:  Mann,  George  &Co.  in  London,  England,  ver- 
treten durch  den  Kapitän  des  österreichisch-ungarischen  Dampfers 
^,Burma",  M.  Valentin. 

Prozeßvertrerer:  Rechtsanwalt  AkiyamaGenzo,  Tokio,  Kyo- 
bashiku,   Unemecho  Nr.   15. 

In  der  Prisensache,  betreffend  die  Ladung  des  österreichischen 
Dampfers  „Burma'',  wird  nach  Beendigung  der  Untersuchung,  wie  folgt, 
entschieden : 

Urteilsformel: 
Es  wird  auf  Wegnahme  der  auf  dem  österreichisch-ungarischen 
Dampfer  „Burma"  verschifften  etwa  4106  Tons  Kohlen  entschieden. 

Tatbestand  undOründe: 

Die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  von  4106  Tons  doppelt  ge- 
siebter Cardiffkohle  ist  auf  Grund  des  zwischen  dem  Reklamanten  und 
der  Societa  Anonima  Ungherese  di  Armamento  Maritimo  Oriente  in 
Fiume,  Österreich-Ungarn,  abgeschlossenen  Chartervertrags  auf  dem 
dieser  Gesellschaft  gehörigen  Dampfer  „Burma''  verschifft  worden.  Am 
19.  November  fuhr  sie  mit  Bestimmung  nach  Wladiwostok  in  Rußland 
von  Cardiff  ab  und  wurde  am  25.  Januar  1905  nach  9  Uhr  abends  auf 
■der  Fahrt  nach  Wladiwostok  durch  die  Tsugaru-Straße  bei  dem  Kap 
Shiokubi  von  dem  Kaiserlichen  Torpedoboot  Nr.  30  mit  dem  genannten 
Dampfer  zusammen  beschlagnahmt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Vertreters  des  K'ommandanten  des  Torpedobootes  Nr.  30,  Kapitänleut- 
nants Akiyoshi  Shoichi,  durch  die  Vernehmungsprotokolle  des 
Kapitäns  der  „Burma",  M.  V  a  1  e  n  t  i  n ,  und  des  1 .  Offiziers  Giuseppe 
P  e  k  u  1  i  c  h  ,  durch  das  Schiffszertifikat,  den  Chartervertrag,  das  Kon- 
nossement, das  Tagebuch  und  die  Ausklarierungspapiere  von  Hongkong. 

Die  Hauptpunkte  der  Reklamation  sind  folgende: 

Die  von  dem  Reklamanten,  einem  neutralen  Staatsangehörigen, 
unternommene  Beförderung  von  Steinkohle  nach  Wladiwostok,  einem 
Hafen  einer  kriegführenden  Macht,  sei  eine  öffentliche  Handelstrans- 
aktion, welche  unter  den  Freiheiten  des  neutralen  Handelsverkehrs  stehe 
und  nicht  vom  Völkerrecht  untersagt  werde.  Auch  nach  der  japanischen 
5eeprisenordnung  sei  Kohle  keine  absolute  Konterbande.  Sie  gelte  als 
Konterbande  nur,  wenn  sie  zum  Gebrauch  der  feindlichen  Armee  oder 
iMarine  oder  auch  nach  einem  feindlichen  Ort  bestimmt  sei,  nach  dessen 
Verhältnissen  angenommen  werden  müsse,  daß  sie  zum  Gebrauch  der 
feindlichen  Armee  oder  Marine  geliefert  werden  würde,  i)  In  dem  vor- 
liegenden Fall,  wo  die  Kohle  nach  Wladiwostok  gehe,  einem   Hafen, 

VV.  §  U. 

635 


Abschnitt  Vink  Prisengeiichtsentscheidungen :  .Burma'* 

welcher  die  Eigenschaften  eines  Kriegs-  und  eines  Handelshafens  in  sich 
vereinige,  sei  es  billig  anzunehmen,  daß  sie.  nach  dem  Handelshafen 
Wladiwostok  bestimmt  und  nicht  für  Kriegszwecke  zu  liefern  sei,  es  sei 
denn,  daß  Gegenbeweis  vorliege.  Dies  tue  auch  die  Präcedenzent- 
scheidung,  betreffend  die  im  englisch-holländischen  Kriege  im  Jahre 
1798  aufgebrachte  „Neptunus",  dar.  Für  den  vorliegenden  Fall  gelte 
es  auch  um  so  mehr,  als  die  Ladung  nicht  ausschließlich  für  den  Kriegs- 
gebrauch verwendbar  sei,  sondern  auch  ganz  allgemein  im  Industrie- 
betriebe verbraucht  werde. 

Aus  diesen  Gründen  werde  Freigabe  der  zur  Verhandlung 
stehenden  Ladung  beantragt. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegshafen 
im  Osten  und  zurzeit  der  Hauptstützpunkt  für  seine  Marine  ist.  Seit 
dem  Kriege  mit  Japan  hat  die  russische  Regierung  den  Platz  zu  einem 
Hauptetappenort  gemacht  und  sie  ist  mit  allen  Mitteln  bestrebt,  dort 
große  Kriegsvorräte  anzuhäufen.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr  hat 
dort  fast  gänzlich  aufgehört.  Wenn  daher  Kohle  oder  Lebensmittel  oder 
dergleichen  Güter,  deren  Konterbandeeigenschaft  von  besonderen  Um- 
ständen abhängig  ist,  nach  Wladiwostok  befördert  werden,  so  muß 
mangels  klaren  Gegenbeweises  angenommen  werden,  daß  dieselben  für 
den  Kriegsgebrauch  zu  liefern  waren.  Besonders  kann  es  bezüglich  der 
zur  Verhandlung  stehenden  Ladung,  welche  aus  ausgewählter  Cardiff- 
kohle  besteht,  wie  sie  im  wesentlichen  nur  zum  Gebrauch  auf  Kriegs- 
schiffen dient,  nicht  bezweifelt  werden,  daß  sie  wirklich  für  den  Kriegs- 
gebrauch bestimmt  war.  Sie  ist  daher  mit  Recht  als  Konterbande  an- 
zusehen. 

Was  das  von  dem  Reklamanten  angezogene  Urteil  in  dem  „Nep- 
tunus"-Fall  angeht,  so  deckt  sich  jener  Fall,  in  dem  Tierfett  nach 
Amsterdam  befördert  werden  sollte,  nicht  mit  dem  vorliegenden.  Im 
Gegenteil  kann  man  die  Begründung  jenes  Urteils  viel  eher  zur  Be- 
kräftigung der  Annahme,  daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung 
Konterbande  ist,  geltend  machen.  Denn  Amsterdam  hatte  damals  einen 
vorwiegend  kommerziellen  Charakter.  Die  gegenwärtigen  Verhältnisse 
von  Wladiwostok  sind  aber,  wie  oben  dargetan,  wesentlich  verschieden. 
Das  in  dem  Urteil  erwähnte  Brest  kommt  den  gegenwärtigen  Ver- 
hältnissen Wladiwostoks  viel  mehr  gleich. 

Kurz,  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  ist,  weil  für  den  Ge- 
brauch der  feindlichen  Marine  bestimmt  gewesen,  als  Konterbande  an- 
zusehen. 2) 

Die  Pariser  Seerechtsdeklaration  vom  Jahre  1856  sowie  die  völker- 

^)Tl.  Ziffer  2. 
636 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Burma*.  Abschnitt  VI»^ 

rechtliche  Wissenschaft  und  Praxis  erkennen  aber  an,  daß  Konterbande, 

TK-enn  auch  unter  neutraler  Flagge  fahrend,  eingezogen  werden  kann.») 

Aus  diesen  Gründen  wird  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  26.  April  1905  im  Prisengericht  zu  Yokosuka  im 
Beisein  des  Staatsanwalts  beim  Prisengericht  zu  Yokosuka,  U  c  h  i  d  a 
Shigenari. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Mann,  George  &  Co.,  London  in  England,  ver- 
treten durch  den  Kapitän  des  österreichisch-ungarischen  Dampfers 
„Burma",  M.  Valentin. 

Prozeßvertreter: Rechtsanwalt  AkiyamaGenzo,  Tokio,  Kyo- 
bashiku,  Unemecho  Nr.  15. 

Am  28.  April  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Yokosuka  in  der  Prisen- 
sache, betreffend  die  Ladung  des  österreichisch-ungarischen  Dampfers 
,, Burma",  welcher  am  25.  Januar  1905  bei  dem  Shiokubi-Vorgebirge 
von  dem  Kaiserlichen  Torpedoboot  Nr.  30  aufgebracht  worden  ist,  ein 
Urteil  gefällt,  in  welchem  auf  Wegnahme  der  Ladung  des  österreichisch- 
ungarischen  Dampfers  „Burma",  bestehend  aus  4106  Tons  Steinkohle, 
erkannt  worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  M.  Valentin,  der  Vertreter  des  Rekla- 
manten, der  Firma  Mann,  George  &  Co.  durch  den  Rechtsanwalt 
Akiyama  Genzo  als  Prozeß  Vertreter  die  Berufung  eingelegt,  welche 
im  Beisein  der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku.und  Ishiwatari 
B  i  n  i  c  h  i  beim  Oberprisengericht  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Vertreters  der  Reklamation, 
Akiyama  Genzo,  sind  folgende: 

Das  Urteil  des  Prisengerichts  erster  Instanz  auf  Einziehung  der 
auf  dem  Dampfer  „Burma"  verschifften  Steinkohle  sei  unzutreffend.  Es 
werde  Verwerfung  dieser  Entscheidung  und  Freigabe  der  zur  Ver- 
iiandlung  stehenden  Ladung  beantragt,  und  zwar  aus  folgenden 
Oründen : 

1.  Die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  sei  nach  Wladiwostok, 
Rußlands  einzigem  Handelshafen  im  Osten  befördert  worden  und  zu 
friedlichem  Gebrauch  bestimmt  gewesen.  Daher  sei  es  unzutreffend, 
.sie  als  Konterbande  anzusehen. 

2.  Es  sei  freilich  in  neuerer  Zeit  äußerst  bestritten,  ob  Kohle  Konter- 
bande sei.    In  der  japanischen  Seeprisenordnung*)  sei  jedoch  als  Prinzip 

•)  V.  §  43.  -  *)  V.  §  14. 

637 


Abschnitt  VI  »^  Prisengerichtsentscheidungen:  »Burma'. 

anerkannt,  daß  sie  nur  als  Konterbande  gelte,  wenn  sie  erwiesenermaßen 
zum  Kriegsgebrauch  des  Feindes  habe  geliefert  werden  sollen.  Aber 
wenn  man  selbst  annehme,  daß  dies  Prinzip  mit  den  Grundsätzen  des 
Völkerrechts  übereinstimme,  so  sei  doch  der  Bestimmungshafen  der 
zur  Verhandlung  stehenden  Ladung,  Wladiwostok,  nicht  nur  Rußlands 
einziger  Kriegshafen,  sondern  auch  sein  einziger  Handelshafen  im  Osten. 
Da  an  diesem  Platze  alle  Arten  von  kaufmännischen  und  gewerblichen 
Unternehmungen  betrieben  würden  und  neutrale  Firmen  dort  Nieder- 
lassungen hätten,  so  könne  man  aus  der  Tatsache,  daß  Kohle,  welche 
nicht  absolute  Konterbande  sei,  dorthin  transportiert  werde,  nicht  ohne 
weiteres  schließen,  daß  diese  für  den  Gebrauch  der  Kriegsmacht  be- 
stimmt sei.  Auch  nach  der  Präcedenzentscheidung,  betreffend  die 
„Neptunus"  aus  dem  Kriege  zwischen  England  und  Holland  vom  Jahre 
1798  sei  es  billig,  daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  als  zur 
Einfuhr  nach  dem  Handelshafen  Wladiwostok  und  zu  friedlichem  Ge- 
brauch bestimmt  angesehen  werde. 

3.  Bezüglich  der  Behandlung  relativer  Konterbande  auf  neutralem 
Schiff  weiche  zwar  das  englische  Prinzip  von  dem  kontinentalen  in  etwas 
ab,  aber  im  großen  und  ganzen  sei  ihr  Sinn  doch  derselbe.  Nach  der 
englischen  Praxis  würden  Güter,  welche,  weil  für  die  feindlichen  Kriegs- 
schiffe oder  Truppen  bestimmt,  als  Kriegskonterbande  anzusehen  seien, 
unter  Zahlung  einer  Vergütung  eingezogen.  Nach  dem  kontinentalen 
Prinzip  sei,  wie  es  die  völkerrechtlichen  Kongresse  beschlossen  hätten, 
für  Güter,  welche  sowohl  friedlichen  als  auch  kriegerischen  Zwecken 
dienen  könnten,  wenn  sie  auf  der  Reise  nach  einem  feindlichen  Hafen 
begriffen  seien,  bestimmt,  daß  dem  kriegführenden  Staat  ihnen  gegen-^ 
über  unter  der  Bedingung  der  Vergütung  das  Beschlagnahmerecht  und 
außerdem  das  Vorkaufsrecht  zustehe.  Während  so  die  moderne  Rechts- 
praxis mit  Bezug  auf  relative  Konterbande  eine  immer  weitherziger 
werdende  Tendenz  zeige,  sei  nur  Japan  unbillig  streng,  indem  es  im 
Gegensatz  zu  den  erwähnten  Rechtsprinzipien  und  Gewohnheiten  Kohle, 
die  sowohl  friedlichen  als  kriegerischen  Zwecken  diene,  wenn  sie  nach 
einem  Platz,  der  Handelshafen  und  Kriegshafen  sei,  bestimmt  wäre,  be- 
dingungslos einziehe.  Besonders,  weil  die  japanische  Prisenordnungf 
sich  auf  den  englischen  Prinzipien  aufbaue,  sei  es  wünschenswert,  daß, 
wo  es  sich  um  neutrale  relative  Konterbandegüter  handele,  eine  billigere 
Haltung  eingenommen  werde. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  beim  Prisen- 
gericht zu  Yokosuka,  Uchida  Shigenari,  sind  folgende : 

1.  Der  Reklamant  habe  dafür,  daß  die  zur  Verhandlung  stehende 
Ladung  zu  friedlichen  Zwecken  geliefert  werden  solle,  keinerlei  Beweis 
erbracht.  Wladiwostok  sei  nun  zurzeit  Rußlands  einziger  Kriegshafen 
im  Osten  und  der  Hauptstützpunkt  für  seine  Flotte.  Seit  dem  Krieg  mit 

638 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Burma".  Abschnitt  VI32ii 

Japan  habe  die  russische  Regierung  diesen  Platz  zu  einem  Haupt- 
etappenort gemacht  und  sei  mit  allen  Kräften  bemüht,  dort  Kohle, 
Kriegswaffen  und  -Gerät  sowie  sonstige  Kriegsbedarfsgegenstände  an- 
zuhäufen. Es  sei  bekannt,  daß  der  gewöhnliche  Handelsverkehr  dort 
fast  gänzlich  aufgehört  habe.  Wenn  daher  Kohle  und  dergleichen  Güter, 
deren-  Konterbandeeigenschaft  von  besonderen  Umständen  abhängig  sei, 
nach  Wladiwostok  befördert  würden,  so  sei  es  billig,  mangels  klaren 
Gegenbeweises  anzunehmen,  daß  dieselben  für  den  Kriegsgebrauch  ge- 
liefert werden  sollten.  Dies  gelte  besonders  auch  bezüglich  der  zur  Ver- 
handlung stehenden  Ladung,  welche  aus  doppelt  gesiebter  Cardiffkohle 
bestehe,  wie  sie  im  Osten  ausschließlich  zum  Kriegsgebrauch  diene.  Auch 
habe  der  Dampfer  „Burma",  um  der  Aufbringung  durch  die  japanische 
Marine  zu  entgehen,  die  List  angewandt,  seinen  Bestimmungsort  zu  ver- 
heimlichen. Daraus  könne  man  mit  Recht  folgern,  daß  die  Kohle  wirklich 
für  den  russischen  Kriegsgebrauch  zu  liefern  gewesen  und  daher  Kriegs- 
konterbande sei.  Das  Völkerrecht  erkenne  aber  an,  daß  Konterbande, 
wenn  auch  unter  neutraler  Flagge  fahrend,  der  Einziehung  nicht  ent- 
gehen könne. 

2.  Die  Punkte  2  und  3  der  Berufung  seien  nur  eine  Erweiterung 
der  Ausführungen  des  Punktes  l',  so  daß  eine  besondere  Erörterung  der- 
selben überflüssig  sei. 

Aus  diesen  Gründen  sei  die  Berufung  zu  verwerfen. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 
1  Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegs- 
hafen ist.  Seit  dem  Krieg  mit  Japan  hat  Rußland  es  zum  Stützpunkt 
für  seine  Kriegsflotte  und  Hauptetappenort  gemacht.  Es  hat  dort  in 
ausgedehntem  Maße  Waffen,  Lebensmittel,  Kohle  und  sonstige  Kriegs- 
bedarfsartikel aufgespeichert.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr  nach 
dorthin  hat  fast  gänzlich  aufgehört.  Es  ist  daher  durchaus  begründet, 
wenn  das  Gericht  erster  Instanz  angenommen  hat,  daß  die  nach  diesem 
Hafen  bestimmten  Steinkohlen  für  den  russischen  Kriegsgebrauch  ge- 
liefert werden  sollten  und  daher  Kriegskonterbande  seien..  Dies  um  so- 
mehr,  als  die  Kohlenladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfers 
ausgewählte  Cardiffkohle  ist  und  die  Preise  für  solche  im  Osten  so  hoch 
sind,  daß  außer  für  den  Gebrauch  auf  Kriegsschiffen  zur  Kriegszeit  keine 
Nachfrage  dafür  vorhanden  und  es  somit  unzweifelhaft  ist,  daß  die  Kohle 
für  den  russischen  Kriegsgebrauch  geliefert  werden  sollte. 

Der  Reklamant  sagt,  es  müsse  nach  Art  der  Präcedenzentscheidung, 
betreffend  den  „Neptunus''-Fall  auch  in  diesem  Falle  angenommen 
werden,  daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  für  friedliche 
Zwecke  bestimmt  gewesen  sei.  Aber  die  Ladung  im  „Neptunus"-Fall 
und  die  des  vorliegenden  Falles  sind  ihrer  Art  nach  von  Grund  aus 
verschieden  und  auch  die  Verhältnisse  der  Bestimmungsorte  sind  ganz 

639» 


Abschnitt  VI  33a  Prisengeiiclitsentschef düngen :  ,M.  S.  Dollar*. 

andere.     Es  ist  daher   unfraglich,  daß  jener  Fall  nicht  als  Präcedenz 
auf  den  vorliegenden  angewandt  werden  kann. 

Daher  sind  Punkt  1  und  2  der  Berufung  unbegründet. 

2.  Es  ist  völkerrechtliches  Prinzip,  daß  Konterbande  schlechthin 
konfisziert  werden  kann.  Wünsche,  bezüglich  Vorkaufs,  Einziehung 
g;egen  Entgelt  oder  Beschlagnahme  unter  der  Bedingung  der  Ent- 
schädigung, wie  sie  der  Reklamant  äußert,  sind  nur  verwirklicht,  wo  be- 
sondere vertragliche  Abmachungen  vorliegen.  Im  übrigen  finden  sich 
diese  Erscheinungen  in  Praxis  und  Theorie  nur  vereinzelt.  Keinenfalls 
könne  sie  jedoch  als  völkerrechtliche  Regel  anerkannt  werden.  Man 
kann  daher  nicht  sagen,  daß  das  Urteil  erster  Instanz  es  in  etwas  ver- 
sehen habe,  wenn  es  diesem  Ansuchen  des  Reklamanten  nicht  Folge 
leistete.    Demnach  ist  auch  Punkt  3  der  Berufung  unbegründet. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  26.  August  1905  im  Oberprisengericht. 
(Unterschriften.) 


Reklamant:  Robert  Dollar,  Direktor  der  M.  S.  Dollar 
Dampfschiffsgesellschaft  in  Amerika,  Californien,  St.  Francisco,  California 
Street  Nr.  134. 

In  der  Prisensache,  betreffend  den  Dampfer  „M.  S.  Dollar"  und 
seine  Ladung  ist  von  der  oben  genannten  Person  mittels  eines  englisch 
abgefaßten  Schreibens  vom  2.  Februar  1905  die  Reklamation  erhoben 
worden. 

Es  wird  hierüber,  wie  folgt,  entschieden : 
Die  Reklamation  wird  abgewiesen,  i) 

Gründe: 
Nach  §  26  Absatz  3  der  Prisengerichtsordnung*)  ist  die  Ver- 
handlungssprache in  den  Prisengerichten  und  dem  Oberprisengericht 
die  japanische,  und  es  bestehen  hierüber  keine  Ausnahmebestimmungen. 
Da  aber  die  genann^te  Reklamationsschrift,  wie  oben  gesagt,  sich  der 
englischen  Sprache  bedient,  so  steht  sie  mit  der  erwähnten  Bestimmung 

^)  Diese  Sache  ist  formgerecht  zur  Reklamation  gebracht  und  entschieden  in  den 
Fällen  VI  33  b  und  c. 
2)  IV. 

640 


Prfsengerichtsentscheidungen:  „M.  S.  Dollar''.  Abschnitt  Vis**» 

in  Widerspruch  und  ist  nicht  gesetzmäßig.    Sie  kann  daher  nicht  an- 
genommen werden. 

Die  erwähnte  Reklamationsschrift  war  an  das  Prisengericht  in  Sasebo 
gerichtet.  Da  aber  die  Prisensache,  betreffend  den  Dampfer  ,.M.  S. 
Dollar"  zur  Zuständigkeit  des  unterzeichneten  Prisengerichts  gehört, 
so  ist  sie  auf  Grund  der. Überweisung  durch  das  Prisengericht  in  Sasebo 
von  dem   unterzeichneten  Gericht  behandelt  worden. 

Gegeben  im  Prisengericht  zu  Yokosuka  nach  Anhörung  des  Staats- 
anwalts bei  dem  Prisengericht  zu  Yokosuka  am  9.  März  1905. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  M.  S.  Dollar  Steamship  Company  Ltd.  in  Britisch 
Columbia,  Victoria,  vertreten  durch   den   Direktor  Robert  Dollar. 

ProzeBvertreter :  Rechtsanwalt  Akiyama  Genzo,  Tokio, 
Kyobashiku,  Unemecho  Nr.  15. 

In  der  Prisensache,  betreffend  den  englischen  Dampfer  „M.  S. 
Dollar"  wird  nach  Beendigung  der  Untersuchung,  wie  folgt,  entschieden : 

Urteilsformel: 

Es  wird  auf  Wegnahme  des  englischen  Dampfers  „M.  S.  Dollar" 
erkannt. 

Tatbestand   und   Gründe: 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „M.  S.  Dollar*'  steht  im 
Eigentum  des  Reklamanten,  sein  Heimatshafen  ist  Victoria  in  Britisch 
Columbien  und  er  ist  ein  Handelsschiff,  welches  die  englische  Flagge 
führt. 

Am  8.  Dezember  1904  hat  der  Vertreter  des  Reklamanten,  der 
Dampfergesellschaft  „M.  S.  Dollar",  in  San  Francisco  in  den  Vereinigten 
Staaten  von  Nordamerika  mit  Harry  J.  Hart  in  San  Francisco  einen 
Chartervertrag  abgeschlossen,  auf  Grund  dessen  das  Schiff  mit  Pferde- 
futter (ungefähr  26200  Bündel  Heu,  14  600  Sack  Gerste  und  32  200  Sack 
Hafer)  beladen  wurde,  um  es  nach  Wladiwostok  zu  befördern.  In  allen 
Schiffspapieren  war  Moji  als  Bestimmungsort  angegeben  und  nach  dem 
Konnossement  sollte  sich  der  Empfänger  nach  Order  bestimmen.  Am 
31.  d.  M.  fuhr  der  Dampfer  von  San  Francisco  ab  und  versuchte  durch 
die  Muchi-Straße  in  den  Soyakanal  zu  gelangen,  geriet  aber  in  Treibeis, 
ging  dann  nach  Süden  und  fuhr  in  die  Straße  von  Etorup.  In  dem 
Tagebuch,  dem  Privatschiffsjournal  und  dem  Maschinenjournal  wurde 

MarBtrand-MeohlenburgTi  Das  japanische  Prisenreobt.  (41)  \)±1 


Abschnitt  VI»k  Prisengerichtsentscheidungen:  „M.  S.  Dollar". 

die  Fahrroute  verheimlicht,  und  es  wurden  Eintragungen  gemacht,  als 
ob  der  Dampfer  direkt  von  San  Francisco  nach  der  Tsugaru-Straße  ge- 
fahren wäre.  Als  der  Dampfer  die  Straße  passiert  hatte,  und  mit  einem 
Kurs  fuhr,  der  ihn  nach  Wladiwostok  führen  mußte,  wurde  er  am  27. 
Januar  1905  bei  dem  Vorgebirge  von  Ryuhi  von  dem  Kaiserlichen 
Kriegsschiff  „Asama''  mit  Beschlag  belogt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Vertreters  des  Kommandanten  der  „Asama",  Kapitänleutnants  Kokura 
Unoske,die  Vernehmungsprotokolle  des  Genannten,  des  Kapitäns 
Charles  Gross,  anderer  Leute  der  Besatzung  und  der  Zeugen  Ed- 
ward Glarence  Davis  und  R.  Stanley  Dollar,  das  Schiffs- 
zertifikat, die  Konnossemente,  das  Ladungsverzeichnis,  die  Aus- 
klarierungspapiere von  San  Francisco,  den  Gesundheitspaß,  das  Tagebuch,, 
das  Privatschiffsjournal,  das  Maschinenjournal  und  das,  von  dem  Kapitän 
nach  Geständnis  verheimlichter  Tatsachen  herausgegebene  wahre  Privat- 
schiffsjournal und  die  Aussagen  des  Vertreters  der  Reklamation. 

Die  Hauptpunkte  der  Reklamation  sind  folgende: 

Der  Reklamant  habe  nach  dem  Chartervertrag  dem  Charterer  das 
Schiff  zum  Gütertransport  von  San  Francisco  nach  Moji  zur  Verfügung 
•gestellt.  Wenn  der  Dampfer  nach  einem  anderen  Bestimmungsort  als 
dem  in  dem  Chartervertrag  bestimmten  gefahren  sei,  so  sei  dies  eine 
Handlung  des  Charterers,  die  ohne  Beteiligung  und  Wissen  des  Reeders 
geschehen  sei.  Besonders  auch,  weil  die  Ladung  nicht  im  Eigentum  des 
Reeders  stehe,  könne,  wenn  sie  auch  Konterbande  sei,  das  Schiff  nicht 
zusammen  mit  der  Ladung  eingezogen  werden. 

Wenn  zufälligerweise  in  den  Schiffspapieren  Wladiwostok  nicht 
als  Bestimmungsort  angegeben  sei,  so  könnten  freilich  die  Papiere  dem 
Vorwurf  der  Unvollständigkeit  nicht  entgehen,  man  könne  aber  nicht 
ohne  weiteres  als  Grund  hierfür  einen  betrügerischen  Plan,  um  der  Auf- 
bringung zu  entgehen,  annehmen.  Selbst  aber  wenn  man  annehme, 
es  sei  geschehen,  um  die  Reise  heimlich  auszuführen,  so  habe  der  Char- 
terer diese  Maßnahme  mit  Rücksi-rht  auf  eine  Aufbringung  der  Ladung 
getroffen.  Diese  Belästigung  dürfe  aber  auf  das  Schiff,  dessen  Reeder 
nichts  von  der  Sache  gewußt  habe,  nicht  ausgedehnt  werden. 

Da  die  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  keine  ab- 
solute Konterbande  sei,  so  müsse  im  vorliegenden  Fall,  wo  sie  nach  Wladi- 
wostok gehe,  einem  Hafen,  der  die  Eigenschaften  sowohl  eines  Kriegs- 
wie  eines  Handelshafens  besitze,  mangels  Gegenbeweises  angenommen 
werden,  daß  sie  nach  dem  Handelshafen  Wladiwostok  befördert  und 
nicht  für  den  Kriegsgebrauch  geliefert  werden  sollte.  Daß  dies  billig 
sei,  tue  auch  die  Präcedenzentscheidung,  betreffend  die  im  englisch- 
holländischen Krieg  im  Jahre  1798  aufgebrachte  „Neptunus"  dar.    Für 

612 


Prisengeiichtsentscheldungen:  „M.  S.  Dollar".  Abschnitt  Vf^ 

den  vorliegenden  Fall  gelte  dies  auch  um  so  mehr,  als  die  Ladung  nicht 
ausschließlich   als   Pferdefutter  für  Truppenzwecke   verwendbar  sei. 

Aus  diesen  Gründen  werde  Freigabe  des  zur  Verhandlung  stehen- 
den Schiffes  beantragt. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht : 

Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegs- 
hafen im  Osten  und  zurzeit  der  Hauptstützpunkt  für  seine  Marine  ist. 
Seit  dem  Kriege  mit  Japan  hat  die  russische  Regierung  den  Platz  zu 
einem  Hauptetappenort  gemacht.  Sie  ist  mit  allen  Kräften  bemüht, 
dort  große  Kriegsvorräte  anzuhäufen.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr 
hat  dort  fast  gänzlich  aufgehört.  Wenn  daher  eine  Ladung  von  Pferde- 
futter, wie  die  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs,  deren  Konter- 
bandeeigenschaft von  besonderen  Umständen  abhängig  ist,  nach  Wladi- 
wostok befördert  wird,  so  muß  mangels  klaren  Gegenbeweises  an- 
genommen werden,  daß  dieselbe  für  den  Kriegsgebrauch  zu  liefern  war. 

Was  das  von  dem .  Reklamanten  angezogene  Urteil  in  dem  „N'ep- 
tunus''-Fall  angeht,  so  deckt  sich  jener  Fall,  in  dem  Tierfett  nach  Amster- 
dam befördert  werden  sollte,  nicht  mit  dem  vorliegenden.  Im  Gegen- 
teil kann  man  die  Begründung  jenes  Urteils  viel  eher  zur  Bekräftigung 
der  Annahme,  daß  die  hier  in  Frage  stehende  Ladung  Konterbande  ist, 
geltend  machen.  Denn  Amsterdam  hatte  damals  einen  vorwiegend 
kommerziellen  Charakter.  Die  gegenwärtigen  Verhältnisse  von  Wladi- 
wostok sind  aber,  wie  oben  dargetan,  wesentlich  verschieden.  Das 
in  dem  Urteil  erwähnte  Brest  kommt  den  gegenwärtigen  Verhältnissen 
Wladiwostoks  viel  mehr  gleich. 

Wenn. man  insbesondere  auch  die  Menge  der  Ladung  des  zur  Ver- 
handlung stehenden  Schiffes  und  die  bei  ihrer  Beförderung  angewandten 
betrügerischen  Mittel  sowie  die  Aussagen  des  Kapitäns  zusammenhält, 
so  fallen  die  Zweifel,  daß  die  Ladung  für  die  feindlichen  Truppen  be- 
fördert wurde,  mehr  und  mehr  hinweg.  Es  ist  daher  mit  Recht  an- 
zunehmen, daß  die  Ladung  Konterbande  ist.  i) 

Daß  ferner  Wladiwostok  der  Bestimmungsort  war,  geht,  wie  oben 
gesagt,  aus  den  Vernehmungsprotokollen  des  Kapitäns  und  der  übrigen 
Besatzung  hervor.  Auch  steht  es  in  dem  echten  Privatschiffsjournal 
genau  beschrieben,  wie  das  Schiff  am  23.  Januar  nördlich  von  der  Insel 
Kunishiri  in  Treibeis  geriet  und  den  Kurs  änderte.  Später  wurden  freilich 
die  wahren  Tatsachen  aufgezeichnet,  aber  in  allen,  bei  der  Aufbringung 
überlieferten  Schiffspapieren  war  Moji  als  Bestimmungshafen  bezeichnet. 
Im  Tagebuch,  im  Privatschiffsjournal  und  Maschinenjournal  war  die  bis- 
herige Reise  verheimlicht,  und  es  waren  Eintragungen  gemacht,  als  ob 
das  Schiff  von  San  Francisco  direkt  nach  der  Straße  von  Tsugaru  ge- 
fahren wäre.     Bei  der  Visitierung  durch   den   Stellvertreter  des  Kom- 

»)  IL  Ziffer  2. 

(41*)  643 


Abschnitt  VI 33b  Prisengerichtsentscheidungen:  „M.  S.  Dollar". 

mandanten  der  „Asama"  und  bei  der  Vernehmung  durch  den  mit  dem 
Fall  beauftragten  Prisenrat  haben  der  Kapitän  und  die  Mannschaft  zu- 
nächst keine  wahren  Aussagen  gemacht,  erst  nach  vielen  Vernehmungen 
nach  der  Aufbringung  gestanden  sie  die  Wahrheit.  Alles  dies  berechtigt 
hinreichend  zu  der  Annahme,  daß  ein  mit  größter  Vorsicht  durchdachter 
betrügerischer  Plan  vorgelegen  hat.  Kurz,  der  Dampfer  „M.  S.  Dollar" 
hat  unter  Anwendung  betrügerischer  Mittel  Kriegskonterbande  befördert. 

Es  ist  aber  völkerrechtlich  in  Theorie  und  Praxis  anerkannt,  daß 
solche  Schiffe,  welche  sich  betrügerischer  Mittel  bedienen,  gleichgültig 
ob  dies  unter  Beteiligung  oder  mit  Wissen  des  Reeders  geschieht  oder 
nicht,  mit  ihrer  Konterbandeladung  einzuziehen  sind.  *) 

Da  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  aus  den  obigen  Gründen 
einzuziehen  ist,  so  erübrigt  es  sich,  auf  die  weiteren  Punkte  des  Rekla- 
manten noch  weiter  einzugehen. 

Es  wird  daher,  wie  in  der  Urteilsformel,  entschieden. 

Verkündet  am  28.  April  1905  im  Prisengericht  zu  Yokosuka  im 
Beisein  des  Staatsanwalts  beim  Prisengericht  zu  Yokosuka,  Kobayashi 
Yoshio. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  The  M.  S.  Dollar  Steamship  Company  Ltd.,  Vic- 
toria, Britisch  Columbien,  vertreten  durch  Robert  Dollar. 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  Akiyama  Oenzo,  Tokio, 
Kyobashiku,  Unemecho  Nr.  15. 

Am  28.  April  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Yokosuka  in  der 
Prisensache  betreffend  den  englischen  Dampfer  „M.  S.  Dollar",  welcher 
am  27.  Januar  1905  bei  dem  Ryuhi-Vorgebirge  von  dem  Kaiseriichen 
Kriegsschiff  „Asama"  aufgebracht  worden  ist,  ein  Urteil  gefällt,  in 
welchem  auf  Wegnahme  des  englischen  Dampfers  „M.  S.  Dollar"  er- 
kannt worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  R  o  b  e  r  t  D  o  1 1  a  r  als  Vertreter  des  Rekla- 
manten, der  M.  S.  Dollar  Steamship  Company  Ltd.  durch  den  Rechts- 
anwalt Akiyama  Genzo  als  Prozeßvertreter  die  Berufung  eingelegt, 
welche  im  Beisein  der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku  und  Dr.  jur. 
Ishiwatari  Binichi  beim  Oberprisengericht  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Vertreters  der  Reklamation, 
Akiyama  Genzo,  sind  folgende : 

Das  Urteil  des  Prisengerichts  zu  Yokosuka,  welches  auf  Wegnahme 
des  Dampfers  „M.  S.  Dollar"  erkenne,  sei  unrechtmäßig.    Es  werde  Auf- 

614 


Prisengerichtsentscheidungen:  „M.  S.  Dollar''.  Abschnitt  Vl^sk 

hebung  desselben  und  Freigabe  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes 
beantragt,  und  zwar  aus  folgenden  Gründen : 

1.  Der  Eigentümer  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  sei  von 
dem  Ladungseigentümer  verschieden  und  habe  nicht  unter  Anwendung 
betrügerischer  Mittel  Konterbande  geladen.  Wenn  daher  auch  die 
Ladung  als  Konterbande  angesehen  werde,  so  könne  doch  das  Schiff  nicht 
eingezogen  werden. 

2.  Der  einzige  Grund,  aus  dem  das  Gericht  erster  Instanz  die 
Wegnahme  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  verfügt  habe,  sei 
der,  daß 

das   Schiff    unter   Anwendung   von    betrügerischen   Mitteln 
Kriegskonterbande    befördert    habe,    und    daß    ein    Schiff, 
welches  sich  solchen  betrügerischen  Vorgehens  schuldig  ge- 
macht habe,  gleichviel  ob  dies  unter  Beteiligung  und  mit 
Wissen   des  Reeders  geschehen  sei   oder  nicht,  mit  seiner 
Konterbandeladung  eingezogen  werden  müsse. 
Die  Strafe  für  Konterbandetransport  sei,  wenn  die  Konterbandeladung 
nicht  im   Eigentum  des  Reeders  stehe,  lediglich  der  Verlust  an  Zeit, 
Fracht  und  Kosten;  die  Strafe  der  Einziehung  könne  indes  nicht  auf- 
erlegt werden.    Auch  sei  es  ein  Grundsatz  des  modernen  Völkerrechts, 
daß,   wenn   die   Konterbande   unter   Anwendung  betrügerischer  Mittel 
verschifft  sei,  auch  das  Schiff  nur  eingezogen  werden  könne,  wenn  es 
klar  erwiesen  sei,  daß  der  Reeder  Mittäter  bei  dem  betrügerischen  Vor- 
gehen sei.  'Nicht  nur  England  erkenne  djes  an,  auch  die  japanische 
Prisenordnung  stehe  auf  demselben  Standpunkt. 

Um  annehmen  zu  können,  daß  ein  Schiff  unter  Anwendung  be- 
trügerischer Mittel  Konterbande  geladen  habe,  müsse  unbedingt  Be- 
teiligung und  Mitwissen  des  Reeders  an  dem  betrügerischen  Vorgehen 
vorliegen;  derselbe  müsse  der  Mittäterschaft  schuldig  sein.  In  dem  vor- 
liegenden Fall  liege  aber  Mittäterschaft  des  Reeders  ganz  sicher  nicht 
vor.  Es  sei  daher  unrechtmäßig,  wenn  das  Urteil  erster  Instanz,  ohne 
diese  Tatsache  zu  prüfen  und  ohne  sich  überhaupt  darum  zu  kümmern, 
ob  der  Reeder  bei  dem  betrügerischen  Vorgehen  beteiligt  gewesen  sei 
oder  nicht,  entschieden  habe,  daß  das  Schiff  zusammen  mit  seiner 
Ladung  einzuziehen  sei. 

3.  Um  auf  Grund  von  Anwendung  betrügerischer  Mittel  die  Strafe 
der  Einziehung  auferlegen  zu  können,  genüge  es  nicht,  daß  in  den 
Schiffs  papieren  lediglich  der  Bestimmungsort  nicht  angegeben  sei,  es 
sei  vielmehr  erforderlich,  daß  die  Papiere  hergestellt  seien  mit  der  Ab- 
sicht, die  im  Kriege  begriffene  Marine  bei  der  Visitierung  und  Durch- 
suchung zu  täuschen,  um  so  der  Aufbringung  zu  entgehen,  und  daß 
diese  Marine  auch  wirklich  dadurch  getäuscht  werden  könne. 

645 


Abschnitt  Vl^'b  Prisengerichtsentscheidungen:  „M.  S.  Dollar'^ 

Es  lägen  aber  keinerlei  Anzeichen  vor,  daß  die  Papiere  des  zur 
Verhandlung  stehenden  Schiffs  in  der  Absicht  hergestellt  worden  seien  ; 
auch  sei  es  klar,  daß  mit  ihnen  der  Zweck,  der  Aufbringung  zu  entgehen, 
nicht  habe  erreicht  werden  können.  Daher  könne  das  Schiff  nicht 
eingezogen  werden. 

4.  Der  Reeder  habe  den  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfer  zum 
Transport  von  Gerste,  Hafer  und  Heu  an  den  Ladungseigentümer  ver- 
mietet und  in  dem  Chartervertrag  sei  Moji  in  Japan  als  Bestimmungs- 
ort festgesetzt  worden.  Der  Reeder  habe  daher  von  einer  Fahrt  nach 
einem  anderen  Orte  nichts  gewußt. 

Was  den  Charakter  und  die  Wirkung  des  in  Frage  stehenden 
Chartervertrags  angehe,  so  sei  dieser  Vertrag  nach  dem  Rechte  Eng- 
lands, wo  er  abgeschlossen  sei,  auszulegen ;  nach  dem  englischen  Rechte 
habe  aber  der  Vertrag  den  Charakter  einer  Sachmiete,  und  man  müsse 
annehmen,  daß  der  Besitz  und  die  Verfügungsgewalt  über  das  Schiff 
für  die  Zeit  auf  den  Charterer  übergegangen  seien.  Aber  auch  wenn  man 
in  dem  vorliegenden  Chartervertrag  lediglich  einen  gewöhnlichen 
Transportvertrag  erblicke,  so  sei  es  doch  offenbar,  daß  der  Wille  des 
Reeders  über  die  in  dem  Vertrag  bezeichnete  Reise  nicht  hinausgereicht 
habe.  Wenn  daher  der  Charterer  heimlich  dem  Kapitän  Order  gegeben 
habe,  nach  Wladiwostok  zu  gehen,  und  der  Kapitän  diesen  Befehl  aus- 
geführt habe,  könne  man  nicht  behaupten,  daß  der  Reeder  an  diesem 
Vorhaben  beteiligt  sei  und  bei  dem  Konterbandetransport  in  Mittäter- 
schaft stehe.  Auch  nach  den  gewöhnlichen  Rechtsbegrifjen,-  könne, 
wenn  auch  der  Kapitän,  als  der  Stellvertreter  des  Reeders  gelte,  dieser 
doch  für  willkürliche  Handlungen  des  Kapitäns,  welche  außerhalb  von 
dessen  gewöhnlichen  gesetzlichen  Befugnissen  lägen,  nicht  haftbar  ge- 
macht werden.  Um  so  mehr  müsse  das  gelten,  wo  es  sich  um  einen 
Kriegskonterbandetransport  unter  Anwendung  betrügerischer  iMittel  han- 
dele, da  eine  solche  Handlung  eine  Verletzung  des  Völkerrechts  sei. 
Aus  diesen  Gründen  habe  der  Reeder  selbstverständlich  für  keinerlei 
Eintragungen. in  die  Schiffspapiere,  abgesehen  von  dem  Chartervertrag, 
die  Verantwortung  zu  tragen.  Selbst  einmal  angenommen,  es  wären 
fälschliche  Eintragungen  in  die  Schiffspapiere  gemacht,  so  könne  doch 
dem  Reeder,  solange  nicht  der  Beweis  seiner  Mittäterschaft  vorliege, 
die  Verantwortung  hierfür  nicht  auferlegt  werden. 

5.  Die  japanische  Seeprisenordnung  stehe  auf  dem  Standpunkt, 
daß  Gerste,  Hafer  und  Heu  nur  dann  als  Konterbande  gälten,  wenn 
es  erwiesen  sei,  daß  sie  zum  Kriegsgebrauch  des  Feindes  geliefert  werden 
sollten.  Einmal  angenommen,  dieser  Standpunkt  entspreche  den  völker- 
rechtlichen Grundsätzen,  so  sei  doch  Wladiwostok,  der  Bestimmungs- 
ort der  zur  Verhandlung  stehenden  Ladung,  nicht  nur  Rußlands  ein- 
ziger Kriegshafen,  sondern  auch  sein  einziger  Handelshafen  im  Osten. 


Prisengerfchtsentscheidungen:  „M.  S.  Dollar''.  Abschnitt  Vis^k 

Es  sei  daher  unrechtmäßig,  ohne  weiteres  anzunehmen,  daß  Gerste, 
Hafer  und  Heu,  welche  nicht  absolute  Konterbande  seien,  für  den 
Kriegsgebrauch  bestimmt  seien.  Es  müsse  vielmehr  entsprechend  dem 
Urteil  in  dem  „Neptunus"-Fall  im  englisch-holländischen  Krieg  im  Jahre 
1798  angenommen  werden,  daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung 
für  den  Handelshafen  Wladiwostok  bestimmt  gewesen  sei  und  für  fried- 
lichen Gebrauch  habe  geliefert  werden  sollen. 

Demnach  sei  die  Ladung  keine  Konterbande  und  das  Schiff,  auf 
•dem  sie  verladen  sei,  könne  folglich  nicht  eingezogen  werden. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  beim  Prisen- 
gericht zu  Yokosuka,  Kobayashi  Yoshio,  sind  folgende: 

1.  Das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  habe  eine  volle  Ladung 
von  Pferdefutter  eingenommen,  um  sie  nach  Wladiwostok,  dem  Haupt- 
stapelplatz des  Feindes  für  Kriegsbedarfsartikel  zu  befördern.  Dabei 
habe  es  in  dem  Ladungsverzeichnis,  dem  Chartervertrag,  dem  Konnosse- 
ment und  dem  Ausklarierungsschein  immer  Mo^i  als  den  Hafen,  nach 
dem  die  Ladung  befördert  werden  solle,  angegeben.  Außerdem  sei 
in  dem  Tagebuch,  dem  Privatschiffsjournal  und  dem  Maschinenjournal 
die  Reise  über  die  Chishima-Inselgruppe  nach  der  Soyastraße'  nicht 
verzeichnet  worden,  vielmehr  stehe  dort,  daß  das  Schiff  vom  Ausgangs- 
hafen andauernd  mit  demselben  Kurs  nach  der  Tsugarustraße  gefahren 
sei.    Diese  Journale  seien  überdies  verheimlicht  worden. 

Nach  allem  diesen  sei  es  zutreffend,  wenn  das  Urteil  erster  Instanz 
•entschieden  habe,  daß  das  Schiff  sich  bei  einem  Transport  von  Konter- 
bande betrügerischer  Mittel  bedient  habe  und  daß  es  daher  einzu- 
ziehen sei. 

2.  Aus  der  Urteilsschrift  des  Urteils  erster  Instanz  ergebe  sich  klar, 
daß  die  Entscheidung  auf  Einziehung  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Schiffes  auf  die  Tatsache  gegründet  sei,  daß  in  wichtigen  Schiffspapieren, 
wie  dem  Chartervertrag  und  anderen,  für  die  Konterbandeeigenschaft  der 
Ladung  wichtige  Tatumstände  wie  der  Bestimmungsort  und  dergleichen 
gefälscht  worden  seien.  Da  der  Chartervertrag  allgemein  zwischen  Idem 
Reeder  und  dem  Charterer  abgeschlossen  werde,  sei  es  unfraglich,  daß 
der  Reeder  in  dieser  Sache  an  dem  betrügerischen  Vorgehen  beteiligt 
gewesen  sei,  und  so  erübrige  es  sich,  zu  entscheiden,  ob  es  für  die 
Einziehung  erforderlich  sei,  daß  ein  Reeder  an  dem  betrügerischen  Vor- 
gehen teilgenommen  habe,  oder  nicht. 

3.  In  dem  Chartervertrag  und  dem  Konnossement  des  zur  Ver- 
handlung stehenden  Schiffes  sei  als  Bestimmungsort  der  Ladung  Moji 
angegeben.  Wenn  man,  um  die  Wahrheit  dieser  Eintragung  fest- 
zustellen, das  Tagebuch  und  das  Privatschiffsjournal  prüfe,  so  finde  man 
freilich  überall  Eintragungen,  als  ob  das  Schiff  vom  Ausgangshafen  die 
gewöhnliche  Route  nach  Moji  gefahren  wäre.  Wenn  diese  Eintragungen 

647 


Abschnitt  VI  33k  Pri8engericht8ent8cheidungen :  „M.  S.  Dollar'^ 

über  die  Reise  wahr  wären,  so  müßte  man  annehmen,  daß  auch  die  An- 
gaben in  den  Ladungspapieren  wahr  wären,  und  müßte  entscheiden, 
daß  das  Schiff  und  seine  Ladung  freizugeben  seien.  Da  es  aber  durch 
das  Geständnis  des  Kapitäns  und  durch  das  von  ihm  verborgen  ge- 
haltene Privatschiffsjournal  erwiesen  sei,  daß  alle  diese  Eintragungen 
fälschlich  seien,  sei  es  zutreffend,  wenn  das  Urteil  erster  Instanz  auf 
Einziehung  des  Schiffes  entscheide,  weil  in  diesen  wichtigen  Schiffs- 
papieren fälschliche  Eintragungen  gemacht  worden  seien. 

4.  Der  Chartervertrag  sei  keine  Sachmiete.  Daher  sei  auch  der 
Kapitän  selbstverständlich  nicht  den  Orders  des  Charterers  unterworfen, 
und  der  Reklamant  könne  mit  der  Behauptung,  der  Kapitän  sei  wider  die 
Befehle  des  Reeders  und  in  Befolgung  der  Order  des  Charterers  will- 
kürlich nicht  nach  Moji  sondern  nach  Wladiwostok  gefahren,  nichts, 
begründen. 

Aus  diesen  Gründen  müsse  die  Berufung  abgewiesen  werden. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

L  Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegshafen 
ist.  Seit  dem  Kriege  mit  Japan  hat  es  denselben  zum  Stützpunkt  für 
seine  Kriegsflotte  und  Hauptetappenort  gemacht.  Es  hat  dort  in  aus- 
gedehntem Maße  Kriegsgerät,  Lebensmittel,  Kohle  und  sonstige  Kriegs- 
bedarfsartikel aufgespeichert.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr  nach 
dort  hat  fast  ganz  aufgehört. 

Wenn  man  daher  die  auf  dem  zur  Verhandlung  stehenden  Schiff 
verladene  Menge  von  Gerste,  Hafer  und  Heu  erwägt  und  sich  überlegt, 
daß  das  Schiff  versucht  hat,  die  gefährliche  Route  durch  den  Soyakanal 
zu  nehmen,  und  sich  dabei  betrügerischer  Mittel  bedient  hat,  so  wird 
es  offenbar,  daß  die  Ladung  jedenfalls  als  Pferdefutter  für  den  russischen 
Kriegsgebrauch  geliefert  werden  sollte,  und  es  ist  durchaus  zutreffend, 
wenn  das  Gericht  erster  Instanz  dieselbe  als  Konterbande  erachtet  hat. 

Der  Reklamant  sagt,  es  müsse  nach  Art  der  Präcedenzentscheidung, 
betreffend  die  „Neptunus'',  auch  in  diesem  Falle  angenommen  werden, 
daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  für  friedliche  Zwecke  be- 
stimmt gewesen  sei.  Da  aber  die  Verhältnisse  des  Bestimmungsorts  im 
„Neptun us''-Fall  und  im  vorliegenden  Fall  von  Grund  aus  verschieden 
sind,  so  ist  es  unfraglich,  daß  jener  Fall  nicht  als  Präcedenz  auf  den 
vorliegenden  angewandt  werden  kann. 

2.  Das  Völkerrecht  erkennt' an,  daß  Schiffe,  wie  das  zur  Ver- 
handlung stehende,  deren  Reisezweck  der  Transport  von  Konterbande 
ist,  eingezogen  werden  können.  ^)  Auch  das  Oberprisengericht  ist  der 
Ansicht,  daß  dies  den  Verhältnissen  gerecht  wird.  Besonders  im  vor- 
liegenden Fall,  wo  die  ganze  Ladung  des  Schiffes  Konterbande  ist  und,. 

*)  Anders  die  japanische  Seeprisenordnung,  §§  43,  44  (V;  und  ihre  Grundlage^ 
das  englische  Manual  of  Naval  Prize  Law,  Art.  82—85. 

648 


Prisengerichtsentscheidungen:  ,,M.  S.  Dollar'*.  Abschnitt  VI33e 

obwohl  erwiesenermaßen  schon  seit  der  Abfahrt  von  San  Francisco  das 
Reiseziel  Wladiwostok  war,  der  Chartervertrag  und  die  anderen  Schiffs- 
papiere einen  falschen  Bestimmungsort  angeben  und  das  Schiff  demnach 
zur  Beförderung  von  Konterbande  unter  Anwendung  betrügerischer 
Mittel  gedient  hat. 

Da  schon  nach  dem  in  den  Punkten  1  und  2  Gesagten  die  Ent- 
scheidung der  ersten  Instanz  auf  Einziehung  des  Schiffes  unfraglich 
gerechtfertigt  ist,  so  liegt  kein  Bedürfnis  vor,  auf  die  einzelnen  Punkte, 
der  Berufung  besonders  einzugehen. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden : 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  26.  August  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Harry  J.  Hart,  wohnhaft  in  den  Vereinigten* 
Staaten  von  Nordamerika,  Californien,  San  Francisco. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  AkiyamaGenzo,  Tokio,  Kyo- 
bashiku,  Unemecho  .Nr.  15. 

In  der  Prisensache,  betreffend  die  Ladung  des  englischen  Dampfers- 
„N[.  S.  Dollar"  wird  nach  Beendigung  der  Untersuchung,  wie  folgt,  ent- 
schieden : 

Urteilsformel: 

Es  wird  auf  Wegnahme  der  Ladung  des  englischen  Dampfers  „M. 
S.  Dollar",  bestehend  aus  etwa  26200  Bündeln  Heu,  14  600  Sack  Gerste 
und  32  200  Sack  Hafer,  erkannt. 

Tatbestand  und  Gründe: 
Die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  des  Dampfers  „M.  S.  Dollar" 
ist  von  dem  Reklamanten  versandt  worden  und  besteht  aus  Gütern,  die 
alle  als  Pferdefutter  verwandt  werden  sollten.  Im  einzelnen  sind  vor- 
handen: etwa  26  200  Bündel  Heu,  14  600  Sack  Gerste  und  32  200  Sack 
Hafer.  Um  diese  Güter  nach  Wladiwostok  zu  schaffen,  hat  der  Rekla- 
mant am  28.  Dezember  1904  in  San  Francisco,  Californien,  Vereinigte 
Staaten  von  Nordamerika,  mit  dem  Vertreter  des  Reklamanten,  der 
Reederei  des  Dampfers  „M.  S.  Dollar",  der  M.  S.  Dollar  Steamship  Com- 
pany, einen  Chartervertrag  geschlossen,  auf  Grund  dessen  der  genannte 
Dampfer  in  San  Francisco  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  lud. 
In  dem  Konnossement  und  dem  Ladungsverzeichnis  wurde  Moji  als  Be- 

649 


Abschnitt  VI33e  Prisengerichtsentscheidungen:  „M.  S.  Dollar". 

Stimmungsort  angegeben,  und  nach  dem  Konnossement  sollte  sich  der 
Empfänger  nach  Order  richten.  Am  31.  d.  Mts.  fuhr  der  Dampfer  von 
San  Francisco  nach  Wladiwostok  ab  und  wurde,  als  er  einen  Kurs  steuerte, 
•der  ihn  durch  die  Tsugaru-Straße  nach  Wladiwostok  führen  sollte,  am 
27.  Januar  1905  in  der  Nähe  des  Vorgebirges  von  Ryuhi  von  dem  Kaiser- 
lichen Kriegsschiff  „Asama''  zusammen  mit  den  zur  Verhandlung 
stehenden  Gütern  beschlagnahmt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Vertreters  des  Kommandanten  der  „Asama'',  Kapitänleutnants  Kokura 
Unoske,  die  Vernehmungsprotokolle  des  Genannten,  des  Kapitäns  des 
Dampfers  „M.  S.  Dollar",  Charles  Gross,  und  der  Besatzung  sowie 
•des Zeugen  EdwardGlarenceDavis,  den  Chartervertrag,  das  Kon- 
nossement, das  Ladungsverzeichnis,  das  Tagebuch  und  das  Privatschiffs- 
journal. 

Die  Hauptpunkte  der  Reklamation  sind  folgende: 

Die  von  dem  Reklamanten  unternommene  Beförderung  von  Gerste, 
Heu  und  Hafer  nach  Wladiwostok,  einem  Hafen  einer  kriegführenden 
Macht,  sei  eine  rechtmäßige  Handelstransaktion,  welche  die  Freiheiten 
des  neutralen  Handelsverkehrs  genieße. 

Güter,  wie  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung,  seien  ihrer  Art 
nach  keine  Konterbande,  sondern  könnten  lediglich,  wenn  sie  als  Pferde- 
futter für  die  feindlichen  Truppen  bestimmt  seien,  als  solche  angesehen 
werden.  Ob  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  aber  als  Pferdefutter 
an  die  feindlichen  Truppen  zu  liefern  gewesen  wäre,  sei  eine  Tatfrage, 
und  in  dem  vorliegenden  Fall,  wo  der  Bestimmungsort  Wladiwostok 
sei,  ein  Hafen,  welcher  die  Eigenschaften  eines  Kriegs-  und  Handelshafens 
in  sich  vereinige,  sei  es  billig  anzunehmen,  daß  sie  nach  dem  Handels- 
hafen Wladiwostok  bestimmt  und  nicht  für  Kriegszwecke  zu  liefern  ge- 
wesen sei,  solange  nicht  besonderer  Beweis  dafür  vorliege,  daß  sie  für 
den  Kriegsgebrauch  bestimmt  gewesen  sei.  Das  tue  auch  die  Präcedenz- 
-entscheidung,  betreffend  die  im  englisch-holländischen  Kriege  im  Jahre 
1798  aufgebrachte  „Neptunus''  dar.  Für  den  vorliegenden  Fall  gelte 
•dies  um  so  mehr,  als  die  Ladung  nicht  ausschließlich  als  Pferdefutter  für 
Truppenzwecke  verwendbar  sei. 

Selbst  angenommen,  das  Eigentum  an  der  Ladung  sei  bereits, 
während  sie  nach  dem  feindlichen  Gebiet  befördert  worden  sei,  auf  den 
Empfänger  im  Feindesland  übergegangen,  und  sie  habe  daher  feind- 
Hchen  Charakter,  so  könne  sie  doch  nicht  eingezogen  werden,  weil  sie 
unter  neutraler  Flagge  verschifft  worden  sei. 

Aus  diesen  Gründen  werde  Freigabe  der  zur  Verhandlung 
stehenden  Ladung  beantragt. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

'650 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Hl.  S.  Dollar''.  Abschnitt  VI^So 

Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegs- 
hafen im  Osten  und  zurzeit  der  Hauptstützpunkt  für  seine  Marine  ist. 
Seit  dem  Kriege  mit  Japan  hat  die  russische  Regierung  den  Platz  zu 
einem  Hauptetappenort  gemacht  und  ist  mit  allen  Kräften  bestrebt,  dort 
•große  Kriegsvorräte  anzuhäufen.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr  hat 
•dort  fast  gänzlich  aufgehört.  Wenn  daher  eine  Ladung  wie  die  zur 
Verhandlung  stehende,  deren  Konterbandeeigenschaft  von  besonderen 
Umständen  abhängig  ist,  nach  Wladiwostok  befördert  wird,  so  muß 
mangels  klaren  Gegenbeweises  angenommen  werden,  daß  dieselbe  für 
•den  Kriegsgebrauch  zu  liefern  war. 

Was  das  von  dem  Reklamanten  angezogene  Urteil  in  dem  „Nep- 
tunus"-Fall  angeht,  so  deckt  sich  jener  Fall,  in  dem  Tierfett  nach 
Amsterdam  befördert  werden  sollte,  nicht  mit  dem  vorliegenden.  Im 
Gegenteil  kann  man  die  Begründung  jenes  Urteils  viel  eher  zur  Be- 
kräftigung der  Annahme,  daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung 
Konterbande  ist,  geltend  machen.  Denn  Amsterdam  hatte  damals  einen 
vorwiegend  kommerziellen  Charakter.  Die  gegenwärtigen  Verhältnisse 
von  Wladiwostok  sind  aber,  wie  oben  dargetan,  wesentlich  verschieden. 
Das  in  dem  Urteil  erwähnte  Brest  kommt  den  gegenwärtigen  Verhält- 
nissen Wladiwostoks  viel  mehr  gleich. 

Wenn  man  im  besonderen  auch  die  Menge  der  zur  Verhandlung 
stehenden  Ladung  und  die  bei  ihrer  Beförderung  angewandten  be- 
trügerischen Mittel  sowie  die  Aussagen  des  Kapitäns  zusammenhält,  so 
fallen  die  Zweifel,  daß  die  Ladung  für  die  feindlichen  Truppen  be- 
fördert wurde,  mehr  und  mehr  hinweg.  Es  ist  daher  mit  Recht  an- 
zunehmen, daß  die  Ladung  Konterbande  ist.  i) 

Daß  aber  Konterbande,  wenn  auch  unter  neutraler  Flagge  fahrend,  . 
eingezogen  werden  kann,  ist  von  der  Pariser  Seerechtsdeklaration   vom 
Jahre  1856    sowie  von  der  völkerrechtlichen  Wissenschaft  und  Praxis 
.anerkannt.*) 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  28.  April  1905  im  Prisengericht  zu  Yokosuka  im 
Beisein  des  Staatsanwalts  beim  Prisengericht  zu  Yokosuka,  Kobayashi 
Y  o  s  h  i  o. 

(Unterschriften.) 


»)  II.  Ziffer  2.  —  ^j  y.  §  43. 

651 


Abschnitt  VI3do  Prisengerichtsentscheidungen:  „M.  S.  Dollar''^ 

Reklamant:  Harry  J.  Hart,  San  Francisco,  Californien,  Ver- 
einigte Staaten  von  Nordamerika. 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  AkiyamaGenzof  Tokio,  Kyo- 
bashiku,  Unemecho  Nr.  15. 

Am  28.  April  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Yokosuka  in  der  Prisen- 
sache, betreffend  die  Ladung  des  englischen  Dampfers  „M.  S.  Dollar'% 
welcher  am  27.  Januar  1905  bei  dem  Ryuhi-Vorgebirge  von  dem  Kaiser- 
lichen Kriegsschiff  „Asama"  aufgebracht  worden  ist,  ein  Urteil  gefällt^ 
in  welchem  auf  Wegnahme  der  auf  dem  englischen  Dampfer  „M.  S. 
Dollar''  verladenen  etwa  26  200  Bündel  Heu,  14  600  Sack  Gerste  und 
32  200  Sack  Hafer  entschieden  worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  der  Reklamant  Harry  J.  Hart  durch 
den  Rechtsanwalt  Akiyama  Genzo  als  Prozeßvertreter  die  Berufung- 
eingelegt, welche  im  Beisein  der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku 
und  Ishiwatari  Binichi  beim  Oberprisengericht  geprüft  worden  ist» 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Vertreters  der  Reklamation^ 
Akiyama  Genzo,  sind  folgende : 

Die  Entscheidung  des  Prisengerichts  in  Yokosuka  auf  Wegnahme: 
der  Ladung  des  Dampfers  „M.  S.  Dollar"  sei  unzutreffend.  Es  werde 
Aufhebung  des  Urteils  und  Freigabe  der  Ladung  beantragt,  und  zwar 
aus  folgenden  Gründen; 

1.  Die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  sei  nach  Wladiwostok^ 
Rußlands  einzigem  Handelshafen  im  Osten,  befördert  worden  und  zum 
friedlichen  Gebrauch  bestimmt  gewesen.  Daher  sei  es  unzutreffend,  sie 
als  Konterbande  anzusehen. 

2.  Es  sei  freilich  in  neuerer  Zeit  äußerst  bestritten,  ob  Gerste,  Hafer 
und  Heu  Konterbande  seien.  In  der  japanischen  Seeprisenordnung  3)> 
sei  aber  das  Prinzip  anerkannt,  daß  sie  nur  als  Konterbande  gelten,  wenn 
sie  erwiesenermaßen  zum  Kriegsgebrauch  des  Feindes  geliefert  werden 
sollten.  Aber  wenn  man  selbst  annehme,  daß  dies  Prinzip  mit  den  Grund- 
sätzen des  Völkerrechts  in  Einklang  stehe,  so  sei  doch  der  Bestimmungs- 
hafen der  zur  Verhandlung  stehenden  Ladung  Wladiwostok,  welches  so- 
wohl Rußlands  einziger  Kriegshafen  wie  auch  sein  einziger  Handelshafen 
im  Osten  sei.  Da  an  diesem  Platz  verschiedene  Arten  von  kaufmännischen 
und  gewerblichen  Unternehmungen  betrieben  würden  und  neutrale 
Firmen  dort  Niederlassungen  hätten,  so  könne  man  aus  der  Tatsache,, 
daß  Gerste,  Hafer  und  Heu,  welche  nicht  absolute  Konterbande  seien, 
dorthin  transportiert  würden,  nicht  ohne  weiteres  schließen,  daß  diese- 
für  den  Gebrauch  der  Kriegsmacht  bestimmt  seien.  Auch  nach  der  Prä- 
cedenzentscheidung,  betreffend  den  „Neptunus"-Fall  aus  dem  Kriege: 
zwischen  England  und  Holland  im  Jahre  1798  sei  es  hillig,  daß.  die  zur 

3)  V.  §  14. 

652 


Prisengerichtsentscheidungen:  „M.  S.  Dollar''.  Abschnitt  V133e 

Verhandlung  stehende  Ladung  als  zur  Einfuhr  nach  dem  Handelshafen 
Wladiwostok  und  zu  friedlichem  Gebrauch  bestimmt  angesehen  werde. 
3.  Bezüglich  der  Behandlung  relativer  Konterbande  auf  neutralem 
Schiff  weiche  zwar  das  englische  Prinzip  v^on  dem  kontinentalen  in  etwas 
4ib,  aber  im  großen  und  ganzen  sei  ihr  Sinn  doch  derselbe.    Nach  der 
englischen  Praxis  würden  Güter,  welche,  weil  für  die  feindlichen  Kriegs- 
schiffe oder  Truppen  bestimmt,  als  Kriegskonterbande  anzusehen  seien, 
4anter  Zahlung  einer  Vergütung  eingezogen.    Nach  dem  kontinentalen 
Prinzip  sei,  wie  es  die  völkerrechtlichen  Kongresse  beschlossen  hätten, 
für  Güter,  welche  sowohl  friedlichen  als  auch  kriegerischen  Zwecken 
dienen  könnten,  wenn  sie  auf  der  Reise  nach  einem  feindlichen  Hafen 
begriffen  seien,  bestimmt,  daß  dem  kriegführenden  Staat  ihnen  gegen- 
über unter  der  Bedingung  der  Vergütung  das  Beschlagnahmerecht  und 
außerdem  das  Vorkaufsrecht  zustehe.  Während  so  die  moderne  Rechts- 
praxis mit  Bezug  auf  relative  Konterbande  eine  immer  weitherziger  wer- 
dende  Tendenz   zeige,   sei    nur   Japan    unbillig   streng,    indem    es   im 
Gegensatz  zu  den  vorerwähnten  Rechtsprinzipien   und  Gewohnheiten 
Gerste,  Hafer  und  Heu,  die  sowohl  friedlichen  als  kriegerischen  Zwecken 
dienten,  wenn  sie  nach  einem  Platz,  der  Handels-  und  Kriegshafen  sei, 
bestimmt  wären,  bedingungslos  einziehe.    Besonders  weil  die  japanische 
Prisenordnung   sich    auf   den    englischen    Prinzipien    aufbaue,    sei    es 
^wünschenswert,  daß,  wo  es  sich  um  neutrale  relative  Konterbandegüter 
handele,  eine  billigere  Haltung  eingenommen  würde. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  beim  Prisen- 
gericht zu  Yokosuka,  Kobayashi  Yoshio,  sind  folgende : 

1.  Es  sei  unbestreitbar,  daß  die  ganze  zur  Verhandlung  stehende 
Ladung  von  Heu,  Gerste  und  Hafer  Pferdefutter  sei.  Ferner  sei  es  be- 
kannt, daß  ihr  Bestimmungsort  Wladiwostok  seit  dem  Kriege  der  einzige 
Stapelplatz  Rußlands  für  Kriegsbedarfsartikel  im  Osten  sei.  Außerdem 
lägen  klare  Spuren  dafür  vor,  daß  bei  der  Beförderung  der  Ladung  be- 
trügerisches Vorgehen  im  Spiele  gewesen  sei.  Wenn  man  dies  zusammen- 
halte, so  sei  es  klar,  daß  die  Ladung  feindliche  Kriegsbedarfsartikel  dar- 
stelle, und  die  Entscheidung  der  ersten  Instanz,  welche  die  Güter  für 
Kriegskonterbande  erkläre  und  ihre  Einziehung  verfüge,  zutreffend  sei. 

2.  Das  in  diesem  Punkt  von  dem  Reklamanten  Vorgebrachte  sei 
lediglich  eine  Wiederholung  seiner  Ausführungen  in  der  ersten  Instanz 
und,  da  deren  Grundlosigkeit  bereits  in  dem  erstinstanzlichen  Urteil  im 
einzelnen  dargetan  sei,  so  erübrige  es  sich,  aufs  neue  darauf  einzugehen. 

3.  Daß  eine  kriegführende  Macht  das  Recht  habe,  Konterbande, 
gleichviel  ob  sie  absolut  oder  relativ  sei,  einzuziehen,  erkenne  das  geltende 
Völkerrecht  an,  wie  sich  aus  der  Pariser  Seerechtsdeklaration  vom  Jahre 
•1856  klar  ergebe.  Die  Präcedenzen,  nach  welchen  bei  Einziehung  relativer 

Konterbande  Vergütung  geleistet  werde,  gründeten  sich  alle  entweder 

653 


Abschnitt  Vl^se  Prisengerichtsentscheidungen:  „M.  S.  Dollar«^ 

auf  besonderen  Vertrag  oder  spezielle  politische  Erwägungen.  Eine  all- 
gemeine völkerrechtliche  Regel  dieser  Art  bestehe  indes  nicht.  Daher 
sei  es  zutreffend,  daß  das  Urteil  erster  Instanz  auf  Einziehung  der  zur 
Verhandlung  stehenden  Ladung  erkannt  habe. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

1.  Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegs- 
hafen ist.  Seit  dem  Krieg  mit  Japan  hat  es  denselben  zum  Stützpunkt 
für  seine  Kriegsflotte  und  Hauptetappenort  gemacht.  Es  hat  dort  in 
ausgedehntem  Maße  Kriegsgerät,  Lebensmittel,  Kohle  und  sonstige 
Kriegsbedarfsartikel  aufgespeichert.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr 
nach  dort  hat  fast  ganz  aufgehört. 

Wenn  man  daher  die  auf  dem  Schiff  verladene  Menge  von  Gerste^. 
Hafer  und  Heu  erwägt  und  sich  überlegt,  daß  das  Schiff  versucht  hat, 
die  gefährliche  Route  durch  die  Soyastraße  zu  nehmen,  und  sich  dabei 
betrügerischer  Mittel  bedient  hat,  so  wird  es  offenbar,  daß  die  Ladung 
jedenfalls  als  Pferdefutter  für  den  russischen  Kriegsgebrauch  geliefert 
werden  sollte,  und  es  ist  durchaus  zutreffend,  daß  das  Gericht  erster 
Instanz  dieselbe  als  Konterbande  erachtet  hat. 

Der  Reklamant  sagt,  es  müsse  nach  der  Art  der  Präcedenzent- 
Scheidung,  betreffend  die  „Neptunus''  auch  im  vorliegenden  Falle  an- 
genommen werden,  daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  für  fried- 
liche Zwecke  bestimmt  gewesen  sei.  Da  aber  die  Verhältnisse  des  Be- 
stimmungsorts im  „Neptunus"-Fall  und  im  vorliegenden  Fall  von  Grund 
aus  verschieden  sind,  so  ist  es  unfraglich,  daß  jener  Fall  nicht  als  Prä- 
cedenz  auf  den  vorliegenden  angewandt  werden  kann.  Demnach  sind 
Punkt  1  und   2  der  Berufung  unbegründet. 

2.  Es  ist  völkerrechtliches  Prinzip,  daß  Konterbande  schlechthin 
konfisziert  werden  kann.  Wünsche  bezüglich  Vorkaufs,  Einziehung  gegen 
Entgelt  oder  Beschlagnahme  unter  der  Bedingung  der  Entschädigung, 
wie  sie  der  Reklamant  äußert,  sind  nur  verwirklicht,  wo  besondere  ver- 
tragliche Abmachungen  vorliegen.  Im  übrigen  finden  sich  diese  Er- 
scheinungen in  Praxis  und  Theorie  nur  vereinzelt.  Keinenfalls  können 
sie  jedoch  als  völkerrechtliche  Regel  anerkannt  werden.  Man  kann 
daher  nicht  sagen,  daß  das  Urteil  erster  Instanz  es  in  etwas  versehen 
habe,  wenn  es  diesem  Ansuchen  des  Reklamanten  nicht  Folge  leistete. 
Demnach  ist  auch  Punkt  3  der  Berufung  unbegründet. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  26.  August  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


654 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Wyefield".  Abschnitt  VI  34  a/ 

Reklamant:  Western  Steamship  Company,  Nanaimo,  Britisch 
Columbien,  vertreten  durch  den  Geschäftsführer  John  L.  Howard. 

ProzeBvertreter :  Rechtsanwalt  Akiyama  Qenzo,  Tokio,. 
Kyobashiku,  Unemecho  Nr.  15. 

In  der  Prisensache  betreffend  den  englischen  Dampfer  „Wyefield" 
wird  nach  Beendigung  der  Untersuchung,  wie  folgt,  entschieden: 

Urteilsformel: 

Es  wird  auf  Wegnahme  des  englischen  Dampfers  „Wyefield"  er- 
kannt. 

Tatbestand   und   Gründe: 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „Wyefield''  steht  im  Eigen- 
tum des  Reklamanten,  sein  Heimatshafen  ist  Victoria  in  Britisch  Columbien 
und  er  ist  ein  Handelsschiff,  welches  die  englische  Flagge  führt. 

Der  Dampfer  hat  auf  Grund  eines  am  17.  Dezember  1904  in  San 
Francisco  in  den  Vereinigten  Staaten  von  Nordamerika  zwischen  dem 
Reklamanten  und  Harry  J.  Hart  in  San  Francisco  abgeschlossenen 
Chartervertrags  mit  der  Absicht,  sie  nach  Wladiwostok  in  Rußland  zu 
befördern,  in  San  Francisco  eine  Ladung  Pferdefutter,  nämlich  ungefähr 
64  400  Sack  Gerste,  900  Sack  Hafer  und  10  300  Bündel  Heu  geladen. 
Nath  dem  Konnossement  sollte  sich  der  Empfänger  nach  Order  richten. 
Am  31,  d.  M.  fuhr  der  Dampfer  von  San  Francisco  ab  und  versuchte 
die  Soyastraße  zu  passieren,-  geriet  aber  in  Treibeis.  Er  wandte  nach 
Süden  und  wurde,  als  er  mit  einem  Kurs  durch  die  Tsugaru-Straße 
fuhr,  der  ihn  nach  Wladiwostok  bringen  mußte,  am  30.  Januar  1905 
bei  dem  Vorgebirge  Shlokubi  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Mu- 
sashi'*  aufgebracht. 

Von  den  Schiffspapieren  geben  das  Konnossement  und  der  Charter- 
vertrag Wladiwostok  als  Reiseziel  an,  das  Privatschiffsjournal  und  die 
Ausklarierungsbescheinigungen  von  San  Francisco  und  Comox  und 
der  Gesundheitspaß  geben  jedoch  eine  Route  über  verschiedene  Häfen 
nach  Moji  in  Japan  an  und  erwähnen  den  Bestimmungsort  der  ge- 
samten Ladung  Wladiwostok  nicht.  Auch  im  Ladungsverzeichnis  steht 
„Moji  über  Comox"  als  Reise  verzeichnet,  nur  an  einer  Stelle  ist  als 
Löschungsplatz  der  Ladung  Wladiwostok  eingetragen,  und  der  Vertreter 
der  Reklamation  behauptet,  daß  der  Kapitän  nach  Abreise  von  Comox 
diese  Stelle,  welche  auf  Moji  gelautet  habe,  willkürlich  umgeändert 
habe. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Stellvertreters  des  Kommandanten  der  „Musashi",  Kapitänleutnants 
YasumuraKaiichi,  die  Vernehmungsprotokolle  des  Genannten,  des 
Kapitäns  der  „Wyefield",  Alexander. Watson,  und  des  1.  Offiziers 

655 


Abschnitt  Vl^^  Prisengerichtsentscheidungen:  „Wyefield''. 

Charles  Harry  Web,  das  Schiffszertifikat,  den  Chartervertrag,  das 
Konnossement,  das  Ladungsverzeichnis,  die  Ausklarierungspapiere  und 
den  Gesundheitspaß. 

Die  Hauptpunkte  der  Reklamation  sind  folgende : 

Bei  der  diesmaligen  Reise  des  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfers 
sei  der  Ausfahrtsort  San  Francisco,  der  letzte  Bestimmungsort  iVloji  in 
Japan  gewesen.  Dazwischen  hätten  Wladiwostok  und  andere  bequem 
gelegene  Häfen  angelaufen  werden  sollen. 

Es  sei  unbestreitbar,  daß  die  Absendung  der  dem  Charterer  ge- 
hörigen Ladung  von  Gerste,  Hafer  und  Heu  nach  Wladiwostok  auch 
während  des  Krieges  zwischen  Japan  und  Rußland,  weil  auf  einem 
neutralen  Schiff  geschehen,  eine  rechtmäßige  Handlung  sei.  Auch  seien 
die  Papiere  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  alle  in  Ordnung, 
und  man  könne  ihnen  keine  Fälschung  vorwerfen. 

Selbst  wenn  man  daher  einmal  annehme,  die  Ladung  sei  Konter- 
bande, so  könne  doch  nach  den  völkerrechtlichen  Prinzipien  das  Schiff 
nicht  das  Schicksal  der  Ladung  teilen  und  der  Strafe  der  Aufbringung 
verfallen.     Dies  erkenne  auch  die  Japanische  Seeprisen  Ordnung  an. 

Es  werde  daher  Freigabe  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes 
.beantragt. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht : 

Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegshafen 
!im  Osten  und  zurzeit  der  Hauptstützpunkt  für  seine  Marine  ist.  Seit 
dem  Kriege  mit  Japan  hat  die  russische  Regierung  den  Platz  zu  einem 
Hauptetappenort  gemacht  und  ist  mit  allen  Kräften  bestrebt,  dort  große 
Kriegsvorräte  anzuhäufen.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr  hat  dort 
fast  gänzlich  aufgehört.  Wenn  daher  eine  Ladung  von  Pferdefutter, 
wie  die  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes,  deren  Konterbande- 
eigenschaft von  besonderen  Umständen  abhängig  ist,  nach  Wladiwostok 
befördert  wird,  so  muß  mangels  klaren  Gegenbeweises  angenommen 
werden,  daß  dieselbe  für  den  Kriegsgebrauch  zu  liefern  war.  Wenn 
man  insbesondere  auch  die  Menge  der  Ladung  des  zur  Verhandlung 
stehenden  Schiffs  und  die  bei  ihrer  Beförderung  angewandten  be- 
trügerischen Mittel,  sowie  die  Aussagen  des  Kapitäns  zusammenhält, 
so  fallen  die  Zweifel,  daß  die  Ladung  für  die  feindlichen  Truppen  be- 
fördert wurde,  mehr  und  mehr  hinweg.  Es  ist  daher  mit  Recht  an- 
zunehmen, daß  die  Ladung  Konterbande  ist.  i) 

Das  Schiff  ist  als  ganzes  nach  Wladiwostok  verchartert  und  es 
stand  bereits  in  San  Francisco  bei  Anfang  der  Reise  fest,  daß  die  ge- 
samte Ladung  in  Wladiwostok  gelöscht  werden  sollte.  Trotzdem  ist 
in  dem  Ladungsverzeichnis  Moji  als  Reiseziel  angegeben,  und  auch  bei 
der  Einwirkung  des  Ausklarierungsscheins  und  des  Gesundheitspasses 

1)  IL  Ziffer  2. 

«656 


Prisengerichtsentscheidungen:  ,Wyefield'.  Abschnitt  Vl^a 

ist  die  Absicht,  nach  Wladiwostok  zu  gehen,  verheimlicht  und  so  Moji 
als  Bestimmungsort  eingetragen  worden.  Daß  auf  diese  Weise  der 
Anschein  erweckt  wurde,  als  ob  die  Ladung  nach  Moji  in  Japan  be- 
stimmt worden  sei,  genügt,  um  zu  der  Überzeugung  zu  kommen,  daß 
Jiach  einem  betrügerischen  Plan  vorgegangen  worden  ist,  der  das  Schiff 
<ier  Aufbringung  entziehen  sollte.  Daß  in  einigen  Papieren  Wladiwostok 
als  Reiseziel  bezeichnet  worden  ist,  kann  allein  nicht  die  Tatsache,  daß 
<lie  anderen  Papiere  gefälscht  sind,  umstoßen  und  berechtigt  nicht  zu 
dem  Schluß,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  sich  keines 
betrügerischen  Vorgehens  schuldig  gemacht  hat. 

Der  Vertreter  der  Reklamation  bringt  freilich  vor,  daß  die  Worte 
.„über  verschiedene  Häfen  nach  Moji"  in  sich  schlössen,  daß  die  Reise 
über  Wladiwostok  habe  gehen  sollen  und  daß  es  sich  in  keiner  Weise 
um  eine  Verheimlichung  der  Tatsache,  daß  das  Schiff  nach  Wladiwostok 
liabc  fahren  sollen,  handele.  Da  es  aber  den  tatsächlichen  Verhältnissen 
aiicht  entspricht,  wenn  man  annimmt,  daß  für  eine  Reise  von  Amerika 
nach  Moji  die  Worte  „über  verschiedene  Häfen  nach  Moji"  natürlich 
Wladiwostok  in  sich  schlössen,  so  kann  diesem  Vorbringen  des  Rekla- 
manten nicht  beigepflichtet  werden. 

Kurz,  das  zur  Verhandlung  ste:*hende  Schiff  „Wyefield"  hat  mit 
l)etrügerischen  Handlungen  Konterbande  befördert. 

Die  völkerrechtliche  Theorie  und  Praxis  erkennen  es  aber  an, 
daß  solche  Schiffe,  bei  denen  betrügerisches  Vorgehen  vorliegt,  mit 
ihrer  Konterbandeladung  eingezogen  werden  können.  *) 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  28.  April  1905  im  Prisengericht  zu  Yokosuka  im 
Beisein  des  Staatsanwalts  beim  Prisengericht  zu  Yokosuka,  U  c  h  i  d  a 
Shigenari. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  The  Western  Steamship  Company  in  Nanaimo, 
Britisch  Columbien. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Akiyama  Genzo,  Tokio, 
Kyobashiku,  Unemecho  Nr.  15. 

Am  28.  April  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Yokosuka  in  der 
Prisensache,  betreffend  den  englischen  Dampfer  „Wyefield",  welcher 
am  30.  Januar  1905  in  der  Tsugarustraße  von  dem  Kaiserlichen  Kriegs- 

»)  V,  §  44. 

MAritrand-Mechlenburgr,  Das  Japanische  Prisenreoht.  (42)  00/ 


Abschnitt  VI^*  Prisengerichtsantscheidungen:  ,Wyaflald'^ 

schiff  „Musashi"  aufgebracht  worden  ist,  ein  Urteil  erlassen,  in  welchen? 
auf  Wegnahme  des  englischen  Dampfers  „Wyefield"  erkannt  worden  ist 

Gegen  dieses  Urteil  hat  der  Reklamant,  die  Western  Steamship» 
Company,  durch  den  Rechtsanwalt  AkiyamaGenzo  als  ProzeB- 
vertreter  die  Berufung  eingelegt,  welche  im  Beisein  der  Staatsanwälte 
Tsutsuki  Keiroku  und  Ishiwatari  Binichi  beim  Oberprisen- 
gericht geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Vertreters  der  Reklamation,. 
Akiyama  Genzo,  sind  folgende : 

Das  Urteil  des  Prisengerichts  zu  Yokosuka  auf  Wegnahme  des- 
Dampfers  „Wyefield"  sei  unzutreffend.  Es  werde  Verwerfung  desselben 
und  Freigabe  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  beantragt,  und 
zwar  aus  folgenden  Gründen : 

1.  Der  Eigentümer  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  sei 
von  dem  Ladungseigentümer  verschieden  und  habe  nicht  unter  An- 
wendung betrügerischer  Mittel  Konterbande  geladen.  Wenn  daher  auch 
die  Ladung  als  Konterbande  angesehen  werden  möge,  so  könne  doch 
das  Schiff  nicht  eingezogen  werden. 

2.  Der  einzige  Grund,  aus  dem  das  Gericht  erster  Instanz  die- 
Wegnahme  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  verfügt  habe,  sei . 
der,  daß 

das  Schiff  unter  Anwendung  betrügerischer  Mittel  Kriegs- 
konterbande  befördert   habe   und   daß  ein   Schiff,   welches 
sich   solchen   betrügerischen   Vorgehens  schuldig    gemacht 
habe,  gleichviel  ob  dies  unter  Beteiligung  und  mit  Wissen 
des  Reeders  geschehen  sei  oder  nicht,  mit  seiner  Konterbande- 
ladung eingezogen  werden  müsse. 
Um    annehmen    zu    können,    daß    ein    Schiff    unter    Anwendung    be- 
trügerischer Mittel   Konterbande  geladen   habe,   müsse   unbedingt   Be- 
teiligung und  Mitwissen  des  Reeders  an  dem  betrügerischen  Vorgehen 
vorliegen;   derselbe  müsse   der  Mittäterschaft  schuldig  sein.     In   dem 
vorliegenden  Fall  liege  aber  Mittäterschaft  des  Reeders  ganz  sicher  nicht 
vor.    Es  sei  daher  unrechtmäßig,  wenn  das  Urteil  erster  Instanz,  ohne 
diese  Tatsache  zu  prüfen,  einfach  annehme,  daß  bei  dem  Schiff  be- 
trügerisches Vorgehen  vorliege,  und  entscheide,  daß  es  mit  seiner  Ladung 
einzuziehen  sei. 

3.  Um  auf  Grund  von  Anwendung  betrügerischer  Mittel  die  Strafe 
der  Einziehung  auferlegen  zu  können,,  genüge  es  nicht,  daß  in  den 
Schiffspapieren  lediglich  der  Bestimmungsort  nicht  angegeben  sei,  es 
sei  vielmehr  außerdem  erforderlich,  daß  die  Papiere  hergestellt  seien 
mit  der  Absicht,  die  im  Kriege  begriffene  Marine  bei  der  Visitierung. 
und  Durchsuchung  zu  täuschen  und  so  der  Aufbringung  zu  entgehen,, 
und  daß  diese  Marine  auch  wirklich  dadurch  getäuscht  werden  könne^ 

658 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Wyefield\  Abschnitt  VI  34» 

Es  lägen  aber  keinerlei  Anzeichen  vor,  daß  die  Papiere  des  zur 
Verhandlung  stehenden  Schiffes  in  der  Absicht  hergestellt  worden  seien; 
auch  sei  es  klar,  daß  mit  ihnen  der  Zweck,  der  Aufbringung  zu  ent- 
gehen, nicht  habe  erreicht  werden  können. 

Daher  könne  das  Schiff  nicht  eingezogen  werden. 

4.  Der  Ausfahrtshafen  des  Dampfers  sei  San  Francisco  in  Amerika, 
der  letzte  Bestimmungshafen  Moji  in  Japan  gewesen.  Dazwischen  haben 
Wladiwostok  und  andere  bequem  gelegene  Häfen  angelaufen  werden 
sollen.  Der  von  dem  Absender  Harry  J.  Hart  in  San  Francisco  ab- 
geschlossene Chartervertrag  habe  bezweckt,  das  Schiff  in  Wladiwostok  an- 
laufen zu  lassen,  um  die  ihm  gehörige  Ladung  von  Gerste,  Hafer  und 
Heu  nach  dort  zu  schaffen.  Dies  sei,  weil  das  Schiff  ein  neutrales 
Fahrzeug  sei,  unbestreitbar  eine  rechtmäßige  Handlung. 

Wenn  unter  den  Schiffspapieren  der  Chartervertrag  und  das 
Konnossement  offen  die  Absicht,  Wladiwostok  anzulaufen,  zum  Aus- 
druck brächten  und  die  übrigen  Papiere,  nämlich  die  Ausklarierungs- 
bescheinigung, der  Gesundheitspaß,  das  Ladungsverzeichnis  und  das 
Tagebuch  eine  Reise  über  verschiedene  Häfen  nach  Moji  angäben,  so 
seien  die  Schiffspapiere  alle  in  bester  Ordnung  und  es  gebe  keinen 
Punkt,  der  auf  Betrug  hindeute.  Wenn  man,  wie  das  Urteil  erster 
Instanz,  annehmen  wolle,  daß  in  der  Ausklarierungsbescheinigung  und 
den  anderen  Papieren  Moji  mit  der  Absicht,  die  Reise  nach  Wladiwostok 
zu  verheimlichen,  als  Bestimmungshafen  angegeben  worden  sei,  so  frage 
man  sich  vergebens,  weshalb  dann  die  wichtigsten  Schiffspapiere,  nämlich 
der  Chartervertrag  und  das  Konnossement,  auf  Wladiwostok  lauteten, 
und  es  werde  von  selbst  klar,  daß  die  Absicht,  die  Bestimmung  nach 
Wladiwostok  zu  verheimlichen,  nicht  bestanden  haben  könne.  Es  lägen 
daher  bei  dem  zur  Verhandlung  stehenden  Schiff  keine  Handlungen  vor, 
welche  man  als  betrügerisch  bezeichnen  könne. 

5.  Die  japanische  Seeprisen  Ordnung  stehe  auf  dem  Standpunkt, 
daß  Gerste,  Hafer  und  Heu  nur  dann  als  Konterbande  gälten,  wenn 
es  erwiesen  sei,  daß  sie  zum  Kriegsgebrauch  des  Feindes  geliefert 
werden  sollten. 

Einmal  angenommen,  dieser  Standpunkt  entspreche  den  völker- 
rechtlichen Grundsätzen,  so  sei  doch  Wladiwostok,  der  Bestimmungs- 
ort der  in  Frage  stehenden  Ladung,  nicht  nur  Rußlands  einziger  Kriegs- 
hafen, sondern  auch  sein  einziger  Handelshafen  im  Osten.  Es  sei  daher 
unrechtmäßig,  ohne  weiteres  anzunehmen,  daß  Gerste,  Hafer  und  Heu, 
welche  nicht  absolute  Konterbande  seien,  für  den  Kriegsgebrauch  be- 
stimmt seien.  Es  müsse  vielmehr  entsprechend  dem  Urteil  in  dem  „Nep- 
tunus"-Fall  im  englisch-holländischen  Krieg  im  Jahre  1798  angenommen 
werden,  daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  für  den  Handels- 
hafen Wladiwostok  bestimmt  sei  und  für  den  Friedensgebrauch  habe 

(42*)  G59 


Abschnitt  VI  3^«  Prisengerichtsentscheidungen:  .Wyefield-. 

geliefert  werden  sollen.  Demnach  sei  die  Ladung  keine  Konterbande, 
und  das  Schiff,  auf  dem  sie  verladen  sei,  könne  folglich  nicht  eingezogen 
werden. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  der  Staatsanwälte  beim  Prisen- 
gericht zu  Yokosuka,  Kobayashi  Yoshio,  Uchida  Shigenari 
und  Yanagita  Kunio,  sind  folgende: 

1.  Der  Reklamant  mache  geltend,  daß 

der  Konterbandetransport  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Schiffs  nicht  unter  Anwendung  betrügerischer  Mittel  ge- 
schehen sei,  das  Schiff  daher  nicht  eingezogen  werden  könne. 
Aus  dem  Folgenden  gehe  indes  klar  hervor,  daß  betrügerische  Mittel 
angewendet  seien,  und  es  sei  völkerrechtliche  Regel,  daß  in  solchen 
Fällen,  auch  wenn  der  Eigentümer  des  Schiffs  und  der  Ladung  ver- 
schiedene Personen  seien,  das  Schiff  der  Einziehung  nicht  entgehen 
könne. 

a)  Wenn,  obwohl  das  Schiff  das  alleinige  Ziel  verfolgt  habe,  seine 
ganze  Ladung  nach  Wladiwostok  zu  schaffen,  in  dem  größten  Teil  der 
Schiffspapiere  Moji,  welches  nur  ein  Anlaufshafen  auf  der  Rückreise 
gewesen  sei,  al^  Bestimmungsort  verzeichnet  sei,  so  sei  der  Grund 
dafür  einmal  der,  zu  verhindern,  daß  sich  bei  seiner  Abreise  von  Saji 
Francisco  das  Gerücht  verbreitete,  daß  das  Schiff  nach  Wladiwostok 
gehe.  Sodann  sei  aber  auch  damit  bezweckt  gewesen,  dadurch  auf  der 
Reise  ein  visitierendes  Schiff,  wenn  möglich,  zu  täuschen. 

b)  Wenn,  obwohl  es  von  Anfang  an  bestimmt  gewesen  sei,  daß 
die  Ladung  in  Wladiwostok  habe  gelöscht  werden  sollen,  in  dem 
Ladungsverzeichnis  stehe,  daß  sie  in  Moji  zu  löschen  sei,  so  sei  das 
die  offenbarste  Fälschung  des  Bestimmungsortes  und  diese  sei  mit  Willen 
des  Reeders  oder  seines  Vertreters  geschehen. 

2.  Der  Reklamant  bringe  vor,  daß 

die  Fälschungen  der  Papiere  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Schiffs  ohne  Beteiligung  und  Wissen  des  Schiffseigentümers 
geschehen  sei. 
Nach  dem  englischen  Seehandelsrecht  könne  indes  ein  gewöhnlicher 
Charterer  diese  Papiere  überhaupt  nicht  herstellen.  Ferner  kenne  aber 
selbst  die  völkerrechtliche  Wissenschaft  bei  Fälschung  der  Schiffspapiere 
keinen  Unterschied  in  der  Bestrafung  je  nachdem,  ob  der  Reeder  im 
guten  Glauben  sei  oder  nicht. 

3.  Der  Reklamant  sage, 

die   Unwahrheiten  in   den   Papieren   des  zur  Verhandlung 
stehenden  Schiffs  könnten  nur  eine  unbedeutende  Fälschung 
darstellen. 
Die   Fälschung  des  Bestimmungsortes  sei  aber  im   Gegenteil  die  be- 
deutungsvollste und,  wenn  auch  das  Mittel  sehr  ungeschickt  sei,  so  liege 

660 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Wyefield«.  Abschnitt  VI 34« 

doch  darin  kein  Grund  zur  Nachsicht,  um  so  weniger,  als  der  Plan 
wohl  vorbedacht  gewesen  sei  und  kein  anderes  Ziel  verfolgt  haben  könne, 
als  den  Kaptor  zu  täuschen. 

4.  Das  Reiseziel  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  sei  Wla- 
diwostok gewesen.  Wenn  demgegenüber  Moji  als  Bestimmungsort  be- 
zeichnet und  wenn  angegeben  worden  sei,  daß  die  für  Wladiwostok 
bestimmte  Ladung  in  Moji  habe  gelöscht  werden  sollen,  so  sei  das  ein 
unleugbarer  Betrug.  Wenn  ferner  der  Vertreter  der  Reklamation  be- 
haupte, das  Schiff  sei  von  Anfang  an  nach  Moji  bestimmt  gewesen,  so 
habe  er  offenbar  von  dem,  was  ein  Chartervertrag  sei,  keine  Ahnung. 

Aus  diesen  Gründen  sei  die  Berufung  abzuweisen. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

1.  Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegshafen 
ist.  Seit  dem  Krieg  mit  Japan  hat  es  denselben  zum  Stützpunkt  für 
seine  Kriegsflotte  und  Hauptetappenort  gemacht.  Es  hat  dort  in  aus- 
gedehntem Maße  Kriegsgerät,  Lebensmittel,  Kohle  und  sonstige  Kriegs- 
bedarfsartikel aufgespeichert.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr  nach 
dort  hat  fast  ganz  aufgehört. 

Wenn  man  daher  die  auf  dem  Schiff  verladene  Menge  von  Gerste, 
Hafer  und  Heu  erwägt  und  sich  überlegt,,  daß  das  Schiff  versucht  hat,  die 
gefährlichste  Route  durch  den  Soyakanal  zu  nehmen,  und  sich  dabei 
betrügerischer  Mittel  bedient  hat,  so  wird  es  offenbar,  daß  die  Ladung 
jedenfalls  als  Pferdefutter  für  den  russischen  Kriegsgebrauch  geliefert 
werden  sollte,  und  es  ist  durchaus  zutreffend,  daß  das  Gericht  erster  In- 
stanz dieselbe  als  Konterbande  erachtet  hat. 

Der  Reklamant  sagt,^  es  müsse  nach  der  Art  der  Präcedenz- 
entscheidung,  betreffend  die  „Neptunus",  auch  in  diesem  Falle  an- 
genommen werden,  daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  für  fried- 
liche Zwecke  bestimmt  gewesen  sei.  Da  aber  die  Verhältnisse  des  Be- 
stimmungsorts im  „Neptunus"-Fall  und  im  vorliegenden  Fall  von  Grund 
aus  verschieden  sind,  so  ist  es  unfraglich,  daß  jener  Fall  nicht  als 
Präcedenz  auf  den  vorliegenden  angewandt  werden  kann. 

2.  Das  Völkerrecht  erkennt  an,  daß  Schiffe,  wie  das  zur  Ver- 
handlung stehende,  deren  Reisezweck  der  Transport  von  Konterbande 
ist,  eingezogen  werden  können.»)  Auch  das  Oberprisengericht  ist  der 
Ansicht,  daß  dies  den  Verhältnissen  gerecht  wird.'  Besonders  im  vor- 
liegenden Fall,  wo  die  ganze  Ladung  des  Schiffs  Konterbande  ist  und, 
obwohl  erwiesenermaßen  schon  seit  der  Abfahrt  von  San  Francisco 
das  Reiseziel  Wladiwostok  war,  die  Ausklarierungsbescheinigung,  das 
Privatschiffsjournal   und  andere   Schiffspapiere  einen   falschen   Bestim- 


*)  Anders  die  Japanische  Seeprisenordnung,  §§  43,  44  (V)  und  ihre  Gnindlage, 
das  englische  Manual  of  Naval  Prize  Law,  Art.  82—85. 

661 


Abschnitt  VI^^  Prisengeiichtsentscheidungen :  ,Wyefleld'. 

mungsort  angeben  und  das  Schiff  demnach  zur  Beförderung  von  Konter- 
bande unter  Anwendung  betrügerischer  Mittel  gedient  hat. 

Da  schon  nach  dem  in  Punkt  1  und  2  Gesagten  die  Entscheidung 
der  ersten  Instanz  auf  Einziehung  des  Schiffs  unfraglich  gerechtfertigt 
ist;  so  liegt  kein  Bedürfnis  vor,  auf  die  einzelnen  Punkte  der  Berufung 
besonders  einzugehen. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  26.  August  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Harry  G.  Hart,  San  Francisco,  Californien,  Ver- 
einigte Staaten  von  Nordamerika. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Akiyama  Genzo,  Tokio, 
Kyobashiku,  Unemecho  Nr.  15. 

In  der  Prisensache,  betreffend  die  Ladung  des  englischen  Dampfers 
„Wyefield"  wird  nach  Beendigung  der  Untersuchung,  wie  folgt,  ent- 
schieden. 

Urteilsformel: 

Es  wird  auf  Wegnahme  der  Ladung  des  Dampfers  „Wyefield", 
bestehend  aus  ungefähr  64  400  Sack  Gerste,  10  300  Bündel  Heu  und 
900  Sack  Hafer  entschieden. 

Tatbestand  und  Gründe: 

Die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  ist  von  dem  Reklamanten 
versandt  worden.  Sie  wurde  auf  Grund  eines  am  17.  Dezember  1904 
von  dem  Reklamanten  mit  der  Reederei,  der  Western  Steamship  Com- 
pany in  Nanaimo  in  Britisch  Columbien  in  San  Francisco  abgeschlos- 
senen Chartervertrags  auf  dem  englischen  Dampfer  „Wyefield"  ver- 
laden, um  nach  Wladiwostok  in  Rußland  befördert  zu  werden.  In 
dem  Privatschiffsjournal  und  den  in  San  Francisco  und  Comox  aus- 
gestellten Ausklarierungsscheinen  und  Gesundheitspässen  steht  überall 
„über  verschiedene  Häfen  nach  Moji  in  Japan''  und  die  Bestimmung 
der  Ladung  für-  Wladiwostok  wird  nicht  offenbart.  Nach  dem  Kon- 
nossement sollte  der  Empfänger  sich  nach  Order  bestimmen.  Am 
30.  Januar  1905  wurde  die  Ladung  auf  der  Reise  nach  Wladiwostok 
bei  dem  Shiokubi-Vorgebirge  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Mu- 
sashi"   mit  dem   genannten   Dampfer  zusammen   beschlagnahmt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Vertreters  des  Kommandanten  der  „Musashi",  Kapitänleutnants  Yasu- 

662 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Wyefield'.  Abschnitt  VI  34b 

mura  Kaiichi,  die  Vernehmungsprotokolle  des  Genannten  sowie  des 
Kapitäns  des  Dampfers  „Wyefield",  Alexander  Watson,  den 
Chartervertrag,  das  Konnossement,  das  Ladungsverzeichnis,  das  Privat- 
schiffsjournal, den  Gesundheitspaß  und  die  Ausklarierungs- 
bescheinigungen. 

Die  Hauptpunkte  der  Reklamation  sind  folgende : 

Die  Beförderung  einer  Ladung,  wie  der  zur  Verhandlung  ste- 
henden, durch  einen  neutralen  Staatsangehörigen  nach  Wladiwostok, 
•einem  Hafen  einer  kriegführenden  Macht,  sei  eine  offene  Handels- 
transaktion, welche  unter  den  Freiheiten  des  neutralen  Handelsverkenrs 
stehe  und  unbestreitbar  von  dem  Völkerrecht  als  eine  erlaubte  Hand- 
Jung  anerkannt  werde. 

Güter  wie  die  zur  Verhandlung  stehenden  seien  ihrer  Art  nach 
keine  absolute  Konterbande,  sondern  könnten  lediglich,  wenn  sie  als 
Pferdefutter  für  die  feindlichen  Truppen  bestimmt  seien,  als  Konter- 
bande angesehen  werden.  Ob  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung 
.aber  als  Pferdefutter  an  die  feindlichen  Truppen  zu  liefern  gewesen 
wäre,  sei  eine  Tatfrage.  In  dem  vorliegenden  Falle,  wo  der  Be- 
stimmungsort Wla,diwostok  sei,  ein  Hafen,  welcher  die  Eigenschaften 
eines  Handelshafens  und  eines  Kriegshafens  in  sich  vereinige,  müsse 
ein  besonderer  Beweis  vorliegen,  nach  dem  man  annehmen  müsse,  daß 
•die  Ladung  zum  feindlichen  Kriegsgebrauch  zu  liefern  gewesen  sei. 
Andernfalls  müsse  angenommen  werden,  daß  sie  nach  dem  Handels- 
hafen Wladiwostok  zu  befördern  gewesen  sei.  Daß  dies  billig  sei,  tue 
auch  die  Präcedenzentscheidüng,  betreffend  die  im  englisch-holländischen 
Krieg  im  Jahre  1798  aufgebrachte  „Neptunus",  dar.  Für  den  vorlie- 
genden Fall  gelte  dies  auch  um  so  mehr,  als  die  Ladung  nicht  aus- 
schließlich als  Pferdefutter  für  Truppenzwecke  verwendbar  sei. 

Da  die  Ladung  demnach  keine  Konterbande  sei,  so  könne  sie, 
wenn  auch  angenommen  werde,  daß  sie  ihrem  Charakter  nach  feind- 
lich sei,  nach  Artikel  2  der  Pariser  Seerechtsdeklaration  vom  Jahre  1856 
nicht  beschlagnahmt  werden,  weil  sie  unter  neutraler  Flagge  ver- 
schifft sei. 

Es  werde  daher  Freigabe  beantragt. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegs- 
hafen im  Osten  und  zurzeit  der  Hauptstützpunkt  für  seine  Marine  ist. 
Seit  dem  Kriege  mit  Japan  hat  die  russische  Regierung  den  Platz  zu 
-einem  Hauptetappenort  gemacht,  und  sie  ist  mit  allen  Kräften  bemüht, 
dort  große  Kriegsvorräte  anzuhäufen.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr 
hat  dort  fast  gänzlich  aufgehört.  Wenn  daher  eine  Ladung  von  Pferde- 
futter, wie  die  zur  Verhandlung  stehende,  deren  Konterbandeeigen- 
.schaft  von  besonderen  Umständen  abhängig  ist,  nach  Wladiwostok  be- 

663 


Abschnitt  VI34fe  Prisengerichtsentscheidungen:  .Wyefiald*^ 

fördert  wird,    so  muß    mangels  klaren    Gegenbeweises    angenommen 
werden,  daß  dieselbe  für  den  Kriegsgebrauch  zu  liefern  war. 

Was  das  von  dem  Reklamanten  angezogene  Urteil  in  dem  „Nep- 
tunus"-Fall  angeht,  so  deckt  sich  jener  Fall,  in  dem  Tierfett  nach  Amster- 
dam befördert  werden  sollte,  nicht  mit  dem  vorliegenden.  Im  Gegen- 
teil  kann  man  die  Begründung  jenes  Urteils  viel  eher  zur  Bekräftigung 
der  Annahme,  daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  Konterbande 
ist,  geltend  machen.  Denn  Amsterdam  hatte  damals  einen  vorwiegend 
kommerziellen  Charakter.  Die  gegenwärtigen  Verhältnisse  von  Wladi- 
wostok sind  aber,  wie  oben  dargetan,  wesentlich  verschieden.  Das  in  dem 
Urteil  erwähnte  Brest  kommt  den  gegenwärtigen  Verhältnissen  von  Wladi- 
wostok viel  mehr  gleich. 

Wenn  man  insbesondere  auch  die  Menge  der  zur  Verhandlung 
stehenden  Ladung  und  die  bei  ihrer  Beförderung  angewandten  be- 
trügerischen Mittel  sowie  die  Aussage  des  Kapitäns  zusammenhält,  so- 
fallen  die  Zweifel,  daß  die  Ladung  für  die  feindlichen  Truppen  be- 
fördert wurde,  mehr  und  mehr  hinweg.  Es  ist  daher  mit  Recht  an- 
zunehmen, daß  die  Ladung  Konterbande  ist.  i) 

Daß  aber  Konterbande,  wenn  unter  neutraler  Flagge  fahrend,  ein- 
gezogen werden  kann,  ist  von  der  Pariser  Seerechtsdeklaration  vom  Jahre 
1856  sowie  von  der  völkerrechtlichen  Wissenschaft  und  Praxis  an- 
erkannt. ^) 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  28.  April  1905  im  Prisengericht  zu  Yokosuka,  im 
Beisein  des  Staatsanwalts  beim  Prisengericht  zu  Yokosuka,  Uchida 
Shigenari. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Harry  J.  Hart,  San  Francisco,  Californien,  Ver- 
einigte Staaten  von  Nordamerika. 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  Akiyama  Genzo,  Tokio,. 
Kyobashiku,  Unemecho  Nr.  15. 

Am  28.  April  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Yokosuka  in  der 
Prisensache,  betreffend  die  Laidung  des  englischen  Dampfers  „Wyefield'V 
welcher  am  30.  Januar  1905  in  der  Tsugarustraße  von  dem  Kaiserlichen 
Kriegsschiff  „Musashi"  aufgebracht  worden  ist,  ein  Urteil  erlassen,  in 
welchem  auf  Wegnahme  der  Ladung  des  Dampfers  „Wyefield"  von  un- 

1)  II.  Ziffer  2.  —  2)  V.  §  43. 

661 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Wyefield*.  Abschnitt  VI^^ 

gefähr  64  400  Sack  Gerste,  10300  Bündel  Heu  und  900  Sack  Hafer 
erkannt  worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  der  Reklamant  durch  den  Rechtsanwalt 
AkiyamaOenzo,als  Prozeßvertreter,  die  Berufung  eingelegt,  welche 
im  Beisein  der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku  und  Ishiwatari 
B  i  n  i  c  h  i  beim  Oberprisengericht  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Vertreters  der  Reklamation,. 
AkiyamaGenzo,  sind  folgende : 

Das  Urteil  des  Prisengerichts  zu  Yokosuka  auf  Wegnahme  der 
Ladung  des  Dampfers  „Wyefield"  sei  unzutreffend.  Es  werde  Ver- 
werfung desselben  und  Freigabe  der  zur  Verhandlung  stehenden  Ladung 
beantragt,  und  zwar  aus  folgenden  Gründen: 

L  Die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  sei  nach  Wladiwostok, 
Rußlands  einzigem  Handelshafen  im  Osten,  befördert  worden  und  zu 
friedlichem  Gebrauch  bestimmt  gewesen.  Daher  sei  es  unzutreffend,, 
sie  als  Konterbande  anzusehen. 

2.  Es  sei  freilich  in  neuerer  Zeit  äußerst  bestritten,  ob  Gerste^ 
Hafer  und  Heu  Konterbande  seien.  In  der  japanischen  Prisenordnung^ 
sei  aber  als  Prinzip  anerkannt,  daß  sie  nur  als  Konterbande  gölten, 
wenn  sie  erwiesenermaßen  zum  Kriegsgebrauch  des  Feindes  geliefert 
werden  sollten.  Aber  wenn  man  selbst  annehme,  daß  dies  Prinzip  mit  den 
Grundsätzen  des  Völkerrechts  in  Einklang  stehe,  so  sei  doch  der  Be-^ 
Stimmungshafen  der  zur  Verhandlung  stehenden  Ladung  Wladiwostok, 
welches  sowohl  Rußlands  einziger  Kriegshafen  wie  auch  sein  einziger 
Handelshafen  sei.  Da  an  diesem  Platz  verschiedene  Arten  von  kauf- 
männischen  und  gewerblichen  Unternehmungen  betrieben  würden  und 
neutrale  Firmen  dort  Niederlassungen  hätten,  so  könne  man  aus  der 
Tatsache,  daß  Gerste,  Hafer  und  Heu,  welche  nicht  absolute  Konter- 
bande seien,  dorthin  transportiert  würden,  nicht  ohne  weiteres  schließen, 
daß  diese  für  den  Gebrauch  der  Kriegsmacht  bestimmt  seien.  Auch 
nach  der  Präcedenzentscheidung,  betreffend  den  „Neptun us"-Fall  im 
Krieg  zwischen  England  und  Holland  vom  Jahre  1798  sei  es  billig,  daß 
die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  als  zur  Einfuhr  nach  dem  Handels- 
hafen Wladiwostok  und  zu  friedlichem  Gebrauch  bestimmt  angesehen 
werde.  Wenn  das  Gericht  erster  Instanz  Wladiwostok  als  einen  reinen 
Kriegshafen  ansehe  und  es  mit  dem  in  dem  „Neptun us"-Urteil  er- 
wähnten Kriegshafen  Brest  auf  gleiche  Stufe  stelle,  so  sei  das  eine 
falsche  Auffassung  der  Tatsachen;  folglich  sei  auch  die  Präcedenzent- 
scheidung nicht  richtig  angezogen. 

Ferner  übersehe  das  Urteil,  daß  auch  heute  noch,  nach  dem  Aus- 
bruch des  Krieges  mit  Japan,  in  Wladiwostok  der  gewöhnliche  Handels- 
verkehr wie  früher  ausgeübt  werde,  und  sage,  es  sei  eine  bekannte 
Tatsache,  daß  der  Handelsverkehr  des  genannten  Hafens  gesperrt  sei.. 

665* 


Abschnitt  Vl^^  Pri8engericht8ent8cheidungen:  •Wyefielcl*. 

Dies  sei  eine  starke  Entstellung  der  Tatsachen  und  man  müsse  daher 
behaupten,  daß  das  Urteil,  welches  so  mit  dem  Sachverhalt  in  >X^ider- 
spruch  stehe,  unrechtmäßig  sei. 

3.  Bezüglich  der  Behandlung  relativer  Konterbande  auf  neutralem 
Schiff  weiche  zwar  das  englische  Prinzip  von  dem  kontinentalen  in 
etwas  ab,  aber  im  großen  und  ganzen  sei  ihr  Sinn  doch  derselbe.  Nach 
•der  englischen  Praxis  würden  Güter,  welche,  weil  für  die  feindlichen 
Kriegsschiffe  oder  Truppen  bestimmt,  als  Kriegskonterbande  anzusehen 
seien,  unter  Zahlung  einer  Vergütung  eingezogen.  Nach  dem  kontinen- 
talen Prinzip  sei,  wie  es  die  völkerrechtlichen  Kongresse  beschlossen 
hätten,  für  Güter,  welche  sowohl  friedlichen  als  auch  kriegerischen 
Zwecken  difnen  könnten, -wenn  sie  auf  der  Rwsenach  einem  feind- 
lichen Hafen  begriffen  seien,  bestimmt,  daß  dem  kriegführenden  Staat 
ihnen  gegenüber  unter  der  Bedingung  der  Vergütung,  das  Beschlag"- 
nahmerecht  und  außerdem  das  Verkaufsrecht  zustehe.  Während  so 
die  moderne  Rechtspraxis  mit  Bezug  auf  relative  Konterbande  eine  immer 
weitherziger  werdende  Tendenz  zeige,  sei  nur  Japan  unbillig  streng, 
indem  es  im  Gegensatz  zu  den  erwähnten  Rechtsprinzipien  und  Ge- 
wohnheiten Gerste,  Hafer  und  Heu,  die  sowohl  friedlichen  als  kriege- 
rischen Zwecken  dienten,  wenn  sie  nach  einem  Platz,  der  Handels-  und 
Kriegshafen  sei,  bestimmt  wären,  bedingungslos  einziehe.  Besonders 
weil  die  japanische  Prisenordnung  sich  auf  den  englischen  Prinzipien 
aufbaue,  sei  es  wünschenswert,  daß,  wo  es  sich  um  neutrale  relative 
Konterbandegüter  handele,  eine  billigere  Haltung  eingenommen  werde. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  der  Staatsanwälte  beim  Prisen- 
gericht  zu  Yokosuka,  Kobayashi  Yoshio,  Uchida  Shigenari 
und  YanagitaKunio,  sind  folgende : 

1.  Die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  von  Gerste,  Hafer  und 
Heu  sei  Pferdefutter.  Die  Praxis  aller  Länder  und  die  Wissenschaft 
stimmten  aber  darin  überein,  daß  Pferdefutter,  wenn  nach  den  Umständen 
des  Bestimmungsorts  anzunehmen  sei,  daß  es  für  den  feindlichen  Kriegs- 
gebrauch geliefert  werden  würde,  als  Kriegskonterbande  anzusehen  sei. 
Auch  habe  Japan  sich  in  der  Instruktion  Nr.  1  des  Marineministeriums 
vom  Jahre  1904»)  diesem  Prinzip  angeschlossen. 

Der  Reklamant  behaupte, 

die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  sei   zu  friedlichem 
Gebrauch  bestimmt  und  sei  daher  keine  Konterbande, 
doch  bringe  er  dafür  keinen  Beweis  vor. 

a)  Der  Bestimmungsort  des  in  Frage  stehenden  Schiffs  sei  Wladi- 
wostok, der  einzige  Seezugang  nach  dem  östlichen  Rußland  und  der 
Endpunkt  der  Eisenbahn,  welche  die  Sammelpunkte  der  feindlichen 
Armee  passiere. 

8)  II. 

'666 


:Prisengericht8ent8cheidungen:  .Wyefield'.  Abschnitt  VI^^^ 

b)  Es  befänden  sich  in  Wladiwostok  und  seiner  Umgebung  viele 
Truppen,  die  unaufhörlich  mit  Kriegsrüstung  beschäftigt  seien. 

c)  Da  der  Verkehr  mit  Europa  auf  der  sibirischen  Eisenbahn  sehr 
weit  sei  und  die  Transportfähigkeit  der  Bahn  nicht  ausreiche,  so  plane 
man  Wladiwostok  zum  zentralen  Stapelplatz  für  alle  Materialien  zu 
machen. 

d)  Auch  nach  der  Menge  und  Art  betrachtet,  könne  man  nicht 
.annehmen,  daß  die  Ladung  für  die  kleine  Anzahl  von  Pferden,  welche 

hie  und  da  in  der  Bevölkerung  gehalten  würden,  habe  geliefert  werden 
sollen. 

e)*  Es  lägen  Anzeichen  dafür  vor,  daß  der  Empfänger, der  Ladung 
im  Bestimmungsort  vorsätzlich  unbestimmt  gelassen  sei,  und  daß  man 
fälschlicherweise  Moji  als  Bestimmungsort  in  die  Schiffspapiere  ein- 
getragen habe,  um  nicht  die  Aufmerksamkeit  der  Öffentlichkeit  auf  sich 
zu  lenken  und  um  so  der  Aufbringung  zu  entgehen. 

Alles  dies  lasse  erkennen,  daß  der  Zweck  der  Ladung  der  gewesen 
sei,  von  den  feindlichen  Truppen  verbraucht  zu  werden. 

Die  Punkte  2  und  3  der  Berufung  seien  lediglich  eine  Erweiterung 
-des  im  Punkte  1  Gesagten  und  bedürfen  keiner  Erwiderung. 

Aus  diesen  Gründen  sei  die  Berufung  abzuweisen. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

L  Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegshafen 
ist.  Seit  dem  Krieg  mit  Japan  hat  es  denselben  zum  Stützpunkt  für 
seine  Kriegsflotte  und  Hauptetappenort  gemacht.  Es  hat  dort  in  aus- 
gedehntem Maße  Kriegsgerät,  Lebensmittel,  Kohle  und  sonstige  Kriegs- 
bedarfsartikel aufgespeichert.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr  nach 
•dort  hat  fast  ganz  aufgehört.  Wenn  man  daher  die  auf  dem  Schiff 
verladene  Menge  von  Gerste,  Hafer  und  Heu  erwägt  und  sich  über- 
legt, daß  das  Schiff  versucht  hat,  die  gefährlichste  Route  durch  den 
Soyakanal  zu  nehmen  und  sich  dabei  betrügerischer  Mittel  bedient  hat, 
-SO  wird  es  offenbar,  daß  die  Ladung  sicher  als  Pferdefutter  für  den 
russischen  Kriegsgebrauch  geliefert  werden  sollte,  und  es  ist  durchaus 
zutreffend,  wenn  das  Gericht  erster  Instanz  dieselbe  als  Konterbande 
«erachtet  hat. 

Der  Reklamant  sagt,  es  müsse  nach  der  Art  der  Präcedenzent- 
scheidung,  betreffend  die  „Neptunus",  auch  in  diesem  Fall  angenommen 
werden>  daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  für  friedliche  Zwecke 
bestimmt  gewesen  sei.  Da  aber  die  Verhältnisse  des  Bestimmungsorts 
im  „Neptunus"-Fall  und  im  vorliegenden  Fall  von  Grund  aus  ver- 
schieden sind,  so  ist  es  unfraglich,  daß  jener  Fall  nicht  als  Präcedenz 
.auf  den  vorliegenden  angewandt  werden  kann. 

Daher  sind  Punkt  1  und  2  der  Berufung  unbegründet, 

667 


Abschnitt  VI»«  Prisengerichtsentscheidungen:  .Siam'* 

2.  Es  ist  völkerrechtliches  Prinzip,  daß  Konterbande  schlechthin 
konfisziert  werden  kann.  Wünsche  bezüglich  Verkaufs,  Einziehung  gegen 
Entgelt  oder  Beschlagnahme  unter  der  Bedingung  der  Entschädigung,  wie 
sie  der  Reklamant  äußert,  sind  nur  verwirklicht,  wo  besondere  vertragliche 
Abmachungen  vorliegen.  Im  übrigen  finden  sich  diese  Erscheinungen 
in  Praxis  und  Theorie  nur  vereinzelt.  Keinenfalls  können  sie  jedoch  als 
völkerrechtliche  Regel  anerkannt  werden.  Man  kann  daher  nicht  sagen^ 
daß  das  Urteil  erster  Instanz  es  in  etwas  versehen  habe,  wenn  es  diesen 
Ansuchen  des  Reklamanten  nicht  Folge  leistete. 

Demnach  ist  auch  Punkt  3  der  Berufung  unbegründet. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden : 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  26.  August  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Societa  Anonima  Ungherese  di  Armamento  Mari- 
tlmo  Oriente  in  Fiume,  Österreich-Ungarn,  vertreten  durch  die  Ge- 
schäftsführer Luigi  Cosulich  und  E.  C  u  n  r  a  d  i. 

Prozeßvertreter:   Rechtsanwalt    Akiyama    Oenzo,    Tokio,. 

Kyobashiku,  Unemecho  Nr.  15. 

In  der  Prisensache,  betreffend  den  österreichisch-ungarischen 
Dampfer  „Siam''  wird  nach  Beendigung  der  Untersuchung,  wie  folgt,, 
entschieden : 

Urteilsformel: 
Es  wird  auf  Wegnahme  des  österreichisch-ungarischen    Dampfers. 
„Siam"  entschieden. 

Tatbestand  und  Gründe: 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „Siam"  steht  im  Eigentum- 
des  Reklamanten,  sein  Heimatshafen  ist  Fiume  in  Österreich-Ungarn,  und 
er  ist  ein  Handelsschiff,  welches  die  österreichisch-ungarische  Flagge  f ührt- 

Der  Dampfer  lud  auf  Grund  eines  am  11.  November  1904  von 
dem  Reklamanten  mit  der  Firma  Mann  George  and  Co.  in  London 
abgeschlossenen  Chartervertrags  mit  der  Bestimmung,  sie  nach  Wladi- 
wostok in  Rußland  zu  befördern,  in  Cardiff,  England,  etwa  4100  Tons 
doppelt  gesiebte  Cardiffkohle.  In  dem  Chartervertrag  und  dem  Kon*- 
nossement  wurde  Hongkong,  Shanghai  oder  Kiautschou  als  Bestimmungs- 

668 


Prisengerichtsentacheidungen:  „Slam'.  Abschnitt  VI3Sa 

ort  angegeben,  und  der  Empfänger  sollte  sich  laut  dem  Konnossement 
nach  Order  bestimmen.  Am  23.  November  desselben  Jahres  fuhr  der 
Dampfer  von  Cardiff  ab.  In  Hongkong  erhielt  er  auf  Grund  seiner  An- 
gaben einen  Ausklarierungsschein  für  Kiautschou,  nahm  aber  bei  Ab- 
reise von  dort  absichtlich  einen  Umweg  und  versuchte  den  Soyakanal 
zu  passieren.  Er  geriet  aber  in  Treibeis  und  wurde,  als  er  mit  einem 
südlichen  Kurs  fuhr,  der  ihn  durch  die  Tsugarustraße  nach  Wladiwostok 
bringen  mußte,  am  31.  Januar  1905  um  3  Uhr  50  Minuten  nachmittags 
bei  dem  Erisuso-Vorgebirge  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Asama" 
aufgebracht. 

Die  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des  Ver- 
treters des  Kommandanten  der  „Asama",  Kapitänleutnants  OguraYo- 
•shiaki,  die  Vernehm ungsprotoklle  des  Genannten,  des  Kapitäns  der 
^,Siam",  S.  A.  Xigga  und  des  ersten  Offiziers  Jovanni  Stipa- 
Jio witsch,  das  Schiffszertifikat,  das  Tagebuch,  den  Chartervertrag, 
das  Konnossement  und  die  Ausklarierungsbescheinigung  von  Hongkong. 

Die  Hauptpunkte  der  Reklamation  sind  folgende: 
Der  Reklamant  habe  am  11.  November  1904  in  London  mit  den 
Vertretern  des  in  Glasgow,  St.  Vincent  Street  Nr.  127  wohnhaften  Kauf- 
manns E.  A.  Orabowski,  der  Firma  Mann,  George  &  Co.  in 
London,  einen  Chartervertrag  abgeschlossen,  nach  dem  das  zur  Ver- 
handlung stehende  Schiff  zum  Transport  von  Kohle  von  Cardiff  in 
England  nach  Hongkong,  Shanghai  oder  Kiautschou  zur  Verfügung  zu 
-stellen  gewesen  sei.  Wenn  das  Schiff  nach  einem  anderen  als  den  in  dem 
XDhartervertrag  benannten  Bestimmungshäfen  gereist  sei,  so  sei  das  auf 
Maßnahmen  des  Charterers  oder  Absenders  hin  geschehen.  Der  Reeder 
habe  sich  daran  nicht  beteiligt  und  auch  nicht  darum  gewußt.  Da  die 
Oüter  nicht  im  Eigentum  des  Reklamanten  stünden,  so  könne  das  Schiff, 
wenn  auch  seine  Ladung  Konterbande  sei,  nicht  mit  diesem  zusammen 
-eingezogen  werden. 

Wenn  in  den  Schiffspapieren  Wladiwostok  nicht  als  Bestimmungs- 
ort angeführt  sei,  so  könnten  freilich  die  Papiere  dem  Vorcc^urf  der  Un- 
voUständigkeit  nicht  entgehen,  man  könne  dies  aber  nicht  ohne  weiteres 
als  Beweis  für  das  Vorliegen  betrügerischen  Vorgehens  erachten.  Daß 
-der  Dampfer  sich  in  Hongkong  Ausklarierung  nach  Kiautschou  habe 
geben  lassen,  sei  lediglich  zur  Erleichterung  der  Reise  geschehen.  Daß 
<lies  nicht  auf  Grund  eines  betrügerischen  Planes  geschehen  sei,  um  der 
Aufbringung  zu  entgehen,  könne  man  auch  daraus  entnehmen,  daß 
nach  der  Abreise  von  Hongkong  in  dem  Tagebuch  Wladiwostok  als 
Reiseziel  verzeichnet  worden  sei.  Selbst  wenn  man  aber  annehme,  es 
sei  geschehen,  um  die  Reise  heimlich  ausführen  zu  können,  so  sei  dies 
-eine  Handlung  des  Charterers  oder  Absenders.  Es  liege  dagegen  kein  Be- 
weis vor,  daß  der  Reeder  darum  gewußt  habe. 

669 


Abschnitt  VI3Sa  Pri8engericht86nt8cheidungen:  .Siam*^ 

Da  die  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  keine  abso- 
lute Konterbande  sei,  so  müsse  im  vorliegenden  Fall,  wo  sie  nach  Wladi- 
wostok gehe,  einem  Hafen,  der  die  Eigenschaft  sowohl  eines  Kriegs-  als 
eines  Handelshafens  besitze,  mangels  Gegenbeweises  angenommen  werden,, 
daß  sie  nach  dem  Handelshafen  Wladiwostok  befördert  und  nicht  für 
den  Kriegsgebrauch  habe  geliefert  werden  sollen.  Daß  dies  billig  sei, 
tue  auch  die  Präcedenzentscheidung,  betreffend  die  im  englisch-hol- 
ländischen Krieg  im  Jahre  1798  aufgebrachte  „Neptun us'*  dar.  Für  den 
vorliegenden  Fall  gelte  dies  um  so  mehr,  als  die  Verwendbarkeit  der 
Ladung  sich  nicht  auf  den  Kriegsgebrauch  beschränke,  diese  vielmehr 
auch  ganz  allgemein  im  Gewerbebetriebe  verwandt  werde. 

Auch  müsse  man  danach,  daß  der  Dampfer  in   Erkenntnis,  daß. 
ein  Passieren  des  Soyakanals  unmöglich  gewesen  sei,  durch  die  Tsugaru- 
straße  nach  Kiautschou  zu  fahren  beabsichtigt  habe,  um  dort  Order  des 
Reeders  oder  des  Charterers  abzuwarten,  zu  der  Entscheidung  kommen,, 
daß  die  Reise  nach  Wladiwostok  aufgegeben   gewesen  sei,  daher  ein 
Transport  von  Konterbande  nicht  mehr  vorgelegen  habe. 

Aus  diesen  Gründen  werde  eine  Entscheidung  auf  Freigabe  des- 
zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  beantragt. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegshafen 
im  Osten  und  zurzeit  der  Hauptstützpunkt  für  seine  Marine  ist.  Seit 
dem  Kriege  mit  Japan  hat  die  russische  Regierung  den  Platz  zu  einem 
Hauptetappehort  gemacht  und  sie  ist  mit  allen  Mitteln  bestrebt,  dort 
große  Kriegsvorräte  aufzuhäufen.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr  hat 
dort  fast  gänzlich  aufgehört.  Wenn  daher  Kohle  oder  Lebensmittel 
oder  dergleichen  Güter,  deren  Konterbandeeigenschaft  von  besonderen 
Umständen  abhängig  ist,  nach  Wladiwostok  befördert  werden,  so  muß. 
mangels  klaren  Gegenbeweises  angenommen, werden,  daß  dieselben  für 
den  Kriegsgebrauch  zu  liefern  waren.  Besonders  kann  es  bezüglich 
der  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfers,  welche  aus  aus- 
gewählter Cardiffkohle  besteht,  wie  sie  nur  zum  Gebrauch  auf  Kriegs- 
schiffen dient,  nicht  bezweifelt  werden,  daß  sie  wirklich  für  den  Kriegs- 
gebrauch bestimmt  war.  Sie  ist  daher  mit  Recht  als  Konterbande  anzu- 
sehen. 1) 

Was  das  von  dem  Reklamanten  angezogene  Urteil  in  dem  „Nep- 
tunus"-Fall  angeht,  so  deckt  sich  jener  Fall,  in  dem  Tierfett  nach 
Amsterdam  befördert  werden  sollte,  nicht  mit  dem  vorliegenden.  Im 
Gegenteil  kann  man  die  Begründung  jenes  Urteils  viel  eher  zur  Bekräfti- 
gung der  Annahme,  daß  die  hier  in  Betracht  kommende  Ladung  Konter- 
bande ist,  geltend  machen.  Denn  Amsterdam  hatte  damals  einen  vor- 
wiegend kommerziellen  Charakter.    Die  gegenwärtigen  Verhältnisse  voa 

1)  IL  Ziffer  2. 

670 


Pri8engericht8ent8cheidungen:  .Slam*.  Abschnitt  VI«» 

Wladiwostok  sind  aber,  wie  oben  dargetan,  wesentlich  verschieden.  Das 
in  dem  Urteil  erwähnte  Brest  kommt  den  gegenwärtigen  Verhältnissen 
von  Wladiwostok  vielmehr  gleich. 

Obwohl  es  bereits  vor  der  Abfahrt  von  Cardiff  bestimmt  war,  daß- 
das  Schiff  nach  Wladiwostok  gehen  sollte,  gaben  doch  der  Chartervertrag 
und  das  Konnossement  die  neutralen  Häfen  Hongkong,  Shanghai  oder 
Kiautschou  als  Bestimmungsort  an.  Auch  noch  bei  der  Abfahrt  von 
Hongkong  gab  der  Dampfer  fälschlich  Kiaytschou  als  Reiseziel  an  und 
erhielt  dementsprechende  Ausklarierungspapiere.  Von  dort  abfahrend, 
nahm  er  absichtlich  einen  Umweg,  um  durch  die  Soyastraße  nach  Wladi- 
wostok zu  gelangen.  Alles  dies  ist  nicht  anzusehen  als  entschuldbares 
Versehen  oder  als  zur  Erleichterung  der  Reise  geschehen.  Vielmehr 
muß  man  annehmen,  daß  es  der  wohlüberlegten  List  entsprungen  ist, 
den  Bestimmungshafen  zu  verheimlichen,  um  so  der  Aufbringung  zu  ent- 
gehen. 

Wenn  sich  auch  zufällig  im  Tagebuch  nach  der  Abreise  von  Hong- 
kong Wladiwostok  als  Bestimmungsort  verzeichnet  findet,  so  Icann  man 
nicht  daraufhin  allein  die  Fälschungen,  die  in  den  anderen  Papieren  aus- 
geübt sind,  außer  acht  lassen  und  annehmen,  das  zur  Verhandlung 
stehende  Schiff  habe  sich  keines  betrügerischen  Vergehens  schuldig  ge- 
macht Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „Siam"  hat  demnach 
unter   Anwendung  betrügerischer  Mittel   Kriegskonterbande   befördert. 

Die  völkerrechtliche  Wissenschaft  und  Praxis  erkennt  aber  an,  daß 
Schiffe,  welche  sich  derartigen  betrügerischen  Vorgehens  schuldig 
machen,  gleichviel  ob  der  Reeder  hierbei  beteiligt  ist  oder  nicht,  zu- 
sammen mit  ihrer  Konterbandeladung  eingezogen  werden  können.  2) 

Der  Vertreter  der  Reklamation  macht  ferner  geltend,  daß  an- 
zunehmen sei,  daß  die  Reise  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs 
nach  Wladiwostok  aufgegeben  gewesen  sei.  Da  aber  das  Schiff  von  An- 
fang an  die  Absicht  gehabt  hatte,  nach  Wladiwostok  zu  gehen  und 
auch  bei  dem  Vorhaben,  durch  die  Tsugarustraße  zu  fahren,  den  tat- 
sächlichen Verhältnissen  nach  als  selbstverständlich  angenommen  werden 
muß,  daß  das  Schiff  nach  Passieren  dieser  Straße  direkt  nach  dem 
genannten  Bestimmungshafen  gefahren  sein  würde,  so  kann  man,  solange 
noch  das  Schiff  den  Kurs  nach  Wladiwostok  nicht  unverkennbar  ver- 
lassen hatte,  wenn  auch  das  Tagebuch  auf  Hongkong  oder  Kiautschou 
lautet,  daraufhin  nicht  ohne  weiteres  zu  der  Überzeugung  gelangen, 
daß  die  Reise  nach  Wladiwostok  aufgegeben  war.  Vielmehr  berechtigen 
die  Position,  der  Kurs  und  die  Tageszeit  bei  der  Aufbringung  des  Schiffes- 
durchaus  zu  der  Annahme,  daß  es  vorhatte,  die  Tsugarustraße  im  Dunkel 
der  Nacht  zu  passieren  und  so  seine  von  Anfang  an  beabsichtigte  Reise 
nach  Wladiwostok  durchzuführen. 

2)  V.  §  44. 

671 


Abschnitt  VI>'«  Prisengeiichtsentscheidungen :  „Siam'. 

Da  aus  den  obigen  Gründen  der  zur  Verhandlung  stehende 
Dampfer  einzuziehen  ist,  so  erübrigt  es  sich,  auf  die  weiteren  Punkte 
des  Reklamanten  einzugehen. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  28.  April  1905  im  Prisengericht  zu  Yokosuka,  im  Bei- 
sein des  Staatsanwalts  beim  Prisengericht  zu  Yokosuka,  UchidaShi- 
^enari. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Societa  Anonima  Ungherese  di  Armamento  Mari- 
timo  Oriento  in  Fiume,  Österreich-Ungarn,  vertreten  durch  L  u  i  g  i 
•C  o  s  u  1  i  c  h  und  E.  C  u  n  r  a  d  i. 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  Akiyama  Oenzo,  Tokio, 
Kyobashiku,  Unemecho  Nr.  15. 

Am  28.  April  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Yokosuka  in  der  Prisen- 
sache, betreffend  den  österreichisch-ungarischen  Dampfer  „Siam",  welcher 
am  31.  Januar  1905  bei  dem  Erisu-Vorgebirge  von  dem  Kaiserlichen 
Kriegsschiff  „Asama"  aufgebracht  worden  ist,  ein  Urteil  gefällt,  in 
welchem  auf  Wegnahme  des  österreichisch-ungarischen  Dampfers  „Slam" 
-erkannt  worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  haben  Luigi  Cosulich  und  E.  C  u  n  r  a  d  i , 
die  Vertreter  des  Reklamanten,  der  Societa  Anonima  di  Armamento  Mari- 
timo  Oriente,  durch  den  Rechtsanwalt  Akiyama  Oenzo  als  Prozeß- 
vertreter die  Berufung  eingelegt,  welche  im  Beisein  der  Staatsanwälte 
Tsutsuki  Keiroku  und  Ishiwatari  Binichi  beim  Oberprisen- 
gericht geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  des  Vertreters  der  Reklamation,  Akiyama 
Oenzo,  sind  folgende : 

Das  Urteil  des  Prisengerichts  zu  Yokosuka  auf  Einziehung  des 
Dampfers  „Siam"  sei  unzutreffend.  Es  werde  Verwerfung  desselben 
und  Freigabe  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  beantragt,  und 
zwar  aus  folgenden  Oründen : 

1.  Der  Eigentümer  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  sei 
von  dem  Ladungseigentümer  verschieden  und  habe  nicht  unter  An- 
wendung betrügerischer  Mittel  Konterbande  geladen.  Wenn  daher  auch 
die  Ladung  als  Konterbande  angesehen  werden  solle,  so  könne  doch  das 
Schiff  nicht  eingezogen  werden. 

Der  einzige  Orund,  aus  dem  das  Oericht  erster  Instanz  die  Weg- 
nahme des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  verfügt  habe,  sei  der,  daß 

'672 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Slam''.  Abschnitt  VI <<• 

dasSchiff  unter  Anwendung  von  betrügerischen  Mitteln  Kriegs- 
konterbande befördert  habe,  und  daß  ein  Schiff,  welches  sich 
solchen   betrügerischen  Vorgehens  schuldig  gemacht  habe, 
gleichviel  ob  dies   unter  Beteiligung  und   mit  Wissen   des 
Reeders  geschehen  sei  oder  nicht,  mit  seiner  Konterbande- 
ladung eingezogen  werden  müsse. 
Die    Strafe    für    KJonterbandetransport    sei,    wenn    die    Konterbande- 
laduhg  nicht  im   Eigentum   des   Reeders  stehe,   lediglich   der  Verlust 
an  Zeit,  Fracht  und  Kosten;   die  Strafe  der  Einziehung  könne  indes 
nicht  auferlegt  werden.    Auch  sei  es  ein  Grundsatz  des  modernen  Völker- 
rechts, daß,  wenn  die  Konterbande   unter  Anwendung  betrügerischer 
Mittel  verschifft  sei,  doch  auch  das  Schiff  nur  eingezogen  werden  könne, 
wenn  es  klar  erwiesen  sei,  daß  der  Reeder  der  Mittäter  bei  dem  be- 
trügerischen Vorgehen  sei.    Nicht  nur  England  erkenne  dies  an,  auch 
die  japanische  Prisenordnung  stehe  auf  demselben  Standpunkt. 

Um  annehmen  zu  können,  daß  ein  Schiff  unter  Anwendung  be- 
trügerischer Mittel  Konterbande  geladen  habe,  müsse  unbedingt  Be- 
teiligung und  Mitwissen  des  Reeders  vorliegen;  derselbe  müsse  der 
Mittäterschaft  schuldig  sein.  In  dem  vorliegenden  Fall  liege  aber  Mit- 
täterschaft des  Reeders  ganz  sicher  nicht  vor.  Es  sei  daher  unrecht- 
mäßig, wenn  das  Urteil  erster  Instanz,  ohne  diese  Tatsache  zu  unter- 
suchen und  ohne  sich  überhaupt  darum  zu  kümmern,  ob  der  Reeder 
bei  dem  betrügerischen  Vorgehen  beteiligt  gewesen  sei  oder  nicht,  ent- 
schieden habe,  daß  das  Schiff  zusammen  mit  seiner  Ladung  ein- 
zuziehen sei. 

3.  Um  auf  Grund  von  Anwendung  betrügerischer  Mittel  die  Strafe 
■der  Einziehung  auferlegen  zu  können,  genüge  es  nicht,  daß  in  den.  Schiffs- 
papieren lediglich  der  Bestimmungsort  nicht  angegeben  sei;  es  sei  viel- 
mehr außerdem  erforderlich,  daß  die  Papiere  hergestellt  seien  mit  der 
Absicht,  die  im  Krieg  begriffene  Marine  bei  der  Visitierung  und  Durch- 
suchung zu  täuschen  und  so  der  Aufbringung  zu  entgehen,  und  daß 
diese  Marine  auch  wirklich  dadurch  getäuscht  werden  könne.  Daher 
könne  das  Schiff  nicht  eingezogen  werden. 

4.  Der  Reeder  habe  den  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfer 
zum  Transport  von  Kohle  an  den  Ladungseigentümer  vermietet,  und 
im  Chartervertrag  seien  Hongkong,  Shanghai  oder  Kiautschou  als  Be- 
stimmungsorte festgesetzt  worden.  Der  Reeder  habe  daher  von  einer 
Fahrt  nach  einem  anderen  Orte  nichts  gewußt. 

Was  den  Charakter  und  die  Wirkung  des  in  Frage  stehenden 
Chartervertrags  angehe,  so  sei  dieser  Vertrag  nach  dem  Rechte  Eng- 
lands, wo  er  abgeschlossen  sei,  auszulegen.  Nach  dem  englischen  Recht 
habe  aber  der  Vertrag  den  Charakter  einer  Sachmiete,  und  man  müsse 
annehmen,  daß  der  Besitz  und  die  Verfügungsgewalt  über  das  Schiff 

Maratrand-MeohlonburfiT»  Das    Japanisohe  Priaenreolit.  (43)  vio 


Abschnitt  VI^s«  Pri8engericht8ent8cheidungeii :  ,,Siam". 

für  die  Zeit  auf  den  Charterer  übergegangen  seien.  Aber  auch  wenn 
man  in  dem  vorliegenden  Chartervertrag  lediglich  einen  gewöhnlichen 
Transportvertrag  erblicke,  so  sei  es  doch  offenbar,  daß  der  Wille  des 
Reeders  über  die  in  dem  Vertrag  bezeichnete  Reise  nicht  hinausgereicht 
habe.  Wenn  daher  der  Charterer  heimlich  dem  Kapitän  Order  gegeben 
habe,  nach  Wladiwostok  zu  gehen,  und  der  Kapitän  diesen  Befehl  aus- 
geführt habe,  könne  man  nicht  behaupten,  daß  der  Reeder  an  diesem 
Vorgehen  beteiligt  sei  und  sich  bei  dem  Konterbandetransport  in  Mit- 
täterschaft  gesetzt  habe.  Auch  nach  den  gewöhnlichen  Rechtsbegriffen 
könne,  wenn  auch  der  Kapitän  als  Stellvertreter  des  Reeders  gelte,  dieser 
doch  für  willkürliche  Handlungen  des  Kapitäns,  welche  außerhalb  von 
dessen  gewöhnlichen  Befugnissen  lägen,  nicht  haftbar  gemacht  werden. 
Um  so  mehr  müsse  das  gelten,  wenn  es  sich  um  einen  Kriegskonterbande- 
transport unter  Anwendung  betrügerischer  Mittel  handele,  da  eine  solche 
Handlung  eine  Verletzung  des  Völkerrechts  sei. 

Aus  diesen  Gründen  könne  den  Reeder  selbstverständlich  für 
keinerlei  Eintragungen  in  die  Schiffspapiere,  abgesehen  von  dem  Charter- 
vertrag, die  Verantwortung  treffen.  Selbst  einmal  angenommen,  es  wären 
fälschliche  Eintragungen  in  die  Schiffspapiere  gemacht,  so  könne  doch 
dem  Reeder,  solange  nicht  der  Beweis  seiner  Mittäterschaft  vorliege, 
die  Verantwortung  hierfür  nicht  auferlegt  werden. 

5.  Der  Charterer  habe  dem  Kapitän  bei  der  Abreise  Order  ge- 
geben, wenn  bei  Ankunft  in  Hongkong  andere  Order  nicht  eingehe, 
mit  beliebigem  Kurs  nach  Wladiwostok  zu  fahren.  Wladiwostok  sei 
demnach  zur  Zeit  der  Abreise  noch  nicht  als  Bestimmungsort  festgesetzt 
gewesen  Erst  nach  Ankunft  in  Hongkong,  als  keine  andere  Order 
vorgelegen  habe,  sei  Wladiwostok  zum  Bestimmungsort  gemacht  worden. 
Daher  sei  darin,  daß  in  dem  im  Ausfahrtshafen  hergestellten  Konnosse- 
ment und  den  Ausklarierungspapieren  Honglüong  oder  Kiautschou  als  Be- 
stimmungshäfen verzeichnet  worden  seien,  durchaus  nichts  Verdächtiges 
zu  erblicken,  und  man  könne  daraus  nicht  schließen,  daß  die  Papiere 
auf  einen  falschen  Bestimmungsort  ausgestellt  worden  seien  in  der  bösen 
Absicht,  dadurch  der  Aufbringung  durch  die  kriegführende  Macht  zu 
entgehen. 

Wenn  der  Dampfer  sich  in  Hongkong  Ausklarierung  für  Kiautschou 
beschafft  habe,  so  sei  das  lediglich  in  der  Befürchtung  geschehen,  daR 
zurzeit  die  englischen  Behörden  die  Reise  nach  Wladiwostok  verweigern 
würden.  Wenn  der  Dampfer  genötigt  gewesen  wäre,  um  Ausklarierang- 
nach  Wladiwostok  zu  bitten,  so  hätte  er  bei  der  Abreise  Schwierigkeiten 
erfahren,  welche  er  gescheut  habe.  So  habe  er,  lediglich  um  seine  Ab- 
fahrt zu  erleichtern,  den  Behörden  gegenüber  eine  falsche  Meldung  ge- 
macht. Daß  dies  nicht  geschehen  sei,  um  der  Aufbringung  durch  die 
japanischen  Kriegsschiffe  zu  entgehen,  gehe  auch  daraus  klar  hervor^ 

674 


Prisengericht8ent8cheidungen:  „Slam".  Abschnitt  VI3sa 

daß  in  dem  Tagebuch  nach  der  Abreise  von  Hongkong  Wladiwostok 
als  Reiseziel  angegeben  sei. 

6.  Der  Dampfer  habe  freilich  anfangs  die  Absicht  gehabt,  nach 
Wladiwostok  zu  fahren,  aber  erkannt,  daß  es  unmöglich  gewesen  sei, 
die  Soyastraße  wegen  des  Treibeises  zu  passieren.  Wie  aus  dem  Tage- 
buch hervorgehe,  hätten  dann  der  Kapitän  und  die  Offiziere  nach  Be- 
ratung die  Reise  nach  Wladiwostok  aufgegeben  und  Kurs  auf  Kiautschou 
genommen,  um  dort  die  Order  des  Reeders  oder  des  Charterers  ab- 
zuwarten. Daß  der  Dampfer  bei  dieser  Fahrt  nach  Kiautschou  seinen 
Weg  durch  die  Tsugarustraße  habe  nehmen  wollen,  sei  durchaus  un- 
verdächtig, da  dies  die  gewöhnlich  von  Seeleuten  benutzte,  nächste 
Route  sei. 

Das  Gericht  erster  Instanz  habe  aber  die  Eintragungen  in  das 
Tagebuch  gänzlich  außer  acht  gelassen  und  sich  darum,  daß  die  Fahrt 
nach  Wladiwostok  aufgegeben  gewesen  sei,  nicht  gekümmert.  Vielmehr 
habe  es  willkürlich  entschieden,  daß  das  Schiff  auch  nach  Passieren 
der  Tsugarustraße  nach  seinem  ursprünglichen  Ziel,  Wladiwostok,  habe 
fahren  wollen. 

Wenn  es  auch  feststehe,  daß  ein  Schiff  mit  einer  Ladung,  die  als 
Konterbande  anzusehen  sei,  nach  einem  feindlichen  Hafen  habe  fahren 
wollen,  so  könne  doch  weder  Schiff  noch  Ladung  eingezogen  werden, 
wenn  sie,  nachdem  die  anfängliche  Absicht  aufgegeben  worden  sei, 
auf  der  Fahrt  nach  einem  anderen  Hafen  beschlagnahmt  würden.  Das 
tue  auch  das  Beispiel  der  Entscheidung  in  dem  „lmina''-Fall  dar.  Das 
genannte  Schiff  habe  im  Jahre  1800  während  des  englisch-holländischen 
Kriegs  mit  Schiffsbaumaterial  nach  Amsterdam  fahren  wollen,  sei  aber, 
als  es  von  der  Blockade  dieses  Platzes  erfahren  habe,  nach  dem  neutralen 
Hafen  Emden  gesteuert.  Auf  dieser  Reise  sei  es  von  einem  englischen 
Kriegsschiff  aufgebracht  worden.  Das  Ergebnis  der  Prisen  Untersuchung 
sei  das  gewesen,  daß  schließlich  Schiff  wie  l^dung  freigelassen  und 
den  Eigentümern  zurückgegeben  worden  seien. 

7.  Die  japanische  Prisenordnung  stehe  auf  dem  Standpunkt,  daß 
Kohle  nur  als  Konterbande  gelte,  wenn  es  erwiesen  sei,  daß  sie  für 
den  feindlichen  Kriegsgebrauch  geliefert  werden  solle.  Einmal  an- 
genommen, dieser  Standpunkt  entspreche  den  völkerrechtlichen  Grund- 
sätzen, so  sei  doch  Wladiwostok,  der  Bestimmungsort  der  in  Frage 
stehenden  Ladung  nicht  nur  Rußlands  einziger  Kriegshafen,  sondern 
auch  sein  einziger  Handelshafen  im  Osten.  Es  sei  daher  unrechtmäßig, 
ohne  weiteres  anzunehmen,  daß  dorthin  bestimmte  Kohle,  welche  keine 
absolute  Konterbande  sei,  für  den  Kriegsgebrauch  bestimmt  sei.  Es 
müsse  vielmehr  entsprechend  dem  Urteil  in  dem  „Neptun us"-Fall  im 
englisch-holländischen  Kriege  vom  Jahre  1798  angenommen  werden, 
daß  die  hier  in  Frage  stehende  Ladung  für  den  Handelshafen  Wladiwostok 

(43*)  075 


Abschnitt  VI3««  Prisengerichtsentscheidungen:  „Siam". 

bestimmt  gewesen  sei  und  für  den  friedlichen  Gebrauch  habe  geliefert 
werden  sollen. 

Demnach  sei  die  Ladung  keine  Konterbande  und  das  zur  Ver- 
handlung stehende  Schiff  könne  daher  nicht  eingezogen  werden. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  beim  Pr'isen- 
gericht  zu  Yokosuka,   Uchida  Shigenari,  sind  folgende : 

1.  Schon  vor  der  Abreise  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs 
von  Cardiff  in  England  sei  Wladiwostok  als  Bestimmungsort  festgesetzt 
worden.  In  dem  Chartervertrag  und  dem  Konnossement  seien  jedoch 
die  neutralen  Häfen  Hongkong,  Shanghai  oder  Kiautschou  als  Bestim- 
mungsorte angegeben.  Auch  noch  bei  d?r  Abfahrt  von  Hongkong  sei 
fälschlich  Kiautschou  als  Bestimmung  angegeben  und  eine  entsprechende 
Ausklarierung  bewirkt  worden.  Nach  der  Abreise  von  dort  habe  der 
Dampfer  absichtlich  einen  Umweg  genommen,  um  durch  die  Soyastraße 
nach  Wladiwostok  zu  gelangen.  Alles  das  sei  weder  auf  entschuldbares 
Versehen  zurückzuführen  noch  auf  die  Absicht,  die  für  die  Reise  be- 
quemere Route  zu  nehmen.  Vielmehr  sei  die  Verheimlichung  des  Be- 
stimmungsortes eine  List,  durch  welche  man  der  Aufbringung  durch  die 
japanische  Marine  zu  entgehen  gehofft  habe. 

Es  sei  bekannt,  daß  Wladiwostok,  der  Bestimmungsort  des  zur 
Verhandlung  stehenden  Schiffs,  zurzeit  Rußlands  einziger  Kriegshafen 
im  Osten  und  der  Hauptstützpunkt  für  seine  Flotte  sei.  Seit  dem  Kriege 
habe  die  russische  Regierung  diesen  Platz  zu  einem  Hauptetappenort 
gemacht  und  häufe  dort  mit  allen  Kräften  Kohle,  Kriegswaffen  und 
-gerät  sowie  sonstige  Kriegsbedarfsartikel  an.  Der  gewöhnliche  Handels- 
verkehr habe  dort  fast  gänzlich  aufgehört.  Wenn  daher  nach  diesem 
Platz  Kohle  befördert  werde,  so  sei  es  billig,  mangels  klaren  Gegen- 
beweises anzunehmen,  daß  sie  für  den  Kriegsgebrauch  geliefert  werden 
solle.  Besonders  im  vorliegenden  Falle,  wo  die  Ladung  doppelt  gesiebte 
Cardiffkohle  sei,  wie  sie  im  Osten  ausschließlich  von  der  Kriegsmarine 
verwendet  werde,  müsse  man  mit  Recht  annehmen,  daß  sie  sicher  für 
den  Kriegsgebrauch  zu  liefern  gewesen  und  daher  Konterbande  sei. 

Da  demnach  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  zur  Beförderung 
von  Konterbande  unter  Verwendung  betrügerischer  Mittel  gedient  habe, 
so  könne  es  nach  völkerrechtlichen  Regeln,  gleichgültig  ob  der  Reeder 
an  dem  betrügerischen  Vorgehen  beteiligt  gewesen  sei  oder  nicht,  mit- 
samt seiner  Konterbandeladung  der  Einziehung  nicht  entgehen. 

2.  Es  sei  schon  vor  der  Abreise  des  Schiffs  von  Cardiff  bestimmt 
gewesen,  daß  es  nach  Wladiwostok  habe  fahren  sollen.  Obwohl  aber 
der  Reeder  dem  Kapitän  in  Cardiff  Order  gegeben  habe,  nach  Wladi- 
wostok zu  fahren,  fänden  sich  doch  in  dem  Chartervertrag,  von  dem 
man  nur  annehmen  könne,  daß  er  unter  Mitwirkung  des  Reeders  her- 
gestellt worden  sei,  Hongkong,  Shanghai  oder  Kiautschou  als  Bestim- 

676 


Prisengerichtsentscheidungen:  ,,Siam".  Abschnitt  VI3Ba 

mungsorte  verzeichnet.  Demnach  müßten  die  Eintragungen  in  die 
Schiffspapiere  als  betrügerisch  betrachtet  werden.  Selbst  aber  einmal 
angenommen,  der  Reeder  sei  an  der  Fälschung  der  Schiffspapiere  nicht 
beteiligt  gewesen,  so  machten  doch  die  völkerrechtliche  Wissenschaft 
und  Praxis  im  Falle,  daß  ein  Schiff  unter  Anwendung  betrügerischer 
Mittel  Konterbande  befördere,  keinen  Unterschied  in  der  Strafe,  je  nach- 
dem, ob  der  Reeder  Mittäter  sei  oder  nicht. 

3.  Die  Fälschung  des  Bestimmungsorts  sei  in  ihrer  Wirkung  am 
schädlichsten,  und  das  Schiff  habe  den  Versuch,  mit  großem  Umweg 
die  Soyastraße  zu  passieren,  in  keiner  anderen  Absicht  gemacht,  als 
um  durch  diese  List  der  Aufbringung  zu  entgehen.  Daher  sei  es  recht, 
daß  das  Schiff,  weil  es  sich  betrügerischen  Vorgehens  schuldig  ge- 
macht habe,  der  Strafe  der  Einziehung  verfalle. 

4.  Es  sei  zutreffend,  wenn  das  Urteil  erster  Instanz  angenommen 
habe,  daß 

das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  zur  Zeit  der  Auf- 
bringung seine  Route  nach  Wladiwostok  noch  nicht  auf- 
gegeben gehabt  habe,  daß  vielmehr  aus  der  Position,  dem 
Kurs  und  der  Zeit  geschlossen  werden  müsse,  daß  es  vor- 
gehabt habe,  zur  Nachtzeit  die  Straße  von  Tsugaru  zu  pas- 
sieren und  seine  anfängliche  Absicht,  nach '  Wladiwostok  zu 
fahren,  zur  Ausführung  zu  bringen. 
Die  Punkte  4,  5  und  7  erforderten  keine  Erwiderung,  und  die  Be- 
rufung müsse  abgewiesen  werden. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 
1.  Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegs- 
hafen ist.  Seit  dem  Krieg  mit  Japan  hat  Rußland  es  zum  Stützpunkt  für 
seine  Kriegsflotte  und  Hauptetappenort  gemacht.  Es  hat  dort  in  aus- 
gedehntem Maße  Waffen,  Lebensmittel,  Kohle  und  sonstige  Kriegs- 
bedarfsartikel aufgespeichert.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr  nach 
dorthin  hat  fast  ganz  aufgehört. 

Es  ist  daher  durchaus  begründet,  wenn  das  Gericht  erster  Instanz 
angenommen  hat,  daß  die  nach  diesem  Hafen  bestimmte  Steinkohle 
für  den  russischen  Kriegsgebrauch  geliefert  werden  sollte  und  daher 
Kriegskonterbande  sei.  Dies  um  so  mehr,  als  die  Kohlenladung  des  zur 
Verhandlung  stehenden  Schiffs  ausgewählte  Cardiffkohle  ist  und  die 
Preise  für  solche  im  Osten  so  außerordentlich  hoch  sind,  daß  außer 
für  den  Gebrauch  auf  Kriegsschiffen  zur  Kriegszeit  keine  Nachfrage 
dafür  vorhanden  und  es  somit  unzweifelhaft  ist,  daß  die  Kohle  für  den 
russischen  Kriegsgebrauch  geliefert  werden  sollte. 

Der  Reklamant  sagt,  es  müsse  nach  der  Art  der  Präcedenz-Ent- 
scheidung,  betreffend  die  „Neptun us"  auch  in  diesem  Falle  angenommen 
werden,  daß  die  hier  in  Frage  stehende  Ladung  für  friedliche  Zwecke 

677 


Abschnitt  VI3s«  Prisengerichtsentscheidungen:  „Siam'*. 

bestimmt  gewesen  sei.  Aber  die  Ladung  im  „Neptun us''-Fall  und  die 
des  vorliegenden  Falles  sind  ihrer  Art  nach  von  Grund  aus  verschieden, 
und  auch  die  Verhältnisse  der  Bestimmungsorte  sind  ganz  andere.  Es 
ist  daher  unfraglich,  daß  jener  Fall  nicht  als  Präcedenz  auf  den  vor- 
liegenden angewandt  werden  kann. 

Der  Reklamant  bringt  vor,  der  Kapitän  des  zur  Verhandlung 
stehenden  Dampfers  habe  erkannt,  daß  das  Passieren  der  Soyastraße 
unmöglich  sein  würde,  und  habe  daher  die  Reise  nach  Wladiwostok 
aufgegeben.  Er  habe  dann,  wie  sich  aus  den  Eintragungen  im  Tagebuch 
ergebe,  die  Route  nach  der  Tsugarustraße  eingeschlagen,  um  den 
neutralen  Hafen  von  Kiautschou  zu  erreichen.  Deshalb  seien  das  Schiff 
und  die  Ladung,  entsprechend  der  Entscheidung  in  dem  „Imina"-Fall, 
freizugeben.  Das  Schiff  hat  aber  von  der  Abreise  an  nach  Wladiwostok 
fahren  wollen.  Wenn  es  nun  auch  bei  dem  Versuch,  die  Soyastraße 
zu  passieren,  erkannt  hat,  daß  dies  nicht  möglich  war,  und  daher  die 
Route  nach  der  Tsugarustraße  einschlug,  so  liegt  doch  diese  Straße 
auch  auf  dem  Wege  nach  Wladiwostok  und  das  Schiff  hatte  daher 
seinen  Kurs  noch  nicht  ganz  verlassen. 

Der  Kapitän  beruft  sich  auf  seine  Eintragungen  im  Tagebuch  und 
behauptet,  er  habe  nach  Kiautschou  fahren  wollen.  Wenn  man  aber 
in  Betracht  zieht,  daß  die  Mehrzahl  der  Schiffspapiere  falsche  Ein- 
tragungen enthält,  so  kann  man  dem  Tagebuch  nicht  ohne  weiteres 
Glauben  schenken.  Auch  liegen  sonst  keinerlei  Beweise  vor,  welche 
zu  der  Annahme  berechtigen,  daß  die  Reise  nach  Wladiwostok  auf- 
gegeben worden  sei.  Dagegen  kann  die  eingeschlagene  Route  nicht 
als  die  für  die  Winterszeit  geeignete  Route  nach  Kiautschou  bezeichnet 
werden,  und  es  liegt  auch  kein  Grund  vor,  weshalb  das  Schiff,  wenn  es 
nach  Kiautschou  fahren  wollte,  die  Tsugarustraße  wählen  sollte,  wo 
es  am  meisten  den  Störungen  durch  Visitierung  und  Durchsuchung  seitens 
japanischer  Kriegsschiffe  ausgesetzt  sein  mußte.  Es  muß  daher  vielmehr 
angenommen  werden,  daß  das  Schiff  nach  Wladiwostok  zu  fahren 
vorhatte.  Auch  die  Tatsache,  daß  andere  Schiffe,  welche  in  gleicher 
Charter  und  gleichem  Eigentum  standen  und  gleiche  Ladung  hatten, 
als  sie  die  Soyastraße  nicht  passieren  konnten,  die  Route  durch  die 
Tsugarustraße  nahmen,  um  nach  Wladiwostok  zu  gelangen,  spricht  für 
die  Vermutung,  daß  auch  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff,  als  es 
die  Soyastraße  nicht  passieren  konnte,  in  gleicher  Weise  versucht  hat, 
durch  die  Tsugarustraße  nach  Wladiwostok  zu  gelangen.  Der  vorliegende 
Fall  kann  daher  mit  dem  »der  „Imina",  welche  ihre  anfängliche  Reiseroute 
gänzlich  geändert  hatte,  nicht  auf  eine  Stufe  gestellt  werden. 

2.  Das  Völkerrecht  erkennt  an,  daß  Schiffe,  wie  das  zur  Ver- 
handlung stehende,  deren  Reisezweck  der  Transport  von  Konterbande 

678 


Prisengerichtsentscheidungen:  ,»Siam".  Abschnitt  VISife 

ist,  eingezogen  werden  können.  3)  Das  Oberprisengericht  ist  der  An- 
sicht, daß  dies  den  Verhältnissen  gerecht  wird.  Besonders  im  vor- 
liegenden Fall,  wo  die  ganze  Ladung  des  Schiffs  Konterbande  ist,  und, 
obwohl  erwiesenermaßen  schon  seit  der  Abfahrt  von  England  das  Reise- 
ziel Wladiwostok  war,  der  Chartervertrag,  das  Konnossement  und  die 
Ausklarierungsbescheinigung  einen  falschen  Bestimmungsort  angeben 
und  das  Schiff  demnach  zur  Beförderung  von  Konterbande  unter  An- 
wendung betrügerischer  Mittel  gedient  hat. 

Da  schon  nach  dem  in  den  Punkten  1  und  2  Gesagten  die  Ent- 
scheidung der  ersten  Instanz  auf  Einziehung  des  zur  Verhandlung 
stehenden  Schiffs  unfraglich  gerechtfertigt  ist,  so  liegt  keine  Notwendigkeit 
vor,  auf  die  einzelnen  Punkte  der  Berufung  besonders  einzugehen. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  26.  August  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Mann,  George  &  Co.,  London,  England,  ver- 
treten durch  den  Kapitän  des  Dampfers  „Siam",  S.  A.  Xigga. 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  Akiyama  Genzo,  Tokio, 
Kyobashiku,  Unemecho  Nr.  15. 

In  der  Prisensache,  betreffend  die  Ladung  des  österreichisch-un- 
garischen Dampfers  „Siam''  wird  nach  Beendigung  der  Untersuchung, 
wie  folgt,  entschieden. 

Urteils  formel: 
Es  wird  auf  Wegnahme  der  auf  dem  österreichisch-ungarischen 
Dampfer   „Siam"   verschifften    ungefähr   4106  Tons   Cardiffkohle    ent- 
schieden. 

Tatbestand  undOrunde: 
Die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  ist  von  dem  Reklamanten 
mit  der  Absicht,  sie  nach  Wladiwostok  in  Rußland  zu  befördern,  auf 
dem  am  11.  November  1904  gecharterten  '  österreichisch-ungarischeni 
Dampfer  „Siam"  verladen  worden.  Der  Dampfer  verließ  Cardiff  am 
23.  November  desselben  Jahres  und  fuhr  über  verschiedene  Häfen  nach 

*)  Anders  die  japanische  Seeprisenordnung,  §§  43,  44  (V)  und  ihre  Grundlage, 
das  englische  Manual  of  Naval  Prlze  Law,  Art.  82—85. 

679 


Abschnitt  Vl^ib  Pri8engerlcht8ent8cheidungen :  „Siam". 

Wladiwostok.  Er  geriet  indes,  als  er  versuchte,  die  Soyastraße  zu  pas- 
sieren, in  Treibeis  und  wurde,  als  er  mit  einem  südlichen  Kurs  fuhr, 
der  ihn  durch  die  Tsugarustraße  nach  Wladiwostok  bringen  mußte, 
am  31.  Januar  1905,  3  Uhr  60  Minuten  nachmittags,  bei  dem  Erisuso- 
Vorgebirge  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Asama"  mitsamt  der  zur 
Verhandlung  stehenden  Ladung  beschlagnahmt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Vertreters  des  Kommandanten  der  „Asama'',  Kapitänleutnants  Ogura 
Yoshiaki,  die  Vernehmungsprotokolle  des  Genannten,  des  Kapitäns 
der  „Siam",  S.  A.  Xigga,  und  des  ersten  Offiziers,  Jovanni  Sti- 
panowitsch,  durch  das  Schiffszertifikat,  das  Tagebuch,  den  Charter- 
vertrag und  das  Konnossement. 

Die  Hauptpunkte  der  Reklamation  sind  folgende: 

Die  von  dem  Reklamanten,  einem  neutralen  Staatsangehörigen^ 
unternommene  Beförderung  von  Steinkohle  nach  Wladiwostok,  einem 
Hafen  einer  kriegführenden  Macht,  sei  eine  öffentliche  Handels- 
transaktion, welche  unter  den  Freiheiten  des  neutralen  Handelsverkehrs 
stehe  und  unbestreitbar  eine  völkerrechtlich  nicht  anfechtbare  Hand- 
lung sei. 

Da  Kohle  keine  absolute  Konterbande  sei,  so  müsse  im  vor- 
liegenden Falle,  wo  Kohle  nach  Wladiwostok  gehe,  einem  Hafen,  der 
die  Eigenschaften  sowohl  eines  Kriegs-  als  eines  Handelshafens  besitze, 
mangels  Gegenbeweises  angenommen  werden,  daß  sie  nach  dem  Handels- 
hafen Wladiwostok  befördert  und  nicht  für  den  Kriegsgebrauch  ge- 
liefert werden  sollte.  Daß  dies  billig  sei,  tue  auch  die  Präcedenzent- 
scheidung,  betreffend  die  im  englisch-holländischen  Kriege  im  Jahre 
1798  aufgebrachte  „Neptunus",  dar.  Für  den  vorliegenden  Fall  gelte 
dies  auch  um  so  mehr,  als  die  Ladung  nicht  ausschließlich  für  den  Kriegs- 
gebrauch verwendbar  sei,  sondern  auch  ganz  allgemein  im  Industrie- 
betriebe verbraucht  werde. 

Daher  sei  es  zutreffend,  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung 
nicht  als  Konterbande  anzusehen. 

Besonders  auch  danach,  daß  der  Dampfer,  auf  dem  die  zur  Ver- 
handlung stehende  Ladung  verschifft  sei,  in  Erkenntnis,  daß  ein  Pas- 
sieren der  Soyastraße  unmöglich  gewesen  sei,  durch  die  Tsugarustraße 
nach  Kiautschou  zu  fahren  beabsichtigt  habe,  um  dort  Order  des  Reeders 
oder  des  Charterers  abzuwarten,  müsse  man  zu  der  Entscheidung' 
kommen,  daß  die  Reise  nach  Wladiwostok  aufgegeben  gewesen  sei  und 
daß  demnach  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  keine  Konter- 
bande sei. 

Aus  diesen  Gründen  werde  eine  Entscheidung  auf  Freigabe  der  zur 
Verhandlung  stehenden  Ladung  beantragt. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

680 


Prisengerichteentschoidungen:  ,»Siam".  Abschnitt  VI^SH' 

Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegshafe»- 
im  Osten  und  zurzeit  der  Hauptstützpunkt  für  seine  Marine  ist.  Seit 
dem  Kriege  mit  Japan  hat  die  russische  Regierung  den  Platz  zu  einem 
Hauptetappenort  gemacht,  und  sie  ist  mit  allen  Mitteln  bestrebt,  dort 
große  Kriegsvorräte  anzuhäufen.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr  hat 
dort  fast  ganz  aufgehört.  Wenn  daher  Kohle,  Lebensmittel  oder  der- 
gleichen Güter,  deren  Konterbandeeigenschaft  von  besonderen  Um- 
ständen abhängig  ist,  nach  Wladiwostok  befördert  werden,  so  muß,  man- 
gels klaren  Gegenbeweises,  angenommen  werden,  daß  dieselben  für  den 
Kriegsgebrauch  zu  liefern  waren.  Besonders  kann  es  bezüglich  der 
zur  Verhandlung  stehenden  Ladung,  welcKe  aus  ausgewählter  Cardiff- 
kohle  besteht,  wie  sie  nur  zum  Gebrauch  auf  Kriegsschiffen  dient, 
nicht  bezweifelt  werden,  daß  sie  wirklich  für  den  Kriegsgebrauch  be- 
stimmt war.     Sie  ist  daher  mit   Recht  als   Konterbande  anzusehen.  ^} 

Was  das  von  dem  Reklamanten  angezogene  Urteil  in  dem  „Nep- 
tunus"-Fall  angeht,  so  deckt  sich  jener  Fall,  in  dem  Tierfett  nach  Amster- 
dam befördert  werden  sollte,  nicht  mit  dem  vorliegenden.  Im  Gegenteil 
kann  man  die  Begründung  jenes  Urteils  vielmehr  zur  Bekräftigung 
der  Annahme,  daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  Konterbande 
ist,  geltend  machen.  Denn  Amsterdam  hatte  damals  einen  vorwiegend 
kommerziellen  Charakter.  Die  gegenwärtigen  Verhältnisse  von  Wladi- 
wostok sind  aber,  wie  oben  dargetan,  wesentlich  verschieden.  Das 
in  dem  Urteil  erwähnte  Brest  kommt  den  gegenwärtigen  Verhältnissen 
Wladiwostoks  vielmehr  gleich. 

Der  Vertreter  der  Reklamation  macht  ferner  geltend,  daß  an- 
zunehmen sei,  daß  der  Dampfer  „Siam",  auf  welchem  die  zur  Verhand- 
lung stehende  Ladung  verschifft  sei,  seine  Reise  nach  Wladiwostok  auf- 
gegeben habe.  Da  aber  das  Schiff  von  Anfang  an  die  Absicht  hatte, 'nach 
Wladiwostok  zu  gehen,  und  auch  bei  seinem  Vorhaben,  durch  die 
Tsugarustraße  zu  fahren,  den  tatsächlichen  Verhältnissen  nach  als  selbst- 
verständlich angenommen  werden  muß,  daß  das  Schiff  nach  Passieren 
dieser  Straße  direkt  nach  dem  genannten  Bestimmungsorte  gefahren 
sein  würde,  so  kann  man,  solange  noch  das  Schiff  den  Kurs  nach 
Wladiwostok  nicht  unverkennbar  verlassen  hatte,  wenn  auch  das  Tage- 
buch auf  Hongkong  oder  Kiautschou  lautete,  daraufhin  nicht  ohne 
weiteres  zu  der  Überzeugung  gelangen,  daß  die  Reise  nach  Wladi- 
wostok aufgegeben  war.  Vielmehr  berechtigen  die  Position,  der  Kurs 
und  die  Tageszeit  bei  der  Aufbringung  des  Schiffes  durchaus  zu  der 
Annahme,  daß  es  vorhatte,  die  Tsugarustraße  im  Dunkel  der  Nacht 
zu  passieren  und  so  seine  von  Anfang  an  beabsichtigte  Reise  nach 
Wladiwostok  durchzuführen. 


1)  II.  Ziffer  2. 

681. 


Abschnitt  VI»k  Prisongorichtsentschef düngen:  „Slam". 

Die  Pariser  Seerechtsdeklaration  sowie  die  völkerrechtliche  Theorie 
und  Praxis  nehmen  aber  an,  daß  Konterbande,  wenn  auch  unter  neu- 
traler Flagge  fahrend,  eingezogen  werden  kann.  ^) 

Demnach  ist  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  einzuziehen, 
und  es  erübrigt  sich,  auf  die  übrigen  Punkte  des  Reklamanten  einzugehen. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  28.  April  1Q05  im  Prisengericht  zu  Yokosuka,  im  Bei- 
sein des  Staatsanwalts  beim  Prisengericht  zu  Yokosuka,  Uchida  Shi- 
g  e  n  a  r  i. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Mann,  George  &  Co.,  London,  England,  ver- 
Ireten  durch  den  Kapitän  des  österreichisch-ungarischen  Dampfer 
.„Siam",  S.  A.  Xigga. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Akiyama  Oenzo,  Tokio, 
Kyobashiku  Unemecho  Nr.  15. 

Am  28.  April  1Q05  hat  das  Prisengericht  zu  Yokosuka  in  der  Prisen- 
sache, betreffend  den  österreichisch-ungarischen  Dampf  er  „Siam",  welcher 
am  30.  Januar  1905  bei  dem  Erisuso- Vorgebirge  von  dem  Kaiserlichen 
Kriegsschiff  „Asama"  aufgebracht  worden  ist,  ein  Urteil  gefällt,  in  wel- 
chem auf  Wegnahme  der  auf  dem  österreichisch-ungarischen  Dampfer 
„Siam"  verschifften  ungefähr  4100  Tons  Cardiffkohle  erkannt  worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  S.  A.  Xigga  als  Vertreter  des  Rekla- 
manten, der  Firma  Mann,  George  &  Co.,  durch  den  Rechts- 
anwalt Akiyama  Genzo  als  Prozeßvertreter  die  Berufung  eingelegt, 
welche  im  Beisein  der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku  und  I  s  h  i  - 
watari  Binichi  beim  Oberprisengericht  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Vertreters  der  Reklamation, 
Akiyama  Genzo,  sind  folgende : 

Das  Urteil  des  Prisengerichts  zu  Yokosuka  auf  Wegnahme  der  auf 
dem  Dampfer  „Siam"  verschifften  Steinkohle  sei  unzutreffend.  Es  werde 
Aufhebung  desselben  und  Freigabe  der  zur  Verhandlung  stehenden 
Ladung  beantragt,  und  zwar  aus  folgenden  Gründen : 

1.  Die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  sei  nach  Wladiwostok, 
Rußlands  einzigem  Hadelshafen  im  Osten,  befördert  worden  und  zu 
friedlichem  Gebrauch  bestimmt  gewesen.  Daher  sei  es  unzutreffend, 
sie  als  Konterbande  anzusehen. 

>)  V.  §  43. 

682 


Prisengerichtsentacheidungen :  „Siam".  Abschnitt  VI  35  b 

2.  Es  sei  freilich  in  neuerer  Zeit  äußerst  bestritten,  ob  Kohle  Konter- 
bande sei.    In  der  japanischen  Seeprisenordnung 3)  sei  jedoch  als  Prinzip 
-anerkannt,  daß  sie  nur  als  Konterbande  gelte,  wenn  sie  erwiesenermaßen 
zum   Gebrauch  des  Feindes  habe  geliefert  werden  sollen..  Aber  wenn 
man  selbst  annehme,  daß  dies  Prinzip  mit  den  Grundsätzen  des  Völker- 
rechts übereinstimme,  so  sei  doch  der  Bestimmungshafen  der  zur  Ver- 
handlung  stehenden    Ladung,    Wladiwostok,    nicht  nur  Rußlands   ein- 
ziger Kriegshafen,  sondern  auch  sein  einziger  Handelshafen  im  Osten. 
Da  an  diesem  Platze  alle  Arten  von  kaufmännischen  und  gewerblichen 
Unternehmungen  betrieben  würden  und  neutrale  Firmen  ihre  Nieder- 
lassungen hätten,  so  könne  man   aus  der  Tatsache,  daß  Kohle,  welche 
nicht  absolute  Konterbande  sei,  dorthin  transportiert  werde,  nicht  ohne 
weiteres  schließen,  daß  diese  für  den  Gebrauch  der  Kriegsmacht  be- 
stimmt sei.    Auch  nach  der  Präcedenzentscheidung,  betreffend  die  „Nep- 
tunus"  im  Kriege  zwischen  England  und  Holland  vom  Jahre  1798,  sei 
«s   billig,  daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  als  zur  Einfuhr 
nach  dem  Handelshafen  Wladiwostok  und  zu  friedlichem  Gebrauch  be- 
stimmt angesehen  werde. 

Wenn  das  Gericht  der  ersten  Instanz  Wladiwostok  als  einen  reinen 
Kriegshafen  erkläre  und  es  mit  dem  in  dem  „Neptun us"-Urteil  erwähnten 
Kriegshafen  Brest  auf  gleiche  Stufe  stelle,  so  sei  das  eine  falsche  Auf- 
fassung der  Tatsachen.  Folglich  sei  auch  die  Präcedenzentscheidung 
nicht  richtig  angezogen.  Ferner  übersehe  das  Urteil,  daß  auch  heute 
noch  nach  dem  Ausbruch  des  Kriegs  mit  Japan  in  Wladiwostok  der 
gewöhnliche  Handelsverkehr  wie  früher  ausgeübt  werde,  und  sage,  es 
sei  eine  bekannte  Tatsache,  daß  der  Handelsverkehr  des  genannten 
Hafens  gesperrt  sei. 

Während  ferner  Cardiffkohle  in  allen  Ländern  der  Erde  sowohl 
zum  Kriegs-  als  Gewerbegebrauch  verwandt  werde,  sage  das  Urteil 
erster  Instanz,  daß  eine  Ladung  wie  die  zur  Verhandlung  stehende  im 
Osten  ausschließlich  bei  der  Kriegsmarine  zur  Verwendung  komme. 
Alles  dies  sei  eine  starke  Entstellung  der  Tatsachen,  und  das  Urteil 
sei  widerrechtlich,  weil  es  mit  dem  allgemeinen  Sachverhalt  nicht  in 
Jogischem  Einklang  stehe. 

3.  Selbst  einmal  angenommen,  die  zur  Verhandlung  stehende 
Ladung  sei  Konterbande,  so  habe  der  Dampfer,  wenn  er  auch  unfraglich 
beabsichtigt  habe,  nach  Wladiwostok  zu  fahren,  doch  unterwegs  wegen 
Treibeises  seine  anfängliche  Absicht  geändert  und  die  Reise  nach  dort 
aufgegeben.  Er  sei  dann  aufgebracht  worden,  während  er  nach  dem 
neutralen  Kiautschou  gefahren  sei.  Daher  könne  man  nicht  sagen,  daß 
die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  auf  der  Reise  nach  einem  feind- 
lichen Hafen  begriffen  gewesen  sei.    Da  die  Ladung  demnach  gar  nicht 

•)  v7§  14. 

683 


Abschnitt  VI 35k  Prisengerichtsentscheidungen:  „Siam"^ 

an  den  Feind  habe  gelangen  können,  so  sei  es  klar,  daß  sie  nicht  für 
Konterbande  angesehen  und  eingezogen  werden  könne. 

Eine  Präcedenz,  welche  den  vorliegenden  Fall  gänzlich  decke,  sei 
der  Fall  der  in  dem  englisch-holländischen  Kriege  im  Jahre  1800  auf- 
gebrachten „Imina''.  Der  Fall  sei  folgender:  Der  genannte  Dampfer*) 
sei  während  des  englisch-holländischen  Krieges  mit  Schiffbaumaterialien 
nach  Amsterdam  gefahren,  habe  aber,  als  er  von  der  über  diesen  Hafen 
verhängten  Blockade  erfahren  habe,  seine  Reise  geändert  und  sei  nach 
dem  neutralen  Emden  gereist.  Auf  der  Fahrt  dorthin  sei  er  von  einem 
englischen  Kriegsschiff  aufgebracht  worden.  In  der  Begründung  des- 
Prisen  Urteils  über  das  Schiff  heiße  es: 

Die   „Imina"    habe   ihre  anfängliche   Absicht  geändert   ge- 
habt und  sei  im  Begriff  gewesen,  nach  einem  neutralen  Hafen 
zu   fahren.     Da   hieraus  rechtlich    kein    Vorwurf    gemacht 
werden  könne,  so  könnte  weder  Schiff  noch  Ladung  ein- 
gezogen werden,   sie  seien  vielmehr  ungesäumt  dem  Eigen- 
tümer zurückzugeben. 
Wenn   man   den   Inhalt  dieses   Urteils  auf  den   vorliegenden   Fall  an- 
wende, so  liege  es  auf  der  Hand,  daß  weder  Schiff  noch  Ladung  ein- 
gezogen werden  könne.     Es  sei  daher  unrechtmäßig,  wenn  das  Urteil 
erster  Instanz  diesen  Präcedenzfall  ignoriere  und  auf  Einziehung  des 
Schiffs  sowohl  wie  der  zur  Verhandlung  stehenden  Ladung  erkenne. 

4.  Bezüglich  der  Behandlung  relativer  Konterbande  auf  neutralem 
Schiff  weiche  zwar  das  englische  Prinzip  von  dem  kontinentalen  in 
etwas  ab,  aber  im  großen  und  ganzen  sei  ihr  Sinn  doch  derselbe.  Nach 
der  englischen  Praxis  würden  Güter,  welche,  weil  für  die  feindlichen 
Kriegsschiffe  oder  Truppen  bestimmt,  als  Kriegskonterbande  anzusehen 
seien,  unter  Zahlung  einer  Vergütung  eingezogen.  Nach  dem  konti- 
nentalen Prinzip  sei,  wie  es  die  völkerrechtlichen  Kongresse  beschlossen 
hätten,  für  Güter,  welche  sowohl  friedlichen  als  auch  kriegerischen 
Zwecken  dienen  könnten,  wenn  sie  auf  der  Reise  nach  einem  feind- 
lichen Hafen  begriffen  seien,  bestimmt,  daß  dem  kriegführenden  Staat 
ihnen  gegenüber  unter  der  Bedingung  der  Vergütung  das  Beschlag- 
nahmerecht und  außerdem  das  Vorkaufsrecht  zustehe.  Während  so  die 
moderne  Rechtspraxis  mit  Bezug  auf  relative  Konterbande  eine  immer 
weitherziger  werdende  Tendenz  zeige,  sei  nur  Japan  unbillig  streng, 
indem  es  im  Gegensatz  zu  den  erwähnten  Rechtsprinzipien  und  Gewohn- 
heiten Kohle,  die  sowohl  friedlichen  als  auch  kriegerischen  Zwecken 
diene,  wenn  sie  nach  einem  Platz,  der  Handels-  und  Kriegshafen  sei, 
bestimmt  wäre,  bedingungslos  einziehe.  Besonders  weil  die  japanische 
Prisenordnung  sich  auf  den  englischen  Prinzipien  aufbaue,  sei  es  wün- 


*)  .Dampfschiff"  dürfte  ein  leichter  Anachronismus  sein. 
684 


Prisengerichtsentscheidungen:  ..Siam".  Abschnitt  VI3«b 

sehenswert,  daß,  wo  es  sich  um  neutrale  relative  Konterbandegüter 
handele,  eine  billigere  Haltung  eingenommen  werde. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  beim  Prisen- 
Bericht  zu  Yokosuka,   Uchida  Shigenari,   sind  folgende: 

Der  Reklamant  habe  dafür,  daß  die  zur  Verhandlung  stehende 
Ladung  zu  friedlichem  Gebrauch  geliefert  werden  solle,  keinerlei  Be- 
\c'eis   erbracht. 

Wladiwostok  sei  nun  zurzeit  Rußlands  einziger  Kriegshafen  im 
Osten  und  der  Hauptstützpunkt  für  seine  Flotte.  Seit  dem  Kriege 
mit  Japan  habe  die  russische  Regierung  diesen  Platz  zu  einem  Haupt- 
etappenort gemacht,  und  sei  mit  allen  Kräften  bestrebt,  dort  Kohle, 
Kriegsw^affen  und  -gerät  und  sonstige  Kriegsbedarfsgegenstände  an- 
zuhäufen. Es  sei  bekannt,  daß  der  gewöhnliche  Handelsverkehr  dort 
fast  gänzlich  aufgehört  habe.  Wenn  daher  Kohle  und  dergleichen 
Güter,  deren  Konterbandeeigenschaft  von  besonderen  Umständen  ab- 
hängig sei,  nach  Wladiwostok  befördert  würden,  so  sei  es  billig,  man- 
gels klaren  Gegenbeweises  anzunehmen,  daß  dieselben  für  den  Kriegs- 
gebrauch geliefert  werden  sollten.  Dies  gelte  besonders  auch  bezüg- 
lich der  zur  Verhandlung  stehenden  Ladung,  welche  aus  doppelt  ge- 
siebter Cardiffkohle  bestehe,  wie  sie  im  Osten  ausschließlich  zum  Kriegs- 
_gebrauch  diene.  Auch  habe  der  Dampfer  „Siam",  um  der  Aufbringung 
durch  die  japanische  Marine  zu  entgehen,  die  List  angewandt,  seinen 
Bestimmungsort  zu  verheimlichen.  Daraus  könne  man  mit  Recht  fol- 
gern, daß  die  Kohle  wirklich  für  den  russischen  Kriegsgebrauch  zu 
liefern  gewesen  und  daher  Konterbande  sei.  Das  Völkerrecht  erkenne 
aber  an,  daß  Konterbande,  wenn  auch  unter  neutraler-  Flagge  fahrend, 
der  Einziehung  nicht  entgehen  könne. 

Die  übrigen  Berufungspunkte  seien  nur  eine  Erweiterung  des 
ersten  Punktes  und  bedürften  daher  keiner  Erwiderung. 

Aus  diesen  Gründen  werde  Verwerfung  der  Berufung  beantragt. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 
L  Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegs- 
hafen ist.  Seit  dem  Kriege  mit  Japan  hat  Rußland  es  zum  Stützpunkt 
für  seine  Kriegsflotte  und  Hauptetappenort  gemacht.  Es  hat  dort  in 
ausgedehntem  Maße  Waffen,  Lebensmittel,  Kohle  und  sonstige  Kriegs- 
bedarfsartikel aufgespeichert.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr  nach 
dorthin  hat  fast  ganz  aufgehört.  Es  ist  daher  durchaus  begründet,  wenn 
das  Gericht  erster  Instanz  angenommen  hat,  daß  die  nach  diesem  Hafen 
bestimmten  Steinkohlen  für  den  russischen  Kriegsgebrauch  geliefert 
werden  sollten  und  daher  Konterbande  seien.  Dies  um  so  mehr,  als 
die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  ausgewählte  Cardiffkohle  ist  und 
die  Preise  für  solche  im  Osten  so  außerordentlich  hoch  sind,  daß  außer 
für  den  Gebrauch  auf  Kriegsschiffen  zur  Kriegszeit  keine  Nachfrage  dafür 

685 


Abschnitt  VI»b  Prisengerichtsentscheidungen:  „Siam'v 

vorhanden  und  es  somit  unzweifelhaft  ist,  daß  die  Kohle  sicher  für  den 
russischen  Kriegsgebrauch  geliefert  werden  sollte. 

Der  Reklamant  sagt,  ^s  müsse  nach  der  Art  der  Präcedenz- 
entscheidung,  betreffend  die  „Neptun us"  auch  in  diesem  Falle  an- 
genommen werden,  daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  für  fried- 
liche Zwecke  bestimmt  gewesen  sei.  Aber  die  Ladung  im  „Neptun us"- 
Fall  und  die  des  vorliegenden  Falles  sind  ihrer  Art  nach  von  Grund  aus 
verschieden,  und  auch  die  Verhältnisse  der  Bestimmungsorte  sind  ganz 
andere.  Es  ist  daher  unfraglich,  daß  jener  Fall  nicht  als  Präcedenz 
auf   den  vorliegenden  angewandt  werden  kann. 

Daher  sind  Punkt  1   und  2  der  Berufung  unbegründet. 

2.  Der  Reklamant  bringt  vor,  der  Kapitän  des  Dampfers  „Siain'% 
auf  den  die  zur  Verhandlung  -stehende  Ladung  verschifft  sei,  habe  er- 
kannt, daß  das  Passieren  der  Soyastraße  unmöglich  sein  würde  und  habe 
daher  die  Reise  nach  Wladiwostok  aufgegeben.  Er  habe  dann,  wie 
sich  aus  den  Eintragungen  in  dem  Tagebuch  ergebe,  die  Route  nach 
der  Tsugarustraße  eingeschlagen,  um  den  neutralen  Hafen  von 
Kiautschou  zu  erreichen.  Deshalb  seien  das  Schiff  und  die  Ladung,  ent- 
sprechend der  Entscheidung  in  dem  „Imina"-Fall,  freizugeben.  Das 
Schiff  hat  aber  von  der  Abreise  an  nach  Wladiwostok  fahren  wollen. 
Wenn  es  nun  auch  bei  dem  Versuch,  die  Soyastraße  zu  passieren,  er- 
kannte, daß  dies  nicht  möglich  war,  und  daher  die  Route  nach  der 
Tsugarustraße  einschlug,  so  liegt  doch  diese  Straße  auch  auf  dem  Weg 
nach  Wladiwostok  und  das  Schiff  hatte  daher  seinen  Kurs  nach  Wladi- 
wostok noch  nicht  ganz  verlassen. 

Der  Kapitän  beruft  sich  auf  seine  Eintragungen  im  Tagebuch  und 
behauptet,  er  habe  nach  Kiautschou  fahren  wollen.  Wenn  man  aber 
in  Betracht  zieht,  daß  die  Mehrzahl  der  Schiffspapiere  falsche  Ein- 
tragungen enthält,  so  kann  man  dem  Tagebuch  nicht  ohne  weiteres 
Glauben  schenken.  Auch  liegen  sonst  keinerlei  Beweise  vor,  welche 
zu  der  Annahme  berechtigen,  daß  die  Reise  nach  Wladiwostok  auf- 
gegeben worden  sei.  Dagegen  kann  die  eingeschlagene  Route  nicht 
als  die  für  die  Winterszeit  geeignete  Route  nach  Kiautschou  bezeichnet 
werden,  und  es  liegt  auch  kein  Grund  vor,  weshalb  das  Schiff,  wenn 
es  nach  Kiautschou  fahren  wollte,  die  Tsugarustraße  wählen  sollte,  wo 
es  am  meisten  den  Störungen  durch  Visitierung  und  Durchsuchung 
seitens  japanischer  Kriegsschiffe  ausgesetzt  sein  müßte.  Es  muß  daher 
vielmehr  angenommen  werden,  daß  das  Schiff  nach  wie  vor  nach 
Wladiwostok  zu  fahren  vorhatte.  Auch  die  Tatsache,  daß  andere  Schiffe, 
welche  in  gleicher  Charter  standen  und  gleiche  Ladung  hatten,  als 
sie  die  Soyastraße  nicht  passieren  konnten,  die  Route  durch  die  Tsugaru- 
straße nahmen,  um  nach  Wladiwostok  zu  gelangen,  spricht  für  die 
Vermutung,  daß  auch  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff,  als  es  die 

686 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Eastry".  Abschnitt  VI3S 

Soyastraße  nicht  passieren  konnte,  in  gleicher  Weise  versucht  hat,  durch 
die  Tsugarustraße  nach  Wladiwostok  zu  gelangen.  Der  vorliegende 
Fall  kann  daher  mit  dem  der  „Imina",  welche  ihre  anfängliche  Reise- 
route gänzlich  geändert  hatte,  nicht  auf  eine  Stufe  gestellt  werden. 

Daher  ist  auch  Punkt  3  der  Berufung  unbegründet. 

3.  Es  ist  völkerrechtliches  Prinzip,  daß  Konterbande  schlechthin 
konfisziert  werden  kann.  Wünsche  bezüglich  Vorkaufs,  Einziehung  gegen 
Entgelt  oder  Beschlagnahme  unter  der  Bedingung  der  Entschädigung,. 
wie  sie  der  Reklamant  äußert,  sind  nur  verwirklicht,  wo  besondere  ver- 
tragliche Abmachungen  vorliegen.  Im  übrigen  finden  sich  diese  Er- 
scheinungen in  Praxis  und  Theorie  nur  vereinzelt.  Keinenfalls  können 
sie  jedoch  als  völkerrechtliche  Regel  anerkannt  werden.  Man  kann 
daher  nicht  sagen,  daß  das  Urteil  erster  Instanz  es  in  etwas  versehen 
habe,  wenn  es  diesem  Ansuchen  des  Reklamanten  nicht  Folge  leistete.. 

Daher  ist  auch  Punkt  4  der  Berufung  unbegründet. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  26.  August  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


In  Sachen  des  am  7.  Februar  1905,  3  Uhr  nachmittags  in  der  Straße 
von  Tsugaru  von  dem  Kaiserlich  japanischen  Kriegsschiff  „Matsushima" 
beschlagnahmten  Dampfers  „Eastry"  wird  nach  stattgehabter  Unter- 
suchung, wie  folgt,  entschieden. 

Urteilsformel: 
Der  englische  Dampfer  „Eastry"  und  seine  gesamte  Ladung  von 
3725  Tons  Steinkohlen  werden  freigegeben. 

Tatbestand  und  Gründe: 
Der  Heimatshafen  des  genannten  Dampfers  ist  West  Hartlepool^ 
es  steht  im  Eigentum  des  in  Durham,  West  Hartlepol,  wohnhaften  eng- 
lischen Staatsangehörigen  William  John  Sivewright  und  ist  ein 
Stahldampfer  von  1924.27  Register  Tons.  Er  ist,  ausgerüstet  mit  falschen 
Papieren,  mit  einer  Ladung  von  Cardiffkohlen  in  dem  letzten  Drittel 
des  November  1904  nach  Wladiwostok  gefahren  und  wurde  auf  seiner 
Rückfahrt  von  dort  am  8.  Dezember  desselben  Jahres  in  der  Nähe  der 
Straße  von  Tsushima  von  dem  Kaiserlich  japanischen  Kriegsschiff 
„Tsushima"  visitiert.  Danach  fuhr  er  über  Moji  und  Wusung  nach 
Hongkong.   Während  er  dort  lag,  wurde  er  von  der  Firma  Dodwell 

68T 


Abschnitt  VI*  Prisengerfchtsentscheidungen :  „Eastry". 

&  Co.  in  Yokohama  am  20.  Januar  1905  für  eine  Reise  von  Muroran 
nach  Singapore  gechartert.  Er  fuhr  am  21.  desselben  Monats  von  Hong- 
kong ab  und  traf  am  1.  Februar  in  Muroran  ein.  Dort  nahm  er 
3725  Tons  von  der  Hokkaido Tanko  Tetsudo  Kaisha  f ürPeterson,  Si- 
mons &  Co.  in  Singaporee  und  560  Tons  für  den  Reiseverbrauch  des 
Dampfers  bestimmte  Yubari-Kohlen  an  Bord.  Am  7.  Februar  am.  8  Uhr 
vormittags  fuhr  er  mit  Bestimmung  nach  Singapore  von  Muroran  ab, 
wurde  jedoch  in  der  Nähe  der  Tsugarustraße  auf  41  ^  43'  n.  Br.  und 
141 0  5'  ö.  L.  von  dem  Kaiserlich  japanischen  Kriegsschiff  „Matsushima'' 
visitiert  und  am  selben  Tage  3  Uhr  nachmittags  unter  dem  Verdacht, 
Konterbande  nach  Wladiwostok  zu  führen,  mit  Beschlag  belegt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  von  dem  stell- 
vertretenden Offizier  des  Kommandanten  der  „Matsushima",  Kapitän- 
leutnant Taira  Saneo,  eingereichte  Aussageschrift  über  die  Auf- 
bringung des  Dampfers  „Eastry",  die  Vernehmungsprotokolle  des  Ka- 
pitäns der  „Eastry'',  W.  T.  Horsfield,  und  des  O.  M.  Poole  von 
der  Firma  Dod wel  1  &  Co.  in  Yokohama,  ein  von  dem  Kommandanten 
der  „Matsushima"  an  den  mit  dem  Fall  beauftragten  Rat  des  Prisen- 
gerichts gerichtetes  Telegramm,  das  Schiffszertifikat,  das  Schiffsjournal 
und  den  Chartervertrag  des  genannten  Dampfers. 

Der  Kommandant  der  „Matsushima"  hat  den  zur  Verhandlung 
stehenden  Dampfer  beschlagnahmt,  weil  derselbe  früher  mit  falschen 
Papieren  Konterbande  nach  Wladiwostok  geführt  hatte  und  weil  er 
daraus,  daß  der  Dampfer  nicht  den  mittleren,  sondern  einen  an  der 
Küste  entlang  führenden  Kurs  durch  die  Straße  von  Tsugaru  nahm, 
schloß,  daß  das  Reiseziel  Singapore  nur  vorgegeben  sei  und  der  Dampfer, 
wie  das  vorige  Mal,  mit  gefälschten  Schiffspapieren  nach  Wladiwostok 
zu  fahren  vorhabe. 

Die  genaue  Prüfung  der  an  Bord  befindlichen  Schiffspapiere  sowie 
die  Vernehmung  der  Interessenten  durch  das  Prisengericht  hat  jedoch 
ergeben,  daß  die  Charterer  für  die  frühere  und  für  diese  Reise  ver- 
schiedene Personen  sind.  Dazu  ist  es  unzweifelhaft  erwiesen,  daß  die 
an  Bord  befindliche  Ladung  von  Kohlen  von  der  Hokkaido  Tanko 
Tetsudo  Kaisha  fürPeterson,Simons&Co.  bestimmt  sind  und  daß 
auch  der  Bestimmungshafen  des  Dampfers  Singapore  ist.  Die  dies- 
malige Reise  des  Dampfers  kann  also  nicht  als  zum  Zwecke  von  Konter- 
bandetransport unternommen  angesehen  werden,  und  es  wird  daher 
wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Gegegeben  am  12.  Februar  1905  im  Prisengericht  zu  Yokosuka  nach 
Einsichtnahme  des  Schriftsatzes  des  Staatsanwalts  beim  Prisengericht 
in  Yokosuka. 

(Unterschriften.) 

688 


Prfsengerichtsentscheldungen :  „Faros". 


Abschnitt  VI"« 


Reklamanten:  Deutsche  Levante -Linie  A.  Ges.  zu  Hamburg, 
Deutschland,  vertreten  durch  die  Direktionsmitglieder  Charles  Ed- 
^ward  John  Campbell  und  Georg  Christian  Dressen, sowie 
<iie  Firma  Kunst  &  Albers  zu  Hamburg,  Deutschland. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Nagashima  Washitaro  zu 
Tokio,  Kyobashiku,  Tsukiji  Ichome  Nr.   14. 

In  der  Prisensache,  betreffend  den  deutschen  Dampfer  „Faros'' 
und  seine  Ladung  wird,  nach  Beendigung  der  Untersuchung,  wie  folgt, 
entschieden : 

Urteilsform  e  1: 
Es  wird  auf  Wegnahme  des  deutschen  Dampfers  „Paros"  sowie 
•der   nachstehend   aufgeführten,    zur   Ladung  des  Dampfers  gehörigen 


uuter  erkannt: 
Eisensplinte  .    . 

.    .      387  Kisten 

Bindfaden     .    . 

.    .        43       . 

Eisendraht     .    . 

.    ,      230  Faß 

Stahltrossen  .    . 

.    .      580  Rollen 

Linoleum  .    .    . 

.    .       25  Kisten 

Fensterglas   .    . 

.    .      600       , 

(1  KiBt.  etwas 

besobUdlKt) 

Wagen.    .    .    . 

.    .      250  Kisten 

Lötmetalle     .    . 

.    .        81        , 

Eisenwaren    .    . 

.    .        10       , 

Gummiwaren 

.    .        60       , 

Fabrikate  .    .    . 

.    .        29  Kolli 

Pumpen    .    .    .    . 

37  Kisten 

Feldschmieden  . 

.        51        , 

Kupfer.    .    .    . 

.    .    5842  Barren 

Zinkblech .    .    . 

.    .       92  Faß 

»       ... 

.    .      132  Kisten 

Verzinkter  Stahl 

.        16       . 

Dampfdruckmesser 

1        . 

Schlösser  .    .    . 

.        13       , 

Sägen  .... 

2       , 

Hanfschläuche   . 

.      100       . 

firatspilis  .    .    .    . 

.      300  Stück 

Eisennägel    .    .    . 

.    5300  Kisten 

Eisenschrauben  .    . 

34       . 

Putzbaumwolle  . 

.      739  Kolli 

Hammer   .    .    . 

10  Faß 

Spaten,  Hammer    . 

.        53    . 

Kupfervitriol .    .    . 

.      660  Kisten 

Soda 

500  Kannen 

Teertuch  .    .    .    . 

17  Kolli 

Kupferrohre  .    .    , 

12  Kisten 

Kupferblech  .    .    , 

.        15       . 

j»           .    .    . 

52  Stück 

Kupfer-  und  Messing- 
blech   

Messingblech     .    .    . 

Milch 

Chokolade    .... 

Kindernahrungsmehl  . 

Butter 

Käse 

Sardinen 

Gelatine 

Cigarren 

Wurzel   von  Stemone 
sessillfolia     .    .    . 

Gesalzene  Gemüse     . 

Champagner.    .    .    . 

Likör 

Cognac 

Rum 

Lukentransportvor- 
richtung  .... 

Stützpfeiler    .... 

Treppenstufen  und  Ge- 
länder  

Rotationstüren   .    .    . 

Porzellan 

Photograph'ische  Che- 
mikalien ..... 

Kaffeemühlen    .    .    . 

Muster  von  Putzbaum- 
wolle   

Muster  von  Katalogen 

Pelze  und  Muster.    . 

Verschiedenes  (Bei- 
packwaren) .    .    . 

Linoleum-Proben   .    . 


49  Stück 
18      . 
300  Kisten 

1  Kiste 
20  Kisten 

40  , 

41  . 
100   , 

5   , 
5    n 

10  . 

226  „ 

583  , 

120  , 

150  « 

30  . 

1  Kiste 

2  Stück 

33  Kolli 
5  Kisten 
8        , 

1  Kiste 

1  n 

1  n 

2  Kisten 
1  Kiste 

1      . 
1      ,. 


Marstrand-M echlenburff,  Das  Japanische  Prlsenreoht. 


(44) 


689 


Abschnitt  VI>sk  Prisengerichtsentscheidungen:  „Siam*'. 

Die  Pariser  Seerechtsdeklaration  sowie  die  völkerrechtliche  Theorie 
und  Praxis  nehmen  aber  an,  daß  Konterbande,  wenn  auch  unter  neu- 
traler Flagge  fahrend,  eingezogen  werden  kann.  ^) 

Demnach  ist  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  einzuziehen, 
und  es  erübrigt  sich,  auf  die  übrigen  Punkte  des  Reklamanten  einzugehen. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  28.  April  1905  im  Prisengericht  zu  Yokosuka,  im  Bei- 
sein des  Staatsanwalts  beim  Prisengericht  zu  Yokosuka,  Uchida  Shi- 
£  e  n  a  r  i. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Mann,  George  &  Co.,  London,  England,  ver- 
treten durch  den  Kapitän  des  österreichisch-ungarischen  Dampfer 
^,Siam",  S.  A.  Xigga. 

ProzeBvertreter :  Rechtsanwalt    Akiyama    Genzo,    Tokio, 

Kyobashiku  Unemecho  Nr.  15. 

Am  28.  April  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Yokosuka  in  der  Prisen- 
sache, betreffend  den  österreichisch-ungarischen  Dampfer  „Slam",  welcher 
am  30.  Januar  1905  bei  dem  Erisuso- Vorgebirge  von  dem  Kaiserlichen 
Kriegsschiff  „Asama''  aufgebracht  worden  ist,  ein  Urteil  gefällt,  in  wel- 
chem auf  Wegnahme  der  auf  dem  österreichisch-ungarischen  Dampfer 
„Siam"  verschifften  ungefähr  4100  Tons  Cardiffkohle  erkannt  worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  S.  A.  Xigga  als  Vertreter  des  Rekla- 
manten, der  Firma  Mann,  George  &  Co.,  durch  den  Rechts- 
anwalt Akiyama  Genzo  als  Prozeßvertreter  die  Berufung  eingelegt, 
welche  im  Beisein  der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku  und  Ishi- 
watari  Binichi  beim  Oberprisengericht  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Vertreters  der  Reklamation, 
Akiyama  Genzo,  sind  folgende : 

Das  Urteil  des  Prisengerichts  zu  Yokosuka  auf  Wegnahme  der  auf 
dem  Dampfer  „Siam"  verschifften  Steinkohle  sei  unzutreffend.  Es  werde 
Aufhebung  desselben  und  Freigabe  der  zur  Verhandlung  stehenden 
Ladung  beantragt,  und  zwar  aus  folgenden  Gründen : 

1.  Die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  sei  nach  Wladiwostok, 
Rußlands  einzigem  Hadelshafen  im  Osten,  befördert  worden  und  zu 
friedlichem  Gebrauch  bestimmt  gewesen.  Daher  sei  es  unzutreffend, 
sie  als  Konterbande  anzusehen. 

>)  V.  §  43. 

•682 


Prisengerichtsentscheidungen:  ,,Siam".  Abschnitt  VI3ftb 

2.  Es  sei  freilich  in  neuerer  Zeit  äußerst  bestritten,  ob  Kohle  Konter- 
bande sei.  In  der  japanischen  Seeprisenordnung s)  sei  jedoch  als  Prinzip 
anerkannt,  daß  sie  nur  als  Konterbande  gelte,  wenn  sie  erwiesenermaßen 
-2um  Gebrauch  des  Feindes  habe  geliefert  werden  sollen. .  Aber  wenn 
man  selbst  annehme,  daß  dies  Prinzip  mit  den  Grundsätzen  des  Völker- 
rechts übereinstimme,  so  sei  doch  der  Bestimmungshafen  der  zur  Ver- 
handlung stehenden  Ladung,  Wladiwostok,  nicht  nur  Rußlands  ein- 
ziger Kriegshafen,  sondern  auch  sein  einziger  Handelshafen  im  Osten. 
Dci  an  diesem  Platze  alle  Arten  von  kaufmännischen  und  gewerblicheri 
Unternehmungen  betrieben  würden  und  neutrale  Firmen  ihre  Nieder- 
lassungen hätten,  so  könne  man  aus  der  Tatsache,  daß  Kohle,  welche 
nicht  absolute  Konterbande  sei,  dorthin  transportiert  werde,  nicht  ohne 
weiteres  schließen,  daß  diese  für  den  Gebrauch  der  Kriegsmacht  be- 
stimmt sei.  Auch  nach  der  Präcedenzentscheidung,  betreffend  die  „Nep- 
tunus"  im  Kriege  zwischen  England  und  Holland  vom  Jahre  1798,  sei 
-es  billig,  daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  als  zur  Einfuhr 
nach  dem  Handelshafen  Wladiwostok  und  zu  friedlichem  Gebrauch  be- 
stimmt angesehen  werde. 

Wenn  das  Gericht  der  ersten  Instanz  Wladiwostok  als  einen  reinen 
Kriegshafen  erkläre  und  es  mit  dem  in  dem  „Neptun  us"-Urteil  erwähnten 
Kriegshafen  Brest  auf  gleiche  Stufe  stelle,  so  sei  das  eine  falsche  Auf- 
fassung der  Tatsachen.  Folglich  sei  auch  die  Präcedenzentscheidung 
nicht  richtig  angezogen.  Ferner  übersehe  das  Urteil,  daß  auch  heute 
noch  nach  dem  Ausbruch  des  Kriegs  mit  Japan  in  Wladiwostok  der 
gewöhnliche  Handelsverkehr  wie  früher  ausgeübt  werde,  und  sage,  es 
sei  eine  bekannte  Tatsache,  daß  der  Handelsverkehr  des  genannten 
Hafens  gesperrt  sei. 

Während  ferner  Cardiffkohle  in  allen  Ländern  der  Erde  sowohl 
zum  Kriegs-  als  Gewerbegebrauch  verwandt  werde,  sage  das  Urteil 
erster  Instanz,  daß  eine  Ladung  wie  die  zur  Verhandlung  stehende  im 
Osten  ausschließlich  bei  der  Kriegsmarine  zur  Verwendung  komme. 
Alles  dies  sei  eine  starke  Entstellung  der  Tatsachen,  und  das  Urteil 
sei  widerrechtlich,  weil  es  mit  dem  allgemeinen  Sachverhalt  nicht  in 
Jogischem  Einklang  stehe. 

3.  Selbst  einmal  angenommen,  die  zur  Verhandlung  stehende 
Ladung  sei  Konterbande,  so  habe  der  Dampfer,  wenn  er  auch  unfraglich 
beabsichtigt  habe,  nach  Wladiwostok  zu  fahren,  doch  unterwegs  wegen 
Treibeises  seine  anfängliche  Absicht  geändert  und  die  Reise  nach  dort 
aufgegeben.  Er  sei  dann  aufgebracht  worden,  während  er  nach  dem 
neutralen  Kiautschou  gefahren  sei.  Daher  könne  man  nicht  sagen,  daß 
die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  auf  der  Reise  nach  einem  feind- 
lichen Hafen  begriffen  gewesen  sei.    Da  die  Ladung  demnach  gar  nicht 

•)  V.  §  14. 

683 


Abschnitt  VI  35  b  Prisengerichtsentscheidungen:  „Siam" 

an  den  Feind  habe  gelangen  können,  so  sei  es  klar,  daß  sie  nicht  für 
Konterbande  angesehen  und  eingezogen  werden  könne. 

Eine  Präcedenz,  welche  den  vorliegenden  Fall  gänzlich  decke,  sei 
der  Fall  der  in  dem  englisch-holländischen  Kriege  im  Jahre  1800  auf- 
gebrachten „Imina''.  Der  Fall  sei  folgender:  Der  genannte  Dampfer^) 
sei  während  des  englisch-holländischen  Krieges  mit  Schiffbaumaterialien 
nach  Amsterdam  gefahren,  habe  aber,  als  er  von  der  über  diesen  Hafen 
verhängten  Blockade  erfahren  habe,  seine  Reise  geändert  und  sei  nach 
dem  neutralen  Emden  gereist.  Auf  der  Fahrt  dorthin  sei  er  von  einem 
englischen  Kriegsschiff  aufgebracht  worden.  In  der  Begründung  des. 
Prisen  Urteils  über  das  Schiff  heiße  es: 

Die   „Imina"    habe   ihre  anfängliche   Absicht   geändert   ge- 
habt und  sei  im  Begriff  gewesen,  nach  einem  neutralen  Hafen 
zu  fahren.     Da   hieraus  rechtlich   kein    Vorwurf    gemacht 
werden  könne,  so  könnte  weder  Schiff  noch  Ladung  ein- 
gezogen werden,   sie  seien  vielmehr  ungesäumt  dem  Eigen- 
tümer zurückzugeben. 
>X^enn  man   den   Inhalt  dieses  Urteils  auf  den   vorliegenden   Fall  an- 
wende, so  liege  es  auf  der  Hand,  daß  weder  Schiff  noch  Ladung  ein- 
gezogen werden  könne.    Es  sei  daher  unrechtmäßig,  wenn  das  Urteil 
erster  Instanz  diesen  Präcedenzfall  ignoriere  und  auf  Einziehung  des 
Schiffs  sowohl  wie  der  zur  Verhandlung  stehenden  Ladung  erkenne. 

4.  Bezüglich  der  Behandlung  relativer  Konterbande  auf  neutralem 
Schiff  weiche  zwar  das  englische  Prinzip  von  dem  kontinentalen  in 
etwas  ab,  aber  im  großen  und  ganzen  sei  ihr  Sinn  doch  derselbe.  Nach 
der  englischen  Praxis  würden  Güter,  welche,  weil  für  die  feindlichen 
Kriegsschiffe  oder  Truppen  bestimmt,  als  Kriegskonterbande  anzusehen 
seien,  unter  Zahlung  einer  Vergütung  eingezogen.  Nach  dem  konti- 
nentalen Prinzip  sei,  wie  es  die  völkerrechtlichen  Kongresse  beschlossen 
hätten,  für  Güter,  welche  sowohl  friedlichen  als  auch  kriegerischen 
Zwecken  dienen  könnten,  wenn  sie  auf  der  Reise  nach  einem  feind- 
lichen Hafen  begriffen  seien,  bestimmt,  daß  dem  kriegführenden  Staat 
ihnen  gegenüber  unter  der  Bedingung  der  Vergütung  das  Beschlag- 
nahmerecht und  außerdem  das  Vorkaufsrecht  zustehe.  Während  so  die 
moderne  Rechtspraxis  mit  Bezug  auf  relative  Konterbande  eine  immer 
weitherziger  werdende  Tendenz  zeige,  sei  nur  Japan  unbillig  strenge 
indem  es  im  Gegensatz  zu  den  erwähnten  Rechtsprinzipien  und  Gewohn- 
heiten Kohle,  die  sowohl  friedlichen  als  auch  kriegerischen  Zwecken 
diene,  wenn  sie  nach  einem  Platz,  der  Handels-  und  Kriegshafen  sei^ 
bestimmt  wäre,  bedingungslos  einziehe.  Besonders  weil  die  japanische 
Prisenordnung  sich  auf  den  englischen  Prinzipien  aufbaue,  sei  es  wün- 


*)  .Dampfschiff"  dürfte  ein  leichter  Anachronismus  sein. 
684 


Prisongerichtsentscheidungen:  .,Siam".  Abschnitt  Vl^sb 

sehenswert,  daß,  wo  es  sich  um  neutrale  relative  Konterbandegüter 
handele,  eine  billigere  Haltung  eingenommen  werde. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  beim  Prisen- 
gericht  zu   Yokosuka,   Uchida  Shigenari,   sind   folgende: 

Der  Reklamant  habe  dafür,  daß  die  zur  Verhandlung  stehende 
Ladung  zu  friedlichem  Gebrauch  geliefert  werden  solle,  keinerlei  Be- 
weis  erbracht. 

Wladiwostok  sei  nun  zurzeit  Rußlands  einziger  Kriegshafen  im 
Osten  und  der  Hauptstützpunkt  für  seine  Flotte.  Seit  dem  Kriege 
mit  Japan  habe  die  russische  Regierung  diesen  Platz  zu  einem  Haupt- 
etappenort gemacht,  und  sei  mit  allen  Kräften  bestrebt,  dort  Kohle, 
Kriegswaffen  und  -gerät  und  sonstige  Kriegsbedarfsgegenstände  an- 
zuhäufen. Es  sei  bekannt,  daß  der  gewöhnliche  Handelsverkehr  dort 
fast  gänzlich  aufgehört  habe.  Wenn  daher  Kohle  und  dergleichen 
Güter,  deren  Konterbandeeigenschaft  von  besonderen  Umständen  ab- 
hängig sei,  nach  Wladiwostok  befördert  würden,  so  sei  es  billig,  man- 
gels klaren  Gegenbeweises  anzunehmen,  daß  dieselben  für  den  Kriegs- 
gebrauch geliefert  werden  sollten.  Dies  gelte  besonders  auch  bezüg- 
lich der  zur  Verhandlung  stehenden  Ladung,  welche  aus  doppelt  ge- 
siebter Cardiffkohle  bestehe,  wie  sie  im  Osten  ausschließlich  zum  Kriegs- 
gebrauch diene.  Auch  habe  der  Dampfer  „Siam",  um  der  Aufbringung 
durch  die  japanische  Marine  zu  entgehen,  die  List  angewandt,  seinen 
Bestimmungsort  zu  verheimlichen.  Daraus  könne  man  mit  Recht  fol- 
gern, daß  die  Kohle  wirklich  für  den  russischen  Kriegsgebrauch  zu 
liefern  gewesen  und  daher  Konterbande  sei.  Das  Völkerrecht  erkenne, 
aber  an,  daß  Konterbande,  wenn  auch  unter  neutraler-  Flagge  fahrend, 
der  Einziehung  nicht  entgehen  könne. 

Die  übrigen  Berufungspunkte  seien  nur  eine  Erweiterung  des 
ersten  Punktes  und  bedürften  daher  keiner  Erwiderung. 

Aus  diesen  Gründen  werde  Verwerfung  der  Berufung  beantragt. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

L  Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegs- 
hafen ist.  Seit  dem  Kriege  mit  Japan  hat  Rußland  es  zum  Stützpunkt 
für  seine  Kriegsflotte  und  Hauptetappenort  gemacht.  Es  hat  dort  in 
ausgedehntem  Maße  Waffen,  Lebensmittel,  Kohle  und  sonstige  Kriegs- 
bedarfsartikel aufgespeichert.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr  nach 
dorthin  hat  fast  ganz  aufgehört.  Es  ist  daher  durchaus  begründet,  wenn 
das  Gericht  erster  Instanz  angenommen  hat,  daß  die  nach  diesem  Hafen 
bestimmten  Steinkohlen  für  den  russischen  Kriegsgebrauch  geliefert 
werden  sollten  und  daher  Konterbande  seien.  Dies  um  so  mehr,  als 
die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  ausgewählte  Cardiffkohle  ist  und 
die  Preise  für  solche  im  Osten  so  außerordentlich  hoch  sind,  daß  außer 
für  den  Gebrauch  auf  Kriegsschiffen  zur  Kriegszeit  keine  Nachfrage  dafür 

685 


fhisengerichtsentscheidungen :  „Faros". 

Reklamanten:  Deutsche    Levante-Linie    A.  Ges. 
Deutschland,  vertreten  durch  die  Direktiansmitglieder 
^'ard  John  Campbell  und  Georg  Christian 
^e  die  Firma  Kunst&  Albers  zu  Hamburg,  Deutsch 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Nagashima  \ 
Tokio,  Kyobashiku,  Tsukiji  Ichome  Nr.  14. 

Am  10.  Mai  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Yokosul 
Sache,  betreffend  den  am  JO.  Februar  1905  von  dem  Kaij 
schiff  „Hongkong  Maru"  in  der  Nähe  der  Etorup-Straß 
deutschen  Dampfer  „Faros"  und  seine  Ladung,  ein  L 
\i^elchem  auf  Wegnahme  des  deutschen  Dampfers  „Parc 
ihm  verschifften  Eisensplinte  und  87  anderen  Warei 
worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  haben  die  Reklamanten,  die  De 
Linie,  Aktiengesellschaft,  vertreten  durch  Charles  E 
Campbell  sowie  durch  Georg  Christian  Dre 
Firma  Kunst  &  Albers,  durch  den  Rechtsanwalt 
Washitaroals  Prozeß  Vertreter  die  Berufung  eingelegt, 
sein  der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku  und  Dr.  jui 
B  i  n  i  c  h  i  beim  Oberprisengericht  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Vertreters  d« 
Nagashima  Washitaro,  sind  folgende : 

Es  werde  auf  Aufhebung  des  Urteils  erster  Instan 
des  Dampfers  „Paros"  und  seiner  Ladung  beantragt,  un 
genden  Gründen: 

1.  Das  Urteil  der  ersten  Instanz  habe  anerkannt 
zur  Verhandlung  stehende  Schiff  Eigentum  der  deutscl 
Person,  der  Aktiengesellschaft  „Deutsche  Levante-Linie 
dieselbe  mit  dem  Eigentümer  der  Ladung  nicht  iden  i 
§  43,  Absatz  2  der  japanischen  Seeprisenordnung*)  bes 
Schiff,  welches  Konterbande  an  Bord  habe,  einzuziehen 
Reeder  und  der  Eigentümer  der  Konterbande  dieselbe 
Daraus  folge,  daß,  wenn  sich  auch  unter  der  zur  Verhand 
Ladung  Kriegskonterbande  befinde,  das  Schiff  doch  ni 
werden  dürfe,  da  der  Eigentümer  des  Schiffes  und  c 
der  Kriegskonterbande  nicht  dieselbe  Person  seien. 

2.  Das  Gericht  erster  Instanz  habe  erklärt,   um   c ; 
des  Punktes  1  umzustürzen, 

es  sei  ein  von  der  Theorie  und  der  Praxis  d\ 
anerkannter  Grundsatz,  daß  Schiffe,  welche  : 
trügerischen  Vorgehens  schuldig  machten,  ein 
einerlei,  ob  der  Schiffseigentümer  etwas  damit 


Abschnitt  VI  37  a  Prisengerichtsentscheidungeii :  „Faros". 

man  absichtlich  den  wirklichen  Bestimmungshafen  verheimlichen  wollte. 
Der  Vertreter  der  Reklamation  hat  geltend  gemacht,  wenn  der  Kapitän 
des  Dampfers  in  Labuan  unter  der  Angabe,  das  Reiseziel  sei  Hongkong, 
sich  einen  Ausklarierungsschein  und  einen  Gesundheitspaß  hab2  aus- 
stellen lassen;  wenn  er  drei  Wochen  läng  vom  Tage  seiner  Abfahrt 
von  Labuan  bis  zum  Tage  seiner  Aufbringung  im  Privatschiffsjournal  und 
im  Tagebuch  Hongkong  als  Reiseziel  angegeben  habe,  so  sei  dies  alles 
für  den  Fall  geschehen,  daß  Wladiwostok,  wie  erwartet,  blockiert  sei, 
man  könne  hierin  nicht  ein  betrügerisches  Vorgehen  erblicken,  auf  Grund 
dessen  man  die  Beschlagnahme  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes 
als  gerechtfertigt  erklären  könne.  Demgegenüber  ist  geltend  zu  machen, 
daß  der  Kapitän  dem  mit  dem  Fall  beauftragten  Rat  gegenüber  aus- 
gesagt hat,  er  hätte  das  getan,  weil  er  hoffte,  daß  ihm  die  japanischen 
Kreuzer  und  überhaupt  jedermann  glauben  würden,  daß  er  nach  Hong- 
kong ginge,  und  daß  er  auf  diese  Weise  der  Aufbringung  würde  ent- 
gehen können.  Wenn  er  glücklich  aus  der  Etorup-Straße  heraus  in 
den  Stillen  Ozean  gelangt  wäre,  so  hätte  er  seinen  Kurs  in  großem 
Bogen  von  der  Küste  WiCg  genommen  und  hätte  dann  versucht,  abends 
im  Schutz  der  Dunkelheit  zurückzukehren  und  die  Tsugarustraße  ohne 
Lichter  zu  passieren.^  Und  dann  wieder,  er  hätte  sich,  soviel  als  in  seinen 
Kräften  gestanden  hätte,  bemüht,  der  Aufbringung  zu  entgehen,  aber 
als  man  ihm  in  der  Etorup-Straße  das  Messer  an  die  Kehle  gesetzt 
hätte,  habe  er  sich  gesagt,  jetzt  sei  es  aus,  und  habe  daher  der  „Hong- 
kong Maru"  sogleich  signalisiert,  er  wolle  nach  Wladiwostok.  Aus  den 
Äußerungen  des  Kapitäns  ergibt  sich,  daß  die  vorher  besprochenen 
betrügerischen  Mittel  alle  den  Zweck  hatten,  den  heimlichen  Transport 
der  Kriegskonterbande  zu  ermöglichen.  Schiffe  aber,  die  solche  be- 
trügerischen Mittel  anivt-enden,  sind  nach  völkerrechtlicher  Theorie  und 
Praxis  einzuziehen,  einerlei,  ob  der  Schiffseigentümer  etwas  mit  dieser 
Handlungsweise  zu  tun  gehabt  hat  oder  nicht,  und  einerlei,  ob  die 
Kriegskonterbandeladung  dem  Reeder  gehört  oder  nicht.  3) 

Aus  diesen  Gründen  sind  das  Schiff  und  die  in  der  Urteilsformel 
angegebenen  Güter  einzuziehen. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am   10.  Mai   1905  im   Prisengericht  zu  Yokosuka,  im 
Beisein  des  Staatsanwalts  Yanagita  Kunio. 

(Unterschriften.) 


»)  V.  §  44. 
694 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Faros".  Abschnitt  Vl^^a 

Reklamanten:  Deutsche  Levante-Linie  A.  Ges.  zu  Hamburg, 
Deutschland,  vertreten  durch  die  Direktionsmitglieder  Charles  Ed- 
ward John  Campbell  und  Georg  Christian  Dressen  so- 
wie die  Firma  Kunst&  Albers  zu  Hamburg,  Deutschland. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  NagashimaWashitaro  zu 
Tol^io,  Kyobashiku,  Tsukiji  Ichome  Nr.  14. 

Am  10.  Mai  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Yokosuka  in  der  Prisen- 
sache, betreffend  den  am  10.  Februar  1905  von  dem  Kaiserlichen  Kriegs- 
schiff „Hongkong  Maru"  in  der  Nähe  der  Etorup-Straße  aufgebrachten 
deutschen  Dampfer  „Paros''  und  seine  Ladung,  ein  Urteil  gefällt,  in 
welchem  auf  Wegnahme  des  deutschen  Dampfers  „Paros''  und  der  auf 
ihm  verschifften  Eisensplinte  und  87  anderen  Warensorten  erkannt 
worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  haben  die  Reklamanten,  die  Deutsche  Levante- 
Linie,  Aktiengesellschaft,  vertreten  durch  Charles  Edward  John 
Campbell  sowie  durch  Georg  Christian  Dressen  und  die 
Firma  Kunst  &  Albtrs,  durch  den  Rechtsanwalt  Nagashima 
W  a  s  h  i  t  a  r  o  als  Prozeßvertreter  die  Berufung  eingelegt,  welche  im  Bei- 
sein der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku  und  Dr.  jur.  I  s  h  i  w  a  t  a  r  i 
B  i  n  i  c  h  i  beim  Oberprisengericht  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Vertreters  der  Reklamation, 
NagashimaWashitaro,  sind  folgende : 

Es  werde  auf  Aufhebung  des  Urteils  erster  Instanz  und  Freigabe 
des  Dampfers  „Paros'*  und  seiner  Ladung  beantragt,  und  zwar  aus  fol- 
genden Gründen: 

1.  Das  Urteil  der  ersten  Instanz  habe  anerkannt,  daß  nur  das 
zur  Verhandlung  stehende  Schiff  Eigentum  der  deutschen  juristischen 
Person,  der  Aktiengesellschaft  „Deutsche  Levante-Linie"  sei  und  daß 
dieselbe  mit  dem  Eigentümer  der  Ladung  nicht  identisch  sei.  Der 
§  43,  Absatz  2  der  japanischen  Seeprisen  Ordnung*)  bestimme,  daß  ein 
Schiff,  welches  Konterbande  an  Bord  habe,  einzuziehen  sei,  wenn  der 
Reeder  und  der  Eigentümer  der  Konterbande  dieselbe  Person  seien. 
Daraus  folge,  daß,  wenn  sich  auch  unter  der  zur  Verhandlung  stehenden 
Ladung  Kriegskonterbande  befinde,  das  Schiff  doch  nicht  eingezogen 
werden  dürfe,  da  der  Eigentümer  des  Schiffes  und  der  Eigentümer 
der  Kriegskonterbande  nicht  dieselbe  Person  seien. 

2.  Das  Gericht  erster  Instanz  habe  erklärt,  um  das  Vorbringen 
des  Punktes  1  umzustürzen, 

es  sei  ein  von  der  Theorie  und  der  Praxis  des  Völkerrechts 
anerkannter  Grundsatz,  daß  Schiffe,  welche  sich  eines  be- 
trügerischen Vorgehens  schuldig  machten,  einzuziehen  seien, 
einerlei,  ob  der  Schiffseigentümer  etwas  damit  zu  tun  gehabt 

695 


Abschnitt  JTl^f'^  Prisengerichtsentscheidungen;  „Faros". 

habe  oder  nicht  und  einerlei,  ob  der  Schiffseigentümer 
Eigentümer  der  Kriegskonterbandegüter  sei  oder  nicht. 
Die  Reklamanten  erkennten  eine  solche  Theorie  und  Praxis  nicht 
an.  Sowohl  nach  dem  Sinn  der  §§  43  und  44  der  japanischen  See- 
prisenordnung als  auch  nach  der  völkerrechtlichen  Praxis  könne  ein 
Schiff  bei  Verschiedenheit  der  Eigentümer  des  Schiffes  und  der  Konter- 
bandegüter nur  eingezogen  werden,  wenn  der  Schiffseigentümer  an  dem 
betrügerischen  Vorgehen  beteiligt  gewesen  sei.  Denn  es  sei  eine  all- 
gemeine  Rechtsregel,  daß  denjenigen,  der  ip  Unkenntnis  sei,  keine  Strafe 
treffen  könne.  Auch  das  Völkerrecht  dürfe  aus  diesem  Geleise  nicht 
heraustreten,  und  es  sei  klar,  daß  die  japanische  Prisenordnung  diesen 
Grundsatz  auch  befolge.  Im  Chartervertrag  sei  ausdrücklich  Wladi- 
wostok als  Bestimmungsort  angegeben.  Nur  für  den  Fall,  daß  es  blockiert 
sei,  habe  das  Schiff  seine  Ladung  in  Hongkong  löschen  sollen.  Da  das 
Völkerrecht  die  Blockade  anerkenne  und  zu  der  damaligen  Zeit  der 
japanisch-russische  Krieg  immer  größere  Dimensionen  angenommen  habe^ 
so  se»  es  ein  durchaus  berechtigtes  Vorgehen  gewesen,  wenn  die  Be- 
stimmungen des  Chartervertrages  mit  Berücksichtigung  dieser  Umstände 
festgesetzt  worden  seien.  Irgendwelcher  Dolus  oder  Betrug  habe  dabei 
nicht  vorgelegen.  Angenommen  aber,  daß  bei  dem  späteren  Vorgehen 
etwas  nicht  ganz  in  Ordnung  gewesen  sei,  so  könne  man  doch  darauf- 
hin noch  nicht  behaupten,  daß  bei  der  Befrachtung  des  Schiffes  be- 
trügerische Mittel  angewandt  seien,  wenn  man  sehe,  daß  in  dem  Charter- 
vertrag, der  den  Bestimmungsort  klar  erkennen  lasse,  absolut  nichts- 
verheimlicht worden  sei.  Die  von  dem  Gericht  erster  Instanz  zum 
Nachteil  der  Reklamanten  angezogenen  Aussagen  des  Kapitäns  gäben 
im  Grunde  nichts  wieder  als  Maßnahmen,  welche  zur  Erreichung  des 
Zwecks  des  genannten  Chartervertrags  gebraucht  worden  seien,  und  es 
dürfe  aus  ihnen  noch  nicht  die  Folgerung  gezogen  werden,  daß  eine 
böse  Absicht  zur  Zeit  der  Verladung  bestanden  hätte. 

3.  Nach  Artikel  2  der  Pariser  Seerechtsdeklaration  vom  Jahre  1856 
dürften  Güter,  die  auf  einem  Schiffe,  das  neutrale  Flagge  führe,  verschifft 
seien,  mit  Ausnahme  von  Kriegskonterbandegütern  nicht  beschlagnahmt 
werden.  Daraus  folge,  daß  diese  Deklaration  die  der  Beschlagnahme 
unterworfenen  Güter  auf  Kriegskonterbandegüter  beschränkt  habe.  Die 
zur  Verhandlung  stehenden  Güter  seien  nun  neutrale  Güter,  welche  auf 
einem  neutralen  Schiff  verladen  seien.  Wenn  daher,  wie  das  Gericht 
erster  Instanz  annehme,  unter  der  Ladung  Kriegskonterbandegüter  vor- 
handen seien,  so  seien  doch  selbstverständlich  diejenigen  Waren,  die 
keine  Kriegskonterbande  darstellten,  in  Gemäßheit  der  Pariser  Dekla- 
ration freizugeben.     Das  Gericht  erster  Instanz  führe  freilich  aus, 

es  sei  von  der  völkerrechtlichen  Theorie  und  Praxis  anerkannt, 
daß  in  Fällen,  wo  Güter,  die  nicht  Konterbande  seien,  mit 

696 


Piisengeiichtsentscheidungen:  „Faros".  Abschnitt  VI  37» 

Konterbandegütern  auf  demselben  Schiff  seien,  wenn  aach 
das  Schiff  die  neutrale  Flagge  führe,  die  ganze  Ladung  ein- 
gezogen werden   könne,  wenn  der  Eigentümer  der  Nicht- 
konterbandegüter  und  der  der   Konterbandegüter  derselbe 
sei.     Die  vom  Vertreter  der  Reklamation  angezogenen  Be- 
stimmungen der  Pariser  Seerechtsdeklaration  vom  Jahre  1856 
paßten  nicht  auf  den  vorliegenden  Fall. 
Aus    verschiedenen    neuen     Entscheid ungsbeispielen     nach     Ausbruch 
des  russisch-japanischen   Krieges  gehe  jedoch   ganz   klar   hervor,   daß 
die  völkerrechtliche  Theorie   und   Praxis   nicht   unbedingt  maßgebend 
seien.     Da  ferner  das  moderne  Völkerrecht  sich  dahin  entwickele,  den 
Schaden,  der  dem  Privateigentum  durch  den  Krieg  erwachse,  möglichst 
zu  verringern,  so  sei  es  außer  Frage,  daß  der  Inhalt  der  Pariser  See- 
rechtsdeklaration mit  Recht  auf  den  vorliegenden  Fall  anzuwenden  und 
daß  die  Güter,  soweit  sie  nicht  Kriegskonterbande  seien,  freizugeben 
seien. 

4.  Wladiwostok  sei  ein  Handelshafen,  welcher  seit  dem  Jahre  1860 
zum  Freihafen  erklärt  worden  sei.  Es  müßten  daher  auf  Güter,  wie  die 
in  Verhandlung  stehenden,  die  Bestimmungen  über  das,  was  das  Völker- 
recht als  bedingte  Kriegskonterbande  bezeichne,  Anwendung  finden. 
Denn  wenn  ein  Hafen  den  doppelten  Charakter  eines  Kriegs-  und 
Handelshafens  besitze,  so  müßten  die  Bestimmungen  über  bedingte 
Konterbande  Anwendung  finden,  und  die  Beschlagnahme  sei  nicht  auf- 
recht zu  erhalten.  Das  Gericht  erster  Instanz  weise  die  Begründung 
der  Reklamanten  über  diesen  Punkt  zurück,  indem  es  behaupte,  daß 

die   Ausführung  jeder  glaubwürdigen   Unterlage   entbehre. 
Nach  völkerrechtlicher  Theorie  und  Praxis  sei  vielmehr,  wenn 
Güter,  die  in  die  Kategorie  der  sogenannten  bedingten  Kriegs- 
konterbande fielen,  nach  Plätzen  eingeführt  würden,  die  sich 
in  denselben  Umständen  befänden  wie  gegenwärtig  Wladi- 
wostok,   regelmäßig    angenommen    worden,    daß    dieselben 
Kriegskonterbande  seien  und  eingezogen  werden  Könnten. 
Es    sei    aber    selbstverständlich,    daß,    solange    keine    völkerrechtliche 
Blockade  vorliege,  die  Freiheit  des  neutralen  Handels  keine  Störung  er- 
fahren dürfe  und  daß  eine  Firma,  wie  die  der  Reklamanten,  welche  viele 
Filialen  im  Innern  Sibiriens  besitze  und  alljährlich  die  gleichen  Waren 
dorthin  importiere,  vielmehr  eine  zu  ihren   Gunsten  sprechende  Ver- 
mutung genießen  müsse.    Offenbar  finde  das  Entscheidungsbeispiel  in 
dem  „Neptunus"-Falle  aus  dem  englisch-holländischen  Kriege  vom  Jahre 
1798  auf  den  vorliegenden  Fall  Anwendung. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  beim  Prisen- 
gericht zu  Yokosuka,  Kobayashi  Yoshio,  sind  folgende: 

697 


Abschnitt  VI 37a  Prisengerichtsentscheidungen:  „Faros". 

Im  Chartervertrag  sei  einfach  Hongkong  und  nicht  Wladiwostok 
als  Reiseziel  angegeben.  Daß  diese  Eintragung  betrügerisch  sei,  sei,  wie 
das  Urteil  erster  Instanz  dartue,  offenbar.  Es  sei  danach  außer  allem 
Zweifel,  daß  auch  der  Schiffseigentümer  an  dem  ganzen  betrügerischen 
Vorhaben  beteiligt  gewesen  sei.  Daher  sei  es  zur  Einziehung  des  zur 
Verhandlung  stehenden  Schiffes  auf  Grund  von  betrügerischem  Vor- 
gehen nicht  nötig,  die  Frage  zu  lösen,  ob  es  dazu  der  Teilnahme  des 
Reeders  bedürfe  oder  nicht. 

Daß  die  Pariser  Seerechtsdeklaration  vom  Jahre  1856  die  Einziehung 
Von  Gütern,  welche  keine  a:bsolute  Konterbande  seien,  nicht  ohne  Be- 
rücksichtigung der  besonderen  Umstände  habe  untersagen  wollen,  gehe 
hervor  aus  der  Instruktion,  die  Frankreich,  welches  die  Anregung  zu 
jener  Deklaration  gegeben  habe,  im  Jahre  1870  über  das  Prisen wesen 
erlassen  habe;  ferner  aujs  dem  von  Ortolan  vertretenen,  als  normale 
wissenschaftliche  Ansicht  zu  bezeichnenden  Standpunkt;  der  Prisen- 
rechtspraxis Englands,  welches  im  wesentlichen  der  Pariser  Deklaration 
beigetreten  sei,  und  seiner  modernen,  allgemeinen  wissenschaftlichen 
Doktrin. 

Es  sei  daher  zutreffend,  wenn  das  Urteil  erster  Instanz  ausführe, 
daß  die  Pariser  Seerechtsdeklaration  auf  den  vorliegenden  Fall,  wo  die 
Ladung,  welche  keine  Konterbande  sei,  dem  Eigentümer  der  Konterbande- 
güter gehöre,  nicht  zutreffe  und  daß  es  von  der  völkerrechtlichen  Wissen- 
schaft und  Praxis  anerkannt  sei,  daß  in  solchem  Falle  die  Nichtkonter- 
bandegüter mit  eingezogen  werden  könnten. 

Die  Entscheidung  erster  Instanz  auf  Einziehung  sei  demnach  richtig 
und  die  Berufung  unbegründet. 

Die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  umfasse  drei  Arten  von 
Gütern,  nämlich  absolute  Kriegskonterbandegüter,  dem  Eigentümer  dieser 
gehörige,  beziehungsweise  Kriegskonterbandegüter  und  Nichtkonterbande- 
güter. Der  Eigentümer  und  Reklamant  dieser  Güter  habe  am  Bestim- 
mungsort derselben,  W/ladiwostok,  eine  Filiale  und  beschäftige  sich  mit 
Lieferungen  für  die  russische  Regierung.  Wladiwostok  sei  die  einzige 
Etappenbasis  Rußlands  im  Osten.  Alles  dies  gehe  aus  den  Darlegungen 
des  Urteils  erster  Instanz  klar  hervor.  Selbst  wenn  daher  Wladiwostok, 
wie  der  Vertreter  der  Reklamation  behaupte,  daneben  auch  die  Eigen- 
schaft eines  Handelshafens  besitze,  könne  diese  Eigenschaft  auf  die  An- 
nahme, daß  die  unter  der  Ladung  befindliche  absolute  Konterbande  und 
auch  daß  die  als  beziehungsweise  Konterbande  anzusehenden  Güter  zum 
russischen  Kriegsgebrauch  hätten  geliefert  werden  sollen,  keinerlei  Ein- 
fluß ausüben. 

Aus  diesen  Gründen  sei  das  Urteil  erster  Instanz  zutreffend  und 
die  Berufung  unbegründet. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet : 

698 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Faros".  Abschnitt  VI^^« 

1.  Die  ganze  Ladung  des  Schiffes  war  nach  Wladiwostok  bestimmt. 
Sie  enthielt  Zement,  Feldschmiedegeräte,  welche  als  Kriegsausrüstung 
aufzufassen  sind,  eiserne  Platten,  eiserne  Nägel,  Linoleum  zum  Bau  und 
zur  Ausrüstung  von  Kriegsschiffen  und  anderen  Schiffen,  Zinkblech, 
Kupfer,  Kupferblech,  Messingblech  usw.,  welche  als  Arsenalmaterialien 
dienen.  Es  bedarf  keiner  Ausführung,  daß  solche  Waren  absolute  Kriegs- 
konterbande sind  und  daher  weggenommen  werden  können.  Aber  auch 
bezüglich  von  Steinsalz,  Milch,  Butter,  Käse,  Konserven,  Gerste  und 
dergleichen  Lebensmitteln  erkennt  das  Völkerrecht  ohne  Zweifel  an, 
daß  sie  als  Kriegskonterbande  angesehen  und  weggenommen  werden 
können,  wenn  sie  nach  einem  Hafen  wie  Wladiwostok  befördert  werden. 
Denn  Wladiwostok  ist  der  bedeutendste  Kriegshafen  Rußlands  und  zu 
gleicher» Zeit  ein  Hauptetappenort.  Der  gewöhnliche  Handel  ist  dort 
fast  ganz  zum  Stillstand  gekommen.  Die  Reklamanten  haben  zwar 
geltend  gemacht,  daß  Wladiwostok  zugleich  Handels-  und  Kriegshafen 
sei  und  behauptet,  daß  die  dahin  bestimmte  Ladung  nach  dem  Präce- 
denzfall  des  „Neptun us''  freizulassen  sei.  Die  Verhältnisse  der  Bestim- 
mungsorte in  jenem  und  dem  vorliegenden  Fall  sind  aber  verschieden, 
so  daß  jener  Fall  keineswegs  als  Präcedenz  für  den  vorliegenden  dienen 
kann. 

2.  Die  ganze  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes 
war  von  dem  Charterer,  der  Firma  Kunst  &  Albers,  an  ihre  Filiale 
in  Wladiwostok  versandt.  Da  der  größte  Teil  der  Ladung  Kriegskonter- 
bande ist,  so  muß  man  sagen,  daß  der  Reisezweck  des  Schiffes  der 
Transport  von  Konterbande  gewesen  ist,  und  es  ist  völkerrechtlich  an- 
erkannt, daß  solche  Schiffe  eingezogen  werden  können.*)  Dies  gilt 
um  so  mehr,  als  in  dem  Chartervertrag  und  in  den  anderen  Schiffs- 
papieren, obwohl  bereits' bei  der  Ausfahrt  von  Hamburg  Wladiwostok 
als  Reiseziel  feststand,  ein  falscher  Bestimmungsort  angegeben  wurde, 
d.  h.*also,  Anwendung  betrügerischer  Mittel  zum  Transport  von  Konter- 
bande vorliegt.  Die  Reklamanten  bringen  freilich  vor,  in  dem  Charter- 
vertrag sei  deutlich  Wladiwostok  als  Bestimmungsort  angegeben,  ebenso 
sei  klar  ausgesprochen,  daß  die  Ladung  nur  in  dem  Fall,  daß  Wladiwostok 
blockiert  sei,  in  Hongkong  gelöscht  werden  solle.  Der  Bestimmungsort 
sei  demnach  nicht  gefälscht.  In  dem  Chartervertrag  heißt  es  jedoch 
nur,  daß  das  Schiff,  wenn  es  nach  dem  Passieren  des  Suezkanals  nicht 
in  Hongkong  einfahren  könne,  nach  einem  sicher  zu  erreichenden 
benachbarten  Platz  gehen  solle.  Es  ist  demnach  ganz  offenbar,  daß  der 
Bestimmungsort  gefälscht  worden  ist. 

3.  Wenn  sich  auch  unter  der  Ladung  vereinzelte  Nichtkriegskonter- 
bandegüter  finden,  so  gehören  sie  doch  demselben  Eigentümer,  der  die 

^)  Anders  die  japanische  Seeprisenordnung,  §§  43,  44  (V)  und  ihre  Grundlage, 
das  englische  Manual  of  Naval  Prize  Law,  Art.  82—85. 

699 


Abschnitt  VI  37«  Prisengerichtsentscheidungen:  „Faros". 

Beförderung  der  Kriegskonterbandegüter  geplant  hat,  und  es  ist  wiederum 
ein  Grundsatz  des  Völkerrechts,  daß  solche  Güter  zusammen  eingezogen 
werden  können.  Die  Behauptung,  daß  dies  im  Widerspruch  mit  der 
Pariser  Seerechtsdeklaration  vom  Jahre  1856  stehe,  entbehrt  der  Be> 
gründung. 

Demnach  ist,  wie  ausgeführt,  die  Entscheidung  des  Gerichts  erster 
Instanz  auf  Wegnahme  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  und  seiner 
Ladung  gerechtfertigt  und  die  Berufung  unbegründet. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden : 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  2.  November  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


Reklamanten:  Die  deutsche  Levante-Linie  A.  G.  in  Hamburg, 
Deutschland,  vertreten  durch  die  Prokuristen  CharlesEdwardJohn 
Campbell  und  GeorgChristian  Dressen 

und   Kunst  &  Albers  in   Hamburg,   Deutschland    und 
Eduard  Schultz  in  Wladiwostok,  Rußland. 
ProzeBvertreter:   Nagashima  Washitaro,  Tokio,  Kyobas- 
hiku.  Tsukiji  Nr.  14. 

In  der  Prisensache,  betreffend  Ladung  des  Dampfers  „Paros''  wird 
nach  Beendigung  der  Untersuchung,  wie  folgt,  entschieden. 

Urteilsform  el: 
Die  an  Bord    des    Dampfers    „Paros"    verschifften,    zum    Privat- 
gebrauch bestimmten  Güter,  nämlich  je  eine  Kiste  Bücher  und  Metall- 
waren, werden  freigegeben. 

Tatbestand  und  Gründe: 
Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  stehen  im  Eigentum  des 
Reklamanten  Eduard  Schulz.  Sie  wurden  auf  dem  durch  Vertrag 
zwischen  der  reklamierenden  Deutschen  Levante-Linie  A.  G.  und  der 
reklamierenden  Firma  Kunst  &  Albers,  vertreten  durch  die  Firma 
Pin  kerneile,  am  26.  Oktober  1904  gecharterten  Dampfer  „Paros" 
mit  Bestimmung  nach  Wladiwostok  verladen  und  fuhren  am  24.  No- 
vember d.  J.  von  Hamburg  ab.  Als  das  Schiff  am  10.  Februar  1905, 
früh  morgens,  durch  die  Straße  von  Etorup  fuhr,  wurde  es  von  dem 
Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Hongkong  Maru''  gesichtet  und  am  selben 

700 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Apollo".  Abschnitt  VI3> 

Tage  nachmittags  zusammen  mit  seiner  verschiedenen  Ladung  von  dem 
genannten   Kriegsschiff  beschlagnahmt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  schriftliche  Aussage 
des  Vertreters  des  Kommandanten  der  „Hongkong  Maru'',  des  Offi- 
ziers Abe  Sempei,  die  Vernehmungsprotokolle  des  genannten  Offi- 
ziers und  des  Kapitäns  der  „Faros",  Paul  Niemann,  das  Schiffs- 
zertifikat, den  Chartervertrag,  die  Konnossemente  und  den  Brief  des 
Reklamanten  Eduard  Schultz  an  den  Prokuristen  der  Filiale  der 
Firma  Kunst&Albersin  Nagasaki,  AugustGese,  vom  1 .  Februar 
1Q05  russischen  Stils. 

Die  Hauptpunkte  der  Reklamation  sind  folgende: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  seien,  wie  aus  ihrer  Art 
selbst  hervorgehe,  gewöhnliche  Privateffekten,  insbesondere  seien  die 
in  der  mit  Nr.  101  bezeichneten  Kiste  enthaltenen  Privateffekten  Hinter- 
lassenschaften des  verstorbenen  Vaters  des  Reklamanten,  Eduard 
Schultz.  Ihrer  Natur  nach  könnten  diese  Güter  nicht  beschlag- 
nahmt werden.  Es  werde  daher  ein  Urteil  auf  Freigabe  derselben 
beantragt. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Der  Dampfer  „Paros",  auf  welchem  die  zur  Verhandlung 
stehenden  Güter  verschifft  waren,  hat  unter  falschen  Angaben  Zement 
und  sonstige  Konterbandeartikel  geladfcn  gehabt,  um  sie  heimlich  nach 
Wladiwostok  zu  befördern.  Auf  dieser  Reise  wurde  er  von  einem  Kaiser- 
lichen Kriegsschiff  beschlagnahmt.  Da  aber  die  zur  Verhandlung 
stehenden  Güter  auf  einem  neutralen  Schiff  verladen  waren  und  keine 
Konterbande  sind,  auch  erwiesenermaßen  nicht  dem  Eigentümer  des 
genannten  Schiffes  oder  der  Konterbandegüter  gehören,  so  sind  sie 
freizugeben. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  22.  Mai  1905  im  Prisengericht  zu  Yokosuka,  im  Bei- 
sein des  Staatsanwalts  beim  Prisengericht  zu  Yokosuka,  Yanagita 
K  u  n  i  o. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  The  Cornhill  Steamship  Company,  London,  Grace 
Church  Street  Nr.  81,  vertreten  durch  den  Kapitän  des  Dampfers 
„Apollo'',  John  Wiseman. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Akiyama  Genzo,  Tokio, 
Kyobashiku,  Unemecho  Nr.  15. 

701 


Abschnitt  VI 3*  Prisengerichtseiitscheidungen:  »Apollo". 

In  der  Prisensache,  betreffend  den  englischen  Dampfer  „Apollo" 
und  seine  Ladung  wird  nach  Beendigung  der  Untersuchung,  wie  folgt, 
entschieden. 

Urteilsform  el: 
Es  wird  auf  Wegnahme  des  englischen  Dampfers  „Apollo''  und  der 
auf  ihm  verladenen  ungefähr  5600  Tons  Cardiffkohle  erkannt. 

Tatbestand  und  Gründe: 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „Apollo"  steht  im  Eigen- 
tum des  Reklamanten,  sein  Heimatshafen  ist  London  und  er  ist  ein 
Handelsschiff,  welches  die  englische  Flagge  führt.  Der  Reklamant  ist 
zugleich  der  Absender  der  Ladung.  Er  hat,  um  sie  nach  Wladiwostok 
zu  befördern,  in  Barry  Dock,  England,  ihm  gehörige  ungefähr  5770  Tons 
doppelt  gesiebte  Cardiffkohle  geladen  (auf  der  Reise  ist  hiervon  ver- 
braucht worden,  so  daß  zurzeit  etwa  5600  Tons  vorhanden  sind).  Der 
Empfänger  sollte  sich  nach  Order  bestimmen.  Als  Bestimmungsort  wurde 
Bangkok  angegeben  und  ein  dementsprechender  Ausklarierungsschein 
und  Gesundheitspaß  erwirkt. 

Am  7.  Dezember  1904  fuhr  der  Dampfer  von  dem  genannten 
Hafen  ab  und  lief  unterwegs  Port  Said,  Colombo  und  Singapore  an.  In 
Singapore  gab  er  an,  er  führe  nach  Shanghai,  und  erhielt  entsprechende 
Ausklarierung  und  Leuchtturmsteuerquittung.  Er  nahm  indes  vorsätz- 
lich einen  Umweg  und  versuchte  Wladiwostok  durch  die  Soyastraße 
zu  erreichen,  wurde  jedoch  am  15.  Februar  1905  bei  der  Straße  von 
Etorup  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Hongkong  Maru''  aufgebracht. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Stellvertreters  des  Kommandanten  der  „Hongkong  Maru'',  Kapitän- 
leutnants Nagashima  Denzo,  die  Vernehmungsprotokolle  des  Ge- 
nannten und  des  Kapitäns  der  „Apollo'',  John  Wiseman,  das  Schiffs- 
zertifikat, das  Konnossement,  die  Ausklarierungsbescheinigung,  den  Ge- 
sundheitspaß und   die  Leuchtturmsteuerquittung. 

Die  Hauptpunkte  der  Reklamation  sind  folgende: 
Die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  stehe  im  Eigentum  der 
Firma  Harris  and  Dixon  in  London  und  sei  von  dem  Reklamanten 
als  Absender  befördert  worden.  Ihre  Beförderung  nach  Wladiwostok, 
einem  Hafen  einer  der  kriegführenden  Mächte,  sei  eine  öffentliche  Handels- 
transaktion, welche  unter  den  Freiheiten  des  neutralen  Handelsverkehrs 
stehe  und  unbestreitbar  eine  völkerrechtlich  nicht  anfechtbare  Hand- 
lung sei. 

Aber  selbst  einmal  angenommen,  die  zur  Verhandlung  stehende 
Ladung  sei  feindlichen  Charakters,  weil  sie  nach  feindlichem  Gebiet  ver- 
schifft worden  sei,  so  könne  sie  doch,  weil  unter  neutraler  Flagge  fahrend, 

702 


Prisengerichtsentscheidungen:  ,>Apol!o".  Abschnitt  VI  3» 

nach  Artikel  2  der  Pariser  Seerechtsdeklaration  vom  Jahre  1856  nicht 
beschlagnahmt  werden. 

Daß  in  den  im  Ausgangshafen  und  den  Anlaufshäfen  erhaltenen 
Ausklarierungen  und  Gesundheitspässen  Bangkok  und  Shanghai  als  Be- 
stimmungsort bezeichnet  seien  und  der  endgültige  Bestimmungshafen 
Wladiwostok  nicht  aufgeführt  sei,  habe  nur  den  Zweck  gehabt,  den 
Schwierigkeiten  zu  entgehen,  welche  die  zuständigen  Behörden  bei  Aus- 
händigung dieser  Schriftstücke  gemacht  haben  würden,  wenn  ihnen  die 
Wahrheit  gesagt  worden  wäre.  Daß  es  keinenfalls  in  der  bösen  Absicht 
geschehen  sei,  sich  dadurch  der  Aufbringung  zu  entziehen,  könne  man 
daraus  entnehmen,  daß  das  Konnossement  klar  angebe,  daß  die  Ladung 
für  Wladiwostok  bestimmt  sei.  Die  Ausklarierungsbescheinigungen  seien 
keine  wichtigen  Schiffspapiere,  sondern  bescheinigten  lediglich  eine  For- 
malität. Wenn  daher  auch  in  ihrem  Inhalt  Auslassungen  vorgekommen 
seien,  so  könne  das  nicht  als  Material  zur  Begründung  der  Einzieh ung^ 
des  Schiffes  geltend  gemacht  werden. 

Wenn  ferner  der  Kapitän  bei  seinem  Verhör  durch  den  mit  dem 
Fall  beauftragten  Rat  geantwortet  habe,  Wladiwostok  sei  in  die  Aus- 
klarierungspapiere nicht  als  Reiseziel  eingetragen  worden,  um  auf  diese 
Weise  der  Aufbringung  zu  entgehen,  so  sei  das  nur  eine  in  dem  Moment 
gegebene  Ausrede,  auf  Grund  deren  man  nicht  anzunehmen  berech- 
tigt sei,  daß  die  Schiffspapiere  gefälscht  worden  seien. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegshafen 
im  Osten  und  zurzeit  der  Hauptstützpunkt  für  seine  Marine  ist.  Seit 
dem  Kriege  mit  Japan  hat  die  russische  Regierung  den  Platz  zu  einem 
Hauptetappenort  gemacht,  und  sie  ist  mit  allen  Mitteln  bestrebt,  dort 
große  Kriegsvorräte  anzuhäufen.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr  hat 
dort  fast  ganz  aufgehört.  Wenn  daher  Kohle,  Lebensmittel  oder  der- 
gleichen Güter,  deren  Konterbandeeigenschaft  von  besonderen  Um- 
ständen abhängig  ist,  nach  Wladiwostok  befördert  werden,  so  muß, 
mangels  klaren  Gegenbeweises,  angenommen  werden,  daß  dieselben  für 
den  Kriegsgebrauch  zu  liefern  waren.  Besonders  kann  es  bezüglich  der 
zur  Verhandlung  stehenden  Ladung,  welche  aus  ausgewählter  Cardiff- 
kohle  besteht,  wie  sie  ausschließlich  zum  Gebrauch  auf  Kriegsschiffen 
dient,  nicht  bezweifelt  werden,  daß  sie  wirklich  für  den  Kriegsgebrauch 
bestimmt  war.    Sie  ist  daher  mit  Recht  als  Konterbande  anzusehen,  i) 

Was  das  von  dem  Reklamanten  angezogene  Urteil  in  dem  „Nep- 
tunus"-Fall  angeht,  so  deckt  sich  jener  Fall,  in  dem  Tierfett  nach 
Amsterdam  befördert  werden  sollte,  nicht  mit  dem  vorliegenden.  Im 
Gegenteil  kann  man  die  »Begründung  jenes  Urteils  vielmehr  zur  Be- 
kräftigung der  Annahme,    daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung 

')  IL  Ziffer  2. 

703 


Abschnitt  VI"  Prlsengerichtsentscheldungen:  „Apollo". 

Konterbande  ist,  geltend  machen.  Denn  Amsterdam  hatte  damals  einen 
vorwiegend  kommerziellen  Charakter.  Die  gegenwärtigen  Verhältnisse 
von  Wladiwostok  sind  aber,  wie  oben  dargetan,  wesentlich  verschieden. 
Das  in  dem  Urteil  erwähnte  Brest  kommt  den  gegenwärtigen  Verhält- 
nissen Wladiwostoks  vielmehr  gleich. 

Wenn  der  Dampfer  sich  Ausklarierungen  und  Gesundheitspässe 
nach  den  neutralen  Häfen  Bangkok  und  Shanghai  geben  ließ  und  vor- 
sätzlich einen  Umweg  machte,  um  Wladiwostok  durch  die  Soyastraße  zu 
erreichen,  so  ist  das  unzweifelhaft  nicht,  wie  der  Reklamant  sagt,  ge- 
schehen, um  das  betreffende  Verfahren  ungehindert  vor  sich  gehen  zu 
lassen,  auch  liegt  darin  keine  entschuldbare  Nachlässigkeit.  Vielmehr 
muß  man  annehmen,  daß  der  Bestimmungshafen  mit  voller  Absicht 
verheimlicht  wurde,  um  durch  diese  List  der  Aufbringung  zu  entgehen. 
Wenn  sich  auch  zufällig  in  dem  Konnossement  der  wahre  Bestimmungs- 
ort findet,  so  kann  man  doch  nicht  daraufhin  allein  die  oben  erwähnte 
List  übersehen  und  annehmen,  daß  das  Schiff  sich  nicht  betrügerischen 
Vorgehens  schuldig  gemacht  habe. 

Da  es  ferner  aus  der  Aussage  des  Kapitäns  klar  hervorgeht,  daß 
die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  dem  Reeder  der  „Apollo"  und 
Reklamanten  in  dieser  Sache  gehört,  so  kann,  solange  nicht  ein  Gegen- 
beweis erbracht  wird,  der  diese  Annahme  umstößt,  der  Ausführung 
des  Vertreters  der  Reklamation,  daß  die  Ladung  der  Firma  Harris 
&  Dixon  gehöre,  nicht  beigepflichtet  werden. 

Kurz,  der  Dampfer  „Apollo"  hat  unter  Anwendung  betrügerischer 
Mittel  seinem  Reeder  gehörige  Konterbande  befördert,  und  es  ist  von 
der  Wissenschaft  und  Praxis  des  Völkerrechts  anerkannt,  daß  in  der- 
artigen Fällen  Schiff  und  Ladung  eingezogen  werden  können.  ^) 

Da  aus  diesen  Gründen  der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer 
und  seine  Ladung  einzuziehen  sind,  so  erübrigt  es  sich,  die  übrigen 
Punkte  des  Reklamanten  zu  erörtern. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  l.  Juni  1905  im  Prisengericht  zu  Yokosuka,  im  Bei- 
sein des  Staatsanwalts  beim  Prisengericht  zu  Yokosuka,  Yanagita 
K  u  n  i  o. 

(Unterschriften.) 


*)  V.  §§  43,  44. 
704 


Prisengerichtsentschef düngen:  »Apollo*.  Abschnitt  Vl^ 

Rekramant:  The  Cornhill  Steamship  Company,  London,  Eng- 
land, Grace  Church  Street  Nr.  81, •vertreten  durch  den  Kapitän  des  eng- 
lischen Dampfers  „Apollo*',  John  Wiseman. 

ProzeBvertreter;  Rechtsanwalt  Akiyama  Qenzo,  Tokio, 
KyobashiJcu,  Unemecho  Nr.  15. 

Am  1.  Juni  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Yokosuka  in  der  Prisen- 
sache, betreffend  den  am  14.  Februar  1905  in  der  Straße  von  Etorup 
von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Hongkong  Maru"  beschlagnahmten 
eng^schen  Dampfer  „Apollo"  und  dessen  Ladung  ein  Urteil  gefällt, 
in  welchem  auf  Wegnahme  des  englischen  Dampfers  „Apollo''  und 
der  auf  demselben  verladenen  ungefähr  5600  Tons  Cardiffkohle  er- 
kannt worden  ist 

Gegen  dieses  Urteil  hat  JohnWiseman  in  Vertretung  des 
Reklamanten,  der  Cornhill  Steamship  Company,  durch  den  Rechtsanwalt 
Akiyama  Gen  zo  als  Prozeßvertreter  die  Berufung  eingelegt,  welche 
im  Beisein  der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku  und  I  s  h  i  w  a  t  a  r  i 
B  i  n  i  c  h  i  beim  Oberprisengericht  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Vertreters  der  Reklamation, 
Akiyama  Qenzo,  sind  folgende: 

Das  Urteil  des  Prisengerichts  zu  Yokosuka  auf  Wegnahme  des 
Dampfers  ,^pollo"  und  der  auf  ihm  verschifften  Steinkohlen  sei  un- 
zutreffend. Es  werde  Aufhebung  desselben  und  Freigabe  des  zur  Ver- 
handlung stehenden  Dampfers  und  seiner  Ladung  beantragt,  und  zwar 
aus  fofgendea  Gründen: 

1.  Der  Eigentümer  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  und 
der  der  Ladung  seien  verschieden.  Bei  der  Verladung  und  Beförderung 
der  letzteren  liege  keinerlei  betrügerisches  Vorgehen  vor.  Auch  sei  die 
Ladung  nicht  als  Konterbande  anzusehen.  Daher  sei  es  unzutreffend, 
daß  das  Gericht  erster  Instanz  die  Ladung  als  Konterbande  angesehen 
und  bezüglich  des  Schiffs  betrügerisches  Vorgehen  angenommen  und 
für  beide  auf  Einziehung  erkannt  habe. 

2.  Das  Urteil  erster  Instanz  besage, 

es  gehe  aus  den  Aussagen  des  Kapitäns  hervor,  daß  die  zur 
Verhandlung  stehende  Ladung  dem  Eigentümer  des  zur  Ver- 
handlung stehenden  Schiffes  gehöre. 
Eine  genaue  Prüfung  des  Vernehmungsprotokolls  des  Kapitäns  tue  dies 
indes  keineswegs  dar,  sondern  liefere  reichlichen  Beweis  dafür,  daß  das 
Gegenteil  der  Fall  sei.  Denn  der  Kapitän  sage  in  diesem  Vernehmungs- 
protokoll: 

Der  Ladungsherr  der  Steinkohlen  sei  die  Cornhill  Steamship 
Company.  Er  glaube,  daß  der  Ladungsherr  gewußt  habe, 
daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  von  Japan  als 

Marstraiid-MeolilexLbiLrgy  Das  Japanisohe  Prisenreoht.  (45)  <v/«^ 


Abschnitt  VI"  Prisengerichtseiiitscheidangen:  .Apollo*»- 

Konterbande  betrachtet  werde,  weil  der  Eigentümer  der  Kohle 
ihm  dies  selbst  gesagt  habe. 

Wenn  der  Kapitän  „Ladungsherr"  gesagt  habe,  so  habe  er  „Ab-- 
Sender"  gemeint,  und  das  genüge,  um  darzutun,  daß  außer  diesem 
noch  ein  Eigentümer  vorhanden  sei.  Daß  der  Reklamant  und  Eigentümer 
des  Schiffes  die  Ladung  im  Auftrag  des  Ladungseigentümers  versandt 
habe,  lasse  sich  auch  daraus  ohne  weiteres  entnehmen,  daß  es  zur  Ver- 
schiffung von  Gütern  des  Schiffseigentümers  eines  Konnossements  nicht 
bedurft  haben  würde.  Das  Vorhandensein  eines  solchen  beweise  da- 
her, daß  ein  anderer  der  Eigentümer  der  Ladung  sei.  Wenn  dieser 
seinen  Namen  nicht  angegeben  habe,  so  sei  das  vielleicht  aus  kauf- 
männischen Rücksichten  geschehen.  Das  neue  Beweisstück  A  tue  indes 
dar,  daß  Harris  &  Dixon  die  Eigentümer  seien.  Daher  sei  die 
Annahme  des  Gerichts  erster  Instanz,  daß  das  zur  Verhandlung- 
stehende  Schiff  und  seine  Ladung  im  gleichen  Eigentum  stünden,  un- 
zutreffend. 

3.  Das  Urteil  erster  Instanz  besage : 

Obwohl  es  bereits  bei  der  Abfahrt  bestimmt  gewesen  seiV 
daß  das  Schiff  nach  Wladiwostok  gehen  sollte,  sei  doch  den 
Behörden  des  Ausgangshafens  und  der  Anlaufshäfen  keine 
Anzeige  darüber  gemacht  worden.  Der  Dampfer  habe  sich 
Ausklarierungen  und  Gesundheitspässe  nach  den  neutralen 
Häfen  Bangkok  oder  Shanghai  geben  lassen  und  vorsätz- 
lich einen  Umweg  gemacht,  um  Wladiwostok  durch  die 
Soyastraße  zu  erreichen.  Diese  vorsätzliche  Verheimlichung- 
des  Bestimmungsorts  sei  geschehen,  um  durch  diese  List 
der  Aufbringung  zu  entgehen. 

Da  aber  in  dem  Konnossement,  dem  wichtigsten  der  Schiffspapiere^ 
der  wahre  Bestimmungsort,  Wladiwostok,  klar  angegeben  sei,  so  würde 
das  Schiff  dadurch,  daß  es  in  den  Ausklarierungspapieren  und  dem 
Gesundheitspaß  nur  die  Anlaufshäfen  angegeben,  den  letzten  Be- 
stimmungsort aber  verschwiegen  habe,  doch  schließlich  der  Aufbringung- 
nicht  haben  entgehen  können.  Was  die  Annahme  angehe,  daß  es  ein 
unrechtmäßiges  Vorgehen  sei,  in  dem  Ausklarierungsschein  den  wahren 
Bestimmungsort  nicht  angegeben,  sondern  Bangkok  und  Shanghai  ein- 
getragen zu  haben,  obwohl  eine  Absicht,  dort  anzulaufen,  von  vorn- 
herein nicht  bestanden  habe,  so  gehe  aus  den  Tatumständen  ohne 
weiteres  von  selbst  hervor,  daß  der  Reeder  bzw.  der  Kapitän  den  Be- 
hörden gegenüber  falsche  Angaben  gemacht  habe,  lediglich  mit  Rück- 
sicht auf  die  An  heuer  ung  der  Mannschaft  und  auf  die  Heuerbeträge, 
und  daß  diesem  Vorgehen  keineswegs  die  Absicht  zugrunde  gelegen 
habe,  dadurch  die  Käptoren  zu  täuschen. 

706\ 


?>rl86iiflericht80itsclieldunoeii:  «Apollo-.  Abschnitt  VI» 

Was  ferner  die  Tatsache  angehe,  daß  der  Kurs  durch  die  Soya- 
straße  gewählt  worden  sei,  so  könne  darin,  selbst  wenn  man  als  Zweck 
den  annehme,  der  Visitierung  und  Durchsuchung  durch  die  krieg- 
führende Atarine  zu  entgehen,  -kein  unrechtmäßiges  Verhalten  erblickt 
werden.  Denn  da  im  Kriege  jedes  Handelsschiff  der  Visitierung  und 
Durchsuchussg  unterliege,  so  sei  es  natürlich,  wenn  die  Schiffe  ihren 
Kurs  änderten,  um  dieser  Belästigung  zu  entgehen.  Was  die  Täuschung; 
der  Kaptorea  angehe,  so  könne  diese  erst  anfangen,  nachdem  ein  auf 'der 
Fahrt  begriffenes  Schiff  von  dem  Kaptor  gesichtet  und  gestoppt  worden 
sei.  Solange  es  noch  nicht  gesichtet  sei,  stehe  es  dem  Schiff  frei,  jeden 
beliebigen  Kaars  zu  nehmen,  und  eine  Änderung  könne  nicht  ohne, 
weiteres  als  betrügerisches  Mittel  angesehen  werden. 

4.  Das  Urteil  erster  Instanz  wende  die  von  dem  ReklamanteiT 
angezogenexi  Entschddungsgründe  des  „Neptun'us"-Falls  zur  Be- 
gründung der  gegenteiligen  Behauptung,  daß  die  zur  Verhandlung 
stehende  Ladung  Konterbande  sei,  an  und  sage,  der  in  den  Ent- 
scheidungsgründen erwähnte  Hafen  Brest  sei  den  gegenwärtigen  Ver- 
hältnissen Wladiwostoks  sehr  gleich.  Das  müsse  indes  als  eine  durch- 
aus verkehrte  Anwendung  der  Präcedenz  bezeichnet  w;erden.  Denn 
Brest  sei  ein  holländischer  3)  Kriegshafen  und  habe  nicht  wie  Wladi- 
wostok auch  die  Eigenschaft  eines  Handelshafens.  Es  sei  daher  selbst- 
verständlich^ daß  bedingungsweise  Konterbande,  welche  nach  einem 
solchen  Hafen  befördert  werde,  ohne  weiteres  als  für  den  Kriegsgebrauch 
bestimmt  angesehen  werde.  Dagegen  habe  Wladiwostok  gerade  wie  das 
;in  dem  Urteil  des  genannten  Falls  vorkommende  Amsterdam  zu  gleicher 
iZeit  die  Eigenschaft  eines  Kriegs-  und  eines  Handelshafens.  Daher 
müsse  unter  Anwendung  der  erwähnten  Präcedenz  angenommen  werden, 
'daß  die  zur  Verhandlung  stehende,  nach  Wladiwostok  bestimmte  Ladung 
jiicht  für  den  Marinegebrauch  bestimmt  sei.  Da  so  dies  gleiche  Out, 
je  Bach  dem  Bestimmungshafen,  einen  ganz  anderen  juristischen  Cha- 
laldier  gewinnen  könne,  so  sei  es  unzutreffend,  zu  behaupten,  daß  die 
zur  Verhandlung  stehende  Ladung  Konterbande  sei. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  beim  Prisen- 
gerichl  zu  Yokosuka,  Uchida  Shigenari,  sind  folgende : 

h  Da  man  sehr  wohl  annehmen  könne,  daß  die  gegenwärtigen 
Verhältnisse  in  Wladiwostok,  dem  Bestimmungsort  des  zur  Verhandlung 
stehenden  Schiffes,  so  seien,  wie  das  Urteil  erster  Instanz  sie  darstelle, 
so  sei  es  zutreffend,  wenn  man,  mangels  klaren  Gegenbeweises  in  einer 
Kohlenladung,  die  dorthin  bestimmt  sei,  Kriegsbedarf  erblicke.  Auch 
lasse  in  dem  vorliegenden  Falle  die  Qualität  der  verschifften  Cardiffkohle; 
keinen  Zweifel  darüber,  daß  sie  wirklich  zum  Kriegsgebrauch  habe  ge- 


•)  Der  Vertreter  ist  offenbar  kein  großer  Geograph. 
(45*)  707- 


Abschnitt  VI"  Prisengerichtsentscheidungen :  .Apollo'. 

liefert  werden   sollen.     Es  sei  daher   Recht,  sie  als   Konterbande  an- 
zusehen. 

Daß  ferner  diese  Konterbande  im  Eigentum  des  Reklamanten  und 
Reeders  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  stehe,  sowie  daß  das 
Schiff,  um  der  Aufbringung  zu  entgehen,  die  List  angewandt  habe, 
den  Bestimmungsort  zu  verheimlichen,  lasse  sich  gleichfalls  aus  den 
Darlegungen  des  Urteils  erster  Instanz  entnehmen.  Da  daraus  folge, 
daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  betrügerische  Mittel  zum 
Zwecke  der  Beförderung  von  Konterbande,  die  dem  Reeder  des  Schiffes 
gehöre,  angewandt  habe,  so  habe  das  Urteil  erster  Instanz  zu  Recht 
in  Übereinstimmung  mit  den  Grundsätzen  des  Völkerrechts  dahin  ent- 
schieden, daß  das  Schiff  mitsamt  seiner  Ladung  eingezogen  werden 
müsse. 

«  2.  Das  Kreuzverhör  des  Kapitäns  in  dessen  Vernehm ungsprotokolle 
beschäftige  sich,  wenn  man  es  von  vorn  bis  hinten  durchlese,  in  allen 
seinen  Fragen  und  Antworten  damit,  wer  der  Eigentümer  der  Steinkohle 
sei.  Man  könne  daher  nur  annehmen,  daß  in  Frage  und  Antwort  das 
Wort  „Ladungsherr''  als  „Eigentümer''  und  nicht  als  „Absender"  der 
Ladung  verständen  worden  sei.  Aber  selbst  angenommen,  der  Kapitän 
habe,  wie  der  Reklamant  es  auslege,  weiter  nichts  sagen  wollen,  als  daß 
die  Cornhill  Steamship  Company  der  Absender  sei,  so  sei  für 
die  Annahme,  daß  die  Kohle  in  jemandes  anderen  Eigentum  als  des  Ab- 
senders stehe,  ein  stichhaltiger  Beweis  durch  einen  zu  der  Zeit  errichteten 
Vertrag  oder  dergleichen  nötig.  Die  Herstellung  eines  Konnossements 
genüge  nicht,  um  daraus  vermuten  zu  können,  daß  der  Eigentümer 
jemand  anders  sei.  Denn  ein  Konnossement  diene  einmal  als  Beweis- 
instrument dafür,  daß  der  Kapitän  das  Ladungsgut  erhalten  habe.  So- 
dann ziele  aber  sein  Hauptzweck  auf  den  Güterumsatz  ab,  indem  es  zum 
Ankauf  und  Verkauf  derselben  diene  und  die  Rechtsverhältnisse  zwischen 
Reeder  und  Empfänger  festsetze.  Was  seine  Fähigkeit  zur  Zirkulation 
angehe,  so  sei  es  eine  Urkunde,  die  wie  ein  Wechsel  auf  Indossament 
hin  oder  durch  Behändigung  frei  übertragen  werden  könne.  Daher 
sei  auch  für  einen  Reeder,  der  auf  seinem  eigenen  Schiff  seine  eigene 
Ware  verschiffe  und  befördere,  die  Ausstellung  eines  Konnossements 
selbstverständlich   erforderlich. 

Was  die  als  Beweisstück  A  eingereichte  Vollmacht  angehe,  so  sei 
sie  nach  der  hier  in  Frage  stehenden  Aufbringung  ausgestellt  und,  wenn 
man  ihren  rechtlichen  Bestand  anerkennen  müsse,  »o  reiche  sie  doch  nicht 
aus,  um  ohne  weiteres  das  Eigentum  der  Firma  Harry  &  Dixon  an 
der  zur  Verhandlung  stehenden  Steinkohle  zu  beweisen. 

3.  Es  sei  ganz  klar,  daß  das  Schiff  eine  Route,  die  einen  be- 
schwerlichen Umfang  darstelle,  genommen  und  von  der  Soyastraße  aus 
Wladiwostok  zu  erreichen  nur  aus  dem  Grunde  versucht  habe,  weil  es 

708 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Apollo**.  Abschnitt  VI  3t 

befürchtet  habe,  daß  es  wegen  seiner  Konterbandeladung  von  der  ja- 
panischen Marine  aufgebracht  werden  würde  und  weil  es  dieser  Auf- 
bringung habe  entgehen  wollen. 

Wenn  das  Schiff,  obwohl  Wladiwostok  schon  zur  Zeit  der  Abfahrt 
von  Cardiff  als  Bestimmungsort  festgesetzt  gewesen  sei,  den  Behörden 
des  Ausfahrtshafens  und  der  Auslaufshäfen  gegenüber  falsche  Meldungen 
gemacht  und  sich  so  Ausklarierungen  und  Gesundheitspaß  für  Bangkok 
und  Shanghai  beschafft  habe,  so  habe  dafür  ein  Bedürfnis  mit  Rücksicht 
auf  die  Anheuerung  und  die  Heuerbeträge  der  Mannschaft,  wie  der  Re- 
klamant es  geltend  mache,  nicht  vorgelegen.  Nach  dem  Sachverhalt 
müsse  vielmehr  angenommen  werden,  daß  die  falschen  Meldungen  und 
die  Erwirkung  falscher  Papiere  lediglich  den  Zweck  gehabt  hätten,  der 
Aufbringung  zu  entgehen.  Wenn  hinreichender  Grund  vorliege  an- 
zunehmen, daß  die  falschen  Papiere  ausgestellt  worden  seien,  am  den 
Kaptor  zu  täuschen,  so  werde  keinerlei  Nachsicht  geübt,  gleichviel  ob 
sämtliche  Papiere  oder  nur  ein  Teil  derselben  gefälscht  seien. 

Es  sei  daher  zutreffend,  wenn  das  Urteil  erster  Instanz  auf  Grund 
dieser  Tatsachen  entschieden  habe,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende 
Schiff  dadurch,  daß  es,  um  der  Kontrolle  durch  die  japanische  Marine 
zu  entgehen,  vorsätzlich  einen  Umweg  gemacht  habe,  sich  des  Konter- 
bandetransports unter  Anwendung  betrügerischer  Mittel  schuldig  ge- 
macht habe. 

Punkt  4  der  Berufung  laufe  darauf  hin,  zu  sagen,  das  Urteil  erster 
Instanz,  welches  entschieden  habe,  daß  die  zur  Verhandlung  stehende 
Ladung  Konterbande  sei,  sei  unzutreffend.  Die  Unhaltbarkeit  dieser  Be- 
hauptung sei  indes  bereits  in  Punkt  1  dargetan  worden,  so  daß  eine 
erneute  Erwiderung  nicht  gemacht  werde. 

Aus  diesen  Gründen  sei  die  Berufung  in  allen  Punkten  unbegründet 
und  müsse  abgewiesen  werden. 

Das  vorliegende  Urteil  werde,  wie  folgt,  begründet: 

1.  Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegs- 
hafen ist.  Seit  dem  Krieg  mit  Japan  hat  Rußland  es  zum  Stützpunkt 
für  seine  Kriegsflotte  und  Hauptetappenort  gemacht.  Es  hat  dort  in  aus- 
gedehntem Maße  Waffen,  Lebensmittel,  Kohle  und  sonstige  Kriegs- 
bedarfsartikel aufgespeichert.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr  nach 
dorthin  hat  fast  ganz  aufgehört.  Es  ist  daher  durchaus  begründet, 
wenn  das  Gericht  erster  Instanz  angenommen  hat,  daß  die  nach  diesem 
Hafen  bestimmten  Steinkohlen  für  den  russischen  Kriegsgebrauch  ge- 
liefert werden  sollten  und  daher  Kriegskonterbande  seien.  Dies  um  so 
mehr,  als  die  Kohlenladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfers 
ausgewählte  Cardiffkohle  ist  und  die  Preise  für  solche  im  Osten  so  außer- 
ordentlich hoch  gestiegen  sind,  daß  außer  für  den  Gebrauch  auf  Kriegs- 
schiffen zur  Kriegszeit  keine  Nachfrage  dafür  vorhanden  und  es  somit 

709 


Abschnitt  VI"  Prisengerichtsentscheidungen:  .Apoltc^''. 

unzweifelhaft  ist,  daß  die  Kohle  für  den  russischen  Kriegsgebrairh.  ge- 
liefert werden  sollte. 

Der  Reklamant  sagt,  es  müsse  nach  Art  der  Präcedenzentsciteiduag 
im  „Neptun us"-Fall  auch  in  diesem  Falle  angenommen  werden,  daß  di^ 
zur  Verhandlung  stehende  Ladung  für  friedliche  Zwecke  bestimmt  ge- 
wesen sei.  Aber  die  Ladung  im  „Neptun us''-Fall  und  die  des  vor- 
liegenden Falls  sind  ihrer  Art  nach  von  Grund  aus  verschieden,  und 
auch  die  Verhältnisse  der  Bestimmungsorte  sind  ganz  andere.  Es  ist 
daher  unfraglich,  daß  jener  Fall  nicht  als  Präcedenz  auf  den  vorHegenden 
angewandt  werden  kann. 

2.  Das  Völkerrecht  erkennt  an,  daß  Schiffe,  wie  das  zur  Verhand- 
lung stehende,  deren  Reisezweck  der  Transport  von  Konterbande  ist, 
eingezogen  werden  können.  Das  Oberprisengericht  ist  der  Ansicht, 
daß  dies  den  Verhältnissen  gerecht  wird.  Besonders  im  vorliegenden 
Fall,  wo  die  ganze  Ladung  des  Schiffs  Konterbande  ist.  und  obwohl 
erwiesenermaßen  schon  seit  der  Abfahrt  von  England  Wladiwostok  das 
Reiseziel  war,  die  Ausklarierungspapiere  und  andere  Schiffspapiere  einen 
falschen  Bestimmungsort  angeben  und  das  Schiff  demnach  zur  Beförde- 
rung von  Konterbande  unter  Anwendung  betrügerischer  Mittel  ge- 
dient hat. 

Wenn  man  zudem  die  Aussage  des  Kapitäns,  daß  der  Eigentümer 
der  zur  Verhandlung  stehenden  Ladung  und  des  Schiffs  derselbe  sei, 
sowie  die  Tatsache,  daß  weder  in  den  Schiffspapieren  noch  auch  sonst 
ein  Anhalt  dafür  gegeben  ist,  daß  ein  von  dem  Reeder  verschiedener 
Ladungseigentümer  vorhanden  ist,  vergleicht,  so  muß  man  annehmen, 
daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  demselben  Eigentümer  gehört 
wie  die  Ladung. 

Da  schon  nach  dem  in  Punkt  1  und  2  Gesagten  die  Entscheidung 
auf  Einziehung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  und  seiner  Ladung 
unfraglich  gerechtfertigt  ist,  so  liegt  keine  Notwendigkeit  vor,  auf  die 
einzelnen  Punkte  der  Berufung  noch  besonders  einzeln  einzugehen. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden : 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  26.  August  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  FurnessWithy&Co.  Ltd.,  englische  juristische 
Person,  West-Hartlepool,  England,  County  Durham,  vertreten  durch  die 
Geschäftsführer  S.  W.  Furness  und  R.  W.  Wiek. 

710 


Prisengerichtsentscheidungen:  «Sylviana«.  Abschnitt  VI  3ta 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Akiyama  Genzo,  Kana- 
^waken,  Yokohama,  Yamashitacho  Nr.  75. 

In  der  Prisensache,  betreffend  den  englischen  Dampfer  „Sylviana" 
T^ird,  wie  folgt,  entschieden : 

Urteilsformel: 
Der  englische  Dampfer  „Sylviana''  wird  eingezogen. 

Tatbestand  und  Gründe: 
Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „Sylviana''  steht  im  Eigen- 
tum des  Reklamanten,  der  Firma  FurnessWhithy&Co.  Ltd.,  sein 
Heimatshafen  ist  Westhartlepool,  er  führt  die  englische  Flagge  und  ist  ein 
Handelsschiff,  das  ausschließlich  zum  Gütertransport  dient.  Er  hat  6534 
Tons  Cambrische  Kohle  in  Barry,  England,  geladen,  um  sie  nach  Wladi- 
wostok in  Rußland  einzuführen.  Die  genannte  Firma  ist  selbst  Ab- 
sender. Der  Dampfer  fuhr  am  14.  Dezember  1904  mit  einem  Konnosse- 
ment, nach  welchem  der  Empfänger  sich  nach  Order  richten  sollte, 
von  Barry  ab  und  gelangte  über  Sabangam  4.  Februar  1905  in  Hongkong 
an.  Dort  erhielt  er  auf  Grund  seiner  Angabe,  er  gehe  nach  Shanghai, 
entsprechende  Ausklarierung,  obwohl  er  vorhatte,  direkt  nach  Wladi- 
wostok zu  fahren.  Am  1 1.  desselben  Monats  fuhr  er  von  Hongkong 
ab,  trug  in  seinem  Privatschiffsjournal  fälschlicherweise  Shanghai  als 
Reiseziel  ein,  änderte  jedoch  auf  der  Höhe  von  Shanghai  plötzlich  seinen 
Kurs  und  wurde  auf  der  Fahrt  nach  Wladiwostok  am  19.  Februar  1905 
in  330  35'  n.  Br.  und  128 «  45'  ö.  L.  von  dem  Kaiserlichen  Kriegs- 
schiff „Nikko  Maru",  weil  er  Konterbande  führte,  aufgebracht. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Vertreters  des  Kommandanten  der  „Nikko  Maru",  Marineunterleutnants 
Nikuta  Hitoshi,  die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns  der  „Syl- 
viana",  P.  G i b s o n ,  des  ersten  Offiziers  John  Edwards,  des  ersten 
Maschinisten  E.  S.  Dixon  und  des  zweiten  Offiziers  D. 'J.  Davis,  das 
Schiffszertifikat,  das  Tagebuch,  das  Privatschiffsjournal,  das  Konnosse- 
ment und  die  Ausklarierungsbescheinigung  des  Hafenamts  in  Hongkong. 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  des  Vertreters  der  Reklamation 
sind  folgende: 

Die  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  sei  keine  Konter- 
bande. Selbst  wenn  man  sie  aber  als  solche  betrachte,  so  könne  doch 
das  Schiff  nicht  das  Schicksal  der  Ladung  teilen  und  eingezogen  werden, 
weil  dieselbe  nicht  im  Eigentum  des  Reeders  und  Reklamanten  stehe. 

Da  das  Konnossement  Wladiwostok  klar  als  Bestimmungsort  angebe, 
so  könne  darin,  daß  zufällig  in  Hongkong  eine  Ausklarierung  für 
Shanghai  genommen  sei,  und  daß  in  dem  Privatschiffsjournal  der  Be- 

711 


Abschnitt  VI  39  a  Prisengerichtsentscheidungen :  .Sylviana*. 

Stimmungsort  nicht  angegeben  sei,  keine  betrügerische  Handlung  erblickt 
werden.  Daher  müsse  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  schleunig 
wieder  freigegeben  werden. 

Die  Hauptpunkte  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  sind  folgende: 

Da  der  Eigentümer  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  und 
der  auf  demselben  verschifften  Ladung  dieselbe  Person  sei  und  das  Schiff 
unter  Verwendung  falscher  Schiffspapiere  Konterbande  befördert  habe, 
so  müsse  es  mit  Recht  eingezogen  werden. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Die  Bestimmungen  und  die  Praxis  des  Völkerrechts  erkennen  an, 
daß  Schiffe,  welche  Konterbande  führen,  wenn  der  Eigentümer  des  Schiffs 
und  der  Konterbande  derselbe  ist  und  bei  der  Beförderung  betrügerische 
Mittel  angewandt  worden  sind,  eingezogen  werden  müssen. 

Die  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  ist  aber  Cam- 
brische  Kohle,  wie  sie  gegenwärtig  vorzüglich  von  Kriegsschiffen  ge- 
braucht wird,  und  ihr  Bestimmungsort  ist  Wladiwostok,  der  einzige 
Kriegshafen  Rußlands  im  Osten  und  zurzeit  der  Hauptstützpunkt  seiner 
Marine.  Daraus  geht  unzweifelhaft  hervor,  daß  sie  für  den  Kriegs- 
gebrauch geliefert  werden  sollte.    Sie  ist  deshalb  Konterbande,  i) 

Aus  dem  Konnossement  geht  klar  hervor,  daß  der  Reeder  der  Ab- 
sender der  Ladung  ist  und  daß  der  Empfänger  durch  Order  bestimmt 
werden  sollte.  Der  Kapitän  hat  ferner  ausgesagt,  daß  die  Ladung  bis 
zur  Zahlung  der  vollen  Vertragssumme  im  Eigentum  von  Withy  &  Co. 
stehe.  Es  ist  daher  zutreffend,  wenn  man  annimmt,  daß  die  Ladung 
und  das  Schiff  im  gleichen  Eigentum  stehen. 

Der  Vertreter  der  Reklamation  zitiert  die  Aussage  des  Kapitäns, 
daß  die  Ladung  auf  Bestellung  von  Q  i  n  s  b  u  r  g  nach  Wladiwostok  habe 
eingeführt  werden  sollen,  und  behauptet,  daß  dieselbe  im  Eigentum  von 
Q  i  n  s  b  u  r  g  stehe  und  der  Reeder  lediglich  Auftrag  erhalten  habe, -dieselbe 
zu  transportieren.  Die  Aussage  des  Kapitäns  besagt  jedoch  nur,  daß  die 
Ladung  auf  Bestellung  habe  eingeführt  werden  sollen,  und  da  der  Ver- 
treter der  Reklamation  sonst  keine  Beweise  vorgebracht  hat,  so  kann  seine 
Behauptung  nicht  anerkannt  werden. 

Obwohl  ferner  der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  von  Hong- 
kong direkt  nach  Wladiwostok  hat  fahren  wollen,  hat  er  in  Hongltong 
fälschlich  Shanghai  als  Bestimmungsort  angegeben  und  dementsprechend 
Ausklarierung  erhalten.  Auch  hat  er  während  der  Reise  im  Privatschiffs- 
journal Shanghai  als  Reiseziel  eingetragen,  hat  dann  aber  auf  der  Höhe 
von  Shanghai  plötzlich  seinen  Kurs  geändert  und  ist  nach  Wladiwostok 
gefahren.  Er  hat  sich  demnach  zum  Transport  von  Konterbande  betrüge- 
rischer Mittel  bedient. 


1)  II.  Ziffer  2. 

712 


PrisengerichtsentBcheidungen:  «Sylviana".  Abschnitt  VI»* 

Der  Vertreter  der  Reklamation  bringt  hierzu  vor,  da  das  Konnosse- 
ment Wladiwostok  offen  als  Reiseziel  bezeichne,  so  bedeute  die  Er- 
wirkung einer  Ausklarierung  nach  Shanghai  nur  eine  Täuschung  der 
eigenen  Landesbehörden.  Und  wenn  in  dem  Privatschiffsjournal  Wladi- 
wostok nicht  als  Bestimmungsort  verzeichnet  sei,  so  sei  der  Grund  der, 
daß  dafür  noch  immer  Zeit  da  gewesen  sei.  Auf  keinen  Fall  könne  aber 
angenommen  werden,  daß  dies  betrügerische  Mittel  seien,  mit  denen 
man  der  Aufbringung  habe  entgehen  wollen.  Aus  dem  Geständnis  des 
Kapitäns  geht  aber  klar  hervor,  daß  die  Eintragung  von  Shanghai  als 
Bestimmungsort,  bis  er  auf  die  Höhe  von  Shanghai  gekommen,  und 
späterhin  die  Unterlassung  der  Eintragung  eines  Bestimmungsorts  ge- 
schehen seien,  um  bei  der  Visitierung  durch  die  Kaiserliche  Marine  die. 
Gefahr  der  Aufbringung  zu  vermeiden. 

Auch  daraus,  daß  der  Dampfer,  obwohl  er  von  Hongkong  direkt 
nach  Wladiwostok  fahren  wollte,  absichtlich  erst  den  Umweg  bis  in  die 
See  von  Shanghai  nahm,  ergibt  sich  unzweifelhaft,  daß  alle  diese  Maß- 
nahmen getroffen  worden  sind,  um  auf  diese  betrügerische  Art  der 
Beschlagnahme  zu  entgehen.  Wenn  daher  auch  das  Konnossement 
Wladiwostok  als  das  Reiseziel  angibt,  so  kann  deshalb  doch  nicht  be- 
hauptet werden,  daß  das  Schiff  nicht  zum  Transport  von  Konterbande 
unter  Anwendung  betrügerischer  Mittel  verwandt  worden  sei. 

Kurz  die  Behauptungen  des  Vertreters  des  Reklamanten  sind  alle 
unbegründet,  und  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  muß,  weil  es 
eine  dem  Reeder  gehörige  Ladung  von  Konterbande  unter  Anwendung 
betrügerischer  Mittel  befördert  hat,  eingezogen  werden.  ^) 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  15.  Mai  1905  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Beisein 
des  Staatsanwalts  Mizukami  Chojiro. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Furness  Withy  &  Co.,  Ltd.,  West  Hartlepool,. 
England,  County  Durham,  vertreten  durch  die  Geschäftsführer  S.  W. 
Furness  und  R.  W.  Wyck. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Akiyama  Genzo,  Regie- 
rungsbezirk Kanagawa,  Yokohama,  Yamashitacho  Nr.  75. 

Am  15.  Mai  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der  Prisen- 
sache,   betreffend    den    englischen    Dampfer    „Bylviana",    welcher    am 

-rv!  §§  43,  44. 

713. 


Abschnitt  VI 39a  Prisengerichtsentscheidungen:  .Sylviana'. 

19.  Februar  1905  auf  33»  35'  n..Br.  und  128 »  25'  ö.L.  von  dem  Kaiser- 
lichen Kriegsschiff  „Nikko  Maru"  aufgebracht  worden  ist,  ein  Urteil  ge- 
fällt, in  welchem  auf  Einziehung  des  Dampfers  „Sylviana"  erkannt 
worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  haben  S.  W.  Furneß  und  R.  W.  Wick  in 
Vertretung  des  Reklamanten,  der  Firma  Furneß  Withy&  Co.,  durch 
•den  Rechtsanwalt  Akiyama  Genzo  als  Prozeßvertreter  die  Berufung 
eingelegt,  welche  im  Beisein  der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku 
und  Dr.  jur.  Ishiwatari  Binichi  beim  Oberprisengericht  geprüft 
worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Vertreters  der  Reklamation, 
AkiyamaGenzo,  und  deren  Begründung  sind  folgende : 

Für  seine  Ansicht,  daß  die  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Schiffs  Konterbande  sei,  führe  das  Gericht  erster  Instanz  an,  daß 

solche  Ladungen  zurzeit  vorzugsweise  zum  Marinegebrauch 
geliefert  würden  und  daß  der  Bestimmungsort,  Wladiwostok, 
Rußlands  einziger  Kriegshafen  im  Osten  sei. 
Wladiwostok  sei  aber  zugleich  Rußlands  einziger  Handelshafen  im 
Osten,  und  es  würde  der  völkerrechtlichen  Praxis  entsprechen,  wenn 
man  nach  dem  Beispiel  des  „Neptunus"-Falls  entscheide,  daß  die  zur 
Verhandlung  stehende  Kohle  zu  friedlichem  Gebrauch  nach  dem  ge- 
nannten Hafen  befördert  worden  und  daher  keine  Konterbande  sei. 
Es  sei  daher  unrechtmäßig,  daß  diese  Präcedenz  nicht  angewandt  und 
die  Ladung  für  Konterbande  angesehen  worden  sei. 

Selbst  wenn  man  die  Ladung  aber  als  Konterbande  ansehe,  so  sei 
doch  der  Eigentümer  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  von  dem 
Ladungseigentümer  verschieden  und  habe  nicht  unter  Anwendung  be- 
trügerischer Mittel  Konterbande  geladen.  Daher  könne  das  Schiff  nicht 
der  Strafe  der  Einziehung  unterliegen. 

Das  Urteil  erster  Instanz  behaupte,  daß  es  zutreffend  sei  anzu- 
nehmen, daß  die  Ladung  im  Eigentum  des  Reeders  stehe  und  führe 
hierfür  die  Aussage  des  Kapitäns  an,  daß  die  Ladung  bis  zur  Zahlung 
«der  vollen  Vertragssumme  im  Eigentum  des  Reklamanten  stehe.  Das 
Vernehmungsprotokoll  zeige  indes,  daß  der  Kapitän  eine  derartige  Aus- 
sage nicht  gemacht,  vielmehr  das  Gegenteil  behauptet  habe.  Er  habe 
nämlich  ausgesagt,  daß  die  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Schiffs  auf  Bestellung  von  Gins  bürg  verschifft  worden  sei.  Daraus 
ergebe  sich,  daß  die  Ladung  Ginsburg  gehöre  und  in  seinem  Auf- 
trag von  dem  Reklamanten  verschifft  worden  sei. 

Ferner  sage  das  Urteil, 

obwohl  der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  für  Wladi- 
wostok bestimmt  gevcesen  sei,  habe  er  einerseits  sich  Aus- 
klarierung für  Shanghai  verschafft  und  im  Privatschiffsjournal 

7U 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Sylviana".  Abschnitt  Visea 

Shanghai  als  Reiseziel  eingetragen,  anderseits  aber  auf  der 
Höhe  von  Shanghai  seinen  Kurs  geändert  und  auf  Wladi- 
wostok gehalten.    Er  habe  demnach  betrügerische  Mittel  ver- 
wandt. 
Da   aber  in   dem   wichtigsten   Schiffspapier,   dem    Konnossement,   von 
Anfang  an  Wladiwostok  als  Bestimmungsort  eingetragen  gewesen  sei, 
so  würde  das  Schiff  doch  dadurch,  daß  die  anderen  Schiffspapiere  diesen 
Bestimmungsort  nicht  enthielten,  die  kriegführende  Macht  nicht  haben, 
täuschen  und  der  Aufbringung  nicht  haben  entgehen  können. 

Um  annehmen  zu  können,  daß  Schiffspapiere  oder  Handlungen 
eines  Kapitäns  auf  betrügerische  Mittel  zur  Vermeidung  der  Aufbringung 
schließen  ließen,  genüge  es  nicht,  daß  nur  eine  der  Wahrheit  nicht 
entsprechende  Eintragung  oder  eine  Änderung  des  Kurses  vorliege; 
vielmehr  sei  es  auch  erforderlich,  daß  die  böse  Absicht,  die  krieg- 
führende Macht  bei  der  Visitierung  zu  täuschen  und  der  Aufbringung 
durch  sie  zu  entgehen,  vorliege;  auch  müßten  die  Mittel  zur  Täuschung 
geeignet  sein. 

Das  Verhalten  des  Kapitäns  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes 
und  die  Eintragung  in  dem  Ausklarierungsschein,  dem  Tagebuch  usw. 
seien  indes  nicht  geeignet,  um  den  Erfolg  der  Täuschung  der  krieg- 
führenden Macht  herbeizuführen  und  dieselbe  in  ihrem  Recht  zu  ver- 
letzen. Denn  selbst  wenn  die  Absicht,  die  Reise  nach  Wladiwostok 
zu  verheimlichen,  vorgelegen  hätte,  so  wäre  dies  schon  aus  dem  Grunde 
nicht  mögHch  gewesen,  daß  das  Konnossement  klar  von  Wladiwostok 
als  Reiseziel  von  Schiff  und  Ladung  spreche.  Wenn  daher  der  Kapitän 
auch  in  dem  Tagebuch  eingetragen  habe,  daß  er  nach  Shanghai  gehe, 
und  ausgesagt  habe,  dies  sei  geschehen,  um  bei  einer  Visitierung  durch 
Japanische  Kriegsschiffe  der  Gefahr  der  Aufbringung  zu  entgehen,  so 
habe  doch  dieser  Betrug  niemals  ausgeführt  werden  können.  Daher  sei 
den  Aussagen  des  Kapitäns  mit  Bezug  auf  diese  Sache  kein  Gewicht 
beizulegen.  Kurz,  daraus,  daß  in  dem  Tagebuch  und  der  Ausklarierung 
Shanghai  als  Ziel  verzeichnet  worden  sei,  und  aus  den  Aussagen  des 
Kapitäns  könne  nicht  gefolgert  werden,  daß  bei  dem  zur  Verhandlung 
stehenden  Schiff  betrügerisches  Vorgehen  vorgelegen  habe. 

Aus  diesen  Gründen  werde  Aufhebung  des  Urteils  erster  Instanz 
und  Erlaß  einer  Entscheidung  auf  Freigabe  des  zur  Verhandlung 
stehenden  Schiffs  beantragt. 

Die  Hauptpunkte  der  Staatsanwälte  bei  dem  Prisengericht  zu  Sasebo, 
Mizukami  Chojiro  und  Yamamoto  Tatsurokuro,  sind 
folgende : 

Das  in  dem  Schiffe  vorhanden  gewesene  Konnossement  laute  auf 
Order  und  bezeichne  den  Reeder  als  Absender.  Man  müsse  aber,  wenn 
nicht  besondere  Umstände  vorlägen,  mit  Recht  vermuten,  daß  die  in  dem 

715 


Abschnitt  VI  3««  Prisengerichtsentscheidungen :  .Sylviana". 

Konnossement  als  Absender  bezeichnete  Person  der  Eigentümer  sei. 
Der  Kapitän  habe  außerdem,  ausweislich  des  Schlusses  des  Protokolls 
seiner  zweiten  Vernehmung,  ausgesagt,  die  Kohlenladung  des  zur  Ver- 
handlung stehenden  Schiffs  sei  nach  Wladiwostok -bestimmt  und  stehe 
bis  zur  Zahlung  des  vollen  Kaufpreises  im  Eigentum  desiReeders.  Daraus 
ergebe  sich  ohne  allen  Zweifel,  daß  die  Kohle  im  Eigentum  des  Rekla- 
manten und  Reeders  stehe. 

Der  Reklamant  mache  geltend,  daß  in  dem  Konnossement  Wladi- 
wostok als  Bestimmungsort  bezeichnet  sei.  Das  Konnossement  sei  aber 
kein  unentbehrliches  Schiffspapier.  In  Fällen,  wo  nur  eine  Art  von 
Ladung  befördert  oder  nur  dem  Reeder  gehörige  Ladung  verschifft  werde, 
komme  es  vor,  daß  die  Ausstellung  eines  Konnossements  unterlassen 
werde.  Dagegen  sei  das  Privatschiffsjournal  im  vorliegenden  Falle,  wo 
ein  Tagebuch  nicht  vorhanden  sei,  das  für  die  Reise  des  Schiffes  unent- 
behrlichste Papier,  und  kein  Staat  gestatte  in  seinen  Gesetzen  oder 
Gewohnheiten,  daß  in  diesem  Auslassungen  gemacht  würden.  Vielmehr 
müßten  die  Eintragungen  in  demselben  durchaus  zuverlässig  sein.  Wenn 
daher  darin  betrügerische  oder  unwahre  Angaben  stünden,  so  könnten 
diese,  ob  sie  nun  absichtlich  gemacht  worden  seien  oder  nicht,  ein  Vor- 
haben unterstützen,  durch  welches  die  im  Kriege  begriffenen  Kriegsschiffe 
getäuscht  würden  und  die  Aufbringung  durch  dieselben  widerrechtlich 
vermieden  werde.  Daher  könne  man,  wenn  auch  das  Konnossement 
die  Wahrheit  angebe,  nicht  sagen,  daß  betrügerische  Handlungsweise  nicht 
vorgelegen  habe,  um  so  weniger  als  der  Kapitän  nach  dem  Vernehmungs- 
protokoll klar  ausgesagt  habe,  daß  er  sich  Ausklarierung  nach  Shanghai 
habe  geben  lassen,  sei  geschehen,  zur  Unterstützung  seines  Vorhabens,, 
der  Aufbringung  durch  die  japanische  Kriegsflotte  zu  entgehen. 

Die  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  sei  Cardiff- 
kohle,  wie  sie  vorzugsweise  für  Kriegsschiffe  geliefert  werde;  ihr  Be- 
stimmungsort, Wladiwostok,  sei  der  Hauptstützpunkt  der  feindlichen 
Flotte  und  seit  dem  Krieg  mit  Japan  hätten  die  gewöhnlichen  Handels- 
schiffe ihren  Verkehr  nach  dort  fast  gänzlich  eingestellt.  Es  sei  bekannt, 
daß  Wladiwostok  ein  Handelshafen  nur  dem  Namen  nach,  tatsächlich 
aber  seinen  Verhältnissen  nach  ein  reiner  Kriegshafen  sei.  Es  sei  von 
dem  in  dem  „Neptunus''-Fall  in  Betracht  kommenden  Amsterdam  der 
damaligen  Zeit  so  verschieden,  daß  die  beiden  Häfen  nicht  auf  eine 
Stufe  gestellt  werden  könnten.  Demnach  könne  jener  Fall  nicht  als 
Präcedenz  für  den  vorliegenden  angewandt  werden.  Das  Urteil  der 
ersten  Instanz  sei  ihm  daher  mit  Recht  nicht  gefolgt,  und  die  Berufung; 
sei  in  diesem  Punkte  unbegründet. 

Da,  wie  dargetan,  das  Urteil  erster  Instanz  zutreffend  und  die  Be- 
rufung unbegründet  sei,  müsse  sie  abgewiesen  werden. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

716 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Sylviana'.  Abschnitt  VI 39a 

1.  Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegs- 
hafen ist.  Seit  dem  Krieg  mit  Japan  hat  Rußland  es  zum  Stützpunkt 
für  seine  Kriegsflotte  und  Hauptetappenort  gemacht.  Es  hat  dort  in  aus- 
gedehntem Maße  Waffen,  Lebensmittel,  Kohle  und  sonstige  Kriegs- 
bedarf sartikel  aufgespeichert.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr  nach 
dorthin  hat  fast  gänzlich  aufgehört.  Es  ist  daher  durchaus  begründet, 
wenn  das  Gericht  erster  Instanz  angenommen  hat,  daß  die  nach  diesem 
Orte  bestimmten  Steinkohlen  für  den  russischen  Kriegsgebrauch  ge- 
liefert werden  sollten  und  daher  Kriegskonterbande  seien.  Dies  um  so 
mehr  als  die  Kohlenladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfers 
ausgewählte  Cardiffkohle  ist  und  die  Preise  für  solche  im  Osten  so  hoch 
sind,  daß  außer  für  den  Gebrauch  auf  Kriegsschiffen  zur  Kriegszeit  keine 
Nachfrage  dafür  vorhanden  und  es  somit  unzweifelhaft  ist,  daß  die  Kohle 
für  den  russischen  Kriegsgebrauch  geliefert  werden  sollte. 

Der  Reklamant  sagt,  es  müsse  nach  Art  der  Präcedenzentscheidung, 
betreffend  die  „Neptun us'',  auch  in  diesem  Falle  angenommen  werden, 
daß  die  in  Frage  stehende  Ladung  für  friedliche  Zwecke  bestimmt  ge- 
wesen sei.  Aber  die  Ladung  im  „Neptunus''-Fall  und  die  des  vorliegenden 
Falles  sind  ihrer  Art  nach  von  Grund  aus  verschieden,  und  auch  die 
Verhältnisse  der  Bestimmungsorte  sind  ganz  andere.  Es  ist  daher  un- 
fraglich, daß  jener  Fall  nicht  als  Präcedenz  auf  den  vorliegenden  ange- 
wandt werden  kann. 

2.  Das  Völkerrecht  erkennt  an,  daß  Schiffe,  wie  das  zur  Verhand- 
lung stehende,  deren  Reisezweck  der  TranspK)rt  von  Konterbande  ist, 
eingezogen  werden  können.  Das  Oberprisengericht  ist  der  Ansicht, 
daß  dies  den  Verhältnissen  gerecht  wird.  Besonders  im  vorliegenden 
Falle,  wo  die  ganze  Ladung  des  Schiffs  Konterbande  ist  und,  obwohl 
erwiesenermaßen  schon  bei  der  Abreise  von  Hongkong  Wladiwostok 
das  Reiseziel  war,  das  Privatschiffsjournal  und  andere  Schiffspapiere 
einen  falschen  Bestimmungsort  angeben  und  das  Schiff  demnach  zur 
Beförderung  von  Konterbande  unter  Anwendung  betrügerischer  Mittel 
gedient  hat.  Wenn  man  zudem  die  Aussagen  des  Kapitäns,  daß  der 
Eigentümer  der  in  Frage  stehenden  Ladung  und  des  Schiffes  derselbe 
sei,  sowie  die  Tatsache,  daß  weder  aus  den  Schiffspapieren  noch  sonst 
ein  Anhalt  dafür  gegeben  ist,  daß  ein  von  dem  Reeder  verschiedener 
Eigentümer  vorhanden  ist,  vergleicht,  so  ist  anzunehmen,  daß  das  zur 
V^crhandlung  stehende  Schiff  und  die  Ladung  demselben  Eigentümer 
gehören. 

Da  schon  nach  dem  in  Punkt  1  und  2  Gesagten  die  Entscheidung 
der  ersten  Instanz  auf  Einziehung  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Schiffes  unfraglich  gerechtfertigt  ist,  so  liegt  keine  Notwendigkeit  vor, 
auf  die  Berufungspunkte  noch  besonders  einzeln  einzugehen. 

717 


Abschnitt  VI^^  Prisengerichtsentscheidungen:  .Sylviana'. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden : 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  26.  August  1905  im  Oberprisengericht. 
(Unterschriften.) 


Reklamant:  FurnessWithy&Co.  Ltd. ,  englische  j  uristische 
Person,  West  Hartlepool,  England,  County  Durham,  vertreten  durch 
P.  Gibson,  Kapitän  des  Dampfers  „Sylviana",  wohnhaft  in  Craigavad, 
Belfast,  Irland. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Akiyama  Genzo,  K^naga- 
waken.  Yokohama,  Yamashitacho  Nr.  75. 

In  der  Prisensach'e,  betreffend  die  Ladung  des  englischen  Dampfers 
„Sylviana",  wird,  wie  folgt,  entschieden: 

Urteilsformel: 
Die  auf  dem  Dampfer  „Sylviana"  verladenen  6534  Tons  Stein- 
kohlen werden  eingezogen. 

Tatbestand  und  Gründe: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  6534  Tons  Cambrische  Kohle  sind 
von  dem  Reklamanten,  der  Firma  Furness  Withy  &  Co.  Ltd.  in 
Barry,  England,  auf  dem  Dampfer  „Sylviana"  verschifft  worden,  um  sie 
nach  Wladiwostok  einzuführen.  Die  genannte  Firma  ist  Absender.  Die 
Ladung  wurde  mit  einem  auf  Order  lautenden  Konnossement  versandt. 

Am  14.  Dezember  1904  verließ  die  Ladung  Barry  und  wurde 
auf  der  Reise  nach  Wladiwostok  über  Sabang  und  Hongkong  am 
19.  Februar  1905  in  33  o  35  '  n.  Br.  und  128  M5  '  ö.  L.  mit  dem  genannten 
Schiff  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Nikko  Maru"  beschlagnahmt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Vertreters  des  Kommandanten  der  „Nikko  Maru",  Marineleutnants  Ni- 
kuta  Hitoshi,  die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns  der  „Syl- 
viana",  P.  Gibson,  des  ersten  Offiziers  John  Edwards,  des  ersten 
Maschinisten  E.  S.  Dixon  und  des  zweiten  Offiziers  D.  J.  Davis,  das 
Schiffszertifikat,  das  Tagebuch,  das  Privatschiffsjournal,  das  Konnosse- 
ment und  die  Ausklarierungsbescheinigung  des  Hafenamts  in  Hongkong. 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  des  Vertreters  der  Rekla- 
mation sind  folgende: 

Da  Wladiwostok  die  beiden  Eigenschaften  eines  Handelshafens 
und   eines  Kriegshafens  besitze,  so  könne  man  nicht  sogleich  unbedingt 

718 


Prisongerichteentscheidungen:  .Sylviana'.  Abschnitt  lfl99^ 

entscheiden,  daß  Kohle,  die  dorthin  befördert  werde,  für  den  Kriegs- 
gebrauch zu  Hefern  sei.  Vielmehr  gehe  aus  dem  Urteil  in  dem  „Nep- 
tunus"-Fall  hervor,  daß  es  billig  sei,  anzunehmen,  daß  die  Ladung  für 
friedlichen  Gebrauch  bestimmt  sei.  Daher  sei  die  zur  Verhandlung 
stehende  Kohle  keine  Konterbande. 

Selbst  wenn  man  annehme,  daß  die  zur  Verhandlung  stehende 
Kohle,  weil  sie  nach  einem  feindlichen  Platz  befördert  zu  werden  im 
Begriff  gewesen  sei,  feindlichen  Charakter  habe,  so  könne  sie  doch, 
weil  unter  neutraler  Flagge  fahrend,  nach  Artikel  2  der  Pariser  See- 
rechtsdeklaration vom  Jahre  1856  nicht  beschlagnahmt  werden. 

Daher  werde  die  Freigabe  der  zur  Verhandlung  stehenden  Ladung; 
beantragt. 

Die  Hauptpunkte  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  sind  folgende: 

Die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  sei  Kohle  zum  iMarine- 
gebrauch.  Ihr  Bestimmungsort  sei  der  russische  Kriegshafen  Wladi- 
wostok. Es  sei  daher  klar,  daß  sie  für  den  feindlichen  Kriegsgebrauch 
zu  liefernde  Konterbande  sei.    Daher  müsse  sie  eingezogen  werden. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Wenn  Grund  für  die  Annahme  vorliegt,  daß  Kohle,  die  nach 
einem  feindlichen  Hafen  befördert  wird,  für  den  Armee-  oder  Marine- 
gebrauch des  Feindes  geliefert  werden  soll,  so  erkennen  die  Bestimmungen 
und  die  Praxis  des  Völkerrechtes  an,  daß  sie  als  Konterbande  anzusehen 
und  einzuziehen  ist. 

Der  Bestimmungsort  der  zur  Verhandlung  stehenden  Ladung,. 
Wladiwostok,  ist  seinen  Verhältnissen  nach  grundverschieden  von  dem 
in  dem  „Neptun us"-Fall  vorkömmenden  Amsterdam.  Es  ist  Rußlands 
einziger  Kriegshafen  im  Osten  und  dient  zurzeit  als  Hauptstützpunkt 
für  seine  Flotte.  Von  gewöhnlichen  Handelsschiffen  ist  dort  zurzeit 
keine  Spur  mehr  zu  sehen. 

Wenn  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung,  welche  als  Kohle,, 
wie  sie  ausschließlich  für  den  Marinegebrauch  dient,  bezeichnet  werden 
muß,  nach  diesem  Platz  bestimmt  ist,  so  ist  es  zutreffend  anzunehmen,, 
daß  dieselbe  ausschließlich  zum  Kriegsgebrauch  geliefert  werden  sollte. 
Daher  ist  die  Ladung  Konterbande,  i) 

Da  somit  die  Behauptungen  des  Vertreters  der  Reklamation  un- 
begründet sind,  so  ist  die  Ladung  mit  Recht  einzuziehen.  2) 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  15.  Mai  1905  im  Prisengericht  zu  Sasebo,  im  Bei- 
sein des  Staatsanwalts  Mizukami  Chojiro. 

(Unterschriften.) 


1)  II.  Ziffer  2.  -  *)  V.  §  43. 

719 


Abschnitt  VI  39b  Prisengerichtsentscheldungen:  .Sylviana*. 

Reklamant:  Furneß  Withy  &  Co.  Ltd.,  England,  County 
Durham,  West  Hartlepool,  vertreten  durch  den  Kapitän  der  „Sylviana", 
P.  G  i  b  s  o  n  ,  England,  Belfast,  Craigavad. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Akiyama  Genzo,  Regie- 
rungsbezirk Kanagawa,  Yokohama,  Yamashitacho  Nr.  75. 

Am  15.  Mai  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der  Prisensache, 
betreffend  die  Ladung  des  englischen  Dampfers  „Sylviana'',  welcher  am 
19.  Februar  1905  auf  33  <>  35'  n.  Br.  und  128  0  25'  ö.  L.  von  dem 
Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Nikko  Maru"  aufgebracht  worden  ist,  ein  Ur- 
teil gefällt,  in  welchem  auf  Einziehung  der  auf  dem  Dampfer  „Sylviana" 
verschifften  6534  Tons  Steinkohlen  erkannt  worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  P.  G  i  b  s  o  n  als  Vertreter  des  Reklamanten, 
der  Firma  Furness  Withy  &  Co.  Ltd.,  durch  den  Rechtsanwalt 
Akiyama  Genzo  als  Prozeß  Vertreter  die  Berufung  eingelegt,  welche 
im  Beisein  der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku  und  Dr.  jur.  I s h  i - 
watari  Binichi  beim  Oberprisengericht  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Vertreters  der  Reklamation, 
Akiyama  Genzo,  und  deren  Begründung  sind  folgende: 

Es  sei  freilich  in  neuerer  Zeit  äußerst  bestritten,  ob  Kohle  Konter- 
bande sei.  In  der  japanischen  Seeprisenordnung 3)  sei  jedoch  als  Prinzip 
anerkannt,  daß  sie  nur  als  Konterbande  gelte,  wenn  sie  erwiesenermaßen 
zum  Kriegsgebrauch  des  Feindes  habe  geliefert  werden  sollen.  Aber 
wenn  man  selbst  annehme,  daß  dies  Prinzip  mit  den  Grundsätzen  des 
Völkerrechts  übereinstimme,  so  sei  doch  der  Bestimmungshafen  der  zur 
Verhandlung  stehenden  Ladung,  Wladiwostok,  nicht  nur  Rußlands  ein- 
ziger Kriegshafen,  sondern  auch  sein  einziger  Handelshafen  im  Osten. 
Da  an  diesem  Platz  alle  Arten  von  kaufmännischen  und  gewerblichen 
Unternehmungen  betrieben  würden  und  neutrale  Firmen  dort  Nieder- 
lassungen hätten,  so  könne  man  aus  der  Tatsache,  daß  Kohle,  welche 
nicht  absolute  Konterbande  sei,  dorthin  transportiert  werde,  nicht  ohne 
weiteres  schließen,  daß  diese  für  den  Gebrauch  der  Kriegsmacht  bestimmt 
sei.  Auch  nach  der  Präcedenzentscheidung,  betreffend  den  „Neptunus"- 
Fall  im  Kriege  zwischen  England  und  Holland  im  Jahre  1798,  sei  es  billig, 
daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung,  als  zur  Einfuhr  nach  dem 
Handelshafen  Wladiwostok  und  zu  friedlichem  Gebrauch  bestimmt,  an- 
gesehen werde. 

Bezüglich  der  Behandlung  relativer  Konterbande  auf  neutralem 
Schiff  weiche  zwar  das  englische  Prinzip  von  dem  kontinentalen  in  etwas 
ab,  aber  im  großen  und  ganzen  sei  ihr  Sinn  doch  derselbe.  Nach  der 
englischen  Praxis  würden  Güter,  welche,  weil  für  die  feindlichen  Kriegs- 
schiffe oder  Truppen  bestimmt,  als  Kriegskonterbande  anzusehen  seien, 
unter  Zahlung  einer  Vergütung  eingezogen.    Nach  dem  kontinentalen 

»)  V.  §  14. 

720 


Prisengerfchtsentscheidungen:  .Sylvfana'.  Abschnitt  VI'^^ 

Prinzip  sei;  wie  es  die  völkerrechtlichen  Kongresse  beschlossen  hätten, 
für  Güter,  welche  sowohl  friedlichen  als  auch  kriegerischen  Zwecken 
dienen  könnten,  wenn  sie  auf  der  Reise  nach  einem  feindlichen  Hafen 
begriffen  seien,  bestimmt,  daß  dem  kriegführenden  Staat  ihnen  gegen- 
über, unter  der  Bedingung  der  Vergütung,  das  Beschlagnahmerecht  und 
außerdem  das  Vorkaufsrecht  zustehe.  Während  so  die  moderne  Rechts- 
praxis mit  Bezug  auf  relative  Konterbande  eine  immer  weitherziger 
werdende  Tendenz  zeige,  sei  nur  Japan  unbillig  streng,  indem  es  im 
Gegensatz  zu  den  erwähnten  Rechtsprinzipien  und  Gewohnheiten  Kohle, 
die  sowohl  friedlichen  als  kriegerischen  Zwecken  diene,  wenn  sie  nach 
einem  Platz,  der  Handels-  und  Kriegshafen  sei,  bestimmt  wäre,  be- 
dingungslos einziehe.  Besonders  weil  die  japanische  Prisen  Ordnung  sich 
auf  den  englischen  Prinzipien  aufbaue,  sei  es  wünschenswert,  daß,  wo 
es  sich  um  neutrale  relative  Konterbande  handele,  eine  billigere  Haltung 
eingenommen  würde. 

Aus  diesen  Gründen  werde  Aufhebung  des  Urteils  erster  Instanz 
und  Freigabe  der  zur  Verhandlung  stehenden  Ladung  beantragt. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  der  Staatsanwälte  beim  Prisen- 
gerichl  zu  Sasebo,  Mizukami  Chojiro  und  Yamamoto  Tatsu- 
r  o  k  u  r  o ,  sind  folgende : 

Die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  sei  Cardiffkohle,  wie  sie 
vorzugsweise  für  Kriegsschiffe  geliefert  werde.  Ihr  Bestimmungsort, 
Wladiwostok,  sei  der  Hauptstützpunkt  der  feindlichen  Flotte  und  seit 
dem  Kriege  mit  Japan  hätten  die  gewöhnlichen  Handelsschiffe  ihren 
Verkehr  nach  dort  fast  ganz  eingestellt.  Es  sei  bekannt,  daß  Wladi- 
wostok ein  Handelshafen  nur  dem  Namen  nach,  tatsächlich  aber  seinen 
Verhältnissen  nach  ein  reiner  Kriegshafen  sei.  Es  sei  von  dem  in  dem 
„Neptun us"-Fall  in  Betracht  kommenden  Amsterdam  in  der  damaligen 
Zeit  so  verschieden,  daß  die  beiden  Häfen  nicht  auf  eine  Stufe  gestellt 
werden  könnten.  Danach  könne  jener  Fall  nicht  als  Präcedenz  für  den 
vorliegenden  angewandt  werden.  Das  Urteil  erster  Instanz  sei  ihm 
daher  mit  Recht  nicht  gefolgt  und  die  Berufung  sei  in  diesem  Punkte 
unbegründet. 

Daß  Kohle,  welche  für  feindliches  Gebiet  bestimmt  sei,  wenn  an- 
zunehmen sei,  daß  sie  für  den  feindlichen  Kriegsgebrauch  geliefert 
werden  solle,  als  Konterbande  angesehen  und  eingezogen  werden  müsse, 
sei  nicht  nur  von  der  Völkerrechtspraxis  anerkannt,  sondern  auch  in 
der  japanischen  Seeprisenordnung  klar  ausgesprochen.  Es  sei  daher 
zutreffend,  wenn  das  Gericht  erster  Instanz,  weil  es  diese  Tatsache 
angenommen  habe,  auf  Einziehung  der  zur  Verhandlung-  stehenden 
Ladung  erkenne.  Auch  sei  es  als  zutreffend  zu  bezeichnen,  wenn  das 
Prisengericht  den  Ausführungen  des  Reklamanten  bezüglich  Einziehung 

Mar 8 trän d - Meo h le nb u r g,  I>asiApani8ohe  Prisenrecht.  (46)  /<&! 


Abschnitt  VI  s^k  Prisengerichtsentscheidungen :  .Sylviana*. 

unter  Leistung  einer  Vergütung,  bedingter  Beschlagnahme  und  Vorkaufs 
nicht  gefolgt  sei,  denn  diese  seien  nur  vereinzelte  Staatenpraxis  be- 
ziehungsweise Oelehrtenansichten,  könnten  aber  nicht  als  Bestimmungen 
oder  Praxis  des  geltenden  Völkerrechts  anerkannt  werden. 

Daher  sei  die  Berufung  auch  in  diesem  Punkte  unbegründet. 

Da  demnach  das  Urteil  erster  Instanz,  wie  ausgeführt,  zutreffend 
und  die  Berufung  unbegründet  sei,  müsse  sie  abgewiesen  werden. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

1.  Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegs- 
hafen ist.  Seit  dem  Krieg  mit  Japan  hat  Rußland  es  zum  Stützpunkt 
für  seine  Kriegsflotte  und  Hauptetappenort  gemacht.  Es  hat  dort  in 
ausgedehntem  Maße  Waffen,  Lebensmittel,  Kohle  und  sonstige  Kriegs- 
bedarfsartikel aufgespeichert'.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr  nach 
dorthin  hat  fast  gänzlich  aufgehört.  Es  ist  daher  durchaus  begründet, 
wenn  das  Gericht  erster  Instanz  angenommen  hat,  daß  die  nach  diesem 
Orte  bestimmten  Steinkohlen  für  den  russischen  Kriegsgebrauch  geHefert 
werden  sollten  und  daher  Kriegskonterbande  seien.  Dies  um  so  mehr, 
als  die  Kohlenladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfers  aus- 
gewählte Cardiffkohle  ist  und  die  Preise  für  solche  im  Osten  so  hoch 
sind,  daß  außer  für  den  Gebrauch  auf  Kriegsschiffen  zur  Kriegszeit 
keine  Nachfrage  dafür  vorhanden  und  es  somit  unzweifelhaft  ist,  daß  die 
Kohle  für  den  russischen  Kriegsgebrauch  geliefert  werden  sollte. 

Der  Reklamant  sagt,  es  müsse  nach  Art  der  Präcedenzentscheidung, 
betreffend  die  „Neptun us"  auch  in  diesem  Falle  angenommen  werden, 
daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  für  friedliche  Zwecke  bestimmt 
gewesen  sei.  Aber  die  Ladung  im  „Neptunus"-Fall  und  die  des  vor- 
liegenden Falls  sind  ihrer  Art  nach  von  Grund  verschieden,  und  auch 
die  Verhältnisse  der  Bestimmungsorte  sind  ganz  andere.  Es  ist  daher 
unfraglich,  daß  jener  Fall  nicht  als  Präcedenz  auf  den  vorliegenden 
angewandt  werden  kann. 

2.  Das  Völkerrecht  erkennt  als  Prinzip  an,  daß  Konterbande 
schlechthin  konfisziert  werden  kann.  Wünsche  bezüglich  Vorkaufs,  Ein- 
ziehung gegen  Entgelt  oder  Beschlagnahme  unter  der  Bedingung  der 
Entschädigung,  wie  sie  der  Reklamant  äußert,  sind  nur  verwirklicht, 
wo  besondere  vertragliche  Abmachungen  vorliegen.  Im  übrigen  finden 
sich  diese  Erscheinungen  in  Praxis  und  Theorie  nur  vereinzelt.  Keinen- 
falls  können  sie  jedoch  als  völkerrechtliche  Regel  anerkannt  werden. 
Man  kann  daher  nicht  sagen,  daß  das  Urteil  erster  Instanz  es  in  etwas 
versehen  habe,  wenn  es  diesem  Ansuchen  des  Reklamanten  nicht  Folge 
leistete. 

Demnach  ist  die  Berufung  in  allen  Punkten  unbegründet. 

722 


Prisengerichteentschef düngen:  „Powderham".  Abschnitt  Vl^oa 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  26.  August  1905.    Im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Powderham  Steamship  Company,  Ltd.,  England, 
Plymouth,  Southside  Street,  vertreten  durch  Joseph  Arthur  Bel- 
la my. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Akiyama  Genzo,  Regie- 
rungsbezirk Kanagawa,  Yokohama,  Yamashitacho  Nr.  75. 

In  der  Prisensache,  betreffend  den  englischen  Dampfer  „Powder- 
ham" wird,  wie  folgt,  entschieden: 

Urteilsformel: 
Der  Dampfer  „Powderham''  wird  eingezogen. 

Tatbestand  und  Gründe: 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „Powderham"  steht  im 
Eigentum  der  Powderham  Steamship  Company  Ltd.  in  Plymouth,  Eng- 
land. Er  führt  die  englische  Flagge  und  ist  ein  Handelsschiff,  das  zum 
Gütertransport  dient. 

Der  Kapitän  Alfred  B.  Toms  lud  Anfang  November  1904  auf 
Order  des  Prokuristen  der  Reederei,  Joseph  A.  Bellamy  in  Cardiff, 
England,  4000  Tons  Steinkohlen  und  verließ  diesen  Hafen  am  12.  d.  M. 
mit  Bestimmung  für  Wladiwostok.  Am  3.  Januar  traf  er  in  Hongkong 
ein,  fragte  bei  dem  Reeder  an,  ob  er  nach  Wlodiwostok  fahren  solle, 
und  erhielt  Order,  dorthin  zu  fahren.  Am  11.  d.  M.  verließ  er  Hongkong, 
lief  Shanghai  an  und  wurde  auf  der  Fahrt  nach  Wladiwostok  am  19.  Fe- 
bruar, 11.50  Uhr  abends  auf  34«  41'  n.  Br.  und  129»  3'  ö.  L.,  weil 
er  Konterbande  führe,  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Nikko  Maru" 
aufgebracht.    Ein  Konnossement  ist  nicht  ausgestellt  worden. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Stellvertreters  des  Kommandanten  der  „Nikko  Maru",  Marineunterleut- 
nants MurakamiToru,  die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns  der 
„Powderham",  Alfred  B.  Toms,  des  ersten  Offiziers  Ernest  Howe 
und  des  Obermaschinisten  David  Milne,  durch  das  Schiffszertifikat, 
das  Privatschiffsjournal  und  ein  Telegramm  von  Joseph  Bellamy 
an  den  Kapitän. 

Die  Hauptpunkte  des  Vertreters  der  Reklamation  sind  folgende: 

(46*)  723 


Abschnitt  VI*««  Prisengerichtsentscherdungen:  „Powderham". 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  sei  Eigentum  des  Rekla- 
manten und  sei  im  November  lQ04an  die  Firma  PymanWatsonLtd. 
in  London  zum  Kohlentransport  von  Cardiff,  England,  nach  Hongkong, 
Shanghai  und  Kiautschou  verchartert  worden:  Der  Charterer  habe  indes 
die  Kohle  von  Hongkong  aus  nach  dem  in  dem  Chartervertrag  nicht 
genannten  Wladiwostok  beordert. 

Die  Ladung  sei  keine  absolute  Konterbande  und,  wenn  man  auch 
annehmen  wolle,  daß  der  Reeder  um  die  Bestimmung  derselben  nach 
Wladiwostok  gewußt  habe,  so  habe  er  doch  an  dem  Transport  von 
Konterbande  keinen  Anteil  und  könne  nicht  dafür  bestraft  werden.  Viel 
weniger  daher  noch,  wo  er  von  der  Reise  des  Schiffes  nach  einem  in 
dem  Chartervertrag  nicht  genannten  Platz  keine  Kenntnis  gehabt  habe. 

Selbst  wenn  die  Ladung  als  Konterbande  angesehen  werde,  so  stehe 
sie  doch  nicht  im  Eigentum  des  Reklamanten  und  daher  könne  das  Schiff 
nicht  zusammen  mit  der  Ladung  eingezogen  werden. 

Es  werde  daher  Freigabe  desselben  beantragt. 

Die  Hauptpunkte  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  sind  folgende: 

Die  auf  dem  zur  Verhandlung  stehenden  Schiff  verladene  Stein- 
kohle sei  nach  dem  russischen  Kriegshafen  Wladiwostok  bestimmt  und 
sei,  da  es  somit  offenbar  sei,  daß  sie  zum  feindlichen  Kriegsgebrauch 
habe  geliefert  werden  sollen,  Konterbande. 

Da  ferner  angenommen  werden  könne,  daß  die  Kohle  im  Eigentum 
des  Reeders  stehe,  so  sei  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  ein- 
zuziehen. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Die  Bestimmungen  und  die  Praxis  des  Völkerrechts  stehen  auf  dem 
Standpunkt,  daß  ein  Schiff,  welches  Konterbande  führt,  im  Falle  daß 
sein  Eigentümer  und  Eigentümer  der  Konterbande  dieselbe  Person  ist, 
eingezogen  werden  muß.i) 

Die  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  besteht  aus 
Cardiffkohle,  wie  sie  zurzeit  vorzugsweise  auf  den  Kriegsschiffen  ver- 
wandt wird.  Ihr  Bestimmungsort  ist  Wladiwostok,  der  Hauptstützpunkt 
der  russischen  Flotte.  Danach  ist  es  unzweifelhaft,  daß  die  Kohle 
für  den  feindlichen  Kriegsgebrauch  zu  liefern  war  und  daher  Konterbande 
ist.  2)  Wenn  man  weiter  überlegt,  daß  ein  Chartervertrag  und  Konnosse- 
ment auf  dem  Schiff  nicht  vorhanden  war,  daß  der  Kapitän  die  Kohle  auf 
Anordnung  der  Reederei  in  Cardiff  geladen  hat,  und  von  Hongkong 
nach  Empfang  einer  Order  des  Reeders  nach  Wladiwostok  abgereist  ist, 
sowie  daß  der  Reeder  den  Kohlenhandel  nicht  zum  Gewerbe  hat,  so  kann 
nicht  bezweifelt  werden,  daß  die  Kohle  im  Eigentum  des  Reeders  steht. 

Der  Vertreter  der  Reklamation  macht  freilich  geltend,  daß  das  zur 
Verhandlung  stehende  Schiff  von  der  Firma  Pyman,  Watson  &Co. 

')  V.  §  43,2.  —  2)  II.  Ziffer  2. 

724 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Powderham''.  Abschnitt  VI^* 

gechartert  worden  sei  und  daß  die  Kohle  diesem  Charterer  gehöre.  Da 
er  aber  für  diese  Behauptung  keinerlei  Beweis  erbracht  hat,  so  kann 
sie  nicht  anerkannt  werden. 

Zwar  führt  der  Vertreter  der  Reklamation  aus:  das  Vernehmungs- 
protokoll des  Kapitäns  besage  freilich,  daß  derselbe  dem  mit  dem  Falle 
beauftragten  Rat  gegenüber  ausgesagt  habe,  er  habe  die  Kohle  auf  An- 
ordnung des  Prokuristen,  der  die  Reederei  in  Cardiff  vertrete,  geladen. 
Dies  sei  aber  eine  falsche  Übersetzung  durch  den  Dolmetscher.  Der 
Kapitän  habe  bei  der  Vernehmung  ausgesagt,  daß  er  die  Kohle  im  Auf- 
trage des  Charterers  geladen  habe.  Da  es  aber  so  der  Charterer  gewesen 
sei,  der  die  Kohle  habe  laden  lassen,  so  sei  der  Reeder  daran  nicht  im 
geringsten  beteiligt. 

Die  Aussage  des  Kapitäns  bei  der  Vernehmung  ist  aber  sehr  un- 
bestimmt gewesen,  so  daß  sie  nicht  als  glaubwürdig  angesehen  werden 
und  der  Aussage  des  Vertreters  der  Reklamation  nicht  beigepflichtet 
werden   kann. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  11.  Juni  1905  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Beisein 
des  Staatsanwalts  Mizukami  Chojiro. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Die  Powderham  Steamship  Company  Ltd.,  Ply- 
mouth,  Sotth  Side  Street  Nr.  23. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Akiyama  Genzo,  Regie- 
rungsbezirk Kanagawa,  Yokohama,  Yamashitacho  Nr.  75. 

Am  11.  Juni  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der  Prisen- 
sache, betreffend  den  englischen  Dampfer  „Powderham",  welcher  am 
19.  Februar  1905  auf  34«  41  '  n.  Br.  und  129«  3'  ö.  L.  von  dem  Kaiser- 
lichen Kriegsschiff  „Nikko  Maru"  aufgebracht  worden  ist,  ein  Urteil  ge- 
fällt, in  welchem  auf  Einziehung  des  Dampfers  „Powderham''  erkannt 
worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  der  Reklamant,  die  Powderham  Steamship 
Company  Ltd.,  durch  den  Rechtsanwalt  Akiyama  Genzo  als  Prozeß- 
vertreter die  Berufung  eingelegt,  welche  im  Beisein  der  Staatsanwälte 
Tsutsuki  Keiroku  und  Dr.  jur.  Ishiwatari  Binichi  beim  Ober- 
prisengericht geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Vertreters  der  Reklamation, 
AkiyamaGenzo,  sind  folgende : 

725 


Abschnitt  Vl^oa  Prisengerichtsentscheidungen:  »Powderham*. 

Das  von  dem  Prisengericht  in  Sasebo  am  11.  Juni  1905  erlassene 
Urteil  auf  Einziehung  des  Dampfers  „Powderham"  sei  unzutreffend, 
es  werde  Aufhebung  desselben  und  Freigabe  des  Dampfers  „Powderham" 
beantragt,    und  zwar  aus  folgenden  Gründen: 

1.  Der  Eigentümer  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  sei  ver- 
schieden von  dem  der  Ladung  und  er  habe  sich  keiner  betrügerischen 
Handlung  schuldig  gemacht.  Das  Gericht  erster  Instanz  habe  indessen 
unzutreffenderweise  entschieden,  daß  das  Schiff  und  die  Ladung  im 
selben  Eigentum  stünden  und  daß  die  Ladung  unter  Anwendung  be- 
trügerischer Mittel  verschifft  und  befördert  worden  sei. 

2.  Die  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  stehe  nicht 
im  Eigentum  des  Reeders  und  Reklamanten,  sondern  im  Eigentum  von 
Pyman  Watson  Ltd.  Dies  lasse  sich  aus  der  Aussage  des  Kapitäns 
entnehmen,  in  welcher  es  heiße: 

er  wisse  nicht,  wer  der  Eigentümer  der  Ladung  sei  ....  er 
glaube,  daß  die  Kohle  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs 
nicht  dem  Reeder  gehöre,  wisse  aber  nicht,  an  wen  sie  ver- 
kauft sei.     Er  selber  glaube,   daß   sie  der   Firma   Pyman 
Watson  gehöre. 
Das  Gericht  erster  Instanz  schließe  indes  daraus,  daß  der  Kapitän  die 
Kohle  auf  Anordnung  des  den  Reeder  in  Cardiff  vertretenden  Prokuristen 
verladen  habe;  daß  dieselbe  von  Hongkong  auf  Order  des  Reeders  nach 
Wladiwostok  abgegangen  sei;  daß  auf  dem  Schiff  kein  Chartervertrag 
und  kein  Konnossement  vorhanden  gewesen  sei;  und  daß  der  Reeder 
als  Gewerbe  den  Kohlenhandel  betreibe,  daß  die  Ladung  des  zur  Ver- 
handlung stehenden   Schiffes  im   Eigentum   des   Reeders  stehe.     Dies 
sei   eine  Entscheidung,  die  sich  auf  falscher  Auffassung  der« Tatsachen 
gründe. 

Der  Kapitän  habe  im  Gerichtshof  der  ersten  Instanz  das  Protokoll 
über  seine  Vernehmung  dahin  verbessert,  daß  der  Passus,  daß  die  Ladung 
im  Auftrage  des  den  Reeder  vertretenden  Prokuristen  verladen  worden 
sei,  auf  einem  Irrtum  des  Dolmetschers  beruhe  und  daß  er  ganz  klar 
gesagt  habe,  daß  die  Kohle  im  Auftrage  des  Charterers  geladen  worden 
sei.  Das  Gericht  erster  Instanz  sage  dazu,  daß  diese  Aussage  nicht 
klar  und  glaubwürdig  sei  und  daher  nicht  anerkannt  werden  könne. 
Aber  selbst  einmal  angenommen,  daß  der  Kapitän  wirklich  so  ausgesagt 
habe,  wie  es  in  dem  Protokoll  stehe,  so  berechtige  das  hoch  keineswegs 
zu  der  Annahme,  daß  der  Reeder  der  Eigentümer  der  Kohle  sei.  Denn 
auch  wenn  der  Reeder  den  Kohlen transport  für  Pyman  Watson 
übernommen  habe,  würde  es  für  den  Reeder  das  ganz  gewöhnliche 
Verfahren  sein,  wenn  er  dem  Kapitän  Order  gebe,  die  Kohle  in  seinem 
Schiffe  zu  verladen. 

726 


Prisengeiichtsentscheidungen:  .Powderham'.  Abschnitt  Vl^oa 

Wenn  ferner  der  Reeder  dem  Kapitän  in  Hongkong  Order  gegeben 
habe,  nach  Wladiwostok  weiterzufahren,  so  sei  das  nur  eine  Ausübung 
seines  Rechts,  dem  Kapitän  Befehle  zu  erteilen,  und  könne  nicht  als 
Unterlage  für  die  Entscheidung  dienen,  daß  die  Ladung  im  Eigentum 
des  Reeders  stehe. 

Was  die  Tatsache  angehe,  daß  kein  Chartervertrag  und  kein  Kon- 
nossement auf  dem  zur  Verhandlung  stehenden  Schiff  vorhanden  gewesen 
sei,  so  sei  der  Grund  dafür  der,  daß  der  Kapitän,  welcher  alle  diese 
Papiere  bis  zur  Ankunft  in  Hongkong  mitgehabt  habe,  dieselben,  als  er 
die  Order  bekommen  habe,  nach  Wladiwostok  zu  gehen,  alle  weggeworfen 
habe,  da  er  der  Ansicht  gewesen  sei,  daß  ein  Bedürfnis  für  diese  auf 
Hongkong  ausgestellten  Papiere  nicht  mehr  vorliege.  Wenn  man  dieses 
Vorgehen  vielleicht  auch  nicht  als  geringfügig  ansehen  werde,  so  könne 
man  doch  nicht  annehmen,  daß  es  vorsätzlich  mit  Rücksicht  auf  eine 
Aufbringung  geschehen  sei,  um  durch  Zerstörung  oder  Verheimlichung 
der  Papiere  Beweismaterial  zu  vernichten.  Denn  ob  das  Schiff,  welches 
nach  Wladiwostok  gegangen  sei,  die  auf  Hongkong  als  Bestimmungsort 
lautenden  Papiere  an  Bord  geführt,  oder  ob  es  keins  von  ihnen  bei  sich 
gehabt  hätte,  jeder  von  diesen  Fällen  würde  in  gleicher  Weise  ein  Ver- 
dachtsgrund für  die  Beschlagnahme  geworden  sein.  Wenn  die  Papiere 
daher  auch  weggeworfen  worden  seien,  so  habe  das  Schiff  doch  dadurch 
nicht  der  Aufbringung  entgehen  können,  so  daß  ein  derartiger  Vorsatz 
ihrer  Vernichtung  nicht  zugrunde  gelegen  habe. 

Wenn  des  weiteren  von  dem  Gericht  erster  Instanz  vorgebracht 
werde,  daß  der  Reeder  den  Kohlenhandel  als  Gewerbe  betreibe,  und  daß 
die  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  Ware  sei,  wie  er 
sie  verkaufe,  so  betreibe  er  doch  eigentlich  ein  Seetransportgeschäft 
und  es  sei  sein  Gewerbe,  Gütertransporte  für  andere  zu  übernehmen. 
Wenn  er  daneben  auch  gelegentlich  Kohlengeschäfte  mache,  so  sei  doch 
die  Entscheiciung,  welche  daraufhin  die  Ladung  des  zur  Verhandlung 
stehenden  Schiffs  als  im  Eigentum  des  Reeders  stehend  betrachte,  mit 
dem  Sachverhalt  im  Widerspruch. 

3.   Das  Gericht  erster  Instanz  behaupte, 

die  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  3)  sei 
Cardiff-Kohle,  wie  sie  zurzeit  vorzugsweise  auf  Kriegs- 
schiffen zur  Verwendung  komme.  Ihr  Bestimmungsort, 
Wladiwostok,  sei  Rußlands  Hauptflottenstützpunkt.  Weil  es 
daher  außer  Zweifel  stehe,  daß  die  Kohle  für  den  feindlichen 
Kriegsgebrauch  habe  geliefert  werden  sollen,  sei  sie  Konter- 
bande. 
Da  aber  Wladiwostok  Rußlands  einziger  Handelshafen  im  Osten  sei, 


')  Diese  Stelle  ist  fälschlich   zitiert  aus  dem  Urteil  über  die  Ladung  des  zur 
Verhandlung  stehenden  Schiffs.    (VI.  40b.) 

727 


Abschnitt  Vl^oa  Prisengerichtsentscheidungen:  .Powderham*. 

so  sei  es  unzutreffend,  wenn  Kohle  dorthin  befördert  werde,  lediglich 
daraufhin,  daß  es  Kriegshafen  sei,  zu  entscheiden,  daß  sie  Kriegsbedarf 
sei.  Es  sei  bekannt,  daß  in  unserer  Zeit  Cardiff-Kohle  nicht  ausschließ- 
lich für  die  Marine  zur  Verwendung  komme,  vielmehr  ganz'allgemein  im 
Industriebetrieb  und  auch  zu  sonstigem  Gebrauch  verwandt  werde. 

Daher  müsse  besonders  in  einem  Falle,  wo  eine  solche  zu  fried- 
lichem und  kriegerischem  Gebrauch  verwendbare  Ladung  Kohle  nach 
einem  Hafen  versandt  werde,  der  wie  Wladiwostok  die  Eigenschaft  eines 
Handelshafens  und  eines  Kriegshafens  in  sich  vereinige,  angenommen 
werden,  daß  es  der  Praxis  des  Völkerrechts  entspreche,  wenn  man  das 
in  anderen  Fällen  schon  häufig  angezogene  Urteil  des  „Neptunus"-Falles 
aus  dem  Jahre  1798  zugrunde  lege  und  annehme,  daß  die  Ladung  des 
zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  nach  dem  Handelshafen  Wladi- 
wostok habe  befördert  und  zu  friedlichem  Gebrauch  geliefert  werden 
sollen. 

Kurz,  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  habe  keine  Konterbande 
geladen  und  könne,  da  die  Ladung  überdies  nicht  dem  Reeder  gehöre, 
nicht  eingezogen  werden. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  der  Staatsanwälte  beim  Prisen- 
gericht zu  Sasebo,  Mizukami  Chojiro  und  Yamamoto  Tatsu- 
r  o  k  u  r  o ,  sind  folgende : 

1.  Wenn  man  die  Aussage  des  Kapitäns  bei  seiner  Vernehmung 
durch  den  mit  dem  Fall  byeauftragten  Rat  des  Prisengerichts  erster  In- 
stanz und  die  Tatsache,  daß  der  Reeder  Kohlenhandel  betreibe,  zu- 
sammenhalte, so  müsse  man  zu  dem  Schtuß  kommen,  daß  die  Ladung 
des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  dem  Reeder  gehöre. 

Der  Reklamant  habe  freilich  bei  der  mündlichen  Verhandlung  über 
diesen  Punkt  ausgesagt,  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  sei  von 
PymanWatsonLtd.  gechartert  und  die  Kohle  gehöre  dem  Charterer. 
Da  aber  an  Bord  des  Schiffes  ein  Chartervertrag  und  ein  Konnossement 
nicht  vorhanden  gewesen  seien  und  auch  sonst  keinerlei  Beweis  zur 
Bekräftigung  der  Behauptung  des  Reklamanten  vorliege,  so  sei  es  zu- 
treffend, wenn  das  Gericht  erster  Instanz  diesen  Behauptungen  keine 
Anerkennung  geschenkt  und  angenommen  habe,  daß  Schiff  und  I^dung 
demselben  Eigentümer  gehörten. 

2.  Das  Gericht  erster  Instanz  habe  in  dieser  Sache  nicht  die  An- 
nahme gestellt,  daß  die  Ladung  unter  Anwendung  von  betrügerischen 
Mitteln  verladen  und  versandt  worden  sei.  Dies  sei  ein  gänzliches  Miß- 
verständnis des  Reklamanten.  Daher  sei  eine  Erwiderung  hierauf  nicht 
erforderlich. 

Aus  diesen  Gründen  werde  Verwerfung  der  Berufung  beantragt 
Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet ; 

728 


Priseiigerichtsentscheidungen:  .Powderham'.  Abschnitt  Vl^oa. 

1.  Es  ist  bekannt;  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegs- 
hafen ist.  Seit  dem  Krieg  mit  Japan  hat  Rußland  es  zum  Stutzpunkt 
für  seine  Kriegsfoltte  und  Hauptetappenort  gemacht.  Es  hat  dort  In  aus- 
gedehntem Maße  Waffen,  Lebensmittel,  Kohle  und  sonstige  Kriegs- 
bedarfsartikel aufgespeichert.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr  nach 
dorthin  hat  fast  ganz  aufgehört.  Es  ist  daher  durchaus  begründet,  wenn 
das  Gericht  erster  Instanz  angenommen  hat,  daß  die  nach  diesem  Hafen 
bestimmten  Steinkohlen  für  den  russischen  Kriegsgebrauch  geliefert 
werden  sollten  und  daher  Kriegskonterbande  seien.  Dies  um  so  mehr, 
als  die  Kohlenladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfers  aus- 
gewählte Cardiff-Kohle  ist  und  die  Preise  für  solche  im  Osten  so  außer- 
ordentlich hoch  sind,  daß  außer  für  den  Gebrauch  auf  Kriegsschiffen 
zur  Kriegszeit  keine  Nachfrage  dafür  vorhanden  und  es  somit  unzweifel- 
haft ist,  daß  die  Kohle  für  den  russischen  Kriegsgebrauch  geliefert  werden 
sollte. 

Der  Reklamant  sagt,  es  müsse  nach  Art  der  Präcedenzentscheidung, 
betreffend  den  „Neptun us"  auch  in  diesem  Falle  angenommen  werden, 
daß  die  hier  in  Frage  stehende  Ladung  für  friedliche  Zwecke  bestimmt 
gewesen  sei.  Aber  die  Ladung  im  „Neptunus''-Fall  und  die  des  vor- 
liegenden Falls  sind  ihrer  Art  nach  von  Grund  aus  verschieden,  und 
auch  die  Verhältnisse  der  Bestimmungsorte  sind  ganz  andere.  Es  ist  daher 
unfraglich,  daß  jener  Fall  nicht  als  Präcedenz  auf  den  vorliegenden  an- 
gewandt werden  kann. 

2.  Das  Völkerrecht  erkennt  an,  daß  Schiffe  wie  das  zur  Verhand- 
Inug  stehende,  deren  Reisezweck  der  Transport  von  Konterbande  ist,  ein- 
gezogen werden  können.  Das  Oberprisengericht  ist  der  Ansicht,  daß  dies- 
den  Verhältnissen  gerecht  wird,  besonders  im  vorliegenden  Falle,  wo  die 
ganze  Ladung  des  Schiffes  Konterbande  ist. 

Da  schon  nach  dem  in  den.  Punkten  1  und  2  Gesagten  die  Ent- 
scheidung der  ersten  Instanz  auf  Einziehung  des  Schiffes  anfraglich  ge- 
rechtfertigt ist,  so  liegt  keine  Notwendigkeit  vor,  auf  die  einzelnen  Punkte 
der  Berufung  noch  besonders  einzugehen. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden : 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  5.  September  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Pyman,  Watson  &  Co.  Ltd.,  England,  Wales,. 
Cardiff,  vertreten  durch  den  Kapitän  des  Dampfers  „Powderham",  Al- 
fred B.  Toms  aus  Liverpool. 

729 


Abschnitt  VI*««»  Prisengerichtsentscheidungen:  .Powderham'. 

ProzeBvertreter:  Die  Rechtsanwälte  Akiyama  Genz.o  und 
Nishi  Noshun,  Regierungsbezirk  Kanagawa,  Yokohama,  Yamashi- 
tacho  Nr.  75. 

In  der  Prisensache,  betreffend  die  Ladung  des  englischen  Dampfers 
„Powderham''  wird,  wie  folgt,  entschieden : 

Urteilsformel: 
Die  Reklamation  wird  abgewiesen. 

Die  auf  dem  Dampfer  „Powderham"  verschifften  4000  Tons  Stein- 
kohlen werden  eingezogen. 

Tatbestand  und  Gründe: 

Die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  von  4000  Tons  Cardiff- 
kohle  ist  in  Cardiff  auf  dem  Dampfer  „Powderham"  verschifft  worden 
und  am  12.  November  1904  von  dort  nach  Wladiwostok  abgesandt 
worden.  Am  19.  Februar  1905,  abends  11  Uhr  50  Minuten  wurde  sie 
auf  der  See  in  34«  41'  n.  Br.  und  129^  3'  ö.L.,  als  die  „Powderham", 
weil  sie  Konterbande  führe,  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Nikko 
Maru''  aufgebracht  wurde,  mit  dieser  zusammen  beschlagnahmt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Stellvertreters  des  Kommandanten  der  „Nikko  Maru",  Marineunter- 
leutnants Murakami  Toru,  die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapi- 
täns der  „Powderham'',  A 1  f  r  e  d  B.  T  o  m  s ,  des  ersten  Offiziers  E  r  n  e  s  t 
Howe,  des  Obermaschinisten  David  Mi  Ine,  durch  das  Schiffs- 
zertifikat, das  Privatschiffsjournal  und  ein  Telegramm  von  Joseph 
A.  B  e  1 1  a  m  y  an  den  Kapitän. 

Die  Hauptpunkte  der  Vertreter  der  Reklamation  sind  folgende: 

Der  Reklamant  habe  im  November  1904  den  Dampfer  „Pow- 
derham''  gechartert  und  die  zur  Verhandlung  stehende,  ihm  gehörige 
Ladung  darauf  verschifft.  Am  12.  d.  M.  sei  dieselbe  von  Cardiff  in  Eng- 
land abgesandt  worden,  um  nach  Wladiwostok  in  Rußland  befördert 
zu  werden. 

Kohle  sei  ihrer  Art  nach  keine  natürliche  Konterbande,  und  ledig- 
lich daraus,  daß  sie  nach  einem'  Hafen  einer  kriegführenden  Macht  be- 
stimmt sei,  könne  nicht  abgeleitet  werden,  daß  sie  zum  Kriegsgebrauch 
dienen  solle.  Da  Wladiwostok  die  doppelte  Eigenschaft  eines  Handels- 
und eines  Kriegshafens  habe,  so  könne  nicht  ohne  weiteres  angenommen 
werden,  daß  die  dorthin  bestimmte  Kohle  zum  Kriegsgebrauch  verwandt 
werden  solle.  Vielmehr  tue  die  Entscheidung  des  „Neptun us" -Falls  dar, 
daß  es  billig  sei,  anzunehmen,  daß  sie  zu  friedlichem  Zweck  habe  ge- 
liefert werden  sollen. 

Daher  werde  Freigabe  der  zur  Verhandlung  stehenden  Ladung 
beantragt. 

730 


I 
Prisengerichtsent^cheidungen:  .Powderham'.  Abschnitt  VI^^'^ 

Die  Hauptpunkte  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  sind  folgende: 

Die  zur  Verhandlung  stehende  Kohle  sei  nach  Wladiwostok,  dem 
Hauptflottenstützpunkt  Rußlands,  bestimmt  gewesen.  Sie  sei  daher, 
weil  es  offenbar  sei,  daß  sie  zum  feindlichen  Kriegsgebrauch  habe  dienen 
rsollen,  Konterbande.    Deshalb  sei  sie  einzuziehen. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Der  Vertreter  der  Reklamation  behauptet,  daß  der  Reklamant  der 
Eigentümer  der  zur  Verhandlung  stehenden  Ladung  sei  und  die  „Pow- 
•derham"  gechartert  habe.  Da  er  aber  dafür  keinerlei  Beweis  erbracht 
hat,  so  kann  diese  Behauptung  nicht  anerkannt  werden.  Dagegen  ist 
kein  Chartervertrag  und  kein  Konnossement  auf  dem  Schiff  vorhanden 
gewesen;  in  Cardiff  hat  der  Kapitän  die  zur  Verhandlung  stehende 
Ladung  auf  Anordnung  des  den  Reeder  in  Cardiff  vertretenden  Proku- 
risten verladen;  dieselbe  ist  auch  von  Hongkong  auf  Order  desselben 
nach  Wladiwostok  abgegangen;  und  endlich  betreibt  der  Reeder  als 
Gewerbe  den  Kohlenhandel.  Wenn  man  aber  dies  erwägt,  so  scheint 
es  gerechtfertigt,  anzunehmen,  daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Kohle 
im  Eigentum  des  Reeders  steht. 

Demnach  ist  das  rechtliche  Interesse  des  Reklamanten  an  der  zur 
Verhandlung  stehenden  Ladung  als  nicht  erwiesen  zu  erachten,  und  die 
Reklamation  ist  abzuweisen,  i) 

Die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  ist  Cardiff  kohle,  wie  sie 
zurzeit  vorzugsweise  auf  Kriegsschiffen  zur  Verwendung  kommt.  Ihr 
Bestimmungsort  ist  Wladiwostok,  Rußlands  Hauptflottenstützpunkt.  Von 
gewöhnlichen  Handelsschiffen  ist  dort  zurzeit  fast  nichts  mehr  zu  sehen, 
so  daß  man  annehmen  kann,  daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung 
nach  Ankunft  in  Wladiwostok  gänzlich  zum  Gebrauch  bei  der  Marine 
gedient  haben  würde.  Sie  ist  daher  Konterbande-)  und  muß  nach  den 
völkerrechtlichen  Grundsätzen  mit  Recht  eingezogen  werden.  ^) 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  IL  Juni  1905  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im  Beisein 
des  Staatsanwalts  Mizukami  Chojiro. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Pyman  Watson  Ltd.,  England,  Wales,  Cardiff, 
vertreten  durch  Alfred  B.  Toms  aus  Liverpool,  England. 

ProzeBvertreter:  Die  Rechtsanwälte  Akiyama  Genzo  und 
NishiKoshun,  Regierungsbezirk  Kanagawa,  Yokohama,  Yamashitacho 
Nr.  75. 


*)  IV.  §  16,2.  -  '')  II.  Ziffer  2.  -  •)  V.  §  43. 

731 


Abschnitt  VI^^^^  Prisengerichtsentscheidungen:  „Powderiiam^'. 

Am  11.  Juni  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der  Prisen- 
sache, betreffend  die  Ladung  des  englischen  Dampfers  „Powderham", 
welcher  am  19.  Februar  1905  auf  34°  41'  n.  Br.  und  129  o  3'  ö.  L. 
von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Nikko  Maru''  aufgebracht  worden  ist^ 
ein  Urteil  gefällt,  in  welchem  auf  Abweisung  der  Reklamation  und  Ein- 
ziehung der  auf  dem  Dampfer  „Powderham''  verschifften  4000  Tons 
Steinkohlen  erkannt  worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  Alfred  B.  Toms  als  Vertreter  des  Re- 
klamanten, der  Firma  Pyman  Watson  Ltd.,  durch  die  Rechtsanwälte 
Akiyama  Genzo  und  Nishi  Koshun  als  Prozeßvertreter  die  Be- 
rufung eingelegt,  welche  im  Beisein  der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Kei- 
roku  und  Dr.  jur  Ishiwatari  Binichi  beim  Oberprisengericht  ge- 
prüft worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  der  Vertreter  der  Reklamation,  A  k  i  - 
yamaGenzo  und  Nishi  Koshun,  sind  folgende : 

Das  von  dem  Prisengericht  zu  Sasebo  am  11.  Juni  1905  gefällte 
Urteil  auf  Abweisung  der  Reklamation  und  Einziehung  der  auf  dem 
Dampfer  „Powderham''  verschifften  4000  Tons  Steinkohlen  sei  unzu- 
treffend.   Es  werde  daher  Aufhebung  desselben  und  Freigabe  der  ge- 
nannten Ladung  beantragt,  und  zwar  aus  folgenden  Gründen: 

1.  Die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  sei  nicht  Eigentum  des. 
Reeders  und  auch  keine  Kriegskonterbande.  Es  sei  unzutreffend,  wena 
das  Gericht  erster  Instanz  angenommen  habe,  daß  sie  dem  Reeder  gehöre- 
und  Konterbande  sei. 

2.  Das  Gericht  erster  Instanz  stelle  die  Tatsachen  nebeneinander^ 
daß 

die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  nicht  im  Eigentum  des 
Reklamanten,  sondern  des  Reeders  stehe;  daß  kein  Beweis 
für  die  Charterung  der  „Powderham''  vorhanden  sei;  daß. 
ein  Chartervertrag  und  ein  Konnossement  an  Bord  nicht  vor- 
handen gewesen  seien;  daß  der  Kapitän  auf  Anordnung  des 
den  Reeder  vertretenden  Prokuristen  die  Ladung  einge- 
nommen und  auch  von  Hongkong  auf  Order  des  Genannten 
nach  Wladiwostok  weiterbefördert  habe;  schließlich,  daß  der 
Reeder  Kohlenhandel  betreibe. 

Auf  Grund  dieser  Tatsachen  entscheide  es,  daß  der  Reklamant  an  der 

zur  Verhandlung  stehenden  Ladung  kein  rechtliches  Interesse  habe  und 

daß  daher  die  Reklamation  abzuweisen  sei. 

Daß  aber  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  dem  Reklamanten 

gehöre,  gehe  aus  der  Aussage  des  Kapitäns  hervor,  in  der  es  heiße: 

die  Kohlen  gehörten  nicht  dem  Reeder nach  seiner 

Idee  gehörten  dieselben  der  Firma  Pyman  Watson. 

732 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Powderham^^  Abschnitt  VI^^ 

Daß  ferner  der  Dampfer,  auf  dem  die  zur  Verhandlung  stehende 
Ladung  verschifft  sei,  von  Pyman  Watson  Ltd.  gechartert  worden 
seif  lasse  sich  daraus  entnehmen,  daß  der  Kapitän  ausgesagt  habe, 

in  dem  bis  Hongkong  mitgehabten  Chartervertrag  habe  ge- 
standen, daß  Pyman  Watson  das  Schiff  von  dem  Reeder 
gechartert  hätten. 
Was  die  Tatsache  angehe,  daß  dieser  Chartervertrag  und  das  Konnosse- 
ment nicht  an  Bord  vorhanden  gewesen  seien,  so  sei  der  Grund  dafür 
der,  daß  der  Kapitän,  der  diese  Papiere  bis  zur  Ankunft  in  Hongkong 
mitgehabt  habe,  dieselben,  als  er  Order  bekommen  habe,  nach  Wladi- 
wostok zu  gehen,  alle  weggeworfen  habe,  da  er  der  Ansicht  gewesen  sei, 
•daß  ein  Bedürfnis  für  diese  auf  Hongkong  als  Bestimmungsort  aus- 
:gestellten  Papiere  nicht  mehr  vorliege.  Wenn  man  dieses  Vorgehen  auch 
vielleicht  nicht  als  geringfügig  ansehen  werde,  so  könne  man  doch  nicht 
annehmen,  daß  es  vorsätzlich  mit  Rücksicht  auf  eine  Aufbringung  ge- 
schehen sei,  um  durch  Zerstörung  oder  Verheimlichung  der  Papiere  Be- 
weismaterial zu  vernichten.  Denn  ob  das  Schiff,  welches  nach  Wladi- 
wostok gegangen  sei,  die  auf  Hongkong  als  Bestimmungsort  lautenden 
Papiere  an  Bord  geführt  oder  ob  es  keins  von  ihnen  bei  sich  gehabt 
hätte,  jeder  von  diesen  Fällen  würde  in  gleicher  Weise  ein  Verdachts- 
grund für  die  Beschlagnahme  geworden  sein.  Wenn  die  Papiere  daher 
auch  weggeworfen  worden  seien,  so  habe  das  Schiff  doch  dadurch  nicht 
der  Aufbringung  entgehen  können,  so  daß  ein  derartiger  Vorsatz  ihrer 
Vernichtung  nicht  zugrunde  gelegen  habe. 

Der  Kapitän  habe  im  Gerichtshof  der  ersten  Instanz  das  Protokoll 
über  seine  Vernehmung  dahin  verbessert,  daß  der  Passus,  daß  die  Ladung 
im  Auftrag  des  den  Reeder  vertretenden  Prokuristen  verladen  worden 
sei,  auf  einem  Irrtum  des  Dolmetschers  beruhe  und  daß  ei*  ganz  klar 
gesagt  habe,  daß  die  Kohle  im  Auftrage  des  Charterers  geladen  worden 
sei.  Das  Gericht  erster  Instanz  sage  dazu,  daß  diese  Aussage  nicht  klar 
und  glaubwürdig  sei  und  daher  nicht  anerkannt  werden  könne.  Aber 
selbst  einmal  angenommen,  daß  der  Kapitän  wirklich  so  ausgesagt  habe, 
wie  es  in  dem  Protokolle  stehe,  so  berechtige  das  noch  keineswegs  zu  der 
Annahme,  daß  der  Reeder  der  Eigentümer  der  Kohle  sei.  Denn  auch 
wenn  der  Reeder  den  Kohlentransport  für  Pyman  Watson  über- 
nommen habe,  würde  es  für  den  Reeder  das  ganz  gewöhnliche  Verfahren 
sein,  wenn  er  dem  Kapitän  Order  gebe,  die  Kohle  in  seinem  Schiff  zu 
verladen. 

Wenn  ferner  der  Reeder  dem  Kapitän  in  Hongkong  Order  gegeben 
habe,  nach  Wladiwostok  weiterzufahren,  so  sei  das  nur  eine  Ausübung 
seines  Rechts,  dem  Kapitän  Befehle  zu  erteilen,  und  könne  nicht  als 
Unterlaige  für  die  Entscheidung  dienen,  daß  die  Ladung  im  Eigentum 
des  Reeders  stehe. 

733 


Abschnitt  ^^l^^  Prisengerichtsentscheidungen:  „Powderham''. 

Wenn  des  weiteren  von  dem  Gericht  erster  Instanz  vorgebracht 
werde,  daß  der  Reeder  den  Kohlenhandel  als  Gewerbe  betreibe,  und  daR 
die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  Ware  sei,  wie  er  sie  verkaufe,, 
so  betreibe  er  doch  eigentlich  ein  Seetransportgeschäft,  und  es  sei  sein 
Gewerbe,  Gütertransporte  für  andere  zu  übernehmen.  Wenn  er  daneben 
auch  gelegentlich  Kohlengeschäfte  mache,  so  sei  doch  die  Entscheidung, 
welche  daraufhin  die  Ladung  des  Schiffes  als  im  Eigentum  des  Reeders, 
stehend  betrachte,  mit  dem  Sachverhalt  im  Widerspruch. 
3.   Das  Gericht  erster  Instanz  behaupte, 

die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  sei  Cardiffkohle,  wie 
sie  zurzeit  vorzugsweise  auf  Kriegsschiffen  zur  Verwendung^ 
komme;    ihr    Bestimmungsort,    Wladiwostok,    sei    Rußlands 
Hauptflottenstützpunkt.    Weil  es  daher  außer  Zweifel  stehe,, 
daß  die  Kohle  für  den  feindlichen  Kriegsgebrauch  habe  ge- 
liefert werden  sollen,  sei  sie  Konterbande. 
Da  aber  Wladiwostok  Rußlands  einziger  Handelshafen  im  Osten  sei,  so 
sei  es  unzutreffend,  wenn  Kohle  dorthin  befördert  werde,  lediglich  darauf- 
hin, daß  es  Kriegshafen  sei,  zu  entscheiden,  daß  sie  Kriegsbedarf  sei. 
Es  sei  bekannt,  daß  in  unserer  Zeit  Cardiffkohle  nicht  ausschließlich  bei 
der  Marine  zur  Verwendung  komme,  vielmehr  ganz  allgemein  im   In- 
dustriebetrieb und  auch  zu  sonstigem  Gebrauch  verwendet  werde.  Daher 
müsse  besonders  in  einem  Falle,  wo  eine  solche  zu  friedlichem  und  kriege- 
rischem Gebrauch  verwendbare  Ladung  Kohlen  nach  einem  Hafen  ver- 
sandt werde,  der  wie  Wladiwostok  die  Eigenschaften  eines  Handels-  und 
eines  Kriegshafens  in  sich  vereinige,  angenommen  werden,  daß  es  der 
Praxis  des  Völkerrechts  entspreche,  wenn  man  das  in  anderen  Fällen 
schon  häufig  angezogene  Urteil  des  „Neptun  us"-Falles  zugrunde  lege 
und  annehme,  daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  nach   dem 
Handelshafen  Wladiwostok  habe  befördert  und  zu  friedlichem  Gebrauch 
geliefert  werden  sollen. 

Kurz,  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  gehöre  dem  Rekla- 
manten und  sei  keine  Kriegskonterbande.  Er  habe  daher  rechtliches 
Interesse  an  der  genannten  Ladung  und  sei  befugt,  eine  Reklamation 
auf  Freigabe  derselben  zu  erheben.  Aus  diesen  Gründen  werde  Auf- 
hebung des  Urteils  erster  Instanz  und  Freigabe  der  zur  Verhandlung 
stehenden  Ladung  beantragt. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  der  Staatsanwälte  beim  Prisen- 
gericht zu  Sasebo,  Mizukami  Chojiro  und  Yamamoto  Tatsu- 
r  o  k  u  r  o ,  sind  folgende : 

Die  Ladung  des  Dampfers  „Powderham''  sei  rauchlose  Cardiff- 
kohle, wie  sie  zurzeit  vorzugsweise  auf  den  Kriegsschiffen  gebraucht 
werde.  Ihr  Bestimmungsort  Wladiwostok  habe  freilich  in  Friederiszeiten 
neben  seiner  Eigenschaft  als  Kriegshafen  auch  die  eines  Handelshafens. 

734 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Powderham".  Abschnitt  Vl^ob 

Seit  dem  Krieg  mit  Japan  sei  dieser  Platz  aber  der  einzige  Flottenstütz- 
punkt des  Feindes  im  Osten  und  es  sei  eine  bekannte  Tatsache,  daß  der 
Verkehr  mit  dem  Handelshafen  aufgehört  habe.  Es  sei  daher  sicher, 
daß  die  genannte  Kohle,  wenn  sie  dorthin  gelangt  wäre,  zum  Gebrauch 
des  feindlichen  Geschwaders  gedient  haben  würde.  -  Deshalb  sei  es  recht- 
mäßig, wenn  das  Gericht  erster  Instanz  entschieden  habe,  daß  die  zur 
Verhandlung  stehende  Ladung  als  Konterbande  anzusehen  und  einzu- 
ziehen  sei. 

Der  Reklamant  werfe  dem  Gericht  erster  Instanz  vor,  daß  es  an- 
genommen habe,  daß  die  Ladung  dem  Reeder  gehöre.  Da  der  Reklamant 
aber  nur  mündlich  und  ohne  Beweis  behauptet  habe,  daß  die  Ladung 
ihm  gehöre,  so  sei  die  Verwerfung  dieser  Behauptung  und  die  sich  auf 
die  in  dieser  Sache  vorgekommenen  Beweise  gründende  Annahme,, 
daß  sie  dem  Reeder  gehöre,  rechtmäßig. 

Aus  diesen  Gründen  sei  die  Berufung  zu  verwerfen. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

Es  sind  dafür,  daß  der  Reklamant  an  der  zur  Verhandlung  stehenden 
Kohle  ein  rechtliches  Interesse  hat,  keine  Schiffspapiere  und  auch  sonst 
keinerlei  stichhaltige  Beweise  vorhanden.  Wenn  der  Kapitän  auch  aus^ 
gesagt  hat,  daß  er  glaube,  daß  die  Kohle  der  Firma  Pyman  Watson 
gehöre  und  ferner,  daß  in  dem  Chartervertrag,  der  bis  Hongkong  vor- 
handen gewesen  sei,  gestanden  habe,  daß  der  Reeder  das  Schiff  an  P  y  m  a  n 
Watson  verchartert  habe,  so  ist  das  nur  eine  mündliche  Aussage,  der 
kein  Glauben  beigemessen  werden  kann.  Es  ist  daher  durchaus  nicht 
unzutreffend,  wenn  das  Gericht  erster  Instanz  auf  Grund  anderer 
Beweise  angenommen  hat,  daß  der  Reeder  der  Eigentümer  der  zur  Ver- 
handlung stehenden  Kohle  sei,  und  die  Ablehnung  der  Reklamation  ist 
gerechtfertigt.  Daher  ist  der  erste  Teil  von  Punkt  1  und  Punkt  2  un- 
begründet. 

Selbst  wenn  man  einmal  annimmt,  der  Reklamant  habe  rechtliches- 
Interesse  an  der  zur  Verhandlung  stehenden  Kohle,  so  steht  doch  das 
Völkerrecht  auf  dem  Standpunkt,  daß  Güter  wie  Kohle,  Lebensmittel 
und  dergleichen,  im  Falle,  daß  sie  für  die  feindliche  Armee  oder  Marine 
bestimmt  sind  oder  nach  einem  Platz  in  Feindesland  gehen  und  an- 
genommen werden  muß,  daß  sie  zum  Gebrauch  der  feindlichen  Armee 
oder  Marine  dienen  würden,  als  Kriegskonterbande  anzusehen  sind  und 
eingezogen  werden  können. 

Es  ist  nun  aber  unbestritten,  daß  die  zur  Verhandlung  stehende 
Cardiffkohle  nach  Wladiwostok  bestimmt  gewesen  und  auf  der  Reise 
dorthin  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Nikko  Maru"  beschlagnahmt 
worden  ist.  Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegs- 
hafen und  sein  Hauptflottenstützpunkt  ist.  Seit  dem  Krieg  mit  Japan 
hat  es  diesen  Platz  zum  Hauptetappenort  für  seine  Armee  und  seine 

735^ 


Abschnitt  Vl^t  Prisengerichtsentscheidungen:  „Severus*'. 

Marine  gemacht.  Es  ist  mit  ganzer  Kraft  bestrebt,  dort  große  Kriegs- 
vorräte anzuhäufen.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr  ist  in  diesem  Hafen 
fast  ganz  zum  Stillstand  gekommen.  Die  zur  Verhandlung  stehende 
Kohle  ist  ausgewählte  Cardiffkohle,  und  die  Preise  für  solche  sind  im 
Osten  so  außerordentlich  hoch,  daß  außer  für  den  Gebrauch  auf  Kriegs- 
schiffen zur  Kriegszeit  keine  Nachfrage  dafür  vorhanden  ist.  Wenn  die 
Kohle  daher  einmal  in  Wladiwostok  eingetroffen  sein  würde,  so  ist  es 
unzweifelhaft,  daß  sie  für  den  Gebrauch  des  russischen  Geschwaders 
geliefert  worden  wäre.  Es  ist  daher  mit  Recht  geschehen,  daß  das 
Gericht  erster  Instanz  die  Kohle  als  Kriegskonterbande  angesehen  hat. 

Der  Reklamant  sagt,  es  müsse  nach  Art  der  Präcedenzentscheidung, 
betreffend  den  „Neptunus"  auch  in  diesem  Falle  angenommen  werden, 
daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  für  friedliche  Zwecke  bestimmt 
gewesen  sei.  Aber  die  Ladung  in  dem  „Neptun us''-Falle  und  die  des 
vorliegenden  Falles  sind  ihrer  Art  nach  von  Grund  aus  verschieden, 
und  auch  die  Verhältnisse  des  Bestimmungsorts  sind  ganz  andere.  Es 
ist  daher  unfraglich,  daß  jener  Fall  nicht  als  Präcedenz  auf  den  vor- 
liegenden angewendet  werden  kann.  Daher  ist  auch  der  letzte  Teil  des 
Punktes  1  und  Punkt  3  der  Berufung  unbegründet. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  5.  September  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


In  der  Prisensache,  betreffend  den  deutschen  Dampfer  „Severus", 
wird  nach  Beendigung  der  Untersuchung,  wie  folgt,  entschieden: 

Urteilsformel: 
Es  wird  auf  Wegnahme  des  deutschen  Dampfers  „Severus"  und 
seiner  aus  3845  Tons  Steinkohlen  bestehenden  Ladung  erkannt. 

Tatbestand  und  Gründe: 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  steht  im  Eigentum  von 
Claus  Peter  Andersen  in  Hamburg,  Deutschland.  Sein  Heimats- 
hafen ist  Hamburg.  Er  ist  ein  Stahlschiff  mit  einem  Raumgehalt  von 
2133.42  Registertons  und  fährt  unter  deutscher  Flagge. 

Der  Dampfer  lud  in  Cardiff,  England,  3845  Tons  doppelt  gesiebte 
Cardiffkohle,  um  diese  nach  Wladiwostok  in  Rußland  zu  befördern.  Die 
Absender  waren  Powell,  D  u f  f  1  i n  &  Co.,  der  Ladungseigentümer 

736 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Severus''.  Abschnitt  VI^i 

ist  unbekannt.  Im  Konnossement  ist  der  neutrale  Hafen  Manila  als  Reise- 
ziel angegeben,  der  wirkliche  Bestimmungshafen  wurde  verheimlicht, 
und  der  Dampfer  erhielt  einen  Ausklarierungsschein  mit  der  Angabe  von 
Manila  als  Reiseziel.  Am  24.  November  1904  brach  er  von  Cardiff 
auf  und  lief  unterwegs  die  Häfen  Algier,  Port  Said,  Sabang  und  Labuan 
an.  Nach  der  Abfahrt  von  Labuan  am  31.  Januar  1905  fuhr  der  Dampfer, 
ohne  Manila  und  andere  Häfen  anzulaufen,  durch  die  Philippinen  in  den 
Stillen  Ozean  und  versuchte,  sich  möglichst  weit  vom  Hokkaido  entfernt 
haltend,  Wladiwostok  zu  erreichen.  Zu  diesem  Z\x^ck  wollte  der  Dampfer 
nach  dem  Passieren  der  Etorup-Straße  und  der  Soya-Straße  zunächst 
in  der  Olga-Bucht  einen  Lotsen  annehmen  und  dann  nach  Wladiwostok 
gelangen.  Am  23.  Februar  1905,  nachmittags  um  1  Uhr  wurde  der 
Dampfer,  nachdem  er  die  Etorup-Straße  bereits  passiert  und  die  offene 
See  bei  dem  Shibetoro-Vorgebirge  erreicht  hatte,  von  dem  Kaiserlichen 
Kriegsschiff  »^Hongkong  Maru"  nach  seinem  Reiseziel  gefragt.  Da  er 
darauf  antwortete,  daß  er  mit  Steinkohlen  nach  der  Olga-Bucht  fahre, 
woirde  er  im  Ende  von  dem  genannten  Kriegsschiff  aufgebracht. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Leutnants  zur  See,  Nishiuchi  Yui,  und  des  Kapitäns  des  „Severus'S 
Wilhelm  Berndt,  durch  das  Konnossement,  drei  Ausklarierungs- 
scheine, das  Schiffszertifikat,  zwei  Schiffsjournale,  die  Kladde  des  Schiffs- 
journals und  die  Abschrift  des  Vernehmungsprotokolls  des  Kapitäns  von 
dem  Dampfer  „Romulus'',  namens  Q  reven  itz,  in  Sachen  der  Auf- 
bringung des  letztgenannten  Dampfers. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht:    • 

Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegshafen 
im  Osten  und  zurzeit  der  Hauptstützpunkt  für  seine  Marine  ist;  seit  dem 
Kriege  mit  Japan  hat  die  russische  Regierung  diesen  Platz  zu  einem 
Hauptetappenort  gemacht;  ihre  ganze  Kraft  ist  dorthin  gewandt  und 
sie  ist  bestrebt,  dort  große  Kriegsvorräte  anzuhäufen;  der  gewöhnliche 
Handelsverkehr  in  Wladiwostok  hat  dort  fast  gänzlich  aufgehört.  Wenn 
daher  Kohlen  und  dergleichen  Güter,  deren  Konterbandeeigenschaft  von 
besonderen  Umständen  abhängig  ist,  nach  "Wladiwostok  befördert  werden, 
so  muß,  mangels  klaren  Gegenbeweises,  angenommen  werden,  daß  die- 
selben für  den  Kriegsgebrauch  zu  liefern  waren.  Besonders  kann  es 
bezüglich  der  zur  Verhandlung  stehenden  Ladung,  welche  aus  aus- 
gewählter Cardiffkohle  besteht,  wie  sie  im  Osten  ausschließlich  zum 
Gebrauch  auf  Kriegsschiffen  dient,  nicht  bezweifelt  werden,  daß  sie  wirk- 
lich für  den  Kriegsgebrauch  bestimmt  war.  Sie  ist  daher  mit  Recht 
als  Kriegskonterbande  anzusehen,  i) 

Wenn  der  Dampfer  ferner,  obwohl  er  schon  von  Anfang  an  vor 
der  Abfahrt  von  Cardiff  für  Wladiwostok  bestimmt  war,  in  den  Kon- 

')  II.  Ziffer  2. 

Marstrand-Meohlenbarg,  Das  japanisohe  Prlsenrecht.  (47)  tot 


Abschnitt  VI^i  PrIsengerichtSMitscheidungen:  ,,Sevenis 

nossementen  und  dem  Ausklarierungsschein  den  neutralen  Hafen  Manila 
als  Reiseziel  bezeichnete  und  auch  noch  bei  der  Abfahrt  von  Labuan 
unter  der  falschen  Angabe,  nach  Manila  gehen  zu  wollen,  einen  Aus- 
klarierungsschein erhielt  und  wenn  er  endHch  nach  der  Abfahrt  von 
Labuan  in  einem  weiten  Bogen  Wladiwostok  durch  die  Soya-Straße  zu 
erreichen  trachtete,  so  ist  dies  alles  auf  die  betrügerische  Absicht  zu- 
rückzuführen,   durch    eine    vorsätzliche     Verschleierung     seines    Be- 
stimmungsorts der  Aufbringung  zu  entgehen,    und  nicht  etwa  auf  ein 
entschuldbares  Versehen  oder  auf  die  Absicht,  eine  für  die  Fahrt  be- 
quemere Route  zu  nehmen.    Wenn  nun  auch  der  Kapitän  des  zur  Ver- 
handlung stehenden  Dampfers  ausgesagt  hat,  die  in  dem  Ausklarierungs- 
schein  enthaltene   Angabe   von   Manila   als   Bestimmungsort   sei   nicht 
richtig,  vielmehr  sei   das  wirkliche  Reiseziel,  wie   in  dem  Schiffsjournal 
angegeben,  die  Olga-Bucht,  so  entspricht  auch  dieses  nicht  den  Tat- 
sachen.   Schiff  und  Ladung  waren  vielmehr  nach  Wladiwostok  bestimmt 
Das  ergibt  sich  aus  folgendem :  in  dem  Tagebuch  des  Dampfers  ist  bei 
der  Abfahrt  von  Labuan  am   31.   Januar   1905  folgendes  eingetragen 
worden.    „Da  der  Dampfer  „Romulus''  nach  dem  gleichen  Hafen  wie 
dieser  Dampfer  fahren  soll,  so  habe  ich  den  Kohlenzieher  Brandt, 
welcher   in  Labuan  verhaftet  worden  war,  dem  „Romulus"  überlassen, 
um  ihn  nachzubringen."    Ferner  enthält  die  Abschrift  des  Protokolls 
über  das  Verhör  des  Kapitäns  Grevenitz  vom  deutschen  Dampfer 
„Romulus",  welcher  demselben  Reeder  gehört  wie  der  „Severus''  ujid 
von  dem  gleichen  Platz  mit  gleicher  Ladung  abgefahren  ist,   folgende 
Aussagen  des  genannten  Kapitäns:   „Ich  habe  von  Labuan  einen  Mann 
der  Besatzung  des  „Severus*'  auf  dem  „Romulus"  mitgenommen";  „als 
Reiseziel   des   „Romulus"   war   Hongkong  angegeben;   in   Wirklichkeit 
aber  sollte  der  Dampfer  die  Olga-Bucht  anlaufen  und  von  dort  unter 
Führung  eines  Lotsen  nach  Wladiwostok  gehen";  „obwohl  ich  in  das 
Tagebuch  als  Bestimmungsort  die  Olga-Bucht  hätte  eintragen  müssen, 
habe  ich  es  nicht  getan  und  zwar,  weil  ich  das  Reiseziel  der  Mannschaft 
verheimlichen  zu  müssen  glaubte."    Vergleicht  man  vorstehende  Punkte 
miteinander,  so  ergibt  sich,  wie  oben  gesagt,   daß   der  Bestimmungsort 
des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  und  seiner  Ladung  ohne  allen 
Zweifel  Wladiwostok  in  Rußland  war.     Kurz,  der  Dampfer  „Severus" 
hat  auf  betrügerische  Weise  Kriegskonterbande  befördert.     Schiffe  aber, 
welche  solche  betrügerischen  Mittel  anwenden,  sind  nach  völkerrecht- 
licher Theorie  und  Praxis  samt  ihrer  Ladung,  soweit  sie  aus  Kriegs- 
konterbande besteht,  einzuziehen.  2) 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 


«)  V.  §§  43,  44. 
738 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Severus".  Abschnitt  VI« 

Gegeben  am  28.  April  1905  im  Prisengericht  zu  Yokosuka,  nach 
Anhörung  des  Staatsanwalts  beim  Prisengericht  zu  Yokosuka. 

(Unterschriften.) 


In  der  Prisensache,  betreffend  den  deutschen  Dampfer  „Romulus"^ 
wird  nach  Beendigung  der  Untersuchung,  wie  folgt,  entschieden : 

Urteilsformel: 
Es  wird  auf  Wegnahme  des  deutschen  Dampfers  „Romulus"  sowie 
seiner  aus  etwa  3400  Tons  Cardiff kohlen   bestehenden   Ladung    ent- 
schieden. 

Tatbestand  und  Gründe: 
Der  ziar  Verhandlung  stehende  Dampfer  „Romulus"  Stent  im  Eigen- 
tum von  C  Andersen  in  Hamburg,  Deutschland,  sein  Heimatshafen 
ist  Hamburg  und  er  ist  ein  Handelsschiff,  welches  die  deutsche  Flagge 
führt.  Er  lud  in  Cardiff,  England,  eine  dem  Reeder  gehörige  Ladung 
von  etwa  3500  Tons  dreimal  gesiebter  Cardiffkohle.  Absender  waren 
Cory  Brothers,  der  Empfänger  sollte  sich  nach  Order  bestimmen. 
Im  Konnossement  und  dem  Ladungsverzeichnis  ist  Hongkong  als  Be- 
stimmungsort angegeben,  und  der  Ausklarierungsschein  lautet  auch  auf 
Hongkong.  Am  H.  Dezember  1904  verließ  der  Dampfer  Cardiff  und 
lief  unterwegs  die  Häfen  Algier,  Port  Said,  Sabang  und  Labuan  an.  Von 
dort  fuhr  er  am  \.  Februar  dieses  Jahres  nach  Wladiwostok  ab,  wobei 
er  vorsätzlich  einen  Umweg  durch  die  Philippinen  in  den  Stillen  Ozean 
hinaus  nahm.  Am  21.  Februar  fuhr  er  durch  die  Etorup-Straße  in  den 
Soyakanal,  worauf  er  jedoch  in  Treibeis  geriet  und  Schaden  an  seinem 
Schiffskörper  nahm.  Wegen  Widerstands  der  Mannschaft  änderte  er 
den  vorbestimmten  Kurs  und  fuhr  am  23.  d.  M.  wieder  in  die  Straße 
von  Etorup  zurück.  Auf  der  Fahrt  mußte  er,  zur  Sicherheit  des  Schiffes, 
ungefähr  100  Tons  Kohlen  werfen.  Als  er  dann  von  der  Tsugaru- 
Straße  nach  Wladiwostok  weiterfuhr,  wurde  er  am  26.  Februar  1905 
bei  Tagesanbruch  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Iwate"  gesichtet 
und  bei  dem  Shiokubi- Vorgebirge  aufgebracht. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Vertreters  des  Kommandanten  der  „Iwate'S  Kapitänleutnants  U  c  h  i  k  u  r  a 
Rikichi,  durch  die  Vernehmungsprotokolle  des  Genannten,  des  Kapi- 
täns des  „Romulus''  und  anderer  Leute  aus  der  Besatzung  des  Schiffs, 
das  Schiffszertifikat,  das  Konnossement,  das  Ladungsverzeichnis,  den  Aus- 
klarierungsschein von  Cardiff,  das  Tagebuch,  die  Kladde  desselben  und 

(47*)  ^  739 


Abschnitt  VI ^2  Prisengerichtsentscheidungen:  „Romulus". 

die  Abschrift  eines  Telegramms  der  Firma  Dreyer  &  Co.  an    den 
Kapitän  des  „Romulus''. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegshafen 
im  Osten  und  zurzeit  der  Hauptstützpunkt  für  seine  Marine  ist.  Seit 
dem  Kriege  mit  Japan  hat  die  russische  Regierung  diesen  Platz  zu  einem 
Hauptetappenort  gemacht,  und  sie  ist  mit  allen  Kräften  bemüht,  dort 
große  Kriegsvorräte  anzuhäufen.  Der  gewöhnliche  Handel  hat  fast  gänz- 
lich aufgehört.  Wenn  daher  Kohle  oder  dergleichen  Güter,  deren  Konter- 
bandeeigenschaft von  besonderen  Umständen  abhängig  ist,  nach  Wladi- 
wostok befördert  werden,  so  muß,  mangels  klaren  Gegenbeweises,  an- 
genommen werden,  daß  dieselben  für  den  Kriegsgebrauch  zu  .liefern 
waren.  Besonders  kann  es  bezüghch  der  zur  Verhandlung  stehenden 
Ladung,  welche  aus  ausgewählter  Cardiffkohle  besteht,  wie  sie  im  Osten 
ausschließlich  zum  Gebrauch  auf  Kriegsschiffen  dient,  nicht  bezweifelt 
werden,  daß  sie  wirklich  für  den  Kriegsgebrauch  bestimmt  war.  Sie 
ist  daher  mit  Recht  als  Konterbande  anzusehen.  ^) 

Der  Kapitän  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  hat  freilich 
dem  mit  dem  Fall  beauftragten  Prisenrat  gegenüber  ausgesagt,  daß  er 
zur  Zeit  der  Abreise  von  Cardiff  davon,  daß  er  nach  Wladiwostok  gehen 
solle,  nichts  gewußt  habe  und  erst,  als  er  Labuan  angelaufen  habe,  von 
dem  Reeder  Order  für  Wladiwostok  erhalten  habe.  Er  wisse  nicht,  ob  der 
Reeder  schon  von  Anfang  an  die  Absicht  gehabt  habe,  das  Schiff  nach 
Wladiwostok  gehen  zu  lassen  oder  nicht.  Bei  seiner  Vernehmung  über 
die  Heuerzulage  der  Mannschaft  hat  er  dagegen  geantwortet,  daß  er 
mit  dem  Reeder  schon  im  voraus  abgemacht  gehabt  habe,  daß  er,  wenn 
die  Mannschaft  die  Bestimmung  des  Schiffes  nach  Wladiwostok  erraten 
solle,  ihr  entsprechende  Zulagen  solle  gewähren  können.  Als  er  bei 
der  Visitierung  von  dem  Offizier,  der  die  Beschlagnahme  ausführte,  über 
den  Grund,  weshalb  Hongkong  als  Bestimmungsort  des  Schiffes  an- 
gegeben sei,  befragt  wurde,  gab  er  an,  daß  das  Schiff  von  Wladiwostok 
aus  nach  Hongkong  gehen  solle.  Die  Aussagen  des  Kapitäns  sind  daher 
völlig  widersprechend  und,  da  kein  Beweis  vorhanden  ist,  daß  der  Reeder 
den  Bestimmungsort  des  Schiffs  während  der  Reise  zugunsten  von  Wladi- 
wostok geändert  habe,  so  muß  angenommen  werden,  daß  das  Schiff 
schon  von  Cardiff  aus  das  Reiseziel  Wladiwostok  hatte.  Es  ist  daher 
mit  Recht  zu  schließen,  daß  die  Eintragung  von  Hongkong  als  Be- 
stimmungsort in  den  Schiffspapieren  eine  betrügerische  Erklärung  dar- 
stellt. 

Aber  auch  angenommen,  das  Schiff  habe  bei  der  Herstellung  der 
Schiffspapiere  zur  Zeit  der  Abreise  von  Hongkong  keine  böse  Absicht 
gehabt,  so  ist  doch  auch  nach  der  Abreise  von  Labuan,  obwohl  es  da- 

1)  II.  Ziffer  2. 

740 


Prisengerlchtsentscheidungen:  „Romulus".  Abschnitt  VI42 

mals  klar  war,  daß  das  Schiff  nach  Wladiwostok  gehe,  in  dem  Schiffs- 
tagebuch am  Tage  der  Abreise  von  dort  noch  immer  Hongkong  als 
Bestimmungsort  verzeichnet  worden,  pnd  vom  folgenden  Tage  ab  ist 
sowohl  im  Tagebuch  als  in  der  Kladde  desselben  überhaupt  kein  Bestim- 
mungsort mehr  angegeben  worden.  Bei  der  Weiterreise  machte  das  Schiff 
dann  einen  vorsätzlichen  Umweg  und  löschte,  als  es  in  die  Nähe  Japans 
kam,  seine  Lichter  aus.  Mit  den  Schiffspapieren  ist  eine  Ausklarierungs- 
bescheinigung von  Labuan  nicht  übergeben  worden.  Alles  dies  ist 
nicht  auf  entschuldbares  Versehen  oder  auf  die  Absicht,  eine  für  die 
Fahrt  bequemere  Route  zu  nehmen,  zurückzuführen,  sondern  muß  als 
einem  betrügerischen  Plan  entsprungen  betrachtet  werden,  der  bezweckte, 
der  Aufbringung  zu  entgehen. 

Der  Kapitän  hat  ferner  ausgesagt,  daß  er,  weil  durch  den  im  Treibeis 
erlittenen  Maschinenschaden  die  Fortsetzung  der  Reise  nach  Wladiwostok 
schwierig  gewesen  wäre,  dieselbe  aufgegeben  und  beabsichtigt  gehabt 
habe,  nach  Hakodate  zu  fahren,  weil  es  notwendig  gewesen  sei,  zwecks 
Reparatur  des  Schadens  den  nächsten  Hafen  anzulaufen.  Wenn  man  aber 
die  Vernehmungsprotokolle  des  ersten  Offiziers,  J.  Nielson,  und  der 
übrigen  Besatzung  sowie  des  Marineoberingenieurs,  Okubo  Ritsu, 
Übel  den  Zustand  des  Schiffes  während  der  Reise  nach  erlittenem  Schaden 
in  Betracht  zieht,  so  kann  man  nicht  schließen,  daß  der  damals  von  dem 
Schiff  erlittene  Schaden  ein  so  erheblicher  gewesen  sei,  daß  es  die  Reise 
nach  Wladiwostok  deshalb  nicht  hätte  ausführen  können. 

Nach  dem  Vernehmungsprotokoll  des  Kapitäns  und  der  Mannschaft 
zu  schließen,  hat  der  Kapitän  in  der  Nacht  vom  25.  Februar,  also  einige 
Stunden  vor  der  Aufbringung  des  Schiffes,  einen  Heizer  aus  der  Mann- 
schaft gerufen  und  ihm  gesagt:  „Wenn  ihr  mit  meinem  Befehl,  durch  die 
Tsugarustraße  nach  Wladiwostok  zu  fahren,  einverstanden  seid,  bekommt 
ihr  eine  Zulage  von  einer  Monatsheuer.  Andernfalls  lasse  ich  euch,  wenn 
wir  nach  Hakodate  kommen,  wegen  Widersetzlichkeit  gegen  den  Kapitän 
ins  Gefängnis  schaffen."  Diese  Mitteilung  ließ  der  Kapitän  der  ganzen 
Mannschaft  machen.  Auch  aus  diesem  Vorgang  muß  man  entnehmen, 
daß  der  Kapitän  noch,  als  das  Schiff  sich  der  Straße  von  Tsugaru  näherte, 
die  Absicht  nach  Wladiwostok  zu  gehen,  nicht  aufgegeben  hatte,  viel- 
mehr versucht  hat,  unter  Bedrohung  der  Mannschaft  die  Straße  zu  pas- 
sieren und  seinen  anfänglichen  Zweck  zu  erreichen. 

Daß  sich  gelegentlich  in  der  Kladde  des  Schiffsjournals  unter  dem 
23.  Februar  eine  Eintragung  findet,  daß  die  Matrosen  sich  widersetzt 
hätten  und  daß  das  Schiff  unter  der  Bedingung,  den  ersten  Hafen  an- 
zulaufen, umgekehrt  sei,  genügt  nicht  zum  Beweise  dessen,  daß  die  Ab- 
sicht, nach  Wladiwostok  zu  gehen,  aufgegeben  worden  sei. 

Kurz,  der  Dampfer  „Romulus''  hat  sich  des  Konterbandetransports 

741 


Abschnitt  VI^<  Prlsengerichtsentächeidungen:  ,,Ea8by  Abbey"'. 

unter  betrügerischem  Vorgehen  schuldig  gemacht  und  hat  diesen  Zw^ck 
auch,  nachdem  er  den  Schiffsschaden  erlitten  hatte,  nicht  aufgegeben. 

Es  ist  aber  von  Theorie  und  Praxis  des  Völkerrechts  anerkannt, 
daß  ein  Schiff,  welches  sich  in  dieser  Art  betrügerischen  Vcwgehens 
schuldig  gemacht  hat,  mitsamt  seiner  Konterbande-Ladung  der  Ein- 
Ziehung  unterliegt  und  daß  Schiff  und  Ladung,  weil  der  Eigentumer  der 
gleiche  ist,  dem  gleichen  Schicksal  verfallen  müssen.*) 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Entschieden  am  16.  Mai  1905  im  Prisengericht  zu  Yokosuka  nach 
Anhörung  des  Staatsanwalts  beim  Prisengericht  zu  Yokosuka, 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Pyman  Watson  Ltd.,  England,  Cardiff,  ver- 
treten durch  den  Kapitän  des  Dampfers  „Easby  Abbey",  Robert 
P  r  i  d  e  a  u  X. 

Prozcßvcrtrctcr:  Rechtsanwalt  Akiyama  Qenzo,  Tokio, 
Kyobashiku,  Unemecho  Nr.  15. 

In  der  Prisensache,  betreffend  den  englischen  Dampfer  „Easby 
Abbey'',  wird  nach  Beendigung  der  Untersuchung,  wie  folgt,  ent- 
schieden : 

Urteilsformel: 

Es  wird  auf  Wegnahme  des  englischen  Dampfers  „Easby  Abbey" 
erkannt. 

Tatbestand  und  Gründe: 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „Easby  Abbey"  steht  im 
Eigentum  des  Reklamanten,  sein  Heimatshafen  ist  Cardiff  in  England, 
und  er  ist  ein  Handelsschiff,  welches  die  englische  Flagge  führt.  Am 
24.  November  1904  schloß  der  Reklamant  mit  der  Firma  Mann  George 
&  Co.  in  London,  England,  einen  Chartervertrag  ab,  auf  Grund  dessen 
der  Dampfer  in  Cardiff  ungefähr  4005  Tons  doppelt  gesiebte  Cardiffkohle 
lud,  um  sie  nach  Wladiwostok  in  Rußland  zu  befördern.  Der  Charter- 
vertrag, der  Heuervertrag  und  das  Konnossement  bezeichnen  Hongkong, 
Shanghai  oder  Kiautschou  als  Bestimmungsort  und  im  Konnossement  ist 
bei  Empfänger  „für  Order"  eingetragen.  Am  7.  Dezember  desselben 
Jahres  fuhr  der  Dampfer  von  Talbot  in  England  ab  und  erhielt  am 
10.  Februar  1905  in  Hongkong  unter  der  Angabe,  daß  seine  Bestimmung 
Kiautschou  sei,  eine  entsprechende  Ausklarierung.    Von  dort  abreisend 


*)  V.  §§  43,  44. 
742 


Prisengerichtsentscheidungen:  ,,Ea8by  Abbey''.  Abschnitt  VI^* 

nahm  er  absichtlich  einen  Umweg,  um  durch  die  Soyastraße  zu  fahren, 
geriet,  als  er  am  26.  d.  M.  in  der  See  südlich  von  der  Insel  Etorup  an- 
gekommen war,  in  Treibeis,  erlitt  Schaden  an  dem  Schiffskörper  und 
verlor  lange  Zeit  seine  Manövrierfähigkeit.  Als  er  so  verschlagen  war 
und  Reparaturen  zu  machen  versuchte,  wurde  er  am  27.  d.  M.  vormittags 
von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Nippon  Maru"  gesichtet.  Bei  der 
Visitierung  durch  den  Vertreter  des  Kommandanten  des  genannten 
Kriegsschiffs,  Korvettenkapitän  Tanaka  Eitaro,  gab  der  Kapitän 
Robert  Prideaux  als  Bestimmungsort  des  Schiffes  Shanghai  an, 
später  gestand  er  aber  zu,  daß  in  Wirklichkeit  Wladiwostok  der  Be- 
stimmungshafen sei.  So  wurde  der  Dampfer  schließlich  von  dem  ge- 
nannten Kriegsschiff  aufgebracht. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Stellvertreters  des  Kommandanten  der  „Nippon  Maru",  Korvettenkapitäns 
Tanaka  Eitaro,  die  Vernehmungsprotokolle  des  genannten  und  des 
zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs,  Robert  Prideaux,  das  Schiffs- 
zertifikat, das  Tagebuch,  den  Chartervertrag,  den  Heuervertrag,  das  Kon- 
nossement und  den  Ausklarierungsschein  von  Hongkong. 

Die  Hauptpunkte  der  Reklamation  sind  folgende: 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  sei  am  24.  November 
1904  durch  Vertrag  zwischen  dem  Reklamanten  und  den  Vertretern 
von  Orabowski  in  Glasgow,  England,  der  Firma  Mann,  George 
&  Co.  in  London  verchartert  worden,  um  in  Cardiff^  England,  Kohlen 
zu  nehmen,  und  sei  auf  der  Reise  nach  Wladiwostok  von  einem  Kaiser- 
lich Japanischen  Kriegsschiff  aufgebracht  worden.  Da  aber  die  Kohlen 
nicht  im  Eigentum  des  Reklamanten  stünden,  so  könne  der  Dampfer, 
wenn  auch  die  Ladung  als  Konterbande  angesehen  werden  könne,  nicht 
wie  diese  der  Strafe  der  Einziehung  verfallen. 

Da  ferner  die  Ladung  des  Schiffes  keine  absolute  Konterbande 
sei,  so  treffe  den  Reeder,  wenn  er  auch  gewußt  haben  möge,  daß  die 
Ladung  nach  Wladiwostok  habe  befördert  werden  sollen,  doch  nicht  die 
Verantwortung  und  Strafe  für  einen  Konterbandetransport.  Der  Reeder 
habe  davon,  daß  der  Dampfer  nach  einem  anderen  als  den  in  dem 
Chartervertrag  verzeichneten  Bestimmungshäfen  Shanghai  oder 
Kiautschou  gehen  würde,  nicht  die  geringste  Vorkenntnis  gehabt  und 
die  nach  dem  Vernehmungsprotokoll  von  dem  Kapitän  Robert 
Prideaux  gegebene  Antwort,  er  habe  die  Order,  nach  Wladiwostok 
zu  gehen,  von  Pyman  Watson  erhalten,  beruhe  durchaus  auf  einem 
Irrtum  des  Genannten. 

Daß  ferner  in  den  Schiffspapieren  und  Ausklarierungen  der  wahre 
Bestimmungsort  sich  nicht  verzeichnet  finde,  habe  seinen  Grund  nur 
darin,  daß  das  Schiff  Hindernissen,  welche  die  englischen  Behörden  seiner 
Reise  in  den  Weg  hätten  legen  können,  habe  entgehen  wollen,  und  man 

743 


Abschnitt  VI^>  Prisengerichtsentscheidungen :  „Easby  Abbey*'. 

könne  darin  nicht  ohne  weiteres  eine  Maßnahme  erblicken,  die  getroffen 
sei,  um  der  Aufbringung  zu  entgehen.  Wenn  daher  d^r  genannte 
Kapitän  in  seiner  Vernehmung  erklärt  habe,  diese  Mittel  seien  alle  an- 
gewandt, um  der  Aufbringung  durch  die  japanische  Marine  zu  entgehen, 
so  sei  das  wiederum  eine  falsche  Ansicht  desselben.  Auch  die  dem 
visitierenden  Korvettenkapitän  Tanaka  Eitaro  bei  der  Visite  gegebene 
Antwort,  der  Bestimmungsort  sei  Shanghai,  sei  kindisch  and  verdiene 
keine  Berücksichtigung. 

Da  Kohle  keine  absolute  Konterbande  sei,  so  müsse  im  vorliegenden 
Falle,  wo  Kohle  nach  Wladiwostok  gehe,  einem  Hafen,  der  die  Eigen- 
schaft sowohl  eines  Kriegs-  wie  eines  Handelshafens  besitze,  mangels 
Gegenbeweises  angenommen  werden,  daß  sie  nach  dem  Handelshafen 
Wladiwostok  befördert  werden  und  nicht  für  den  Kriegsgebrauch  geliefert 
werden  solle.  Daß  dies  billig  sei,  tue  auch  die  Präcedenzentscheidung, 
betreffend  den  im  englisch-holländischen  Kriege  im  Jahre  1798  auf- 
gebrachten „Neptun US''  dar.  Für  den  vorliegenden  Fall  gelte  dies  auch 
um  so  mehr,  als  die  Ladung  nicht  ausschließlich  für  den  Kriegsgebrauch 
verwendbar  sei,  sondern  auch  ganz  allgemein  im  Industriebetriebe  ver- 
braucht werden  könne. 

Da  so  schließlich  die  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Schiffes  keine  Konterbande  sei,  auch  betrügerisches  Vorgehen,  welches 
die  Aufbringung  rechtfertigen  könne,  nicht  vorliege  und  der  Eigentümer 
des  Schiffs  von  dem  der  Ladung  verschieden  sei,  so  werde  eine  Ent- 
scheidung auf  Freigabe  des  Schiffes  beantragt. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegshafen 
im  Osten  und  zurzeit  der  Hauptstützpunkt  für  seine  Marine  ist.  Seit  dem 
Kriege  mit  Japan  hat  die  russische  Regierung  den  Platz  zu  einem  Haupt- 
etappenort gemacht,  und  sie  ist  mit  allen  Kräften  bemüht,  dort  große 
Kriegsvorräte  anzuhäufen.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr  hat  dort 
fast  gänzlich  aufgehört.  Wenn  daher  Kohle  oder  Lebensmittel  und  der- 
gleichen Güter,  deren  Konterbandeeigenschaft  von  besonderen  Um- 
ständen abhängig  ist,  nach  Wladiwostok  befördert  werden,  so  muß, 
mangels  klaren  Gegenbeweises,  angenommen  werden,  daß  dieselben  für 
den  Kriegsgebrauch  zu  liefern  waren.  Besonders  kann  es  bezüglich 
der  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfers,  welche  aus  aus- 
gewählter Cardiffkohle  besteht,  wie  sie  nur  zum  Gebrauch  auf  Kriegs- 
schiffen dient,  nicht  bezweifelt  werden,  daß  sie  wirklich  für  den  Kriegs- 
gebrauch bestimmt  war.  Sie  ist  daher  mit  Recht  als  Konterbande  an- 
zusehen. ^) 

Was  das  von  dem  Reklamanten  angezogene  Urteil  in  dem  „Nep- 
tun us"-Fall  angeht,  so  deckt  sich  jener  Fall,  in  dem  Tierfett  nach  Amster- 

T^  »')ll."ziffer  2. 

744 


Piisengerichtsentscheidungen:  ,,Ea8by  Abbey^'.  Abschnitt  VI^s» 

dam  befördert  werden  sollte,  nicht  mit  dem  vorliegenden.  Im  Gegenteil 
kann  man  die  Begründung  jenes  Urteils  vielmehr  zur  Bekräftigung  der 
Annahme,  daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  Konterbande  ist, 
geltend  machen.  Denn  Amsterdam  hatte  damals  einen  vorwiegend 
kommerziellen  Charakter.  Die  gegenwärtigen  Verhältnisse  von  Wladi- 
wostok sind  aber,  wie  oben  dargetan,  wesentlich  verschieden.  Das  in 
dem  Urteil  erwähnte  Brest  kommt  den  gegenwärtigen  Verhältnissen 
Wladiwostoks  vielmehr  gleich. 

Obwohl  es  bereits  vor  der  Abfahrt  von  Cardiff  bestimmt  war,  daß 
das  Schiff  nach  Wladiwostok  gehen  sollte,  geben  doch  der  Chartervertrag, 
der  Heuervertrag  und  das  Konnossement  die  neutralen  Häfen  Hong- 
kong, Shanghai  oder  Kiautschou  als  Bestimmungsorte  an.  Auch  noch 
bei  der  Abfahrt  von  Hongkong  gab  der  Dampfer  fälschlich  Shanghai 
als  Reiseziel  an  und  erhielt  dementsprechende  Reisepapiere.  Von  dort 
abfahrend,  nahm  er  absichtlich  einen  Umweg,  um  durch  die  Soya-Straße 
nach  Wladiwostok  zu  gelangen  und  bei  der  Visitierung  durch  den  Ver- 
treter des  Kommandanten  der  „Nippon  Maru'',  Tanaka  Eitaro,  gab 
der  Kapitän,  Robert  Prideaux,  als  Antwort,  er  gehe  nach  Shang- 
hai. Alles  dies  kann  nicht,  wie  der  Vertreter  der  Reklamation  behauptet, 
als  mit  dem  Zweck  geschehen,  Hinderungen  der  Reise  durch  die  eng- 
lischen Behörden  zu  entgehen,  oder  als  kindisches  Verhalten  bezeichnet 
werden.  Vielmehr  dient  es  alles  dem  Plan,  absichtlich  den  Bestimmungs- 
hafen zu  verheimlichen  und  der  Aufbringung  durch  die  japanische 
Marine  zu  entgehen.  Das  genügt,  um  anzunehmen,  daß  der  Kapitän 
dem  mit  dem  Fall  beauftragten  Prisenrat  gegenüber  die  Wahrheit  gesagt 
hat,  als  er  aussagte,  daß  alle  diese  Mittel  angewandt  worden  seien,  um  der 
Aufbringung  durch  die  japanische  Marine  zu  entgehen. 

Kurz,  der  Dampfer  „Easby  Abbey"  hat  unter  Anwendung  be- 
trügerischer Mittel  Kriegskonterbande  befördert,  und  daß  solche  Schiffe, 
bei  denen  betrügerisches  Vorgehen  vorliegt,  zusammen  mit  der  Konter- 
bandeladung eingezogen  werden  können,  gleichgültig,  ob  der  Reeder 
an  diesem  Vorgehen  beteiligt  ist  oder  nicht,  wird  von  der  völker- 
rechtlichen Wissenschaft  und  Praxis  in  gleicher  Weise  anerkannt.  -) 
Überdies  geht  aus  der  eigenen  Aussage  des  Kapitäns  hervor,  daß  das  zur 
Verhandlung  stehende  Schiff  von  dem  Eigentümer  selbst  Order  be- 
kommen hat,  nach  Wladiwostok  zu  gehen,  und  die  Behauptung  des  Ver- 
treters der  Reklamation,  daß  der  Kapitän  sich  hierin  irre,  entbehrt  völlig 
jeder  Begründung. 

Da  aus  den  obigen  Gründen  die  Einziehung  des  Schiffes  erfolgen 
muß,  so  erübrigt  es  sich,  auf  die  weiteren  Reklamationspunkte  des  Re- 
klamanten noch  besonders  einzugehen. 

-^l  44. 

745 


Abschnitt  Vl^sa  Prisengerichtsentscheidungen :  „Easby  Abbey". 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  4.  Mai  1905  im  Prisengericht  zu  Yokosuka,  im  Bei- 
sein des  Staatsanwalts  beim  Prisengericht  zu  Yokosuka,  Uchida  Shi- 
^enari. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Pyman  Watson  Ltd.,  Cardiff,  England,  ver- 
treten durch  John  William  Pyman. 

ProzeBvertreter :  Rechtsanwalt  Akiyama  Genzo,  Tokio, 
Kyobashiku,  Unemecho  Nr.  15. 

Am  4.  Mai  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Yokosuka  in  der  Prisen- 
sache, betreffend  den  englischen  Dampfer  „Easby  Abbey",  welcher  am 
27.  Februar  1905  bei  der  Insel  Etorup  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff 
„Nippon  Maru"  beschlagnahmt  worden  ist,  ein  Urteil  gefällt,  in  welchem 
auf  Wegnahme  des  englischen  Dampfers  „Easby  Abbey"  erkannt 
worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  John  William  Pyman  in  Vertretung 
des  Reklamanten,  der  Firma  Pyman  Watson  Ltd.,  durch  den  Rechts- 
anwalt Akiyama  Genzo  als  Prozeß  Vertreter  die  Berufung  eingelegt, 
welche  im  Beisein  der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku  und  Dr. 
jur.  Ishiwatari  Binichi  beim  Oberprisengericht  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Vertreters  der  Reklamation, 
Akiyama  Genzo,  und  deren  Gründe  sind  folgende : 

1.  Der  Eigentümer  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  sei 
von  dem  Ladungseigentümer  verschieden  und  habe  nicht  unter  An- 
wendung betrügerischer  Mittel  Konterbande  geladen.  Wenn  daher  auch 
die  Ladung  als  Konterbande  angesehen  werde,  so  könne  doch  das 
Schiff  nicht  eingezogen  werden. 

2.  Die  Strafe  für  Konterbandetransport  sei,  wenn  die  Konterbande- 
ladung nicht  im  Eigentum  des  Reeders  stehe,  lediglich  der  Verlust  an 
Zeit,  Fracht  und  Kosten,  die  Strafe  der  Einziehung  könne  indes  nicht 
auferlegt  werden.  Auch  sei  es  ein  Grundsatz  des  modernen  Völker- 
rechts, daß,  wenn  die  Konterbande  unter  Anwendung  betrügerischer 
Mittel  verschifft  sei,  auch  das  Schiff  nur  eingezogen  werden  könne,  wenn 
es  klar  erwiesen  sei,  daß  der  Reeder  Mittäter  bei  dem  betrügerischen 
Vorgehen  sei.  Nicht  nur  England  erkenne  dies  an,  sondern  auch  die 
japanische  Prisenordnung  stehe  auf  diesem  Standpunkt.  In  dem  vor- 
liegenden Fall  sei  aber  der  Reeder  ganz  sicher  nicht  Mittäter  bei  dem 
betrügerischen  Vorgehen,  und  es  sei  unrechtmäßig,  wenn  das  Urteil 
erster  Instanz,  ohne  zu  untersuchen,  ob  der  Reeder  bei  dem  betrüge- 

716 


fVisengerlchtsentscheidungen:  „Easby  Abbey^^  Abschnitt  VI^* 

rischeji  Vorgehen  beteiligt  gewesen  sei  oder  nicht,  entschieden  habe,  daß 
das  Schiff  zusammen  mit  der  Konterbandeladung  einzuziehen  sei. 

3.  Um  auf  Grund  von  Anwendung  betrügerischer  Mittel  die  Strafe 
der  Einziehung  verfügen  zu  können,  genüge  es  nicht,  daß  in  den  Schiffs- 
papieren lediglich  der  letzte  Bestimmungsort  nicht  angegeben  sei,  es 
sei  vielmehr  erforderlich,  daß  die  Papiere  mit  der  Absicht  hergestellt 
seien,  der  Aufbringung  durch  die  im  Kriege  begriffene  Marine  zu  ent- 
jfehen,  und  daß  diese  Marine  auch  wirklich  dadurch  getäuscht  werden 
JcöJine.  Wie  aber  unten  des  weiteren  dargetan  sei,  sei  kein  Grund  vor- 
handen für  die  Annahme,  daß  dje  Papiere  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Schiffs  mit  dieser  bösen  Absicht  hergestellt  worden,  noch  auch  daß  sie 
geeignet  seien,  um  mit  ihrer  Hülfe  der  Aufbringung  zu  entgehen. 

Jiall  sage: 

Wenn  falsche  Schiffspapiere  angefertigt  würden,  um  die  auf- 
bringende kriegführende  Macht  zu  täuschen,  so  könnten  sie 
nur  in  den  Fällen  als  schädlich  betrachtet  werden,  wo  da- 
durch, daß  sie  als  echte  passierten,  die  Rechte  der  Kaptoren 
schließlich  zunichte  gemacht  werden  könnten.     Andernfalls 
seien  sie  im  allgemeinen  milde  zu  beurteilen. 
Danach  betrachtet,  stellten  die  Papiere  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Dampfers  keinen  ausreichenden  Grad  von  Täuschung  dar,  um  Einziehung 
des  Schiffes  nach  sich  ziehen  zu  können. 

4.  Der  Reeder  habe  dem  Ladungseigentümer  den  Dampfer  zum 
Kohlentransport  vermietet,  und  in  dem  Chartervertrag  sei  Hongkong, 
Shanghai  oder  Kiautschou  als  Bestimmungsort  festgesetzt  worden.  Der 
Reeder  habe  daher  nicht  gewußt,  daß  die  Fahrt  nach  einem  anderen 
Ort  gerichtet  worden  sei.  Der  Chartervertrag  habe  nach  dem  Rechte 
Englands,  wo  er  abgeschlossen  worden  sei,  den  Charakter  eines  Sach- 
mietvertrages, und  man  müsse  daher  annehmen,  daß  der  Besitz  und 
die  Verfügungsgewalt  über  das  Schiff  damit  für  die  Zeit  auf  den  Charterer 
übergegangen  seien.  Aber  auch  wenn  man  in  dem  vorliegenden  Charter- 
vertrag lediglich  einen  gewöhnlichen  Transportvertrag  erblicke,  so  sei 
es  doch  offenbar,  daß  der  Wille  des  Reeders  über  die  in  dem  Vertrag 
bezeichnete  Reise  nicht  hinausgegangen  sei.  Wenn  daher  der  Charterer 
heimlich  dem  Kapitän  Order  gegeben  habe,  nach  Wladiwostok  zu  gehen, 
und  der  Kapitän  diesen  Befehl  ausgeführt  habe,  könne  man  nicht  be- 
haupten, daß  der  Reeder  an  diesem  Vorhaben  beteiligt  gewesen  sei  und 
bei  dem  Konterbandetransport  in  Mittäterschaft  stehe.  Auch  könne 
nach  den  gewöhnlichen  Rechtsbegriffen,  wenn  auch  der  Kapitän  als 
der  Stellvertreter  des  Reeders  gelte,  dieser  doch  für  willkürliche  Hand- 
lungen des  Kapitäns,  welche  außerhalb  von  dessen  gewöhnlichen  Be- 
fugnissen lägen,  nicht  haftbar  gemacht  werden.  Um  so  mehr  müsse 
dies  gelten,  wo  es  sich  um  einen  Kriegskonterbandetransport  anter  An- 

747 


Abschnitt  VI  43a  Prisengerichtsentscheidungen:  „Easby  Abbey'*. 

Wendung  betrügerischer  Mittel  handele,  da  eine  solche  Handlung  eine 
Verletzung  des  Völkerrechts  sei. 

Aus  diesen  Gründen  könne  dem  Reeder  dafür,  daß  die  Schiffs- 
papiere, den  Chartervertrag  ausgenommen,  falsche  Eintragungen  ent- 
hielten, solange  nicht  Beweis  für  die  Mittäterschaft  des  Reeders  vor- 
liege, die  Verantwortung  nicht  auferlegt  werden. 

5.  Der  Charterer  habe  dem  Kapitän  bei  der  Abreise  des  Schiffs 
Order  gegeben,  wenn  bei  Ankunft  in  Hongkong  andere  Order  nicht  ein- 
gehe, mit  beliebigem  Kurs  nach  Wladiwostok  zu  fahren.  Wladiwostok 
sei  demnach  zur  Zeit  der  Abreise  noch  nicht  als  Bestimmungsort  fest- 
gesetzt gewesen.  Erst  nach  Ankunft  in  Hongkong,  als  keine  andere 
Order  vorgelegen  habe,  sei  Wladiwostok  zum  Bestimmungsort  gemacht 
worden.  Daher  sei  darin,  daß  in  dem  im  Ausfahrtshafen  hergestellten 
Konnossement  und  den  Ausklarierungspapieren  Shanghai  oder  Kiau- 
tschou  als  Bestimmungsort  verzeichnet  worden  sei,  durchaus  nichts  Ver- 
dächtiges zu  erblicken.  Ebenso  sei  in  Hongkong  eine  Ausklarierung 
für  Shanghai  erwirkt  worden,  weil  es  zu  befürchten  gewesen  sei,  daß 
die  englischen  Behörden  die  Reise  nach  Wladiwostok  verweigern  würden. 
Die  unwahre  Angabe  sei  dieser  Behörde  gegenüber  also  nur  gemacht 
worden,  um  die  Abfahrt  zu  erleichtern.'  Es  sei  von  selbst  klar,  daß 
die  Handlungen  alle  nicht  der  Absicht  entsprungen  seien,  dadurch  der 
Aufbringung  durch  japanische  Kriegsschiffe  zu  entgehen. 

Da  ferner  die  Ausklarierungspapiere  unter  den  Schiffspapieren  nur 
eine  unbedeutende  Rolle  spielten,  so  könne  es  nicht  als  ein  Grundsatz 
des  modernen  Völkerrechts  anerkannt  werden,  daß  die  Eintragung  eines 
falschen  Bestimmungsorts  in  diese  Papiere  die  Strafe  der  Einziehung 
bewirken  solle. 

6.  Da  die  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  nach 
Rußlands  einzigem  Handelshafen  im  Osten,  nach  Wladiwostok,  zu  be- 
fördern gewesen  sei  und  zu  friedlichem  Gebrauch  dienen  könne,  so  sei 
die  Entscheidung,  daß  sie  Konterbande  sei,  unzutreffend.  Denn  die 
japanische  Prisenordnung  stehe  auf  dem  Standpunkt,^)  daß  Kohle  nur 
in  dem  Falle  als  Konterbande  gelte,  wenn  es  erwiesen  sei,  daß  sie  zum 
feindlichen  Kriegsgebrauch  geliefert  werden  solle. 

Einmal  angenommen,  dieser  Standpunkt  entspreche  den  völker- 
rechtlichen Grundsätzen,  so  sei  doch  Wladiwostok,  der  Bestimmungsort 
der  in  Frage  stehenden  Ladung,  nicht  nur  Rußlands  einziger  Kriegshafen 
im  Osten,  sondern  auch  sein  einziger  Handelshafen.  Es  sei  daher  un- 
rechtmäßig, ohne  weiteres  anzunehmen,  daß  dorthin  bestimmte  Kohle, 
welche  keine  absolute  Konterbande  sei,  für  den  Kriegsgebrauch  be- 
stimmt sei.  Es  müsse  vielmehr  entsprechend  dem  Urteil  in  dem  „Nep- 
tun us''-Fall  im  englisch-holländischen  Kriege  im  Jahre  1798  angenommen 

')  V.  §  14. 
748 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Easby  Abbey".  Abschnitt  Vl^^a 

werden,  daß  die  in  Frage  stehende  Ladung  für  den  Handelshafen  Wladi- 
wostok bestimmt  sei  und  für  friedlichen  Gebrauch  geliefert  werden  solle. 

Das  Urteil  erster  Instanz  übersehe,  daß  auch  heute  noch  der  ge- 
wöhnliche Handelsverkehr  mit  Wladiwostok  in  Ausübung  begriffen  sei, 
und' sage,  es  sei  eine  bekannte  Tatsache,  daß  der  Handelsverkehr  des 
genannten  Hafens  gesperrt  sei.  Auch  darin  entstelle  das  Urteil  die 
Tatsachen,  daß  es  behaupte,  daß  Cardiffkohle,  welche  überall  auf  der 
Erd€  sowohl  für  den  Kriegsgebrauch  als  für  den  Industriegebrauch 
verwandt  werde,  im  fernen  Osten  ausschließlich  auf  Kriegsschiffen  zur 
Verwendung  komme.  So  stehe  das  Urteil  mit  dem  Sachverhalt  im  Wider- 
spruch. Auch  darin  sei  es  unbillig,  daß  es  die  einseitigen  Einbildungen 
des  Kapitäns  Robert  Prideaux  als  Material  für  seine  Entscheidung 
angenommen  habe. 

Aus  diesen  Gründen  wird  Aufhebung  des  Urteils  erster  Instanz 
und  Erlaß  einer  Entscheidung  auf  Freigabe  des  zur  Verhandlung 
stehenden  Schiffes  beantragt. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  beim  Prisen- 
gericht zu  Yokosuka,   Uchida  Shigenari,  sind  folgende: 

1.  Schon  vor  der  Abreise  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes 
von  Cardiff  sei  Wladiwostok  als  Bestimmungsort  festgesetzt  gewesen. 
Obwohl  die  Gesellschaft,  der  das  Schiff  gehöre,  dem  Kapitän  Robert 
Prideaux  Order  gegeben  habe,  nach  Wladiwostok  zu  fahren,  lauteten 
das  Konnossement,  der  Chartervertrag  und  der  Heuervertrag  auf  die 
neutralen  Häfen  Hongkong,  Shanghai  oder  Kiautschou  als  Bestimmungs- 
ort. Auch  bei  der  Abreise  von  Hongkong  habe  der  Kapitän  auf  Grund 
seiner  fälschlichen  Angabe  Ausklarierung  für  Shanghai  erhalten,  habe 
jedoch  absichtliche  einen  Umweg  gemacht,  um  durch  die  Soyastraße 
nach  Wladiwostok  zu  gelangen,  wobei  er  von  dem  ersten  Offizier  in 
das  Privatschiffsjournal  Shanghai  habe  eintragen  lassen.  Auch  habe 
der  Kapitän  bei  der  Visitierung  durch  den  Stellvertreter  des  Kom- 
mandanten der  „Hippon  Maru",  den  Offizier  Tanaka  Eitaro,  ge- 
antwortet, er  führe  nach  Shanghai.  Es  sei  offenbar,  daß  alles  dieses 
dem  wohlüberlegten  Plane  entsprungen  sei,  durch  Verheimlichung  des 
Bestimmungsorts  der  Aufbringung  durch  die  japanischen  Kriegsschiffe 
zu  entgehen. 

Die  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfers  sei  aus- 
gewählte Cardiffkohle,  wie  sie  im  Osten  ausschließlich  bei  der  Kriegs- 
marine Verwendung  finde.  Außerdem  sei  ihr  Bestimmungsort,  Wladi- 
wostok, wie  bekannt,  Rußlands  wichtigster  Kriegshafen  im  Osten  und 
zurzeit  der  Hauptsammelplatz  für  seine  Marine.  Seit  dem  Kriege  mit 
Japan  habe  die  russische  Regierung  den  Platz  zu  einem  Hauptetappenort 
gemacht.  Sie  sei  mit  allen  Kräften  bemüht,  dort  große  Kriegsvorräte 
anzuhäufen.    Der  gewöhnliche  Handelsverkehr  habe  dort  fast  gänzlich 

749 


Abschnitt  Vl^a  Prisengerlchtsentscheidungen :  „Easby  Abbey". 

aufgehört.  Die  nach  dort  bestimmte  Kohlenladung  des  zur  Verhand- 
lung stehenden  Schiffs  sei  daher  mit  Recht  als  Konterbande  zu  betrachten. 
Es  entspreche  daher  den  völkerrechtlichen  Bestimmungen,  das  zur 
Verhandlung  stehende  Schiff,  weil  es  unter  Anwendung  betrügerischer 
Mittel  Konterbande  befördert  habe,  mitsamt  seiner  Konterbandeladung 
einzuziehen. 

2.  Es  sei  bereits  von  Anfang  geplant  gewesen,  das  Schiff  nach 
Wladiwostok  fahren  zu  lassen.  Wenn  man  erwäge,  daß  auch  der  Reeder 
dem  Kapitän  Order  gegeben  habe,  von  Hongkong  sogleich  nach  Wladl- 
vtx)stok  zu  fahren,  so  sei  es  unbegründet,  anzunehmen,  daß  der  Reeder 
nicht  darum  gewußt  habe,  daß  in  dem  Chartervertrag,  der  doch  mit 
seiner  Beteiligung  abgeschlossen  sei,  der  wahre  Bestimmungsort  ver- 
schwiegen und  ein  falscher  angegeben  sei.  Aber  auch  angenommen, 
der  Reeder  habe  an  den  Fälschungen  in  den  Schiffspapieren  keinen  Anteil, 
so  habe  doch  nach  der  völkerrechtlichen  Wissenschaft  und  Praxis  das 
Vorliegen  oder  Nichtvorliegen  solcher  Beteiligung  auf  die  Bestrafung  des 
Schiffes  keine  Einwirkung. 

3.  Die  Fälschung  des  Bestimmungsorts  trage  die  größte  Schädi- 
gung in  sich,  und  der  Umweg,  den  das  Schiff  von  Hongkong  aus  ge- 
nommen habe,  sei  eine  Täuschung,  mit  deren  Hilfe  das  Schiff  der  Auf- 
bringung habe  entgehen  wollen.  Es  sei  daher  recht,  das  Schiff  einzu- 
ziehen. 

4.  Punkt  4  und  5  der  Berufung  seien  nur  Erweiterungen  der 
Punkte  2  und  3.  Punkt  6  behaupte  lediglich,  die  Ladung  sei  keine 
Konterbande.    Es  erübrige  sich,  noch  einmal  darauf  zu  erwidern. 

Aus  diesen  Gründen  sei  die  Berufung  in  allen  Punkten  unbegründet 
und  zu  verwerfen. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 
1.  Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegs- 
hafen ist.  Seit  dem  Kriege  mit  Japan  hat  Rußland  es  zum  Stützpunkt 
für  seine  Kriegsflotte  und  Hauptetappenort  gemacht.  Es  hat  dort  in 
ausgedehntem  Maße  Waffen,  Lebensmittel,  Kohlen  und  sonstige  Kriegs- 
bedarfsartikel aufgespeichert.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr  nach 
dorthin  hat  fast  ganz  aufgehört.  Es  ist  daher  durchaus  begründet,  wenn 
das  Gericht  erster  Instanz  angenommen  hat,  daß  die  nach  diesem  Hafen 
bestimmten  Steinkohlen  für  den  russischen  Kriegsgebrauch  geliefert 
werden  sollten  und  daher  Kriegskonterbande  seien.  Dies  um  so  mehr, 
als  die  Kohlenladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfers  aus- 
gewählte Cardiffkohle  ist  und  die  Preise  für  solche  im  Osten  so  außer- 
ordentlich hoch  sind,  daß  außer  für  den  Gebrauch  auf  Kriegsschiffen  zur 
Kriegszeit  keine  Nachfrage  dafür  vorhanden  und  es  somit  unzweifelhaft 
ist,  daß  die  Kohle  für  den  russischen  Kriegsgebrauch  geliefert  werden 
sollte. 

750 


Prisengerichtseiitscheidungen:  „Easby  Abbey".  Abschnitt  VI^^^* 

Der  Reklamant  sagt,  es  müsse  nach  Art  der  Präcedenzentscheidung, 
betreffend  den  „Neptunus",  auch  in  diesem  Fall  angenommen  werden, 
daß  die  hier  in  Frage  stehende  Ladung  für  friedliche  Zwecke  bestimmt 
gewesen  sei.  Aber  die  Ladung  im  „Neptunus"-Fall  und  die  des  vor- 
liegenden Falles  sind  ihrer  Art  nach  von  Grund  aus  verschieden,  und 
auch  die  Verhältnisse  der  Bestimmungsorte  sind  ganz  andere.  Es  ist 
daher  unfraglich,  daß  jener  Fall  nicht  als  Präcedenz  auf  den  vorliegenden 
angewandt  werden  kann. 

2.  Das  Völkerrecht  erkennt  an,  daß  Schiffe  wie  das  zur  Verhandlung 
stehende,  deren  Reisezweck  der  Transport  von  Konterbande  ist,  ein- 
gezogen werden  können.  *)  Auch  das  Oberprisengericht  hält  dies  für  den 
Verhältnissen  gerecht  werdend.  Besonders  im  vorliegenden  Fall,  wo  die 
ganze  Ladung  des  Schiffes  Konterbande  ist,  wo  der  Reeder  dem  Kapitän 
bei  der  Abfahrt  des  Schiffes  Order  gegeben  hat,  nach  Wladiwostok 
zu  gehen,  während  der  Chartervertrag  und  die  sonstigen  Schiffspapiere 
einen  gefälschten  Bestimmungsort  enhalten;  also  das  Schiff  sich  des 
Transports  von  Konterbande  unter  Anwendung  betrügerischer  Mittel 
schuldig  gemacht  hat. 

Da  schon  nach  dem  in  den  Punkten  1  und  2  Gesagten  die  Ent- 
scheidung der  ersten  Instanz  auf  Einziehung  des  zur  Verhandlung- 
stehenden Schiffs  unfraglich  gerechtfertigt  ist,  so  liegt  kein  Bedürfnis  vor,, 
auf  die  einzelnen  Punkte  der  Berufung  besonders  einzugehen. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden : 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  8.  August  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  M,ann,  George&Co.  in  London,  England,  ver- 
treten durch  den  Kapitän  der  „Easby  Abbey",  Robert  Prideaux. 

Prozefivertreter :  Rechtsanwalt  Akiyama  Genzo,  Tokio, 
Kyobashiko,   Unemecho  Nr.   15. 

In  der  Prisensache,  betreffend  die  Ladung  des  englischen  Dampfers- 
„Easby  Abbey",  wird  nach  Beendigung  der  Untersuchung,  wie  folgt, 
entschieden : 

Urteilsformel: 

Es  wird  auf  Einziehung  der  auf  dem  englischen  Dampfer  „Easby 
Abbey"  verladenen  etwa  4005  Tons  Cardiffkohlen  erkannt. 

^)  Anders  die  japanische  Seeprisenordnung  §§  43,  44  (V)  und  ihre  Gmndlage^ 
das  englische  Manual  of  Naval  Prize  Law,  Artiicel  82—85. 

751 


Abschnitt  VI^^  Prisengerlchtsentscheidungen :  „Easby  Abbey". 

Tatbestand  und  Gründe: 

Die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  ist  von  dem  Reklamanten, 
mit  der  Absicht,  sie  nach  Wladiwostok  in  Rußland  zu  befördern,  am 
24.  November  1904  auf  dem  gecharterten  englischen  Dampfer  „Easby 
Abbey"  verladen  worden.  Der  Dampfer  ist  am  7.  Dezember  des  Jahres 
von  Talbot  in  England  abgefahren,  über  verschiedene  Häfen  gereist  und 
bei  dem  Versuch,  durch  die  Soyastraße  nach  Wladiwostok  zu  gelangen, 
in  der  See  südlich  von  Etorup  in  Treibeis  geraten,  wodurch  er  Schaden 
an  seinem  Schiffskörper  nahm  und  lange  seine  Bewegungsfähigkeit  ein- 
büßte. Am  27.  Februar  1905  vormittags  wurde  der  Dampfer,  während 
er  so  verschlagen  und  mit  Reparatur  beschäftigt  war,  von  dem  Kaiser- 
lichen Kriegsschiff  „Nippon  Maru"  mit  der  zur  Verhandlung  stehenden 
Ladung  beschlagnahmt 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Vertreters  des  Kommandanten  der  „Nippon  Maru'',  des  Korvettenkapitäns 
Tanaka  Eitaro,  die  Vernehmungsprotokolle  des  Genannten  und 
des  Kapitäns  RobertPrideaux  des  genannten  Dampfers,  das  Schiffs- 
zertifikat, das  Tagebuch,  den  Chartervertrag,  den  Heuervertrag  und 
das  Konnossement. 

Die  Hauptpunkte  der  Reklamation  sind  folgende: 

Die  von  dem  Reklamanten,  einem  neutralen  Staatsangehörigen, 
unternommene  Beförderung  von  Steinkohle  nach  Wladiwostok,  einem 
Hafen  einer  kriegführenden  Macht,  sei  eine  öffentliche  Handelstrans- 
aktion, welche  unter  den  Freiheiten  des  neutralen  Handelsverkehrs  stehe 
und  unbestreitbar  eine  völkerrechtlich  nicht  anfechtbare  Handlung  sei. 

Da  Kohle  keine  absolute  Konterbande  sei,  so  müsse  im  vorliegenden 
Falle,  wo  Kohle  nach  Wladiwostok  gehe,  einem  Hafen,  der  die  Eigen- 
schaften sowohl  eines  Kriegs-  als  eines  Handelshafens  besitze,  mangels 
Gegenbeweises,  angenommen  werden,  daß  sie  nach  dem  Handelshafen 
Wladiwostok  habe  befördert  und  nicht  für  den  Kriegsgebrauch  ge- 
liefert werden  sollen.  Daß  dies  billig  sei,  tue  auch  die  Präcedenz-Ent- 
scheidung,  betreffend  den  im  englisch-holländischen  Krieg  im  Jahre 
1798  aufgebrachten  „Neptunus"  dar.  Für  den  vorliegenden  Fall  gelte  dies 
auch  um  so  mehr,  als  die  Ladung  nicht  ausschließlich  für  den  Kriegs- 
gebrauch verwendbar  sei,  sondern  solche  auch  ganz  allgemein  im  In- 
dustriebetriebe verbraucht  werde.  Daher  sei  es  zutreffend,  die  zur  Ver- 
handlung stehende  Ladung  nicht  als  Konterbande  anzusehen. 

Ferner  einmal  angenommen,  daß  die  zur  Verhandlung  stehende 
Ladung,  obwohl  keine  Konterbande,  feindlichen  Charakter  habe,  weil  sie 
nach  feindlichem  Gebiet  habe  befördert  werden  sollen,  so  könne  sie  doch, 
weil  sie  unter  neutraler  Flagge  fahre,  nach  der  Pariser  Seerechtsdekla- 
ration vom  Jahre  1886  nicht  eingezogen  werden.  Es  werde  daher  eine 
Entscheidung  auf  Freigabe   der  Ladung  beantragt. 

752 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Easby  Abbey".  Abschnitt  VI^^ 

Das  Gericht  ist  der  folgenden  Ansicht: 

Es  ist  bekannt,  daß  Wlodiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegs- 
hafen im  Osten  und  zurzeit  der  Hauptstützpunkt  für  seine  Marine  ist. 
Seit  dem  Kriege  mit  Japan  hat  die  russische  Regierung  den  Platz  'zu 
einem  Hauptetappenort  gemacht  und  sie  ist  mit  allen  Mitteln  bestrebt, 
dort  große  Kriegsvorräte  anzuhäufen.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr 
hat  dort  fast  gänzlich  aufgehört.  Wenn  daher  Kohle,  Lebensmittel  oder 
•dergleichen  Güter,  deren  Konterbandeeigenschaft  von  besonderen  Um- 
ständen abhängig  ist,  nach  Wladiwostok  befördert  werden,  so  muß, 
mangels  klaren  Gegenbeweises,  angenommen  werden,  daß  dieselben  für 
den  Kriegsgebrauch  zu  liefern  waren.  Besonders  kann  es  bezüglich 
•der  zur  Verhandlung  stehenden  Ladung,  welche  aus  ausgewählter  Cardiff- 
kohle  besteht,  wie  sie  im  wesentlichen  nur  zum  Gebrauch  auf  Kriegs- 
schiffen dient,  nicht  bezweifelt  werden,  daß  sie  wirklich  zum  Kriegs- 
gebrauch bestimmt  war.  Sie  ist  daher  mit  Recht  als  Konterbande 
anzusehen.  ^) 

Der  Kapitän  Robert  Prideaux  hat  durch  seine  Aussage, 

er  glaube  wohl,  daß  die  Kohle  in  Wladiwostok  der  russischen 
Regierung  hätte  geliefert  werden  sollen,  doch  wisse  er  es  nicht 
sicher, 
■den  wahren  Charakter  der  Ladung  enthüllt. 

Was  das  von  dem  Reklamanten  angezogene  Urteil  in  dem 
„Neptunus"-Fall  angeht,  so  deckt  sich  jener  Fall,  in  dem  Tierfett  nach 
Amsterdam  befördert  werden  sollte,  nicht  mit  dem  vorliegenden.  Im 
Gegenteil  kann  man  die  Begründung  jenes  Falls  viel  eher  zur  Bekräfti- 
gung der  Annahme,  daß  die  hier  zur  Verhandlung  stehende  Ladung 
Konterbande  ist,  geltend  machen.  Denn  Amsterdam  hatte  damals  einen 
vorwiegend  kommerziellen  Charakter.  Die  gegenwärtigen  Verhältnisse 
von  Wladiwostok  sind  aber,  wie  oben  dargetan,  wesentlich  andere. 
Das  in  dem  Urteil  erwähnte  Brest  kommt  den  gegenwärtigen  Verhält- 
nissen .Wladiwostoks  viel  mehr  gleich. 

Da  so  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  Konterbande  ist, 
so  kann  sie,  obwohl  unter  neutraler  Flagge  fahrend,  eingezogen  werden.  ^) 
Dies  ist  von  der  Pariser  Seerechtsdeklaration  vom  16.  April  1856  und 
der  völkerrechtlichen  Wissenschaft  und  Praxis  anerkannt. 

Daher  ist  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  einzuziehen  und 
es  wird  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  4.  Mai  1905  im  Prisengericht  zu  Yokosuka  im  Bei- 
sein des  Staatsanwalts  Uchida  Shigenari. 

(Unterschriften.) 


0  II.  Ziffer  2.  —  «)  V.  §  43. 

Marstrand-Meohlenburgr,  Das  japanische  Prisenrecht.  (48)  iOo 


Abschnitt  VI^^^  Prisengerichtsentscheldungen:  „Easby  Abbey*'. 

Reklamant:  Mann,  George  &  Co.  in  London,  England,  ver- 
treten durch  den  Kapitän  des  Dampfers  „Easby  Abbey",  Robert 
P  r  i  d  e  a  u  X. 

ProzeBvertreter :  Rechtsanwalt  Akiyama  Genzo,  Tokio, 
Kyobashiku,  Unemecho  Nr.  15. 

■  Am  4.  Mai  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Yokosuka  in  der  Prisen- 
sache, betreffend  die  Ladung  des  englischen  Dampfers  „Easby  Abbey", 
welcher  am  27.  Februar  1905  bei  der  Straße  von  Etorup  von  dem  Kaiser- 
lichen Kriegsschiff  „Nippon  Maru"  beschlagnahmt  worden  ist,  ein  Urteil 
gefällt,  in  welchem  auf  Wegnahme  der  auf  dem  englischen  Dampfer 
„Easby  Abbey"  verladenen  etwa  4005  Tons  Cardiffkohle  erkannt 
worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  Robert  Prideaux  als  Vertreter  des 
Reklamanten,  der  Firma  Mann,  George  &  Co.  durch  den  Rechts- 
anwalt Akiyama  Genzo  als  Prozeßvertreter  die  Berufung  eingelegt, 
welche  im  Beisein  der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku  und  Dr. 
jur.  Ishiwatari  Binichi  beim  Oberprisengericht  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptberufungspunkte  des  Vertreters  der '  Reklamation^ 
AkiyamaGenzo,  und  deren  Gründe  sind  folgende : 

1.  Die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  sei  nach  Wladiwostok^ 
dem  einzigen  Handelshafen  Rußlands  im  Osten,  befördert  worden  und 
zu  friedlichem  Gebrauch  bestimmt.  Daher  sei  es  eine  ungerechte  Ent- 
scheidung, sie  als  Konterbande  anzusehen. 

2.  Die  japanische  Prisenordnung  stehe  auf  dem  Standpunkt,  daß 
Kohle  nur  als  Konterbande  gelte,  wenn  es  erwiesen  sei,  daß  sie  für  den 
feindlichen  Kriegsgebrauch  geliefert  werden  solle.  ^) 

Einmal  angenommen,  dieser  Standpunkt  entspreche  den  völker- 
rechtlichen Grundsätzen,  so  sei  doch  Wladiwostok,  der  Bestimmungsort 
der  in  Frage  kommenden  Ladung,  nicht  nur  Rußlands  einziger  Kriegs- 
hafen, sondern  auch  sein  einziger  Handelshafen  im  Osten.  Es  sei  daher 
unrechtmäßig,  ohne  weiteres  anzunehmen,  daß  dorthin  bestimmte  Kohle^ 
welche  keine  absolute  Konterbande  sei,  für  den  Kriegsgebrauch  bestimmt 
sei.  Es  müsse  vielmehr  entsprechend  dem  Urteil  in  dem  „Neptunus"- 
Fall  im  englisch-holländischen  Kriege  vom  Jahre  1798  angenommen 
werden,  daß  die  hier  in  Frage  stehende  Ladung  fü-r  den  Handelshafen 
Wladiwostok  bestimmt  sei  und  für  friedlichen  Gebrauch  geliefert  werden 
solle. 

Wenn  das  Urteil  erster  Instanz  Wladiwostok  als  einen  reinen  Kriegs- 
hafen ansehe  und  es  mit  dem  in  dem  „Neptun us"-Urteil  erwähnten 
Kriegshafen  Brest  auf  eine  Stufe  stelle,  so  sei  das  eine  falsche  Auffassung 
der  Tatsachen.  Folglich  sei  auch  die  Präcedenzentscheidung  nicht  richtig 
angezogen.    Das  Urteil  erster  Instanz  übersehe,  daß  auch  heute  noch  der 

Vv^.  §  14. 

764 


Prisengerichtsentscheldungen:  „Easby  Abbey''.  Abschnitt  VI^'^ 

gewöhnliche  Handelsverkehr  mit  Wladiwostok  in  Ausübung  begriffen  sei, 
und  sage,  es  sei  eine  bekannte  Tatsache,  daß  der  Handelsverkehr  des 
genannten  Hafens  gesperrt  sei.  Auch  darin  entstelle  das  Urteil  die  Tat- 
sachen, daß  es  behaupte,  daß  Cardiffkohle,  welche  überall  auf  der  Erde 
sowohl  für  den  Kriegs-  als  für  den  Industriegebrauch  verwandt  werde, 
im  fernen  Osten  ausschließlich  auf  Kriegsschiffen  zur  Verwendung, 
komme  So  stehe  das  Urteil  mit  dem  Sachverhalt  in  Widerspruch.  Auch 
darin  sei  es  unbillig,  daß  es  die  einseitigen  Einbildungen  des  Kapitäns 
Robert  Prideaux  als  Material  für  seine  Entscheidung  angenommen 
habe. 

3.  Bezüglich  der  Behandlung  relativer  Konterbande  auf  neutralem 
Schiff  stehe  die  englische  Praxis  auf  dem  Standpunkt,  daß  Einziehung 
gegen-  Leistung  einer  Entschädigung  erfolgen  könne.  Das  kontinentale 
Prinzip,  welches  mit  den  Beschlüssen  des  internationalen  Völkerrechts- 
kongresses übereinstimme,  erkenne  mit  Bezug  auf  derartige  Güter  unter 
der  Bedingung  der  Entschädigung  nur  ein  Recht  der  Beschlagnahme 
oder  des  Vorkaufs  für  den  kriegführenden  Staat  an.  Japan  weiche  von 
diesen  Prinzipien  und  Gewohnheiten  ab  und  bestimme  in  unbilliger 
Strenge  bedingungslose  Einziehung.  Besonders  auch  da  die  japanische 
Seeprisenordnung  sich  auf  den  englischen  Prinzipien  aufbaue,  sei  es 
wünschenswert,  daß,  wo  es  sich  um  neutrale  relative  Konterbandegüter 
handele,  eine  billigere  Haltung  eingenommen  werde. 

Aus  diesen  Gründen  werde  Aufhebung  des  Urteils  erster  Instanz 
und  Erlaß  einer  Entscheidung  auf  Freigabe  der  zur  Verhandlung 
stehenden  Ladung  beantragt. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  beim  Prisen- 
gericht zu  Yokosuka,  Uchida  Shigenari,  sind  folgende : 

1.  Der  Reklamant  habe  dafür,  daß  die  zur  Verhandlung  stehende 
Ladung  zu  friedlichem  Gebrauch  geliefert  werden  solle,  keinerlei  Be- 
weis erbracht. 

Wladiwostok  sei  nun  zurzeit  Rußlands  einziger  Kriegshafen  im 
Osten  und  der  Hauptstützpunkt  der  russischen  Flotte.  Seit  dem  Kriege 
mit  Japan,  habe  die  russische  Regierung  diesen  Platz  zu  einem  Haupt- 
etappenort gemacht,  dort  seine  ganze  Kraft  zusammengezogen  und  sei 
bestrebt,  dort  Kohle  und  sonstige  Kriegsbedarfsgegenstände  anzuhäufen. 
Es  sei  bekannt,  daß  der  gewöhnliche  Handelsverkehr  dort  fast  gänzlich 
aufgehört  habe.  Wenn  daher  Kohle  und  dergleichen  Güter,  deren 
Konterbandeeigenschaft  von  besonderen  Umständen  abhängig  sei,  nach 
Wladiwostok  befördert  würden,  so  sei  es  billig,  mangels  klaren  Gegen- 
beweises anzunehmen,  daß  dieselben  für  den  Kriegsgebrauch  geliefert 
werden  sollten.  Dies  gelte  besonders  auch  bezüglich  der  zur  Verhand- 
lung stehenden  Ladung,  welche  aus  ausgewählter  Cardiffkohle  bestehe, 
wie  sie  im  Osten  ausschließlich  zum  Gebrauch  auf  Kriegsschiffen  diene. 

(48*)  755 


Abschnitt  VI«h  PrisengerichtsenUcheiduiigen:  „Easby  Abbey". 

Auch  habe  die  ,,Easby  Abbey'',  auf  der  die  Kohle  verladen  sei, 
vorsätzlich  den  Bestimmungsort  verheimlicht  und  versucht,  dadurch  der 
Aufbringung  durch  die  japanische  Marine  zu  entgehen.  Daraus  könne 
man  mit  Recht  folgern,  daß  die  Kohle  wirklich  für  den  russischen  Kriegs- 
gebrauch zu  liefern  gewesen  und  daher  Konterbande  sei.  Das  Völker- 
recht erkenne  aber  an,  daß  Konterbande,  wenn  auch  unter  neutraler 
Flagge  fahrend,  der  Einziehung  nicht  entgehen  könne. 

2.  Die  Punkte  2  und  3  der  Berufung  seien  nur  eine  Erweiterung 
der  vorherigen  Argumente,  so  daß  eine  besondere  Erörterung  derselben 
überflüssig  erscheine. 

Aus  diesen  Gründen  sei  die  Berufung  in  allen  Punkten  un- 
begründet und  zu  verwerfen. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

1.  Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegs- 
hafen ist.  Seit  dem  Krieg  mit  Japan  hat  Rußland  es  zum  Stützpunkt 
für  seine  Kriegsflotte  und  Hauptetappenort  gemacht.  Es  hat  dort  in 
ausgedehntem  Maße  Waffen,  Lebensmittel,  Kohle  und  sonstige  Kriegs- 
bedarfsartikel aufgespeichert.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr  dorthin 
hat  fast  ganz  aufgehört.  Es  ist  daher  durchaus  begründet,  wenn  das 
Gericht  erster  Instanz  angenommen  hat,  daß  die  nach  diesem  Hafen  be- 
stimmten Steinkohlen  für  den  russischen  Kriegsgebrauch  geliefert  werden 
sollten  und  daher  Kriegskonterbande  seien.  Dies  um  so  mehr,  als  die 
zur  Verhandlung  stehende  Ladung  ausgewählte  Cardiffkohle  ist  und  die 
Preise  für  solche  im  Osten  so  außerordentlich  hoch  sind,  daß  außer  für 
den  Gebrauch  auf  Kriegsschiffen  zur  Kriegszeit  keine  Nachfrage  dafür 
vorhanden  und  es  somit  unzweifelhaft  ist,  daß  die  Kohle  für  den 
russischen  Kriegsgebrauch  geliefert  werden  sollte. 

Der  Reklamant  sagt,  es  müsse  nach  der  Art  der  Präcedenz- 
entscheidung,  betreffend  den  „Neptunus",  auch  in  diesem  Falle  an- 
genommen werden,  daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  für  fried- 
liche Zwecke  bestimmt  gewesen  sei.  Aber  die  Ladung  im  „Neptunus"- 
Fall  und  die  des  vorliegenden  Falls  sind  ihrer  Art  nach  von  Grund  aus 
verschieden,  und  auch  die  Verhältnisse  der  Bestimmungsorte  sind  ganz 
andere.  Es  ist  daher  unfraglich,  daß  jener  Fall  nicht  als  Präcedenz  aaf 
den  vorliegenden  angewandt  werden  kann. 

Daher  sind  Punkt  1  und  2  der  Berufung  unbegründet. 

2.  Es  ist  völkerrechtliches  Prinzip,  daß  Konterbande  schlechthin 
konfisziert  werden  kann.  Wünsche  bezüglich  Vorkaufs,  Einziehung 
gegen  Entgelt  oder  Beschlagnahme  unter  der  Bedingung  der  Entschädi- 
gung, wie  sie  der  Reklamant  äußert,  sind  nur  verwirklicht,  wo  besondere 
vertragliche  Abmachungen  vorliegen.  Im  übrigen  finden  sich  diese  Er- 
scheinungen in  Praxis  und  Theorie  nur  vereinzelt.  Keinenfalls  können 
sie  jedoch  als  völkerrechtliche  Regel  anerkannt  werden.  Man  kann  daher 

756 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Vegga".  Abschnitt  Vl^a 

nicht  sagen,  daß  das  Urteil  erster  Instanz  es   in  etwas  versehen  habe, 
wenn  es  diesem  Ansuchen  des  Reklamanten  nicht  Folge  leistete. 

Demnach  ist  auch  Punkt  3  der  Berufung  unbegründet. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden : 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  8.  August  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Die  „Vegga"  -  Dampfschiffahrt  -  Aktiengesellschaft, 
Reederei  des  Dampfers  „Vegga",  Schweden,  Limnham,  vertreten  durch 
CharlesFrancisBenson,  Kapitän  des  Dampfers  „Vegga"  aus  Var- 
berg  in  Schweden. 

Prozefivertreter:  Die  Rechtsanwälte  Akiyama  Qenzo  und 
N  i  8  h  i  N  o  s  h  u  n ,  Regierungsbezirk  Kanagawa,  Yokohama,  Yamashi- 
tacho  Nr.  75. 

In  der  Prisensache,  betreffend  den  schwedischen  Dampfer  „Vegga" 
wird,  wie  folgt,  entschieden : 

Urteilsformel: 
Der  Dampfer  „Vegga''  wird  eingezogen. 

Tatbestand  und  Gründe: 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „Vegga"  steht  im  Eigen- 
tum des  Reklamanten,  der  „Vegga''-Dampfschiffahrt-Aktiengesellschaft, 
führt  die  schwedische  Flagge  und  ist  ein  Handelsschiff,  das  zum  Güter- 
transport dient.  Im  Auftrage  der  Agentur  der  Reederei  in  West-Hartle- 
pool,  England,  der  Aktiengesellschaft  JacobHessler,  wurden  in  Barry 
von  der  dortigen  Agentur  der  Reederei,  Watts  Watts  &  Co.  3616 
Tons  rauchloser  Cardiffkohle  geladen,  um  nach  Wladiwostok  in  Ruß- 
land befördert  zu  werden.  Der  Dampfer  fuhr,  ohne  ein  Konnossement 
zu  besitzen,  am  10.  September  1904  unter  der  Vorgabe  nach  Sabang 
auf  der  Insel  Puloway  zu  gehen,  von  Barry  ab.  Als  Bestimmungsorte 
wurden  Sabang,  Labuan  und  Hongkong  bezeichnet.  In  Hongkong  an- 
gekommen, ließ  der  Dampfer  sich  Ausklarierung  nach  Shanghai  geben, 
fuhr  aber  von  dort,  wie  auch  im  Tagebuch  und  Maschinenjournal  von 
da  ab  richtig  eingetragen  wurde,  ohne  Shanghai  anzulaufen,  direkt  nach 
seinem  Bestimmungsort.  Auf  dieser  Fahrt  wurde  er  am  3.  März  1905 
auf  340  10'  n.  Br.  und  127  0  43'  ö.  L.,  weil  er  Konterbande  führe,  von 
dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Nikko  Maru''  aufgebracht. 

757 


Abschnitt  vi^a  Prisengerlchtsentscheldungen:  ».Vagga". 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Stellvertreters  des  Kommandanten  der  „Nikko'  Maru",  Marineleutnants 
Nikuta  Hitoshi,  die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns  der 
/fVegga",  Charles  Francis  Benson,  des  ersten  Offiziers 
Christian  Nordström,  des  zweiten  Offiziers  Carl  Larson  und 
des  Obermaschinisten  Berndt  Frederikson,  das  Schiffszertifikat, 
das  Tagebuch,  das  Maschinenjournal,  den  Ausklarierungsschein,  den  Ge- 
sundheitspaß, eine  Tonssieuerbescheinigung  und  eine  Leuchtturmsteuer- 
quittung. 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  der  Vertreter  der  Reklamation 
sind  folgende: 

Das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  sei  ein  neutrales  Fahrzeug, 
und  die  auf  ihm  verschiffte  Kohle  gehöre  der  Firma  Harris,  Dixon 
&  Co.  Ltd.  in  London,  England,  und  sei  von  der  Firma  Furness 
Withy  &  Co.  Ltd.  in  West-Hartlepool  als  Absender  verschifft.  Daher 
seien  Schiffseigentümer  und  Ladungseigentümer  verschieden. 

Der  Bestimmungsort  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes, 
Wladiwostok,  sei  in  dem  Tagebuch  offen  angegeben.  Wenn  daher 
auch  in  den  anderen  Papieren  ein  falsches  Reiseziel  verzeichnet  sei, 
so  könne*  man  deshalb  nicht  behaupten,  daß  dafs  Schiff  auf  betrügerische 
Weise  der  Aufbringung  durch  die  japanische  Marine  zu  entgehen  ver- 
sucht habe. 

Selbst  wenn  man  demnach  annehme,  daß  die  Kohlenladung  des 
Schiffs  Konterbande  sei,  könne  doch  das  Schiff  nicht  eingezogen  werden. 
Viel  weniger  daher,  wo  die  Kohle  keine  Konterbande  sei,  sondern  als  eine 
gewöhnliche,  zum  Transport  nach  dem  Handelshafen  Wladiwostok  be- 
stimmte Ladung  angesehen  werden  müsse. 

Aus  diesen  Gründen  sei  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff 
freizugeben. 

Die  Hauptpunkte  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  sind  folgende: 

Es  stehe  außer  Zweifel,  daß  die  auf  dem  zur  Verhandlung  stehenden 
Schiff  verladene  Kohle  Konlerbande  sei.  Auch  habe  das  Schiff  sich 
bei  der  Beförderung  derselben  betrügerischer  Mittel  bedient,  und  es 
könne  nicht  angenommen  werden,  daß  der  Eigentümer  des  Schiffes  und 
der  Kohle  derselbe  sei. .  Daher  müsse  das  zur  Verhandlung  stehende 
Schiff  eingezogen  werden. 

Das  Gericht   ist  folgender  Ansicht: 

Die  Bestimmungen  und  die  Praxis  des  Völkerrechts  stehen  auf 
dem  Standpunkt,  daß  Schiffe,  welche  unter  Anwendung  betrügerischer 
Mittel  Konterbande  führen  und  bei  denen  der  Eigentümer  des  Schiffs 
und  der  Ladung  derselbe  ist,  eingezogen  werden  müssen. 

Die  auf  dem  zur  Verhandlung  stehenden  Schiff  verladene  Kohle 
ist  nach  Wladiwostok  bestimmt,  dem  einzigen  Flottenstützpunkt  Ruß- 

758 


Prisengerichtsentscheidungen:  ,.Vegga".  Abschnitt  Vl^a 

lands  im  Osten.  Ihrer  Qualität  nach  ist  sie  rauchlose  Cardiffkohle, 
wie  sie  so  gut  wie  ausschließlich  bei  der  Kriegsmarine  zur  Verwendung* 
kommt.  Weil  sie  somit  für  den  feindlichen  Kriegsgebrauch  bestimmt 
war,  ist  sie  Konterbande,  i) 

Die  Firma  Jacob  Hess  1er  &  Co.  in  West-Hartlepool  trug  dem 
Kapitän  auf,  im  Bestimmungsort  in  Verbindung  mit  Ginsburg  über 
die  Kohle  zu  verfügen,  und  der  Kapitän  sagt  aus,  daß  er  nach  Ankunft 
in  Hongkong  erfahren  habe,  daß  Oinsburg  in  Wladiwostok  sei. 
Danach  zu  schließen,  hat  es  schon  vor  Verschiffung  der  Kohle  fest- 
gestanden, daß  sie  nach  Wladiwostok  gehen  sollte.  Trotzdem  hat  der 
•Dampfer  nach  seiner  Abfahrt  von  Barry  während  der  Reise  andauernd 
fälschlicherweise  neutrale  Häfen  als  Bestimmungsort  angegeben.  Ins- 
besondere hat  er  in  Hongkong  sich  Auskkrierung  nach  Shanghai  geben 
lassen,  welches  er  gar  nicht  anzulaufen  beabsichtigte,  und  ist  direkt 
nach  Wladiwostok  abgefahren. 

Da  dies  unfraglich  geschehen  ist,  um  der  Aufbringung  durch 
die  japanischen  Kriegsschiffe  zu  entgehen,  so  ist  es  klar,  daß  das  Schiff 
sich  des  Konterbandetransports  unter  Anwendung  betrügerischer  Mittel 
schuldig  gemacht  hat.  Wenn  auch  seit  der  Abreise  von  Hongkong 
im  Tagebuch  und  Maschinenjournal  Wladiwostok  als  Reiseziel  ein- 
getragen worden  ist,  so  kann  doch  das  Schiff  um  dieses  unbedeutenden 
Punktes  willen  nicht  dem  Vorwurf  des  Konterbandetransports  unter 
'Anwendung  betrügerischer  Mittel  entgehen. 

Da  ferner  die  Kohle  im  Auftrage  einer  Agentur  des  Reeders 
von  einer  anderen  Agentur  desselben  verladen  worden  ist,  so  muß 
vermutet  werden,  daß  sie  im  Eigentum  des  Reeders  steht.  Weder 
aus  den  Aussagen  der  Besatzung  noch  den  auf  dem  Schiff  vorgefundenen 
Papieren,  noch  auch  sonst  ergibt  sich  ein  Beweis  für  das  Vorhandensein 
eines  anderen  Eigentümers. 

Die  Vertreter  der  Reklamation  haben  eine  Vollmacht  der  Firma 
Harris,  Dixon  &  Co.  und  eine  Abschrift  des  Konnossements  ein- 
gereicht und  behaupten,  das  Schiff  und  die  Ladung  stünden  in  ver- 
schiedenem Eigentum.  Aber  in  der  Vollmacht  bezeichnen  sich  Harris, 
Dixon  &  Co.  einfach  selbst  als  Eigentümer  der  Ladung,  ohne  dafür 
irgendwie  Beweise  beizubringen. 

Was  ferner  die  Abschrift  des  Konnossements  angeht,  so  ist  sie 
weder  auf  dem  Schiff  vorhanden  gewesen,  noch  trägt  sie  die  eigen- 
händige Unterschrift  der  betreffenden  Firma.  Deshalb  kann  ihr  keine 
Anerkennung  zuteil  werden;  es  muß  vielmehr  angenommen  werden, 
daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  im  gleichen  Eigentum  steht 
wie  die  auf  ihm  verladene  Konterbande. 


1)  II.  Ziffer  2. 

759 


Abschnitt  VI  44a  Prisengerichtsentscheidungen:  „Vegga^'* 

Das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff   ist  daher  mit  Recht  ein- 
zuziehen, ^)  und  es  wird  wie   in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  10.  Juni  1905  im  Prisengericht  zu  Sasebo,  im  Bei- 
sein des  Staatsanwalts  MizukamiChojiro. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:     Die    „Vegga"  -  Dampfschiffahrt  -  Aktiengesellschaft^ 
Schweden,    Limnham,    vertreten    durch    den    Kapitän    des    Dampfers 
„Vegga",  Charles  Francis  Benson,  aus  Varberg  in  Schweden. 

Prozefivertreten  Die  Rechtsanwälte  Akiyama  Genzound 
Nishi  Koshun,  Regierungsbezirk  Kanagawa,  Yokbhama,  Yama- 
shitacho  Nr.  75. 

Am  10.  Juni  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der  Prisen- 
sache, betreffend  den  schwedischen  Dampfer  „Vegga",  welcher  am 
3.  März  1905  auf  34  o  10 '  n.  Br.  und  127  M3 '  ö.  L.  von  dem  Kaiserlichen 
Kriegsschiff  „Nikko  Maru"  aufgebracht  worden  ist,  ein  Urteil  gefällt, 
in  welchem  auf  Einziehung  des  Dampfers  „Vegga''  erkannt  worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  Charles  Francis  Benson  als  Ver- 
treter des  Reklamanten,  der  „V)egga"-Dampfschiffahrt-Aktiengesellschaft, 
durch  die  Rechtsanwälte  AkiyamaOenzo  und  Nishi  Koshun  die 
Berufung  eingelegt,  welche  im  Beisein  der  Staatsanwälte  T  s  u  t  s  u  k  i 
K e i r o k u  und  Dr.  jur.  Ishiwatari  Binichi  beim  Oberprisengericht 
geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptberuf ungspunkte  der  Vertreter  der   Reklamation,    Aki- 
yama Genzo  und  Nishi  Koshun,  sind  folgende: 

Die  am  10.  Juni  1905  vom  Prisengericht  zu  Sasebo  gefällte  Ent- 
scheidung auf  Einziehung  des  Dampfers  „Vegga"  sei  unzutreffend.  Es 
werde  Aufhebung  des  Urteils  und  Freigabe  des  genannten  Dampfers  be- 
antragt, und  zwar  aus  folgenden  Gründen: 

1.  Der  Eigentümer  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  sei 
verschieden  von  dem  der  Ladung  und  er  habe  sich  keiner  betrügerischen 
Handlungen  schuldig  gemacht.  Das  Gericht  erster  Instanz  habe  indessen 
unzutreffenderweise  entschieden,  daß  das  Schiff  und  Ladung  im  selben 
Eigentum  stünden  und  daß  die  Ladung  unter  Anwendung  betrügerischer 
Mittel  verschifft  und  befördert  worden  sei. 

2.  Das  Urteil  erster  Instanz  behaupte,  die  Ladung  des  zur  Ver- 
handlung stehenden  Schiffs  sei  nach  Wladiwostok  bestimmt,  dem  ein- 
zigen Flottenstützpunkt  Rußlands  im  Osten,  und  ihrer  Qualität  nach  sei 

')  V.~§  43. 
760 


Priaengerichtsentscheidungen:  „Vegga".  Abschnitt  VI  44s 

sie  Cardiffkohle,  wie  sie  fast  ausschließlich  bei  der  Kriegsmarine  zur 
Verwendung  komme.  Sie  sei  demnach  als  zum  feindlichen  Kriegsgebrauch 
bestimmt  und  als  Konterbande  anzusehen. 

Wladiwostok  sei  aber  nicht  nur  ein  Kriegshafen  Rußlands,  sondern 
auch  sein  einziger  Handelshafen  im  Osten.  Handel-  und  Gewerbe- 
treibende Jller  Länder  hätten  an  diesem  Handelsplatz  Niederlassungen 
eröffnet  und  übten  zurzeit  ihre  Geschäfte  dort  aus.  Es  könne  daher  nicht 
als  zutreffend  erachtet  werden,  wenn  man  Kohle,  die  dorthin  befördert 
werde,  lediglich  mit  der  Begründung,  daß  Wladiwostok  Kriegshafen  sei, 
ohne  weiteres  als  Kriegsbedarfsgegenstand  betrachte.  Es  sei  bekannt, 
daß  in  unserer  Zeit  Cardiffkohle  nicht  ausschließlich  bei  der  Marine 
zur  Verwendung  komme,  vielmehr  ganz  allgemein  im  Handels-  und  In- 
dustriebetrieb und  auch  zu  sonstigem  Gebrauch  verwandt  werde. 

In  einem  Falle,  wo  eine  zu  kriegerischem  und  friedlichem  Gebrauch 
verwendbare  Ladung,  wie  Kohle,  nach  einem  Hafen  versandt  werde,  der 
wie  Wladiwostok  die  Eigenschaft  eines  Handels-  und  eines  Kriegshafens 
in  sich  vereinige,  müsse  angenommen  werden,  daß  es  den  Satzungen 
und  der  Praxis  des  Völkerrechts  entspreche,  wenn  man  in  Nachachtung 
des  Urteils  im  „Neptun us''-Fall  vom  Jahre  1798  entscheide,  daß  die 
Kohle  nach  dem  Handelshafen  Wladiwostok  habe  befördert  und  zu  fried- 
lichem Gebrauch  geliefert  werden  sollen. 
3.   Das  Urteil  sage,  daß 

der  Dampfer  nach  seiner  Abfahrt  von  Barry  während  der 
Reise  andauernd  fälschlicherweise  neutrale  Häfen  als  Bestim- 
mung angegeben  habe.    Insbesondere  habe  er  in  Hongkong 
sich  Ausklarierung  nach  Shanghai  geben  lassen,  welches  er 
gar  nicht  anzulaufen  beabsichtigt  habe,  und  sei  direkt  nach 
Wladiwostok  abgefahren.    Da  dies  unfraglich  geschehen  sei,  ^ 
um  der  Aufbringung  durch  die  japanischen  Kriegsschiffe  zu 
entgehen,  so  sei  es  klar,  daß  das  Schiff  sich  des  Konterbande- 
transports unter  Anwendung  betrügerischer  Mittel  schuldig- 
gemacht habe. 
Wenn  aber  der  Dampfer  nach  der  Abfahrt  von  Barry  als  Bestimmung 
neutrale  Häfen  angegeben  habe,  so  sei  das  geschehen,  um  die  Mann.- 
schaft,  welche  keine  Neigung  gehabt  habe,  nach  Wladiwostok  zu  gehen, 
den  Bestimmungsort  nicht  wissen  zu  lassen.    Als  in  Labuan  der  Mann- 
schaft gesagt  worden  sei,  daß  das  Schiff  nach  Wladiwostok  bestimmt 
sei,  habe  dieselbe  sofort  auf  ihre  Abmusterung  gedrungen,  so  daß  diese 
bei  ihrer  Ankunft  in  Hongkong  unvermeidlich  geworden  und  eine  neue 
Mannschaft  angemustert  worden  sei. 

Daß  ferner  das  Schiff  sich  in  Hongkong  Ausklarierung  für  Shanghai 
habe  geben  lassen,  habe  seinen  Grund  darin,  daß  es  bei  seiner  Agentur 
gehört  habe,  daß  es  schwierig  sein  würde,  Ausklarierung  für  Wladiwostok 

761 


Abschnitt  Vl^a  Prisengerichts entscheidiingeii:  „Vegga'\ 

zu  erhalten.    Daher  sei  der  betreffenden  Behörde  eine  faisthe  Angabe 
gemacht  und  Ausklarierung  für  Shanghai  genommen  worden. 

Daß  diese  Handlungen  nicht  in  böser  Absicht  begangen  seien,  um 
dadurch  der  Aufbringung  durch  die  japanische  Marine  zu  entgehen, 
werde  daraus  offenbar,  daß  in  dem  Tagebuch  und  dem  Maschinenjournal 
des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  Wladiwostok  als  BestÜnmungsort 
eingetragen  sei.  Wenn  man  annehmen  wolle,  daß  die  Absicht,  die  Kap- 
toren zu  täuschen,  vorgelegen  habe,  so  hätten  doch  auch  falsche  Ein- 
tragungen in  das  Tagebuch  gemacht  werden  müssen.  Denn  es  sei  klar, 
daß,  wo  dies  nicht  geschehen  sei,  vielmehr  nur  in  der  Ausklarierung  der 
Bestimmungsort  verheimlicht,  in  den  übrigen  Schiffspapieren  aber  der 
wahre  Bestimmungsort  angegeben  sei,  ein  möglicherweise  beabsichtigter 
Betrug  nicht  hätte  erreicht  werden  können.  Denn  es  könne  nicht  ab- 
genommen werden,  daß  die  Kaptoren  auf  diese  unmögliche  Weise  hätten 
getäuscht  werden  können.  Diese  Handlungen  könnten  daher  nicht  als 
das  angesehen  werden,  was  das  Völkerrecht  als  betrügerische  Mittel  be- 
zeichne. 

4.   Das  Urteil  erster  Instanz  habe  entschieden,  daß 

die  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  im  Auf- 
trag der  Agenten  der  Reeder  verschifft  worden  sei  und  daher 
im  Eigentum  der  letzteren  stehe. 
In  dem  Bericht  des  Offiziers,  der  die  Beschlagnahme  ausgeführt  habe, 
betreffend  die  Umstände  derselben,  heiße  es  indes, 

daß  die  Frau  des  Kapitäns,  ohne  gefragt  zu  sein,  gesagt  habe, 
daß  die  Kohlen  demselben  Eigentümer  gehörten,  wie  der  „Syl- 
viana".3)    Als  dann  der  Kapitän  darüber  gehört  worden  sei, 
habe  er  anfangs  gesagt,  er  wisse  nichts  darüber,  später  aber 
diese  Tatsachen  zugestanden Da  unter  den  Schiffs- 
papieren kein  Frachtbrief  vorhanden  gewesen  sei,  so  habe  er 
angenommen,  daß  dieser  wohl  verborgen  worden  sei.    Nach 
vielen  Vernehmungen  habe  der  Kapitän  endlich  gesagt,  daß 
er  von  dem  Ladungseigentümer  mündlich  beauftragt  worden 
sei,  nach  Ankunft  in  Wladiwostok  M.  Qinsburg  Mitteilung 
zu  machen. 
Daraus  müsse   man   entnehmen,   daß   die   Ladung  nicht   dem    Reeder 
gehöre,  sondern  daß  ein  anderer  Eigentümer  vorhanden  sei.    Da  eine 
Erörterung  über  die  Beziehungen  von  M.  Ginsburg  und  Harris  & 
D  ixon  bezüglich  der  Ladung  überflüssig  sei,  so  werde  darauf  hier  nicht 
eingegangen.    Schon  daraus  aber,  daß  Harris  &  Dixon  auf  eigenen 
Antrieb  die  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  als  ihr 
Eigentum  bezeichnet  und  dem  Prozeßvertreter  die  von  diesem  einge- 
reichte Vollmacht  geschickt  hätten,  könne  man  vermuten,  daß  die  Ladung 

3)  VI.  39  a  und  b. 

762 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Vegga".  Abschnitt  VI^« 

flicht  im  Eigentum  der  Reeder  stehe,  daß  vielmehr  ein  anderer  richtiger 
Eigentümer  vorhanden  sei. 

Was  ferner  die  Tatsache  angehe,  daß  die  zur  Verhandlung  stehende 
Ladung  im  Auftrag  der  Agentur  der  Reeder  verschifft  worden  sei,  so 
habe  der  Reklamant  als  Seetransportfirma  einen  Gütertransport  für  eine 
andere  Person  übernommen,  und  in  solchem  Fall  sei  es  ein  ganz  natür- 
liches'geschäftsmäßiges  Vorgehen,  die  Verschiffung  entweder  so  zu  be- 
werkstelligen, daß  der  Reeder  selbst  dem  Kapitän  Order  gebe  oder  durch 
seinen  Vertreter  geben  lasse.  Wenn  auf  Grund  dieser  Tatsachen  an- 
genommen worden  sei,  daß  die  Ladung  dem  Reeder  gehöre,  so  sei  das 
eine  verfehlte  Vermutung. 

Kurz,  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  sei  nicht  schuldig, 
Kohle,  die  als  Konterbande  angesehen  werden  müsse,  unter  Anwendung 
betrügerischer  Mittel  verladen  zu  haben.  Auch  könne  es  aus  dem 
Grunde,  daß  die  Ladung  nicht  dem  Reeder  gehöre,  nicht  eingezogen 
werden. 

Auch  einmal  angenommen,  die  Ladung  sei  Konterbande,  so  könne 
das  Schiff  doch  nicht  die  Strafe  der  Einziehung  mit  der  Ladung  teilen, 
da  der  Reeder  darum  nicht  gewußt  habe  und  bei  dem  Transport  nicht 
im  Einverständnis  gewesen  sei. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  der  Staatsanwälte  beim  Prisen- 
gericht zu  Sasebo,  Mizukami  Chojiro  und  Yamamoto  Tatsu- 
rokuro,  sind  folgende: 

L  Nach  dem  Inhalt  der  Aussage  des  Reklamanten,  d.  h.  des 
Kapitäns,  in  der  Vernehmung  durch  den  mit  dem  Fall  beauftragten 
Rait  und  daraus,  daß  kein  Konnossement  an  Bord  gewesen,  noch  irgend- 
welcher Beweis  dafür  vorhanden  sei,  daß  ein  anderer  der  Eigentümer 
der  Steinkohle  sei,  müsse  man  annehmen,  daß  die  Kohle  im  Eigentum 
von  Jacob  Hessler  &  Co.,  d.  i.  der  Agentur  der  Reederei,  stehe 
und  daß  Schiff  und  Ladung  denselben  Eigentümer  hätten.  Freilich 
habe  der  Reklamant  bei  der  mündlichen  Verhandlung  über  diese  Re- 
klamation die  Vollmacht  von  Harris  &'Dixon,  welche  sich  selbst  als 
Eigentümer  der  Kohle  bezeichnet  hätten,  und  eine  Abschrift  des  Kon- 
nossements vorgelegt.  Es  sei  aber  zutreffend,  wenn  das  Gericht  erster  In- 
stanz dieselben  nicht  als  beweiskräftig  anerkannt  habe,  da  solche  Schrift- 
stücke unter  den  Beteiligten  jederzeit  hergestellt  werden  könnten,  und  sich 
lediglich  an  die  Aussage  des  Kapitäns  gehalten  und  angenommen  habe, 
daß  Schiff  und  Ladung  demselben  Eigentümer  gehörten. 

2.  Das  Gericht  erster  Instanz  habe  freilich  angenommen,  daß  das 
Schiff  sich  bei  der  Beförderung  der  Konterbande  betrügerischer  Mittel 
bedient  habe.  Es  habe  aber  nicht  angenommen,  daß  es  dies  bei  der 
Verschiffung  derselben  getan  habe. 

Der  Kapitän  habe  von  JacobHessler  Order  bekommen,  über  die 

763 


Abschnitt  VI^*  Prisengerichtsentscheidungen:  „Vegga"^. 

erhaltene  Kohle  am  Bestimmungsort  im  Einvernehmen  mit  Qinsburg  ^ 
zu  verfügen.  Danach  sei  Wladiwostok  von  vornherein  als  Bestimmungs- 
ort festgesetzt  gewesen.  Das  Schiff  habe  aber  seit  seiner  Abfahrt  von 
Barry  vorsätzlich  während  seiner  Reise  neutrale  Häfen  als  Bestinmiungs- 
orte  vorgegeben.  Besonders  habe  es  sich  auch  in  Hongkong  einen  Aus- 
klarierungsschein nach  Shanghai  ausstellen  lassen,  obwohl  dort  anzu- 
laufen gar  nicht  beabsichtigt  gewesen  sei;  und,  obgleich  das 'Schiff 
mit  dieser  Ausklarierung  versehen  worden  sei,  sei  es  tatsachlich  direkt 
nach  Wladiwostok  gefahren,  so  daß  man  nicht  annehmen  könne,  daß- 
die  Ausstellung  unbeabsichtigt  geschehen  sei.  Es  sei  vielmehr  gar  iiicht 
zu  verdecken,  daß  dies  eins  der  gewöhnlichsten  Mittel  gewesen  sei^ 
um  der  Aufbringung  durch  die  japanische  Marine  zu  entgehen. 

Die  von  dem  Urteil  erster  Instanz  angenommenen  Tatsachen  seien 
daher  zutreffend  und  die  Berufung  sei,  weil  in  allem  unbegründet,  zu 
verwerfen. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

1.  Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegs- 
hafen ist.  Seit  dem  Krieg  mit  Japan  hat  Rußland  es  zum  Stützpunkt 
für  seine  Kriegsflotte  und  Hauptetappenort  gemacht.  Es  hat  dort  in  aus- 
gedehntem Maße  Waffen,  Lebensmittel,  Kohle  und  sonstige  Kriegs- 
bedarfsartikel aufgespeichert.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr  nach 
dorthin  hat  fast  ganz  aufgehört.  Es  ist  daher  durchaus  begründet,  wenn 
das  Gericht  erster  Instanz  angenommen  hat,  daß  die  nach  diesem  Hafen 
bestimmte  Steinkohle  für  den  russischen  Kriegsgebrauch  geliefert  werden 
sollte  und  daher  Kriegskonterbande  sei.  Dies  um  so  mehr,  als  die  Kohlen- 
ladung des  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfers  ausgewählte  Cardiff- 
kohle  ist,  und  die  Preise  für  solche  im  Osten  so  außerordentlich  hoch 
sind,  daß  außer  für  den  Gebrauch  auf  Kriegsschiffen  zur  Kriegszeit  keine 
Nachfrage  dafür  vorhanden  und  es  somit  unzweifelhaft  ist,  daß  die  Kohle 
für  den  russischen  Kriegsgebrauch  geliefert  werden  sollte. 

Der  Reklamant  sagt,  es  müsse  nach  Art  der  Präcedenzentscheidung, 
betreffend  den  „Neptunus''  auch  in  diesem  Falle  angenommen  werden,, 
daß  die  in  Frage  stehende  Ladung  für  friedliche  Zwecke  bestimmt  ge- 
wesen sei.  Aber  die  Ladung  im  „Neptunus"-Fall  und  die  des  vor- 
liegenden Falls  sind  ihrer  Art  nach  von  Grund  aus  verschieden  und 
auch  die  Verhältnisse  der  Bestimmungsorte  sind  ganz  andere.  Es  ist  ^ 
daher  unfraglich,  daß  jener  Fall  nicht  als  Präcedenz  auf  den  vorliegenden 
angewandt  werden  kann. 

2.  Das  Völkerrecht  erkennt  an,  daß  Schiffe  wie  das  zur  Ver- 
handlung stehende,  deren  Reisezweck  der  Transport  von  Konterbande 
ist,  eingezogen  werden  können.  *)     Das  Oberprisengericht  ist  der  An- 

*)  Anders  die  japanische  Seeprisenordnung,  §§  43,  44  (V)  und  ihre  Grundlage^ 
das  englische  Manual  of  Naval  Prize  Law,  Art.  82—85. 

764 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Vegga".  Abschnitt  VI 44b 

sieht,  daß  dies  den  Verhältnissen  gerecht  wird.  Besonders  im  vor- 
liegenden Falle,  wo  die  ganze  Ladung  des  Schiffs  Konterbande  Ist. 
Auch  würfle,  obwohl  von  Anfang  der  Reise  in  Barry  an  Wladiwostok  als 
Bestimmungsort  festgesetzt  war,  zunächst  Sabang  als  solcher  angegeben, 
■dann  des  öfteren  der  Bestimmungsort  gewechselt,  immer  aber  fälsch- 
licherweise ein  neutraler  Hafen  vorgegeben.  Insbesondere  ließ  sich  das 
.  Schiff  in  Hongkong  auf  Grund  seiner  Angaben  Ausklarierung  für 
Shanghai  geben,  welches  es  anzulaufen  gar  nicht  beabsichtigte,  und  fuhr 
dann  direkt  nach  Wladiwostok.  Da  das  Schiff  demnach  von  Anfang  an 
vorhatte,  die  auf  ihm  verschiffte  Konterbandeladung  von  Cardiffkohle 
nach  Wladiwostok  zu  schaffen,  so  sind  die  falschen  Eintragungen  in  den 
Schiffspapieren  mit  der  Absicht  gemacht  worden,  für  den  Fall  einer 
Aufbringung  auf  der  Reise  durch  japanische  Kriegsschiffe  der  Weg- 
nahme des  Schiffes  vorzubeugen.  Es  liegt  demnach  nichts  anderes  vor, 
als  die  Anwendung  betrügerischer  Mittel  zur  Ausführung  eines  Konter- 
bandetransports. 

Da  schon  nach  dem  in  den  Punkten  1  und  2  Gesagten  die  Ent- 
scheidung der  ersten  Instanz  auf  Einziehung  des  Schiffs  unfraglich  ge- 
rechtfertigt ist,  so  liegt  keine  Notwendigkeit  vor,  auf  die  einzelnen 
Punkte  der  Berufung  noch  besonders  einzugehen. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  5.  September  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Furness,  Withy  &  Co.  Ltd.,  England,  County 
Durham,  West-Hartlepool,  vertreten  durch  den  Kapitän  des  Dampfers 
f;Vegga",  Charles  Francis  Benson    aus  Varberg  in   Schweden. 

Prozeßvertreter:  Die  Rechtsanwälte  Akiyama  Genzo  und 
Nishi  Noshun,  Regierungsbezirk  Kanagawa,  Yokohama,  Yamashi- 
tacho  Nr.  75. 

In  der  Prisensache,  betreffend  die  Ladung  des  schwedischen 
Dampfers  „Vegga",  wird,  wie  folgt,  entschieden : 

Urteilsformel: 
Die  Reklamation  wird  abgewiesen. 

Die  auf  dem  Dampfer  „Vegga"  verladenen  3616  Tons  Steinkohlen 
werden  eingezogen. 

765 


Abschnitt  VI 44b  Prisengerichtsentscheidungen:  „Vegga'^ 

Tatbestand  und  Gründe: 

Die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  von  3616  Tons  rauchloser 
Cardiffkohle  ist  auf  dem  schwedischen  Dampfer  „Vegga"  in|  Auftrag 
der  Agentur  der  Reederei  des  Dampfers,  der  Firma  Jacob  Hessler 
&  Co.  Ltd.,  in  Weest-Hartlepool,  England,  von  der  Agentur  der  Ree- 
derei in  Barry,  Watts,  Watts  &  Co.,  verladen  worden,  um  nach 
Wladiwostok  in  Rußland  befördert  zu  werden. 

Am  10.  Dezember  1904  fuhr  der  Dampfer  von  Barry  über  Sabang, 
Labuan  und  Hongkong  nach  Wladiwostok  ab.  Auf  dieser  Reise  wurde 
die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  am  3.  März  1905  auf  34 ^  10' 
n,  Br.  und  127  ^  43'  ö.  L.  zusammen  mit  dem  genannten  Dampfer  von 
dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Nikko  Maru"  beschlagnahmt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Stellvertreters  des  Kommandanten  der  „Nikko  Maru",  Marineunter- 
leutnants Nikuta  Hitoshi,  die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns 
der  „Vegga",  Charles  Francis  Benson,  des  ersten  Offiziers 
Christian  Nordström,  des  zweiten  Offiziers  Carl  Larson,  des 
Obermaschinisten  Berndt  Frederikson,  durch  das  Schiffs- 
zertifikat, das  Tagebuch  und  das  Maschinenjournal. 

Die  Hauptpunkte  der  Vertreter  der  Reklamation  sind  folgende: 

Die  zur  Verhandlung  stehende  Kohle  sei  von  dem  Reklamanten 
als  Absender  auf  dem  Dampfer  „Vegga"  verschifft  worden,  um  nach 
Wladiwostok  befördert  zu  werden. 

Kohle  sei  nur,  wenn  anzunehmen  sei,  daß  sie  für  den  feind- 
lichen Kriegsgebrauch  geliefert  werden  sollte,  Konterbande,  und  Güter, 
welche  nach  einem  Hafen,  der  wie  Wladiwostok  die  Eigenschaften  eines 
Kriegshafens  und  eines  Handelshafens  in  sich  vereinige,  geschickt 
würden,  seien  nicht  als  für  den  Kriegsgebrauch,  sondern  vielmehr  für 
friedlichen  Gebrauch  bestimmt,  daher  nicht  als  Konterbande  anzusehen. 
Daß  dies  billig  sei,  tue  die  Präcedenzentscheidung  in  der  Prisensache, 
betreffend  die  „Neptunus"  dar. 

Selbst  wenn  man  die  zur  Verhandlung  stehende  Kohle  als  feind- 
liches Gut  ansehen  wolle,  so  sei  es  doch  ein  unrechtmäßiges  Vorgehen 
gewesen,  sie  zu  beschlagnahmen,  da  sie  unter  neutraler  Flagge  ge- 
fahren sei. 

Aus  diesen  Gründen  sei  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung 
freizugeben. 

Die  Hauptpunkte  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  sind  folgende: 

Die  zur  Verhandlung  stehende  Kohle  sei  nach  Wladiwostok,  dem 
Hauptflottenstützpunkt  Rußlands,  bestimmt  gewesen.  Sie  sei  daher,  weil 
es  offenbar  sei,  daß  sie  zu  feindlichem  Kriegsgebrauch  habe  dienen 
sollen,   Konterbande.    Deshalb  sei  sie  einzuziehen. 

Das  Gericht   ist  folgender  Ansicht: 

766 


Prisengerichtsentscheldungen:  „Vegga".  Abschnitt  Jfl^^ 

Die  Vertreter  der  Reklamation  behaupten,  daß  der  Reklamant  der 
Absender  der  zur  Verhandlung  stehenden  Ladung  sei.  Die  als  Beweis 
hierfür  eingereichte  Abschrift  des  Konnossements  ist  aber  weder  auf 
dem  Schiff  vorhanden  gewesen,  noch  trage  sie  die  eigenhändige  Unter- 
schrift des  Ausstellers.  Daher  könne  ihr  keine  Anerkennung  gewährt 
werden.  Danach  ist  das  rechtliche  Interesse  i)  des  Reklamanten  an 
der  zur  Verhandlung  stehenden  Ladung  als  nicht  erwiesen  zu  erachten, 
und  die  Reklamation  ist  abzuweisen. 

Die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  ist  Cardiffkohle,  wie  sie 
zurzeit  vorzugsweise  auf  Kriegsschiffen  zur  Verwendung  kommt.  Ihr 
Bestimmungsort,  Wladiwostok,  ist  Rußlands  einziger  Kriegshafen  im 
Osten  und  gegenwärtig  der  Hauptstützpunkt  seiner  Flotte.  Es  ist  da- 
her gerechtfertigt  anzunehmen,  daß  die  Kohle,  wenn  sie  dort  ankommen 
würde,   sicher  zum  Kriegsgebrauch  des  Feindes  dienen  würde. 

Sie  ist  daher  als  Konterbande  anzusehen  2)  und  muß  mit  Recht 
eingezogen  werden.  3) 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  10.  Juni  1905  im  Prisengericht  zu  Sasebo,  im  Bei- 
sein des  Staatsanwalts  Mizükami  Chojiro. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Furness,  Withy  &  Co.  Ltd.,  England,  County 
Durham,  West-Hartlepool,  vertreten  durch  Charles  Francis  Ben- 
son,  Kapitän  des  Dampfers  „Vegga"  aus  Schweden,  Varberg. 

Prozeßvertreter:  Die  Rechtsanwälte  Akiyama  Qenzo  und 
Nishi  Koshun,  Regierungsbezirk  Kanagawa,  Yokohama,  Yama- 
shitacho  Nr.  75. 

Am  10.  Juni  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der  Prisen- 
sache, betreffend  die  Ladung  des  schwedischen  Dampfers  „Vegga",. 
w^elcher  am  3.  März  1905  auf  34 »  10'  nördlicher  Breite  und  127  0  43' 
östlicher  Länge  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Nikko  Maru"  be- 
schlagnahmt \cx)rden  ist,  ein  Urteil  gefällt,  in  welchem  auf  Abweisung^ 
der  Reklamation  und  auf  Einziehung  der  auf  dem  Dampfer  „Vegga" 
verschifften  3616  Tons  Steinkohlen  erkannt. worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  Charles  Francis  Benson  als  Ver- 
treter des  Reklamanten,  der  Firma  FurnessWithy&Co.  Ltd.,  durch 
die  Rechtsanwälte  Akiyama  Genzo  und  Nishi  Koshun  als  Pro- 
zeßvertreter die  Berufung  eingelegt,  welche  im  Beisein  der  Staatsanwälte 

»)Tvr§  16,2.  —  23  II.  Ziffer  2.  -  •)  V.  §  43. 

767 


Abschnitt  Vl^t*  Prisengeiichtsentschei düngen:  „Vegga". 

Tsutsuki  Keiroku  und  Dr.  jur.  IshiwatariBinichi  beim  Ober- 
prisengericht geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  der  Vertreter  der  Reklamation, 
Akiyama  Genzo  und  Nishi  Koshun,  sind  folgende: 

Am  10,  Juni  1905  habe  das  Prisengericht  zu  Sasebo  ein  Urteil  ge- 
fällt, in  welchem  auf  Abweisung  der  vorliegenden  Reklamation  und  Ein- 
ziehung der  auf  dem  Dampfer  „Vegga"  verschifften  3616  Tons  Stein- 
kohlen erkannt  worden  sei.  Diese  Entscheidung  sei  unzutreffend,  es 
werde  Aufhebung  derselben  und  Freigabe  der  zur  Verhandlung  stehenden 
Ladung  beantragt,  und  zwar  aus  folgenden  Gründen: 

1.  Die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  sei  weder  Eigentum  des 
Reeders  noch  Kriegskonterbande.  Es  sei  daher  unzutreffend,  wenn  das 
Gericht  erster  Instanz  angenommen  habe,  daß  sie  dem  Reeder  gehöre 
und  Konterbande  sei,  und  daraufhin  auf  Einziehung  dieser  Ladung  mit- 
samt dem  Schiff  entschieden  habe. 

2.  Das  Gericht  verweigere  der  von  dem  Reklamanten  zum  Beweise 
dessen,  daß  er  der  Absender  sei,  eingereichten  Kopie  des  Konnossements 
•die  Anerkennung,  mit  der  Begründung,  daß  sie  nicht  auf  dem  Schiff 
vorhanden  gewesen  sei  und  nicht  die  eigene  Unterschrift  des  Reklamanten 
trage.  Die  darauf  gegründete  Entscheidung,  welche  dem  Reklamanten 
das  rechtliche  Interesse  an  der  Ladung  abspreche  und  die  Reklamation 
abweise,  sei  unzutreffend.  Denn  der  Grund,  weshalb  das  Konnosse- 
ment in  Kopie  eingereicht  sei,  sei  der,  den  Inhalt  des  zur  Zeit  der  Ver- 
schiffung der  Ladung  ausgestellten,  aber  von  Anfang  auf  dem  Schiff 
nicht  vorhanden  gewesenen  Originals,  der  derselbe  gewesen  sei  wie  der 
der  Kopie,  darzutun.  Es  sei  in  den  Regeln  über  die  Beweisaufnahme 
anerkannt,  daß  im  Falle  des  Nichtvorhandenseins  des  originalen  Be- 
weisdokuments eine  Kopie  an  seiner  Stelle  dienen  könne.  Wenn  daher 
auch  die  Unterschrift  nicht  die  eigene  Unterschrift  des  Reklamanten  sei, 
so  müsse  doch  in  einem  solchen  Falle  die  Beweiskraft  der  Kopie  an- 
erkannt werden.  Weshalb  das  Original  nicht  auf  dem  Schiff  vorhanden 
gewesen  sei,  ergebe  sich  aus  dem  Vernehmungsprotokoll  des  Kapitäns, 
wo  es  heiße: 

der  Grund  dafür,  daß  er  kein  Konnossement  habe,  sei  der, 
daß  die  Verschiffung  der  Kohle  am  Sonnabend  fertig  gewesen 
und  daß  er  am  selben  Abend  abgereist  sei.  Wenn  er  bis  zum 
Montag  gewartet  hätte,  wäre  ihm  das  Konnossement  aus- 
gehändigt worden.  Da  er  aber  am  Sonnabend  abgefahren  sei, 
habe  er  es  nicht  erhalten  können  und  es  habe  ihm  nach- 
geschickt werden  sollen.  Daher  habe  er  es  nicht  an  Bord 
gehabt. 
Daraus  ergebe  sich,  daß  das  Konnossement  über  die  zur  Verhandlung 
stehende  Ladung  zur  Zeit  der  Verschiffung  ordnungsmäßig  ausgestellt 

768 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Vegga".  Abschnitt  VI 44b 

und  in  Händen  der  Agentur  des  Schiffes  gewesen,  von  dieser  aber  dem 
Kapitän  nicht  geschickt  worden  sei.  Daher  habe  das  Schiff  nicht  mit 
dem  Original  versehen  werden  und  dieses  nicht  bei  der  Aufbringung 
vorgelegt  werden  können. 

Es  sei  freilich  nicht  zu  bestreiten,  daß  das  Nichtvorhandensein 
des  Konnossements  auf  dem  Schiff  den  gebräuchlichen  Regeln  zuwider 
sei.  Dem  Fehlen  des  Konnossements  liege  aber  kein  böser  Glaube  auf 
selten  des  Reeders  oder  des  Kapitäns  zugrunde,  insofern  als  das  Nicht- 
vorhandensein nicht  von  ihnen  .beabsichtigt,  sondern  schließlich  nur 
die  Folge  einer  Versäumnis  der  Agentur  des  Dampfers  gewesen  sei. 
Daraufhin  dem  Absender  und  Reklamanten  die  Verantwortung  dafür 
aufzuerlegen,  und  seine  Reklamationsbefugnis  zu  leugnen,  sei  eine  Ent- 
scheidung, welche  der  Vernunft  zuwiderlaufe. 

3.   Das  Gericht  erster  Instanz  habe  folgendes  entschieden: 

die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  sei  Cardiffkohle,  wie 
sie  zurzeit  vorzugsweise  auf  Kriegsschiffen  zur  Anwendung 
komme.    Der  Bestimmungsort,   Wladiwostok,   sei   Rußlands 
einziger  Kriegshafen  im  Osten  und  gegenwärtig  der  Haupt- 
stützpunkt seiner  Flotte.    Es  sei  daher  gerechtfertigt,  anzu- 
nehmen, daß  die  Kohle,  Venn  sie  dort  ankommen  würde,  zum 
Kriegsgebrauch  des  Feindes  dienen  würde.     Daher  sei  sie 
als  Konterbande  anzusehen  und  müsse  mit  Recht  eingezogen 
werden. 
Wladiwostok  sei  aber  nicht   nur   ein   Kriegshafen   Rußlands,    sondern 
auch  sein  einziger  Handelshafen  im  Osten,  in  dem  alle  Arten  von  Handels- 
und Gewerbeunternehmungen  betrieben  würden.  Auch  zur  Zeit  der  Be- 
förderung der  zur  Verhandlung  stehenden  Ladung  hätten  Handels-  und 
Gewerbetreibende  aller  Länder  dort  nach  wie  vor  ihre  Geschäfte  be- 
trieben.   Es  könne  daher  nicht  als  zutreffend  erachtet  werden,  wenn 
man  Kohle,  die  dorthin  befördert  werde,  lediglich  mit  der  Begründung, 
daß  Wladiwostok  Kriegshafen  sei,  ohne  weiteres  als  Kriegsbedarfsgegen- 
stand betrachte.   Es  sei  ^bekannt,  daß  in  unserer  Zeit  Cardiffkohle  nicht 
ausschließlich  bei  der  Marine  zur  Verwendung  komme,  vielmehr  ganz 
allgemein   im   Handels-   und   Industriebetrieb   und  auch   zu  sonstigem 
Gebrauch  verwandt  werde. 

In  einem  Falle,  wo  eine  zu  kriegerischem  und  friedlichem  Gebrauch 
verwendbare  Ladung  wie  Kohle  nach  einem  Hafen  versandt  werde,  der 
wie  Wladiwostok  die  Eigenschaften  eines  Handels-  und  eines  Kriegs- 
hafens in  sich  vereinige,  müsse  angenommen  werden,  daß  es  den 
Satzungen  und  Gebräuchen  des  Völkerrechts  entspreche,  wenn  man 
nach  dem  schon  in  anderen  Fällen  zitierten  Urteil  des  „Neptunus"-Falles 
entscheide,  daß  die  Kohle  nach  dem  Handelshafen  Wladiwostok  habe 
befördert  und  zu  friedlichem  Gebrauch  geliefert  werden  sollen. 

Marstrand-Meohlenburir,  Das  japanlBoho  Prisenrecht.  (49)  TOll 


Abschnitt  VI 44b  Prisengerichtsentscheidungen:  .Vegga*. 

Kurz,  der  Reklamant  sei  der  Absender  der  zur  Verhandlung 
stehenden  Ladung  und  habe  somit  ein  rechtliches  Interesse  an  derselben. 
Femer  sei  die  Ladung  keine .  Kriegskonterbande.  Es  werde  daher  An- 
nahme der  zur  Verhandlung  stehenden  Reklamation  und  Freigabe  der 
zur  Verhandlung  stehenden  Ladung  beantragt. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  der  Staatsanwälte  beim  Prisen- 
gericht zu  Sasebo,  Mizukami  Chojiro  und  Yamamoto  Tatsu- 
rokuro,  sind  folgende: 

1.  Da  für  die  Behauptung  des  Reklamanten,  daß  die  zur  Verhand- 
*lung  stehende  Ladung  in  seinem  Eigentum  stehe,  und  daß  er  der  Ab- 
sender derselben  sei,  keinerlei  Beweis  erbracht  worden  sei,  so  müsse 
man  annehmen,  daß  der  Reklamant  keinerlei  Beziehungen  zu  der  Ladung- 
habe.  Da  ihm  demnach  keine  Reklamationsbefugnis  zustehe,  so  sei 
die  Entscheidung  erster  Instanz  auf  Abweisung  der  Reklamation, 
begründet. 

2.  Da  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  ausschließlich  bei 
der  Marine  zur  Verwendung  kommende  rauchlose  Cardiffkohle,  und  ihr 
Bestimmungsort  Wladiwostok  sei,  der  einzige  Kriegshafen  Rußlands  im 
Osten  und  Hauptstützpunkt  für  seine  Flotte;  da  ferner  der  Empfänger 
der  Ladung.der  russische  Regierungslieferant,  der  bekannte  G  i  n  s  b  u  r  g ,, 
sei,  so  sei  es  sicher,  daß  sie,  wenn  sie  angekommen  wäre,  zum  feind- 
lichen Kriegsgebrauch  geliefert  worden  wäre.  Daher  sei  die  Annahme 
des  Gerichts  erster  Instanz,  daß  die  Ladung  Konterbande,  und  die 
Entscheidung,  daß  sie  einzuziehen  sei,  zutreffend. 

Demnach  sei  die  Berufung,  weil  in  allen  Punkten  unbegründet,, 
abzuweisen. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 
Schiffspapiere  und  andere  Beweismittel,  welche  dartun  könnten^ 
daß  der  Reklamant  ein  rechtliches  Interesse  an  der  zur  Verhandlung 
stehenden  Kohle  hat,  sind  nicht  vorhanden.  Der  Reklamant  hat  freilich 
bei  der  mündlichen  Verhandlung  in  der  ersten  Instanz  zum  Beweise 
dafür,  daß  Harris  &  Dixon  die  Eigentümer  der  zur  Verhandlung 
stehenden  Ladung  seien,  eine  Vollmacht  und  eine  Abschrift  des  Kon- 
nossements eingereicht.  Diese  Vollmacht  beweist  indes  nichts  weiter^ 
als  daß  Harris  &  Dixon,  ;weil  sie  die  Eigentümer  der  zur  Ver- 
handlung stehenden  Kohle  seien,  dem  Rechtsanwalt  und  Prozeßvertreter 
der  zur  Verhandlung  stehenden  Berufung,  Akiyama  Genzo,  zur 
Einreichung  der  Reklamation  den  Auftrag  gegeben  haben.  Sie  beweist 
aber  nicht,  daß  die  Kohle  der  Firma  Harris  &  Dixon  gehört. 

Was  ferner  die  erwähnte  Kopie  des  Konnossements  arigieht,  so  kann 
dieselbe  jederzeit  von  dem  Vertreter  des  Reklamanten,  dem  Kapitän, 
hergestellt  worden  sein. 

770 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Vegga'.  Abschnitt  VI^^ 

Daher  ist  es  durchaus  begründet,  wenn  das  Gericht  erster  Instanz 
unter  Verwerfung  dieser  Beweise  angenommen  hat,  daß  außer  dem  Reeder 
ein  Interessent  an  der  Ladung  nicht  vorhanden  ist,  und  die  Reklamation 
des  Reklamanten  abgewiesen  hat. 

Demnach  ist  die  Berufung  im  Eingang  des  Punktes  1  und  im 
Punkt  2   unbegründet. 

Selbst  wenn  man  einmal  annimmt,  der  Reklamant  habe  rechtliches 
Interesse  an  der  zur  Verhandlung  stehenden  Kohle,  so  steht  doch  das 
Völkerrecht  auf  dem  Standpunkt,  daß  Güter,  wie  Kohle,  Lebensmittel 
und  dergleichen,  im  Falle,  daß  sie  für  die  feindliche  Armee  oder  Marine 
bestimmt  sind  oder  nach  einem  Platz  im  Feindesland  gehen  und  an- 
genommen werden  muß,  daß  sie  zum  Gebrauch  der  feindlichen  Armee 
und  Marine  dienen  würden,  als  Kriegskonterbande  anzusehen  sind  und 
eingezogen  werden  können. 

Es  ist  nun  aber  unbestritten,  daß  die  zur  Verhandlung  stehende 
Cardiffkohle  nach  Wladiwostok  bestimmt  gewesen  und  auf  der  Reise 
dorthin  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Nikko  Maru"  beschlagnahmt 
worden  ist.  Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster 
Kriegshafen  und  sein  Hauptflottenstützpunkt  ist.  Seit  dem  Krieg  mit 
Japan  hat  es  diesen  Platz  zum  Hauptstützpunkt  für  seine  Armee  und 
Marine  gemacht.  Es  ist  mit  ganzer  Kraft  bestrebt,  dort  große  Kriegs- 
vorräte anzuhäufen.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr  in  diesem  Hafen 
ist  fast  ganz  zum  Stillstand  gekommen.  Es  ist  daher  durchaus  be- 
gründet, wenn  das  Gericht  erster  Instanz  angenommen  hat,  daß  die 
nach  diesem  Hafen  bestimmten  Steinkohlen  für  den  russischen  Kriegs- 
gebrauch geliefert  werden  sollten  und  daher  Kriegskonterbande  seien. 
Dies  um  so  mehr,  als  die  Kohlenladung  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Dampfers  ausgewählte  Cardiffkohle  ist  und  die  Preise  für  solche  im  Osten 
so  außerordentlich  hoch  sind,  daß  außer  für  den  Gebrauch  auf  Kriegs- 
schiffen zur  Kriegszeit  keine  Nachfrage  dafür  vorhanden  und  es  somit 
unzweifelhaft  ist,  daß  die  Kohle  für  den  russischen  Kriegsgebrauch 
geliefert  werden  sollte. 

Der  Reklamant  sagt,  es  müsse  nach  der  Art  der  Präcedenz-Ent- 
scheidung,  betreffend  den  „Neptunus'',  auch  in  diesem  Fall  angenommen 
werden,  daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  für  friedliche  Zwecke 
bestimmt  gewesen  sei.  Aber  die  Ladung  im  „Neptun us"-Fall  und  die 
des  vorliegenden  Falls  sind  ihrer  Art  nach  von  Grund  aus  verschieden 
und  auch  die  Verhältnisse  der  Bestimmungsorte  sind  ganz  andere.  Es 
ist  daher  unfraglich,  daß  jener  Fall  nicht  als  Präcedenz  auf  den  vor- 
liegenden angewandt  werden  kann. 

Daher  sind  auch  der  letzte  Teil  des  Punktes  1  und  der  Punkt  3 
der  Berufung  unbegründet. 

(49*)  771 


Abschnitt  VI«  Prisengerichtsentscheidungen:  .Venus*. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am   5.   September  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  The  Cornhill  Steamship  Company,  England,  Lon- 
don, Grace  Church  Street  Nr.  81,  vertreten  durch  den  Kapitän  des 
Dampfers  „Venus",  William   Fargher. 

Prozeßvertreter:    Rechtsanwalt    Akiyama    Genzo,    Tokio, 

Kjobashiku,  Unemecho  Nr.  15. 

In  der  Prisensache,  betreffend  den  englischen  Dampfer  „Venus" 
und  seine  Ladung  wird  nach  Beendigung  der  Untersuchung,  wie  folgt, 
entschieden : 

Urteilsformel: 

Es  wird  auf  Wegnahme  des  englischen  Dampfers  „Venus''  und 
seiner  Ladung  von  etwa  5200  Tons  Cardiffkohle  entschieden. 

Tatbestand  und  G.r  ü  n  d  e : 

Der  Dampfer  „Venus"  steht  im  Eigentum  des  Reklamanten,  sein 
Heimatshafen  ist  London  in  England  und  er  ist  ein  Handelsschiff, 
welches  die  englische  Flagge  führt.  Der  Reklamant  ist  selbst  der  Be- 
frachter. Er  hat  in  Cardiff  inf  England  ungefähr  5200  Tons  z^x'eimal 
gesiebte  Cardiffkohle  geladen,  um  sie  nach  Wladiwostok  in  Rußland 
zu  befördern.  Der  Empfänger  sollte  sich  nach  Order  bestimmen.  Da 
als  Bestimmungsort  Saigon  angegeben  wurde,  erhielt  der  Dampfer  ent- 
sprechenden Ausklarierungsschein  und  Gesundheitspaß.  Am  25.  De- 
zember 1904  fuhr  der  Dampfer  von  Cardiff  ab  und  erhielt  auch  beim 
Anlaufen  von  Port  Said  auf  seine  Angaben  hin  einen  Gesundheitspaß 
für  Saigon.  In  Singapore  nahm  er  unter  der  Angabe,  nach  Shanghai 
zu  fahren,  eine  Mannschaft  an  und  ließ  in  der  Ausklarierung  und  der 
Leuchtturmsteuerquittung  Shanghai  als  Bestimmungsort  eintragen.  Auch 
in  dem  Tagebuch  wurde  seit  der  Abreise  von  Singapore,  bis  zur  Auf- 
bringung, Shanghai  verzeichnet.  Während  dann  der  Dampfer  mit  einem 
großen  Umweg  einen  Kurs  fuhr,  der  ihn  durch  die  Soyastraße  nach 
Wladiwostok  führen  sollte,  wurde  er  am  4.  März  1905,  1  Uhr  nach- 
mittags in  der  Straße  von  Etorup  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff 
„Nippon   Maru"   aufgebracht. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Vertreters   des   Kommandanten   der  „Nippon   Maru",   Kapitänleutnants 

772 


Prisengerichtsentscheidungen:  ,Venu8'.  Abschnitt  VI^ 

Taira  Saneo,  die  Vernehmungsprotokolle  des  Genannten  und  des 
Kapitäns  der  „Venus",  William  Fargher,  das  Schiffszertifikat,  das 
Privatschiffsjournal,  das  Konnossement,  die  Ausklarierungsbescheinigung, 
den  Gesundheitspaß  und  die  Quittung  über  die  Leuchtturmsteuer. 

Die  Hauptpunkte  der  Reklamation  sind  folgende: 

Die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  stehe  im  Eigentum  der 
Firma  Harris  &  Dixon  in  London  und  sei  von  dem  Reklamanten  als 
Absender  befördert  worden.  Ihre  Beförderung  nach  Wladiwostok,  einem 
Hafen  einer  der  kriegführenden  Mächte,  sei  eine  offenbare  Handelstrans- 
aktion, die  unter  den  Freiheiten  des  neutralen  Handelsverkeh;"s  stehe, 
und  unbestreitbar  eine  völkerrechtlich  nicht  anfechtbare  Handlung  sei. 

Da  Kohle  keine  absolute  Konterbande  sei,  so  müsse  im  vorliegenden 
Falle,  wo  Kohle  nach  Wladiwostok  gehe,  einem  Hafen,  der  die  Eigen- 
schaft sowohl  eines  Kriegs-  als  eines  Handelshafens  besitze,  mangels 
Gegenbeweises  angenommen  werden,  daß  sie  nach  dem  Handelshafen 
Wladiwostok  befördert,  und  nicht  für  den  Kriegsgebrauch  geliefert  werden 
sollte.  Daß  dies  billig  sei,  tue  auch  die  Präcedenzentscheidung,  betreffend 
den  im  englisch-holländischen  Krieg  im  Jahre  1798  aufgebrachten  „Nep- 
tunus''  dar.  Für  den  vorliegenden  Fall  gelte  dies  um  so  mehr,  als 
die  Ladung  nicht  ausschließlich  für  den  Kriegsgebrauch  verwendbar  sei, 
sondern  auch  ganz  allgemein   im    Industriebetriebe  verbraucht  werde. 

Aber  selbst  einmal  angenommen,  die  zur  Verhandlung  stehende 
Ladung  sei  feindlichen  Charakters,  weil  sie  nach  feindlichem  Gebiet  be- 
fördert werde,  so  könne  sie  doch,  weil  unter  neutraler  Flagge  verschifft, 
nach  Artikel  2  der  Pariser  Seerechtsdeklaration  vom  Jahre  1856  nicht 
beschlagnahmt  werden. 

Daß  in  den  im  Ausgangshafen  und  den  Anlaufshäfen  erhaltenen 
Ausklarierungen  und  Gesundheitspässen  Saigon  und  Shanghai  als  Be- 
stimmungsorte bezeichnet  seien  und  der  endgültige  Bestimmungshafen, 
Wladiwostok,  nicht  aufgeführt  sei,  habe  nur  den  Zweck  gehabt,  den 
Schwierigkeiten  zu  entgehen,  welche  die  zuständigen  Behörden  bei  der 
Aushändigung  dieser  Schriftstücke  gemacht  haben  würden,  wenn  ihnen 
die  Wahrheit  gesagt  worden  wäre.  Daß  es  keinenfalls  in  der  bösen  Ab- 
sicht geschehen  sei,  sich  dadurch  der  Aufbringung  zu  entziehen,  könne 
man  daraus  entnehmen,  daß  das  Konnossement  klar  angebe,  daß  die 
Ladung  für  Wladiwostok  bestimmt  sei.  Die  Ausklarierungsbescheinf- 
gungen  seien  keine  wichtigen  Schiffspapiere,  sondern  bescheinigten  ledig- 
lich eine  Formalität.  Wenn  daher  auch  in  ihrem  Inhalt  Auslassungen 
vorgekommen  seien,  so  könne  das  nicht  als  Material  für  die  Begründung 
der  Einziehung  des  Schiffes  geltend  gemacht  werden. 

Aus  diesen  Gründen  werde  Freigabe  des  Schiffes  und  seiner  Ladung 
beantragt. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

773 


Abschnitt  VI^  Prisengerichtsentscheidungen:  „Venus". 

Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegshafen 
im  Osten  und  zurzeit  der  Hauptstützpunkt  für  seine  Marine  ist.  Seit 
dem  Kriege  mit  Japan  hat  die  russische  Regierung  den  Platz  zu  einem 
Hauptetappenort  gemacht,  und  sie  ist  mit  allen  Mittein  bestrebt,  dort 
große  Kriegsvorräte  anzuhäufen.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr  hat 
dort  fast  gänzlich  aufgehört.  Wenn  daher  Kohle  oder  Lebensmittel  und 
dergleichen  Güter,  deren  Konterbandeeigenschaft  von  besonderen  Um- 
ständen abhängig  ist,  nach  Wladiwostok  befördert  werden,  so  muß, 
mangels  klaren  Gegenbeweises,  angenommen  werden,  daß  dieselben  für 
den  Kriegsgebrauch  zu  liefern  waren.  Besonders  kann  es  bezüglich 
der  zur  Verhandlung  stehenden  Ladung,  welche  aus  ausgewählter  Car- 
diff kohle  besteht,  wie  sie  nur  zum  Gebrauch  auf  Kriegsschiffen  dient, 
nicht  bezweifelt  werden,  daß  sie  wirklich  für  den  Kriegsgebrauch  be- 
stimmt war.   Sie  ist  daher  mit  Recht  als  Konterbande  anzusehen,  i) 

Was  das  von  dem  Reklamanten  angezogene  Urteil  in  dem  „Nep- 
tunus''-Fall  angeht,  so  deckt  sich  jener  Fall,  in  dem  Tierfett  nach  Amster- 
dam befördert  werden  sollte,  nicht  mit  dem  vorliegenden.  Im  Gegenteil 
kann  man  die  Begründung  jenes  Urteils  vielmehr  zur  Bekräftigung  der 
Annahme,  daß  die  hier  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  Konterbande 
ist,  geltend  machen.  Denn  Amsterdam  hatte  damals  einen  vorwiegend 
kommerziellen  Charakter.  Die  gegenwärtigen  Verhältnisse  von  Wladi- 
wostok sind  aber,  wie  oben  dargetan,  wesentlich  verschieden.  Das  in  dem 
Urteil  erwähnte  Brest  kommt  den  gegenwärtigen  Verhältnissen  Wladi- 
wostoks viel  mehr  gleich. 

Obwohl  es  bereits  bei  der  Abfahrt  von  Cardiff  bestimmt  war,  daß 
das  Schiff  nach  Wladiwostok  gehen  sollte,  ist  doch  den  Behörden  des 
Ausgangshafens  und  der  Anlaufshäfen  keinerlei  Anzeige  über  Wladi- 
wostok gemacht  worden.  Wenn  der  Dampfer  sich  Ausklarierungen  und 
Gesundheitspässe  nach  den  neutralen  Häfen  Saigon  und  Shanghai  geben 
ließ,  das  Schiffsjournal  mit  falschen  Eintragungen  versah  und  einen  Um- 
weg nahm,  um  durch  die  Soyastraße  nach  Wladiwostok  zu  gelangen, 
so  ist  das  unzweifelhaft  nicht,  wie  der  Reklamant  sagt,  geschehen,  um 
das  betreffende  Verfahren  ungehindert  vor  sich  gehen  zu  lassen,  auch 
liegt  darin  keine  zu  übersehende  Nachlässigkeit.  Vielmehr  muß  man 
annehmen,  daß  durchaus  mit  voller  Absicht  der  Bestimmungsort  ver- 
heimlicht wurde,  um  durch  diese  List  der  Aufbringung  zu  entgehen. 
Wenn  sich  auch  zufällig  in  dem  Konnossement  der  wahre  Bestimmungs- 
ort findet,  so  kann  man  doch  nicht  daraufhin  allein  die  oben  erwähnte 
List  übersehen  und  annehmen,  daß  das  Schiff  sich  nicht  betrügerischen 
Vorgehens  schuldig  gemacht  habe. 

Der  Dampfer  „Venus"  hat  demnach  unter  Anwendung  betrüge- 
rischer Mittel  Kriegskonterbande  befördert,  und  es  ist  von  der  Theorie 

0  II.  Ziffer  2. 

774 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Venus*.  Abschnitt  VI^i 

und  der  Praxis  des  Völkerrechts  gleichermaßen  anerkannt,  daß  derartige 
Schiffe,  welche  sich  betrügerischer  Mittel  bedient  haben,  zusammen  mit 
<ler  Konterbandeladung  eingezogen  werden  können.  2) 

Da  aus  diesen  Gründen  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  und 
seine  Ladung  einzuziehen  sind,  so  erübrigt  es  sich,  auf  die  übrigen  Punkte 
des  Reklamanten  weiter  einzugehen. 

Es  wird  daher,  wie  in  der  Urteilsformel,  entschieden. 

Verkündet  am  4.  Mai  1905  im  Prisengericht  zu  Yokosuka  im  Bei- 
sein des  Staatsanwalts  beim  Prisengericht  zu  Yokosuka,  Uchida  Shi- 
genari. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  The  Cornhill  Steamship  Company,  London,  Eng- 
land, Grace  Church  Street  Nr.  81,  vertreten  durch  den  Kapitän  der 
„Venus'',  William  Fargher. 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  Akiyama  Genzo,  Tokio, 
Kyobashiku,  Unemecho  Nr.  15. 

Am  4.  Mai  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Yokosuka  in  der  Prisen- 
sache, betreffend  den  englischen  Dampfer  „Venus"  und  seine  Ladung, 
welche  am  4.  März  1905  bei  der  Straße  von  Etorup  von  dem  Kaiser- 
lichen Kriegsschiff  „Nippon  Maru''  beschlagnahmt  worden  sind,  ein  Urteil 
gefällt,  in  welchem  auf  Wegnahme  des  englischen  Dampfers  „Venuaj" 
und  der  auf  ihm  verladenen  ungefähr  5200  Tons  Cardiffkohle  erkannt 
worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  William  Fargher  als  Vertreter  des 
Reklamanten,  The  Cornhill  Steamship  Company,  durch  den  Rechtsanwalt 
Akiyama  Genzo  als  Prozeßvertreter  die  Berufung  eingelegt,  welche 
im  Beisein  der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku  und  Dr.  jur.  I  s  h  i  - 
watari  Binichi  beim  Oberprisengericht  geprüft  worden   ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Vertreters  der  Reklamation, 
Akiyama   Genzo,  und  deren  Gründe  sind  folgende: 

1.  Die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  sei  nach  Wladiwostok, 
dem  einzigen  russischen  Handelshafen  im  Osten,  befördert  worden  und 
zu  friedlichem  Gebrauch  bestimmt  gewesen.  Es  sei  daher  unzutreffend, 
sie  als  Kriegskonterbande  zu  betrachten.  Aber  einmal  angenommen,  die 
Ladung  sei  Konterbande,  so  könne  doch  das  Schiff  nicht  zusammen  mit 
der  Ladung  eingezogen  werden,  da  der  Eigentümer  des  Schiffs  und  der 
der  Ladung  verschiedene  Personen  seien  und  kein  Beweis  dafür  vor- 

")  V.  §§  43,  44. 

775 


Abschnitt  VI^  Prisengerichtsentscheidungen:  .Venus*. 

banden  sei,  daß  bei  der  Verladung  betrügerische  Mittel  angewandt  worden 
seien. 

2.  Bei  Konterbandetransport  beschränke  sich,  wenn  die  Konter- 
bande nicht  im  Eigentum  des  Reeders  stehe,  die  Strafe  der  Einziehung 
auf  die  Ladung,  das  Schiff  könne  als  Strafe  lediglich  der  Verlust  an 
Fracht,  Zeit  und  Kosten  treffen;  Einziehung  könne  'dagegen  nicht  ver- 
fügt werden.  Auch  sei  es  ein  Grundsatz  des  modernen  Völkerrechts,  daß, 
wenn  die  Konterbande  unter  Anwendung  betrügerischer  Mittel  verschifft 
sei,  auch  das  Schiff  nur  eingezogen  werden  könne,  wenn  es  erwiesen 
sei,  daß  der  Reeder  Mittäter  bei  dem  betrügerischen  Vorgehen  gewesen 
sei.  Nicht  nur  England  erkenne  dies  an,  sondern  auch  die  japanische 
Prisenordnung  stehe  auf  demselben  Standpunkt.  In  dem  vorliegenden 
Fall  sei  aber  der  Reeder  ganz  sicher  nicht  Mittäter  bei  dem  betrügerischen 
Vorgehen,  so  daß  es  unrechtmäßig  sei,  wenn  das  Urteil  erster  Instanz^ 
ohne  zu  untersuchen,  ob  der  Reeder  bei  dem  betrügerischen  Vorhaben 
beteiligt  gewesen  sei  oder  nicht,  entschieden  habe,  daß  das  Schiff  zu- 
sammen mit  der  Konterbandeladung  einzuziehen  sei. 

3.  Um  auf  Grund  von  Anwendung  betrügerischer  Mittel  die  Strafe 
der  Einziehung  auferlegen  zu  können,  genüge  es  nicht,  daß  lediglich  in 
den  Ausklarierungspapieren  und  dem  Gesundheitspaß  der  letzte  Be- 
stimmungsort nicht  angegeben  sei. '  Es  sei  vielmehr  erforderlich,  daß- 
die  Papiere  hergestellt  seien  mit  der  Absicht,  der  Aufbringung  durch  die 
im  Krieg  befindliche  Marine  zu  entgehen,  und  in  einer  Art,  daß  diese 
Marine  auch  wirklich  dadurch  getäuscht  werden  könne.  Was  nun  die 
Schiffspapiere  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  angehe,  so  könne 
man  daraus,  daß  in  dem  Konnossement  Wladiwostok  als  Bestimmungsort 
angegeben  sei,  schon  entnehmen,  daß  eine  Fälschung  derselben,  um 
der  Aufbringung  zu  entgehen,  nicht  vorliege.  Daß  ferner  in  den  Aus- 
klarierungspapieren und  dem  Gesundheitspaß  Wladiwostok  nicht  als 
Bestimmungsort  aufgeführt  sei,  sei  lediglich  auf  eine  zur  Vermeidung 
von  formalen  Schwierigkeiten  den  Behörden  des  eigenen  Landes  gegen- 
über abgegebene  fälschliche  Erklärung  zurückzuführen. 

Hall  sage: 

Wenn  falsche  Schiffspapiere  angefertigt  würden,  um  die  auf- 
bringende kriegführende  Macht  zu  täuschen,  so  könnten  sie 
nur  in  den  Fällen  als  schädlich  betrachtet  werden,  wo  dadurch, 
daß  sie  als  echte  passierten,  die  Rechte  der  Kaptoren  schließ- 
lich zunichte  gemacht  werden   könnten.     Andernfalls  seien 
sie  im  allgemeinen  milde  zu  beurteilen. 
Danach  betrachtet,  stellten  die  in  den  Papieren  des  zur  Verhandlung 
stehenden  Dampfers  vorkommenden  falschen  Eintragungen   keinen  aus- 
reichenden Grad  von  Täuschung  dar,    um  die  Einziehung  des  Schiffes 
nach  sich  ziehen  zu  können. 

776 


Prlsengerichtsentscheidungen:  „Venu8".  Abschnitt  VI  45 

4.  Die  japanische  Prisenordnung  stehe  auf  dem  Standpunkt,  daß 
Kohle  nur  als  Konterbande  gelte,  wenn  es  erwiesen  sei,  daß  sie  für 
den  feindlichen  Kriegsgebrauch  geliefert  werden  solle.  Einmal  ange- 
nommen, dieser  Standpunkt  entspreche  den  völkerrechtlichen  Grund- 
sätzen, so  sei  doch  Wladiwostok,  der  Bestimmungsort  der  zur  Verhand- 
lung stehenden  Ladung,  nicht  nur  Rußlands  einziger  Kriegshafen, 
sondern  auch  sein  einziger  Handelshafen  im  Osten.  Es  sei  daher  un- 
rechtmäßig, ohne,  weiteres  anzunehmen,  daß  dorthin  bestimmte  Kohle, 
welche  keine  absolute  Konterbande  sei,  für  den  Kriegsgebrauch  bestimmt 
sei.  Es  müsse  vielmehr  entsprechend  dem  Urteil  in  dem  „Neptun us'- 
Fall  im  englisch  -  holländischen  Kriege  im  Jahre  1798  angenommen 
werden,  daß  die  in  Frage  stehende  Ladung  für  den  Handelshafen  Wladi- 
wostok bestimmt  sei  und  für  friedlichen  Gebrauch  geliefert  werden  solle. 
Wenn  das  Gericht  erster  Instanz  Wladiwostok  als  einen  reinen  Kriegs- 
hafen ansehe  und  es  mit  in  dem  „Neptun us''-Fall  erwähnten  Kriegs- 
hafen Brest  auf  gleiche  Stufe  stelle,  so  sei  das  eine  falsche  Auffassung 
der  Tatsachen.  Folglich  sei  auch  die  Präcedenzentscheidung  nicht 
richtig  angezogen.  Das  Urteil  erster  Instanz  übersehe,  daß  auch  heute 
noch  der  gewöhnliche  Handelsverkehr  mit  Wladiwostok  in  Ausübung 
begriffen  sei  und  sagt,  es  sei  eine  bekannte  Tatsache,  daß  der  Handels- 
verkehr des  genannten  Hafens  gesperrt  sei.  Auch  darin  entstelle  das 
Urteil  die  Tatsachen,  daß  es  behaupte,  daß  Cardiffkohle,  welche  überall 
auf  der  Erde  sowohl  für  den  Kriegsgebrauch  als  im  Industriebetriebe 
verwandt  werde,  im  fernen  Osten  ausschließlich  auf  Kriegsschiffen  zur 
Verwendung  komme.  So  stehe  das  Urteil  mit  dem  Sachverhalt  in 
Widerspruch. 

5.  Bezüglich  der  Behandlung  relativer  Konterbande  auf  neutralem 
Schiff  stehe  die  englische  Praxis  auf  dem  Standpunkt,  daß  Einziehung 
gegen  Leistung  einer  Entschädigung  erfolgen  könne.  Das  kontinentale 
Prinzip,  welches  mit  den  Beschlüssen  des  internationalen  Völkerrechts- 
kongresses übereinstimme,  erkenne  mit  Bezug  auf  derartige  Güter  unter 
der  Bedingung  der  Entschädigung  nur  ein  Recht  der  Beschlagnahme 
oder  des  Vorkaufs  für  den  kriegführenden  Staat  an.  Japan  weiche  von 
diesen  Prinzipien  und  Gewohnheiten  ab  und  bestimme  in  unbilliger 
Strenge  bedingungslose  Einziehung.  Besonders  auch,  da  die  japanische 
Seeprisenordnung  sich  auf  den  englischen  Prinzipien  aufbaue,  sei  es 
wünschenswert,  daß,  wo  es  sich  um  neutrale  relative  Konterbandegüter 
handele,  eine  billigere  Haltung  eingenommen  werde. 

Aus  diesen  Gründen  werde  Aufhebung  des  Urteils  erster  Instanz 
und  Erlaß  einer  Entscheidung  auf  Freigabe  des  zur  Verhandlung 
stehenden  Schiffs  und  seiner  Ladung  beantragt. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  beim  Prisen- 
gericht zu  Yokosuka,  Kobayashi  Yoshio,  sind  folgende : 

777 


Abschnitt  VI^s  Prisengerichtsentscheidungen:  „Venus''. 

1.  Es  sei  unbestritten,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff 
im  Eigentum  des  Reklamanten,  der  Cornhill  Steamship  Company,  stehe. 
Daß  diese  Firma  auch  der  Absender  der  Ladung  sei,  lasse  sich  daraus 
entnehmen,  daß  kein  Chartervertrag  vorhanden  sei,  und  gehe  auch  aus 
dem  Konnossement  und  der  Aussage  des  Kapitäns  hervor.  Wenn  aber 
der  Reeder  der  Absender  der  Ladung  sei,  so  sei  es  gerechtfertigt,  so- 
lange kein  Gegenbeweis  vorliege,  anzunehmen,  daß  er  auch  der  Eigen- 
tümer der  Ladung  sei. 

Da  es  ferner  bekannt  sei,  daß  eine  Ladung,  wie  die  zur  Verhandlung 
stehende,  welche  aus  doppelt  gesiebter  Cardiffkohle  bestehe,  im  Osten 
nur  auf  Kriegsschiffen  zur  Verwendung  komme,  und  außerdem  die 
Ladung  nach  Wladiwostok,  dem  einzigen  Marinestützpunkt  des  Feindes 
im  Osten,  bestimmt  sei,  so  unterstehe  es,  wenn  man  alles  dies  zusammen- 
halte, keinem  Zweifel,  daß  die  Ladung  der  feindlichen  Marine  habe 
geliefert  werden  sollen. 

Ferner  habe  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  bei  der  Abreise 
von  England  fälschlicherweise  Saigon,  und  in  Singapore  Shanghai  als 
Bestimmungsort  der  Ladung  angegeben  und  dementsprechende  Aus- 
klarierungspapiere erhalten.  Auch  das  Schiffsjournal  sei  mit  den  gleichen 
falschen  Eintragungen  versehen  worden. 

2.  Daß  das  betrügerische  Vorgehen"  in  dieser  Sache  nicht  nur  eine 
Handlung  des  Kapitäns  sei,  sondern  auf  das  Verhalten  des  Reeders  oder 
seines  Vertreters  zurückzuführen  sei,  gehe  aus  dem  Vernehmungsproto- 
koll des  Kapitäns  hervor.  Mithin  sei  das  betrügerische  Vorgehen  in 
dieser  Sache  in  vollem  Maße  mit  dem  Einverständnis  des  Reeders  ge- 
schehen. 

3.  Die  Ausklarierungspapiere  und  Gesundheitspässe  seien  für  die 
Ermittlung  des  wahren  Bestimmungsortes  eines  Schiffes  seitens  des  Kap- 
tors Schiffspapiere,  welche  für  die  Durchführung  der  Untersuchung  von 
größter  Bedeutung  seien.  Auch  T>eschränkten  sich  die  falschen  Angaben 
im  vorliegenden  Falle  nicht  auf  diese  Papiere,  sondern  auch  das  Privat- 
schiffsjournal enthalte  einen  falschen  Bestimmungsort.  Daß  dies  aus- 
schließlich geschehen  sei,  um  den  Kaptor  zu  täuschen,  liege  auf  der 
Hand. 

4.  Daß  eine  Ladung  von  zweimal  gesiebter  ausgewählter  Cardiff- 
kohle im  Osten  nur  auf  Kriegsschiffen  gebraucht  werde,  sei  eine  all- 
gemein bekannte  Tatsache.  Wenn  daher  auch  Wladiwostok  zugleich 
ein  Handelshafen  sein  möge,  so  könne  man  doch,  weil  es  vor  allem 
der  Hauptstützpunkt  der  feindlichen  Marine  sei,  nichts  anderes  annehmen, 
als  daß  die  Ladung  für  die  feindliche  Marine  bestimmt  gewesen  sei. 

5.  Wenn  auch  ein  Gut  sowohl  zu  friedlichem  als  zum  Kriegs- 
gebrauch dienen  könne,  so  erkenne  doch  das  geltende  Völkerrecht  an, 

778 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Venus".  Abschnitt  VI^ 

daß  es,  \cenn  seine  Konterbandeeigenschaft  festgestellt  sei,  von  der  krieg- 
führenden Macht  eingezogen  werden  könne. 

Präcedenzfälle,  in  welchen  bei  Einziehung  bedingungsweiser  Konter- 
bande Entschädigung  geleistet  worden  sei,  gründeten  sich  entweder  auf 
besonderen  Vertrag  oder  auf  besondere  politische  Rücksichten.  Das 
Völkerrecht  enthalte  dagegen  keine  allgemeine  diesbezügliche  Bestim- 
mung, \celche  man  zu  befolgen  verpflichtet  sei. 

Die  Berufung  sei  daher  unbegründet  und  müsse  abgewiesen 
werden. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

1.  Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegs- 
hafen ist.  Seit  dem  Krieg  mit  Japan  hat  Rußland  es  zum  Stützpunkt 
für  seine  Kriegsflotte  und  Hauptetappenort  gemacht.  Es  hat  dort  in 
ausgedehntem  Maße  Waffen,  Lebensmittel,  Kohle  und  sonstige  Kriegs- 
bedarfsartikel aufgespeichert.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr  nach 
dorthin  hat  fast  gänzlich  aufgehört.  Es  ist  daher  durchaus  begründet, 
wenn  das  Gericht  erster  Instanz  angenommen  hat,  daß  die  nach  diesem 
Hafen  bestimmten  Steinkohlen  für  den  russischen  Kriegsgebrauch  ge- 
liefert werden  sollten  und  daher  Kriegskonterbande  seien.  Dies  um  so 
mehr,  als  die  in  Frage  stehende  Kohlenladung  ausgewählte  Cardiff- 
kohle  ist  und  die  Preise  für  solche  im  Osten  so  außerordentlich  hoch 
sind,  daß  außer  für  den  Gebrauch  auf  Kriegsschiffen  zur  Kriegszeit  keine 
Nachfrage  dafür  vorhanden  und  es  somit  unzweifelhaft  ist,  daß  die 
Kohle  für  den  russischen  Kriegsgebrauch  geliefert  werden  sollte. 

Der  Reklamant  sagt,  es  müsse  nach  Art  der  Präcedenzentscheidung, 
betreffend  den  „Neptunus"  auch  in  diesem  Fall  angenommen  werden, 
daß  die  in  Frage  stehende  Ladung  für  friedliche  Zwecke  bestimmt 
gewesen  sei.  Aber  die  Ladung  im  „Neptunus^'-Fall  und  die  des  vor- 
liegenden Falls  sind  ihrer  Art  nach  von  Grund  aus  verschieden,  un,d 
auch  die  Verhältnisse  der  Bestimmungsorte  sind  ganz  andere.  Es  ist 
daher  unfraglich,  daß  jener  Fall  nicht  als  Präcedenz  auf  den  vorliegenden 
angewandt  werden  kann. 

2.  Es  ist  völkerrechtliches  Prinzip,  daß  Konterbande  schlechthin 
konfisziert  werden  kann.  Wünsche  bezüglich  Vorkaufs,  Einziehung 
gegen  Entgelt  oder  Beschlagnahme  unter  der  Bedingung  der  Entschädi- 
gung, wie  sie  der  Reklamant  äußert,  sind  nur  verwirklicht,  wo  besondere 
vertragliche  Abmachungen  vorliegen.  Im  übrigen  finden  sich  diese 
Erscheinungen  in  Praxis  und  Theorie  nur  vereinzelt.  Keinenfalls  können 
sie  jedoch  als  völkerrechtliche  Regel  anerkannt  werden.  Man  kann 
daher  nicht  sagen,  daß  das  Urteil  erster  Instanz  es  in  etwas  versehen 
hätte,  wenn  es  diesen  Ansichten  des  Reklamanten  nicht  Folge  leistete. 

*)  Anders  die  japanische  Seeprisenordnung,  §§  43,  44  (V)  und  das  ihr  zu  Gnuide 
liegende  englische  Manual  of  Naval  Prize  Law,  Art,  82—85. 

779 


Abschnitt  Vl^t  Prisengerichtsentscheidungen:  „Aphrodite''. 

3.  Das  Völkerrecht  erkennt  an,  daß  Schiffe,  wie  das  zur  Verhand- 
lung stehende,  deren  Reisezweck  der  Transport  von  Konterbande  ist, 
eingezogen  werden  können.  Auch  das  Oberprisengericht  hält  dies  für 
billig,  besonders  im  vorliegenden  Fall,  wo  die  ganze  Ladung  des  Schiffs 
Konterbande  ist,  wo  die  Agentur  des  Reeders  dem  Kapitän  bei '  der 
Abfahrt  des  Schiffes  Order  gegeben  hat,  nach  Wladiwost9k  zu  fahren, 
während  das  Privatschiffsjournal  und  die  Ausklarierungspapiere  einen 
gefälschten  Bestimmungsort  enthalten,  wo  also  das  Schiff  sich  des  Trans- 
ports von  Konterbande  unter  Anwendung  betrügerischer  Mittel  schuldig 
gemacht  hat. 

Da  schon  nach  dem  in  den  Punkten  1,  2  und  3  Gesagten  die 
Entscheidung  der  ersten  Instanz  auf  Einziehung  des  zur  Verhandlung 
stehenden  Schiffs  und  seiner  Ladung  unfraglich  gerechtfertigt  ist,  so 
liegt  kein  Bedürfnis  vor,  auf  die  einzelnen  Punkte  der  Berufung  noch 
besonders  einzugehen. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  8.  August  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  The  Cornhill  Steamship  Company,  England,  Lon- 
don, Orace  Church  Street  Nr.  81,  vertreten  durch  den  Kapitän  der 
„Aphrodite'',  F.  O.  Edmunds. 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  Akiyama  Oenzo,  Tokio,. 
Kyobashiku,   Unemecho  Nr.   15. 

In  der  Prisensache,  betreffend  den  englischen  Dampfer  „Aphro- 
dite'' und  seine  Ladung  wird  nach  Beendigung  der  Untersuchung,  wie 
folgt,  entschieden: 

Urteilsformel: 
Es  wird  auf  Wegnahme  des  englischen  Dampfers  „Aphrodite"  und 
seiner  Ladung  von  etwa  5600  Tons  Cardiffkohle  erkannt. 

Tatbestand  und  Gründe: 
Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „Aphrodite"  steht  im 
Eigentum  des  Reklamanten,  sein  Heimatshafen  ist  London  und  es  ist 
ein  Handelsschiff,  welches  die  englische  Flagge  führt.  Der  Reklamant 
ist  selbst  der  Absender.  Er  Tiat  in  Cardiff  in  England  ungefähr  5600  Tons 
zweimal  gesiebte  Cardiffkohle  geladen.  Der  Empfänger  sollte  sich  nach 
Order  bestimmen.     Da  als  Bestimmungsort  Saigon  angegeben  wurde, 

780 


PrJsengerichtsentscheidungen:  „Aphrodite".  Abschnitt  Vl^i 

erhielt  der  Dampfer  entsprechenden  Ausklarierungsschein  und  Gesund- 
heitspaß. Am  22.  Dezember  1904  fuhr  der  Dampfer  von  Cardiff  ab.  Im 
Privatschiffsjournal  wurde  ebenfalls  Saigon  als  Reiseziel  eingetragen. 
In  Singapore  erhielt  der  Dampfer  auf  seine  Angabe  hin  Ausklarierung 
für  Shanghai.  Am  8.  Februar  1905  fuhr  er  von  Singapore  ab.  Bis  zum 
20.  Februar  lautet  das  Privatschiffsjournal  auf  Shanghai;  vom  21.  an  ist 
Wladiwostok  als  Ziel  der  Reise  angegeben.  Der  Dampfer  nahm  dann 
absichtlich  einen  Umweg,  um  durch  die  Soyastraße  nach  Wladiwostok 
zu  gelangen.  Auf  dieser  Fahrt  wurde  er  am  6.  März  d.  J.  in  der  Nähe 
von  Etorup  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Nippon  Maru''  beschlag- 
nahmt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Vertreters  des  Kommandanten  der  „Nippon  Maru'',  Kapitänleutnants 
NakashimaDenzo,  die  Vernehmungsprotokolle  des  Genannten  und 
des  Kapitäns  der  ,,Aphrodite'',  F.  O.  Edmunds,  das  Schiffszertifikat, 
das  Privatschiffsjournal,  das  Konnossement,  die  Ausklarierungspapiere 
und   Gesundheitspässe. 

Die  Hauptpunkte  der  Reklamation  sind  folgende: 

Die  Beförderung  von  Kohlen  durch  neutrale  Staatsangehörige  nach 
Wladiwostok,  einem  Hafen  einer  der  kriegführenden  Mächte,  sei  eine 
öffentliche  Handelstransaktion,  welche  unter  den  Freiheiten  des  neu- 
tralen Handelsverkehrs  stehe  und  unbestreitbar  eine  völkerrechtlich  nicht 
anfechtbare  Handlung  sei. 

Da  Kohle  keine  absolute  Konterbande  sei,  so  müsse  im  vorliegenden 
Falle,  wo  Kohle  nach  Wladiwostok  gehe,  einem  Hafen,  der  die  Eigen- 
schaft sowohl  eines  Kriegshafens  als  eines  Handelshafens  besitze,  mangels 
Gegenbeweises,  angenommen  werden,  daß  sie  nach  dem  Handelshafen 
Wladiwostok  befördert  und  nicht  für  den  Kriegsgebrauch  geliefert  werden 
solle.  Daß  dies  billig  sei,  tue  auch  die  Präcedenzentscheidung,  betreffend 
den  im  englisch-holländischen  Kriege  aufgebrachten  „Neptunus''  dar. 
Für  den  vorliegenden  Fall  gelte  dies  umsomehr,  als  die  Ladung  nicht  aus- 
schließlich für  den  Kriegsgebrauch  verwendbar  sei,  sondern  solche  Kohle 
auch  ganz  allgemein  im  Industriebetriebe  verbraucht  werde. 

Aber  einmal  angenommen,  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung 
sei  feindlichen  Charakters,  weil  sie  nach  feindlichem  Gebiet  befördert 
werde,  so  könne  sie  doch,  weil  unter  neutraler  Flagge  verschifft,  nach 
Artikel  2  der  Pariser  Seerechtsdeklaration  vom  Jahre  1856  nicht  be- 
schlagnahmt werden. 

Daß,  obwohl  Wladiwostok  der  Bestimmungsort  des  zur  Verhand- 
lung stehenden  Schiffs  gewesen  sei,  dieser  Hafen  in  den  Ausklarierungs- 
papieren nicht  als  Bestimmungsort  angegeben,  sondern  Saigon  bzw. 
Shanghai  verzeichnet  sei,  habe  seinen  Grund  nicht  in  der  Absicht,  da- 
durch der  Aufbringung  zu  entgehen.  Dies  könne  man  mit  hinreichender 

781 


Abschnitt  VI  46  Prisengerichtsentscheidungen:  „Aphrodite^* 

Sicherheit  daraus  entnehmen,  daß  das  Konnossement  besage,  die  Güter 
seien  an  Order  in  Wladiwostok  abzuliefern,  und  daß  das  Schiffs- 
journal vom  21.  Februar  bis  zum  2.  März  d.  J.  als  Reise  „von  Singa- 
pore  nach  Wladiwostok"  angebe. 

Daß  ferner  der  Dampfer  für  die  Reise  nach  Wladiwostok  keine 
Ausklarierungspapiere  besessen  habe,  erkläre  sich  lediglich  äaraus,  daß 
er,  weil  ihm  schließlich  bei  dem  betreffenden  amtlichen  Verfahren 
Schwierigkeiten  hätten  entstehen  können,  damit  die  Angelegenheit  glatt 
vonstatten  gehe,  den  Behörden  den  Bestimmungsort  nicht  offenbart  habe. 

Wenn  des  weiteren  der  Kapitän  in  dem  Konnossement  mit  'Blei- 
stift vermerkt  habe,  daß  die  La,dung  bis  zur  Ablieferung  an  die  russische 
Marine  noch  in  Rechnung  des  Reeders  stehe,  so  sei  der  Beweggrund 
für  diesen  Vermerk  völlig  unersichtlich.  Denn  an  und  für  sich  sei 
dieser  Vermerk  eine  willkürliche  und  ungeheuerliche  Kompetenzüber- 
schreitung des  Kapitäns.  Aber  selbst  angenommen,  er  habe  denselben 
bei  normalem  Verstände  ausgeführt,  so  habe  der  Vermerk  doch  keiner- 
lei Wirkung,  und  könne  dem  Reeder  nicht  zugerechnet  werden. 

Auch  wenn  der  Kapitän  ausgesagt  habe,  die  Ladung  stehe  im 
Eigentum  des  Reeders,  so  sei  das  nur  seine  Einbildung  und  tatsachlich 
seien  erwiesenermaßen  Harris  and  Dixon  in  London  die  Eigen- 
tümer. 

Aus  diesen  Gründen  werde  eine  Entscheidung  auf  Freilassunjg 
des  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfers  und  seiner  Ladung  be- 
antragt. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegs- 
hafen im  Osten  und  zurzeit  der  Hauptstützpunkt  für  seine  Marine  ist. 
Seit  dem  Kriege  mit  Japan  hat  die  russische  Regierung  den  Platz  zu 
einem  Hauptetappenort  gemacht,  und  sie  ist  mit  allen  Mitteln  bestrebt,, 
dort  große  Kriegsvorräte  anzuhäufen.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr 
hat  dort  fast  gänzlich  aufgehört.  Wenn  daher  Kohle  oder  Lebens- 
mittel und  dergleichen  Güter,  deren  Konterbandeeigenschaft  von  be- 
sonderen Umständen  abhängig  ist,  nach  Wladiwostok  befördert  werden, 
so  muß,  mangels  klaren  Gegenbeweises,  angenommen  werden,  daß  die- 
selben für  den  Kriegsgebrauch  zu  liefern  waren.  Besonders  kann  es  be- 
züglich der  ur  Verhandlung  stehenden  Ladung,  welche  aus  ausgewählter 
Cardiffkohle  besteht,  wie  sie  im  wesentlichen  nur  zum  Gebrauch  auf 
Kriegsschiffen  dient,  nicht  bezweifelt  werden,  daß  sie  wirklich  für  den 
Kriegsgebrauch  bestimmt  war.  Sie  ist  daher  mit  Recht  als  Kriegs- 
konterbande anzusehen.  *) 

Was  das  von  dem  Reklamanten  angezogene  Urteil  in  dem  „Nep- 
tunus"-Fall  angeht,   so   deckt  sich   jener  Fall,    in   dem   Tierfett    nach 

1)  II.  Ziffer  2. 

782 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Aphrodite".  Abschnitt  VI  4t 

Amsterdam  befördert  werden  sollte,  nicht  mit  dem  vorliegenden.  Im 
Gegenteil  kann  man  die  Begründung  jenes  Urteils  vielmehr  zur  Be- 
kräftigung der  Annahme,  daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung 
Konterbande  ist,  geltend  machen.  Denn  Amsterdam  hatte  damals  einen 
vorwiegend  kommerziellen  Charakter.  Die  gegenwärtigen  Verhältnisse 
von  Wladiwostok  sind  aber,  wie  oben  dargetan,  wesentlich  verschieden. 
Das  in  dem  Urteil  erwähnte  Brest  kommt  den  gegenwärtigen  Verhält- 
nissen Wladiwostoks  vielmehr  gleich. 

Obwohl  es  bereits  vor  der  Abfahrt  von  Cardiff  bestimmt  war,  daft 
der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  nach  Wladiwostok  fahren  sollte, 
gab  der  Dampfer  in  Cardiff  an,  er  fahre  nach  dem  neutralen  Hafen 
Saigon,  und  erhielt  einen  dementsprechenden  Ausklarierungsschein  und 
Gesundheitspaß.  Auch  in  das  Schiffsjournal  wurde  diese  fälschliche  Ein- 
tragung gemacht. 

In  Singapore  erhielt  der  Dampfer  'entsprechend  seinen  Angaben 
eine  Ausklarierung  nach  Shanghai.  Seit  der  Abreise  von  Singapore 
am  8.  Februar  bis  zum  20.  Februar  1905  wurde  auch  in  dem  Schiffs- 
journal Shanghai  als  Ziel  angegeben.  Aber  der  Dampfer  nahm,  ohne 
nach  Saigon  oder  Shanghai  zu  fahren,  einen  Umweg,  um  durch  die 
Soyastraße  nach  Wladiwostok  zu  gelangen. 

Alles  dies  ist  nicht  anzusehen  als  ein  entschuldbares  Versehen 
oder  zur  Erleichterung  der  Reise,  und  der  dafür  von  Gesetzes  wegen  vor- 
geschriebenen Handlungen  geschehen.  Vielmehr  muß  man  annehmen, 
daß  es  der  wohlüberlegten  List  entsprungen  ist,  den  Bestimmungshafen 
zu  verheimlichen,  um  so  der  Aufbringung  zu  entgehen.  Wenn  sich 
auch  im  Konnossement  und  in  Stellen  des  Tagebuchs  der  wahre  Be- 
stimmungsort eingetragen  findet,  so  kann  man  daraufhin  nicht  ohne 
weiteres  zu  der  Annahme  kommen,  das  zur  Verhandlung  stehende 
Schiff  habe  sich  keines  betrügerischen  Vorgehens  schuldig  gemacht.  Der 
zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „Aphrodite'*  hat  demnach  unter 
Anwendung  betrügerischer  Mittel  Kriegskonterbande  befördert. 

Die  völkerrechtliche  Wissenschaft  und  Praxis  erkennt  es  aber  an, 
daß  Schiffe,  welche  sich  derartigen  betrügerischen  Vorgehens  schuldig 
machen,  zusammen  mit  ihrer  Konterbandeladung  eingezogen  werden 
können.  *) 

Da  nach  den  obigen  Gründen  der  zur  Verhandlung  stehende 
Dampfer  und  seine  Ladung  einzuziehen  sind,  so  erübrigt  es  sich,  auf 
die  weiteren  Punkte  der  Reklamation  einzugehen. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 


*)  V.  §§  43.  44. 

783 


Abschnitt  VI^*  Prisengerichtsentscheidungen:  „Aphrodite'*. 

Verkündet  am  4.  Mai  1905  im  Prisengericht  zu  Yokosuka,  im  Bei- 
sein des  Staatsanwalts  beim  Prisengericht  zu  Yokosuka,  Uchida  Shi- 
genari. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  The  Cornhill  Steamship  Company,  England,  Lon- 
don, Grace  Church  Street  Nr.  81,  vertreten  durch  den  Kapitän  F.  O. 
Edmunds. 

ProzeBvertreter :    Rechtsanwalt    Akiyama    Genzo,    Tokio, 

Kyobashiku,  Unemecho  Nr.  15. 

Am  4.  Mai  1905  Tiat  das  Prisengericht  zu  Yokosuka  in  der  Prisen- 
sache, betreffend  den  am  6.  März  1905  bei  der  Straße  von  Etorup 
von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Nippon  Maru"  aufgebrachten  eng- 
lischen Dampfer  „Aphrodite"  und  dessen  Ladung  ein  Urteil  gefällt, 
in  welchem  auf  Wegnahme  des  englischen  Dampfers  „Aphrodite"  und 
der  auf  ihm  verladenen  etwa  5600  Tons  Cardiffkohle  erkannt  worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  F.  O.  Edmunds  in  Vertretung  des 
Reklamanten,  The  Cornhill  Steamship  Company,  durch  den  Rechts- 
anwalt Akiyama  Genzo  als  Prozeßvertreter  die  Berufung  eingelegt, 
welche  im  Beisein  der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku  und  Dr. 
jur.  Ishiwatari  Binichi  beim  Oberprisengericht  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Vertreters  der  Reklamation, 
Akiyama  Genzo,  und  deren  Gründe  sind  folgende: 

1.  Die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  sei  nach  Wladiwostok, 
dem  einzigen  russischen  Handelshafen  im  Osten,  befördert  worden  und 
zu  friedlichem  Gebrauch  bestimmt  gewesen.  Es  sei  daher  unzutreffend, 
sie  als  Kriegskonterbande  zu  betrachten. 

Aber  einmal  angenommen,  die  Ladung  sei  Konterbande,  so  könne 
doch  das  Schiff  nicht  zusammen  mit  der  Ladung  eingezogen  werden, 
da  der  Eigentümer  des  Schiffs  und  der  der  Ladung  verschiedene  Per- 
sonen seien  und  kein  Beweis  dafür  vorliege,  daß  bei  der  Verladung 
betrügerische  Mittel  angewandt  worden  seien. 

2.  Bei  Konterbandetransport  beschränke  sich,  wenn  die  Konter- 
bande nicht  im  Eigentum  des  Reeders  stehe,  die  Strafe  der  Einziehung 
auf  die  Ladung;  das  Schiff  könne  als  Strafe  lediglich  der  Verlust  an 
Zeit,  Fracht  und  Kosten  treffen.  Einziehung  könne  dagegen  nicht  ver- 
fügt werden.  Auch  sei  es  ein  Grundsatz  des  modernen  Völkerrechts, 
daß,  wenn  die  Konterbande  unter  Anwendung  betrügerischer  Mittel 
verschifft  sei,  auch  das  Schiff  nur  eingezogen  werden  könne,  wenn  es 
klar  erwiesen  sei,  daß  der  Reeder  Mittäter  bei  dem  betrügerischen  Vor- 
gehen sei.     Nicht  nur  England  erkenne  dies  an,    sondern  auch    die 

784 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Aphrodite'.  Abschnitt  Vl^i 

japanische  Prisenordnung  stehe  auf  demselben  Standpunkt.  In  dem 
vorliegenden  Fall  sei  aber  der  Reeder  ganz  sicher  bei  dem  betrügerischen 
Vorgehen  nicht  Mittäter.  Daher  sei  es  unrechtmäßig,  wenn  das  Urteil 
erster  Instanz,  ohne  zu  untersuchen,  ob  der  Reeder  bei  dem  be- 
trügerischen Vorgehen  beteiligt  gewesen  sei  oder  nicht,  entschieden 
habe,  daß  das  Schiff  zusammen  mit  der  Konterbandeladung  einzu- 
ziehen sei. 

3.  Um  auf  Grund  von  Anwendung  betrügerischer  Mittel  die  Strafe 
der  Einziehung  auferlegen  zu  können,  genüge  es  nicht,  daß  lediglich 
in  den  Ausklarierungspapieren  und  dem  Gesundheitspaß  der  letzte  Be- 
stimmungsort nicht  angegeben  sei.  Es  sei  vielmehr  erforderlich,  daß 
■die  Papiere  hergestellt  seien  mit  der  Absicht,  der  Aufbringung  durch 
•die  im  Krieg  befindliche  Marine  zu  entgehen,  und  in  einer  Art,  daß 
diese  Marine  auch  wirklich  dadurch  getäuscht  werden  könne. 

Was  nun  die  Schiffspapiere  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs 
angehe,  so  könne  man  daraus,  daß  in  dem  Konnossement  Wladiwostok 
als  Bestimmungsort  bezeichnet  sei  und  daß  auch  die  Eintragungen  in 
dem  Tagebuch  vom  21.  Februar  bis  2.  März  d.  J.  die  Absicht,  von 
Singapore  nach  Wladiwostok  zu  fahren,  klar  angäben,  schon  entnehmen, 
daß  eine  Fälschung  derselben,  um  der  Aufbringung  dadurch  zu  entgehen, 
nicht  vorliege.  Daß  ferner  in  den  Ausklarierungspapieren  und  dem 
Gesundheitspaß  Wladiwostok  nicht  als  Bestimmungsort  aufgeführt  sei, 
sei  lediglich  auf  eine  zur  Vermeidung  von  formalen  Schwierigkeiten 
den  Behörden  des  eigenen  Landes  gegenüber  abgegebene  fälschliche 
Erklärung  zurückzuführen. 
Hall  sage: 

Wenn  falsche  Schiffspapiere  angefertigt  wären,  um  die  auf- 
bringende kriegführende  Macht  zu  täuschen,  so  könnten  «sie 
nur  in  den  Fällen  als  schädlich  betrachtet  werden,  wo  da- 
durch, daß  sie  als  echte  passierten,  die  Rechte  der  Kaptoren 
schließlich  zunichte  gemacht  werden  könnten.    Andernfalls 
seien  sie  milde  zu  beurteilen. 
Danach  betrachtet,  stellten  die  Papiere  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Dampfers  keinen  ausreichenden  Grad  von  Täuschung  dar,  um  die  Ein- 
ziehung des  Schiffes  nach  sich  ziehen  zu  können. 

4.  Die  japanische  Prisenordnung  stehe  auf  dem  Standpunkt,  daß 
Kohle  nur  als  Konterbande  gelte,  wenn  es  erwiesen  sei,  daß  sie  für  den 
feindlichen  Kriegsgebrauch  geliefert  werden  solle.*)  Einmal  ange- 
nommen, dieser  Standpunkt  entspreche  den  völkerrechtlichen  Grund- 
sätzen, so  sei  doch  Wladiwostok,  der  Bestimmungsort  der  in  Frage 
kommenden  Ladung,  nicht  nur  Rußlands  einziger  Kriegshafen,  sondern 
auch  sein  einziger  Handelshafen  im  Osten.   Es  sei  daher  unrechtmäßig, 

*)  V.  §  14. 

IdarBtrand-Mechlenburgp,  Das  JapaDische  Prisonrechti  (50)  lOO 


Abschnitt  Vl^t  Prisengerichtsentscheidungen:  .Aphrodite'^ 

ohne  weiteres  anzunehmen,  daß  dorthin  bestimmte  Kohle,  welche  keine 
absolute  Konterbande  sei,  für  den  Kriegsgebrauch  bestimmt  sei.  Es 
müsse  vielmehr  entsprechend  dem  Urteil  in  dem  „Neptunus"-Fall  im 
englisch-holländischen  Krieg  vom  Jahre  1798  angenommen  werden,  daß- 
die  hier  in  Frage  stehende  Ladung  für  den  Handelshafen  Wladiwostok 
bestimmt  sei  und  für  friedlichen  Gebrauch  geliefert  werden  solle.  Wenn 
das  Gericht  erster  Instanz  Wladiwostok  als  einen  reinen  Kriegshafen 
ansehe  und  es  mit  dem  in  dem  „Neptunus"-Urteil  erwähnten  Kriegs- 
hafen Brest  auf  gleiche  Stufe  stelle,  so  sei  das  eine  falsche  Auffassung  der 
Tatsachen.  Folglich  sei  auch  die  Präcedenzentscheidung  nicht  richtig- 
angezogen. Das  Urteil  erster  Instanz  übersehe,  daß  auch  heute  noch 
der  gewöhnliche  Handelsverkehr  mit  Wladiwostok  in  Ausübung  begriffen- 
sei,  und  sage,  es  sei  eine  bekannte  Tatsache,  daß  der  Handelsverkehr 
des  genannten  Hafens  gesperrt  sei.  Auch  darin  entstelle  das  Urteil  die 
Tatsachen,  daß  es  behaupte,  daß  Cardiffkohle,  welche  überall  auf  Ber 
Erde,  sowohl  für  den  Kriegs-  als  für  den  Industriegebrauch  verwandt 
werde,  im  fernen  Osten  ausschließlich  auf  Kriegsschiffen  zur  Verwendung 
komme.    So  stehe  das  Urteil  mit  dem  Sachverhalt  in  Widerspruch. 

5.  Bezüglich  der  Behandlung  relativer  Konterbande  auf  neutralem 
Schiff  stehe  die  englische  Praxis  auf  dem  Standpunkt,  daß  Einziehung 
gegen  Leistung  einer  Entschädigung  erfolgen  könne.  Das  kontinentale 
Prinzip,  welches  mit  den  Beschlüssen  des  internationalen  Völkerrechts- 
kongresses  übereinstimme,  erkenne  mit  Bezug  auf  derartige  Güter  unter 
der  Bedingung  der  Entschädigung  nur  ein  Recht  der  Beschlagnahme 
oder  des  Vorkaufs  für  den  kriegführenden  Staat  an.  Japan  weiche  von 
diesen  Prinzipien  und  Gewohnheiten  ab  und  bestimme  in  unbilliger 
Strenge  bedingungslose  Einziehung.  Besonders  auch,  da  die  japanische 
Seeprisenordnung  sich  auf  den  englischen  Prinzipien  aufbaue,  sei  es 
wünschenswert,  daß,  wo  es  sich  um  neutrale  relative  Konterbande 
handele,  eine  billigere  Haltung  eingenommen  werde. 

Aus  diesen  Gründen  werde  Aufhebung  des  Urteils  erster  Instanz^ 
und  Erlaß  einer  Entscheidung  auf  Freigabe  des  zur  Verhandlung 
stehenden  Schiffs  und  seiner  Ladung  beantragt. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  beim  Prisen- 
gericht zu  Yokosuka,  Kobayashi  Yoshio,  sind  folgende: 

1.  Es  sei  unbestritten,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff 
im  Eigentum  des  Reklamanten,  The  Cornhill  Steamship  Company,  stehe^ 
Daß  diese  Firma  auch  der  Absender  der  Ladung  sei,  lasse  sich  daraus 
entnehmen,  daß  kein  Chartervertrag  vorhanden  sei,  und  gehe  auch  aus 
dem  Konnossement  und  der  Aussage  des  Kapitäns  hervor.  Wenn  aber 
der  Reeder  der  Absender  der  Ladung  sei,  so  sei  es  gerechtfertigt,  sch- 
länge kein  Gegenbeweis  vorliege,  anzunehmen,  daß  er  auch  der  Eigen- 
tümer der  Ladung  sei. 

786 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Aphrodite".  Abschnitt  VI^s 

Da  es  ferner  bekannt  sei,  daß  eine  Ladung  wie  die  zur  Verhandlung 
stehende,  welche  aus  doppeltgesiebter  Cardiffkohle  bestehe,  im  Osten 
nur  auf  Kriegsschiffen  zur  Verwendung  komme,  und  außerdem  die 
Ladung  nach  Wladiwostok,  dem  einzigen  Marinestützpunkt  des  Feindes 
im  Osten,  bestimmt  sei,  so  unterliege  es,  wenn  man  alles  dieses  zusammen- 
halte, keinem  Zweifel,  daß  die  Ladung  der  feindlichen  Marine  habe  ge- 
liefert werden  sollen. 

Ferner  habe  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  bei  der  Abreise 
von  England  fälschlicherweise  Saigon,  und  in  Singapore  Shanghai  als  Be- 
stimmungsort für  die  Ladung  angegeben  und  dementsprechende  Aus- 
klarierungspapiere erhalten.  Auch  das  Schiffsjournal  sei  mit  den  gleichen 
falschen  Eintragungen  versehen  worden. 

2.  Die  Eintragungen  eines  falschen  Bestimmungsorts  in  die  Schiffs- 
papiere fänden  sich  in  dem  Privatschiffsjournal  und  mehreren  Aus- 
klarierungsscheinen sovtie  in  den  Gesundheitspaß.  Das  Schiff  gehöre 
demselben  Eigentümer  wie  der  aufgebrachte  Dampfer  „Venus".*)  Die 
Ladung,  der  Bestimmungsort  und  das  betrügerische  Vorgehen  seien 
in  beiden  Fällen  gleich.  Daher  müsse  angenommen  werden,  daß  auch 
die  falschen  Eintragungen  in  den  Ausklarierungspapieren  dieses  Dampfers 
in  gleicher  Weise  wie  bei  der  „Venus"  auf  falsche  Anzeigen  des  Reeders 
oder  seines  Vertreters  zurückzuführen  sei.  Es  sei  daher  unzweifelhaft, 
daß  das  betrügerische  Verhalten  in  dieser  Sache  in  vollem  Maße  mit 
Einverständnis  des  Reeders  geschehen  sei. 

3.  Die  Ausklarierungspapiere  und  Gesundheitspässe  seien  für  die 
Ermittlung  des  wahren  Bestimmungsortes  eines  Schiffes  seitens  des 
Kaptors  Schiffspapiere,  welche  für  die  Durchführung  der  Untersuchung 
von  größter  Bedeutung  seien.  Auch  beschränkten  sich  die  falschen  An- 
gaben in  diesem  Fall  nicht  auf  diese  Papiere,  sondern  auch  das  Privat- 
schiffsjournal enthalte  einen  falschen  Bestimmungsort.  Daß  dies  aus- 
schließlich geschehen  sei,  um  den  Kaptor  zu  täuschen,  liege  auf  der 
Hand. 

4.  Daß  eine  Ladung  von  doppeltgesiebter,  ausgewählter  Cardiff- 
kohle im  Osten  nur  auf  Kriegsschiffen  gebraucht  werde,  sei  eine  all- 
gemein bekannte  Tatsache.  Wenn  daher  auch  Wladiwostok  zugleich 
ein  Handelshafen  sein  möge,  so  könne  man  doch,  weil  es  vor  allem  !der 
Hauptstützpunkt  der  feindlichen  Marine  sei,  nichts  anderes  annehmen, 
als  daß  die  Ladung  für  die  feindliche  Marine  bestimmt  sei. 

5.  Wenn  auch  ein  Gut  sowohl  zu  friedlichem  als  zum  Kriegs- 
gebrauch dienen  könne,  so  erkenne  doch  das  geltende  Völkerrecht  an, 
daß  es,  wenn  seine  Konterbandeeigenschaft  festgestellt  sei,  von  der  krieg- 
führenden Macht  eingezogen  werden  könne. 

*)  VI.  45. 

(50^  787 


Abschnitt  VI  46  Prisengerichtsentscheldungen : ,  Aphrodite ' . 

Präcedenzfälle,  in  welchen  bei  Einziehung  bedingungsweiser 
Konterbande  Entschädigung  geleistet  worden  sei,  gründeten  sich  ent- 
weder auf  besonderen  Vertrag  oder  besondere  politische  Rücksichten, 
das  Völkerrecht  enthalte  dagegen  keine  allgemeine  diesbezügliche  Be- 
stimmung, welche  man  zu  befolgen  verpflichtet  sei. 

Die  Berufung  sei  daherunbegründet  und  müsse  abgewiesen  werden. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

1.  Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegs- 
liafen  ist.  Seit  dem  Krieg  mit  Japan  hat  Rußland  es  zum  Stützpunkt 
für  seine  Kriegsflotte  und  Hauptetappenort  gemacht.  Es  hat  dort  in  aus- 
gedehntem Maße  Waffen,  Lebensmittel,  Kohlen  und  sonstige  Kriegs- 
bedarfsartikel aufgespeichert.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr  nach 
dorthin  hat  fast  ganz  aufgehört.  Es  ist  daher  durchaus  begründet,  wenn 
das  Gericht  erster  Instanz  angenommen  hat,  daß  die  nach  diesem  Hafen 
bestimmten  Steinkohlen  für  den  russischen  Kriegsgebrauch  geliefert 
werden  sollten  und  daher  Kriegskonterbande  seien.  Dies  um  so  mehr, 
als  die  zur  Verhandlung  stehende  Kohlenladung  ausgewählte  Cardiff- 
kohle  ist  und  die  Preise  für  solche  im  Osten  so  außerordentlich  hoch 
sind,  daß  außer  für  den  Gebrauch  auf  Kriegsschiffen  zur  Kriegszeit 
keine  Nachfrage  dafür  vorhanden  und  es  somit  unzweifelhaft  ist,  daß 
die  Kohle  jedenfalls  für  den  russischen  Kriegsgebrauch  geliefert  werden 
sollte. 

Der  Reklamant  sagt,  es  müsse  nach  Art  der  Präcedenzentscheidung, 
betreffend  den  „Neptun  us'',  auch  in  diesem  Falle  angenommen  werden, 
daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  für  friedliche  Zwecke  be- 
stimmt gewesen  sei.  Aber  die  Ladung  im  „Neptunus"-Fall  und  die  des 
vorliegenden  Falls  sind  ihrer  Art  nach  von  Grund  aus  verschieden,  und 
auch  die  Verhältnisse  der  Bestimmungsorte  sind  ganz  andere.  Es  ist 
daher  unfraglich,  daß  jener  Fall  nicht  als  Präcedenz  auf  den  vorliegenden 
angewandt  werden  kann. 

2.  Es  ist  völkerrechtliches  Prinzip,  daß  Konterbande  schlechthin 
konfisziert  werden  kann.  Wünsche  bezüglich  Vorkaufs,  Einziehung  gegen 
Entgelt  oder  Beschlagnahme  unter  der  Bedingung  der  Entschädigung, 
wie  der  Reklamant  sie  äußert,  sind  nur  verwirklicht,  wo  besondere  ver- 
tragliche Abmachungen  vorliegen.  Im  übrigen  finden  sich  diese  Er- 
scheinungen in  Praxis  und  Theorie  nur  vereinzelt.  Keinenfalls  können 
sie  jedoch  als  völkerrechtliche  Regel  anerkannt  werden.  Man  kann 
daher  nicht  sagen,  daß  das  Urteil  erster  Instanz  es  in  etwas  versehen 
habe,  wenn  es  diesen  Ansichten  des  Reklamanten  nicht  Folge  leistete. 

3.  Das  Völkerrecht  erkennt  an,  daß  Schiffe  wie  das  zur  Verhand- 
lung stehende,  deren  Reisezweck  der  Transport  von  Konterbande  ist, 
eingezogen  werden  können.  Das  Oberprisengericht  ist  der  Ansicht,  daß 
dies  den  Verhältnissen  gerecht  wird;  besonders  im  vorliegenden  Falle, 

788 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Aphrodite*.  Abschnitt  VI^v 

wo  die  ganze  Ladung  des  Schiffes  Konterbande  ist,  wo  die  Agentur  des 
Reeders  dem  Kapitän  bei  der  Abfahrt  des  Schiffes  Order  gegeben  hat, 
nach  Wladiwostok  zu  fahren,  während  das  Privatschiffsjournal  und  die 
Ausklarierungspapiere  einen  gefälschten  Bestimmungsort  enthalten,  wo 
also  das  Schiff  sich  des  Transports  von  Konterbande  unter  Anwendung 
betrügerischer  Mittel  schuldig  gemacht  hat. 

Da  schon  nach  dem  in  den  Punkten  1,  2  und  3  Gesagten  die  Ent- 
scheidung der  ersten  Instanz  auf  Einziehung  des  zur  Verhandlung! 
stehenden  Schiffs  und  seiner  Ladung  unfraglich  gerechtfertigt  ist,  so 
liegt  kein  Bedürfnis  vor,  auf  die  einzelnen  Punkte  der  Berufung  noch 
besonders  einzugehen. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden : 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  8.  August  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


In  der  Prisensacbe,  betreffend  den  englischen  Dampfer  „Saxon 
Prince"  und  seine  Ladung  wird  nach  Einsichtnahme  von  dem  Schriftsatz 
des  Staatsanwalts  YamamotoTatsurokuro,  wie  folgt,  entschieden : 

Urteilsformel: 
Der  Dampfer  „Saxon  Prince"  und  seine  ganze  Ladung  werden  frei- 
gegeben. 

Tatbestand  und  Gründe: 
Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  steht  im  Eigentum  der 
„Prince  Line"  A.  G.  in  England,  er  führt  die  englische  Handelsflagge 
und  dient  vorzugsweise  zum  Gütertransport.  Er  nahm  in  New  York, 
Amerika,  gemischte  Ladung  an  Bord  und  fuhr  am  11.  Dezember  1904 
von  dort  über  das  portugiesische  S.  Vincente  und  D'Urban  im  englischen 
Natal  nach  Singapore  und  Shanghai.  In  diesen  beiden  Plätzen  löschte 
er  einen  Teil  seiner  Ladung.  Die  übrige  Ladung  bestand  aus  Eisenbahn- 
material, welches  für  Muroran  bestimmt  war.  In  Shanghai  erhielt  der 
Dampfer  einen  Ausklarierungsschein  von  dem  englischen  General- 
konsulat, in  welchem  unter  Ladung  „Ballast"  und  unter  Bestimmungsort 
„Muroran"  angegeben  war.  Am  7.  März  dieses  Jahres  um  die  Mittagszeit 
fuhr  er  von  dort  ab  und  wurde  auf  der  Reise  nach  Muroran  lam  10.  des- 

789 


Abschnitt  VI^T  Prisengerichtsentscheidungen:  „Saxon  Prince". 

selben  Monats  12  Uhr  45  Minuten  nachts  auf  34 «  13'  n.  Br.  und 
130°  20'  ö.  L.  unter  dem  Verdacht,  Konterbande  nach  Wladiwostok 
zu  führen,  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Akashi"  aufgebracht. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Vertreters  des  Kommandanten  der  „Akashi",  Kapitänleutnants  Miyano 
Koji,  die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns  W.  S.  Jameson,  des 
ersten  Offiziers  J.  R.  Gray  und  des  Maschinisten  J.  R.  Smith,  das 
Schiffszertifikat,  das  Privatschiffsjournal,  die  Konnossemente  und  das 
Ladungsverzeichnis  des  Dampfers  „Saxon  Prince"  und  den  Aus- 
klarierungsschein des  englischen  Generalkonsulats  in  Shanghai. 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  des  Staatsanwalts  sind 
folgende : 

Es  seien  in  den  Schiffspapieren  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Dampfers  Punkte,  welche  nicht  übereinstimmen.  Da  femer  nach  dem 
Kurs  des  Schiffes  der  Verdacht,  daß  es  Muroran  nur  als  Bestimmungsort 
vorgegeben,  tatsächlich  aber  heimlich  nach  Wladiwostok  habe  fahren 
wollen,  habe  aufkommen  müssen,  so  sei  die  Beschlagnahme  zu  Recht 
erfolgt.  Die  Untersuchung  im  Prisengericht  habe  ergeben,  daß  der 
Dampfer  tatsächlich  auf  der  Reise  nach  Muroran  begriffen  war;  daher 
sei  er  mitsamt  seiner  Ladung  sofort  freizugeben. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

In  den  zur  Zeit  der  Beschlagnahme  an  Bord  vorgefundenen,  sich  auf 
das  Eisenbahnmaterial  beziehenden  Konnossementen  findet  sich  Shanghai 
als  Bestimmungsort  verzeichnet,  und  in  dem  von  dem  englischen  Gene- 
ralkonsulat in  Shanghai  ausgestellten  Ausklarierungsschein  ist  unter  La- 
dung „Ballast''  angegeben.  Als  der  Dampfer  den  Tsushimakanal  passierte, 
leistete  er  dem  Signal  der  „Akashi'',  zu  stoppen,  keine  Folge  und  stoppte 
erst  nach  dem  Warnungsschuß,  i)  Infolgedessen  erhob  sich  auf  der 
„Akashi''  der  Verdacht,  daß  der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer 
Muroran  als  Bestimmungshafen  vorgebe,  tatsächlich  aber  Konterbande 
nach  Wladiwostok  führe.  Die  Beschlagnahme  war  unter  diesen  Um- 
ständen gerechtfertigt.  2) 

Aber  die  Untersuchung  in  dem  unterzeichneten  Prisengericht  hat 
ergeben,  daß  die  Ladung  von  Eisenbahnmaterial  von  der  Mitsui  Bussan 
Kaisha  an  die  Hokkaido  Tanko  Tetsudo  Kaisha  zu  liefern  ist  und  von 
jener  bei  der  U.  S.  Steel  Products  Export  Company  in  New  York  be- 
stellt und  für  Muroran  bestimmt  war.  Dies  wird  bewiesen  durch  den 
Lieferungsvertrag  zwischen  der  Mitsui  Bussan  Kaisha  und  der  Hokkaido 
Tanko  Tetsudo  Kaisha  über  Eisenbahnschienen  und  Zubehör,  den  von 
der  U.  S.  Steel  Products  Export  Company  als  Absender  an  die  Mitsui 
Bussan  Kaisha  geschickten  Frachtbrief,  Telegramme  der  Hokkaido  Tanko 
Tetsudo  Kaisha  und  der  American  Trading  Company  in  Yokohama  an 

»)  V.  §  54,2.  —  ')  V.  §  37,2  und  6. 

790 


Prisangerichtsentscheldungen:  „Tacoma".  Abschnitt  Vl^ii 

das  unterzeichnete  Prisengericht  und  verschiedene  Briefe  der  Reederei 
und  der  Agenturen  an  den  Kapitän  des  Dampfers,  in  welchen  derselbe 
-angewiesen  wird,  nach  Muroran  zu  fahren. 

Daher  sind  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  und  seine  ge- 
-samte  Ladung  ungeachtet  der  Rechtmäßigkeit  der  Beschlagnahme  frei- 
zugeben. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Am  16.  März  1905  im  Prisengericht  zu  Sasebo. 
(Unterschriften.) 


Reklamant:  North-Western  Steamship  Company  Ltd.,  Vereinigte 
Staaten  von  Nordamerika,  Staat  Washington,  Kings  County,  Seattle, 
vertreten  durch  den  Direktor  John  Rosen e. 

Prozeßvertreter : '  Rechtsanwalt  Akiyama  Genzo,  Tokio, 
KyobashUcu  Unemecho  Nr.  15. 

In  der  Prisensache,  betreffend  den  nordamerikanischen  Dampfer 
„Tacoma'',  wird  nach  Beendigung  der  Untersuchung,  wie  folgt,  ent- 
jschieden. 

Urteilsformel: 

Es  wird  auf  Wegnahme  des  nordamerikanischen  Dampfers  „Ta- 
•coma''  entschieden. 

Tatbestand  und  Gründe: 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „Tacoma"  steht  im  Eigen- 
tum des  Reklamanten,  sein  Heimatshafen  ist  Seattle  im  Staat  Washing- 
ton, Vereinigte  Staaten  von  Nordamerika,  und  er  ist  ein  Handelsschiff, 
welches  die  Flagge  der  Vereinigten  Staaten  von  Nordamerika  führt. 

Für  die  Befrachter,  Charles  Nelson  &  Co.  in  San  Francisco, 
Vereinigte  Staaten  von  Nordamerika,  lud  der  Dampfer  in  Seattle  mit  der 
Bestimmung  für  Wladiwostok  in  Rußland  etwa  9000  Faß  gesalzenes 
Rindfleisch  (einige  Faß  davon  wurden  auf  der  Reise  zur  Beköstigung 
der  Mannschaft  verbraucht),  welche  auf  Grund  eines  zwischen  dem 
in  Shanghai  ansässigen  russischen  Generalmajor  Dessino  und  den 
russischen  Kaufleuten  Denbigh  und  Ebbecke  &  Co.  in  Shanghai 
^ibgeschlossenen  Vertrages  in  Nordamerika  eingekauft  waren,  sowie  ein 
Kolli  Stahlstäbe  und  eine  Kiste  Maschinenteile,  welche  im  Eigentum 
des  Supercargos  des  Dampfers,  des  russischen  Staatsangehörigen 
Alexander  Georgie witsch  Bollmann  stehen.    Als  Empfänger 

791 


Abschnitt  VI 48a  Prisengerichtsentscheidungen:  .Tacoma*» 

des  gesalzenen  Rindfleisches  in  Wladiwostok  ist  die  dortige  russisch- 
chinesische Bank  genannt. 

Der  oben  genannte  B  o  1 1  m  a  n  n  ist  von  D  e  n  b  i  g  h  als  Ver- 
treter und  Beauftragter  für  seine  Einkäufe  von  Lieferungen  an  Behörden, 
Private  und  Firmen  bevollmächtigt  worden.  Von  der  genannten  Firma 
Ebbecke&Co.  war  B  o  1 1  m  a  n  n  beauftragt,  das  in  Amerika  angekaufte, 
nach  Wladiwostok  zu  befördernde  gesalzene  Rindfleisch  zu  prüfen,  mit 
dem  gleichen  Schiff  wie  dieses  nach  dem  Bestimmungsort  zu  fahren 
und  dort  das  Fleisch  an  den  Empfänger  abzuliefern.  Auf  Anordnung 
des  Reklamanten  wurde  Bo  11  mann  demnach  als  Supercargo  auf  das 
zur  Verhandlung  stehende  Schiff  genommen.  Der  Kapitän  erhielt  vor 
der  Abreise  am  2.  Januar  1905  von  dem  Reeder  Order,  nach  Wladi- 
wostok oder,  falls  dort  infolge  einer  Blockade  oder  Frostes  Hindernisse 
seien,  nach  Shanghai  zu  fahren.  Der  Kapitän  gab  darauf  Shanghai  als- 
Bestimmungsort  auf  und  erhielt  für  diesen  Hafen  Ausklarierung  und 
Gesundheitspaß.  Auch  in  dem  der  Zollbehörde  übergebenen  Ladungs- 
verzeichnis gab  er  fälschlich  Shanghai  als  Bestimmungsort  an.  Auch  in 
einem  anderen  Ladungsverzeichnis  wurde  angegeben,  daß  das  Schiff 
über  verschiedene  Häfen  nach  Hongkong  weiter  führe.  In  der  Ladungs- 
empfangsbescheinigung ist  die  Stelle,  wo  der  Bestimmungsort  steht^ 
zerstört.  * 

Am  5.  Januar  1905  fuhr  der  Dampfer  von  Seattle  ab.  Das  Privat- 
schiffsjournal, das  Notizbuch,  das  Deckjournal  und  Maschinenjoumajt 
geben  alle  an,  daß  Shanghai  daß  Reiseziel  war.  Unterwegs  wurde 
Dutch  Harbour  angelaufen,  Kohlen  eingenommen  und  am  19.  d.  M.  von 
dort  wieder  abgefahren.  Das  Schiff  fuhr  dann  an  den  Aleuten  vorbel 
durch  die  Boussole-Straße  in  das  Ochotskische  Meer  und  versuchte  nach 
Wladiwostok  zu  gelangen.  Unterwegs  wurde  es  jedoch  von  Treibeis 
eingeschlossen,  verlor  seine  Bewegungsfähigkeit,  trieb  viele  Tage  hin 
und  her  und  erlangte  erst  am  13.  März  seine  Manövrierfähigkeit  wieder. 
Als  es  dann  aufs  neue  seine  Ricise  nach  dem  Bestimmungsort  fort- 
zusetzen versuchte,  wurde  es  am  14.  März,  8  Uhr  morgens  auf  einer 
Stelle  etwa  40  Seemeilen  südwestlich  von  Kap  Shibetonitara  von  dem 
Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Takachiho''  beschlagnahmt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Vertreters  des  Kommandanten  der  „Takachiho",  Kapitänleutnants 
Ugawa  Sai,  die  Vernehmungsprotokolle  des  genannten  Offiziers,  des 
Kapitäns  der  „Tacoma''  S.  S.  Connauton,  des  Supercargo,  russi- 
schen Staatsangehörigen  Alexander  Oeorgiewitsch  Boll- 
mann,  die  bei  dem  zuletzt  genannten  beschlagnahmten  Papiere,  das 
Schiffszertifikat,  die  Konnossemente  (der  Kapitän  behauptet,  diese  Pa- 
piere seien  zugleich  Konnossemente  und  Chartervertrag,  aber  ihrer  Art 
nach  sind  sie  als   Konnossemente  zu   betrachten),   die  Ausklarierungs- 

792 


Prisengerichtsentscheldungen:  „Tacoma''.  Abschnitt  VI^i« 

papiere,  den  Gesundheitspaß,  zwei  Ladungsverzeichnisse,  die  Ladungs- 
empfangsbescheinigung, das.  Privatschiffsjournal  und  Notizbuch,  das 
Deckjournal,  Maschinenjournal  und  ein  Schreiben  des  Reeders  an  den 
Kapitän  vom  2.  Januar  1905. 

Die  Hauptpunkte  der  Reklamation  sind  folgende: 
Da  die  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  nicht  im 
Eigentum  des  Reeders  stehe,  so  könne  das  Schiff,  selbst  wenn  die  Ladung 
Konterbande  sei,  nicht  mit  dieser  zusammen  eingezogen  werden,  ferner 
habe  der  Reeder  in  seinem  Schreiben  vom  5.  Februar  d.  J.  (vermutlich 
irrtümlich  für  2.  Januar)  dem  Kapitän  Order  gegeben,  nach  Wladiwostok 
oder,  wenn  er  wegen  Blockade  oder  Eises  nicht  dorthin  kommen  könne, 
nach  Shanghai  zu  fahren.  Auch  daraus,  daß  die  Konnossemente  Wladi- 
wostok offen  als  Bestimmungsort  angäben,  sei  ersichtlich,  daß  der  Trans- 
port durchaus  bona  fide  unternommen  worden  sei.  Daß  in  den  Ladungs- 
verzeichnissen und  den  Ausklarierungspapieren  Shanghai  als  Bestim- 
mungsort angegeben  sei,  habe  einen  Grund  darin,  daß  der  Kapitän  zu- 
gleich die  Absicht  des  Reeders  und  den  Fall,  daß  er  nicht  nach  Wladi- 
wostok werde  gehen  können,  in  Rücksicht  genommen  habe,  und  sei 
durchaus  der  Absicht  entsprungen,  auf  diese  Weise  der  Aufbringung 
zu  entgehen.  Da  eine  solche  Eintragung  von  zwei  verschiedenen  Be- 
stimmungsorten in  den  Schiffspapieren  sofort  habe  bemerkt  werden 
müssen  und  daher  nicht  geeignet  gewesen  sei,  um  ein  beschlagnehmendes 
Kriegsschiff  zu  täuschen,  so  könne  man  dies  nicht  völkerrechtlich  als 
ein  betrügerisches  Mittel  betrachten. 

Da  ferner  gesalzenes  Rindfleisch  keine  absolute  Konterbande  sei^ 
so  müsse  im  vorliegenden  Falle,  wo  solches  nach  Wladiwostok  gehe,, 
einem  Hafen,  der  die  Eigenschaft  sowohl  eines  Kriegs-  als  eines  Handels- 
haferts  besitze,  mangels  Gegenbeweises  angenomnfcn  werden,  daß  es 
nach  dem  Handelshafen  Wladiwostok  habe  befördert  werden  und  nicht 
für  den  Kriegsgebrauch  geliefert  werden  sollen.  Daß  dies  billig  sei, 
tue  auch  die  Präcedenzentscheidung,  bfetreffend  den  im  englisch-hol- 
ländischen Kriege  im  Jahre  1798  aufgebrachten  „Neptun a^'',  dar.  Für 
den  vorliegenden  Fall  gelte  dies  um  so  mehr,  als  die  Ladung  nicht  aus- 
schließlich für  den  Kriegsgebrauch  verwendbar  sei. 

Was  die  Stahlstäbe  und  die  Maschinenteile  angehe,  so  stünden 
sie  im  Eigentum  des  russischen  Staatsangehörigen  Bollmann  und 
seien  in  dessen  Auftrag  von  dem  Befrachter  zusammen  mit  der  an- 
deren Ladung  verladen  worden.  Sie  seien,  wie  bereits  oben  gesagt, 
keine  Konterbande. 

Daher  werde  Freigabe  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs 
beantragt. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

795 


Abschnitt  Vl^ia  Prisengerichtsentscheidungen:  ,,Tacoiiia'-« 

Was  das  unter  den  zur  Verhandlung  stehenden  Gütern  befindliche 
gesalzene  Rindfleisch  angeht,  so  hat  der  gegenwärtig  in  Shanghai  an- 
sässige, an  den  militärischen  Unternehmungen  des  Feindes  offiziell  be- 
teiligte russische  Generalmajor  D  e  s  s  i  n  o  mit  den  russischen  Kauf- 
leuten Denbigh  und  Ebbecke  &  Co.  im  November  v.  J.  einen 
Vertrag  auf  Einkauf  desselben  in  Amerika  und  Lieferung  nach  Wladi- 
\c'ostok,  dem  wichtigsten  Stützpunkt  und  Hauptetappenort,  abgeschlossen. 
Seiner  Bestimmung  nach  war  es  demnach  Kriegsbedarf  für  den  Feind. 

Da  ferner  der  Empfänger  die  russisch-chinesische  Bank  in  Wladi- 
wostok war,  so  ist  darüber,  daß  es  für  den  Kriegsgebrauch  des  Feindes  zu 
liefern  war,  auch  nicht  der  geringste  Zweifel  möglich.  Er  ist  daher  un- 
fraglich als  Konterbande  anzusehen,  i) 

Die  oben  bezeichneten,  dem  B  o  1 1  m  a  n  n  gehörigen  Stahlstäbe 
und  Maschinenteile  sind  Material  für  den  Bau  von  Schiffen  und  er- 
wiesenermaßen nach  Wladiwostok  bestimmt.  Daher  sind  auch  sie  un- 
zweifelhaft Konterbande.  2) 

Aus  dem  Schreiben  des  Reeders  an  den  Kapitän  vom  2.  Januar 
dieses  Jahres  geht  hervor,  daß  die  Bestimmung  des  Schiffes  nach  Wladi- 
vc'ostok  schon  vor  der  Abreise  desselben  von  Seattle  festgesetzt  war. 
Trotzdem  ließ  der  Kapitän  sich  in  Seattle  auf  Grund  seiner  Angaben 
Ausklarierung  und  Gesundheitspaß  für  Shanghai  geben.  In  der  Ladungs- 
empfangsbescheinigung ist  die  Stelle,  wo  der  Bestimmungsort  stehen  soll, 
zerstört.  Das  Privatschiffsjournal,  das  Notizbuch,  das  Deckjournal  und 
Maschinenjournal  geben  alle  fälschlicherweise  Shanghai  an.  Das  Schiff 
hat  zur  Winterszeit  den  wegen  der  Winde,  des  Schnees  und  Eises  ge- 
fährlichsten Weg  genommen,  um  durch  die  Soyastraße  nach  Wladi- 
wostok zu  gelangen.  Alle  diese  Tatsachen  können  nicht  auf  entschuld- 
bares Versehen  bzvt^  Erleichterung  der  Reise  oder  der  behördlichen 
Formalitäten  zurückgeführt  werden.  Es  muß  vielmehr  angenommen 
werden,  daß  sie  dem  betrügerischen  Plan,  durch  Verheimlichung  des 
Bestimmungsortes  der  Aufbringung  zu  entgehen,  entsprungen  sind. 
Auch  daraus,  daß  sich  im  Konnossement  und  dem  Briefe  des  Reeders 
an  den  Kapitän  der  wahre  Bestimmungsort  verzeichnet  findet,  kann 
nicht  ohne  weiteres  gefolgert  werden,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende 
Schiff  sich  nicht  betrügerischer  Mittel  bedient  habe.  Dies  um  so  weniger, 
als,  wie  aus  der  schriftlichen  Aussage  und  der  Vernehmung  des  Stell- 
vertreters des  Kommandanten  der  „Takachiho"  hervorgeht,  der  Kapitän 
bei  der  Visitierung  die  beiden  erwähnten  Schriftstücke  unter  der  Vor- 
gabe, sie  seien  unerheblich,  beiseite  zu  schaffen  versucht  hat,  um  sie 
dem   visitierenden  Offizier  zu  verheimlichen. 

Wie  ferner  aus  dem  Vernehmungsprotokoll  des  oben  erwähnten 
B  o  1 1  m  a  n  n  hervorgeht,  hat  der  Reklamant  diesem,  obwohl  er  die  ihm 

1)  II.  Ziffer  2.  —  •)  Ziffer  1. 

794 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Tacoma*.  Abschnitt  Vl^ia 

von  Ebbecke  &  Co.  anvertraute  besondere  Aufgabe  kannte, 3)  dazu 
bestimmt,  als,Supercargo  mit  dem  Schiff  zu  fahren. 

Auch  beweist  der  erwähnte  Brief,  den  der  Reklamant  vor  Abreise 
des  Schiffs  von  Seattle  an  den  Kapitän  richtete,  nach  der  Art,  wie  dort 
die  Route,  um  nach  Wladiwostok  zu  gelangen,  festgelegt  ist,  daß  der 
Kapitän  eine  Route  wählen  sollte,  auf  der  er  der  Aufbringung  durch 
das  japanische  Geschwader  entgehen  sollte. 

Wenn  man  alles  dies  zusammenhält,  so  kann  man  wohl  annehmen, 
daß  der  Reklamant  den  Transport  der  Ladung  mit  seinem  Schiff  unter- 
nommen hat,  obwohl  er  hinreichend  über  den  Charakter  derselben 
unterrichtet  war.  Mit  anderen  Worten,  der  Reklamant  hat  sich  der 
Unterstützung  des  Feindes  mit  seinem  Schiff  schuldig  gemacht.    ' 

Es  ist  aber  vor  Theorie  und  Praxis  des  Völkerrechts  anerkannt, 
daß  ein  Schiff,  welches  sich  betrügerischen  Verhaltens  zur  Unterstützung 
des  Feindes  schuldig  macht,  mit  seiner  Konterbandeladung  eingezogen 
werden  kann. 

Da  aus  diesen  Gründen  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  ein- 
zuziehen ist,  so  erübrigt  es  sich,  die  weiteren  Punkte  des  Vertreters 
der  Reklamation  zu  erörtern. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  1.  Juni  1905  im  Prisengericht  zu  Yokosuka,  im  Bei- 
sein des  Staatsanwalts  des  Prisengerichts  zu  Yokosuka,  Yanagita 
Ku  nio. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  John  Rosene,  Direktor  der  North  Western  Rail- 
way  Company  Ltd.  in  Seattle,  Kings  County,  Vereinigte  Staaten  von 
Nordamerika. 

Prozeßvertreter :  Rechtsanwalt  Akiyama  Genzo,  Tokio, 
Kyobashiku  Unemecho  Nr.  15. 

Am  1.  Juni  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Yokosuka  in  der  Prisen- 
sache, betreffend  den  amerikanischen  Dampfer  „Tacoma",  welcher  am 
14.  März  1905  etwa  40  Seemeilen  südwestlich  von  dem  Vorgebirge 
Shibetonitara  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Takachiho''  [beschlag- 
nahmt worden  ist,  ein  Urteil  gefällt,  in  welchem  auf  Wegnahme  des 
amerikanischen  Dampfers  „Tacoma"  entschieden  worden  ^st. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  der  Reklamant  John  Rosene  durch 
den  Rechtsanwalt  Akiyama  Genzo  als  Prozeßvertreter  die  Berufung 

3/ nämlich:  die  Bestellung  des  mssischen  Qieneralmajors  Dessino  auszuführen. 

795 


Abschnitt  Vl^a  Priseng ericht8ent8chei düngen :  .Tacoma'. 

eingelegt,  welche  im  Beisein  der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku 
und  Dr.  jur.  Ishiwatari  Binichi  beim  Oberprisengericht  geprüft 
worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Vertreters  der  Reklamation, 
Akiyama  Genzo,  sind  folgende: 

Am  1.  Juni  1905  habe  das  Prisengericht  zu  Yokosuka  ein  Urteil  auf 
Wegnahme  des  Dampfers  „Tacoma''  verkündet.  Dieses  Urteil  sei  un- 
zutreffend, und  es  werde  Aufhebung  desselben  und  Erlaß  einer  Ent- 
scheidung auf  Freigabe  des  Dampfers  „Taooma"   beantragt. 

Die  Hauptpunkte  der  Begründung  sind  folgende: 

Wenn  der  Reklamant  mit  seinem  eigenen  Schiffe  einen  Trans- 
port unternommen  habe,  so  sei  das  eine  Handlung,  die  unter  den  Frei- 
heiten des  neutralen  Handelsverkehrs  stehe.  Er  habe  dabei  keinerlei 
betrügerische  Mittel  geplant,  und  es  liege  nicht  der  geringste  Grund  für 
die  Annahme  vor,  daß  er  sich  der  Unterstützung  des  Feindes  schuldig 
gemacht  habe.  Wenn  daher  das  Urteil  erster  Instanz  annehme,  daß  das 
Schiff  betrügerische  Mittel  gebraucht  und  den  Feind  zu  unterstützen  vor- 
gehabt habe,  und  zusammen  mit  der  Ladung  auf  Einziehung  des  Schiffes 
erkannt  habe,  so  sei  das  unrechtmäßig. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  beim  Prisen- 
gericht zu  Yokosuka,  Yanagita  Kunio,  sind  folgende: 

Der  Reklamant  sage,  daß 

die  „Tacoma"  betrügerische  Mittel  zum  Transport  von  Konter- 
bande nach  Wladiwostok  nicht  angewandt,  auch  sich  der 
Unterstützung  des  Feindes  nicht  schuldig  gemacht  habe.  Da- 
her sei  die   Entscheidung  auf  Einziehung  des  Schiffs   un- 
rechtmäßig. 
Das  Schiff  habe  aber  einen  falschen  Bestimmungsort  angegeben.   Seine 
Papiere  seien  größtenteils  absichtlich  gefälscht.   Dies  und  auch  die  Tat- 
umstände nach   der  Abreise    von  Seattle  liefern   klaren  Beweis  dafür, 
daß    der  Reeder  tatsächlich   an    der  Lieferung   der  Kriegsbedarfsartikel 
beteiligt  gewesen  sei  und  sich  im  Interesse  des  Feindes  bemüht  habe.  Da- 
her könne  denn  auch  das  Schiff  der  Verantwortung  nicht  entgehen. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

Es  geht  aus  dem  bei  dem  Supercargo  Alexander  Georgie- 
witsch  Bollmann  beschlagnahmten  Vertrag  und  einer  Vollmacht 
sowie  aus  dem  Vernehmungsprotokoll  des  Genannten  hervor,  daß  das 
unter  der  in  Frage  stehenden  Ladung  befindliche  gesalzene  Rindfleisch 
von  dem  bei  den  militärischen  Unternehmungen  des  Feindes  ständig 
engagierten,  in  Shanghai  wohnhaften  Generalmajor  Dessino  bei  dem 
russischen  Kaufmann  Denbigh  bestellt  und  von  der  Maklerfirma  Eb- 
becke &  Co.  in  Amerika  eingekauft  worden  ist.  Außerdem  wird  es  durch 
das  Schreiben  des  Reeders  an  den  Kapitän  vom  2.  Januar  d.  J.,  durch  die 

796 


Pii86ngeiicht8ent8cheidungen:  »Tacoma*.  Abschnitt  Vl^st 

Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns  S.  S.  Connauton  und  des  oben- 
genannten Bo  11  mann  außer  jeden  Zweifel  gestellt,  daß  der  Bestim- 
mungsort Wladiwostok  unc^  der  Empfänger  die  rdssisch-chinesische 
Bank  war. 

Seit  dem  japanisch-russischen  Kriege  ist  Wladiwostok  ein  Haupt- 
stutzpunkt für  die  Kriegsoperationen  gewesen  und  zum  Hauptetappenort 
gemacht  worden.  Der  Empfänger  der  Güter,  die  russisch-chinesische 
Bank,  steht  in  enger  Beziehung  zu  der  russischen  Regierung  und  den 
politischen  Unternehmungen  derselben  im  fernen  Osten. 

Da  demnach  das  zur  Verhandlung  stehende  Rindfleisch  im  Be- 
stimmungsort offenbar  für  den  feindlichen  Heeresbedarf  geliefert  werden 
sollte,  so  ist  es  unbestreitbar,  daß  es  als  Konterbande  angesehen  werden 
muß.  Das  geltende  Völkerrecht  erkennt  aber  an,  daß  ein  Schiff,  welches 
Güter,  von  denen  es  wußte,  daß  sie  Konterbande  sind,  geladen  und  be- 
fördert hat,  zusammen  mit  dieser  Konterbande  eingezogen  werden 
kann.  ^) 

Nach  dem  Vernehmungsprotokoll  Bollmanns  und  den  zwei  er- 
wähnten, bei.  ihm  beschlagnahmten  Dokumenten  ist  es  erwiesen,  daß 
Bollmann  die  Aufgabe  hatte,  das  zur  Verhandlung  stehende 
amerikanische  Rindfleisch  einzukaufen  und  zu  prüfen,  und  daß  der  Re- 
klamant und  Reeder  in  Kenntnis  dieser  Tatsache  den  Bollmann  als 
Supercargo  an  Bord  genommen  hat.  Es  muß  daher  anerkannt  werden, 
daß  der  Reeder  von  Anfang  an  die  Ladung  als  Konterbande  befördert  hat 
und  bestrebt  gewesen  ist,  der  feindlichen  Armee  zu  helfen. 

Ferner  hat  der  Reeder  den  Bestimmungsort  der  Güter  verheimlicht 
und  sich  bemüht,  die  Löschung  derselben  in  Wladiwostok,  einem  Haupt- 
stützpunkt Rußlands,  ins  Werk  zu  setzen.  Zu  diesem  Zweck  hat  er, 
während  er  dem  Kapitän,  wie  oben  gesagt,  schrieb,  der  Bestimmungs- 
ort sei  Wladiwostok,  bei  der  Abreise  von  Seattle  angegeben,  der  Dampfer 
ginge  nach  Shanghai,  und  hat  dementsprechend  Ausklarierungs- 
bescheinigung und  Gesundheitspaß  erhalten.  In  der  Ladungs- 
empfangsbescheinigung, welche  von  dem  Empfänger  gezeichnet  werden 
muß,  hat  er  ausdrücklich  die  Stelle,  wo  der  Bestimmungsort  steht,  zer- 
stört und  sie  so  unleserlich  gemacht.  In  das  Privatschiffsjournal,  Notiz- 
buch, Deckjournal  und  Maschinenjournal  wurde  Shanghai  eingetragen. 
Auch  wenn  man  die  Zeit  der  Abreise  in  Erwägung  zieht,  so  ist  es  be- 
zeichnend, daß  das  Schiff  ohne  Rücksicht  auf  die  größere  Bequem- 
lichkeit der  Route,  welche  es  durch  die  Tsugarustraße  nach  seinem 
Ziel  führte,  den  bei  der  Winterszeit  weg'en  der  Winde,  des  Schnees 
und  Eises  allergefährlichsten  Weg  einschlug  und  versuchte,  Wladiwostok 
durch  die  Soyastraße  zu  erreichen. 


*)  Anders  die  japanische  Seeprisenordnung,  §§  43,  44  (V). 

797 


Abschnitt  VI  48b  Prlsengeiichtsentscheidungen:  „Harberton'^ 

teiligte  russische  Generalmajor  D  e  s  s  i  n  o  mit  den  russischen  Kaufleuten 
Den  big h  und  Ebbecke  &  Co.  im  November  vorigen  Jahres  einen 
Vertrag  auf  Einkauf  desselben  in  Amerika  und  Lieferung  nach  Wladi- 
wostok, dem  wichtigsten  Stützpunkt  und  Hauptetappenort  des  Feindes, 
abgeschlossen.  Seiner  Bestimmung  nach  war  demnach  das  Fleisch 
Kriegsproviant  für  den  Feind.  Da  ferner  der  Empfänger  die  russisch- 
chinesische Bank  in  Wladiwostok  war,  so  ist  darüber,  daß  es  für  den 
Kriegsgebrauch  des  Feindes  zu  liefern  war,  auch  nicht  der  geringste! 
Zweifel  möglich,   und  es  ist  unfraglich  als  Konterbande  anzusehen,  i) 

Die  oben  verzeichneten,  dem  B  o  1 1  m  a  n  n  gehörigen  Stahlstäbe  und 
Maschinenteile  sind  Schiffsbaumaterial  und  sind  erwiesenermaßen  nach 
Wladiwostok  bestimmt.  Daher  sind  auch  sie  unzweifelhaft  Konter- 
bande. 2) 

Bezüglich  von  Konterbande,  wenn  auch  auf  einem  Schiff  unter 
neutraler  Flagge,  ist  es  aber  in  der  Pariser  Seerechtsdeklaration  vom 
Jahre  1856  sowie  in  Theorie  und  Praxis  des  Völkerrechts  anerkannt, 
daß   dieselbe  eingezogen   werden   kann. 

Da  schon  aus  diesen  Gründen  die  zur  Verhandlung  stehenden 
Güter  einzuziehen  sind,  so  erübrigt  es  sich,  auf  die  weiteren  Punkte 
der  Ausführungen  des  Vertreters  der  Reklamation  erörternd  einzugehen. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  1.  Juni  1Q05  im  Prisengericht  zu  Yokosuka  im  Bei- 
sein des  Staatsanwalts  Yanagita  Kunio. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Harland  &  Bartlett  Steamship  Company,  England, 
London,  St.  Mary  Axe,  vertreten  durch  den"  Kapitän  des  Dampfers 
„Harberton"  William  Duncombe. 

Prozeß  Vertreter:  Rechtsanwalt  Shigefuji  Tsurutaro,  Na- 
gasaki, Hikijimachi  Nr.  33. 

In  der  Prisensache,  betreffend  den  englischen  Dampfer  „Harber- 
ton'',  wird  nach  Beendigung  der  Untersuchung,  wie  folgt,  entschieden: 

Urteilsformel: 
Es  wird  auf  Wegnahme  des  Dampfers  „Harberton"  entschieden. 


1)  II.  Ziffer  2.  —  ^)  II.  Ziffer  1. 
800 


Prisengeiichtsentscheldungen:  .Harberton'.  Abschnitt  VI^* 

Tatbestand  und  Gründe: 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „Harberton"  steht  im 
Eigentum  der  Reklamanten,  sein  Heimatshafen  ist  London  in  England 
und  er  ist  ein  Handelsschiff,  welches  die  englische  Flagge  führt.  Auf  Grund 
eines  zwischen  dem  Reklamanten  und  der  Firma  Mann,  George 
&  Co.  in  London  am  11.  November  1904  abgeschlossenen  Charterver- 
trages lud  der  Dampfer  in  Car.diff,  England,  mit  der  Bestimmung  für  Wla- 
diwostok ungefähr  5000  Tons  zweimal  gesiebte  Steinkohle,  von  denen 
für  die  Reise  des  Schiffs  100  Tons  verbraucht  wtfrden  sind,  so  daß  zur- 
zeit ungefähr  4900  Tons  vorhanden  sind.  Im  Chartervertrag  ist  als  Be- 
stimmungsort Hongkong,  Shanghai  oder  Kiautschou  angegeben.  Das 
Konnossement  lautet. auf  Kiautschou  und  der  Empfänger  sollte  durch 
Order  bestimmt  werden.  Am  30.  November  fuhr  der  Dampfer  von 
Cardiff  ab,  fuhr  über  Malta,  Port  Said  und  Colombo  nach  Hongkong 
und  erhielt  dort  auf  Grund  seiner  4ngaben  Ausklarierung  für  Kiautschou 
als  Bestimmungsort.  Am  10.  Februar  1905  fjihr  er,  obwohl  sein  Tagebuch 
noch  immer  fälschlicherweise  auT  Kiautschou  lautete,  von  dort  mit  absicht- 
lichem Umweg  nach  der 'Straße  von  Etorup,  von  wo  er  jedoch  am  1.  März 
d.  J.  wegen  Schneesturms  umkehren  mußte.  Am  3.  März  beim  zweiten 
Male  passierte  er  die  Straße  und  gelangte  in  das  Ochotskische  Meer, 
wo  er  jedoch  am  4.  in  Treibeis  geriet  und  nicht  weiter  fahren  konnte. 
Er  änderte  daher  notgedrungen  seinen  Kurs  und  fuhr  wieder  in  die  Straße 
von  Etorup  zurück.  Als  er  aufs  neue  nach  Wladiwostok  zu  fahren  ver- 
suchte, wurde  er  am  18.  März  1905,  2  Uhr  nachmittags  auf  45  ^  13  '  n.  Br. 
und  1490  6'  ö.  L.  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Akitsushima"  ge- 
sichtet und  von  dem  Kapitänleutnant  Takarura  Shoji  als  Vertreter 
des  Kommandanten  der  „Akitsushima"  visitiert.  Dabei  gab  der  Kapitän 
William  Duncombe  an,  das  Schiff  gehe  nach  Kiautschou.  Nach 
seiner  bisherigen  Reise  wurde  jedoch  angenommen,  daß  es  nach  Wladi- 
wostok fahre,  und  es  wurde  daher  schließlich  von  dem  genannten  Kriegs- 
schiff aufgebracht. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Vertreters  des  Kommandanten  der  „Akitsushima",  Kapitänleutnants  Ta- 
kakura  Shoji,  die  Vernehmungsprotokolle  des  genannten  Offiziers, 
des  Kapitäns  der  „Harberton",  William  Duncombe,  des  ersten  Offi- 
ziers Daniel  Burns,  des  ersten  Maschinisten  William  Thomp- 
son Brown,  das  Schiffszertifikat,  den  Chartervertrag,  das  Kon- 
nossement, das  Privatschiffsjournal  und  die  Ausklarierungsbescheinigung 
von  Hongkong. 

Die  Hauptpunkte  der  Reklamation  sind  folgende: 

Der  Reklamant  habe  mit  Mann,  George&Co.  in  London  einen 
Chartervertrag  geschlossen,  auf  Grund  dessen  das  Schiff  zum  Transport 
von  Steinkohle  von  Cardiff  in  England  nach  Hongkong,  Shanghai  oder 

M ar 6 trand-Meoblen bürg,  Das  japanische  Prisenreoht.  (51)  oUl 


Abschnitt  Vl^ta  Prisengerichtsentscheidungen:  ,Harberton'» 

Kiautschou  überlassen  werden  sollte.  Wenn  das  Schiff  nach  Wladi- 
wostok, einem  in;  dem  Chartervertrag  nicht  benannten  Bestimmungs- 
hafen beordert  worden  sei,  so  sei  das  eine  Handlung  des  Charterers  oder 
des  Ladungseigentümers,  die  ohne  Beteiligung  und  Wissen  des  Reeders 
vorgenommen  sei. 

Aber  selbst  einmal  zugegeben,  der  Reklamant  sei  an  diesem  Vor- 
haben beteiligt  gewesen,  so  werde  doch  Kohle  auch  außer  zum  Kriege 
verwandt  und  könne  nicht  unbedingt  als  Konterbande  betrachtet  werden. 
Der  Kohlentransport  sei  eine  dem  Völkerrecht  nicht  zuwiderlaufende 
Transaktion.  Zudem  sei  Wladiwostok  zu  der  Zeit  nicht  unter  Blockade 
gewesen  und,  wenn  es  auch  ein  echter  Kriegshafen  sei,  so  verlören  darum 
Neutrale  nicht  das  Recht,  freie  Güter,  die  Handelszwecken  dienten,  einzu- 
führen. Das  Völkerrecht  erkenne  nur  ein  Mittel  an,  dessen  sich  ein  krieg- 
führender Staat  bedienen  dürfe,  um  den  neutralen  Einfuhrhandel  zu 
unterbrechen,  nämlich  die  Blockade.  Obwohl  nun  Japan  seit  Januar  dieses 
Jahres  in  der  Lage  gewesen  sei,  Wladiwostok  zu  blockieren,  habe  es  doch 
keine  Blockade  erklärt.  Damit  habe  es  stillschweigend  anerkannt,  daß 
Wladiwostok  noch  für  den  neutralen  Handel  offen  sei.  Daß  Japan  so, 
ohne  eine  Blockade  erklärt  zu  haben,  den  neutralen  Handel  tatsächlich 
blockiere,  heiße  nichts  anderes,  als  neutrale  Schiffe  in  eine  Falle  locken. 
Da  ferner  Wladiwostok  im  Winter  der  einzige  Hafen  in  Ostsibirien  und 
neben  einem  Kriegshafen  auch  ein  Handelshafen  sei,  so  könne,  wenn 
Wladiwostok  auch  vorzugsweise  von  Truppen  innegehabt  werde,  Stein- 
kohle, die  dorthin  befördert  werde,  nicht  ohne  weiteres  als  an  die  feind- 
liche Streitmacht  zu  liefernde  Kohle  bezeichnet  werden. 

Da  die  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  nicht  im 
Eigentum  des  Reeders  stehe  und  nicht  Konterbande  sei,  könne  das  Schiff 
nicht  eingezogen  werden. 

Daß  in  den  Schiffspapieren  Wladiwostok  nicht  als  Bestimmungsort 
verzeichnet  sei,  komme  daher,  daß  das  Schiff  von  Cardiff  bis  Hongkong 
10  ^X^ochen  brauche  und  daß  der  Ladungseigentümer  und  Absender  mit 
Rücksicht  auf  ungewöhnliche  Ereignisse  während  der  Reise  und  in  Erwar- 
tung einer  Blockadeerklärung  es  für  vorteilhaft  gehalten  hätten,  mit  Bezug 
auf  die  Ladung  noch  keine  definitive  Entscheidung  zu  treffen.  Als  dann 
nach  Ankunft  in  Hongkong  es  sich  erwiesen  habe,  daß  noch  keine 
Blockade  über  Wladiwostok  verhängt  gewesen  sei,  hätten  sie  Order  ge- 
geben, nach  dort  weiter  zu  fahren.  Wenn  die  Ladungseigentümer  von 
vornherein  erklärt  hätten,  die  Ladung  sei  für  Wladiwostok  bestimmt, 
und  wenn  dieser  Hafen  nachher  unter  Blockade  gestellt  worden  wäre, 
so  hätten  sie  durch  Änderung  des  Bestimmungsortes  große  Unbequem- 
lichkeit und  Verluste  haben  müssen.  Auch  hätte  der  Dampfer, 
wenn  von  Anfang  an  Wladiwostok  als  Bestimmungsort  erklärt  worden 
sei,  in  Cardiff  und  in   Häfen  auf  seiner  Reise  seitens  der  englischen 

802 


Piiaengerichtsentscheidungen:  .Harberton*.  Abschnitt  VI  49a. 

Behörden  allerhand  Hindernisse  erfahren  müssen.  Auch  dadurch,  daß 
die  Mannschaft  in  Hongkong  vielleicht  nicht  willig  gewesen  sein  würde, 
nach  einem  Hafen  einer  kriegführenden  Macht  zu  reisen,  hätten  zwischen 
dem  Kapitän  und  der  Mannschaft  Schwierigkeiten  heraufbeschworen 
werden  können.  Daher  sei  es  ein  guter  Plan  gewesen,  daß  der  Kapitän, 
um  allen  diesen  Schwierigkeiten  aus  dem  Weg  zu  gehen,  bis  nach 
Abfahrt  von  Hongkong  den  wahren  Bestimmungshafen  verheimlicht 
habe.  Eine  Absicht,  die  Marinen  der  kriegführenden  Staaten  zu  täu- 
schen, habe  nicht  vorgelegen.  Die  Autoritäten  des  Völkerrechts  stünden 
aber  auf  dem  Standpunkt,  daß  das  Vorhandensein  von  gefälschten 
Papieren  auf  einem  Schiff  nur,  wenn  es  klar  sei,  daß  sie  zum  Zweck 
der  Täuschung  der  im  Krieg  begriffenen  Staaten  gefälscht  seien,  Strafe 
nach  sich  ziehen  könne. 

Daher  werde  eine  Entscheidung  auf  Freigabe  des  zur  Verhand- 
lung stehenden  Schiffs  beantragt. 

Obwohl  dem  Verfahren  entsprechend  geladen,    ist  der  Vertreter 
der  Reklamation  ohne   irgendwelche  Mitteilung  nicht  erschienen. 
Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht : 

Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegs- 
hafen Im  Osten  und  zurzeit  der  Hauptstützpunkt  für  seine  Marine 
ist.  Seit  dem  Kriege  mit  Japan  hat  die  russische  Regierung  diesen  Platz 
zu  einem  Hauptetappenort  gemacht.  Sie  ist  mit  allen  Kräften  bemüht, 
dort  große  Kriegsvorräte  anzuhäufen,  und  der  gewöhnliche  Handels- 
verkehr hat  dort  fast  gänzlich  aufgehört.  Wenn  daher  Kohlen  oder 
dergleichen  Güter,  deren  Konterbandeeigenschaft  von  besonderen  Um- 
ständen abhängig  ist,  nach  Wladiwostok  befördert  werden,  so  muß, 
mangels  klaren  Gegenbeweises,  angenommen  werden,  daß  dieselben  für 
den  Kriegsgebrauch  zu  liefern  waren.  Besonders  kann  es  bezüglich  der 
Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs,  welche  aus  aus- 
gewählter Cardiff kohle  besteht,  wie  sie  im  Osten  ausschließlich  zum 
Gebrauch  auf  Kriegsschiffen  dient,  nicht  bezweifelt  werden,  daß  sie  wirk- 
lich für  den  Kriegsgebrauch  bestimmt  war.  Sie  ist  daher  mit  Recht 
als  Konterbande  anzusehen,  i) 

Der  Reklamant  führt  aus,  daß 

das  Völkerrecht  nur  ein  Mittel  anerkenne,  dessen  sich  ein 
kriegführender  Staat  bedienen  dürfe,  um  den  neutralen  Ein- 
fuhrhandel zu  unterbrechen,  nämlich  die  Blockade.  Daß 
Japan,  ohne  eine  Blockade  erklärt  zu  haben,  den  neutralen 
Handel  nach  Wladiwostok  tatsächlich  blockiere,  heiße 
nichts  anderes,  als  die  neutralen  Schiffe  in  eine  Falle  locken. 
Da  aber  die  Beschlagnahme  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs 
durch    ein    japanisches    Kriegsschiff    geschehen    ist,    weil    es    Kriegs- 

1)  II.  Ziffer  2. 

(51*)  803 


Abschnitt  Vl^ia  Prisengerichtsentscheidungen:  .Harberton'» 

Kiautschou  überlassen  werden  sollte.  Wenn  das  Schiff  nach  Wladi- 
wostok, einem  in;  dem  Chartervertrag  nicht  benannten  Bestimmungs- 
hafen beordert  worden  sei,  so  sei  das  eine  Handlung  des  Charterers  oder 
des  Ladungseigentümers,  die  ohne  Beteiligung  und  Wissen  des  Reeders 
vorgenommen  sei. 

Aber  selbst  einmal  zugegeben,  der  Reklamant  sei  an  diesem  Vor- 
haben beteiligt  gewesen,  so  werde  doch  Kohle  auch  außer  zum  Kriege 
verwandt  und  könne  nicht  unbedingt  als  Konterbande  betrachtet  werden. 
Der  Kohlentransport  sei  eine  dem  Völkerrecht  nicht  zuwiderlaufende 
Transaktion.  Zudem  sei  Wladiwostok  zu  der  Zeit  nicht  unter  Blockade 
gewesen  und,  wenn  es  auch  ein  echter  Kriegshafen  sei,  so  verlören  darum 
Neutrale  nicht  das  Recht,  freie  Güter,  die  Handelszwecken  d»enten,  einzu- 
führen. Das  Völkerrecht  erkenne  nur  ein  Mittel  an,  dessen  sich  ein  krieg- 
führender Staat  bedienen  dürfe,  um  den  neutralen  Einfuhrhandel  zu 
unterbrechen,  nämlich  die  Blockade.  Obwohl  nun  Japan  seit  Januar  dieses 
Jahres  in  der  Lage  gewesen  sei,  Wladiwostok  zu  blockieren,  habe  es  doch 
keine  Blockade  erklärt.  Damit  habe  es  stillschweigend  anerkannt,  daß 
Wladiwostok  noch  für  den  neutralen  Handel  offen  sei.  Daß  Japan  so, 
ohne  eine  Blockade  erklärt  zu  haben,  den  neutralen  Handel  tatsächlich 
blockiere,  heiße  nichts  anderes,  als  neutrale  Schiffe  in  eine  Falle  locken. 
Da  ferner  Wladiwostok  im  Winter  der  einzige  Hafen  in  Ostsibirien  und 
neben  einem  Kriegshafen  auch  ein  Handelshafen  sei,  so  könne,  wenn 
Wladiwostok  auch  vorzugsweise  von  Truppen  innegehabt  werde,  Stein- 
kohle, die  dorthin  befördert  werde,  nicht  ohne  weiteres  als  an  die  feind- 
liche Streitmacht  zu  liefernde  Kohle  bezeichnet  werden. 

Da  die  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  nicht  im 
Eigentum  des  Reeders  stehe  und  nicht  Konterbande  sei,  könne  das  Schiff 
nicht  eingezogen  werden. 

Daß  in  den  Schiffs  papieren  Wladiwostok  nicht  als  Bestimmungsort 
verzeichnet  sei,  komme  daher,  daß  das  Schiff  von  Cardiff  bis  Hongkong 
10  "Wochen  brauche  und  daß  der  Ladungseigentümer  und  Absender  mit 
Rücksicht  auf  ungewöhnliche  Ereignisse  während  der  Reise  und  in  Erwar- 
tung einer  Blockadeerklärung  es  für  vorteilhaft  gehalten  hätten,  mit  Bezug 
auf  die  Ladung  noch  keine  definitive  Entscheidung  zu  treffen.  Als  dann 
nach  Ankunft  in  Hongkong  es  sich  erwiesen  habe,  daß  noch  keine 
Blockade  über  Wladiwostok  verhängt  gewesen  sei,  hätten  sie  Order  ge- 
geben, nach  dort  weiter  zu  fahren.  Wenn  die  Ladungseigentümer  von 
vornherein  erklärt  hätten,  die  I^dung  sei  für  Wladiwostok  bestimmt, 
und  wenn  dieser  Hafen  nachher  unter  Blockade  gestellt  worden  wäre, 
so  hätten  sie  durch  Änderung  des  Bestimmungsortes  große  Unbequem- 
lichkeit und  Verluste  haben  müssen.  Auch  hätte  der  Dampfer, 
wenn  von  Anfang  an  Wladiwostok  als  Bestimmungsort  erklärt  worden 
sei,  in  Cardiff  und  in   Häfen  auf  seiner  Reise  seitens  der  englischen 

802 


Prisengerichtsentscheidungen:  »Harberton*.  Abschnitt  VI  49a. 

Behörden  allerhand  Hindernisse  erfahren  müssen.  Auch  dadurch,  daß 
die  Mannschaft  in  Hongkong  vielleicht  nicht  willig  gewesen  sein  würde, 
nach  einem  Hafen  einer  kriegführenden  Macht  zu  reisen,  hätten  zwischen 
dem  Kapitän  und  der  Mannschaft  Schwierigkeiten  heraufbeschworen 
werden  können.  Daher  sei  es  ein  guter  Plan  gewesen,  daß  der  Kapitän, 
um  allen  diesen  Schwierigkeiten  aus  dem  Weg  zu  gehen,  bis  nach 
Abfahrt  von  Hongkong  den  wahren  Bestimmungshafen  verheimlicht 
habe.  Eine  Absicht,  die  Marinen  der  kriegführenden  Staaten  zu  täu- 
schen, habe  nicht  vorgelegen.  Die  Autoritäten  des  Völkerrechts  stünden 
aber  auf  dem  Standpunkt,  daß  das  Vorhandensein  von  gefälschten 
Papieren  auf  einem  Schiff  nur,  wenn  es  klar  sei,  daß  sie  zum  Zweck 
der  Täuschung  der  im  Krieg  begriffenen  Staaten  gefälscht  seien,  Strafe 
nach  sich  ziehen  könne. 

Daher  werde  eine  Entscheidung  auf  Freigabe  des  zur  Verhand- 
lung stehenden  Schiffs  beantragt. 

Obwohl  dem  Verfahren  entsprechend  geladen,  ist  der  Vertreter 
der  Reklamation  ohne   irgendwelche  Mitteilung  nicht  erschienen. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht : 

Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegs- 
hafen Im  Osten  und  zurzeit  der  Hauptstützpunkt  für  seine  Marine 
ist.  Seit  dem  Kriege  mit  Japan  hat  die  russische  Regierung  diesen  Platz 
zu  einem  Hauptetappenort  gemacht.  Sie  ist  mit  allen  Kräften  bemüht, 
dort  große  Kriegsvorräte  anzuhäufen,  und  der  gewöhnliche  Handels- 
verkehr hat  dort  fast  gänzlich  aufgehört.  Wenn  daher  Kohlen  oder 
dergleichen  Güter,  deren  Konterbandeeigenschaft  von  besonderen  Um- 
ständen abhängig  ist,  nach  Wladiwostok  befördert  werden,  so  muß, 
mangels  klaren  Gegenbeweises,  angenommen  werden,  daß  dieselben  für 
den  Kriegsgebrauch  zu  liefern  waren.  Besonders  kann  es  bezüglich  der 
1-adung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs,  welche  aus  aus- 
gewählter Cardiffkohle  besteht,  wie  sie  im  Osten  ausschließlich  zum 
Gebrauch  auf  Kriegsschiffen  dient,  nicht  bezweifelt  werden,  daß  sie  wirk- 
lich für  den  Kriegsgebrauch  bestimmt  war.  Sie  ist  daher  mit  Recht 
als  Konterbande  anzusehen,  i) 

Der  Reklamant  führt  aus,  daß 

das  Völkerrecht  nur  ein  Mittel  anerkenne,  dessen  sich  ein 
kriegführender  Staat  bedienen  dürfe,  um  den  neutralen  Ein- 
fuhrhandel zu  unterbrechen,  nämlich  die  Blockade.  Daß 
Japan,  ohne  eine  Blockade  erklärt  zu  haben,  den  neutralen 
Handel  nach  Wladiwostok  tatsächlich  blockiere,  heiße 
nichts  anderes,  als  die  neutralen  Schiffe  in  eine  Falle  locken. 
Da  aber  die  Beschlagnahme  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs 
durch    ein    japanisches    Kriegsschiff    geschehen    ist,    weil    es    Kriegs- 

0  11.  Ziffer  2. 

(51*)  803 


Abschnitt  Vl^ia  Prisengerichtsentschefdungen :  .Harberton'^. 

konterbande  beförderte,  so  liegt  darin  keine  Unterbrechung  des  berech- 
tigten neutralen  Einfuhrhandels  nach  Wladiwostok,  und  es  ist  völker- 
rechtlich in  Theorie  und  Praxis  anerkannt,  daß  ein  kriegführender 
Staat  auch,  wo  keine  Blockade  erklärt  ist,  Schiffe,  welche  Konterbande 
führen,  aufbringen  kann. 

Das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  ist  wie  zwei  etwa  zur  selben 
Zeit    auf    der    Reise    nach    Wladiwostok    von    der    Kaiserlichen    Ma- 
rine aufgebrachten  Schiffe,  nämlich  wie  der  englische  Dampfer  „Easby 
Abbey"  ^)  und  der  österreichisch-ungarische  Dampfer  „Burma"  ^)    von 
der  englischen  Firma  Mann,  George  &  Co.  in  London  gechartert 
worden;  der  Kapitän  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs,  William 
Duncombe  hat  ausgesagt,  daß  sein  Schiff   genau   so    verfahren    sei 
wie  die  „Easby  Abbey";  der  Kapitän  dieses  Schiffes,  Robert  Pri- 
deaux,   hat  erklärt,  er   habe  gewußt,   daß   die   Ladung  nach  Wladi- 
wostok gehen  ßoUe,   er  habe  vor  Abreise   von  England  die  mündliche 
Order  erhalten,  nach  Wladiwostok  zu  fahren,  und  er  vermute,  daß  dies 
auch  bei  anderen  Schiffen  der  Fall  sei;  die  „Easby  Abbey"  ist  inzwischen 
auf  der  Reise  von  Wladiwostok  aufgebracht  und  von  dem  unterzeich- 
neten Prisengericht  zur  Wegnahme  verurteilt  worden.    Wenn  man  alle 
diese  Tatsachen  nebeneinander  hält,  so  wird  es  klar,  daß  Wladiwostok 
schon,  vor   der  Abreise   des   zur  Verhandlung  stehenden   Schiffs   von 
Cardiff  als  Bestimmungsort  festgesetzt  war.  Trotzdem  lautet  der  Charter- 
vertrag auf  Hongkong,  Shanghai  oder  Kiautschou  als  Bestimmungsort, 
und   das   Konnossement  bezeichnet  Kiautschou  als  solchen.     Obwohl 
der  Kapitän    vor   der  Abfahrt   von  Hongkong  klare  Order  für  Wladi- 
wostok von  dem  Reeder  erhielt,  gab  er  doch  wieder  fälschlicherweise  als 
Bestimmungsort  Kiautschou  an  und  erhielt  entsprechende  Ausklarierungs- 
papiere.   Von  dort  abfahrend  nahm  er  absichtlich   einen  Umweg    und 
versuchte,  während  das  Journal  jauf  Kiautschou   lautete,   nach   Wladi- 
wostok zu  gelangen.     Als  er  von   dem   Vertreter  des   Kommandanten 
der  „Akitsushima'',  Kapitänleutnant  Takakura  Shoji,  visitiert  wurde, 
gab  der  Kapitän  bis  zuletzt  an,  daß  er  nach  Kiautschou  führe  und  erst, 
als  er  von  dem  mit  dem  Fall  beauftragten  Rat  vernommen  wurde,  gab  . 
er  an,  daß  der  wahre.  Bestimmungsort  Wladiwostok  gewesen  sei.    Alles 
dies   ist   nicht  aus  entschuldbarer   Nachlässigkeit   oder,    um   die    Reise 
zu  erleichtern,   geschehen,   vielmehr   ist  von    vornherein    mit    größter 
Überlegung  geplant  worden,  durch  Verheimlichung  des  Bestimmungsorts 
der   Aufbringung,   wenn   möglich,   zu  entgehen. 

Kurz,  der  Dampfer  „Harberton''  hat  unter  Anwendung  betrügeri- 
scher Mittel  Kriegskonterbande  befördert,  und  es  ist  von  der  völker- 
rechtlichen Theorie  und  Praxis  anerkannt,  daß  ein  solches  Schiff,  welches 
sich   betrügerischen  Vorgehens  schuldig  gemacht   hat,   gleichgültig  ob 

3)  VI.  43a  und  b.  —  3)  V  I.  £2a  und  b. 

804 


Prisengeriohtsentscheidungen:  „Harberton".  Abschnitt  Vl^ta 

der  Reeder  an  diesem  Vergehen  beteiligt  ist  oder  nicht,  mitsamt 
seiner  Konterbandeladung  eingezogen  werden  muß.*) 

Da  aus  diesen  Gründen  der  Dampfer  einzuziehen  ist,  so  erübrigt 
es  sich,  auf  die  anderen  Punkte  des  Vertreters  der  Reklamation  be- 
sonders einzugehen. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  7.  Juni  1905  im  Prisengericht  zu  Yokosuka,  im  Bei- 
sein des  Staatsanwalts  beim  Prisengericht  zu  Yokosuka,  Kobayashi 
Y  o  s  h  i  o. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Harland  &  Barlett  Steamship  Company  Ltd.,  Lon- 
don, St.  Mary  Axe  Nr.  43,  vertreten  durch  den  Kapitän  des  englischen 
Dampfers  „Harberton",  William   Duncombe. 

.  Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  Shigefuji  Tsurutaro,  Na- 
gasaki, Hikijimachi  Nr.  33. 

Am  7.  Juni  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Yokosuka  in  der  Prisen- 
sache, betreffend  den  englischen  Dampfer  „Harberton",  welcher  am 
18.  März  1905  auf  45 «  13'  n.  Br.  und  149«  6'  ö.  L.  von  dem  Kaiser- 
lichen Kriegsschiff  „Akitsushima''  aufgebracht  worden  ist,  ein  Urteil  ge- 
fällt, in  welchem  auf  Wegnahme  des  englischen  Dampfers  „Harberton'' 
erkannt  worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  William  Duncombe  in  Vertretung 
des  Reklamanten,  der  Harland  &  Barlett  Steamship  Company  Ltd., 
durch  den  Rechtsanwalt  Shigefuji  Tsurutaro  als  Prozeßvertreter 
die  Berufung  eingelegt,  welche  im  Beisein  der  Staatsanwälte  T  s  u  t  s  u  ki 
Keiroku  und  Dr.  jur.  Ishiwatari  Bin  ich i  beim  Oberprisengericht 
geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Vertreters  der  Reklamation, 
Shigefuji  Tsurutaro,  und  deren  Begründung  sind  folgende: 

Der  Reklamant  habe  mit  Mann,  George  &  Co.  in  London 
einen  Chartervertrag  geschlossen,  auf  Grund  dessen  das  Schiff  zum 
Transport  von  Steinkohle  von  Cardiff  in  England  nach  Hongkong, 
Shanghai  oder  Kiautschou  überlassen  werden  sollte.  Wenn  das  Schiff 
nach  Wladiwostok,  einem  in  dem  Chartervertrag  nicht  genannten  Be- 
stimmungshafen, beordert  worden  sei,  so  sei  das  eine  Handlung  des 
Charterers  oder  des  Ladungseigentümers,  die  ohne  Beteiligung  und 
Wissen  des  Reeders  vorgenommen  worden  sei. 

*)  V.  §  44. 

805 


Abschnitt  VI^«  Prisengerichtsentscheldungen:  .Harberton*. 

Aber  selbst  einmal  zugegeben,  der  Reklamant  sei  an  diesem  Vor- 
haben beteiligt  gewesen,  so  werde  doch  Kohle  auch  außer  zum  Kriege 
verwandt  und  könne  nicht  unbedingt  als  Konterbande  betrachtet  werden. 
Der  Kohlen transport  sei  eine  dem  Völkerrecht  nicht  zuwiderlaufende 
Transaktion.  Zudem  sei  Wladiwostok  zu  der  Zeit  nicht  unter 
Blockade  gewesen  und,  wenn  es  auch  ein  echter  Kriegshafen  sei,  so 
verlören  darum  Neutrale  nicht  das  Recht  freie  Güter,  die  Handels- 
zwecken dienten,  einzufuhren.  Das  Völkerrecht  erkenne  nur  ein  Mittel 
an,  dessen  sich  ein  kriegführender  Staat  bedienen  dürfe,  um  den  neu- 
tralen Einfuhrhandel  zu  unterbrechen,  nämlich  die  Blockade.  Obwohl 
nun  Japan  seit  Januar  dieses  Jahres  in  der  Lage  gewesen  sei,  Wladi- 
wostok zu  blockieren,  habe  es  doch  keine  Blockade  erklärt.  Damit 
habe  es  stillschweigend  anerkannt,  daß  Wladiwostok  noch  für  den  neu- 
tralen Handelsverkehr  offen  sei.  Daß  Japan  so,  ohne  eine  Blockade  zu 
erklären,  den  neutralen  Handel  tatsächlich  blockiere,  heiße  nichts  an- 
deres, als  die  neutralen  Schiffe  in  eine  Falle  locken.  Da  ferner  Wladi- 
wostok im  Winter  der  einzige  Hafen  in  Ostsibirien  und  neben  einem 
Kriegshafen  auch  ein  Handelshafen  sei,  so  könne,  wenn  Wladiwostok 
auch  vorzugsweise  von  Trupf)en  innegehabt  werde,  Steinkohle,  die  dort- 
hin befördert  werde,  nicht  ohne  weiteres  als  der  feindlichen  Streitmacht 
zu  liefernde  Kohle  beze^ichnet  werden. 

Da  die  Ladung  des  zur  Verhandung  stehenden  Schiffs  nicht  im 
Eigentum  des  Reeders  stehe  und  nicht  Konterbande  sei,  könne  das 
Schiff  njicht  eingezogen  werden. 

Daß  in  den  Schiffspapieren  Wladiwostok  nicht  als  Bestimmungs- 
ort verzeichnet  sei,  komme  daher,  daß  das  Schiff  von  Cardiff  bis 
Hongkong  10  Wochen  brauche  und  daß  der  Ladungseigentümer  und 
Absender  mit  Rücksicht  auf  ungewöhnliche  Ereignisse  während  der 
Reise  und  auf  eine  Blockadeerklärung  es  für  vorteilhaft  gehalten  hätten, 
mit  Bezug  auf  die  Ladung  noch  keine  definitive  Entscheidung  zu  treffen. 
Als  dann  nach  Ankunft  des  Schiffs  in  Hongkong  es  sich  erwiesen  habe, 
daß  noch  keine  Blockade  über  Wladiwostok  verhängt  gewesen  sei,  hätten 
sie  Order  gegeben,  nach  dort  weiter  zu  fahren.  Wenn  die  Ladungs- 
eigentümer von  vornherein  erklärt  hätten,  die  Ladung  sei  für  Wladi- 
wostok bestimmt,  und  wenn  dieser  Hafen  nachher  unter  Blockade  ge- 
stellt worden  wäre,  so  hätten  sie  durch  Änderung  des  Bestimmungs- 
ortes große  Unbequemlichkeiten  und  Verluste  haben  müssen.  Auch 
hätte  der  Dampfer,  wenn  von  Anfang  an  Wladiwostok  als  Be- 
stimmungsort erklärt  worden  sei,  in  Cardiff  und  den  Häfen  auf  seiner 
Reise  seitens  der  englischen  Behörden  allerhand  Hindernisse  erfahren 
müssen.  Auch  hätten  dadurch,  daß  die  Mannschaft  in  Hongkong  nicht 
willig  gewesen  sein  würde,  nach  einem  H^fen  einer  kriegführenden 
Macht  zu  reisen,  zwischen  dem  Kapitän  und  der  Mannschaft  manche 

806 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Harberton".  Abschnitt  VI^* 

Schwierigkeiten  heraufbeschworen  werden  Icönnen.  Daher  sei  es  ein 
guter  Plan  gewesen,  daß  der  Kapitän,  um  all  diesen  Schwierigkeiten 
aus  dem  Weg  zu  gehen,  bis  nach  Abfahrt  von  Hongkong  den  wahren 
Bestimmmungshafen  verheimlicht  habe.  Eine  Absicht,  die  Marinen  der 
kriegführenden  Staaten  zu  Räuschen,  habe  nicht  vorgelegen.  Die  Auto- 
ritäten des  Völkerrechts  stünden  aber  auf  dem  Standpunkt,  daß  das 
Vorhandensein  von  gefälschten  Papieren  auf  einem  Schiff,  nur  wenn 
es  klar  sei,  daß  sie  zum  Zwecke  der  Täuschung  der  im  Krieg  be- 
griffenen Marinen  gefälscht  seien,  Strafe  nach  sich  ziehen  könne. 

Das  Urteil  erster  Instanz  besage: 

Es  sei  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegs- 
hafen im  Osten  und  zurzeit  der  Hauptsammelplatz  für  seine 
Marine  sei.  Seit  dem  Kriege  mit  Japan  habe  die  russische 
Regierung  diesen  Platz  zu  einem*  Etappenort  gemacht  und 
sie  sei  mit  allen  Kräften  bemüht,  dort  große  Kriegsvorräte 
anzuhäufen.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr  habe  dort 
fast  gänzHch  aufgehört.  Wenn  daher  Kohle  und  dergleichen 
Güter,  deren  Konterbandeeigenschaft  von  besonderen  Um- 
ständen abhängig  sei,  nach  Wladiwostok  befördert  werde, 
so  müsse,  mangels  klaren  Gegenbeweises,  angenommen 
werden,  daß  dieselben  für  den  Kriegsgebrauch  zu  liefern 
gewesen  seien. 

Das  müsse  als  eine  unzutreffende  Darstellung  der  Verhältnisse  be- 
zeichnet werden.  Denn  wenn  Wladiwostok  auch  ein  russischer  Kriegs- 
hafen sei,  so  sei  es  doch  auch  zu  gleicher  Zeit  ein  Handelshafen,  der 
für  den  neutralen  Einfuhrhandel  nicht  gesperrt  sei.  Was  daher  relative 
Konterbandegüter,  wie  die  zur  Verhandlung  stehenden,  angehe,  die 
als  Konterbande  nur  in  dem  Fall  zu  betrachten  seien,  wenn  sie  für 
den  Gebrauch  der  feindlichen  Armee  oder  Marine  bestimmt  seien,  so 
könne  man  lediglich  daraus,  daß  sie  nach  einem  feindlichen  Kriegs- 
hafen gingen,  nicht  sogleich  schließen,  daß  sie  der  feindlichen  Armee 
oder  Marine  geliefert  werden  sollten.  Wie  auch,  wenn  der  Bestimmungs- 
ort nicht  ein  Kriegshafen  sei,  die  Frage,  ob  die  Güter  für  die  Armer 
oder  die  Marine  bestimmt  seien,  nach  den  besonderen  Umständen  des 
Falls  betrachten  würden  und  Fälle  möglich  seien,  wo  sie  als  Konter- 
bande anzusehen  seien,  so  sei  es  auf  der  anderen  Seite  ein  Fehler, 
wenn  der  Bestimmungshafen  ein  Kriegshafen  sei,  einfach  obenhin  an- 
zunehmen, daß  die  Güter  für  die  feindliche  Armee  oder  iVlarine  zu 
liefern  seien.  Es  sei  daher  unrechtmäßig,  daß  das  Urteil  erster  In- 
stanz die  Konterbandeeigenschaft,  der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter 
einfach  danach  bestimmt  habe,  daß  Wladiwostok  ein  russischer  Kriegs- 
hafen sei,  ohne  den  Tatbestand  über  die  Frage,  ob  die  Güter  für  dir 

807 


Abschnitt  VI*»«  Prisengerichtsentscheidungen:  »Harberton*. 

russische  Armee  oder  Marine  bestimmt  gewesen  seien,  im  geringsten 
klarzustellen. 

Im  übrigen  gehe  die  Tatsache,  daß  der  gewöhnliche  Handels- 
verkehr in  Wladiwostok  zu  der  fraglichen  Zeit  nicht  aufgehört  ge- 
habt habe,  aus  folgendem  ganz  offenbar  hervor.  Die  „Wilhelmina" 
und  viele  andere  neutrale  Schiffe  seien  mit  Steinkohlen,  Petroleum 
und  sonstiger  verschiedener  Ladung  nach  dort  gefahren  und  Firmen 
wie  Hermann  Kobritz  und  viele  andere  hätten  dort  wie  früher 
ihr  Handelsgewerbe  betrieben. 

Wenn  daher  Cardiffkohle,  die  auch  außer  dem  Kriegsgebrauch 
Verwendung  finde,  nach  Wladiwostok  befördert  werde,  welches  ein 
Kriegshafen  sei,  in  dem  zugleich  gewöhnlicher  Handelsverkehr  stattfinde^ 
so  müsse  nach  der  Präcedenzentscheidung  in  dem  „Neptunus' -Fall  an- 
genommen werden,  daß  die  Ladung  nach  dem  Handelshafen  und  zu 
Friedensgebrauch  bestimmt  sei.  Das  Urteil  erster  Instanz  behaupte  da- 
gegen, daß,  mangels  klaren  Gegenbeweises,  angenommen  werden  müsse^ 
sie  solle  für  den  Kriegsgebrauch  geliefert  werden,  und  drehe  so  die 
Beweislast  um. 

Es  werde  daher  Verwerfung  des  Urteils  erster  Instanz  in  allen 
seinen  Punkten  und  Erlaß  einer  Entscheidung  auf  Freigabe  des  eng- 
lischen Dampfers  „Harberton"  beantragt. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  beim  Prisen- 
gericht zu  Yokosuka,  Kobayashi  Yoshio,  sind  folgende: 

Die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  sei  doppelt  gesiebte,  aus- 
gewählte Cardiffkohle,  welche  im  Osten  nur  auf  Kriegsschiffen  ver- 
wandt werde.  Ihr  Bestimmungsort  sei  Wladiwostok,  welches  zjurzeit  den 
Hauptstützpunkt  der  russischen  Marine  bilde.  Daher  sei  es  zutreffend^ 
daß  das  Urteil  erster  Instanz  angenommen  habe,  daß  die  zur  Ver- 
handlung stehende  Ladung  für  die  feindliche  Marine  habe  geliefert 
werden  sollen;  und  wenn  die  Berufung  behaupte,  die  Verhältnisse 
seien  unrichtig  dargestellt,  so  sei  das  völlig  unbegründet.  Es  liege 
bei  Beurteilung  der  Frage,  ob  die  Ladung  Konterbande  sei  oder  nicht, 
kein  Bedürfnis  vor  zu  entscheiden,  ob  der  gewöhnliche  Handelsverkehr 
ihres  Bestimmungsorts  Wladiwostok  seit  dem  Kriege  mit  Japan  auf- 
gehört habe  oder  nicht.  Da,  wie  bereits  besagt,  eine  Ladung  wie  die 
zur  Verhandlung  stehendjC  im  Osten  nur  auf  Kriegsschiffen  zur  Ver- 
wendung komme  und  der  genannte  Hafen  ein  russischer  Marinestütz- 
punkt sei,  welcher  von  »einem  Stocken  des  gewöhnlichen  Handelsverkehrs 
nicht  berührt  werde,  so  könne  man  gar  nicht  zu  einer  anderen  An- 
nahme kommen,  als  daß  die  Ladung  für  die  Marine  habe  geliefert 
werden  sollen.  Kurz,  die  Behauptung  des  Reklamanten,  der  gewöhn- 
liche Handelsverkehr  in  Wladiwostok  habe  seit  der  Eröffnung  des  Krieges 

808 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Harberton'.  Abschnitt  VI 49» 

nicht  aufgehört,  stehe  zu  der  Frage,,  ob  die  zur  Verhandlung  stehende 
Ladung  Konterbande  sei  oder  nicht,  in  keiner  Beziehung. 

Was  ferner  die  Anwendung  betrügerischer  Mittel  angehe,  so  sei 
die  Beteiligung  des  Reklamanten  und  Reeders  an  derselben  dadurch 
erwiesen,  daß  in  dem  Chartervertrag  ein  falscher  Bestimmungsort  an- 
gegeben sei  und  daß  der  Kapitän  nach  seiner  eigenen  Aussage  von 
dem  Reeder  Order  für  Wladiwostok  erhalten  habe.  Daher  sei  die  Be- 
rufung in  der  Behauptung,  der  Reeder  habe  an  dem  betrügerischen 
Vorgehen   keinen   Anteil  gehabt,   unbegründet. 

Ferner  liege  es  auf  der  Hand,  daß  in  dem  Chartervertrag  und  den 
anderen  auf  die  Ladung  Bezug  habenden  Schiffspapieren  der  falsche 
Bestimmungsort  nur  deshalb  eingetragen  worden  sei,  um  dadurch  der 
Aufbringung  durch  die  japanische  Marine  zu  entgehen.  Das  zur  Ver- 
handlung stehende  Schiff  habe  den  Bereich  der  seerechtlichen  Befug- 
nisse Japans  durchquert,  um  nach  Wladiwostok  zu  gelangen.  Wenn 
es  dabei  in  die  Schiffspapiere,  welche  zur  Entscheidung  über  die  Konter- 
bandeeigenschaft seiner  Ladung  von  der  größten  Bedeutung  seien,  einen 
falschen  Bestimmungsort  eingetragen  habe,  so  hätten  der  Reeder  und 
der  Ladungseigentümer  voraussehen  müssen,  daß  das  Schiff  damit  der 
japanischen  Marine  habe  im  höchsten  Grade  verdächtig  werden  und 
sich  den  größten  Belästigungen  aussetzen  müssen.  Niemand  werde 
bei  gesundem  Menschenverstand,  um  kleinen  Unbequemlichkeiten  bei 
der  Ausklarierung  zu  entgehen,  sich  eine  so  große  Gefahr  aufladen. 
Wenn  dabei  wirklich  die  Vorstellung  einer  Blockierung  Wladiwostoks 
vorgelegen  hätte,  so  wäre  es  ausreichend  gewesen,  diesen  Gedanken 
aufrichtig  in  den  genannten  Papieren  zu  verzeichnen. 

Der  in  dieser  Sache  ausgeführte  Betrug  sei  demnach  ein  schweres 
Vergehen,  für  das  sich  keinerlei  Entschuldigung  finden  lasse,  und  es 
sei  durchaus  zutreffend,  wenn  das  Urteil  erster  Instanz  auf  Grund 
dieses  schweren  Vergehens  auf  Einziehung  des  zur  Verhandlung 
stehenden  Schiffes  erkannt  habe. 

Die  Berufung  sei  daher  als  unbegründet  zu  verwerfen. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 
L  Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegs- 
hafen ist.  Seit  dem  Krieg  mit  Japan  hat  Rußland  es  zum  Stützpunkt 
für  seine  Kriegsflotte  und  Hauptetappenort  gemacht.  Es  hat  dort  in  aus- 
gedehntem Maße  Waffen,  Lebensmittel,  Kohlen  und  sonstige  Kriegs- 
bedarfsartikel aufgespeichert.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr  nach 
dorthin  hat  fast  ganz  aufgehört.  Es  ist  daher  durchaus  begründet,, 
wenn  das  Gericht  erster  Instanz  angenommen  hat,  daß  die  nach  diesem 
Hafen  bestimmten  Steinkohlen  für  den  russischen  Kriegsgebrauch  ge- 
liefert, werden  sollten  und  daher  Kriegskonterbande  seien.  Dies  um  so 
mehr,  als  die  Kohlenladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfers 

809 


Abschnitt  VI^'^  Prisengerichtsentschef düngen :  .Harberton*. 

ausgewählte  Cardiffkohle  ist  und  die  Preise  für  solche  im  Osten  so 
außerordentlich  hoch  sind,  daß  außer  für  den  Gebrauch  auf  Kriegs- 
schiffen zur  Kriegszeit  keine  Nachfrage  dafür  vorhanden  und  es  somit 
unzweifelhaft  ist,  daß  die  Kohle  für  den  russischen  Kriegsgebrauch 
geliefert  werden  sollte. 

Der  Reklamant  sagt,  es  müsse  nach  Art  der  Präcedenzentscheidung, 
betreffend  den  „Neptunus'',  auch  in  diesem  Falle  angenommen  werden, 
daß  die  in  Frage  stehende  Ladung  für  friedliche  Zwecke  bestimmt 
gewesen  sei.  Aber  die  Ladung  im  „Neptun us''-Fall  und  die  des  vor- 
liegenden Falles  sind  ihrer  Art  nach  von  Grund  aus  verschieden,  und 
auch  die  Verhältnisse  der  Bestimmungsorte  sind  ganz  andere.  Es  ist 
daher  unfraglich,  daß  jener  Fall  nicht  als  Präcedenz  auf  den  vorliegenden 
angewandt  werden  kann. 

2.  Das  Völkerrecht  erkennt  an,  daß  Schiffe,  wie  das  zur  Ver- 
handlung stehende,  deren  Reisezweck  der  Transport  von  Konterbande 
ist,  eingezogen  werden  können.  ^)  Das  Oberprisengericht  ist  der  Ansicht, 
daß  dies  den  Verhältnissen  gerecht  wird.  Besonders  ist  es  billig  im 
vorliegenden  Falle,  wo  die  ganze  Ladung  des  Schiffs  Konterbande  ist, 
wo  der  Reeder  dem  Kapitän  Order  gegeben  hat,  nach  Wladiwostok  zu 
fahren,  während  das  Privatschiffsjournal  und  andere  Schiffspapiere  einen 
gefälschten  Bestimmungsort  enthalten,  wo  also  das  Schiff  sich  des 
Transports  von  Konterbande  unter  Anwendung  betrügerischer  Mittel 
schuldig  gemacht  hat. 

Da  schon  nach  dem  in  den  Punkten  1  und  2  Gesagten  die  Ent- 
scheidung der  ersten  Instanz  auf  Einziehung  des  zur  Verhandlunjp 
stehenden  Schiffs  unfraglich  gerechtfertigt  ist,  so  liegt  kein  Bedürfnis 
vor,  auf  die  einzelnen  Punkte  der  Berufung  noch  besonders  ein- 
zugehen. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 

Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  8.  August  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Pyman  Watson  Steamship  Company  Ltd.,  England, 
Wales,  Cardiff,  vertreten  durch  den  Kapitän  des  Dampfers  „Harberton'', 
William  Duncombe. 


*)  Anders  die  japanische  Seeprisenordnung,  §§  43,  44  (V)  und  ihre  Grundlage, 
das  englische  Manual  of  Naval  Prize  Law,  Art.  82—85. 

810 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Harberton*.  Abschnitt  VI^^ 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  Shigefuji  Tsurutaro,  Na- 
gasaki, Hikijimachi  Nr.  33. 

In  der  Prisensache,  betreffend  die  Ladung  des  englischen  Dampfers 
„Harberton''  wird  nach  Beendigung  der  Untersuchung,  wie  folgt,  ent- 
schieden : 

V  rteilsformel: 

Es  wird  auf  Wegnahme  der  auf  dem  englischen  Dampfer 
„Harberton''  verladenen  etwa  4900  Tons  Steinkohlen  erkannt. 

Tatbestand  und  Gründe: 

Die  zur  Verhandlung  stehende  \Ladung  von  etwa  4900  Tons  doppelt- 
gesiebter Cardiffkohle  (zur  Zeit  des  Ladens  in  Cardiff  waren  etwa  5000 
Tons  vorhanden,  von  denen  jedoch  für  die  Reise  des  Dampfers  „Har- 
berton"  100  Tons  verbraucht  worden  sind,  so  daß  zurzeit  etwa  4900 
Tons  übrig  sind)  ist  von  dem  Reklamanten  als  Absender  auf  dem  am 
IL  November  1904  von  der  Firma  Mann,  George  &  Co.  in  London  ge- 
charterten englischen  Dampfer  „Harberton''  verladen  worden,  um  nach 
Wladiwostok  befördert  zu  werden.  Der  Dampfer  ist  am  30.  November 
d.  J.  von  Cardiff  in  England  abgereist  und  über  Malta,  Port  Said,  Colombo 
und  Hongkong  auf  der  Reise  nach  Wladiwostok  am  1.  März  1905  bis 
nach  der  Straße  von  Etorup  gelangt,  von  wo  er  jedoch  wegen  Schnee- 
sturms wieder  nach  Süden  abwenden  mußte.  Am  3.  März  passierte  er 
zum  zweiten  Male  die  Straße  und  gelangte  in  das  Ochotskische  Meer, 
wo  er  jedoch  am  4.  in  Treibeis  geriet  und  nicht  weiter  fahren  konnte. 
Er  änderte  daher  notgedrungen  seinen  Kurs  und  fuhr  wieder  in  die 
Straße  Etorup  zurück.  Als  er  aufs  neue  nach  Wladiwostok  zu  fahren 
versuchte,  wurde  er  am  18.  März  1905  auf  45 o  13'  n.  Br.  und  149^  6' 
ö.  L.  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Akitsushima''  mit  seiner  Ladung 
beschlagnahmt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Vertreters  des  Kommandanten  der  „Akitsushima'',  Kapitän leutnants 
Takakura  Shoji,  die  Vernehmungsprotokolle  des  genannten  Offi- 
ziers, des  Kapitäns  der  „Harberton''  William  Duncombe,  des 
ersten  Offiziers  Daniel  Burns,  des  ersten  Maschinisten  W i'  1 1  i a m 
Thompson  Brown,  das  Schiffszertifikat,  den  Chartervertrag  und 
das   Konnossement. 

Die  Hauptpunkte  der  Reklamation  sind  folgende: 

Der  Reklamant  und  Eigentümer  der  zur  Verhandlung  stehenden 
Ladung  sei  ein  neutraler  Staatsangehöriger.  Er  habe  die  Steinkohle 
nach  einem  nicht  blockierten  Hafen  einer  der  kriegführenden  Mächte 
befördern  wollen.  Dies  sei,  da  man  Kohle  als  eine  zu  allgemeinem 
Gebrauch  dienende  Ware  anzusehen  habe,  nichts  Unrechtmäßiges.  Kohle 
sei  nur,  wenn  sie  der  feindlichen  Kriegsmacht  geliefert  werden  solle, 

811 


Abschnitt  Vl^'b  Prisengerichtsentscheidungen:  .Harberton". 

nicht  aber  schon  an  und  für  sich  Konterbande.  Es  liege  aber  keinerlei 
Beweis  dafür  vor,  daß  der  Reklamant  beabsichtigt  habe,  die  Kohle  der 
feindlichen  Kriegsmacht  zu  liefern. 

Zudem  sei  Wladiwostok  zu  der  Zeit  nicht  unter  Blockade  ge- 
wesen, und,  wenn  es  auch  ein  echter  Kriegshafen  sei,  so  verlören  darum 
Neutrale  nicht  das  Recht,  Güter  wie  die  zur  Verhandlung  stehende 
Ladung,  die  Handelszwecken  dienten,  einzuführen.  Das  Völkerrecht 
erkenne  nur  ein  Mittel  an,  dessen  sich  ein  kriegführender  Staat  bedienen 
dürfe,  um  den  neutralen  Einfuhrhandel  zu  unterbrechen,  nämlich  die 
Blockade.  Obwohl  nun  Japan  seit  Januar  dieses  Jahres  in  der  Lage 
gewesen  sei,  Wladiwostok  zu  blockieren,  habe  es  doch  keine  Blockade 
erklärt.  Damit  habe  es  stillschweigend  anerkannt,  daß  Wladiwostok  noch 
für  den  neutralen  Handelsverkehr  offen  sei.  Daß  Japan  so,  ohne  eine 
Blockade  erklärt  zu  haben,  den  neutralen  Handel  tatsächlich  blockiere, 
heiße  nichts  anderes,  als  die  neutralen  Schiffe  in  eine  Falle  locken.  Da 
ferner  Wladiwostok  im  Winter  der  einzige  Hafen  in  Ostsibirien  und 
neben  einem  Kriegsfiafen  auch  ein  Handelshafen  sei,  so  könne,  wenn 
Wladiwostok  auch  vorzugsweise  von  Truppen  innegehabt  werde,  Stein- 
kohle, die  dorthin  befördert  werde,  nicht  ohne  weiteres  als  der  feind- 
lichen  Streitmacht  zu   liefernde   Kohle   betrachtet  werden. 

Daß  in  den  Schiffspapieren  Wladiwostok  nicht  als  Bestimmungsort 
verzeichnet  sei,  komme  daher,  daß  das  Schiff  von  Cardiff  bis  Hongkong 
10  Wochen  brauche  und  daß  der  Landungseigentümer  und  Absender 
mit  Rücksicht  auf  ungewöhnliche  Ereignisse  während  der  Reise  und 
in  Erwartung  einer  Blockadeerklärung  es  für  vorteilhaft  gehalten  hätten, 
mit  Bezug  auf  die  Ladung  noch  keine  definitive  Entscheidung  zu  treffen. 
Als  dann  nach  Ankunft  des  Schiffes  in  Hongkong  es  sich  erwiesen  habe, 
daß  noch  keine  Blockade  über  Wladiwostok  verhängt  gewesen  sei,  hätten 
sie  Order  gegeben,  nach  dort  weiter  zu  fahren.  Wenn  die  Ladungs- 
eigentümer von  vornherein  erklärt  hätten,  die  Ladung  sei  für  Wladiwostok 
bestimmt,  und  wenn  dieser  Hafen  nachher  unter  Blockade  gestellt  worden 
wäre,  so  hätten  sie  durch  Änderung  des  Bestimmungsorts  große  Un- 
bequemlichkeit und  Verluste  haben  müssen.  Auch  hätte  der  Dampfer, 
wenn  von  Anfang  an  Wladiwostok  als  Bestimmungsort  erklärt  worden 
sei,  in  Cardiff  und  in  Häfen  auf  seiner  Reise  seitens  der  englischen 
Behörden  allerhand  Hindernisse  erfahren  müssen. 

Aus  diesen  Gründen  werde  eine  Entscheidung  auf  Freigabe  der 
zur  Verhandlung  stehenden  Ladung  beantragt. 

Der  Vertreter  der  Reklamation  Jst  auf  die  dem  Verfahren  ent- 
sprechende Ladung,  ohne  irgendwelche  Mitteilung  zu  machen,  nicht 
erschienen. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

812 


Prisengerfchtsentscheidungen:  .Harberton*.  Abschnitt  Vl^tk 

Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegshafen 
im  Osten  und  zurzeit  der  Hauptstützpunkt  für  seine  Marine  ist.  Seit 
dem  Kriege  mit  Japan  hat  die  russische  Regierung  diesen  Platz  zu  einem 
Hauptetappenort  gemacht  und  ist  bestrebt,  dort  große  Kriegsvorräte 
anzuhäufen.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr  hat  dort  fast  gänzlich 
aufgehört.  Wenn  daher  Kohlen  oder  dergleichen  Güter,  deren 
Konterbandeeigenschaft  von  besonderen  Umständen  abhängig  ist,  nach 
Wladiwostok  befördert  werden,  so  muß,  mangels  klaren  Gegenbeweises, 
angenommen  werden,  daß  dieselben  für  den  Kriegsgebrauch  zu  liefern 
waren.  Besonders  kann  es  bezüglich  der  zur  Verhandlung  stehenden 
Ladung,  welche  aus  ausgewählter  Cardiffkohle  besteht,  wie  sie  im  Osten 
ausschließlich  zum  Gebrauch  auf  Kriegsschiffen  dient,  nicht  bezweifelt 
werden,  daß  sie  wirklich  für  den  Kriegsgebrauch  bestimmt  war.  Sie  ist 
daher  mit  Recht  als  Konterbande  anzusehen,  i) 

Der  Reklamant  führt  aus,  daß 

das  Völkerrecht  nur  ein  Mittel  anerkenne,  dessen  sich  ein 
kriegführender  Staat  bedienen  dürfe,  um  den  neutralen  Ein- 
fuhrhandel  zu   unterbrechen,   nämlich   die  Blockade.     Daß 
Japan,  ohne  eine  Blockade  erklärt  zu  haben,  den  neutralen 
Handel  nach  Wladiwostok  tatsächlich  blockiere,  heiße  nichts 
anderes,  als  die  neutralen  Schiffe  in  eine  Falle  locken. 
Da  aber  die  Beschlagnahme  des  Dampfers  „Harberton"  durch  ein  japa- 
nisches Kriegsschiff  geschehen  ist,  weil  es  Kriegskonterbande  beförderte, 
so  liegt  darin  keine  Unterbrechung  des  berechtigten  neutralen  Einfuhr- 
handels nach  Wladiwostok,  und  es  ist  völkerrechtlich  in  Theorie  und 
Praxis  anerkannt,  daß  ein  kriegführender  Staat,  auch  wo  keine  Blockade 
erklärt  ist,  Schiffe,  welche  Konterbande  führen,  aufbringen  kann. 

Demnach  ist  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  als  Konter- 
bande, welche  auf  der  Reise  nach  Wladiwostok  begriffen  war,  anzusehen. 
Die  Pariser  Seerechtsdeklaration  vom  Jahre  1856  sowie  die  Theorie 
und  Praxis  des  Völkerrechts  erkennen  aber  an,  daß  Konterbande,  wenn 
auch   unter  neutraler  Flagge  fahrend,  eingezogen   werden   kann.  ^) 

Da  aus  diesen  Gründen  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung 
einzuziehen  ist,  so  erübrigt  es  sich,  die  anderen  Punkte  des  Vertreters 
der   Reklamation   noch   besonders   zu  erörtern. 

Es  wird   daher  wie  in   der   Urteilsformel   entschieden. 

Verkündet  am  7.  Juni  1905  im  Prisengericht  zu  Yokosuka  im 
Beisein  des  Staatsanwalts  beim  Prisengericht  zu  Yokosuka  Kobäyashi 
Y  o  s  h  i  o. 

(Unterschriften.) 


»)  II.  Ziffer  2.  —     =)  V.  §  43. 

813 


Abschnitt  VI  49b  Prisengerichtsentscheidungen:  .Harberton'. 

Reklamant:  Pyman  >X^atson  Steamship  Company  Ltd.  in  Eng- 
land, Wales,  Cardiff,  vertreten  durch  den  Kapitän  des  englischen 
Dampfers  „Harberton'',  William  Duncombe. 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  Shigefuje  Tsurutaro,  Na- 
gasaki, Hikijimachi  Nr.  33. 

Am  7.  Juni  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Yokosuka  in  der  Prisen- 
sache, betreffend  die  Ladung  des  am  18.  März  1905  auf  45  <>  13'  n.  B. 
und  149®  6'  ö.  L.  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Akitsushima" 
aufgebrachten  englischen  Dampfers  „Harberton'',  welche  aus  ungefähr 
4900  Tons  Kohlen  besteht,  ein  Urteil  erlassen,  in  welchem  auf  Ein- 
ziehung dieser  Ladung  erkannt  worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  William  Duncombe,  der  Vertreter 
des  Reklamanten,  Pyman  Watson  Steamship  Company,  durch  den  Rechts- 
anwalt Shigefuji  Tsurutaro  als  Prozeßvertreter  die  Berufung  ein- 
gelegt, welche  im  Beisein  der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku  und 
Dr.  jur.  I  s  h  i  w  a  t  a  r  i  B  i  n  i  c  h  i  beim  Oberprisengericht  geprüft 
worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Vertreters  der  Reklamation, 
Shigefuji  Tsurutaro,  und  deren  Gründe  sind  folgende: 

Der  Reklamant  und  Eigentümer  der  zur  Verhandlung  stehenden 
Ladung  sei  ein  neutraler  Staatsangehöriger.  Er  habe  die  Steinkohle  nach 
einem  nicht  blockierten  Hafen  einer  der  kriegführenden  Mächte  befördern 
wollen.  Dies  sei,  da  man  Kohle  als  eine  zu  allgemeinem  Gebrauch 
dienende  Ware  betrachten  müsse,  nichts  unrechtmäßiges.  Kohle  sei 
nur,  wenn  sie  der  feindlichen  Kriegsmacht  geliefert  werden  solle,  nicht 
aber  schon  an  und  für  sich  Konterbande.  Es  liege  aber  keinerlei  Beweis 
dafür  vor,  daß  der  Reklamant  beabsichtigt  gehabt  habe,  die  Kohle  der 
feindlichen  Kriegsmacht  zu  liefern.  Zudem  sei  Wladiwostok  zu  der  Zeit 
nicht  unter  Blockade  gewesen  und,  wenn  es  auch  ein  echter  Kriegshafen 
sei,  so  verlören  darum  Neutrale  nicht  das  Recht,  die  zur  Verhandlung 
stehende  Ladung,  die  Handelszwecken  diene,  einzuführen.  Das  Völker- 
recht erkenne  nur  ein  Mittel  an,  dessen  sich  ein  kriegführender  Staat 
bedienen  dürfe,  um  den  neutralen  Einfuhrhandel  zu  unterbrechen,  näm- 
lich die  Blockade.  Obwohl  nun  Japan  seit  Januar  dieses  Jahres  in  der 
Lage  gewesen  sei,  Wladiwostok  (Zu  blockieren,,  habe  es  doch  keine 
Blockade  erklärt.  Damit  habe  es  stillschweigend  anerkannt,  daß  Wladi- 
wostok noch  für  den  neutralen  Handelshafen  offen  sei.  Daß  Japan 
so,  ohne  eine  Blockade  erklärt  zu  haben,  den  neutralen  Handel  tatsächlich 
blockiere,  heiße  nichts  anderes,  als  die  neutralen  Schiffe  in  eine  Falle 
locken.  Da  ferner  Wladiwostok  im  Winter  der  einzige  Hafen  in  Ost- 
sibirien und  neben  einem  Kriegshafen  auch  ein  Handelshafen  sei, 
so  könne,  wenn  Wladiwostok  auch  vorzugsweise  von  Truppen  innegehabt 

814 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Harberton*.  Abschnitt  VI^^^ 

werde,  Steinkohle,  die  dorthin  befördert  werde,  nicht  ohne  weiteres 
als  der  feindlichen  Streitmacht  zu  liefernde  Kohle  bezeichnet  werden. 
Daß  in  den  Schiffspapieren  Wladiwostok  nicht  als  Bestimmungsort 
verzeichnet  sei,  komme  daher,  daß  das  Schiff  von  Cardiff  bis  Hongkong 
.10  Wochen  brauche  und  daß  die  Ladungseigentümer  und  Absender  mit 
Rücksicht  auf  ungewöhnliche  Ereignisse  während  der  Reise  und  auf 
eine  Blockadeerklärung  es  für  vorteilhaft  gehalten  hätten,  mit  Bezug 
auf  die  Ladung  noch  keine  definitive  Entscheidung  zu  treffen.  Als  dann 
nach  Ankunft  des  Schiffs  in  Hongkong  es  sich  erwiesen  habe,  daß  noch 
keine  Blockade  über  Wladiwostok  verhängt  gewesen  sei,  hätten  sie  Order 
gegeben,  nach  dort  weiter  zu  fahren.  Wenn  die  Ladungseigentümer  von 
vornherein  erklärt  hätten,  die  Ladung  sei  für  Wladiwostok  bestimmt, 
und  wenn  dieser  Hafen  nachher  unter  Blockade  gestellt  worden  wäre, 
so  hätten  sie  durch  Änderung  des  Bestimmungsortes  große  Un- 
bequemlichkeit und  Verluste  haben  müssen.  Auch  hätte  der  Dampfer, 
wenn  von  Anfang  an  Wladiwostok  als  Bestimmungsort  erklärt  worden 
sei,  in  Cardiff  und  Häfen  auf  seiner  Reise  seitens  der  englischen , 
Behörden  allerhand  Hindernisse  erfahren  müssen. 
Das  Urteil  erster  Instanz  behaupte : 

Es  sei  bekannt,  daß  'Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegs- 
hafen im  Osten  und  zurzeit  der  Hauptsammelplatz  für  seine 
Marine  sei.    Seit  dem  Kriege  mit  Japan   habe   die   russische 
Regierung  diesen  Platz  zu  einem  Etappenort  gemacht,  und 
sie  sei  mit  allen  Kräften  bemüht,    dort  große  Kriegsvorräte 
anzuhäufen.  Der  gewöhnliche  Handelsverkehr  habe  dort  fast 
gänzlich   aufgehört.    Wenn    daher    Kohle    und    dergleichen 
Güter,   deren  Konterbandeeigenschaft  vonv  besonderen  Um- 
ständen abhängig  sei,  nach  Wladiwostok  befördert  würden, 
so    müsse,    mangels    klaren    Gegenbeweises,    angenommen 
werden,   daß  dieselben   für  den   Kriegsgebrauch   zu   liefern 
gewesen  seien. 
Das  müsse  als  eine  unzutreffende  Darstellung  der  Verhältnisse  bezeichnet 
werden.    Denn  wenn  Wladiwostok  auch  ein  russischer  Kriegshafen  sei, 
so  sei  es  doch  zu  gleicher  Zeit  auch  ein  Handelshafen,    der  für  den 
neutralen  Einfuhrhandel  nicht  gesperrt  sei.   Was  daher  relative  Konter- 
bandegüter,   wie    die    zur    Verhandlung    stehenden,    angehe,    die    als 
Konterbande  nur  in  dem  Falle  zu  betrachten  seien,  wenn  sie  für  den 
Gebrauch  der  feindlichen  Armee  oder  Marine  bestimmt  seien,  so  könne 
man  lediglich  daraus,  daß  sie  nach  einem  feindlichen  Kriegshafen  gingen, 
nicht  sogleich  schließen,  daß  sie  der  feindlichen   Armee  oder  Marine 
geliefert  werden  sollten.    Wie  auch,  wenn  der  Bestimmungsort  nicht  ein 
Kriegshafen  sei,  die  Frage,  ob  die  Güter  für  die  Armee  oder  die  Marine 
bestimmt  seien,  nach  den  besonderen  Umständen  des  Falls  betrachtet 

816 


Abschnitt  Vl^tk  Prisengerichtsentscheidungen:  .Harberton*. 

würden  und  Fälle  möglich  seien,  wo  sie  als  Konterbande  anzusehen  seien, 
so  sei  es  auf  der  anderen  Seite  ein  Fehler,  wenn  der  Bestimmungshafen 
ein  Kriegshafen  sei,  einfach  obenhin  anzunehmen,  daß  die  Güter  für 
die  feindliche  Armee  oder  Marine  zu  liefern  seien. 

Es  sei  unrechtmäßig,  daß 'das  Urteil  erster  Instanz  die  Konterbande- 
eigenschaft der  zur  Verhandlung  stehenden  Ladung  einfach  danach 
bestimmt  habe,  daß  Wladiwostok  ein  russischer  Kriegshafen  sei,  ohne 
den  Tatbestand  über  die  Frage,  ob  die  Güter  an  die  russische  Armee 
oder  Marine  bestimmt  gewesen  seien,  im  geringsten  klarzustellen. 

Außerdem  gehe  die  Tatsache,  daß  der  gewöhnliche  Handelsverkehr 
in  Wladiwostok  zu  der  fraglichen  Zeit  nicht  aufgehört  habe,  aus  Fol- 
gendem ganz  offenbar  hervor:  Die  „Wilhelmina"  und  viele  andere  neu- 
trale Schiffe  seien  mit  Steinkohlen,  Petroleum  und  sonstiger  verschiedener 
Ladung  nach  dort  gefahren,  und  Firmen  wie  Hermann  Kobritz 
''"  und  viele  andere  hätten  dort  wie  früher  ihr  Handelsgewerbe  betrieben. 

Wenn  daher  Cardiffkohle,  die  auch  außer  zum  Kriegsgebrauch 
Verwendung  finde,  nach  Wladiwostok  befördert  werde,  welches  ein 
Kriegshafen  sei,  in  dem  zugleich  gewöhnlicher  Handelsverkehr  statt- 
finde, so  müsse  nach  der  Präcedenzentscheidung  in  dem  „Neptun us"- 
Fall  angenommen  werden,  daß  die  Ladung  nach  dem  Handelshafen 
und  zum  Friedensgebrauch  bestimmt  sei.  Das  Urteil  erster  Instanz 
behaupte  dagegen,  daß,  mangels  klaren  Gegenbeweises,  angenommen 
werden  müsse,  sie  sollte  für  den  Kriegsgebrauch  geliefert  werden,  und 
drehe  so  die  Beweislast  um. 

Wenn  nun  so  Wladiwostok  als  Handelshafen  anzusehen  sei,  und 
es  auf  der  anderen  Seite  nicht  bewiesen  sei,  daß  die  Ladung  an  die 
feindliche  Streitmacht  hätte  abgeliefert  werden  sollen,  so  müsse  die 
Ladung  als  Nichtkonterbande  unter  neutraler  Flagge  freigegeben  werden. 

Es  werde  daher  Aufhebung  des  Urteils  erster  Instanz  in  allen 
Punkten  und  Erlaß  einer  Entscheidung  auf  Freilassung  der  auf  dem 
englischen  Dampfer  „Harberton"  verladenen  etwa  4900  Tons  Kohlen 
beantragt. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  beim  Prisen- 
gericht zu  Yokosuka,  Kobayashi  Yoshio,  sind  folgende : 

Die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  sei  doppelt  gesiebte  Cardiff- 
kohle, welche  im  Osten  nur  bei  der  Kriegsmarine  zur  Verwendung 
komme.  Ihr  Bestimmungsort  sei  Wladiwostok,  zurzeit  der  Haupt- 
stützpunkt der  russischen  Flotte.  Danach  sei  es  offenbar,  daß  die  Ladung 
der  feindlichen  Marine  hätte  geliefert  werden  sollen.  Wenn  daher  das 
Urteil  erster  Instanz  dies  angenommen  habe,  so  sei  die  Behauptung 
des  Reklamanten,  es  habe  die  Verhältnisse  unzutreffend  dargestellt,  völlig 
unbegründet.  Es  liege  bei  Beurteilung  der  Frage,  ob  die  Ladung  Konter- 
bande sei  oder  nicht,  kein  Bedürfnis  vor,  zu  entscheiden,  ob  der  ge- 

816 


Prisengerichtsentscheidungen:  »Harberton*.  Abschnitt  Vl^sk 

wohnliche  Handelsverkehr  ihres  Bestimmungsorts  Wladiwostok  seit  dem 
Kriege  mit  Japan  aufgehört  habe  oder  nicht.  Da,  wie- bereits  gesagt,  eine 
Ladung  wie  die  zur  Verhandlung  stehende  im  Osten  nur  auf  Kriegs- 
schiffen zur  Verwendung  komme  und  der  genannte  Hafen  ein  russischer 
Marinestützpunkt  sei,  welcher  von  einem  Stocken  des  gewöhnlichen 
Handelsverkehrs  nicht  berührt  werde,  so  könne  man  gar  nicht  zu  einer 
anderen  Annahme  kommen,  als  daß  die  Ladung  für  die  Marine  habe 
geliefert  werden  sollen.  Kurz,  die  Behauptung  des  Reklamanten,  der 
gewöhnliche  Handelsverkehr  in  Wladiwostok  habe  seit  der  Eröffnung 
des  Krieges  nicht  aufgehört,  stehe  zu  der  Frage,  ob  die  zur  Verhandlung 
stehende  Ladung  Konterbande  sei  oder  nicht,  in  keinerlei  Beziehung. 

Es  müsse  daher  auf  Verwerfung  der  Berufung  entschieden  werden. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

Es  ist  bekannt,  daß  Wladiwostok  Rußlands  wichtigster  Kriegshafen 
ist.  Seit  dem  Krieg  mit  Japan  hat  Rußland  es  zum  Stützpunkt  für  seine 
Kriegsflotte  und  Hauptetappenort  gemacht. .  Es  hat  dort  in  ausgedehntem 
Maße  Waffen,  Lebensmittel,  Kohle  und  sonstige  Kriegsbedarfsartikel  auf- 
gespeichert. Der  gewöhnliche  Handelsverkehr  nach  dorthin  hat  fast 
gänzlich  aufgehört  Es  ist  daher  durchaus  begründet,  wenn  das  Gericht 
erster  Instanz  angenommen  hat,  daß  die  nach  diesem  Hafen  bestimmten 
Steinkohlen  für  den  russischen  Kriegsgebrauch  geliefert  werden  sollten 
und  daher  Kriegskonterbande  seien.  Dies  um  so  mehr,  als  die  zur  Ver- 
handlung stehende  Kohlenladung  ausgewählte  Cardiffkohle  ist  und  die 
Preise  für  solche  im  Osten  so  außerordentlich  hoch  sind,  daß  außer 
für  den  Gebrauch  auf  Kriegsschiffen  zur  Kriegszeit  keine  Nachfrage 
dafür  vorhanden  und  es  somit  unzweifelhaft  ist,  daß  die  Kohle  für  den 
russischen   Kriegsgebrauch  geliefert  werden  sollte. 

Der  Reklamant  sagt,  es  müsse  nach  Art  der  Präcedenzentscheidung, 
betreffend  den  „Neptun us"  auch  in  diesem  Falle  angenommen  werden, 
■daß  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  für  friedliche  Zwecke 
bestimmt  gewesen  sei.  Aber  die  Ladung  im  „Neptunus"-Fall  und  die  . 
des  vorliegenden  Falles  sind  ihrer  Art  nach  von  Grund  aus  verschieden 
und  auch  die  Verhältnisse  der  Bestimmungsorte  sind  ganz  andere.  Es 
ist  daher  unfraglich,  daß  jener  Fall  nicht  als  Präcedenz  auf  den  vor- 
liegenden angewandt  werden  kann. 

Demnach  sind  die  Ausführungen  des  Reklamanten  sämtlich   un- 
begründet, und  es  wird,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Im  August  1905  im  Oberprisengericht. 
(Unterschriften.) 


Marstrand-Mechlenburg,  Das  Japanische  Prisenrecht.  (52)  blT 


Abschnitt  VIM  Prisengerichtsentscheldungen :  .Industrie'» 

Reklamant:  Der  in  Tsingtau  in  China  ansässige  deutsche  Kauf- 
mann Jürgen  Block. 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  Ishibashi  Tomokichi, 
Regierungsbezirk  Nagasaki,  Nagasaki,  Togiyamachi  41. 

In  der  Prisensache,  betreffend  den  deutschen  Dampfer  „Industrie"^, 
wird,  wie  folgt,  entschieden: 

Urteilsformel: 
Der  Dampfer  „Industrie"  wird  eingezogen. 

Tatbestand  und  Gründe: 
Der  Dampfer  „Industrie"  ist  Eigentum  des  Reklamanten,  hat  den 
Heimatshafen  Hamburg,  führt  die  deutsche  Flagge  und  ist  ein  Bergungs- 
und Schleppdampfer.  Am  8.  Februar  des  Jahres  1905  wurde  der  Dampfer 
in  Shanghai  von  dem  in  Tschifu  ansässigen  Zeitungseigentümer,  dem 
Amerikaner  R.  R.  Mac  Dermid  für  eine  monatliche  Summe  von 
1500  Shanghai-Taels  als  Zeitungskorrespondenzboot  für  drei  Monate 
gemietet  und  der  deutsche  Reichsangehörige  Adolf  Bannier  mit 
einem  Oehalt  von  $  400  monatlich  als  Zeitungskorrespondent  auf  den- 
selben gesetzt. 

Am  19.  desselben  Monats  fuhr  der  Dampfer  von  Shanghai  ab  mit 
der  Aufgabe,  unter  Leitung  B  a  n  n  i  e  r  s  die  Bewegungen  der  japanischen 
Flotte  auszuspüren  und  dieselben  durch  Vermittlung  von  Mac  Dermid 
an  die  russische  Regierung  zu  berichten.  Am  3.  März  war  der  Dampfer 
bereits  über  Saddle  Islands  bis  zu  einem  Punkte  40  Seemeilen  südwestlich 
von  Tsushima  gelangt,  kehrte  aber  am  13.  desselben  Monats  wieder 
nach  Shanghai  zurück,  von  wo  er  am  15.  wieder  abfuhr.  Am  23.  war 
er  bei  North  Seen  Island,  Korea,  angelangt  und  ging,  nachdem  er  bis 
zum  27.  Quelpart  Island,  Anderson  Island  und  die  benachbarten  Ge- 
wässer rekognosziert  hatte,  bei  Anbruch  dieses  Tages  noch  weiter  vor, 
wo  er  einem  Punkte  5  Seemeilen  östlich  von  der  Insel  Katok  die 
Konzentration  unserer  Flotte  beobachtete.  Er  stellte  die  Typen  und 
Namen  der  Schiffe  fest  und  fuhr  mit  der  Absicht,  dies  an  Mac  Der- 
mid zu  telegraphieren,  nach  Fusan  ab.  Zu  dieser  Zeit,  um  3  Uhr 
nachmittags  desselben  Tages,  wurde  der  Dampfer,  unter  dem  Verdacht, 
im  Interesse  des  Feindes  zu  spionieren  und  demselben  Nachrichten 
zu  liefern,  2  Seemeilen  südlich  von  der  Insel  Katok  von  dem  japanischen 
Kriegsschiff  „Kasuga"  aufgebracht. 

"Diese  Tatsachen  gehen  klar  hervor  aus  der  Aussageschrift  des 
Stellvertreters  des  Kommandanten  der  „Kasuga",  Kapitänleutnants 
Gimikado  Shigetaka,  dem  Vernehmungsprotokoll  des  Kapitäns 
der  „Industrie",   Udden,   des  ersten  Gffiziers  Sjöstedt   und   des- 

818 


Prisengerichtsentschef düngen:  .Industrie*.  Abschnitt  VI« 

Korrespondenten  Bannier  sowie  aus  dem  Schiffszertifikat,  der 
Schiffsverkaufsurkunde  und  dem  Schiffsjournal  des  Dampfers. 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  des  Vertreters  der  Reklamation 
sind  folgende: 

Der  Staatsanwalt  behaupte,  der  Dampfer  sei  von  Mac  Dermid, 
dem  Eigentümer  der  von  der  russischen  Regierung  unterstützten,  in 
Tschifu  erscheinenden  „Chefoo  Daily  News"  gechartert,  um  anter  Leitung 
des  als  Korrespondenten  engagierten  Bannier  nach  dem  Sammelplatz 
unserer  Flotte  zu  fahren  und  im  Interesse  des  Feindes  zu  spionieren 
und  demselben  Meldungen  zu  machen. 

1.  Die  Behauptung,  daß  die  „Daily  News"  ein  Blatt  sei,  welches 
mit  Unterstützung  der  russischen  Regierung  herausgegeben  würde^  sei 
grundlos  und  könne  nicht  anerkannt  werden. 

2.  Der  Korrespondent  Bannier  sei  nur  ein  von  Mac  Dermid 
für  einige  Zeit  engagierter  gewöhnlicher  Kriegskorrespondent,  der  die 
Aufgabe  gehabt  hätte,  die  Bewegungen  der  Flotten,  sowohl  Japans  als 
Rußlands,  ohne  irgendwelche  Parteinahme  zu  beobachten,  und  er  sei 
kein  russischer  Spion,  welcher  im  Interesse  des  Feindes  die  Bewegungen 
der  japanischen   Flotte  habe  ausforschen  sollen. 

3.  Der  Reklamant  und  Eigentümer  des  Dampfers  habe  denselben 
nicht  mit  der  Absicht,  daß  er  zum  Vorteil  Rußlands  kundschaften  solle, 
verchartert,  und  ebenso  sei  auch  die  Behauptung  des  Staatsanwalts, 
daß  zwischen  dem  Reklamanten  und  dem  russischen  Generalmajor 
D  e  s  s  i  n  o  ein  Verkaufsvertrag  über  den  Dampfer  abgeschlossen  gewesen 
sei,  völlig  grundlos,  wie  aus  der  Korrespondenz  des  Reklamanten  mit 
Mac  Dermid  seit  dem  13.  Januar  und  einem  Brief  der  Kawasaki 
Dockyard  Co.  in  Kobe  vom  24.  März  ersichtlich  sei. 

4.  Die  Tätigkeit  journalistischer  Korrespondenz  geschehe  im  öffent- 
lichen Interesse  und  sei  keine  Verletzung  der  Neutralität. 

5.  Neutrale  Schiffe  könnten  nicht  eingezogen  werden,  wenn  sie 
nicht  Kriegskonterbande  führten  oder  als  Blockadebrecher  handelten. 
Wenn  es  sich  darum  handele,  ein  Schiff  einzuziehen,  welches  im  Interesse 
des  Feindes  tätig  sei,  so  müsse. eine  derartige  Handlung  bereits  aus- 
geführt worden  sein,  und  es  müsse  klarer  Beweis  hierfür  vorliegen. 
In  dem  gegenwärtigen  Falle  fehle  es  aber  an  einem  solchen  Beweise. 

Daher  müsse  der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  als  ein  harm- 
loses Schiff  eines  neutralen  Landes  freigegeben  werden. 

Der  Staatsanwalt  ist  im  wesentlichen  der  Ansicht,  daß  das  zur 
Verhandlung  stehende  Dampfschiff  nur  zum  Schein  als  ein  gewöhnliches 
Korrespondenzboot  aufgeputzt,  in  Wirklichkeit  aber  laut  einem  geheimen 
Abkommen  zwischen  Mac  Dermid  und  der  russischen  Regierung 
dazu  bestimmt  gewesen  sei,  die  Bewegungen  unserer  Flotte  auszukund- 
schaften und  dem  Feinde  zu  melden. 

(52*)  819 


Abschnitt  VI^  Prisengeriohtsentschef düngen :  .Industrie" 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Es  ist  als  allgemein  anerkannte  völkerrechtliche  Regel  zu  bezeichnen, 
daß  ein  Neutraler,  welcher  im  Interesse  der  einen  kriegführenden  Macht 
die  Kriegslage  betreffende  Geheimnisse  der  andern  Macht  ausforscht 
und  der  ersteren  mitteilt,  sich  eines  Neutralitätsbruches  schuldig  macht, 
und  daß  ein  hierzu  benutztes  Schiff  der  Strafe  der  Einziehung  verfällt.  ^) 
Der  Prozeßvertreter  behauptet  freilich,  der  fragliche  Dampfer  sei  nur 
Preßboot  der  „Chefoo  Daily  News"  gewesen,  welche  keine  Unterstützung 
seitens  der  russischen  Regierung  erfahre,  und  er  sei  lediglich  zur 
unparteiischen  Mitteilung  der  Bewegungen  der  Flotten  beider  Krieg- 
führenden bestimmt  gewesen ;  dem  steht  aber  entgegen,  daß  die  „Chefoo 
Daily  News'',  welche  kurz  nach  Beginn  des  japanisch-russischen  Krieges 
zuerst  herauskam  und  ein  kleines  Blatt  ist,  aus  eigenen  Mitteln  ein 
eigenes  Preßboot  zu  entsenden  nicht  imstande  sein  würde,  daß  es  be- 
ständig für  Rußland  gewesen  ist  und  auch  besonders  für  Japan  un- 
günstige Artikel  publiziert  hat. 

In  dem  Protokoll  der  dritten  Vernehmung  Banniers  findet  sich 
folgende  Frage  des  mit  dem  Fall  beauftragten  Richters:  „Halten  Sie 
es  für  wahr,  daß  die  „Chefoo  Daily  News''  ein  Organ  der  russischen 
Regierung  ist  oder  nicht?"  Darauf  antwortete  Bannier:  „Davon  habe 
ich  bis  jetzt  nichts  gewußt,  aber  wo  ich  jetzt  höre,  daß  es  eine  so 
kleine  Zeitung  ist,  ist  es  wohl  möglich,  daß  die  Zeitung  russische  Unter- 
stützung erhält.  Ich  kann  Ihre  Frage  bezüglich  dieser  Tatsache  nicht 
dahin  beantworten,  daß  die  Zeitung  eine  Unterstützung  nicht  erhält." 
Auf  eine  andere  Frage  antwortete  er:  „Ich  glaube,  daß  meine  Nach- 
richten an  die  russischen  Konsuln  in  Tschifu  und  Shanghai  und  von 
dort  an  die  russische  Regierung  geschickt  worden  wären.  Aber  zur 
Zeit  meiner  Abreise  von  Shanghai  wußte  ich  das  nicht  und  beabsichtigte, 
alles,  was  ich  von  der  japanischen  und  der  russischen  Flotte  sehen  wurde, 
zu  berichten.  Ich  bin  der  Ansicht,  daß  meine  Nachrichten  alle  der 
russischen  Regierung  nützlich  gewesen  wären."  Die  Aussage  des  Kapi- 
täns U  d  d  e  n  stimmt  hiermit  im  großen  und  ganzen  überein. 

Hieraus  und  aus  der  Tatsache,  daß  zu  dieser  Zeit  in  den  östlichen 
Gewässern  auch  nicht  ein  einziges  russisches  Kriegsschiff  zu  sehen 
war,  muß  geschlossen  werden,  daß  die  russische  Regierung  unter  Aus- 
nutzung der  neutralen  Nationalität  der  „Chefoo  Daily  News"  dieser 
eine  Subvention  gab  und  sie  unter  dem  Gewände  eines  Kriegs- 
korrespondenten unsere  Kriegsgeheimnisse  erforschen  und  berichten  zu 
lassen  vorhatte,  und  daß  auch  der  Reklamant  von  dieser  Tatsache  Kennt- 
nis hatte. 

Es  wird  demnach  mit  der  Begründung,  daß  das  zur  Verhandlung 
stehende  Schiff  als  ein  solches  betrachtet  werden   muß,    welches  die 

.  ^)~V7§  47. 

820 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Industrie*.  Abschnitt  VI  so 

Aufgabe  hatte,  die  Bewegungen  der  japanischen  Kriegsflotte  im  In- 
teresse des  Feindes  auszukundschaften  und  hierüber  Meldung  zu 
machen,  für  rechtens  erkannt,  daß  dasselbe  einzuziehen  ist. 

Es  ist  überflüssig,  die  übrigen  Punkte  der  Verteidigung  des  Rekla- 
manten zu  erörtern. 

Es  wird  demnach  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  im  Prisengericht  zu  Sasebo,  im  Beisein  des  Staats- 
anwalts Yamamoto  Tatsurokuro  am  13.  Juli  1905. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Der  deutsche  Reichsangehörige  Jürgen  Block 
in  Tsingtau,  China. 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  Ishibashi  Tomokichi, 
Nagasaki,  Togiyamachi  Nr.  41. 

Am  13.  JuH  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der  Prisensache, 
betreffend  den  deutschen  Dampfer  „Industrie",  welcher  am  28.  März 
1905  bei  der  koreanischen  Insel  Katok  von  dem  Kaiserlichen  Kriegs- 
schiff „Kasuga"  aufgebracht  wurde,  ein  Urteil  gefällt,  in  welchem  auf 
Einziehung  des  Dampfers  „Industrie''  erkannt  worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  der  Reklamant  Jürgen  Block  durch 
den  Rechtsanwalt  Ishibashi  T  o  m  o  k  i  c  h  i  die  Berufung  eingelegt, 
welche  im  Beisein  des  Staatsanwalts  Dr.  jur.  Ishiwatari  ßinichi 
beim  Oberprisengericht  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptberuf ungsgründe  des  Vertreters  der  Reklamation  Ishi- 
bashi Tomokichi  sind  folgende : 

Es  werde  Aufhebung  des  Urteils  erster  Instanz  und  Freigabe  de^ 
Dampfers  „Industrie"  beantragt,  und  zwar  aus  folgenden  Gründen: 

1.  Im  Urteil  erster  Instanz  sei  ausgeführt,  daß  die  „Chefoo  Daily 
Ne^'s''  eine  kleine,  erst  kürzlich  gegründete  Zeitung  sei,  daß 
dieselbe  nicht  in  der  Lage  gewesen  sein  könne,  selbständig 
ein  Nachrichtenboot  zu  entsenden,  und  daß  sie  gewohnheits- 
mäßig für  Rußland  schreibe.  Aus  diesen  drei  Gründen 
müsse  es  als  feststehende  Tatsache  erachtet  werden,  daß 
das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  im  Dienste  des  Re- 
dakteurs der  mit  russischer  Unterstützung  herausgegebenen 
„Chefpo  Daily  News''  Mac  Dermid  und  unter  Führung 
des  Korrespondenten  Bannier  die  Bestimmung  gehabt 
habe,  im  Interesse  Rußlands  die  Basis  der  japanischen  Flotte 
auszukundschaften  und  der  russischen  Regierung  darüber 
Nachrichten  zukommen  zu  lassen. 

821 


Abschnitt  VIM  Prisengerichtsentscheidungen:  .Industrie'. 

Die  angeführten  drei  Gründe  seien  jedoch  völlig  willkürlich  zurecht- 
gemachte Gründe,  für  die  es  in  den  Akten  des  vorliegenden  Falles 
an  jeder  Grundlage  fehle.  Das  Urteil  erster  Instanz  erkläre  diese  drei 
Gründe  für  feststehende  Tatsachen,  entziehe  sich  indes  der  Beweis- 
pflicht für  dieselben.  Der  Reklamant  bestreite,  daß  die  genannten  Tat- 
sachen feststünden,  und  das  Urteil  erster  Instanz  gründe  sich  auf  der 
Annahme  eines  unzutreffenden  Tatbestandes. 

2.  Als  Material  für  die  Feststellung  der  im  vorigen  Absatz  erwähnten 
Tatsachen  habe  das  Urteil  erster  Instanz  die  Aussage  Ban  n  ier  s  und  die 
damit  annähernd  übereinstimmende  Aussage  des  Kapitäns  Udden  an- 
gezogen, wie  sie  sich  aus  dem  Vernehmungsprotokoll  ergäben.  Den 
Aussagen  beider  Personen  könne  jedoch  als  Material  für  die  Feststellung 
der  fraglichen  Tatsachen  nicht  der  geringste  Wert  beigemessen  werden. 
Bei  dem  Verhör  vor  dem  mit  dem  Fall  beauftragten  Rat  habe  B  a  n  n  i  e  r 
ausgesagt, 

bisher  habe  er  es  nicht  gewußt,  aber  nach  dem,  was  ihm  mit- 
geteilt worden  sei,  könne  es  wohl  möglich  sein,  daß  usvc. 
und  Udden  habe  erklärt, 

er  habe  sich  bei  Blocks  Verhalten  nichts  weiter  gedacht; 

aber  nachdem  er  an   Gerichtsstelle,  bei  dem  Verhöre,   die 

näheren  Umstände  erfahren  habe,  könnte  es  wohl  sein,  daß 

usw. 

Diese  beiden  Personen  hätten  somit  hinsichtlich  der  fraglichen  Tatsachen 

ihre  völlige  Unwissenheit  versichert  und  auf  die  Auseinandersetzungen 

und  irreführenden  Fragen  des  Prisenrats  lediglich  die  Möglichkeit  der 

fraglichen  Tatsachen  bekundet.     Sie  hätten  beide  ausdrücklich  gesagt, 

sie  wüßten  nichts  darüber,  und  es  seien  Sachen,  die  ihnen  nicht  von 

selbst  in  den  Kopf  gekommen  wären.    Infolgedessen  sei  es  vollkommen 

haltlos,  diese  Aussagen  als  Material  für  eine  Entscheidung  hinsichtlich 

des  Bestehens  der  fraglichen  Tatsachen  zu  verwenden. 

3.  Der  Reklamant  habe  den  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfer 
vom  17.  Februar  d.  Jahres  an  auf  die  Dauer  von  zwei  und  einem  halben 
Monat  versichert  gehabt  und  der  Versicherungsvertrag  habe  die  Klauseln 
enthalten,  daß  die  Versicherung  nicht  Platz  greife  auf  die  Schiffahrt 
nördlich  von  Otaru,  südlich  von  den  Philippinen  oder  östlich  von  Yezo; 
daß  auch  die  Fahrt  nicht  über  Moji  hinausgehen  solle,  und  daß  die 
Hälfte  der  Versicherungsprämie  zurückgezahlt  werden  solle,  falls  der 
Dampfer  innerhalb  eines  Monats,  von  dem  oben  erwähnten  Datum 
an  gerechnet,  verkauft  werden  solle.  Sodann  sei  in  dem  Chartervertrag 
zwischen  dem  Reklamanten  und  Mac  Dermid  der  Fall  vorgesehen,' 
daß  der  Dampfer  in  Seenot  Beistand  erhielte,  und  es  seien  in  dieser 
Hinsicht  besondere  Abmachungen  getroffen  worden.  Weiter  ergebe  ein 
Brief  von  Mac  Dermid  an  Bannier,  daß  das  Schiff  in  Moji  oder 

822 


'Prisengerichtsentscheidungen:  „Industrie".  Abschnitt  VI» 

•ein^m  andern  japanischen  Hafen  möglicherweise  von  einem  eventuellen 
Käufer  besichtigt  werden  würde.  Als  Chartergeld  seien  ursprünglich 
für  drei  Monate  7000  Taels  festgesetzt  gewesen;  nachträglich  sei  diese 
Summe  jedoch  auf  monatlich  1500  Taels  herabgesetzt  worden.  Schließlich 
sei  es  Tatsache,  daß  Verhandlungen  mit  der  Kawasaki  Dockyard  Company 
über  den  Verkauf  des  Schiffes  geschwebt  hätten  und  daß  dem  Rekla- 
manten, als  zu  erwarten  gestanden  habe,  daß  der  größte  Teil  seiner 
Bedingungen  angenommen  werden  würde  und  er  bereits  dem  Abschluß 
d€s  Kaufvertrages  entgegensah,  Mac  Dermid  dazwischen  gekommen 
sei.  Er,  der  Reklamant,  habe  sich  bestimmt  in  dem  Glauben  befunden, 
daß  die  „Industrie"  am  24.  Februar  ds.  Jahres  nach  Moji  abgegangen 
sei;  andernfalls  würde  er  sie  haben  nach  Süden  gehen  lassen,  da,  wie 
er  damals  erfahren  habe,  ein  Schiff  bei  den  Pescadores  und  ein  fran- 
zösischer Kreuzer  in  der  Siam-Bay  gewesen  seien,  mit  deren  Bergung 
er  viel  Geld  hätte  verdienen  können.  Als  Beweis  für  seine  Absicht, 
den  Dampfer  nach  Süden  zu  senden  und  für  die  anderen  angeführten 
Tatsachen  habe  er  in  dem  erstinstanzlichen  Verfahren  Schriftstücke  vor- 
gelegt. Durch  diese  Beweisurkunden  werde  hinreichend  dargetan,  daß 
,  der  Dampfer,  weit  entfernt  davon,  für  die  Russen  Spionendienste  leisten 
zu  sollen,  wirklich  als  Zeitungskorrespondentenboot  verchartert  worden 
sei.  Durch  das  Protokoll  der  eidlichen  Vernehmung  des  Mac  Dermid 
aber  werde  hinreichend  bewiesen,  daß  der  Genannte  von  mehreren 
amerikanischen  Zeitungen  mit  der  Kriegsberichterstattung  beauftragt 
worden  sei  und  aus  dieser  Tätigkeit  gute  Einnahmen  und  Barmittel 
zur  Verfügung  gehabt  habe,  und  daß  eine  böse  Absicht,  Japan  zu 
schaden,  seinerseits  nicht  vorgelegen  habe.  Da  infolgedessen  kein  Grund 
für  die  Annahme  vorhanden  sei,  daß  der  Genannte  von  Rußland  unter- 
stützt werde  und  die  Sache  dieser  Macht  vertrete,  so  müßten  die  von 
der  ersten  Instanz  als  irrtümlich  erwiesen  angenommenen  Tatsachen  als 
irrtümlich  angesehen  werden. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  der  Staatsanwälte  des  Prisen- 
gerichts zu  Sasebo,  Yamamoto  Tatsurokuro  und  Mizukami 
Chojiro,  sind  folgende: 

1.  Durch  die  Aussage  des  Kapitäns  sei  einerseits  erwiesen,  daß 
der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „Industrie''  am  3.  März  dieses 
Jahres  etwa  40  Seemeilen  südlich  von  Tsushima  gekreuzt  habe,  am 
13.  März  nach  Shanghai  zurückgekehrt  und  am  15.  wieder  in  See  ge- 
gangen sei,  am  23.  die  koreanischen  North  Seen  Islands  passiert  und 
danach  bis  zum  27.  morgens  die  Gewässer  bei  Quelpart  Island  und 
Anderson  Island  rekognosziert  habe.  Betrachte  man  andererseits  die 
in  dem  dritten  Vernehm ungsprotokoll  aufgezeichneten  Aussagen  des 
Adolf  Bannier,  der  als  Zeitungskorrespondent  mit  der  Befugnis 
-an  Bord  gewesen  sei,  den   Kurs  des  Schiffes  zu  bestimmen,  nämlich 

823 


Abschnitt  VIM  Prisengerichtseittscheidungen:  .Industrie'» 

folgende  Aussagen:  „es  sei  möglich,  daß  die  „Daily  News",  eine  kleine 
Zeitung,  von  der  russischen  Regierung  unterstützt  würde  etc.";  „er 
glaube,  daß  seine  Berichte  den  russischen  Konsulaten  in  Tschifu  oder 
Shanghai  und  von  dort  der  russischen  Regierung  mitgeteilt  würden" ; 
und  schließlich,  „er  nehme  an,  daß  seine  Meldungen  im  allgemeinen 
wichtige  Dinge  für  die  russische  Regierung  enthielten  etc.",  so  ergebe 
sich  die  unabweisbare  Tatsache,  daß  es  sich  nicht  um  bloße  Zeitungs- 
nachrichten gehandelt  habe,  sondern. daß  die  Absicht  bestanden  habe, 
im  Interesse  der  russischen  Regierung  die  Bewegungen  der  japanischen 
Flotte  auszukundschaften  und  die  Beobachtungen  den  Russen  mit- 
zuteilen. 

2.  Überall  in  der  Welt  würden  zu  Kriegszeiten  Dinge  wie  die 
Basis  der  Hauptflotte  und  Schiffsbewegungen  seitens  der  kriegführenden 
Parteien  als  militärische  Geheimnisse  behandelt.  Schon  wenn  derartige 
Dinge,  die  gewöhnlichen  Menschen  unbekannt  blieben,  durch  bloßen 
Zufall  zur  Kenntnis  von  Neutralen  kämen,  so  hätten  letztere  die  mo- 
ralische Verpflichtung,  dieselben  nicht  an  die  Öffentlichkeit  zu  bringen; 
um  wieviel  mehr,  wefln  sie  ausdrücklich  darauf  ausgingen,  derartige 
Dinge  ausfindig  zu  machen.  Wenn  das  zur  Verhandlung  stehende 
kleine  Schiff  von  ungefähr  100  Tonnen  Raumgehalt  Wind  und  Wellen  jgc- 
trotzt  und  tagelang  in  den  koreanischen  Küstengewässern  reko^osziert 
habe,  so  sei  dies  lediglich  in  der  Absicht  geschehen,  den  Verbleib 
der  japanischen  Flotte  ausfindig  zu  machen;  und  es  sei  eine  leere 
Ausrede,  wenn  Bannier  behaupte,  er  habe  über  die  japanische  und 
russische  Flotte  in  gleicher  Weise  Erkundigungen  einziehen  und  Zeitungs- 
meldungen machen  wollen,  da  sich  tatsächlich  zu  jener  Zeit  kein  einziges 
russisches  Kriegsschiff  in  den  östlichen  Gewässern  habe  blicken  lassen. 
Als  diese  Angaben  nicht  durchgeschlagen  hätten,  da  habe  er  auf  die 
Fragen  des  untersuchenden  Richters  geantwortet, "  „nach  dem,  was  er 
nunmehr  erfahren  habe,  könne  es  wohl  so  sein  etc.",  und  „er  glaube,, 
daß  es  so  sei."  Da  nun  diese  Aussagen  mit  den  wahren  Tatsachen 
übereinstimmten,  so  sei  es  durchaus  nicht  rechtswidrig,  die  Aussagen 
als  Beweismateria!  zu  verwenden. 

3.  Was  die  Aussagen,  betreffend  die  Seeversicherung  und  einen 
beabsichtigten  Verkauf  des  Dampfers  anlange,  so  seien  sie  als  Beweis- 
material dafür,  daß  das  Schiff  lediglich  für  die  Zwecke  der  Zeitungs- 
berichterstattung tätig  gewesen  sei,  ohne  Frage  ganz  ungenügend.  Man 
habe  sich  in  diesem  Punkte  an  die  Zeugenaussagen  zu  halten. 

Die  Aussage  des  Kapitäns  des  Schiffes,  wie  sie  sich  im  Protokoll 
der  vierten  Vernehmung  finde,  laute,  „er  habe  sich  über  Blocks 
Verhalten  keine  Gedanken  gemacht,  aber  nachdem  er  an  Gerichtsstelle,, 
bei  dem  Verhöre,  die  näheren  Umstände  erfahren  und  die  Sachlage 
recht  betrachte,  erscheine  es  ihm   glaubhaft,    daß   die  „Daily   News"" 

824 


Prisengerichtsentscheidungen :  .Industrie''.  Abschnitt  JTl^o 

ein  Organ  der  russischen  Regierung  sei,  daß  die  „Industrie"  zwecks 
Verkaufs  habe  nach  Wladiwostok  gebracht  werden  sollen,  und  daß^ 
falls  sie  auf  der  Fahrt  dorthin  aufgebracht  werden  sollte,  von  der  russi- 
schen Regierung  85  000  Taels  gezahlt  werden  sollten";  ferner,  Block 
habe  ihm  ursprünglich  allerdings  Order  gegeben,  mit  der  „Industrie" 
als  Zeitungskorrespondenzboot  nach  Japan  zu  gehen,  es  könne  jedoch 
möglich  sein,  daß  die  Absicht  bestanden  habe,  nach  Wladiwostok  zu 
gehen,  falls  das  Schiff  nicht  etwa  aufgebracht  werden  sollte;  Block 
habe,  um  einer  etwaigen  Aufbringung  vorzubeugen,  die  Schiffspapiere 
im  voraus  danach  angefertigt  gehabt". 

Was  den  Zeugen  Bannier  angehe,  so  sei  er,  ausweislich  des 
Protokolls  der  vierten  Vernehmung,  darüber  befragt  worden,  ob  Block 
mit  dem  General  Dessino  in  Shanghai  einen  Vertrag  abgeschlossen 
habe,  wonach  die  „Industrie"  für  135  000  Taels  verkauft  worden  sei 
und  der  Kaufpreis  nach  Ankunft  des  Schiffes  in  Wladiwostok  habe 
bezahlt  werden  sollen,  und  ob  diesem  Vertrag,  im  Hinblick  darauf,  daft 
das  Schiff  möglicherweise  von  der  japanischen  Flotte  aufgebracht  werden 
könnte,  die  Klausel  beigefügt  worden  sei,  daß  im  Falle  einer  derartigen 
Aufbringung  von  der  russischen  Regierung  an  Block  85000  Taels 
gezahlt  werden  sollten.    Auf  diese  Frage  habe  er  geantwortet, 

da  er  mit  diesen  Dingen  direkt  nichts  zu  tun  gehabt  habe,, 
so  könne  er  zwar  positiv  nichts  versichern,  er  glaube  in- 
dessen, daß  dies  der  wahre  Sachverhalt  sei.  Vor  der  Ab- 
reise von  Shanghai  habe  Block  ihm  bezüglich  des  Reise- 
ziels der  „Industrie"  den  Befehl  gegeben,  nach  Wladiwostok 
zu  fahren  und  ausdrücklich  gesagt,  sie  müsse  nach  diesem 
Hafen  gehen.  Obwohl  er,  Bannier,  dem  Kapitän  nichts 
davon  gesagt  habe,  daß  die  Fahrt  nach  Wladiwostok  gehen 
solle,  seien  bei  der  Abfahrt  von  Shanghai  die  Seekarten 
der  Gewässer  bei  Wladiwostok  an  Bord  gebracht,  worden^ 
woraus  sowohl  er  als  auch  der  Kapitän  geschlossen  hätten;, 
daß  sie  nach  Wladiwostok  fahren  sollten ;  er  nehme  an,  daß  die 
Seekarten  auf  Befehl  des  Block  an  Bord  gebracht  worden 
seien. 

Prüfe  man  diese  Aussagen,  so  müsse  man  zu  der  Oberzeugung  kommen,, 
daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  von  der  russischen  Regierung 
angekauft  gewesen  sei  und  daß  überdies  zwischen  dem  Reeder  Block 
und  dem  Zeitungsredakteur  Mac  Dermid  und  Genossen  ein  ge- 
heimes Abkommen  bestanden  habe,  wonach  sie,  unter  dem  Deckmantel 
der  Preßberichterstattung,  militärische  Geheimnisse  der  japanischen  Flotte 
ausspionieren  und  dieselben  nach  Möglichkeit  telegraphisch  weitergehen 
lassen  wollten.     Das  auf  den  angeführten   Gründen  beruhende  Urteil 

825 


Abschnitt  VIM  Prisengerichtsentscheidungen :  .Industrie". 

der  ersten  Instanz,  das  auf  Einziehung  des  Dampfers  laute,  sei  daher 
rechtlich  zutreffend  und  die  Berufung  sei  somit  zu  verwerfen. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

Der  Reklamant  behauptet,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende 
Schiff  an  den  Herausgeber  der  „Chefoo  Daily  News",  Mac  Dermid, 
als  Preßnachrichtenboot  verchartert  worden  sei.  Dieser  Behauptung 
stehen  jedoch  die  Tatsachen  entgegen,  daß  das  Schiff  in  der  Korear 
Straße  gekreuzt  und  in  der  Nähe  der  Chin-Hai-Bay  die  japanische 
Flotte  beobachtet  hat;  daß  der  Reeder  vorgab,  das  Schiff  solle  nach 
Moji  fahren,  vor  der  Abreise  jedoch  anordnete,  daß  es  nach  Wladi- 
wostok gehen  solle,  und  zu  diesem  Behufe  die  für  die  Reise  dort- 
hin notwendigen  Seekarten  an  Bord  bringen  ließ  und  schließlich,  daß  die 
„Chefoo  Daily  News''  gewohnheitsmäßig  die  Sache  Rußlands  vertritt 
und  gegen  Japan  gerichtete  Artikel  veröffentlicht. 

Zudem  hat  der  Korrespondent  Bannier  in  der  ersten  Instanz 
auf  die  Frage,  ob  Block  mit  dem  General  D  e  s  s  i  n  o  in  Shanghai 
einen  Vertrag  des  Inhalts  abgeschlossen  habe,  daß  die  „Industrie"  für 
135  000  Taels  verkauft  und  der  Kaufpreis  nach  Überführung  des  Schiffes 
nach  Wladiwostok  gezahlt  werden  solle,  und  ob  dem  Kaufvertrag  im 
Hinblick  darauf,  daß  das  Schiff  möglicherweise  von  der  japanischen 
Flotte  aufgebracht  werden  könnte,  die  Klausel  beigefügt  gewesen  sei, 
daß  im  Falle  einer  derartigen  Aufbringung  von  der  russischen  Re- 
gierung an  Block  85  000  Taels  gezahlt  werden  sollten,  geantwortet, 
da  er  selbst  direkt  mit  diesen  Dingen  nichts  zu  tun  habe,  so  könne 
er  nicht  positiv  angeben,  daß  dies  der  wahre  Sachverhalt  sei,  er  glaube 
indessen,  daß  es  der  wahre  Sachverhalt  sei.  Als  er  weiter  zur  Sicher- 
heit befragt  wurde,  ob  er  glaube,  daß  es  Tatsache  sei,  daß  die  russische 
Regierung  an  B 1  o  c  k  85  000  Taels  ausgezahlt  habe,  und  daß  die  „Daily 
News"  ein  Organ  der  russischen  Regierung  sei,  oder  ob  er  glaube,  daß 
es  nicht  so  sei,  hat  er  geantwortet,  er  glaube,  daß  es  Tatsache  sei,  und 
hat  weiterhin  gesagt,  nachdem  er  soeben  erfahren  habe,  daß  die  russische 
Kegierung  an  Block  85  000  Taels  gezahlt  habe  und  daß  die  „Daily 
News''  eine  Zeitung  sei,  die  von  der  russischen  Regierung  Subvention 
erhalte,  glaube  er,  daß  seine  Meldungen  an  die  russischen  Konsulate 
in  Tschifu  odej;  Shanghai  weitergegeben  und  von  diesen  Konsuln  an 
die  russische  Regierung  berichtet  worden  seien  usw.  Daher  nehme  er 
an,  daß  die  von  ihm  gemeldeten  Dinge  für  die  russische  Regierung  im 
allgemeinen   von   Vorteil   gewesen   seien. 

Hält  man  alles  dies  mit  den  damit  im  allgemeinen  nahezu  überein- 
stimmenden Aussagen  des  Schiffskapitäns  zusammen,  so  muß  man  zu 
der  Überzeugung  gelangen,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff 
an  die  russische  Regierung  verkauft  war,  und  daß  .es  zwecks  Über- 
gabe nach  Wladiwostok  fuhr,  unterwegs  jedoch  unter  dem  Deckmantel 

826 


Prisengerichtsentscheidungen:  »Henry  Bölckow.  Abschnitt  VI"« 

der  Zeitungsberichterstattung  versuchte,    für   die   feindh'che    Regierung 
militärische  Geheimnisse  der  Kaiserlichen  Flotte  zu  erforschen. 

Dei"  Reklamant  hat  zwar  behauptet,  daß  es  rechtswidrig  sei,  die 
in  der  ersten  Instanz  gemachten  Aussagen  des  Bannier  und  des 
Schiffskapitäns  als  Material  für  die  Feststellung  des  Tatbestandes  heran- 
zuziehen, da  diese  Aussagen  den  Betreffenden  lediglich  durch  die  irre- 
leitenden Fragen  des  mit  dem  Falle  beauftragten  Rats  entlockt  worden 
seien.  Da  jedoch  das  Verhör  des  beauftragten  Rats  den  Erfolg  ge- 
habt hat,  daß  die  Zeugen  die  Wahrheit  ausgesagt  haben,  so  ist  es 
durchaus  ordnungsgemäß,  derartige  Aussagen  als  Material  für  die  Fest- 
stellung des  Tatbestandes  zu  verwenden. 

Der  Reklamant  hat  schließlich  zum  Beweise,  daß  das  zur  Ver- 
handlung stehende  Schiff  ein  Zeitungsnachrichtenboot  sei,  eine  See- 
versicherungspolice, einen  Chartervertrag  und  seine  Korrespondenz  mit 
Mac  Dermid  vorgelegt.  Keine  dieser  Urkunden  ist  jedoch  geeig- 
netes Material,  um  die  obige  Feststellung  des  Tatbestandes  hinfällig 
zu  machen. 

Vielmehr  steht  nach  den  obigen  Ausführungen  fest,  daß  das  zur 
Verhandlung  stehende  Schiff  darauf  aus  war,  japanische  Kriegsgeheim- 
nisse zu  erforschen,  ^)  und  daß  es  überdies,  da  es  im  Dienste  des  feind- 
lichen Staats  stand,  ein  feindliches  Fahrzeug  ist.  ^) 

Infolgedessen  ist  die  Entscheidung  erster  Instanz,  die  auf  Ein- 
ziehung des  Dampfers  lautet,  zu  Recht  gefällt. 

Was  die  übrigen  vom  Reklamanten  vorgebrachten  Punkte  anlangt, 
so  erscheint  es  nicht  notwendig,  besonders  auf  sie  einzugehen. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
•  Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  30.  November  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Otto  Walaas,  wohnhaft  zu  Hitterö,  Flekkefjord, 
Norwegen. 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  Akiyama  Qenzo,  wohnhaft 
zu  Tokio,  Kyobashiku,  Unemecho  Nr.  15. 

In  der  Prisensache,  betreffend  den  norwegischen  Dampfer  „Henry 
Bolckow'',  wird  nach  Beendigung  der  Untersuchung,  wie  folgt,  ent- 
schieden : 


')  V.  §§  40,  47.  -  »)  V.  §  6,1. 

827 


Abschnitt  VIii>  Prisengerichtsentscheidungen :  , Henry  Bolckow*. 

U  r  t  e  i  1  s  f  o  r  m  e  1 : 
Es    wird   auf   Wegnahme    des    norwegischen    Dampfers    „Henry 
Bolckow''  erkannt. 

Tatbestand  und  Gründe: 

Der  Heimatshafen  des  Dampfers  „Henry  Bolckow*'  ist  Tönsberg 
in  Norwegen.  Er  ist  ein  Handelsschiff,  welches  berechtigt  ist,  vom 
29.  Oktober  1904  ab  auf  6  Monate  die  norwegische  Flagge  zu  führen. 
Der  Reklamant  hat  als  Kapitän  des  genannten  Schiffes  am  17.  März 
1905  etwa  18190  Sack  amerikanisches  Mehl  von  dem  Befrachter,  der 
Firma  Melchers  &  Co.  in  Shanghai,  China,  erhalten  und  verladen,, 
um  dieselben  nach  dem  Hafen  Korsakoff  auf  der  Insel  Sachalin,  Ruß- 
land, zu  befördern.  Um  den  Bestimmungsort  zu  verheimlichen,  gab 
der  Dampfer  dem  Zollamt  in  Shanghai  Hongkong  als  Reiseziel  an  und 
erhielt  einen  entsprechenden  Ausklarierungsschein.  Ferner  ließ  er  von 
dem  norwegischen  Konsul  in  Shanghai  die  Musterrolle  mit  einem  Aus- 
klarierungsvermerk nach  Hongkong  versehen.  Nachdem  der  Dampfer 
von  der  Firma  Melchers  &  Co.  den  Auftrag  erhalten  hatte,  die 
Ladung  baldigst  zu  befördern  und  den  Fahrweg  östlich  von  Japan 
zu  nehmen,  brach  er  am  18.  März  etwa  1  Uhr  nachmittags  von  Shang- 
hai auf  und  schlug,  ohne  Hongkong  anzulaufen,  eine  südöstliche  Fahrt- 
richtung ein.  Nachdem  der  Dampfer  nördlich  an  den  Okinoerabu-Inseln 
vorbeigefahren  war,  passierte  er  zwischen  den  Bonafiden-Inseln  und 
den  Rockwife-Felsen  durch,  setzte  dann  die  Fahrt  in  nordöstlicher 
Richtung  fort  und  gelangte  Anfang  April  d.  J.  in  die  Nähe  von  Hok- 
kaido.  Nach  wiederholten  Versuchen,  die  Boussole-Straße,  nordöst- 
lich von  der  Insel  Etorup,  zu  passieren,  sah  sich  der  Dampfer  durch 
das  Treibeis  genötigt,  nach  Süden  zu  wenden,  um  durch  die  Etorup- 
Straße  zu»  fahren.  Auf  dieser  Fahrt  wurde  er  am  7.  April,  nachmittags 
um  2  Uhr  auf  45 »  10'  n.  B.  und  149 «  29'  ö.  L.  von  dem  Kaiser- 
lichen Kriegsschiff  „Kumano  Maru''  gesichtet  und  aufgebracht,  w^eil 
er  Lebensmittel,  die  für  den  Kriegsbedarf  des  Feindes  bestimmt  waren, 
an  Bord  führe.  Zwar  besaß  das  Schiff  zur  Zeit  der  Aufbringung  un- 
vollständige Abschriften  der  Konnossemente,  doch  fehlten  ihm  der  Aus- 
klarierungsschein, das  Manifest  usw.  vollständig.  Außerdem  ist  der 
Dampfer,  als  er  sich  Japan  näherte,  den  gesetzlichen  Bestimmungen 
entgegen  wiederholt  ohne  Lichter  gefahren. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  den  Bericht  des  Ober- 
leutnants zur  See  Toriyama  Sadayoshi,  Vertreters  des  Komman- 
danten des  Kaiserlichen  Kriegsschiffs  „Kumano  Maru'',  durch  die  Ver- 
?iehmungsprotokolle  des  Kapitäns  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Dampfers  Otto  Walaas,  des  ersten  Offiziers  E.  Amundsen,  des 
ersten  Maschinisten  S.  Lee,  des  Obermatrosen  Chiun  ChengSang, 

828 


Prisengerichtsentscheidungen:  .Henry  Bolckow.  Abschnitt  VIi^» 

der  Steuerer  Cheng  Hyong  Yuen  und  Cheong  Shu  Lok,  der 
Matrosen  Ah  Sang  und  Ah  Chiun  sowie  des  vorgenannten  Tori- 
yama  Sadayoshi,  durch  ein  Antworttelegramm  des  Ministers  der 
Auswärtigen  Angelegenheiten,  durch  das  Schiffsjournal,  das  Schiffs- 
zertifikat, das  Flaggenattest,  durch  die  von  der  Firma  Melchers&Co. 
an  den  Kapitän  gerichteten  Briefe  und  die  ihnen  beiliegenden  Tele- 
gramme, durch  die  Musterrolle  usw.  ' ' 

Die  Hauptpunkte  der  Reklamation  sind  folgende: 

Der  Reklamant  habe  als  Kapitän  des  ihm  gehörigen  Dampfers 
am  17.  März  dieses  Jahres  von  der  Firma  Melchers  &  Co.  in  Shang- 
hai den  Auftrag  erhalten,  18  190  Sack  amerikanisches  Mehl  zu  laden  und 
nach  Korsakoff  auf  der  Insel  Sachalin  zu  befördern.  Der  Dampfer 
sei  unterwegs  am  7.  April  desselben  Jahres  in  der  Nähe  der  Etorup- 
Straße  von  einem  Kaiserlich  Japanischen  Kriegsschiff  aufgebracht.  Die 
Ladung  hätte  aber  die  Firma  Melchers  &  Co.  im  Auftrag  der  Firma 
Det  Östasiatiske  Compani  in  Kopenhagen  eingekauft  und  nach 
Korsakoff  auf  Sachalin  geschickt,  um  der  dortigen  hungerleidenden  Be- 
völkerung Unterstützung  zu  gewähren.  Die  Ladung  sei  nicht  für  Kriegs- 
zwecke bestimmt  gewesen  und  das  Schiff  habe  sich  also  nicht  der  Be- 
förderung von  Kriegskonterbande  schuldig  gemacht.  Daß  unter  den 
Schiffspapieren  in  der  Musterrolle  zufällig  Hongkong  als  Bestimmungs- 
ort angegeben  sei,  liege  daran,  daß  der  Kapitän  der  Mannschaft  das 
Reiseziel  habe  verheimlichen  wollen.  Daß  dies  aber  nicht  in  der  Ab- 
sicht, der  Aufbringung  zu  entgehen,  geschehen  sei,  wäre  schon  daraus 
zu  ersehen,  daß  in  den  Konnossementen  Korsakoff  als  Bestimmungs- 
hafen angegeben  sei.  Aus  diesen  Gründen  müsse  das  Schiff  sofort 
freigelassen  werden,  da  es  keinerlei  Handlungen  begangen  habe,  die 
seine  Aufbringung  rechtfertigen  könnten. 

Das  Gericht  ist  der  folgenden  Ansicht: 

Obwohl  der  Reklamant  behauptet,  daß  die  Ladung  des  genannten 
Dampfers,  nämlich  amerikanisches  Mehl,  nach  Korsakoff  befördert 
werden  sollte,  um  der  dortigen  hungerleidenden  Bevölkerung  zu  helfen, 
so  weiß  er  selber  doch  nicht,  welche  Bevölkerung  der  Hungersnot  aus- 
gesetzt ist  und  in  welchem  Grade.  Zwar  steht  in  dem  Briefe  der 
Firma  Melchers  &  Co.  an  den  Kapitän,  daß  die  genannte  Ladung 
nur  der  hungernden  Bevölkerung  des  Hafens  Korsakoff  auf  Sachalin 
zu  liefern  sei  und  nicht  nach  einem  Hafen  außerhalb  Sachalins  be- 
fördert werden  dürfe  und  daß  der  Konsul  die  Richtigkeit  dieser  Tat- 
sachen bescheinigen  werde.  Diese  Bescheinigung  ist  aber  tatsächlich 
unmöglich,  da  der  Konsul  schon  in  die  Musterrolle  eingetragen  hat, 
daß  der  Bestimmungsort  des  Schiffes  Hongkong  sei.  Die  in  dem  er- 
wähnten Briefe  vorkommenden  Worte  „die  hungernde  Bevölkerung" 
sind  nur  mit  der  Absicht  der  Bemäntelung  unterstrichen,  um  dadurch 

829 


Abschnitt  Villa  Prisengerichtsentscheidungen :  .Henry  Boickow'. 

der  Aufbringung  zu  entgehen,  und  man  kann  nicht  annehmen,  daß  die 
dort  geschriebene  Angabe  tatsächlich  gemeint  gewesen  ist.  Auch  ist 
nicht  der  geringste  Beweis  erbracht,  wer  der  Frachtempfänger  ist,  ob- 
wohl hierfür  genügend  Zeit  vorhanden  war.  Der  Punkt,  daß  die  La- 
dung der  hungernden  Bevölkerung  geliefert  werden  sollte,  ist  keines- 
wegs glaubhaft  gemacht  worden.  Dagegen  ist  der  Hafen  von  Korsakoff 
ein  wichtiger  Verteidigungsplatz  in  dem  südlichen  Teile  von  Sachalin. 
Seit  dem  Ausbruch  des  japanisch-russischen  Krieges  hat  Rußland  nicht 
nur  die  dortige  Besatzung  verstärkt,  sondern  auch  das  System  frei- 
williger Soldaten  eingeführt  und  solche  angeworben.  Außerdem  hat 
der  Qeneralgouverneur  von  Ostasien  erst  am  31.  März  1904  russischer 
Zeitrechnung  die  Anwerbung  von  Freiwilligen  dadurch  befördert,  daß 
er  eine  besondere  Verordnung  erließ,  wonach  jedem  Verbannten,  wenn 
er  als  Freiwilliger  eintrat,  die  Strafe  gemildert  wird.  Die  Folge  davon 
war,  daß  sich  die  Stärke  des  Militärs  dort  neuerdings  plötzlich  ver- 
mehrt hat.  Überdies  hat  die  schon  in  der  Friedenszeit  an  und  für  sich 
wenig  zahlreiche  Zivilbevölkerung  nach  dem  Ausbruch  des  Krieges 
noch  bedeutend  abgenommen,  da  ein  Teil  derselben  aus  Furcht  vor 
einem  Angriff  der  japanischien  Armee  sich  nach  anderen  Plätzen  zurück- 
gezogen hat  und  ein  anderer  Teil  als  Freiwillige  angeworben  wurde. 
Folgende  Handlungen  des  Schiffes  sind  lediglich  als  Mittel  an- 
zusehen, um  der  Aufbringung  durch  die  Marine  zu  entgehen:  erstens^ 
daß  das  Schiff,  obwohl  es  schon  zur  Zeit  der  Abfahrt  von  Shanghai 
nach  dem  Hafen  von  Korsakoff  bestimmt  war,  doch  sich  durch  falsche 
Angaben  von  dem  dortigen  Zollamt  einen  Ausklarierungsschein  nach 
Hongkong  ausstellen  und  auch  von  seinem  Konsul  durch  eine  gleiche 
Anzeige  den  falschen  Bestimmungsort  in  die  Musterrolle  eintragen  ließ; 
zweitens,  daß  der  Kapitän,  obwohl  die  Ladung  möglichst  schnell  befördert 
werden  sollte,  doch  nicht  den  kürzesten  Weg  nahm,  sondern  weit  über 
den  Stillen  Ozean  durch  die  Boussole-  oder  Etorup-Straße  passieren 
wollte  und  trotz  des  Eisgangs  diese  schwierige  Fahrt  mit  aller  Kraft 
fortzusetzen  versuchte;  drittens,  daß  das  Schiff,  nachdem  es  sich  dem 
japanischen  Lande  genähert  hatte,  gegen  die  bestehenden  Bestimmungen 
ab  und  zu  ohne  Lichter  fuhr  und  anderes  mehr.  Überlegt  man  nun, 
weshalb  wohl  alle  diese  betrügerischen  Mittel  angewandt  wurden,  so 
ist  es  klar,  daß  die  Ladung  des  Schiffes  nicht  im  gewöhnlichen  Handels- 
verkehr, wie  es  zum  Beispiel  die  Lieferung  für  eine  der  Hungersnot 
ausgesetzte  Bevölkerung  sein  würde,  sondern  lediglich  für  den  Kriegs- 
bedarf des  feindlichen  Landes  befördert  wurde.  Die  Ladung  muß  also 
selbstverständlich  als  Kriegskonterbande  betrachtet  werden,  i)  Die  Tat- 
sache, daß  das  Schiff  selbst,  wie  erwähnt,  durch  falsche  Angaben  einen 
Ausklarierungsschein  erhielt  und  einen  falschen  Bestimmungsort  in  die 

1)  IL  Ziffer  2. 

830 


Prisengerichtsentscheidungen:  •Henry  Bolckow*.  Abschnitt  VIi^» 

Musterrolle  eintragen  ließ,  daß  es  ferner  absichtlich  den  weiteren  Fahrweg 
nahm  und  gegen  die  bestehenden  Bestimmungen  ohne  Lichter  fuhr,, 
sowie  endlich,  daß  es  den  Ausklarierungsschein  und  das  Ladungs- 
verzeichnis nicht  aufbewahrt  hat,  ist  der  Beweis  dafür,  daß  der  Re- 
klamant unter  Anwendung  betrügerischer  Mittel  zur  Vermeidung  der 
Aufbringung  Kriegskonterbande  befördert  hat.  Schiffe,  die  solche  Hand- 
lungen begangen  haben,  sind  nach  völkerrechtlicher  Theorie  und  Praxis 
einzuziehen.  *) 

Da  aus  diesen  Gründen  das  Schiff  zu  konfiszieren  ist,  so  braucht 
auf  die  anderen  Ausführungen  des  Reklamanten  nicht  weiter  eingegangen 
zu  werden. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  28.  Juni  1905  im  Prisengericht  zu  Yokosuka  im 
Beisein  des  Staatsanwalts  beim  Prisengericht  zu  Yokosuka,  Kobayashi 
K  u  n  i  o. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Otto  Wal  aas,  wohnhaft  zu  Hitterö,  Flekkefjord, 
Norwegen. 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  Akiyama  Genzo,  wohnhaft 
zu  Tokio,  Kyobashiku,  Unemecho  Nr.  15. 

Am  28.  Juni  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Yokosuka  in  der  Prisen- 
sache, betreffend  den  norwegischen  Dampfer  „Henry  Bolckow",  welcher 
am  7.  April  1905  auf  45 MO'  nördlicher  Breite  und  149«  29'  östlicher 
Lange  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Kumano  Maru"  aufgebracht 
worden  ist,  ein  Urteil  gefällt,  in  welchem  auf  Wegnahme  des  nor- 
wegischen Dampfers  „Henry  Bolckow''  entschieden  worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  der  Reklamant,  Otto  Walaas,  durch 
den  Rechtsanwalt  Akiyama  Oenzo  als  Prozeßvertreter  die  Berufung 
eingelegt,  welche  im  Beisein  des  Staatsanwalts  Ishiwatari  Binichi 
beim  Oberprisengericht  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Vertreters  der  Reklamation,. 
Akiyama  Oenzo,  sind  folgende: 

Die  Entscheidung  des  Prisengerichts  zu  Yokosuka  auf  Wegnahme 
des  Dampfers  „Henry  Bolckow"  sei  unzutreffend.  Es  werde  Aufhebung 
derselben  und  Erlaß  einer  Entscheidung  auf  Freigabe  des  genannten 
Dampfers  beantragt,  und  zwar  aus  folgenden  Gründen: 

«)  V.  §  44. 

831 


Abschnitt  VIit>  Prisengerichtsentscheidungen:  .Henry  Boickow". 

1.  Es  sei  nach  Nachrichten  glaubwürdiger  europäischer  Zeitungen 
bekannt,  daß  infolge  unzureichender  Versorgung  mit  Fischen  auf  Sachalin 
eine  große  Hungersnot  ausgebrochen  sei  und,  da  es  auch  vollständig 
an  Mehl  fehle,  viele  Todesfälle  durch  Verhungern  vorgekommen  seien. 
Der  Reklamant,  welcher  die  Ladung  amerikanischen  Mehls  des  zur  Ver- 
handlung stehenden  Dampfers  zur  Abhilfe  gegen  die  dort  herrschende 
Hungersnot  nach  dem  Hafen  Korsakoff  auf  Sachalin  befördert  habe, 
habe  freilich  nicht  gewußt,  welcher  Teil  der.  Bevölkerung  Hungersnot 
leide  und  in  welchem  Umfange.  Aber  der  Transport  sei  nicht  unter- 
nommen gewesen,  um  den  russischen  Truppen  zu  helfen.  Demnach 
erkenne  das  Völkerrecht  die  Handlung  des  Reklamanten  als  eine  die- 
Freiheiten  des  neutralen  Handels  genießende,  rechtmäßige  Handels- 
transaktion an,  in  der  keinenfalls  ein  Kriegskonterbandetransport  erblickt 
werden  könne. 

Das  Gericht  erster  Instanz  habe  indes  seine  Ansicht,  die  Ladung 
des  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfers  sei  Kriegskonterbande  und 
der  Reklamant  habe  dies  bei  der  Verladung  gewußt,  mit  der  Ausführung 
begründet,  daß 

der  Hafen  von  Korsakoff  ein  wichtiger  Verteidigungsplatz 
im  südlichen  Teil  von  Sachalin  sei,  an  welchem  viele  Be- 
satzungstruppen  und  freiwillige  Truppen    angehäuft  seien. 
Die   gewöhnliche   Bevölkerung   habe   sich    in    großer   Zahl 
zurückgezogen  und  sei  nach  anderen  Orten  umgesiedelt. 
Selbst  einmal  angenommen,  diese  Ausführung  entspreche  der  Wahrheit, 
so  könne  das  doch  auf  die  Entscheidung  darüber,  ob  die  Handlung 
des  Reklamanten  recht  oder  unrecht  sei,  keinerlei  Einfluß  haben.   Denn 
da  Korsakoff  kein  Kriegshafen  sei,  so  sei  die  Übernahme  eines  Güter- 
transports nach  dort  seitens  des  Reklamanten  eine  durchaus  berechtigte 
Handlung,    und   man   könne  nicht  annehmen   wollen,    daß    er    seine 
anfänglich  friedliche  Absicht  mit  Bezug  auf  die  Ladung  plötzlich  nach 
den  Verteidigungsverhältnissen   des  Bestimmungsortes   dahin   geändert 
habe,  einen  Kriegskonterbandetransport  zu  unternehmen. 

Was  ferner  die  Frage,  wer  der  Empfänger  sei,  angehe,  so  würde 
der  Reklamant  die  Ankunft  in  dem  genannten  Hafen  telegraphiert  haben 
und  hätte  sodann  sofort  eine  Mitteilung  des  Absenders  hierüber  erhalten 
müssen.  Es  liege  absolut  kein  Grund  vor,  weshalb  der  Reklamant  vor 
seiner  Ankunft  über  den  Empfänger  unterrichtet  sein  müsse,  und  da 
es  vielmehr  durchaus  natürlich  sei,  daß  er  darüber  nicht  unterrichtet 
sei,  so  müsse  man  sagen,  daß  der  Vorwurf  des  Gerichts  erster  Instanz 
deswegen,  daß  der  Reklamant  betreffs  des  Empfängers  keinen  Beweis 
erbracht  habe,  sich  gegen   etwas  Unmögliches  richte. 

2.   Daä  Gericht  erster  Instanz  sage, 

832 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Henry  Bolckow".  Abschnitt  VI«« 

die  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  sei  nicht 
im  gewöhnlichen  Handelsverkehr,  wie  es  die  Lieferung  für 
eine  der  Hungersnot  ausgesetzte  Bevölkerung  sein  würde, 
sondern    für    den    Kriegsgebrauch    des    Feindes    befördert 
worden. 
Als  Grundlage  für  diese  Annahme  führe  es  an,  daß  das  Schiff 
in  der  Musterrolle  einen  gefälschten  Bestimmungsort  angebe, 
daß  es  nicht  die  richtige  kürzere  Route  gefahren  sei,  sondern 
einen   gefährlichen    Umweg   durch   den   Stillen   Ozean   ge- 
nommen habe,  und  daß  es,  gegen  die  bestehenden  Bestim- 
mungen, zeitweise  ohne  Lichter  gefahren  sei.   Alles  dies  sei  ge- 
schehen, um  der  Aufbringung  durch  die  japanische  Marine 
zu  entgehen  und  müsse  als  Anwendung  betrügerischer  Mit- 
tel zum  Transport  von  Konterbande  betrachtet  werden. 
Keine  dieser  Handlungen  könne  indes  völkerrechtlich  als  betrügerische 
Handlung,  um  die  Kaptoren  zu  täuschen,  angesehen  werden.    Daß  das 
zur  Verhandlung  stehende  Schiff  bei  der  Abfahrt  von  Shanghai  Hong- 
kong als  Bestimmungsort  angemeldet  und  in  die  Musterrolle  dasselbe! 
eingetragen  habe,  sei  geschehen,  um  zu  verhüten,  daß  die  Mannschaft 
sich  weigere,  in  die  nördlichen  Meere  zu  fahren.   Es  sei  nur  eine  falsche 
Anmeldung  gegenüber  der  betreffenden  Behörde,  und  sei  nicht  in  der 
Absicht  geschehen,  der  Aufbringung  durch  die  japanische  Marine  zu 
entgehen.  Das  gehe  daraus  klar  hervor,  daß  das  wichtigste  der  Schiffs- 
papiere, das  Konnossement,  deutlich  Korsakoff  als  Bestimmungshafen 
bezeichne. 

Was  sodann  die  Wahl  des  Kurses  betreffe,  so  könne  in  ihr  ein 
betrügerisches  Mittel,  um  die  Kaptoren  zu  täuschen,  nicht  gesehen 
werden.  Was  man  eigentlich  als  betrügerische  Mittel,  um  der  Aufbringung 
zu  entgehen,  bezeichne,  seien  Maßnahmen,  mittels  derer  bei  Entdeckung 
des  Konterbandetransports  der  Kaptor  getäuscht  werden  könne.  Wenn 
•das  Schiff  nicht  den  richtigen  Kurs,  sondern  einen  Umweg  genommen 
habe,  so  sei  der  Plan  lediglich  der  gewesen,  den  Kaptoren  nicht  zu 
begegnen,  um  der  Belästigung  durch  die  Visitierung  und  Durchsuchung 
zu  entgehen.  Der  Plan,  durch  Täuschung  der  Aufbringung  zu  ent- 
gehen, habe  dagegen  nicht  vorgelegen. 

Wenn  ferner  auch  auf  der  Fahrt  in  den  Gewässern,  in  welchen; 
der  Schiffsverkehr  nicht  sehr  lebhaft  sei,  die  Bordlaternen  nachts  zeit- 
weilig ausgelöscht  gewesen  seien,  so  sei  das  aus  Sparsamkeit  geschehen. 
Die  Führung  von  Lichtern  bezwecke  vor  allem  die  Vermeidung  von 
Zusammenstößen.  In  Meeren,  wo  der  Schiffsverkehr  so  außerordentlich 
j[ering  sei,  daß  diese  Befürchtung  nicht  vorliege  und  daß  ein  zeit- 
weiliges  Löschen   der  Lichter   der   Fahrt   keinen   Schaden   tun   könne, 

Marstrftnd-Mechleiibarg,  Da»  JftpaniBche  Prlsenrecht.  (53)  OOiJ 


Abschnitt  VI  '^  >  Prisengerichtsentscheidungen :  „Henry  Bolckow". 

betrachteten  die  Schiffahrtkreise  dies  fast  als  einen  Brauch.  Daher 
sei  es  unzutreffend,  hierin  eine  Handlung  zu  erblicken,  durch  welche 
die  Kaptoren  hätten  getäuscht  werden  sollen. 

Wenn  das  Schiff  ferner  keinen  Ausklarierungsschein  gehabt  habe,, 
so  sei  der  örund  der,  daß,  wie  das  Zollamt  in  Shanghai  bescheinige, 
dort  die  Bestimmung  herrsche,  solche  nicht  auszugeben.  Daß  schließlich 
ein  Ladungsverzeichnis  nicht  an  Bord  vorhanden  gewesen  sei,  sei  der 
fast  allgemeine  Zustand,  der  sich  nicht  nur  auf  dies  Schiff  beschränke. 
Wenn  daher  auch  ein  Ausklarierungsschein  und  ein  Ladungsverzeichnis 
nicht  vorhanden  seien,  so  könne  daraufhin  noch  nicht  angenommen 
werden,  daß  dies  ein  betrügerisches  Mittel  zur  Vermeidung  der  Auf- 
bringung sei. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  beim  Prisen- 
gericht zu  Yokosuka,  Kobayashi  Yoshio,  sind  folgende: 

In  den  von  dem  Reklamanten  und  Kapitän  des  zur  Verhandlung^ 
stehenden  Schiffes  eingerichteten  Konnossementen  und  dem  Schreiben 
des  Absenders  an  den  Kapitän  sei  überall  Korsakoff  als  Bestimmungsort 
bezeichnet  worden.  Im  besonderen  stehe  in  dem  Brief,  daß  die  Ladung 
an  keine  kriegführenden  Parteien  geliefert  werden  und  auch  nach  keinem 
außerhalb  Sachalins  gelegenen  Hafen  geschafft  werden  solle,  sondern 
vielmehr  für  die  hungerleidende  Bevölkerung  von  Korsakoff  auf  der 
genannten  Insel  bestimmt  sei.  Die  Worte  „die  hungerleidende  Be- 
völkerung" seien  besonders  unterstrichen.  Der  Vertreter  der  Reklamation 
behaupte,  daß  das,  was  dort  geschrieben  sei,  die  reine  Wahrheit  sei. 
Das  Urteil  erster  Instanz:  habe  die  Worte,  daß  Sachalin  der  Be- 
stimmungsort sei,  geglaubt,  die  Worte  dagegen,  daß  die  Ladung  der 
hungerleidenden  Bevölkerung  geliefert  werden  solle,  als  betrügerisch 
angesehen  und  angenommen,  daß  sie  für  die  Truppen  auf  der  genannten 
Insel  bestimmt  sei.  Er,  der  Staatsanwalt,  sei  indes  überzeugt,  daß  alles, 
was  dort  geschrieben  sei,  unwahr,  und  daß  der  wahre  Bestimmungsort 
Wladiwostok  sei,  und  daß  die  genannte  Ladung  an  die  Etappeninten- 
dantur habe  geliefert  werden  sollen. 

Der  Vertreter  der  Reklamation  behaupte, 

es  sei  nach  Nachrichten  glaubwürdiger  europäischer  Zei- 
tungen bekannt,  daß  es  in  Sachalin  vollständig  an  Weizen- 
mehl fehle,  so  daß  viele  Todesfälle  durch  Verhungern  vor- 
gekommen seien. 
In  was  für  Zeitungen  dies  gestanden  habe,  sei  indes  nicht  dargetan 
worden. 

Wenn  die  Behauptungen  über  die  Hungersnot  wahr  und  die  Be- 
stimmung der  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  Sachalin 
sei,  so  fehle  es  an  jeder  Auslegung  dafür,  aus  welchen  Befürchtungen 
das   Schiff,   anstatt  sicher   den    kürzesten   Weg   durch    die   Tsushima- 

834 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Henry  Boickow".  Abschnitt  VIi^« 

Straße  und  das  Japanisch«  Meer  zu  fahren,  von  Shanghai  gleich  in 
südöstlicher  Richtung  nördlich  von  Okinawa  in  den  Stillen  Ozean 
hinaussteuerte  und,  trotz  der  Gefahr  des  Treibeises,  diesen  gefährlichen 
Umweg  wählte  und  durch  die  Boussole-  oder  Etorup-Straße  fuhr.  Der 
Vertreter  der  Reklamation  behaupte  freilich,  dies  sei  geschehen,  um 
der  Belästigung  durch  die  Visitierung  und  Durchsuchung  zu  entgehen. 
Wenn  aber  bei  einem  rechtmäßigen  Vorgehen  der  vorgeschriebene  Pro- 
zeß sich  vollziehe,  bedeute  das  nichts  weiter,  als  daß,  wenn  die  ver- 
schiedenen Ladungspapiere  vollständig  und  womöglich  noch  Be- 
scheinungen  zuständiger  Behörden  vorhanden  seien,  und  das  Schiff 
offen  den  richtigen  Kurs  fahre,  dem  Offizier  bei  der  Visitierung  die 
wahren  Tatsachen  darzulegen  seien.  Wenn  man  dies  als  eine  Be- 
lästigung bezeichne,  so  möge  das  seine  Berechtigung  haben,  man  könne 
aber  kaum  davon  sprechen,  wenn  man  die  Schwierigkeiten  der  viel 
weiteren   und  gefahrvollen  Schleichfahrt  daneben  stelle. 

Die  Tatsache,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  vorsätz- 
lich diesen  gefahrvollen  Umweg  gewählt  habe,  mache  es  klar,  daß  die 
Angaben  des  Konnossements  und  des  Briefs  an  den  Kapitän  in  allem 
unwahr  seien,  und  daß  der  wahre  Bestimmungsort  ein  Hafen  außer- 
halb Sachalins  gewesen  sei. 

Außerdem  sei  bekannt,  daß  zur  Zeit,  als  das  zur  Verhandlung 
stehende  Schiff  aufgebracht  worden  sei,  der  Schleichtransport  von 
Kriegsbedarfsartikeln  zu  Schiff  nach  Wladiwostok  in  großem  Umfange 
betrieben  worden  sei,  und  daß  diese  Schiffe  immer  einen  Kurs  von  dem 
chinesischen  Meer  in  einem  Bogen  durch  den  Stillen  Ozean  genommen 
hätten  und  durch  die  Soyastraße  gefahren  seien,  beziehungsweise  zu 
fahren  versucht  hätten.  Der  von  dem  zur  Verhandlung  stehenden  Schiff 
genommene  Kurs  sei  der  bei  Schleichtransport  von  Kriegsvorrat  nach 
Wladiwostok  üblich  gewesene.  Dahfer  sei  es  offenbar,  daß  auch  die 
Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  nach  Wladiwostok 
bestimmt  und  russischer  Kriegsbedarf  gewesen  sei. 

Da  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  bei  diesem  Transport 
von  russischem  Kriegsbedarf  nach  Wladiwostok  in  dem  Konnossement 
usw.  einen  gefälschten  Bestimmungsort  eingetragen  gehabt  habe,  so 
sei  die  Entscheidung  auf  Einziehung  zutreffend  und  die  Berufung 
unbegründet. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

Der  Reklamant  behauptet,  die  Ladung  amerikanischen  Mehls  des 
zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  habe  für  die  hungerleidende  Be- 
völkerung nach  dem  Hafen  Korsakoff  befördert  werden,  nicht  aber 
an  russische  Truppen  geliefert  werden  sollen.  Das  Schiff  hat  aber  bei 
der  Abfahrt  von  Shanghai  den  falschen  Bestimmungsort  Hongkong  an- 
gegeben und  von  der  Zollbehörde  die  Abfahrtserlaubnis  erhalten.  Ob- 
CSS*)  835 


Abschnitt  VI  i^  b  Prisengerichtsentscheidungen :  ,,Henry  BoIckoW. 

wohl  auch  in  der  Musterrolle  Hongkong  als  Bestimmungsort  verzeichnet 
war,  ist  cias  Schiff  dort  nicht  angelaufen.  Obwohl  ferner  behauptet  wird, 
daß  der  Bestimmungsort  Korsakoff,  also  nicht  ein  Kriegshafen,  und 
daß  der  Zweck  der  gewesen  sei,  gegen  die  Hungersnot  Abhilfe  zu 
schaffen,  hat  das  Schiff  nicht  versucht,  mit  dem  gewöhnlichen  und 
sicheren  Kurs  direkt  und  offen  dorthin  zu  fahren,  sondern  mit  einem 
Umweg  durch  den  Stillen  Ozean  die  Boussole-Straße,  und  als  es  dort 
in  Treibeis  geriet,  die  Etorup-Straße  zu  passieren.  Besonders  hat  es 
auch  entgegen  den  bestehenden  Bestimmungen  zeitweise  die  Lichter 
gelöscht  und  hat  einen  Ausklarierungsschein  und  ein  Ladungsverzeichnis 
nicht  an  Bord  gehabt.  Hieraus  und  nach  den  Aussagen  der  Mann- 
schaft des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  zu  urteilen,  hat  die 
Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  nicht  nach  Korsakoff 
befördert  werden  sollen,  um  der  hungerleidenden  Bevölkerung  geliefert 
zu  werden.  Vielmehr  muß  angenommen  werden,  daß  die  Ladung  zum 
Kriegsgebrauch  nach  Wladiwostok,  dem  wichtigsten  Kriegshafen  und 
der  Hauptetappenbasis  Rußlands,  hat  befördert  werden  sollen.  Das  heißt 
also,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  einen  Konterbande- 
transport beabsichtigt  gehabt  hat.  Das  Völkerrecht  erkennt  aber  an, 
daß  solche  Schiffe,  deren  Reisezweck  der  Transport  von  Konterbande 
ist,  eingezogen  werden  können.  3)  Das  Oberprisengericht  ist  der  An- 
sicht, daß  dies  den  Verhältnissen  gerecht  wird.  Dies  umsomehr,  als 
die  ganze  Ladung  des  Schiffs  Konterbande  ist  und  dasselbe  bei  ihrem 
TransfKDrt,  wie  oben  ausgeführt,  sich  betrügerischer  Mittel  bedient  hat. 

Da  nach  dem  oben  Angeführten  die  Berufung  unbegründet  ist, 
so  erübrigt  es  sich,  auf  die  einzelnen  Berufungspunkte  noch  besonders 
einzugehen. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  30.  November  1905  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


In  der  Prisensache,  betreffend  die  Ladung  des  norwegischen 
Dampfers  „Henry  Bolckow",  wird  nach  Beendigung  der  Untersuchung, 
wie  folgt,  entschieden: 

3)  Anders  die  japanische  Seeprisenordnung,  §§  43,  44  (V)  und  das  ihr  zu  Grunde 
liegende  Manual  of  Naval  Prize  Law,  Art.  82—85. 

836 


Prisengerichtsentscheldungen :  „Henry  Bolckow''.  Abschnitt  VI^i^ 

Urteilsformel: 
Es    wird    auf   Wegnahme    der   auf    den    norwegischen    Dampfer 
„Henry-  Bolckow''  verladenen   18190  Sack    amerikanischen    Mehls    er- 
kannt. 

Tatbestand  und  Gründe: 

Der  Heimatshafen  des  Dampfers  „Henry  Bolckow''  ist  Tönsberg 
in  Norwegen.  Er  ist  ein  Handelsschiff,  welches  berechtigt  ist,  vom 
29.  Oktober  1904  ab  auf  6  Monate  die  norwegische  Flagge  zu  führen. 
Der  Reklamant  hat  als  Kapitän  des  genannten  Schiffes  am  17.  März 
1905  etwa  18190  Sack  amerikanisches  Mehl  von  der  Firma  M elchers 
&  Co.  in  Shanghai,  China,  erhalten,  um  dieselben  nach  dem  Hafen 
Korsakoff  auf  der  Insel  Sachalin,  Rußland,  zu  befördern.  Um  den  Be- 
stimmungsort zu  verheimlichen,  gab  der  Dampfer  dem  Zollamt  in  Shang- 
hai Hongkong  als  Reiseziel  an  und  erhielt  einen  entsprechenden  Aus- 
klarierungsschein. Ferner  ließ  er  von  dem  norwegischen  Konsul  in 
Shanghai  die  Musterrolle  mit  einem  Ausklarierungsvermerk  nach  Hong- 
kong versehen.  Nachdem  der  Dampfer  von  der  Firma  Melchers 
&  Co.  den  Auftrag  erhalten  hatte,  die  Ladung  baldigst  zu  befördern  und 
den  Fahrweg  östlich  von  Japan  zu  nehmen,  brach  er  am  18.  März 
etwa  1  Uhr  nachmittags  von  Shanghai  auf  und  schlug,  ohne  Hongkong 
anzulaufen,  eine  südöstliche  Fahrrichtung  ein.  Nachdem  der  Dampfer 
nördlich  an  den  Okinoerabu-Inseln  vorbeigefahren  war,  passierte  er 
zwischen  den  Bonafiden-Inseln  und  den  Rockwife-Felsen  durch,  setzte 
dann  die  Fahrt  in  nordöstlicher  Richtung  fort  und  gelangte  Anfang 
April  d.  J.  in  die  Höhe  von  Hokkaido.  Nach  wiederholten  Versuchen, 
die  Boussole-Straße  nordöstlich  von  der  Insel  Etorup  zu  passieren, 
sah  sich  der  Dampfer  durch  das  Treibeis  genötigt,  nach  Süden -zu  wenden, 
um  durch  die  Etorup-Straße  zu  fahren.  Auf  dieser  Fahrt  wurde  er  am 
7.  April,  nachmittags  um  2  Uhr,  auf  45 MO'  n.  Br.  und  149 <>  29'  ö.L. 
von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Kumano  Maru''  gesichtet  und  auf- 
gebracht. Der  Dampfer  ist,  als  er  sich  Japan  näherte,  den  gesetzlichen 
Bestimmungen  entgegen  wiederholt  ohne  Lichter  gefahren. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  den  Bericht  des  Ober- 
leutnants zur  See  Toriyama  Sadayoshi,  Vertreters  des  Komman- 
danten des  Kaiserlichen  Kriegsschiffs  „Kumano  Maru",  durch  die  Ver- 
nehmungsprotokolle des  Kapitäns  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Dampfers,  Otto  ^alaas,  des  ersten  Offiziers  E.  Amundsen,  des 
ersten  Maschinisten  S.  L  e  e ,  des  Obermatrosen  ChiunChengSang, 
der  Steuerer  Cheng  Hyong  Yuen  und  Cheong  Shu  Lok,  der 
Matrosen  Ah  Sang  und  Ah  C h i  u n  sowie  des  vorgenannten  Tori- 
yama Sadayoshi,  durch  ein  Antworttelegramm  des  Ministers  der 
Auswärtigen  Angelegenheiten,   durch   das  Schiffsjournal,    das    Schiffs- 

837 


Abschnitt  VI  5i  b  Prisengerichtsentscheidungen :  ,,Henry  BolckoW. 

Zertifikat,  das  Flaggenattest,  durch  die  von  der  Firma  Melchers&Co. 
an  den  Kapitän  gerichteten  Briefe  und  die  ihnen  beiliegenden  Tele- 
gramme, durch  die  Musterrolle  usw. 

Das  Gericht  ist  der  folgenden  Ansicht: 

Nach  dem  Vernehmungsprotokoll  des  Kapitäns  zu  urteilen,  ist 
die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung,  nämlich  amerikanisches  Mehl, 
für  die  hungerleidende  Bevölkerung  nach  Korsakoff  zu  befördern  ge- 
wesen. Aber  der  Kapitän  weiß  selber  nicht,  welche  Bevölkerung 
Hungersnot  leidet  und  in  welchem  Grade.  Auch  sagt  er,  er  wisse  nicht 
wer  der  Empfänger  ist.  Zwar  steht  in  einem  Brief  der  Firma  Melchers 
&  Co.  an  den  Kapitän,  daß  die  genannte  Ladung  nur  der  hungernden 
Bevölkerung  des  Hafens  Korsakoff  auf  Sachalin  zu  liefern  sei  und  nicht 
nach  einem  Hafen  außerhalb  Sachalins  befördert  werden  dürfe  und 
daß  der  Konsul  die  Richtigkeit  dieser  Tatsachen  bescheinigen  werde. 
Diese  Bescheinigung  ist  aber  tatsächlich  unmöglich,  da  der  Konsul  schon 
in  die  Musterrolle  eingetragen  hat,  daß  der  Bestimmungsort  des  Schiffes 
Hongkong  sei.  Die  in  dem  erwähnten  Briefe  vorkommenden  Worte 
„die  hungernde  Bevölkerung"  sind  nur  mit  der  Absicht  der  Bemäntelung 
unterstrichen,  um  dadurch  der  Aufbringung  zu  entgehen,  und  man 
kann  nicht  annehmen,  daß  die  dort  geschriebene  Angabe  tatsächlich 
gemeint  gewesen  ist.  Auch  ist  über  den  Punkt,  daß  die  Ladung  der 
hungernden  Bevölkerung  geliefert  werden  sollte,  irgend  ein  glaub- 
würdiger Beweis  nicht  erbracht  worden.  Dagegen  ist  der  Hafen  von 
Korsakoff  ein  wichtiger  Verteidigungsplatz  in  dem  südlichen  Teile  von 
Sachalin.  Seit  dem  Ausbruch  des  russisch-japanischen  Krieges  hat  Ruß- 
land nicht  nur  die  dortige  Besatzung  verstärkt,  sondern  auch  das  System 
freiwilliger  Soldaten  eingeführt  und  solche  angeworben.  Außerdem 
hat  der  Generalgouverneur  von  Ostasien  erst  am  3L  März  1904  »russischer 
Zeitrechnung  die  Anwerbung  von  Freiwilligen  dadurch  befördert,  daß 
er  eine  besondere  Verordnung  erließ,  wonach  jedem  Verbannten,  wenn 
er  als  Freiwilliger  eintritt,  die  Strafe  gemildert  wird.  Die  Folge  davon 
war,  daß  sich  die  Stärke  des  Militärs  dort  neuerdings  plötzlich  vermehrt 
hat.  Überdies  hat  die  schon  in  der  Friedenszeit  an  und  für  sich  wenig 
zahlreiche  Zivilbevölkerung  nach  dem  Ausbruch  des  Krieges  noch  be- 
deutend abgenommen,  da  ein  Teil  derselben  aus  Furcht  vor  einem  An- 
griff der  japanischen  Armee  sich  nach  anderen  Plätzen  zurückgezogen 
hat  und  ein  anderer  Teil  als  Freiwilliger  angeworben  wurde. 

Folgende  Handlungen  des  Schiffes  sind  lediglich  als  Mittel  an- 
zusehen, um  der  Aufbringung  durch  die  japanische  Marine  zu  entgehen  : 
Erstens,  daß  das  Schiff,  obwohl  es  schon  zur  Zeit  der  Abfahrt  von 
Shanghai  nach  dem  Hafen  von  Korsakoff  bestimmt  war,  doch  sich  durch 
falsche  Angaben  von  dem  dortigen  Zollamt  einen  Ausklarierungsschein 
nach  Hongkong  ausstellen  und  auch  von    seinem  Konsul    durch    eine 

838 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Lincluden".  Abschnitt  VI» 

gleiche  Anzeige  den  falschen  Bestimmungsort  in  die  Musterrolle  ein- 
tragen ließ.  Zweitens,  daß  der  Kapitän,  obwohl  die  Ladung  möglichst 
schnell  befördert  werden  sollte,  doch  nicht  den  kürzesten  Weg  nahm, 
sondern  weit  über  den  Stillen  Ozean  durch  die  Boussole-  oder  Etorup- 
Straße  passieren  wollte  und  trotz  des  Eisgangs  diese  schwierige  Fahrt 
mit  aller  Kraft  fortzusetzen  versuchte.  Drittens,  daß  das  Schiff,  nach- 
dem es  sich  dem  japanischen  Lande  genähert  hatte,  gegen  die  be- 
stehenden Bestimmungen  ab  und  zu  ohne  Lichter  fuhr  und  anderes 
mehr.  Oberlegt  man  nun,  weshalb  wohl  alle  diese  betrügerischen  Mittel 
angewandt  wurden,  so  ist  es  klar,  daß  die  Ladung  des  Schiffs  nicht 
im  gewöhnlichen  Handelsverkehr,  wie  es  zum  Beispiel  die  Lieferung 
für  eine  der  Hungersnot  ausgesetzte  Bevölkerung  sein  würde,  sondern 
lediglich  für  den  Kriegsbedarf  des  feindlichen  Landes  befördert  wurde. 
Die  Ladung  muß  also  selbstverständlich  als  Kriegskonterbande  be- 
trachtet werden,  i) 

Daß  aber  Güter,  welche  Kriegskonterbande  sind,  wenn  auch  unter 
neutraler  Flagge  fahrend,  eingezogen  werden  können,  ist  sowohl  von 
•der  Pariser  Seerechtsdeklaration  im  Jahre  1856  als  auch  von  der  völker- 
rechtlichen Wissenschaft  und  Praxis  anerkannt  worden.  2) 

Aus  diesen  Gründen  ist  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung 
«inzuziehen   und  es  wird  wie  in   der  Urteilsformel  entschieden. 

Gegeben  am  28.  Juni  1905  im  Prisengericht  zu  Yokosuka  nach 
Anhörung  des  Staatsanwalts. 

(Unterschriften.) 


In  der  Prisensache,  betreffend  den  englischen  Dampfer  „Lincluden", 
wird  nach  Einsichtnahme  des  Schriftsatzes  des  Staatsanwalts  Yama- 
moto,  wie  folgt,  entschieden. 

Urteilsformel: 
Der  Dampfer  „Lincluden"  und  seine  gesamte  Ladung  werden  frei- 
gegeben. 

Tatbestan  d  und  Gründe: 
Der   Dampfer  „Lincluden"   steht    im    Eigentum    der    Lincluden- 
Dampfer-Aktiengesellschaft  in  Manchester,  England.    Er  führt  die  eng- 
lische Handelsflagge  und  dient  zum  Gütertransport.    Im  Auftrage  der 
Reederei  heuerte  der  Kapitän  am  11.  Januar  1905  in  Savona  in  Italien 

1)  11.  Ziffer  2.  —  »)  V.  §  43. 

839 


Abschnitt  -VI «  Prisengerichtsentscheidungen :  „Lincluden**^ 

eine  Mannschaft  an,  um  nach  dem  Schwarzen  Meere  zu  fahren  und 
von  dort  mit  Ladung  nach  Wladiwostok  zu  gehen.  Am  selben  Tage 
fuhr  er  von  dort  ab  und  langte  am  23.  desselben  Monats  in  Nikolajew 
in  Rußland  an,  wo  er  8  078  273  Pfund  oder  3697  Tons  Gerste  lud.  Der 
Absender  versah  ihn  mit  Konnossementen,  in  denen  als  Empfänger 
„Order  in  Tsingtau  in  China"  angegeben  war.  Am  28.  d.  M.  fuhr 
er  von  Nikolajew  ab  und  traf  nach  einer  Fahrt  über  Konstantinopel, 
Port  Said  und  Labuan  am  12.  Mai  in  Wusung  in  China  ein.  Dort  er- 
hielt er  von  dem  Reeder  Order  für  Strome  &  Co.  in  Kobe  und  fuhr 
am  folgenden  Tage,  dem  13.,  von  dort  nach  Kobe  ab.  Auf  dieser 
Reise  wurde  der  Dampfer  am  16.  d.  M.,  9  Uhr  30  Minuten  vormittags, 
auf  330  10'  n.  Br.  und  127  0  37'  ö.  L.  unter  dem  Verdacht,  Konterbande 
zu  befördern,  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „ßado  Maru"  auf- 
gebracht. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  schriftliche  Aussage  des 
Vertreters  des  Kommandanten  der  „Sado  Maru'',  Marineoberleutnants 
K i  m  u  r  a  To y  o  k i  n  o ,  die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns 
C.  H.  Laing,  des  ersten  Offiziers  T.  D.  Sambridge,  das  Schiffs- 
zertifikat, Tagebuch,  Privatschiffsjournal  der  „Lincluden",  die  Konnosse- 
mente, das  Ladungsverzeichnis,  die  Ausklarierungspapiere  von  Shanghai, 
die  Telegramme  des  Reeders  an  den  Kapitän,  einen  Brief  der  Firma 
Do d well  &  Co.  an  den  Kapitän  und  ein  Telegramm  der  Firma 
Strome  &  Co.  in  Yokohama  an  das  Prisengericht." 

Die  Hauptpunkte  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  sind  folgende: 

Da  der  Dampfer  Gerste  geladen  gehabt  habe  und  anfangs  mit. 
der  Bestimmung  nach  Wladiwostok  abgefahren  gewesen  sei,  so  sei  es 
nicht  zu  umgehen  gewesen,  daß  er  unter  dem  Verdacht,  Kriegskonter- 
bande zu  transportieren,  aufgebracht  worden  sei. 

Durch  die  Untersuchungen  im  Prisengericht  sei  es  indes  offenbar 
geworden,  daß  der  Dampfer  auf  der  Reise  den  Bestimmungsort  ge- 
wechselt habe,  und  auf  der  Fahrt  nach  Kobe  begriffen  gewesen  sei.  Da 
er  demnach  keinen  Kriegskonterbandetransport  betrieben  habe,  so  sei 
er  sogleich  freizugeben. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Nach  dem  zwischen  dem  Kapitän  und  der  Mannschaft  ab- 
geschlossenen Heuervertrag  war  der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer 
bestimmt,  Gerste  nach  Wladiwostok,  einem  Stützpunkt  der  feindlichen 
Marine,  zu  schaffen.  Sein  anfänglicher  Zweck  war  also  offenbar  der 
Transport  von  Konterbande. 

Da  es  nun  für  Schiffe,  welche  zu  Konterbandetransport  benutzt 
werden,  gebräuchlich  ist,  einen  falschen  Bestimmungsort  in  den  Schiffs- 
papieren anzugeben,  um  der  Aufbringung  zu  entgehen,  so  genügten 
die  Angaben  des  Privatschiffsjournals,,  der  Ausklarierungspapiere  voit 

840 


Prisengerichtsentscheidungen:  ,,Quang  Nam".  Abschnitt  VI^ 

Shanghai  und  der  Telegramme  und  Briefe  an  den  Kapitän  nicht,  obwohl 
sie  Kobe  deutlich  als  Bestimmungsort  bezeichneten,  um  zu  der  Ent- 
scheidung zu  kommen,  daß  das  anfängliche  Ziel  geändert  worden  sei. 
Daher  war  die  Beschlagnahme  seitens  der  „Sado  Maru"  gerechtfertigt. 

Aber  nach  der  Untersuchung  im  unterzeichneten  Prisengericht 
ist  es  unzweifelhaft  geworden,  daß  der  zur  Verhandlung  stehende 
Dampfer  während  der  Reise  seinen  Plan,  nach  Wladiwostok  zu  gehen, 
endgültig  aufgegeben  hatte  und  nach  Kobe  zu  fahren  und  seine  Ladung 
dort  an  die  Firma  Strome  &  Co.  abzuliefern  bestimmt  war. 

Das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  und  seine  gesamte  Ladung 
sind  demnach,  ungeachtet  der  Rechtmäßigkeit  der  Beschlagnahme,  frei- 
zugeben. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Am  21.  Mai  1905  im  Prisengericht  zu  Sasebo. 
(Unterschriften.) 


Reklamant:  Mottet  &  Cie.,  Saigon,  vertreten  durch  den 
französischen  Staatsangehörigen  Marc  Mottet,  ebendaselbst. 

ProzeBvertreter ;  Rechtsanwalt  Magaki  Jocho,  Tokio,  Shi- 
baku  Akefunecho  Nr.  17. 

In  der  Prisensache,  betreffend  den  französischen  Dampfer  „Quang 
Nam"  wird,  wie  folgt,  entschieden : 

Urteilsformel: 
Die  Reklamation  wird  abgewiesen. 
Der  Dampfer  „Quang  Nam"  wird  eingezogen. 

Tatbestand  und  Gründe: 
Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „Quang  Nam"  steht  im 
Eigentum  der  in  Paris  errichteten  Gesellschaft  für  chinesische  Küsten- 
schiffahrt. Als  sein  Liegeplatz  war  Saigon  in  Cochinchina  bestimmt,, 
er  führt  die  französische  Flagge  und  dient  zum  Gütertransport.  Im 
April  1905  lud  er  in  Saigon  800  Kisten  Spirituosen;  am  23,  d.  Mts. 
lichtete  er  Anker  und  gelangte  am  nächsten  Tage,  dem  24.,  nach  der 
Kamranh-Bucht,  und  überlieferte  seine  Ladung  an  das  zurzeit  in  dieser 
Bucht  ankernde  russische  zweite  pazifische  Geschwader.  Am  26.  d.  Mts. 
fuhr  er  von  dort  ab  und  gelangte  über  Hongkong  nach  Shanghai.  Dort 
lud  er  130  Tons  Cardiff kohle  in   seine   Bunker,  ohne  sonst  Ladung 

841 


Abschnitt  VI  ^  Prisengerichtsentscheidungen :  „Quang  Nam". 

zu  nehmen,  und  fuhr  am  12.  d.  Mts.  i)  von  dort  udeder  ab,  wobei  er 
angab,  nach  Manila  zu  gehen.  Er  wählte  die  Route  zwischen  For- 
mosa  und  den  Pescadores,  fuhr  in  die  Hattan-Straße  2)  ein  und  wurde 
am  16.  d.  Mts.  nördlich  von  Toreajima  von. dem  Kaiserlichen  Kriegs- 
schiff „Bingo  Maru",  weil  er  für  den  Feind  Spiondienste  leiste,  auf- 
gebracht. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Kommandanten  des  Kaiserlichen  Kriegsschiffs  „Bingo  Maru",  Kapitäns 
zur  See  Arigawa  Taihaku,  das  Protokoll  des  Kapitänleutnants 
Yasumura  Kaiichi,  das  Gutachten  des  MarineingeiHeurs  Tsu- 
bouchi  Minoru  über  den  Zustand  der  Maschine  der  „Quang  Nam", 
die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns  der  „Quang  Nam",  Paul 
Bouisson,  des  Vizekapitäns  Philippe  Antoine  Paoli,  des 
Offiziers  Ernesto  Charlotti,  des  ersten  Maschinisten  Antoine 
Castaldi,  des  zweiten  Maschinisten  Charles  Emile  Pierre 
Amiss  und  des  dritten  Maschinisten  Leopold  Blazy,  durch  das 
Schiffszertifikat,  das  Tagebuch   und  das  Maschinenjournal. 

Die  Hauptpunkte  der  Ausführungen  des  Vertreters  der  Rekla- 
mation sind  folgende: 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „Quang  Nam"  stehe 
im  Eigentum  der  in  Paris  errichteten  Gesellschaft  für  chinesische  Küsten- 
schiffahrt und  verkehre  zwischen  Saigon,  den  Philippinen,  Manila,  Ilo-Ilo 
und  Cebu.  Der  Reklamant  habe  mit  jener  Gesellschaft  einen  Charter- 
vertrag abgeschlossen  und  das  Schiff  zum  Gütertransport  benutzt.  Im 
April  1905  habe  er  in  Saigon  Kisten  mit  Spirituosen  geladen,  sei  nach 
der  Kamranh-Bucht  gefahren  und  habe  dort  seine  Ladung  abgeliefert. 
Auf  der  Reise  über  Hongkong  und  Shanghai  nach  Manila  habe  der 
Dampfer  Maschinenschaden  erlitten.  Als  er,  um  entweder  zwecks  Re- 
paraturen die  Hilfe  eines  anderen  Schiffes  zu  erhalten,  oder  um  einen 
Hafen  anzulaufen,  in  die  Pescadores-Straße  eingefahren  sei,  sei  er  am 
16.  Mai  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Bingo  Maru"  beschlag- 
nahmt worden. 

Das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  sei  ein  neutrales  Fahrzeug, 
und  auch  der  Reklamant  und  Charterer  sei  von  neutraler  Nationalität. 
In  Shanghai  habe  der  Dampfer  130  Tons  Steinkohlen  geladen  und  weder 
Konterbandepersonen,  noch  Konterbandedokumente,  noch  Konterbande- 
güter an  Bord  genommen.  Da  der  Kapitän  nicht  gewußt  habe,  daß  für 
die  Gegend  bei  den  Pescadores  eine  See  Verteidigungsverordnung  er- 
lassen sei,  so  könne  dies  nicht  als  Grundlage  für  die  Beschlagnahme 
angenommen  werden. 

Nach  seinem  Schriftsatz  nehme  der  Staatsanwalt  an,  daß 


1)  Offenbar  am  12.  Mai. 

^)  Der  japanische  Name  für  die  Roverstraße, 


842 


Prisengerlchtsentschei düngen:  „Quang  Nam".  Abschnitt  VI^ 

das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  von   der  russischen 
Regierung  gechartert  sei   und,   um   dem   Feind  zu   nützen, 
die  Verteidigung  Japans   und  die  Bewegungen  seines  Ge- 
schwaders ausgekundschaftet  habe. 
Der  Kapitän  und  die  ihm  unterstehenden  Offiziere  hätten  vordem  immer 
nur  auf  Handelsschiffen  gedient  und  alle  anderen  an  Bord  befindlichen 
Personen  seien  Leute,  welche  nur  die  Schiffsarbeit  verrichteten.     Daß 
sie  alle  nicht  imstande  seien,  militärische  Kundschafterdienste  zu  leisten, 
sei  auch  für  einen  Menschen  mit  gewöhnlichem  Verstand  klar. 

Freilich  stimmten,  wenn  man  die  Akten  durchsehe,  die  Aussagen 
des  Kapitäns,  des  Vizekapitäns  und  der  Maschinisten  in  den  Haupt- 
punkten nicht  überein.  Aus  einem  von  dem  Kapitän  an  den  in  Na- 
gasaki ansässigen  französischen  Konsul  gesandten  Bericht  könne  man 
indes  ersehen,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  auf  der  Reise 
von  Shanghai  nach  Manila  Maschinenschaden  erlitten  habe. 

Im  §  37  Ziffer  5  der  japanischen  Seeprisenordnung*)  sei  die  Rede 
von 

„Schiffen,  von  *denen  anzunehmen  ist,  daß  sie  im  Interesse 
des  Feindes  Kundschafterdienste  leisten  oder  Nachrichten 
übermitteln  oder  sonst  offenbar  tätig  sind,  um  den  Feind 
zu  unterstützen." 
Es  sei  offenbar,  daß  Fälle  gemeint  seien,  in  welchen  die  Tätigkeit 
zur  Unterstützung  klar  erwiesen  sei. 

Im  Artikel  23  der  völkerrechtlichen  Bestimmungen  über  Seeprisen, 
welche  der  Völkerrechtskongreß  in  Turin  im  Jahre  1882  beschlossen 
habe,  werde  gesprochen  von  Schiffen,  welche  am  Kriege  teilnähmen 
oder  solche  Teilnahme  beabsichtigen;  und  es  werde  bestimmt,  daß  bei 
Vorliegen  solcher  Fälle  neutrale  Schiffe  beschlagnahmt  werden  könnten. 

In  einem  Falle  jedoch,  wie  dem  vorliegenden,  wo  es  durchaus 
nicht  klar  erwiesen  sei,  ob  der  Kapitän  mit  der  Absicht,  dem  feindlichen 
Staat  zu  nützen,  gehandelt  habe  oder  nicht,  könnten  derartige  Be- 
stimmungen nicht  Platz  greifen. 

Aus  diesen  Gründen  sei  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  frei- 
zugeben. 

Die  Hauptpunkte  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  sind  folgende: 

Der  von  dem  Reklamanten  eingereichte  Chartervertrag  sei  eine 
Privat  Urkunde,  die  sich  jederzeit  herstellen  lasse  und  keinen  Glauben 
verdiene.  .  Demnach  sei  der  Reklamant  nicht  legitimiert  zur  Erhebung 
der  Reklamation   und  diese  sei  daher  abzuweisen. 

Da  ferner  anzunehmen  sei,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende 
Schiff  von  der  russischen  Regierung  gechartert  worden  sei  und  dazu 

•Tvr 

813 


Abschnitt  VI^'  Prisengerichtsentscheidungen:  „Quang  Nam'^ 

gedient  habe,  für  den  Feind  unsere  Verteidigung  und  die  Bewegungen 
unserer  Flotte  auszukundschaften,  so  müsse  es  eingezogen  werden. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Der  Vertreter  der  Reklamation  behauptet,  daß  der  Reklamant 
Mottet  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  von  der  Gesellschaft 
für  chinesische  Küstenschiffahrt  gechartert  habe,  und  hat  zum  Beweise 
hierfür  einen  zwischen  Mottet  und  dem  Generalvertreter  der  fran- 
zösischen Gesellschaft  für  chinesische  Küstenschiffahrt  in  Saigon  A  s  co  1 1 
abgeschlossenen  Chartervertrag  eingereicht.  Auch  bringt  er  eine  Prozeß- 
vertretungsvollmacht bei.  Der  Chartervertrag  ist  indessen  zur  Zeit  der 
Aufbringung  nicht  an  Bord  der  „Quang  Nam"  vorhanden  gewesen  und 
kann,  weil  er  ein  Privatdokument  ist,  das  jederzeit  von  den  Zeichnern 
hergestellt  werden  kann,  keinen  Glauben  beanspruchen.  Was  ferner 
die  Vollmacht  angeht,  so  wird  behauptet,  daß  bewiesen  werden  könne,, 
daß  Mottet  den  Inhalt  vor  einem  Notar  erklärt  habe,  da  aber  die 
Wahrheit  dieser  Behauptung  nicht  bewiesen  ist,  so  kann  sie  gleichfalls 
nicht  anerkannt  werden.  Da  auch  sonst  keinerlei  Beweise  für  das  recht- 
liche Interesse*)  des  Reklamanten  in  dieser  Sache  vorliegen,  so  ist  die 
Reklamation  abzuweisen. 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  hat  am  22.  April  1905 
in  Saigon  800  Kisten  Spirituosen  geladen  und  ist  ohne  Ladungsverzeichnis 
und  Chartervertrag  nach  der  Kamranh-Bucht  gefahren,  wo  er  die  Ladung; 
an  das  zweite  russische  pazifische  Geschwader  geliefert  hat. 

Aus  dem  Vernehmungsprotokoll  des  Kapitäns,  in  welchem  es  heißt: 
er  glaube,  daß  die  an  Bord  genommene  Cardiffkohle  aus  einem  russi- 
schen Kohlenlager  stamme, er  nehme  an,  daß  das  zur  Ver- 
handlung  stehende    Schiff   von    der   russischen    Regierung   gechartert 

worden  sei ergibt  sich  klar,  daß  das  Schiff  von  der  russischen. 

Regierung  gechartert  worden  ist. 

Daß  das  Schiff,  obwohl  es  angab,  von  Shanghai  nach  Manila 
zu  gehen,  vorsätzlich  die  schwierige  Route  zwischen  Formosa  und  den 
Pescadbres  wählte  und  unter  Kursänderung  in  die  Hattan-Straße  eindrang, 
ist  offenbar  geschehen,  weil  ihm  die  Aufgabe  oblag,  die  Verteidigungs- 
verhältnisse bei  den  genannten  Inseln  und  die  Bewegungen  unserer 
Flotte  auszuspionieren.  Überdies  hat  das  Schiff  in  Saigon  Cardiffkohle 
eingenommen,  welche  es  bisher  noch  nie  gebraucht  hatte.  Ferner  ist 
es  ohne  jegliche  Ladung  von  der  Kamranh-Bucht  über  Hongkong  nach 
Shanghai  gegangen.  Dort  nahm  es  auch  wieder  keine  Ladung,  sondern 
130  Tons  Cardiffkohle  ein,  obwohl  es  noch  reichlich  Kohlen  hatte 
um  nach  Manila  zu  fahren.  Alle  diese  Handlungen  sollten  offenbar 
die  Kundschafterdienste  erleichtern. 

Daß  ein  Schiff,  welches  zum  Nutzen  des  Feindes  Verteidigungs- 


*)  IV.  §  16,2.^ 
84A 


Prisengerichtsentsch&idangen:  „Quang  Nam".  Abschnitt  VI^' 

Verhältnisse  und  Bewegungen  der  Kriegsflotte  auskundschaftet,  auch 
wenn  es  ein  neutrales  Schiff  ist,  eingezogen  werden  kann,  ist  völker- 
rechtlich allgemein  zugestanden.  Demnach  ist  das  zur  Verhandlung 
stellende  Schiff  einzuziehen.*) 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  28.  November  1905  im   Prisengericht  zu  Sasebo, 
im   Beisein   des  Staatsanwalts  Mizukami  Chojiro. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Mottet  &  Cie.,  Saigon,  Cochinchina,  vertreten 
durch  den  französischen  Staatsangehörigen  Marc  Mottet,  eben- 
daselbst. 

Prozeßvertreter: Rechtsanwalt  Magaki  Jocho,  Tokio,  Shi- 
baku,  Nichinokuba,  Akefunecho  Nr.  17. 

Am  28.  November  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der 
Prisensache,  betreffend  den  französischen  Dampfer  „Quang  Nam", 
welcher  am  16.  Mai  1905  auf  der  Reede  von  Bako  nördlich  von  Torea- 
jima  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Bingo  Maru"  aufgebracht 
worden  ist,  ein  Urteil  gefällt,  in  welchem  auf  Abweisung  der  Rekla- 
mation und  Einziehung  des  Dampfers  „Quang  Nam"  erkannt  worden  ist. 
Gegen  dieses  Urteil  hat  Marc  Mottet  in  Vertretung  des  Rekla- 
manten, der  Firma  Mottet  &  Cie.,  durch  den  Rechtsanwalt  Magaki 
Jocho  als  Prozeßvertreter  die  Berufung  eingelegt;  welche  im  Ober- 
prisengericht im  Beisein  der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku  und 
Dr.   jur.   I  s  h  i  w:a  t  a  r  i   B  i  n  i  c  h  i  geprüft  worden   ist. 

Die  Hauptberuf ungspunkte  des  Vertreters  der  Reklamation  Ma- 
gaki Jocho  und  deren  Gründe  sind  folgende: 

1.  Wenn  man  die  Gründe  des  Urteils  erster  Instanz  ansehe,  so 
heiße  es  dort: 

Der  Vertreter  der  Reklamation  behaupte,  daß  der  Reklamant 
Mottet  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  von  der  Ge- 
sellschaft für  chinesische  Küstenschiffahrt  gechartert  habe, 
und  habe  zum  Beweise  hierfür  einen  zwischen  Mottet  und 
dem  Generalvertreter  der  französischen  Gesellschaft  für 
chinesische  Küstenschiffahrt  in  Saigon,  As  coli,  ab- 
geschlossenen Chartervertrag  eingereicht.  Auch  bringe  er 
eine  Prozeßvertretungsvollmacht  bei.  Der  Chartervertrag  sei 
indessen  zur  Zeit  der  Aufbringung  nicht  an  Bord  der  „Quang 
Nam"  vorhanden  gewesen  und  könne,  weil  er  ein  Privat- 

~')"\r§  47. 

845 


Abschnitt  VI^s  Prisengerichtsentscheidungen :  „Quang  Nam''. 

dokument  sei,  das  jederzeit  von  den  Zeichnern   hergestellt 
werden  könne,  keinen  Glauben  beanspruchen.   Was  ferner  die 
Vollmacht  angehe,  so  werde  behauptet,  daß  bewiesen  werden 
könne,   daß   Mottet   den    Inhalt   vor  einem   Notar  erklärt 
habe;  da  aber  die  Wahrheit  dieser  Behauptung  nicht  be- 
wiesen sei,  so  könne  sie  gleichfalls  nicht  anerkannt  werden. 
Da  auch  sonst  keinerlei  Beweise  für  das  rechtliche  Interesse 
des  Reklamanten  in  dieser  Sache  vorliege,  so  sei  die  Rekla- 
mation abzuweisen. 
Damit  werde  der  zwischen  dem  Reklamanten  und  der  Gesellschaft  für 
chinesische  Küstenschiffahrt  abgeschlossene  Chartervertrag  lediglich  mit 
der  Begründung,  daß  er  zur  Zeit' der  Beschlagnahme  nicht  an  Bord  vor- 
handen und  ein  privates  Dokument  sei,  welches  auch  später  hergestellt 
sein  könne,  für  unecht  erklärt.    Demzufolge   sei  angenommen  worden^ 
der  Reklamant  habe  keinerlei  rechtliches  Interesse  an  dieser  Sache.   Dies 
sei  eine  unzureichende  Entscheidung,  welche  den  §  16  der  Prisengerichts- 
ordnung«) außer  acht  lasse,  und  der  Reklamant  könne  sich  dabei  nicht 
bescheiden. 

2.  Es  möge  wohl  die  Frage  entstehen,  weshalb  die  Eigentümer 
des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs,  die  Gesellschaft  für  chinesische 
Küstenschiffahrt,  nicht  den  Reklamationsprozeß  führe  und  weshalb  viel- 
mehr der  Charterer,  der  weit  geringeres  Interesse  habe,  die  Reklamation 
erhebe.  Dies  sei  indessen  nicht  schwer  zu  verstehen,  wenn  man  den  Inhalt 
des  zwischen  dem  Reklamanten  und  der  genannten  Gesellschaft  ab- 
geschlossenen Chartervertrags  ansehe.  Nach  Artikel  15  des  Vertrages 
liege  je  nach  den  Umständen  im  Falle  von  Seeschaden  oder  Aufbringung 
des  Dampfers  „Quang  Nam''  die  Verantwortung  dem  Reeder  gegenüber 
dem  Charterer  ob.  Wenn  ferner  der  Charterer  am  Tage  des  Ablaufs 
des  Chartervertrags  das  Schiff  nicht  abliefere,  so  gelte  das  Schiff  unter 
den  Beteiligten  als  verloren.  Dann  sei  noch  eine  weitere  Frist  von 
15  Tagen  zu  gewähren,  nach  deren  Ablauf  der  Charterer  den  Eigentümern 
des  Schiffes  den  Preis  desselben  mit  24  000  Pfund  Sterling  bezahlen  solle. 
Nach  Artikel  14  desselben  Vertrags  habe  der  Charterer  für  diesen  Preis 
ein  entsprechendes  Pfand  zu  leisten.  Da  dies  Geld  tatsächlich  bei  einer 
Bank  in  Saigon  hinterlegt  sei,  so  habe  die  Reederei  keine  Veranlassung, 
bezüglich  der  „Quang  Nam"  irgendwie  in  Sorge  zu  sein.  Daß  ferner 
die  Ausübung  des  Klagerechts  bezüglich  des  Schiffes  dem  Charterer  als 
Pflicht  obliege,  gehe  aus  dem  Ende  des  Artikels  15  des  Vertrages  hervor. 
Sobald  die  Gesellschaft  für  chinesische  Küstenschiffahrt  Mitteilung  er- 
halten habe,  daß  die  zur  Verhandlung  stehende  „Quang  Nam"  von 
einem  japanischen  Kriegsschiff  aufgebracht  worden  sei,  habe  sie  den 
Reklamanten  sofort  in  Klage  genommen  und  auf  Grund  des  Charter- 

ß)  IV. 

846 


Prisengerichtsentscheidungeii :  nQuang  Nam".  Abschnitt  VI^' 

Vertrags  beim  Landgericht  in  Saigon  einen  Prozeß  auf  Herausgabe  des 
hinterlegten  Geldes  angestrengt.  In  den  Zeitungen  Saigons  sei  zu  lesen, 
daß  dieser  Prozeß  noch  bei  jenem  Gericht  anhängig  sei.  Auch  dadurch 
könne  der  Reklamant  beweisen,  daß  er  der  Charterer  sei,  und  es  genüge, 
um  sein  rechtliches  Interesse  zu  ersehen. 

3.  Die  Vertretungsvollmacht  für  die  vorliegende  Reklamation  sei 
von  einem  Notar  ausgestellt  und  von  einem  Richter  des  Landgerichts 
in  Saigon  beglaubigt.  Sie  sei  von  dem  Reklamanten,  welcher  die  „Quang 
Nam"  von  den  Eigentümern  der  Gesellschaft  für  chinesische  Küsten- 
schiffahrt gechartert  habe,  d.  h.  'also  in  'der  Eigenschaft  eines  Charterers, 
erteilt  worden. 

Der  Reklamant  habe  in  Saigon  ein  großes  Spirituosen-  und  Lebens- 
mittelgeschäft und  sei  der  Eigentümer  des  großen  Hotel  de  TUnivers 
und  ein  bekannter  und  reicher  Mann.  Nach  der  Stellung  des  Rekla- 
manten sei  es  daher  ausgeschlossen,  daß  derselbe  sich  einer  betrüge- 
rischen Handlung  schuldig  machen  sollen,  durch  welche  auf  Grund 
seiner  falschen  Angaben  der  Notar,  ein  Beamter  mit  öffentlichem  Glauben, 
getäuscht  worden  sei  und  unwahre  Tatsachen  in  ein  notarielles  Dokument 
über  Rechte  und  Pflichten  des  Reklamanten  aufgenommen  habe,  welchem 
dann  das  Gericht  seine  Beglaubigung  erteilt  habe. 

Wenn  man  dies  vom  gesetzlichen  Standpunkt  beleuchte,  so  ergebe 
eine  Betrachtung  der  Artikel  des  französischen  Strafrechts,  betreffend 
Fälschung  öffentlicher  und  notarieller  Dokumente,  daß  dieses  Vorgehen 
zustande  kommt,  wenn  jemand  einem  öffentlichen  Beamten  gegenüber 
betrügerische  Angaben  macht,  auf  Grund  deren  ein  öffentliches  Doku- 
ment aufgesetzt  werde.  Hierfür  gebe  es  Entscheidungsbeispiele  des 
französischen  Kassationshofes  und  die  Strafrechtsgelehrten  seien  darin 
einig.  Auch  im  deutschen  Strafrecht  sei  dies  wörtlich  ausgesprochen 
und  der  Strafgesetzentwurf  von  Boissonade  und  der  dem  japanischen 
Landtag  vorgelegte  Abänderungsentwurf  des  Strafgesetzes  enthielten 
gleiche  Bestimmungen. 

Man  könne  doch  kaum  annehmen,  daß  der  Reklamant  für  eine 
Sache,  die  außerhalb  eines  rechtlichen  Interesses  liege,  Behauptungen 
aufstellen  solle,  welche  eine  Verletzung  des  Strafrechts  darstellen  würde. 

Wenn  man  einmal  annehme,  wie  das  Urteil  erster  Instanz,  daß 
der  Reklamant,  ohne  rechtliches  Interesse  zu  besitzen,  die  vorliegende 
Reklamation  erhoben  habe,  so  müsse  man  seinen  Zweck  dabei  als 
einen  mit  gesundem  Menschenverstand  nicht  zu  ersehenden  und  un- 
vernünftigen bezeichnen.  Denn  wenn  der  Zweck  der  Reklamation  er- 
reicht und  die  „Quang  Nam"  freigegeben  werde,  so  würden  den  Vorteil 
davon,  wie  leicht  einzusehen,  nur  die  Eigentümer  des  Schiffes,  die  Ge- 
sellschaft für  chinesische  Küstenschiffahrt,  erlangen. 

847 


Abschnitt  VIS3  Prisengerichtsentscheidungen:  ,,Quang  Nam". 

4.  Wenn  man  den  Schluß  der  Begründung  des  Urteils  erster 
Instanz  ansehe,  so  sei  dort  entschieden,  daß 

es  völkerrechtlich  allgemein  zugestanden  sei,  daß  ein  Schiff, 
welches  zum  Nutzen  des  Feindes  Verteidigangsverhältnisse 
und  Bewegungen  der  Kriegsflotte  auskundschafte,  auch  wenn 
es  ein  neutrales  Schiff  sei,  eingezogen  werden  könne.  Dem- 
nach sei  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  einzuziehen. 

Für  diese  Annahme  werde  ausgeführt: 

Aus  dem  Vernehmungsprotokoll  des  Kapitäns,  in  welchem 
es  heiße:  er  glaube,  daß  die  an  Bord  genommene  Cardiff- 

kohle  aus  einem   russischen   Kohlenlager  stamme 

er  nehme  an,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  von 
der  russischen  Regierung  gechartert  worden  sei er- 
gebe sich  klar,  daß  das  Schiff  von  der  russischen  Regierung 
gechartert  worden  sei. 

Daß  das  Schiff,  obwohl  es  angegeben  habe,  von  Shang- 
hai nach  Manila  zu  gehen,  vorsätzlich  die  schwierige  Route 
zwischen  Formosa  und  den  Pescadores  gewählt  habe  und 
unter  Kursänderung  in  die  Hattan-Straße  eingedrungen  sei, 
sei  offenbar  geschehen,  weil  ihm  die  Aufgabe  obgelegen 
habe,  die  Verteidigungsverhältnisse  bei  den  genannten  Inseln 
und  die  Bewegungen  unserer  Flotte  auszuspionieren,  über- 
dies habe  das  Schiff  in  Saigon  Cardiffkohle  eingenommen, 
welche  es  bisher  noch  nie  gebraucht  gehabt  habe.  Ferner 
sei  es  ohne  jegliche  Ladung  von  der  Kamranh-Bucht  Ober 
Hongkong  nach  Shanghai  gegangen.  Dort  habe  es  auch 
wieder  keine  Ladung,  vielmehr  130  Tons  Cardiff kohlen  ge- 
nommen, obwohl  es  für  eine  Reise  nach  Manila  noch  reichlich 
Kohlen  gehabt  habe.  Alle  diese  Handlungen  hätten  offen- 
bar die  Kundschafterdienste  erleichtern  sollen. 

Das  Gericht  erster  Instanz  habe  also  offenbar  allein  auf  eine  un- 
bestimmte Aussage  des  Kapitäns  und  die  Qualität  der  geladenen  Kohle 
•ein  so  großes  Gewicht  gelegt,  daß  es  zu  jener  Entscheidung  ge- 
kommen sei. 

5.  Wie  in  der  Reklamation  gesagt,  habe  das  zur  Verhandlung 
stehende  Schiff  keine  Konterbande  geladen.  Die  Besatzung,  Kapitän 
sowohl  wie  die  geringe  Mannschaft,  seien  alle  Leute,  welche  nur  auf 
Handelsschiffen  gedient  hätten  und  militärische  Spionagedienste  nicht 
zu  erfüllen  imstande  seien.  Ferner  habe  das  Schiff  auf  der  Reise  von 
Shanghai  nach  Manila  Maschinenschaden  genommen  und  sei  genötigt 
gewesen,  zu  stoppen.  Dies  gehe  unbestreitbar  hervor  aus  dem  Bericht 
des  Kapitäns  der  „Quang  Nam"  an  den  französischen  Konsul  in  Naga- 

848 


Prisengerichtsentscheidungen;  „Qaang  Nam".  Abschnitt  Vis* 

saki  vom  13.  Juli  1905  und  aus  den  Akten  dieses  Falls.    In  ersterem 
heiße  es: 

Als  am   15.  Mai,  nachmittags  3   Uhr,  die   Insel  Agincourt 
in  Sicht  gekommen  sei,  habe  der  Kondensator  Schaden  ge- 
nommen, und  das  Schiff  sei  darauf  nach  der  Westseite  von 
Formosa  gefahren  usw. 
Nach   dem   zweiten   Vernehmungsprotokoll   habe   der  Vizekapitän  auf 
die   Frage,  was  er  für  einen   Grund  annehme   dafür,   daß   man   nach 
der  Roverstraße  gefahren  sei,  in  kurzem  geantwortet. 

Er  nehme  an,  daß  man  vielleicht  zur  Reparatur  des  Maschinen- 
schadens dorthin  gefahren  sei. 
In  dem  Vernehmungsprotokoll  des  dritten  Maschinisten  heiße  es: 
Ehe    das   Schiff   in    die   Nähe    der   Pescadores   gekommen 
sei,    habe    es    Maschinenschaden    erlitten,    infolgedessen    in 
den    Kondensator    Seewasser    eingedrungen    und    aus    der 
Soupape  Dampf  ausgeströmt  sei.    Der  Obermaschinist  habe 
den  Kapitän  gebeten,  das  Schiff  stoppen  zu  lassen,  worauf 
der  Kapitän  geantwortet  habe,  daß  das  Schiff  bald  vor  Anker 
gehen  werde  usw. 
Daß  das  Schiff  ferner  bei  der  Aufbringung  eine  andere  Flagge 
als  die  französische  geführt  habe,  dafür  lägen  nach  dem  Bericht  des 
Offiziers,    der    die    Beschlagnahme    ausgeführt    habe,    keine    Anhalts- 
punkte vor. 

Daß  daher  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  vorsätzlich  die 
schwierige  Route  zwischen  Formosa  und  den  Pescadores  gewählt  haben 
und  unter  Kursänderung  in  die  Hattan-Straße  eingedrungen  sein  solle, 
weil  ihm  die  Aufgabe  obgelegen  habe,  die  Verteidigungsverhältnisse 
bei  den  genannten  Inseln  und  die  Bewegungen  unserer  Flotte  aus- 
zuspionieren, sei  eine  Annahme,  welche  einfach  eine  Tatsache  auf- 
stelle, für  welche  keine  wirklichen  Beweise  vorlägen  und  welche  daher 
als  unzutreffend  bezeichnet  werden  müsse. 

Wenn  man  annehme,  daß  die  „Quang  Nam"  sich  eines  Neutralitäts- 
bruchs durch  Unterstützung  der  Handlungen  des  Feindes  schuldig  ge- 
macht habe,  weshalb  würden  dann  der  Kapitän  und  seine  Untergebenen 
nicht  bestraft?  Der  Grund,  weshalb  man  nur  das  Schiff  einziehen 
wolle,  werde  wohl  der  sein,  daß  man  jene  nicht  bestrafen  könne. 

6.  Der  Artikel  23  der  von  dem  Völkerrechtskongreß  von  Turin 
im  Jahre  1882  gefaßten  Beschlüsse  über  das  Seeprisenwesen  spreche 
klar  aus,  daß  neutrale  Schiffe  nur,  wenn  sie  tatsächlich  an  dem  Krieg 
teilgenommen  oder  die  Absicht  solcher  Teilnahme  gehabt  hätten,  auf- 
gebracht werden  könnten.  Wenn  der  §  37  der  japanischen  Seeprisen- 
ordnung') in  Ziffer  5  von  Schiffen  spreche,  „von  denen  anzunehmen 

MarBtrand-Meohlenburg,  Das  japanisohe  Prisenrecht.  (54)  0^9 


Abschnitt  VI  53  Piisengerichtsentsclieidungen:  „Quang  Nam". 

ist,  daß  sie  im  Interesse  des  Feindes  Kundschafterdienste  leisten  oder 
Nachrichten  übermitteln  oder  sonst  offenbar  tätig  sind,  um  den  Feind 
zu  unterstützen'',  so  sei  es  unzweifelhaft,  daß  der  Paragraph  solche 
Fälle  bezeichne,  in  welchen  es  bekannt  und  klar  sei,  daß  solche  Tätig- 
keit zur  Unterstützung  des  Feindes  vorliege. 

Was  die  Tätigkeit  des  Kapitäns  im  vorliegenden  Fall  angehe,  so 
seien  Reeder  und  Charterer  hieran  in  keiner  Weise  beteiligt,  noch  hätten 
sie  darum  gewußt.  Da  es  überdies  nicht  klar  sei,  ob  der  Kapitän  in 
das  japanische  See  Verteidigungsgebiet  einzudringen  im  Begriff  gewesen 
sei,  um  dem  Feinde  dadurch  zu  nützen,  so  könnten  §  37,  Ziffer  5  und 
§  47  der  japanischen  Seeprisenordnung  keine  Anwendung  finden. 

Die  Pariser  Deklaration  vom  Jahre  1856  erklärt  die  Freibeuterei 
mit  Privatschiffen  für  aufgehoben.  Sie  spreche  aus,  daß  auch  feindliches 
Gut,  wenn  es  auf  einem  Schiff  mit  neutraler  Flagge  verladen  sei,  ab- 
gesehen von  Konterbande,  nicht  aufgebracht  und  eingezogen  werden 
dürfe.  Das  moderne  Völkerrecht  erkenne  in  Wissenschaft  und  Praxis 
an,  daß  bezüglich  von  Seeprisen  Kriegskonterbandegüter  sehr  schwer 
zu  beurteilen,  neutrale  Schiffe  dagegen,  welche  solche  nicht  geladen 
hätten,  nicht  so  leicht  aufzubringen  und  einzuziehen  seien. 

Da  in  dem  vorliegenden  Falle  der  „Quang  Nam",  wie  aus  den 
Akten  hervorgehe,  nur  die  widersprechenden  Aussagen  der  Besatzung-, 
dagegen  keine  richtigen  Beweise  vorlägen,  so  sei  Reklamant  der  Ansicht, 
daß  das  Urteil  erster  Instanz  völlig  unbegründet  sei,  und  beantrage 
die  Freigabe  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  beim  Prisen- 
gericht zu  Sasebo,   Mizukami  Chojiro,  sind  folgende: 

1.  Es  sei  in  Schiffahrtskreisen  allgemeiner  Brauch,  daß  der  Charter- 
vertrag, da  er  ein  wichtiges  Schiffspapier  sei,  um  die  Bewegungen  eines 
Schiffes  und  sonstige  Tatsachen  zu  erkennen,  an  Bord  sei.  Der  von 
dem  Reklamanten  eingereichte,  zwischen  ihm  und  der  Gesellschaft  für 
chinesische  Küstenschiffahrt  abgeschlossene  Chartervertrag  sei  indessen 
bei  der  Beschlagnahme  nicht  an  Bord  gewesen,  auch  sei  nichts  vor- 
gebracht, was  seine  Abwesenheit  hätte  begründen  können.  In  der  ersten 
Aussage  des  Kapitäns  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes,  gegen- 
über dem  mit  dem  Fall  beauftragten  Prisenrat,  heiße  es  vielmehr: 

Er  wisse,  daß  das  Schiff  von  der  russischen  Regierung  ge- 
chartert  sei   Das   Schiff   habe   keinen   Chartervertrag 

besessen;  der  Grund  sei  wahrscheinlich  der,  daß  es  von  der 
russischen  Regierung  gechartert  sei  .... 
In  der -zweiten  Aussage  heiße  es: 

Seine  Annahme,  daß  das  Schiff  von  der  russischen  Regierung 
gechartert  sei,  rühre  schon  aus  der  Zeit  vor  der  Abreise 
von  Saigon  her.    Überdies  schließe  er,  daß  das  Schiff  von  . 

850 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Quang  Nam".  Abschnitt  VI^ 

der  russischen  Regierung  gechartert  sei,  daraus,  daß  es  Kohlen 
aus   den   Kohlenlagern   der  russischen   Regierung    erhalten 

habe 

Der  Vizekapitän  habe  in  seiner  ersten  Vernehmung  ausgesagt: 

Davon,  daß  das  Schiff  an  die  russische  Regierung  verkauft 
worden  sei,  habe  er  nichts  gehört,  vc'ohl  sei  aber  in  un- 
bestimmter Weise  davon  gesprochen  vcorden,  daß  es  ver- 
chartert worden  sei.  Etwas  gewisses  müsse  der  Kapitän 
darüber  wissen  .  .  . 
In  der  Vernehmung  des  ersten  Maschinisten  stehe: 

Er  habe  wohl  von  einem  Gerücht  gehört,  nach  welchem  das 
zur  Verhandlung  stehende  Schiff  der  russischen  Regierung 
verchartert  worden  sei,  könne  das  aber  nicht  bestimmt  be- 
haupten   

Die  Mannschaft  sei  einmütig  der  Ansicht,  daß  das  Schiff  in  Charter 
der  russischen  Regierung  stehe,  und  sage  kein  Wort  darüber,  daß  das 
Schiff  von  dem  Reklamanten  gechartert  worden  sei.  Nach  diesen  Aus- 
sagen und  Tatumständen  sei  es  nicht  schwer  zu  schließen,  daß  der 
Chartervertrag  in  Wahrheit  nicht  errichtet  worden  sei,  umsomehr,  als 
der  Chartervertrag  nur  ein  privates  Dokument  sei,  welches  jederzeit 
zwischen  den  Zeichnern  hergestellt  sein  könne  und  daher  nicht  ohne 
weiteres  glaubwürdig  sei. 

Es  sei  daher  zutreffend,  wenn  das  Urteil  erster  Instanz  den  Charter- 
vertrag abgewiesen  und  nicht  als  tatsächlich  anerkannt  habe;  und  die 
Berufung  sei  unbegründet. 

2.  Die  Gründe,  weshalb  der  von  dem  Reklamanten  eingereichte 
Chartervertrag  keinen  Glauben  verdiene,  seien  oben  dargetan.  Wenn 
man  danach  seiner  Errichtung  keinen  Glauben  schenke,  so  könne,  wenn 
der  Reklamant  auch  behaupte,  daß  auf  Grund  dieses  Chartervertrags 
ein  Prozeß  erhoben  und  tatsächlich  beim  Gericht  in  Saigon  anhängig 
sei,  diese  eine  Sache  seine  Errichtung  nicht  beweisen.  Überdies  sei 
die  Tatsache,  daß  die  Zeichner  des  Vertrages  einen  Prozeß  angestrengt 
hätten,  lediglich  eine  Behauptung  des  Vertreters  der  Reklamation,  welche 
nicht  bewiesen  worden  sei. 

3.  In  der  von  dem  Vertreter  der  Reklamation  eingereichten 
notariellen  Vollmacht  sei  der  Auftrag  des  Reklamanten  an  den  Ver- 
treter niedergelegt,  nach  welchem  derselbe  die  Reklamation  in  der  vor- 
liegenden Prisensache  erheben  und  andere  wichtige  Maßnahmen  er- 
greifen solle.  Der  Hauptzweck  der  Vollmacht  sei  eben  der,  die  Einzel- 
heiten der  Vollmacht  klar  darzustellen,  und  es  sei  nach  der  Art  des 
Dokuments  und  seinem  Sinn  klar,  daß  man  über  die  Frage,  ob  der  Voll- 
machtgeber der  Eigentümer  oder  der  Charterer  des  zur  Verhandlung 
stehenden  Schiffs  sei  oder  nicht,  keinen  notariellen  Akt  habe  -nehmen 

(64*)  851 


Abschnitt  VI^s  Prisengerichtsentscheidungen:  ,,Quang  Nam'*. 

wollen.  Wenn  daher  auch  in  der  Vollmacht  stehe,  daß  der  Reklamant 
die  Eigenschaft  eines  Charterers  besitze,  so  könne  man  darin  doch  keinen 
Beweis  für  das  Bestehen  des  Chartervertrags  erblicken.  Dies  um  so 
weniger,  als  die  Tatsache,  daß  das  Wort  „Charterer"  dort  verzeichnet  sei^ 
wohl  beweisen  könne,  daß  der  Reklamant  dem  Notar  gegenüber  eine 
solche  Aussage  gemacht  habe,  nicht  aber,  daß  diese  Aussage  auch  wahr 
gewesen  sei. 

Der  Reklamant  führe  für  die  Behauptung,  daß  seine  Aussage  gegen- 
über dem  Notar  wahr  sei,  deutsche  und  andere  Rechtsbestimmungen  an. 
Diese  hätten  aber  zu  der  vorliegenden  Sache  keine  direkte  Beziehung- 
und  außerdem  sei  die  Behauptung,  wie  oben  dargetan,  offenbar  un- 
begründet und  brauche  hier  nicht  aufs  neue  erörtert  zu  werden. 

4.  In  der  ersten  Aussage  des  Kapitäns,  gegenüber  dem  mit  dem  Fall 
beauftragten  Prisenrat,  heiße  es: 

Er  könne  selbst  den  Grund,  weshalb  er  bis  nach  den  Pes- 
cadores  gegangen  sei,  nicht  klar  aussprechen,  meine  aber,. 

der  Prisenrat  müsse  ihn  selber  kennen 

In  der  zweiten  Aussage  heiße  es: 

Er  glaube,  daß  die  auf  dem  zur  Verhandlung  stehenden 
Schiff  verladenen  Cardiffkohlen  aus  einem  russischen  Kohlen- 
lager entnommen  seien Er  glaube,  daß  das  zur  Ver- 
handlung stehende  Schiff  von  der  russischen  Regierung  ge- 
chartert worden  sei. 
In  der  ersten  Vernehmung  des  Vizekapitäns  heiße  es: 

Freilich  sei  ein  Maschinenschaden  entstanden,  da  aber  darin 
für  die  Reise  kein  Hindernis  gelegen  habe,  so  sei  die  Reise 
fortgesetzt  worden.  Es  sei  nur  ein  kleiner  Schaden  gewesen,, 
der  es  nicht  erfordert  habe,  zu  seiner  Reparatur  in  einen 
Hafen  einzulaufen  oder  die  Hilfe  eines  anderen  Schiffes  in 

Anspruch  zu  nehmen 

Der  erste  Maschinist  habe  in  seiner  ersten  Aussage  gesagt: 

Er  habe  sich  mit  niemandem  darüber  besprochen,  daß  zur 
Reparatur  des  Schadens  Kilung  angelaufen  werden  solle. . . 
Sie  hätten  ein  zwischen  Formosa  und  den  Pescadores 
fahrendes  Schiff  gesichtet  und  seien  demselben  etwa  einen 
halben  Tag  gefolgt.  Dies  sei  aber  nicht  geschehen,  um  seine 

Unterstützung  bei  der  Reparatur  zu  erbitten 

Aus  allen  diesen  Aussagen  und  der  Tatsache,  daß  das  Schiff  ohne 
irgendwelche  Ladung  von  der  Kamranh-Bucht  über  Hongkong  nach 
Shanghai  gefahren  sei,  wo  es  gleichfalls  wiederum  keine  Ladung  ge- 
nommen, sondern  eine  große  Menge  Cardiffkohle  zum  eigenen  Gebrauch 
geladen  habe;  ferner  aus  der  Vorgabe,  nach  Manila  zu  gehen,  während 
es  absichtlich  die  schwierige  Route  zwischen  Formosa  und  den  Pascadores 

852 


Priaengerichtsentscheidungen:  „Quang  Nam".  Abschnitt  VI^ 

genommen  habe  und  unter  Kursänderung  in  die  Hattanstraße  ein- 
gedrungen sei;  sowie  aus  der  bekannten  Tatsache,  daß  auf  den  Pesca- 
dores  ein  Kriegshafen  und  eine  Festung  seien,  welche  in  militärischer  Be- 
ziehung von  größter  Bedeutung  seien:  aus  allem  diesen  sei  es  über  jeden 
Zweifel  erhaben,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  nach  den 
Pescadores  gefahren  sei,  nicht  um  seinen  Maschinenschaden  zu  reparieren, 
sondern  um  für  Rußland  unseren  Verteidigungszustand  auf  den  ge- 
nannten Inseln  und  die  Bewegungen  unserer  Flotte  auszukundschaften. 
Wenn  daher  das  Urteil  diese  Tatsachen  angenommen  und  auf  Einziehung 
des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  erkannt  habe,  so  sei  das  zu- 
treffend, und  die  Berufung  unbegründet. 

Aus  diesen  Gründen  sei  die  Berufung  abzuweisen. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

Nach  dem  von  dem  Reklamanten  aufs  neue  dem  Oberprisengericht 
eingereichten,  von  dem  Landgerichtsdirektor  in  Saigon  beglaubigten 
Chartervertrag  kann  freilich  angenommen  werden,  daß  der  Reklamant 
an  dem  zur  Verhandlung  stehenden  Schiff  rechtliches  Interesse  hat. 

Das  Schiff  ist  aber  von  Saigon  über  Hongkong  nach  Shanghai 
gegangen,  und  hat,  obwohl  es  angegeben  hat,  von  Shanghai  nach  Manila 
zu  gehen,  und  auf  dieser  Route  begriffen  war,  seine  ganze,  bei  Abreise 
von  Shanghai  eingenommene  Ladung  in  der  Kamranh-Bucht  der  russi- 
schen baltischen  Flotte  abgeliefert  und  ist  danach  ohne  jede  Ladung 
weitergefahren.  Auf  dieser  Reise  brannte  es  Cardiffkohle,  welche  weder 
dieses  Schiff  jemals  verwandt  hatte,  noch  überhaupt  im  Osten  ge- 
wöhnliche Handelsschiffe  verwenden.  Obwohl  es  in  Shanghai  noch 
reichlich  Kohlen  für  eine  Reise  nach  Manila  an  Bord  hatte,  nahm  es 
noch  weitere  130  Tons  Cardiffkohle  ein.  Während  es  angab,  von 
Shanghai  nach  Manila  zu  gehen,  fuhr  es  zwischen  Formosa  und  den 
Pescadores  ein,  änderte  absichtlich  seinen  Kurs  und  versuchte  in  die 
Hattan-Straße  einzudringen. 

Der  Kapitän  hat  nach  dem  Vernehmungsprotokoll  ausgesagt,  daß 
das  Schiff  ein  französisches  sei  und  daß  er  nicht  gehört  habe,  daß  es 
bis  zur  Abfahrt  von  Saigon  an  die  russische  Regierung  verkauft  worden 
sei.  Doch  habe  er  gehört,  daß  es  später  an  die  russische  Regierung  ver- 
chartert worden  sei.  Schon  vor  der  Abreise  von  Saigon  habe  er  gedacht, 
daß  das  Schiff  von  der  russischen  Regierung  gechartert  worden  sei; 
dies  habe  er  auch  daraus  geschlossen,  daß  das  Schiff  Kohlen  aus  den 
russischen  Kohlenlagern  erhalten  habe.  Da  aber  kein  Chartervertrag 
da  sei,  so  könne  er  es  nicht  bestimmt  behaupten.  Er  könne  nicht 
deutlich  darüber  aussagen,  weshalb  er  nach  den  Pescadores  gefahren  sei. 

Aber  der  Richter  müsse  das  selber  wissen Freilich  bestehe  an  und  für 

sich  durchaus  kein  Hindernis,  weshalb  er  den  Grund,  aus  welchem  er 
nach  den  Pescadores  gegangen  sei,  nicht  nennen  solle,  wie  oft  er  aber  auch 

853 


Abschnitt  VI>>  Prisengerichtsentscheidungen:  „Quang  Nam". 

gefragt  werde,  werde  er  ihn  doch  nicht  sagen,  weil  das  ihm  nach  seiner 
Rückkehr  in  seine  Heimat  persönlich  schaden  werde.  Wenn  ferner  das 
Schiff  keinen  Chartervertrag  gehabt  habe,  so  nehme  er  an,  daß  der  Grund 
dafür  vielleicht  der  sei,  daß  es  von  der  russischen  Regierung  gechartert 
sei 

Wenn  man  diese  Aussagen  und  den  Umstand  zusammenhält,  daß 
auch  der  Vizekapitän,  der  erste  Maschinist  und  der  dritte  Maschinist  aus- 
gesagt haben,  sie  hätten  unbestimmt  gehört,  daß  das  zur  Verhandlung- 
stehende  Schiff  von  der  russischen  Regierung  gechartert  worden  sei,  so 
muß  man  zu  dem  Schluß  kommen,  daß  das  Schiff  von  der  russischen  Re- 
gierung gechartert  worden  ist  und  versucht  hat,  für  den  Feind  militärische 
Geheimnisse  Japans  auszuspionieren. 

Der  Reklamant  behauptet  freilich,  daß  die  Besatzung  des  zur  Ver- 
handlung stehenden  Schiffs  nur  aus  Leuten  bestehe,  welche  nur  in  der 
Handelsschiffahrt  gedient  hätten  und  zu  militärischer  Spionage  nicht  im- 
stande seien.  Militärische  Spionage  erfordert  aber  keineswegs  unbedingt^ 
daß  der  Betreffende  besondere  militärische  Kenntnisse  besitzt.  Es  ist  "da- 
her unbegründet,  daß  die  Besatzung  eines  Handelsschiffs  dazu  nicht  im- 
stande ist. 

Der  Reklamant  sagt  ferner,  das  Schiff  habe  sich  den  Pescadores 
genähert,  weil  es  damals  Maschinenschaden  gehabt  habe,  der  es  nötigte, 
zur  Reparatur  die  Hilfe  eines  anderen  Schiffs  in  Anspruch  zu  nehmen 
oder  einen  Hafen  anzulaufen.  Es  geht  indes  aus  dem  Bericht  des  zur  Be- 
satzung des  Kaiserlichen  Kriegsschiffs  „Bingo  Maru"  gehörigen  Marine- 
ingenieurs Tsubouchi  Minoru  hervor,  daß  das  zur  Verhandlung 
stehende  Schiff  in  keiner  Weise  Reparaturen  nötig  gehabt  habe,  wegen 
deren  es  habe  vor  Anker  gehen  müssen.  Außerdem  geht  aus  der  oben 
angegebenen  Aussage  des  Kapitäns  hervor,  daß  das  Schiff  nicht,  weil 
Reparaturen  nötig  gewesen  seien,  nach  den  Pescadores  gefahren  ist. 
Daher  kann  auch  die  Behauptung  des  Reklamanten  über  diesen  Punkt 
nicht  anerkannt  werden. 

Aus  diesen  Gründen  ist  es  durchaus  zutreffend,  wenn  das  Urteil 
erster  Instanz  angenommen  hat,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende 
Schiff  für  den  Feind  unseren  Verteidigungszustand  und  die  Bewegungen 
unserer  Flotte  ausspioniert  hat,  und  daraufhin  seine  Einziehung  ent- 
schieden hat.  Daher  ist  die  Berufung  unbegründet. 

Es  wird  demnach  wie  folgt,  entschieden : 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  12.  März  1906  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


854 


Prisengerichtsentscheidungen:  »Quang  Nam".  Abschnitt  Vis^t 

In  der  Prisensache,  betreffend  das  Lazarettschiff  „Orel''  des  russi- 
schen Roten  Kreuzes,  wird  nach  Einsicht  des  Schriftsatzes  der  Staats- 
anwälte Mizukami  Chojiro  und  Yamamoto  Tatsurolcuro, 
wie  folgt,  entschieden : 

Urteilsformel: 
Das  Lazarettschiff  „Orel"  wird  eingezogen. 

Tatbestand  und  Gründe: 
Das  zur  Verhandlung  stehende  Lazarettschiff  „Orel''  steht  im  Eigen- 
tum der  Gesellschaft  der  russischen  freiwilligen  Flotte.  Sein  Heimats- 
hafen ist  Odessa  in  Rußland,  es  führt  die  russische  Handelsflagge  und 
dient  zum  Personen-  und  Gütertransport.  Das  russische  Rote  Kreuz  hat 
das  Schiff  anläßlich  des  japanisch-russischen  Krieges  als  Lazarettschiff 
gechartert,  und  am  29.  Juni  1904  hat  die  russische  Regierung  durch  Ver- 
mittlung des  französischen  Gesandten  in  Japan  für  dasselbe  um  Bewilli- 
gung der  Freiheiten  nachgesucht,  welche  in  den  Artikeln  1  bis  5  des 
Haager  Vertrages  vom  29.  Juli  1899  über  die  Anwendung  der  Grund- 
sätze der  Genfer  Konvention  vom  22.  August  1864  auf  den  Seekrieg  be- 
stimmt  sind.  Auf  Grund  der  Zustimmung  der  Kaiserlichen  Regierung 
wurde  das  Schiff  in  Toulon  in  Frankreich  ausgerüstet  und  mit  der  für  ein 
Lazarettschiff  notwendigen  Einrichtung  versehen.  Es  erhielt  eine  Be- 
scheinigung von  dem  französischen  Marineoberingenieur  der  Schmiede- 
und  Schiffsbauwerkstätten  in  Caen  und  eine  Konzessionsurkunde  der 
russischen  Regierung  und  wurde  der  zweiten  russischen  pazifischen  Flotte 
zugeteilt.  Es  stieß  in  Tanger  in  französisch  Afrika  zu  dieser  Flotte  und 
fuhr  mit  ihr  zusammen  nach  dem  Osten.  Am  21.  November  1904  russi- 
schen Stils  befolgte  es  den  Befehl  des  Kommandierenden  des  Geschwaders, 
dem  zu  dem  Geschwader  gehörigen  Schiff  „Malaia''  nachzufahren  und 
ihm  Order  zu  geben,  sich  nicht  aus  dem  Signalbereich  zu  entfernen. 
Ferner  nahm  es  am  21.  Mai  1905  auf  Befehl  des  Geschwaderchefs  den 
Kapitän  Alex  Steward  und  drei  andere  Leute  des  von  dem  zum  Ge- 
schwader gehörigen  Kriegsschiff  „Oleg"'  aufgebrachten  englischen 
Dampfers  „Oldhamia",  obwohl  diese  ganz  gesund  waren,  mit  der  Wei- 
sung, sie  nach  Wladiwostok  mitzunehmen,  an  Bord.  Bei  Kapstadt  er- 
hielt es  von  dem  Stab  des  Geschwaders  Order,  10  000  Fuß  2  mm  starken 
und  1000  Fuß  1  mm  starken  gut  isolierten  Leitungsdraht  zu  beschaffen. 
Als  das  zweite  und  dritte  Geschwader  sich  der  Straße  von  Tsushima 
näherten,  fuhr  die  „Orel'',  wie  auch  das  andere  Lazarettschiff 
„Kastroma"  bald  auf  der  Höhe  der  ersten,  bald  der  zweiten  Kriegs- 
schiffe des  Geschwaders,  welches  in  Formation  von  zwei  und  drei 
Linien  vorrückte.  Die  beiden  Schiffe  standen  dabei  auf  den  Flügeln 
und  bildeten  mit  dem  an  der  Tete  fahrenden  Schiff  ein  Dreieck. 

85Ö 


Abschnitt  VI^««  PrisengerichUentscheidungen:  „Orel". 

Am  27.  Mai  1905,  3  Uhr  30  Minuten  nachmittags,  wurde  das 
zur  Verhandlung  stehende  Schiff  10  Seemeilen  westlich  von  Okinoshima, 
während  das  russische  Geschwader  mit  der  vereinigten  japanischen 
Kriegsflotte  in  Kampf  war,  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Sado 
Maru"  zu  stoppen  beordert  und  in  der  Folge  nach  der  Miura-Bucht 
bei  Tsushima  geführt  und,  weil  es  die  Operationen  des  Feindes  unter- 
stützt hatte,  mit  Beschlag  belegt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Stellvertreters  des  Kommandanten  der  „Sado  Maru",  Korvettenkapitäns 
Hashi  Kanshiro,  durch  die  Konzessionsurkunde  seitens  des  russi- 
schen außerordentlichen  Gesandten  und  bevollmächtigten  Ministers  in 
Frankreich,  die  Bescheinigung  des  Oberingenieurs  der  Schmiede-  und 
Schiffsbauwerkstätten  in  Gaen  in  Frankreich,  die  Abschrift  einer  Note 
des  französischen  außerordentlichen  Gesandten  und  bevollmächtigten 
Ministers  in  Japan  an  den  Kaiserlichen  Minister  der  Auswärtigen  An- 
gelegenheiten, die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns  der  .,Orer', 
Jacob  Konstantino  witsch  Lafmatoff,  des  ersten  Offiziers 
AlexanderBehrmann,des  Chefarztes  JacobMuritanowski, 
des  Rendanten  Walter  Osten-Sacken,  den  Meßbrief  und  das 
Tagebuch  des  genannten  Dampfers,  das  Vernehmungsprotokoll  des 
Kapitäns  der  „Oldhamia",  AlexSteward,  und  Bescheinigungen  dieses 
Kapitäns  und  der  drei  anderen  Leute  von  demselben  Dampfer. 

Die  Hauptpunkte  der  Staatsanwälte  sind  folgende: 

Da  das  zur  Verhandlung  stehende  Lazarettschiff  erwiesenermaßen 
von  dem  Feinde  zu  Zwecken  der  Kriegsführung  benutzt  worden  sei, 
so  müsse  es  mitsamt  seinem  Zubehör  eingezogen  werden. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Da  sich  die  Vergünstigung  der  Unverletzlichkeit  von  Lazarett- 
schiffen auf  solche  Fälle  beschränkt,  wo  das  Schiff  die  festbestimmten 
Bedingungen  erfüllt  und  ausschließlich  dem  wohltätigen  Zweck  der 
Hülfeleistung  an  Verwundete,  Kranke  und  Schiffbrüchige  dient,  so  kann 
ein  solches  Schiff,  wenn  es  zu  Kriegszwecken  eines  der  kriegführenden 
Staaten  benutzt  wird,  der  Wegnahme  nicht  entgehen.  Das  erkennt  das 
Völkerrecht  allgemein  an  und  das  geht  auch  aus  dem  Wortlaut  des 
Haager  Vertrages,  welcher  die  Genfer  Konvention  für  den  Seekrieg  in 
Anwendung  setzt,  klar  hervor. 

Das  zur  Verhandlung  stehende  Lazarettschiff  hat  freilich  eine 
seinem  Namen  entsprechende  Ausrüstung  erhalten  und  der  Kaiserlichen 
Regierung  ist  von  der  russischen  Regierung  Mitteilung  gemacht  worden  ; 
aber  es  hat,  während  es  dem  russischen  zweiten  pazifischen  Geschwader 
folgte,  auf  der  Fahrt  nach  dem  Osten  einem  zu  dem  Geschwader 
gehörigen  Dampfer  Befehle  des  Geschwaderchefs  übermittelt  und  den 
Kapitän  und  drei  andere  Leute  eines  von  dem  Geschwader  aufgebrachten 

856 


Prisengeiichtsentscheidungen:  „Orel".  Abschnitt  VI^* 

«englischen  Dampfers,  obwohl  diese  gesund  vcaren,  an  Bord  genommen, 
um  dieselben  nach  dem  feindlichen  Kriegs hafen  Wladiwostok  zu  be- 
fördern. Dadurch  hat  es  offenbar  die  feindlichen  Kriegsoperationen 
unterstützt. 

Ferner  muß  daraus,  daß  es  von  dem  Geschwader  Befehl  erhielt, 
Kriegsbedarfsartikel  zu  besorgen  und  daß  es  während  der  Fahrt  den 
Platz,  den  gewöhnlich  Wachtschiffe  haben,  einnahm,  geschlossen  werden, 
daß  dem  zur  Verhandlung  stehenden  Lazarettschiff  stets  die  Erledigung 
von  kriegerischen  Aufgaben  für  das  feindliche  Geschwader  oblag. 

Das  Schiff  kann  daher  die  besondere  Vergünstigung  des  Haager 
Vertrages,  welcher  die  Genfer  Konvention  für  den  Seekrieg  in  An- 
wendung setzt,  nicht  beanspruchen  und  kann  völkerrechtlich  mit  allem 
Recht  eingezogen  werden,  i) 

Da  innerhalb  der  von  dem  unterzeichneten  Prisengericht  in  der 
Bekanntmachung  festgesetzten  Frist  eine  Reklamationsschrift  nicht  ein- 
gegangen ist,  so  wird  nach  Antrag  des  Staatsanwalts  auf  Grund  des 
letzten  Absatzes  des  §  16  der  Prisengerichtsordnung*)  ohne  Verhand- 
lung wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Am  25.  Juli  1905  im  Prisengericht  zu  Sasebo. 

(Unterschriften.) 


In  der  Prisensache,  betreffend  dem  Lazarettschiff  „Orel''  des 
russischen  Roten  Kreuzes  gehöriges  Geld,  wird,  wie  folgt,  entschieden: 

Urteilsformel: 

Das  dem  Lazarettschiff  „Orel''  gehörige  Geld  im  Betrage  von 
54  569  Francs,  83  Centimes  und  2486  Rubel,  44  Kopeken  wird  ein- 
gezogen. 

Tatbestand   und   Gründe: 

Das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  ist  dem  der  russischen  Ge- 
sellschaft vom  Roten  Kreuz  angehörigen  Lazarettschiff  „Orel''  zur 
Bestreitung  der  Gehälter  der  Angestellten  der  Gesellschaft  auf  diesem 
Schiff  und  der  sonstigen  allgemeinen  Ausgaben  geliefert  worden.  Das 
genannte  Lazarettschiff  ist  anläßlich  des  japanisch-russischen  Krieges 
dem  zweiten  russischen  pazifischen  Geschwader  beigegeben  worden  und 
reiste  mit  diesem  zusammen  nach  dem  Osten.  Am  21.  November 
1904  russischen  Stils  befolgte  es  den  Befehl  des  Kommandanten    des 

')  V.  §  47.  —  »)  IV. 

857 


Abschnitt  V^*«  Prisengerichtsentscheidungen:  „Orel"» 

Geschwaders,  dem  zu  dem  Geschwader  gehörigen  Schiff  „Malaia"  nach- 
zufahren und  ihm  Order  zu  geben,  sich  nicht  aus  dem  Signalbereich 
zu  entfernen.  Ferner  nahm  es  am  21.  Mai  1905  auf  Befehl  des  Ge- 
schwaderchefs den  Kapitän  Alex  Steward  und  drei  andere  Leute 
des  von  dem  zum  Geschwader  gehörigen  Kriegsschiff  „Oleg''  auf- 
gebrachten englischen  Dampfers  „Oldhamia'',  obwohl  diese  ganz  ge- 
sund waren,  mit  der  Weisung,  sie  nach  Wladiwostok  mitzunehmen, 
an  Bord.  Bei  Kapstadt  erhielt  es  von  dem  Stab  des  Geschwaders 
Order,  10000  Fuß  2  mm  starken  und  1000  Fuß  1  mm  starken  gut- 
isolierten Leitungsdraht  z^  beschaffen.  Als  das  zweite  und  dritte  Ge- 
schwader sich  der  Straße  von  Tsushima  näherten,  fuhr  die  „Orel"  wie 
auch  das  andere  Lazarettschiff  „Kastroma"  bald  auf  der  Höhe  der 
ersten,  bald  der  zweiten  Kriegsschiffe  des  Geschwaders,  welches  in 
Formation  von  zJwei  und  drei  Linien  vorrückte.  Die  beiden  Schiffe 
standen  dabei  auf  den  Flügeln  und  bildeten  mit  dem  an  der  Tete 
fahrenden  Schiff  ein  Dreieck. 

Als  am  27.  Mai  1905  das  Schiff  in  der  Miura-Bai  bei  Tsushima 
aufgebracht  wurde,  wurde  auch  das  zur  Verhandlung  stehende  Geld 
mit  Beschlag  belegt. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Stellvertreters  des  Kommandanten  der  „Sado  Maru",  Korvettenkapitäns 
Hashi  Kanshiro,  durch  die  Vernehmungsprotokolle  des  Kapitäns 
der  „Orel",  Jacob  Konstantinowitsch  Lafmatoff,  des  ersten 
Offiziers  Alexander  Behrmann,  des  Chefarztes  Jacob  Muri- 
tanowski,  des  Rendanten  Walter  Osten-Sacken  sowie  des 
Kapitäns  der  „Oldhamia",  Alex  Steward,  und  durch  die  Bescheini- 
gungen dieses  Kapitäns  und  der  drei  anderen  Leute  desselben  Dampfers. 

Die   Hauptpunkte  der  Ansicht  der  Staatsanwälte  sind  folgende: 

Da  das  in  Frage  stehende  Lazarettschiff  von  dem  Feinde  zu 
Zwecken  der  Kriegsführung  benutzt  worden  sei,  so  müsse  das  zur 
Verhandlung  stehende  Geld,  welches  zur  Bestreitung  der  verschiedenen 
Ausgaben  des  Schiffes  bestimmt  gewesen  sei,  als  diesem  Lazarettschiff 
zugehöriges  Gut  zusammen  mit  demselben  eingezogen  werden. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Da  das  Lazarettschiff  die  Fähigkeit  des  Genusses  der  besonderen 
Vergünstigung  der  Unverletzlichkeit  verloren  hat  und  als  Prise  zu  be- 
handeln ist,  so  muß  auch  das  gesamte  an  Bord  befindliche  Zubehör 
eingezogen  werden. 

Das  dem  russischen  Roten  Kreuz  angehörige  Lazarettschiff  „Orel" 
hat,  während  es  dem  zweiten  russischen  pazifischen  Geschwader  folgte, 
auf  der  Fahrt  nach  dem  Osten  einem  zu  dem  Geschwader  gehörigen 
Dampfer  Befehle  des  Geschwaderchefs  übermittelt  und  den  Kapitän  und 
drei  andere  Leute  eines  von  dem  Geschwader  aufgebrachten  englischen 

858 


Piisengerlchtsentscheidungen:  „Orel".  Abschnitt  VI^* 

Dampfers,  obwohl  diese  gesund  waren,  an  Bord  genommen,  um  dieselben 
nach  dem  feindlichen  Kriegshafen  Wladiwostok  zu  befördern.  Dadurch 
hat  es  offenbar  die  feindlichen  Kriegsoperationen  unterstützt. 

Ferner  muß  daraus,  daß  es  von  dem  Geschwader  EJefehl  erhielt, 
Kriegskonterbande  zu  besorgen  und  daß  es  während  der  Fahrt  den 
Platz,  den  gewöhnlich  die  Wachtschiffe  haben,  einnahm,  geschlossen 
vcerden,  daß  dem  genannten  Lazarettschiff  stets  die  Erledigung  von 
kriegerischen  Aufgaben  für  das  feindliche  Geschwader  oblag. 

Es  kann  daher  die  besondere  Vergünstigung  des  Haager  Vertrages 
vom  29.  Juli  18Q9,  welcher  die  Grundsätze  der  Genfer  Konvention 
vom  22.  August  1864  auf  den  Seekrieg  zur  Anwendung  bringt,  nicht 
empfangen. 

Das  zur  Verhandlung  stehende  Geld  ist  zum  Betriebe  des  ge- 
nannten Lazarettschiffs  bestimmt  gewesen  und  muß  daher  in  gleicher 
Weise  wie  die  medizinischen  Instrumente  und  Materialien  als  unentbehr- 
lich notwendiges  Zubehör  des  Schiffes  mit  diesem  zusammen  von  rechts- 
wegen  eingezogen  werden,  i) 

Der  auf  dem  Lazarettschiff  befindliche  Generalbevollmächtigte  und 
Kassenführer  der  russischen  Gesellschaft  vom  Roten  Kreuz,  Baron 
Walter  von  Osten-Sacken,  hatte  freilich  in  dieser  Angelegen- 
heit eine  Reklamation  auf  Freigabe  der  gesamten  zur  Verhandlung 
stehenden  Gelder  eingereicht,  er  hat  dieselbe  aber  nach  Schluß  der 
mündlichen  Verhandlung  zurückgezogen. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  3L  Juli  1905  im  Prisengericht  zu  Sasebo,  im  Bei- 
sein des  Staatsanwalts  Yamamoto  Tatsurokuro. 

(Unterschriften.) 


Reklamanten :  T  h  e  o  d  o  r  und  F.  E  i  m  b  c  k  e ,  offene  Handels- 
gesellschaft und  H.  Wilhelm  Dieckmann  jr.,  Kommanditgesell- 
schaft, beide  in  Hamburg,  Deutschland,  vertreten  durch  Rein  hold 
Richter,  Führer  des  Dampfers  „Lydia",  wohnhaft  in  Deutschland, 
Bremerhaven,  Bürgermeister-Schmidtstraße  Nr.  107. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Ishibashi  Tomokichi,  Na- 
gasaki, Togi,  Togiyamachi  Nr.  41. 

In  der  Prisensache  betreffend  den  deutschen  Dampfer  „Lydia"  wird, 
wie  folgt,  entschieden: 

0  §  47. 

859 


Abschnitt  VI^'«  Prisengerichtsentscheidungen:  „Lydia". 

Urteilsformel: 
•  Der  Dampfer  „Lydia"  wird  eingezogen. 

Tatbestand   und  Gründen 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „Lydia"  steht  im  gemein- 
samen Eigentum  der  Reklamanten  Theodor  und  F.  Eimbcke 
(offene  Handelsgesellschaft)  und  der  Kommanditgesellschaft  H.  Wil- 
helm Dieckmann  jr. ,  führt  die  deutsche  Flagge  und  dient  zum 
Gütertransport.  Der  Dampfer  wurde  von  der  im  Miteigentum  stehenden 
Kommanditgesellschaft  H.  Wilhelm  Dieckmann  jr.  gechartert  und 
mit  Bestimmung  für  den  russischen  Hafen  Nikolajewsk  in  Hamburg 
mit  Maschinenöl,  Zylinderöl,  Wagenfett,  Madiafett,  Essigsäure,  Schmier- 
kannen, Zwischenlegscheiben,  Bandeisen,  Treibriemen,  Schmirgel,  Hanf- 
seilen, Kochsalz  und  Salz  beladen.  Es  wurden  zweierlei  Ladungsmanifeste 
und  Konnossemente  ausgestellt,  von  denen  die  einen  Hongkong,  die 
anderen  Nikolajewsk  als  Bestimmungsort  angaben.  Das  Schiff  wurde 
jedoch  nur  mit  den  ersteren  versehen,  um  ihm  den  Anschein  zu  geben, 
als  ob  es  nach  Hongkong  bestimmt  sei. 

Am  8.  April  1905  fuhr  der  Dampfer  von  Hamburg  ab,  traf  am 
4.  Juni  in  Hongkong  ein  und  fuhr,  nachdem  der  Kapitän  das  bereits 
vor  seiner  Ankunft  in  Hongkong  von  der  Reederei  eingetroffene,  auf 
Nikolajewsk  lautende  Ladungsmanifest  und  die  Konnossemente  in 
Empfang  genommen  hatte,  am  8.  Juli  nach  Nikolajewsk  ab,  wobei  er 
Kurs  östlich  um  Formosaund  südlich  von  Okinawa  nahm.  Vom  16.  des- 
selben Monats  geriet  der  Dampfer  in  einen  Taifun,  infolgedessen 
am  17.  sein  Ruder  brach. 

Während  der  Dampfer  auf  der  See  trieb,  wurde  am  20.  ein  Not- 
ruder fertiggestellt  und  beschlossen,  nach  Nagasaki  als  Nothafen  zu 
fahren.  Da  aber  das  Ruder  nicht,  wie  erwartet,  operierte  und  die 
Fahrt  nach  Nagasaki  nicht  möglich  war,  so  wurde  beschlossen,  Shanghai 
als  Nothafen  anzulaufen.  Als  der  Dampfer  am  23.  desselben  Monats 
in  die  Nähe  der  Hauptinsel  Okinawa  kam.,  brach  das  Ruder  w^ieder 
und  das  Schiff  mußte,  weil  es  bewegungsunfähig  war,  seine  Fahrt  nach 
Shanghai  aufgeben  und  die  Signalstation  von  Kap  Kiamu  auf  der  ge- 
nannten Insel  um  Hilfe  angehen.  Es  fuhr  alsdann  unter  Beistand  des 
japanischen  Dampfers  „Futami  Maru"  nach  dem  Hafen  von  Naha  und 
wurde  daselbst  am  26.  desselben  Monats,  weil  es  Kriegskonterbande 
an  Bord  haben  sollte,  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Nippon  Maru" 
beschlagnahmt. 

Die  obigen  Tatsachen  gehen  klar  hervor  aus  der  schriftlichen  Aus- 
sage des  Kommandanten  des  Kriegsschiffs  „Nippon  Maru",  Narikawa 
K  i ,  aus  den  Vernehmungsprotokollen  des  Kapitäns  R  e  i  n  h  o  1  d 
Richter,  des  ersten  Offiziers  Franz  Bernau,  des  zweiten  Offiziers 

860 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Lydia**.  Abschnitt  VI'*» 

Hans  Ostermann  vom  Dampfer  „Lydia'',  aus  dem  Schiffszertifikat, 
dem  Ladungsmanifest,  den  Konnossementen,  dem  Logbuch,  dem  Charter- 
vertrag und  dem  Gesundheitspaß  des  genannten  Dampfers. 

Die  Hauptpunkte  des  Vertreters  der  Reklamation  sind  folgende: 

1.  Der  Dampfer  sei  nicht  auf  der  Fahrt  nach  Nikolajewsk  beschlag- 
nahmt worden.  Er  habe  vielmehr  seine  Reise  nach  Nikolajewsk  auf- 
gegeben gehabt  und  sei  bereits  250  Seemeilen  nach  Shanghai  zurück- 
gekehrt gewesen,  als  er  die  Signalstation  von  Kap-Kiamu  auf  Okinawa 
um  Hilfe  bat  und  in  den  Hafen  von  Naha  einfuhr.  Während  er  dort 
vor  Anker  lag,  sei  er  beschlagnahmt  worden.  Selbst  angenommen,  der 
Dampfer  habe  Konterbandeschiffahrt  betrieben,  so  habe  er  doch  unter- 
wegs seinen  Plan  geändert  und  sein  Ziel  aufgegeben  und  könne  des- 
halb nicht  beschlagnahmt  werden. 

2.  Eine  Entscheidung  darüber,  ob  die  Fahrt  völkerrechtlich  als 
verboten  anzusehen  sei  oder  nicht,  könne  nur  unter  Zugrundelegung 
der  gegenwärtigen  Tatsachen  und  Umstände  getroffen  werden.  Auf 
bloße  Vermutung  zukünftiger,  noch  unbestimmter  Tatsachen  hin,  wie 
z.  B.  daraufhin,  daß  der  Dampfer  nach  Fertigstellung  seiner  Reparaturen 
die  einstweilen  unterbrochene  Fahrt  wieder  aufgenommen  haben  würde, 
könne  eine  derartige  Entscheidung  rechtmäßig  nicht  gefällt  werden.  An- 
genommen aber,  die  Entscheidung  entspreche  dem  Recht,  so  wäre  es 
doch  unmöglich  gewesen,  daß  der  Dampfer,  nachdem  er  in  Shanghai 
angekommen  wäre  und  seine  Reparaturen  bewerkstelligt  hätte,  früher 
als  am  15.  Oktober  Shanghai  hätte  verlassen  können.  Da  zu  dieser 
Zeit  die  See  schon  zugefroren  gewesen  sein  würde,  so  würde  der 
Dampfer  seine  Reise  nach  Nikolajewsk  erst  im  April  nächsten  Jahres 
haben  ausführen  können.  Es  erübrige  sich,  gegenwärtig,  wo  der  Frieden 
zwischen  Japan  und  Rußland  bereits  geschlossen  und  die  Ratifikation 
schon  ziemlich  sicher  sei,  darüber  Worte  zu  verlieren,  daß  eine  Beschlag- 
nahme auf  Grund  von  Tatsachen,  die  erst  nach  dem  April  nächsten 
Jahres  eintreten  könnten,  nicht  zu  rechtfertigen  sei. 

3.  Angenommen,  die  Verteidigungspunkte  zu  1  und  2  hätten  keinen 
Bestand,  so  seien  doch  die  an  Bord  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Dampfers  verladenen  Güter  vorzugsweise  landwirtschaftliche  Geräte,  also 
keine  Kriegskonterbande.  Weder  sie  noch  der  Dampfer,  der  sie  führe, 
könnten  demnach  eingezogen  werden. 

4.  Es  befänden  sich  freilich  unter  der  Ladung  einige  Güter,  die 
nach  dem  Standpunkt  der  japanischen  Regierung  Kriegskonterbande 
wären;  ihre  Verladung  sei  aber  ohne  Dolus  oder  Prämeditation  ge- 
schehen. Da  ferner  Schiffseigentümer  und  Ladungseigentümer  ver- 
schiedene Personen  wären,  so  erscheine  es  recht  und  billig,  nur  die 
Kriegskonterbande  einzuziehen,  die  übrige  Ladung  aber  sowie  das  Schiff 
freizulassen. 

861 


Abschnitt  VI^«  Prisengerichtsentscheidiingen:  „Lydia". 

Aus  diesen  Gründen  beantrage  er  die  Freilassung  des  zur  Ver- 
handlung stehenden  Schiffes. 

Die   Hauptpunkte  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  sind  folgende: 

Da  das  unter  der  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Dampfers 
befindliche  Bandeisen,  Maschinenöl,  die  Treibriemen,  das  Kochsalz  usvc 
nach  Nikolajewsk  bestimmt  gewesen  seien,  so  wären  sie  Kriegskonter- 
bande. Da  ferner  der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  bei  dem 
Transport  dieser  Kriegskonterbandegüter  sich  falscher  Angaben  bedient 
habe  und  Schiff  und  Ladung  derselben  Person  gehöre,  so  sei  das 
Schiff  einzuziehen. 

Das  Gericht  betrachtet  ^s  als  Bestimmung  und  Gebrauch  des 
Völkerrechts,  daß  Schiffe,  welche  unter  Anwendung  die  Wahrheit  ent- 
stellender Mittel  Kriegskonterbande  führen,  einzuziehen  sind. 

Was  die  unter  der  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Damp- 
fers befindlichen  Güter,  nämlich  Maschinenöl,  Zylinderöl,  Wagenfett, 
Madiafett,  Essigsäure,  Schmierkannen,  Zwischenlegescheiben,  Bandeisen, 
Treibriemen,  Schmirgel  und  Hanfseile  angeht,  so  sind  sie  Materialien 
zum  Bau  und  zur  Ausrüstung  von  Kriegs-  und  Handelsschiffen;  das 
Kochsalz  und  sonstige  Salz  ist  ein  Nahrungsmittel;  der  Bestimmungsort 
Nikolajewsk  ist  zusammen  mit  Wladiwostok  der  wichtigste  Verteidigungs  - 
punkt des  russischen  Küstengebiets;  nachdem  seit  etwa  Juni  oder 
Juli  1906  Wladiwostok  von  der  Kaiserlichen  Kriegsflotte  von  dem  See- 
verkehr mehr  oder  weniger  abgeschnitten  war,  diente  hauptsächlich 
Nikolajewsk  als  Tor  und  Tür  für  die  Einfuhr  von  Kriegsbedarfsartikeln. 
Aus  diesen  Tatsachen  muß  geschlossen  werden,  daß  die  genannten 
Waren  für  den  Kriegsbedarf  des  Feindes  geliefert  werden  sollten  und 
daß  sie  daher  Kriegskonterbande  sind,  i) 

Obwohl  der  Dampfer  bereits  bei  seiner  Abreise  von  Hamburg  de- 
finitiv nach  Nikolajewsk  bestimmt  war,  wurden  Ladungsmanifest  und 
Konnossemente,  um  der  Aufbringung  durch  das  zu  der  Zeit  zwischen 
Hongkong  und  Singapore  kreuzende  Kaiserliche  Geschwader  zu  ent- 
gehen, auf  Hongkong  ausgestellt  und  das  Schiff  mit  diesen  Papieren 
versehen.  Weil  das  Schiff  derart  unter  Anwendung  von  -Mitteln,  welche 
die  Wahrheit  entstellen  sollten,  Kriegskonterbande  geführt  hat,  ist  das- 
selbe einzuziehen.  2) 

Der  Prozeßvertreter  behauptet,  der  zur  Verhandlung  stehende 
Dampfer  habe  seine  Reise  nach  Nikolajewsk  aufgegeben  gehabt;  an- 
genommen aber,  er  habe  sie  nicht  aufgegeben  gehabt;  so  würde  er  doch 
wegen  seiner  Reparaturen  die  Reise  nicht  vor  dem  15.  Oktober  d.  Js. 
haben  fortsetzen  können.  Zu  dieser  Zeit  sei  aber  das  Meer  bereits 
zugefroren,  so  daß  der  Dampfer  erst  nach  April  nächsten  Jahres  seine 
Reise  hätte  unternehmen  können.    Auf  eine  derartige  noch  völlig  un- 

Ö^.^iffer  1  und  2.  —  2)  V.  §  44. 

862 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Lydia".  Abschnitt  Vis^a 

bestimmte  Tatsache  hin  das  Schiff  mit  Beschlag  zu  belegen,  sei  un- 
rechtmäßig. I>em  steht  entgegen,  daß  der  Kapitän  Reinhold  Richter 
auf  eine  Frage  des  Untersuchungsrichters  geantwortet  hat,  daß  er  nach 
Ausführung  einer  vorläufigen  Reparatur  in  Okinawa  nach  Nikolajewsk 
weitergefahren  sein  würde,  woraus  klar  hervorgeht,  daß  der  Kapitän 
zur  Zeit  der  Beschlagnahme  seinen  Plan,  nach  Nikolajewsk  zu  fahren, 
nicht  aufgegeben  hatte.  Es  muß  als  ein  allgemeiner  Grundsatz  des 
Völkerrechts  angesehen  werden,  daß  ein  Schiff,  welches  Kriegskonter- 
bande führt,  wenn  es  zur  Zeit  der  Aufbringung  sein  Ziel  nicht  end- 
gültig aufgegeben  hat,  der  Aufbringung  unterliegt.  Daher  ist,  selbst 
wenn  wie  im  vorliegenden  Falle  das  Schiff  nicht  in  der  Lage  war, 
die  Reise  wegen  seiner  Reparaturen,  eher  als  nach  April  nächsten  Jahres 
auszuführen,  in  der  Aufbringung  eine  Unrechtmäßigkeit  nicht  zu  finden. 
Dieses  um  so  weniger  als,  selbst  wenn  das  Schiff  nach  Shanghai  ge- 
fahren wäre  und  dort  in  Reparatur  gegangen  wäre,  eine  so  lange  Zeit, 
wie  der  Prozeßvertreter  behauptet,  dazu  nicht  erforderlich  gewesen  wäre 
und  der  Dampfer  sehr  wohl  vor  Zufrieren  der  nördlichen  Gewässer 
in  Nikolajewsk  hätte  eintreffen  können. 

Die  Behauptungen  des  Prozeßvertreters  sind  also  unbegründet,  und 
es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  18.  Oktober  1905  im  Prisengericht  zu  Sasebo,  im  Bei- 
sein des  Staatsanwalts  Mizukami  Chojiro. 

(Unterschriften.) 


Reklamanten: Theodor  &  F.  Eimbcke,  offene  Handelsgesell- 
schaft, und  H.Wilhelm  Dieckmann  jr.,  Kommanditgesellschaft, 
beide  in  Hamburg,  vertreten  durch  Reinhold  Richter,  Führer  des 
Dampfers  „Lydia",  wohnhaft  in  Bremerhaven,  Bürgermeister-Schmidt- 
straße Nr.  107. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Ishibashi  Tomokichiin 
Nagasaki,  Togiyamachi  Nr.  41.     . 

Am  18.  Oktober  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der 
Prisensache,  betreffend  den  am  26.  Juli  1905  im  Hafen  von  Naha  von 
dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Nippon  Maru"  aufgebrachten  deutschen 
Dampfer  „Lydia",  ein  Urteil  gefällt,  in  welchem  auf  Einziehung  des 
Dampfers  „Lydia"  erkannt  worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  Rein  hold  Richter,  als  Ver- 
treter der  Reklamanten,    der    offenen    Handelsgesellschaft  Theodor 

863 


Abschnitt  VI^«  Prisengerichtsentscheidungen:  „Lydia'*. 

&  F.  Eimbcke  und  der  Kommanditgesellschaft  H.  Wilh.  Dieck- 
mann jr.,  durch  den  Rechtsanwalt  Ishibashi  Tomokichi  als 
Prozeßvertreter  die  Berufung  eingelegt,  welche  im  Beisein  des  Staats- 
anwalts Dr.  jur.  Ishiwatari  Binichi  beim  Oberprisengericht  ge- 
prüft worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Vertreters  der  Reklamation 
sind  folgende : 

Es  werde  Aufhebung  des  Urteils  erster  Instanz  und  Freigabe  des 
Dampfers  „Lydia"  beantragt,  und  zwar  aus  folgenden  Gründen: 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  sei  auf  der  Fahrt  nach 
iNJikolajewsk  am  16.  Juli  1905  auf  offener  See,  27 «  40'  nördlicher  Breite 
und  131  ö  2'  östlicher  Länge  von  einem  schweren  Unwetter  betroffen 
worden  und  habe  bei  zunehmendem  Sturme  am  folgenden  Tage  Ruder- 
havarie erlitten.  Nachdem  der  Dampfer  drei  Tage  lang  steuerlos  ge- 
trieben sei,  sei  es  am  20.  Juli  gelungen,  ein  Notruder  fertigzustellen. 
Da  jedoch  mit  Rücksicht  auf  die  Schiffshavarie  und  die  noch  beträcht- 
liche Entfernung  bis  Nikolajewsk  die  Fahrt  nach  dem  ursprünglichen 
Bestimmungshafen  unausführbar  erschienen  sei,  so  habe  man  am  selben 
Tage  (die  Mittagsposition  des  Schiffes  sei  26  <*  45'  nördlicher  Breite 
und  1310  35'  östlicher  Länge  gewesen)  zwischen  5  und  8  Uhr  nach- 
mittags in  einem  Schiffsrate  der  Offiziere  beschlossen,  nach  Shanghai  zu 
gehen.  In  Ausführung  dieses  Beschlusses  sei  das  Schiff  drei  weitere 
Tage  gefahren  und  habe  zirka  250  Seemeilen  zurückgelegt.  Als  es 
am  23.  desselben  Monats,  nachmittags  zwischen  1  und  4  Uhr  unweit 
der  Okinawa-lnseln  infolge  neuerdings  erlittenen  Schadens  am  Notruder 
bewegungsunfähig  geworden  sei,  habe  es  durch  Signale  von  der  Signal- 
station bei  Kap  Kiamu  Hilfe  erbeten  und  sei  am  24.,  5  Uhr  nachmittags, 
von  dem  Dampfer  „Futami  Maru"  in  den  Hafen  von  Naha  eingeschleppt 
worden.  Während  der  Dampfer  dort  vor  Anker  gelegen  habe,  sei  er 
am  26.  desselben  Monats  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Nippon 
Maru"  aufgebracht  worden.  Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer 
sei  mithin  keineswegs  auf  der  Fahrt  nach  Nikolajewsk  aufgebracht 
worden.  Vielmehr  sei  der  Verlauf  der  gewesen,  daß  der  Dampfer  die 
Reise  dorthin  längst  aufgegeben  gehabt,  von  der  Fahrt  nach  Shanghai 
bereits  250  Seemeilen  zurückgelegt,  Naha  als  Nothafen  angelaufen  und 
daselbst  vor  Anker  gelegen  habe,  als  er  aufgebracht  worden  sei.  Nach 
völkerrechtlicher  Praxis  unterliege  jedoch  ein  Schiff,  das  mit  der  Ab- 
sicht, dem  Feinde  Konterbande  zuzuführen,  ausgefahren  sei,  nicht  der 
Einziehung,  wenn  es  während  der  Fahrt  seine  Absicht  ändere  und  den 
Transport  der  Konterbande  aufgäbe.  Aus  diesem  Grunde  müsse  das 
zur  Verhandlung  stehende  Schiff  ganz  fraglos  freigegeben  werden. 

Im   Urteil  der  ersten    Instanz  sei  die  im   Vernehmungsprotokoll 
aufgezeichnete  Aussage  des  Kapitäns  Reinhold  Richter  „wenn  sich 

864 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Lydia".  Abschnitt  TI&s« 

die  Reparatur  des  Dampfers  in  Okinawa  hätte  bewerkstelligen  lassen, 
so  wäre  er  nach  Nikolaiewsk  gefahren",  angezogen  und  auf  Grund 
derselben  die  Fahrt  nach  Shanghai  als  Ausflucht  angesehen  worden. 
Daß  sich  jedoch  der  Dampfer  wirklich  auf  der  Fahrt  nach  Shanghai 
befunden  habe,  dafür  spreche  die  effektive  Tatsache,  daß  er  drei  Tage 
lang  den  Kurs  auf  Shanghai  genommen  und  bereits  annähernd  250 
Seemeilen  zurückgelegt  habe.  Die  als  Aussage  des  Kapitäns  in  dem 
Vernehmungsprotokoll  verzeichneten  Angaben  entsprächen  nicht  den 
Tatsachen  und  seien  nicht  von  ihm  geäußert  worden.  Der  Kapitän 
habe  gegen  diese  unsinnige  Aussage  schon  in  der  ersten  Instanz  pro- 
testiert; vermutlich  beruhe  sie  auf  einem  Mißverständnis  des  Dolmetschers. 
Aber  selbst,  wenn  der  Kapitän  ausgesagt  haben  sollte,  er  würde  nach 
Nikolajewsk  gegangen  sein,  so  müsse  man  doch  angesichts  klaren  Gegen- 
beweises, der  darin  liege,  daß  er  tatsächlich  nach  Shanghai  umgekehrt 
sei,  nach  den  Grundsätzen  der  Beweisaufnahme  diese  Tatsachen  als 
Beweis  gelten  lassen  und  jene  Aussage  verwerfen.  Dies  umsomehr, 
als  auch  in  dem  Schiffsjournal,  welches  nicht  unter  dem  Verdacht  nach- 
träglicher Fälschung  stehen  könne,  da  es  von  dem  die  Aufbringung 
bewirkenden  Offizier  beschlagnahmt  worden  sei,  sich  ausdrücklich  die 
Aufzeichnung  finde,  daß  die  Schiffsoffiziere  am  20.,  nachmittags 
zwischen  5  und  8  Uhr,  Schiffsrat  abgehalten  und  einstimmig  beschlossen 
hätten,  nach  Shanghai  zu  gehen.  Von  einem  derartigen  Beschluß  aber 
könne  der  Kapitän,  falls  nicht  neue  Hindernisse  einträten,  nicht  eigen- 
mächtig abgehen.  Jedoch  einmal  angenommen,  daß  die  im  Vernehmungs- 
protokoll aufgezeichnete  Aussage  des  Kapitäns  durchaus  beweiskräftig 
sei,  so  könne  man,  wenn  man  die  ganze  Vernehmung  genau  lese,  sie 
nur  in  dem  Sinne  interpretieren,  daß  die  Reise  nach  Nikolajewsk  tat- 
sächlich aufgegeben  gewesen  sei.  Es  heiße  nämlich  in  dem  Protokoll: 
Falls  sich  die  Reparatur  in  Okinawa  hätte  bewerkstelligen 
lassen,  würde  man  nach  Nikolajewsk  gegangen  sein;  da  je- 
doch an  dem  Platz  kein  Schmied  ausfindig  zu  machen  ge- 
wesen sei,  so  habe  man  beschlossen,  nach  Nagasaki  zu  gehen. 
Diese  Worte  besagten  doch,  daß,  weil  die  Reparatur  in  Okinawa  nicht 
tunlich,  die  Reise  nach  Nikolajewsk  unmögHch  gewesen  sei.  Im  übrigen 
seien  sie  eine  Antwort  auf  die  Frage  des  mit  dem  Fall  beauftragten 
Rats :  „was  er  zu  tun  beabsichtigt  habe,  wenn  die  Reparatur  in  Okinawa 
fertiggestellt  worden-  wäre",  d.  h.,  auf  eine  Frage,  welche  einen  zu- 
künftigen Fall  annehme.  Demnach  sei  die  Aussage,  sozusagen,  eine 
bedingte  gewesen,  die  nicht  geeignet  sei,  die  Tatsache  der  wirklich 
angetretenen  Fahrt-oiach  Shanghai  und  die  in  dem  Schiffsjournal  auf- 
gezeichneten Tatsachen  zu  entkräften. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  beim  Prisen- 
gericht zu  Sasebo,  Yamamoto  Tatsurokuro,  sind  folgende: 

Mar 8 tr an d-Meohlenburg,  Das  Japanische  Prisenreoht.  (55)  oDö 


Abschnitt  VI^«  Prisengerichtsentscheidungen:  „Lydia". 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „Lydia"  stehe  im  Eigentum 
der  offenen  Handelsgesellschaft  Theodor  &  F.  Eimbcke  und  der 
Kommanditgesellschaft  H.  Wilhelm  Dieckmann  jr.  Der  beiden 
Gesellschaften  angehörige  Dieckmann  jr.  habe,  ohne  eines  be- 
sonderen Chartervertrags  zu  bedürfen,  ausdrücklich  einen  Chartervertrag 
abgeschlossen.  Er  habe  bei  der  Ausfahrt  von  Hamburg  zwei  I^dungs- 
verzeichnisse  ausgestellt,  von  denen  das  eine  auf  Hongkong,  das  andere 
auf  Nikolajewsk  lautete,  habe  das  letztere  per  Post  nach  Hongkong 
geschickt  und  dadurch  vermeiden  wollen,  daß  das  Schiff  vom  japanischen 
Geschwader  aufgebracht  würde.-  Er  habe  geplant,  Kriegskonterbande 
nach  dem  feindlichen  Hafen  Nikolajewsk  zu  befördern,  und  wenn  er 
auch  infolge  eines  unerwarteten  Hindernisses  seinen  Plan  nicht  habe 
ausführen  können,  so  könne  dieser  Umstand  dennoch  die  Tatsache  des 
Transports  von  Kriegskonterbande  nicht  auslöschen.  Die  Einziehung 
von  Schiff  und  Ladung  im  Falle  der  Zufuhr  von  Kriegskonterbande 
an  den  Feind  beschränke  sich  keineswegs  auf  den  Fall,  wo  anzunehmen 
sei,  daß  der  Transport  ohne  Hindernisse  hätte  ausgeführt  werden 
können.  Vielmehr  müsse  ein  Schiff,  das  zum  Zwecke  des  Transports 
von  Konterbande  ausgefahren  sei  und  in  einem  Sturm  Havarie  erleide, 
auch  während  es  umhertreibe,  oder  Zuflucht  suche,  als  auf  der  ursprüng- 
lich beabsichtigten  Fahrt  befindlich  erachtet  werden. 

Die  Reklamanten  versuchten  mit  der  Tatsache,  daß  das  Schiff, 
nachdem  es  in  einem  Sturme  Ruderhavarie  erlitten,  auf  dem  Wege 
nach  Shanghai  gewesen  sei  und  bei  Kap  Kiamu  um  Hilfe  gebeten 
habe,  darzutun,  daß  es  seine  Reise  aufgegeben  gehabt  habe.  Dies  offen- 
bare jedoch  vielmehr  die  Absicht,  den  Schaden  zu  reparieren,  be- 
ziehungsweise der  Seenot  einstweilen  zu  entgehen  und  nachher  die  Reise 
fortzusetzen.  Als  Beweis  dafür,  daß  die  Reise  aufgegeben  gewesen  sei, 
könnten  diese  Tatsachen  dagegen  nicht  angesehen  werden,  zumal  der 
Kapitän  klar  und  deutlich  ausgesagt  habe,  nach  Ausbesserung  der 
Schäden  hätte  er  direkt  nach  dem  ursprünglichen  Bestimmungshafen 
Nikolajewsk  gehen  wollen. 

Die  Reklamanten  argumentierten  ferner, 

wenn  man  die  Vernehmung  des  Kapitäns  genau  lese,  so  könne 
,  man  sie  nur  in  dem  Sinne  interpretieren,  daß  die  Reise  nach 

Nikolajewsk  tatsächlich  aufgegeben  gewesen  sei.  Es  heiße 
nämlich  im  Protokoll:  „falls  sich  die  Reparatur  in  Okinawa 
hätte  bewerkstelligen  lassen,  würde  man  nach  Nikolaiewsk 
gegangen  sein ;  da  jedoch  an  dem  Platze  kein  Schmied  aus- 
findig zu  machen  gewesen  sei,  so  habe  man  beschlossen, 
nach  Nagasaki  zu  gehen".  Erwäge  man  nun,  daß  die  Repa- 
ratur  tatsächlich  in  Okinawa  unmöglich  gewesen  sei,  so  werde 

866 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Lydia".  Abschnitt  VI»« 

durch  die  Aussage  die  tatsächliche  Sachlage  bestätigt,  daß 
man  bestimmt  nicht  nach  Nikolajewsk  habe  gehen  wollen. 
Indessen,  wenn  auch  der  Schaden,  den  der  Schiffskörper  erlitten  ge- 
habt habe,  noch  so  groß  gewesen  wäre,  so  daß  das  Schiff  absolut  nicht 
nach  Nikolajewsk  hätte  gehen  können,  so  könne  man  daraus  noch  nicht 
folgern,  daß  es  die  Zufuhr  von  Konterbande  aufgegeben  habe.  Stehe 
doch  ausdrücklich  in  den  Konnossementen,  daß  der  Kapitän,  falls  er 
infolge  von  Unwetter  oder  aus  einem  andern  Grunde  verhindert  sein 
sollte,  die  Ladung  auf  seinem  Schiffe  zu  befördern,  die  Pflicht  habe, 
die  Güter  auf  ein  anderes  Schiff  umzuladen,  oder  sich  mit  einem 
Schlepper  nach  dem  Bestimmungshafen  schleppen  zu  lassen.  Übrigens 
sei  auch  der  Schaden,  den  das  Schiff  genommen  habe,  gering,  wiewohl 
nach  Behauptung  der  Reklamanten  die  Reparatur  so  lange  Zeit  in  An- 
spruch nehmen  würde,  daß  das  Schiff  den  Bestimmungshafen  nicht 
vor  seiner  Vereisung  hätte  erreichen  können.  Was  schließlich  den  ein- 
stimmigen Beschluß  der  Schiffsoffiziere,  nach  Shanghai  zu  gehen,  an- 
lange, so  habe  dieser  Hafen  nur  als  Nothafen  angelaufen  werden  sollen; 
ebenso  habe  man  Kap  Kiamu  nur  um  Beistand  angesprochen  und 
Okinawa  angelaufen,  um  das  Ruder  zu  reparieren.  Diese  Tatsachen 
seien  jedoch  nicht  das  geringste  Anzeichen  dafür,  daß  die  ursprüng- 
liche Reise  des  Schiffes  aufgegeben  worden  sei.  Wenn  daher  die  erste. 
Instanz  in  der  Überzeugung,  daß  es  sich  um  den  Transport  von  Kriegs- 
konterbande unter  Vorspiegelung  falscher  Tatsachen  gehandelt  habe>. 
das  Schiff  eingezogen  habe,  so  sei  diese  Entscheidung  wohl  gerecht- 
fertigt und  die  Berufung  der  Reklamanten  sei  daher  als  grundlos  zu  ver- 
w^erfen. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 
Nikolajewsk  befindet  sich  im  Mündungsgebiet  des  Amur-Flusses 
und  ist  gleichwie  Wladiwostok  einer  der  wichtigsten  Stützpunkte  im 
Rücken  der  Verteidigungslinie  der  die  Mandschurei  besetzt  haltenden 
russischen  Armee  gewesen.  Von  dem  Zeitpunkt  an,  wo  die  Kaiserliche 
Marine  den  Seeverkehr  nach  Wladiwostok  vollständig  abgeschnitten  hatte> 
wurde  Nikolajewsk  zum  Einfuhrort  für  den  gesamten  russischen  Kriegs- 
bedarf. Dazu  kommt,  daß  Nikolajewsk  befestigt  war  und  daß  Kanonen- 
boote und  Torpedoboote  dort  stationiert  waren.  Ferner  waren  in  Niko- 
lajewsk Landtruppen  stationiert  und  es  wurde  tatsächlich  energisch  in 
Verteidigungszustand  gesetzt.  Unter  diesen  Umständen  ist  es  klar,  daß 
die  Ladung  des  Dampfers  „Lydia'',  unter  welcher  sich  Material  für 
den  Bau  und  die  Ausrüstung  von  Kriegsschiffen  und  anderen  Schiffen, 
Maschinenöl,  Zylinderöl,  Wagenschmieröl,  Madiafett,  Essigsäure,  Schmier- 
kannen, Zwischen legescheiben,  Bandeisen,  Treibriemen,  Schmifgel,  Hanf- 
garn —  alles  Gebrauchsartikel  für  solche  Schiffe  —  und  Proviant,  wie 
z.  B.  Tafel-  und  anderes  Salz,  befand,  dem  Feind  für  dessen  Kriegs- 

(55*)  867 


Abschnitt  VI  65  a  Prisengerichtsentschef düngen :  „Lydia". 

bedarf  zugeführt  werden  sollte  und  dementsprechend  als  Kriegskonter- 
bande anzusehen  ist.  Wenn  ferner  die  Sache  äußerlich  so  arrangiert 
>«^orden  ist,  daß  zur  Zeit  des  Antritts  der  Seereise  der  „Lydia"  der 
H.  Wilhelm  Dieckmann  jr.  als  Charterer  des  Schiffs  und  als 
Verschiffei  der  Ladung  erscheint,  so  ist  doch  im  Ladehafen  Hamburg 
die  ganze  Verladung  unter  der  Aufsicht  des  Faktors  Dreier  der  im 
Miteigentum  des  Schiffs  stehenden  offenen  Handelsgesellschaft 
F.  Eimbcke&Co.  erfolgt  und  der  Empfänger  der  Ladung,  die  Firma 
Nobel  &  Co.  in  Nikolajewsk  ist  das  im  Miteigentum  des  Schiffs 
stehende,  unbeschränkt  haftende  Mitglied  der  Kommanditgesellschaft. 
Aus  dem  Umstand,  daß  der  Kapitän  den  Befehl  erhalten  hatte,  nach 
seiner  Ankunft  am  Bestimmungshafen  die  Schiffsflagge  des  Ladungs- 
empfängers zu  setzen,  geht  klar  hervor,  daß  die  Seereise  des  Schiffes 
mit  der  Absicht  der  Beförderung  der  Kriegskonterbande  im  gemein- 
schaftlichen Interesse  der  Miteigentümer  des  Schiffes  unternommen 
wurde.  In  einem  der  Konnossemente  steht  geschrieben,  das  Schiff 
habe  Ladung  für  Hongkong  eingenommen.  Der  Kapitän  behauptet 
zwar,  er  habe  bei  der  Abreise  aus  Hamburg  nicht  gewußt,  ob  das  Schiff 
nach  Nikolajewsk  bestimmt  sei  oder  wohin  sonst;  aber  andererseits 
hat  er  auch  erklärt,  die  beim  Eintreffen  des  Schiffs  in  Rußland  benötigten 
Papiere,  nämlich  ein  Gesundheitspaß,  ausgestellt  von  den  Hamburgischen 
Polizeibehörden  sowie  die  anderen  Konnossemente,  aus  denen  die  Ab- 
sicht, die  Ladung  nach  Nikolajewsk  zu  befördern,  hervorgehe,  seien  am 
7.  April  1905,  also  vor  der  Abreise  des  Dampfers,  zu  Hamburg  aus- 
gestellt worden.  Hieraus  ergibt  sich,  daß  das  Schiff  von  Anfang  an 
nach  Nikolajewsk  im  russischen  Staatsgebiet  bestimmt  war,  daß  es  aber 
zunächst,  um  der  Aufbringung  durch  die  zwischen  Singapore  und  Hong- 
kong kreuzenden  Schiffe  der  Kaiserlich  Japanischen  Flotte  zu  entgehen, 
nur  Schiffspapiere  bei  sich  führte,  in  denen  Hongkong  als  Bestimmungs- 
hafen angegeben  war,  während  die  Konnossemente  und  der  Gesund- 
heitspaß, in  denen  Nikolajewsk  als  Bestimmungshafen  angegeben  war, 
besonders  per  Post  gesandt  wurden,  um  dem  Schiff  erst  in  Hongkong 
ausgehändigt  zu  werden,  ein  Plan,  der  offenbar  den  Zweck  hatte,  die 
Konterbandefahrt  zu  erleichtern.  Es  muß  daher  behauptet  werden,  daß 
das  Schiff  einen  Konterbandetransport  geplant  und  sich  dabei  betrüge- 
rischer Mittel  bedient  hat. 

Die  Reklamanten  behaupten,  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff 
sei  nicht  auf  der  Reise  nach  Nikolajewsk  aufgebracht  worden,  vielmehr 
habe  es  infolge  eines  Taifuns  einen  Schaden  am  Steuer  erlitten,  der  es 
veranlaßt  habe,  seine  Absicht,  nach  Nikolajewsk  zu  gehen,  aufzugeben. 
Als  es  aber  auf  der  Rückfahrt  nach  Shanghai  schon  etwa  250  Seemeilen 
zurückgelegt  habe,  sei  es  neuen  Schwierigkeiten  begegnet,  habe  daher 
Hilfe  angerufen,  um  den  Hafen  von  Naha  anlaufen  zu  können,  und  sei, 

868 


Prisengerichtsentscheidungen:  „LydlSL"-  Abschnitt  Vl^Sif 

als  es  in  diesem  Hafen  verankert  gewesen  sei,  beschlagnahmt  worden. 
Selbst  wenn  daher  anzunehmen  wäre,  daß  es  ursprünglich  mit  der  Ab- 
sicht der  Beförderung  von  Kriegskonterbande  ausgefahren  sei,  so  habe 
es  doch  jedenfalls  diese  Absicht  aufgegelien,  und  die  Beschlagnahme 
des  Schiffes  nach  Aufgabe  der  Absicht  sei  rechtlich  unbegründet.  Aber 
in  dem  zum  Beweis  dieser  Behauptung  angezogenen  Schiffsjournal  steht 
nur,  das  Schiff  habe  wegen  des  Taifuns  und  wegen  des  erlittenen  Ruder- 
schadens Shanghai  als  Nothafen  anzulaufen  und  daher  den  Kurs  zu 
ändern  beschlossen.  Es  fehlt  aber  nicht  nur  an  irgend  einer  anderen 
Angabe,  aus  welcher  hervorginge,  daß  das  Schiff  die  Absicht,  nach 
Nikolajewsk  zu  fahren,  aufgegeben  hätte;  es  ist  vielmehr  gerade  nach 
dieser  Eintragung  anzunehmen,  daß  das  Schiff  beabsichtigte,  seinen 
Schaden  in  Shanghai  reparieren  zu  lassen,  und  daß  es  doch  noch 
rechtzeitig  genug  aus  Shanghai  wieder  auslaufen  zu  können  hoffte, 
um  seinen  Bestimmungshafen  Nikolajewsk  noch  vor  dem  Zufrieren  zu 
erreichen.  Es  kann  also  nicht  behauptet  werden,  daß  das  Schiff  in- 
folge des  erlittenen  Seeschadens  seine  Absicht,  Kriegskonterbande  zu 
befördern,  aufgegeben  habe. 

Daß  auch  neutrale  Schiffe,  wenn  sie  eine  Einfuhr  von  Kriegs- 
konterbande vorgehabt  haben,  zusammen  mit  der  Kriegskonterbande 
weggenommen  werden  können,  ist  von  der  völkerrechtlichen  Wissen- 
schaft anerkannt.  Da  bei  der  in  Frage  stehenden  Reise  außerdem  auch 
noch  in  der  oben  dargestellten  Weise  betrügerische  Handlungen  be- 
gangen sind,  so  ist  es  gerechtfertigt,  daß  das  Urteil  der  ersten  Instanz 
auf  Einziehung  des  Schiffs  mit  Ladung  lautet,  und  die  Berufung  ist 
unbegründet. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  12.  März  1906  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  H.  Wilhelm  Dieckmann  jr.,  Hamburg, 
Deutschland,  vertreten  durch  Reinhold  Richter,  Führer  des 
Dampfers  „Lydia",  wohnhaft  in  Deutschland,  Bremerhaven,  Bürger- 
meister-Schmidtstraße Nr.  107. 

Prozeßvertreter:  Rech tsan wal t  Ishibashi  Tomokichi, 
Nagasaki,  Togiyamachi  Nr.  41. 

869 


Abschnitt  VI  ^8^  Prisengerichtsentscheidungen:  „Lydia"» 

In  der  Prisensache,  betreffend  die  an  Bord  des  deutschen  Dampfers 
„Lydia"  befindliche  Ladung  wird,  wie  folgt,  entschieden: 

U  r  t  e  i  1  s  f  o  r  m  e  1 : 
Die  an  Bord  des  Dampfers  „Lydia"  befindlichen,  in  beigeheftetem 
Ladungsverzeichnis  aufgeführten  Güter  werden  eingezogen. 

Tatbestand   und  Gründe: 

Die  zur  Verhandlung  stehenden  Güter. wurden  in  Hamburg  auf 
dem  Dampfer  „Lydia"  verschifft,  verließen  am  8.  April  1905  diesen 
Hafen  mit  Bestimmung  für  Nikolajewsk  und  wurden  am  26.  Juli,  als 
der  Dampfer  in  Naha,  weil  er  Kriegskonterbande  führen  sollte,  von 
dem  japanischen  Kriegsschiff  „Nippon  Maru"  beschlagnahmt  wurde,  mit 
diesem  zusammen  beschlagnahmt. 

Die  obigen  Tatsachen  gehen  klar  hervor  aus  der  schriftlichen  Aus- 
sage des  Kommandanten  des  Kriegsschiffs  „Nippon  Maru",  Narikawa 
K  i ,  aus  den  Vernehmungsprotokollen  des  Kapitäns  R  e  i  n  h  o  1  d 
Richter,  des  ersten  Offiziers  Hans  Ostermann  vom  Dampfer 
„Lydia",  aus  dem  Schiffszertifikat,  dem  Ladungsmanifest,  den  Konnosse- 
menten, dem  Logbuch,  dem  Chartervertrag  und  dem  Gesundheitspaß 
des  genannten  Dampfers. 

Die  Hauptpunkte  des  Vertreters  der  Reklamation  sind  folgende: 

1.  Der  Dampfer  sei  nicht  auf  der  Fahrt  nach  Nikolajewsk  beschlag- 
nahmt worden.  Er  habe  vielmehr  wegen  Havarie  seine  Reise  nach 
Nikolaiewsk  aufgegeben  und  sei  bereits  250  Seemeilen  nach  Shangha-* 
zurückgekehrt  gewesen,  als  er  die  Signalstation  von  Kap-Kiamu  auf 
Okinawa  um  Hilfe  bat  und  in  den  Hafen  von  Naha  einfuhr.  Während 
er  dort  vor  Anker  lag,  sei  er  beschlagnahmt  worden.  Selbst  ange- 
nommen, der  Dampfer  habe  Konterbandeschiffahrt  betrieben,  so  habe 
er  doch  unterwegs  seinen  Plan  geändert  und  sein  Ziel  aufgegeben  und 
könne  deshalb  nicht  beschlagnahmt  werden. 

2.  Eine  Entscheidung  darüber,  ob  die  Fahrt  völkerrechtlich  als 
verboten  anzusehen  sei  oder  nicht,  könnte  nur  unter  Zugrundelegung 
der  gegenwärtigen  Tatsachen  und  Umstände  getroffen  werden.  Auf 
bloße  Vermutung  zukünftiger,  noch  unbestimmter  Tatsachen  hin,  wie 
z.  B.  daraufhin,  daß  der  Dampfer  nach  Fertigstellung  seiner  Reparaturen 
die  einstweilen  unterbrochene  Fahrt  wieder  aufgenommen  haben  würde, 
könne  eine  derartige  Entscheidung  rechtmäßig  nicht  gefällt  werden. 
Angenommen  aber,  die  Entscheidung  entspreche  dem  Recht,  so  wäre 
es  doch  unmöglich  gewesen,  daß  der  Dampfer,  nachdem  er  in  Shanghai 
angekommen  wäre  und  seine  Reparaturen  bewerkstelligt  hätte,  früher 
als  am  15.  Oktober  Shanghai  hätte  verlassen  können.  Da  zu  dieser 
Zeit  die  See  schon  zugefroren  gewesen  sein  würde,  so  würde  der  Dampfer 

870 


'.Prteengerlchtsentscheldungen:  „Lydia".  Abschnitt  Vis^k 

seine  Reise  nach  Nilcolaiewslc  erst  im  April  nächsten  Jahres  haben  aus- 
führen können.  Es  erübrige  sich,  gegenwärtig,  wo  der  Frieden  zwischen 
Japan  und  Rußland  bereits  geschlossen  und  die  Ratifikation  schon  ziem- 
lich sicher  sei,  darüber  Worte  zu  verlieren,  daß  eine  Beschlagnahme 
auf  Grund  von  Tatsachen,  die  erst  nach  dem  April  nächsten  Jahres 
eintreten  könnten,  nicht  zu  rechtfertigen  sei. 

3.  Angenommen,  die  Verteidigungspunkte  zu  1  iiTid  2  hätten  keinen 
Bestand,  so  seien  doch  die  an  Bord  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Dampfers  verladenen  Güter  vorzugsweise  landwirtschaftliche  Geräte; 
das  Bandeisen,  Maschinenöl,  die  Treibriemen  usw.  seien  alle  Zubehör 
der  landwirtschaftlichen  Geräte;  das  Kochsalz  sei  für  die  Landleute 
bestimmt;  die  Sachen  seien  also  alle  nicht  für  den  Kriegsgebrauch  des 
Feindes  bestimmt,  daher  keine  Konterbande  und  könnten  nicht  ein- 
gezogen werden. 

4.  Es  befänden  sich  freilich  unter  der  Ladung  einige  Güter,  die 
nach  dem  Standpunkt  der  Regierung  Kriegskonterbande  wären;  ihre 
Verladung  sei  aber  ohne  Dolus  oder  Prämeditation  geschehen.  Da 
ferner  Schiffseigentümer  und  Ladungseigentümer  verschiedene  Personen 
wären,  so  erscheine  es  recht  und  billig,  nur  die  Kriegskonterbande  ein- 
zuziehen, die  übrige  Ladung  aber  freizulassen. 

Aus  diesen  Gründen  beantrage  er  die  Freilassung  der  zur  Ver- 
handlung stehenden  Ladung. 

Die   Hauptpunkte  der  Ansicht  des  Staatsanwalts  sind   folgende : 

Da  das  unter  der  zur  Verhandlung  stehenden  Ladung  befindliche 
Bandeisen,  Maschinenöl,  die  Treibriemen,  das  Kochsalz  usw.  nach  Niko- 
laiewsk  bestimmt  gewesen  seien,  so  wären  sie  Kriegskonterbande.  Da 
ferner  der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  bei  dem  Transport  dieser 
Kriegskonterbandegüter  sich  falscher  Angaben  bedient  habe  und  Schiff 
und  Ladung  derselben  Person  gehöre,  so  sei  die  ganze  Ladung  ein- 
zuziehen. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Was  die  unter  der  zur  Verhandlung  stehenden  Ladung  befindlichen 
Güter,  nämlich  Maschinenöl,  Zylinderöl,  Wagenfett,  Madiafett,  Essigsäure, 
Schmierkannen,  Zwischen legscheiben,  Bandeisen,  Treibriemen,  Schmirgel 
und  Hanfseile  angeht,  so  sind  sie  Materialien  zum  Bau  und  zur  Aus- 
rüstung von  Kriegs-  und  Handelsschiffen;  das  Kochsalz  und  sonstige 
Salz  ist  ein  Nahrungsmittel.  Der  Bestimmungsort  Nikolajewsk  ist  zu- 
sammen mit  Wladiwostok  der  wichtigste  Verteidigungispunkt  des  russi- 
schen Küstengebiets;  nachdem  seit  etwa  Juni  oder  Juli  1905  Wladiwostok 
von  der  Kaiserlichen  Kriegsflotte  von  dem  Seeverkehr  mehr  oder  weniger 
abgeschnitten  war,  diente  hauptsächlich  Nikolajewsk  als  Tor  und  Tür 
für  die  Einfuhr  von  Kriegsbedarfsartikeln.  Aus  diesen  Tatsachen  muß 
^geschlossen  werden,  daß  die  genannten  Waren  für  den   Kriegsbedarf 

871 


Abschnitt  VI  65b  Prisengerichtsentscheidungen :  „Lydia' V 

des  Feindes  geliefert  werden  sollten  und  daß  sie  daher  Kriegskonter- 
bande sind.  ^) 

Die  Güter,  welche  nicht  Kriegskonterbande  sind,  sind  ebenso  wie 
alle  andern  von  den  Reklamanten  an  die  Firma  Noebel  &  Co.  ver- 
schifft worden.  Da  demnach  die  Konterbandegüter  und  die  unverfäng- 
liche Ladung  demselben  Eigentümer  gehören,  so  ist  die  gesamte  Ladung 
einzuziehen.  ^) 

Der  Prozeßvertreter  behauptet,  der  zur  Verhandlung  stehende 
Dampfer  habe  seine  Reise  nach  Nikolaiewsk  aufgegeben  gehabt;  an- 
genommen aber,  er  habe  sie  nicht  aufgegeben  gehabt,  so  würde  er  doch 
wegen  seiner  Reparaturen  die  Reise  nicht  vor  dem  15.  Oktober  d.  J. 
haben  fortsetzen  können.  Zu  dieser  Zeit  sei  aber  das  Meer  bereits 
zugefroren,  so  daß  der  Dampfer  erst  nach  April  nächsten  Jahres  seine 
Reise  hätte  unternehmen  können.  Auf  eine  derartige  noch  völlig  un- 
bestimmte Tatsache  hin  das  Schiff  mit  Beschlag  zu  belegen,  sei  unrecht- 
mäßig. Dem  steht  entgegen,  daß  der  Kapitän  Reinhold  Richter 
auf  eine  Frage  des  Untersuchungsrichters  geantwortet  hat,  daß  er  nach 
Ausführung  einer  vorläufigen  Reparatur  in  Okinawa  nach  Nikolajewslc 
weitergefahren  sein  würde,  woraus  klar  hervorgeht,  daß  der  Kapitän 
zur  Zeit  der  Beschlagnahme  seinen  Plan  nach  Nikolajewsk  zu  fahren, 
nicht  aufgegeben  hatte.  Es  muß  als  ein  allgemeiner  Grundsatz  des 
Völkerrechts  angesehen  werden,  daß  ein  Schiff,  welches  Kriegskonter- 
bande führt,  wenn  es  zur  Zeit  der  Aufbringung  sein  Ziel  nicht  end- 
gültig aufgegeben  hat,  der  Aufbringung  unterliegt.  Daher  ist,  selbst 
wenn  wie  im  vorliegenden  Falle  das  Schiff  nicht  in  der  Lage  war, 
die  Reise  wegen  seiner  Reparaturen  eher  als  nach  April  nächsten  Jahres 
auszuführen,  in  der  Aufbringung  eine  Unrechtmäßigkeit  nicht  zu  finden. 
Dieses  um  so  weniger  als,  selbst  wenn  das  Schiff  nach  Shanghai  ge- 
fahren wäre  und  dort  in  Reparatur  gegangen  wäre,  eine  so  lange  Zeit, 
wie  der  Prozeßvertreter  behauptet,  dazu  nicht  erforderlich  gewesen  wäre 
und  der  Dampfer  sehr  wohl  vor  Zufrieren  der  nördlichen  Gewässer 
in   Nikolajewsk   hätte  eintreffen   können. 

Die  Behauptungen   des   Prozeßvertreters  sind  also   unbegründet,, 
und  es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  18.  Oktober  1905  im  Prisengericht  zu  Sasebo  im. 
Beisein  des  Staatsanwalts  Mizukami  Chojiro. 

(Unterschriften.) 


1)  IL  Ziffer  1  und  2.  —  V.  §  43. 

872 


Prisengerichtsentscheidungen :  ,iLydia". 


Abschnitt  VI  »^ 


Ladungsverzeichnis  des  Dampfers  ,,Lydia^'. 


No. 

Art  der  Güter 

Anzahl  der 
Kolli 

Ablader 

Empfänger 

1 

Dreschmaschinen  .    . 

4  Kolli 

H.  Wilh.  Dieck- 
mann, Hamburg 

Noebel  &  Co., 
Nikolajewsk 

2 

Roßwerke  (Teile  vonland 
Wirtschaft!.  Maschinen 

-        4     , 
) 

n 

» 

3 

Zahnräder  dazu    .    . 

.        4     , 

n 

i> 

4 

Eiserne  Stangen  dazu 

1  Verschl. 

n 

n 

5 

Wagenfett    .... 

.      10  Kisten 

yi 

n 

6 

Fischtran 

.      10      , 

n 

n 

7 

Mähmaschinenöl   .    . 

.      50      , 

» 

n 

8 

Salz 

.  1000  Sack 
20  Kisten 

n 

9 

Zwanzig  Getreide- 

m 

maschiner 

1 

10 

n                       »           •       • 

.      20  Verschl. 

it 

y» 

11 

»                       »           •       • 

.      20  Kisten 

n 

n 

12 

n                       1»           •       • 

10  Bunde 

n 

n 

13 

Zehn  Getreidemaschiner 

1      10  Kisten 

n 

» 

14 

»                                 n 

10      , 

n 

» 

15 

»                                » 

10      , 

n 

» 

16 

n                                 n 

10      , 

n 

» 

17 

»                                 J» 

5  Bunde 

n 

n- 

18 

1*                                 n 

10  Kisten 

n 

n 

19 

II                                 II 

10  Verschl. 

n 

» 

20 

II                                          n 

10  Kisten 

n 

w 

21 

•                                 n 

5  Bunde 

» 

n- 

22 

Zwei  Grasmäher  .    . 

2  Kisten 

n 

n- 

23 

if                     yi 

2      , 

» 

n- 

24 

n                    n 

2  Bunde 

1» 

»■ 

25 

Vier  Grasmäher 

4  Kisten 

j» 

» 

26 

n                    n 

4      , 

» 

w 

27 

n                   j» 

2  Bunde 

n 

w 

28 

Sechs  Heurechen  . 

1  Kiste 

J» 

yt- 

29 

n                       J» 

1      , 

» 

»■ 

30 

yi                        n 

6  Bunde 

» 

m- 

31 

n                     j* 

6      . 

JI 

ft- 

32 

j»                        n 

1  Kiste 

n 

n- 

33 

»                        Ji 

1      . 

n 

n- 

34 

Eiserne  Reserveteile 

1      . 

m 

rh 

35 

Fünfzehn    Getreidemäh- 
und  Bundmaschinen  . 

15  Kisten 

n 

rh 

36 

n 

15      . 

n 

f»- 

37 

n 

15  St.  Räder 

n 

»• 

38 

n 

15    .        . 

» 

»• 

39 

n 

3  Bunde 

1» 

j»' 

40 

n 

2       , 

n 

y* 

41 

n 

3       . 

n 

n 

87? 


Abschnitt  VI«* 


Prisengerichtsentscheidungen :  „Lydia". 


No. 

Art  der  Güter 

Anzahl  der 
Kolli 

Ablader 

Empfänger 

42 

Elf  Qetreidemäh- 

11  Kisten 

H.  Wilh.  Dieck- 

Noebel &  Co., 

maschinen 

mann,  Hamburg 

Nikolajewsk 

43 

1»                           »               .... 

11      . 

n 

44 

n                       »             •       • 

11  Verschl. 

n 

45 

ji                        »             •       • 

2  Bunde 

n 

46 

»                         n             •        • 

1  Bund 

n 

47 

»                         p             »       • 

2  Bunde 

p 

48 

n                        »             •        • 

1  Bund 

n 

49 

Sechs  Getreidemäh- 

maschinen 

6  Kisten 

» 

50' 

n                           !»•••• 

6      . 

ft 

51 

n                         f»        •        • 

6  Verschl. 

n 

52 

II                          »        •        • 

1  Bund 

n 

53 

n                        «        •       • 

1      . 

ff 

54 

n                        n       •       • 

, , 

1      . 

* 

55 

n                        1»        •       • 

1      . 

ft 

56 

n                        »        •       • 

1      . 

m 

57 

D                                 1»          •          • 

1      , 

n 

58 

Manila-Binde-Garn 

150  Ballen 

f» 

59 

Maschinenöl      .     . 

300  Kisten 

n 

60 

Zvlinderöl 

49      , 

61 

Kochsalz .... 

300  Säcke 
1  Kiste 
1      , 

n 
n 

62 

Treibriemen .    .    . 

€3 

64 

Madiafett      .    .    . 

10  Faß 
500  Sack 
1  Kiste 

j» 
1» 

65 

Salz 

66 

Nägel 

67 

Essigsäure    .    .    . 

48  Kisten 

■ 

68 

Schmirgelpapier    . 

2  Pack 

ft 

91 

■69 

Parfümerien .    .    . 

1  Kiste 
6  Ballen 
1  Kiste 

n 
ii 

70 

Putzwolle     .    .    . 

71 

Getr.  Pflanzen  .    . 

72 

Papierbeutel      .    . 

1      . 

ri 

73 

Schmierkannen 

1      . 

1* 

74 

Stearinkerzen    .    . 

200  Kisten 

ti 

75 

Seife 

197      . 
165      „ 
8943  Sack 
1  Ballen 

1» 
f» 
n 

76 

Drahtstifte    .     .    . 

77 

Salz 

78 

Reservesäcke  dazu 

79 

Wagenfett    .    .    . 

10  Kisten 

80 

Wellblech     .    .    . 

250  Bunde 
2  Kisten 
10  Faß 

» 
n 

81 

Dachfirste     .    .    . 

82 

Nägel 

83 

Zwischenlegescheiber 

1  . 

2     , 

n 
n 

84 

Kochsalz  .... 

300  Sack 
830  Bunde 
20  Kisten 

fi 
f* 

85 

Bandeisen     .    .    . 

86 

Sicherheitszündhölzer    . 

87 

Maschinenöl     .    . 

• 

100      . 

n 

S74 


Prisengerfchlsentschddungen :  iXydia". 


Abschnitt  VI  »^ 


>Io. 


Art  der  Güter 


Anzahl  der 
Kolli 


Ablader 


Empfänger 


88 

89 

90 

91 

92 

93 

94 

95 

96 

97 

98 

99 

100 

101 

102 

103 

104 

105 

106 

107 

108 


Zylinderöl 

Salz 

Madiafett  .  •  .  .  . 
Drahtbürsten  .  .  .  . 
Elektrische  Ttirglocken  . 
Siegellack     ..... 

Parftimerien 

Eraaillegeschirr     .    .    . 

Eisenwaren 

Essigsäure 

Meßwerkzeug  .  .  .  . 
Schmirgelleinen     .    .    . 

Schmirgel 

Eisenwaren 

n  

Fischnetze 

Eisenwaren 

Nägel 

Eisenwaren 

Parftimerien  u.  Kataloge 

Pfeifen  undTannenbaum- 

schmuck  usw.    .    .    . 


50  Kisten 


1000 
2 

1 
3 

1 

3 

18 

1 
17 
1 
3 
1 
1 
1 
3 
1 
1 
2 
1 
1 


Sack 

Faß 

Kiste 

Kisten 

Kiste 

Kisten 

Kiste 

Kisten 

Kiste 

Ballen 

Kiste 


Ballen 
Kiste 

n 

Kisten 
Kiste 


H.  Wilh.  Dieck- 
mann, Hamburg 


Noebel  &  Co., 
Nikolajewsk 


Reklamant:  H.  Wilhelm  Dieckmann  in  Hamburg,  ver- 
treten durch  Reinhold  Richter,  Führer  des  Dampfers  „Lydia", 
wx)hnhaft  in  Bremerhaven,  Bürgermeister-Schmidtstraße  Nr.  107. 

Prozcßvcrtrctcr:  Rechtsanwalt  Ishibashi  Tomoki chi  in 
Nagasaki,  Togiyamachi  Nr.  41. 

Am  18.  Oktober  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Sasebo  in  der 
Prisensache,  betreffend  die  an  Bord  des  am  26.  Juli  1905  im  Hafen 
von  Naha  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Nippon  Maru"  aufge- 
brachten deutschen  Dampfers  „Lydia"  befindliche  Ladung,  ein  Urteil 
gefällt,  in  welchem  auf  Einziehung  der  an  Bord  des  Dampfers  „Lydia'' 
befindlichen,  in  dem  dem  Urteil  beigefügten  Ladungsverzeichnis  auf- 
geführten Güter  erkannt  worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  Rein  hold  Richter,  als  Vertreter  des 
Reklamanten  H.  Wilhelm  Dieckmann,  durch  den  Rechtsanwalt 
Ishibashi  Tomokichi  als  Prozeßvertreter  die  Berufung  eingelegt, 
welche  im  Beisein  des  Staatsanwalts  Dr.  jur.  Ishiwatari  Binichi 
beim  Oberprisengericht  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Vertreters  der  Reklamation 
sind  folgende: 

875 


Abschnitt  VI  Üb  Prisengerichtsentscheidungen:  „Lydia"» 

Es  werde  Aufhebung  des  Urteils  erster  Instanz  und  Freigabe  der 
gesamten  an  Bord  des  Dampfers  „Lydia"  verladen  gewesenen  Güter 
beantragt,  und  zwar  aus  folgenden  Gründen: 

Der   Dampfer,  auf  dem   die  zur  Verhandlung  stehenden   Güter 
verladen  gewesen  seien,  sei  auf  der  Fahrt  nach  Nikolajewsk  am  16.  Juli 
1905  auf  offener  See,  27^40'   nördlicher   Breite  und   131^2'   östlicher 
Länge,  von  einem  schweren  Unwetter  betroffen  worden  und  habe  bei 
zunehmendem  Sturme  am  folgenden  Tage  Ruderhavarie  erlitten.   Nach- 
dem  der  Dampfer  drei  Tage  lang  steuerlos  getrieben  sei,  sei  es  am 
20.  Juli  gelungen,  ein  Notruder  fertigzustellen.     Da  jedoch  mit  Rück- 
sicht auf  die  Schiffs  ha  varie  und  die  noch  beträchtliche  Entfernung  bis 
Nikolajewsk  die  Fahrt  nach  dem  ursprünglichen  Bestimmungshafen  un- 
ausführbar erschienen  sei,  so  habe  man  am  selben  Tage  (die  Mittags- 
position des  Schiffes  sei  26«  45'  nördlicher  Breite  und  131^35'  östlicher 
Länge  gewesen)  zwischen  5  und  8  Uhr  nachmittags  in  einem  Schiffs- 
rate der  Offiziere  beschlossen,  nach  Shanghai  zu  gehen.    In  Ausführung 
dieses  Beschlusses  sei  das  Schiff  drei  weitere  Tage  gefahren  und  habe 
ca.  250  Seemeilen  zurückgelegt.    Als  es  am  23.  desselben  Monats,  nach- 
mittags zwischen   1    und  4   Uhr,   unweit  der  Okinawa-Inseln,   infolge 
neuerdings   erlittenen    Schadens  am    Notruder   bewegungsunfähig   ge- 
worden sei,  habe  es  durch  Signale  von  der  Signalstation  bei  Kap  Kiamu 
Hilfe  erbeten  und  sei  am  24.,  5  Uhr  nachmittags  von  dem  Dampfer 
„Futami  Maru"  in  den  Hafen  von  Naha  eingeschleppt  worden.  Während 
der  Dampfer  dort  vor  Anker  gelegen   habe,  sei  er  am  26.  desselben 
Monats  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Nippon  Maru"  aufgebracht 
worden.     Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  sei  mithin  keines- 
wegs auf  der  Fahrt  nach  Nikolajewsk  aufgebracht  worden.    Vielmehr 
sei  der  Verlauf  der  gewesen,  daß  der  Dampfer  die  Reise  dorthin  längst 
aufgegeben  gehabt,  von  der  Fahrt  nach  Shanghai  bereits  250  Seemeilen 
zurückgelegt,  Naha  als  Nothafen  angelaufen  und  daselbst  vor  Anker  ge- 
legen habe,  als  er  aufgebracht  worden  sei.  Nach  völkerrechtlicher  Praxis 
unterliege  jedoch  ein  Schiff,  das  mit  der  Absicht,  dem  Feinde  Konter- 
bande  zuzuführen,   ausgefahren   sei,   nicht   der   Einziehung,   wenn   es 
während  der  Fahrt  seine  Absicht  ändere  und  den  Transport  der  Konter- 
bande aufgäbe. 

Aus  diesem  Grunde  müsse  die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung, 
ebenso  wie  das  Schiff  selbst,  freigegeben  werden. 

Im  Urteil  der  ersten  Instanz  sei  die  im  Vernehmungsprotokoll  auf- 
gezeichnete Aussage  des  Kapitäns  Reinhold  Richter  „wenn  sich 
die  Reparatur  des  Dampfers  in  Okinawa  hätte  bewerkstelligen  lassen, 
so  wäre  er  nach  Nikolajewsk  gefahren"  angezogen  und  auf  Grund  der- 
selben die  Fahrt  nach  Shanghai  als  Ausflucht  angesehen  worden.  Daß 
sich  jedoch  der  Dampfer  wirklich  auf  der  Fahrt  nach  Shanghai  be- 

876 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Lydia".  Abschnitt  VI^^ 

funden  habe,  dafür  spreche  die  effektive  Tatsache,  daß  er  drei  Tage 
lang  den  Kurs  auf  Shanghai  genommen  und  bereits  annähernd  250 
Seemeilen  zurückgelegt  habe.  Die  als  Aussage  des  Kapitäns  in  dem 
Vernehmungsprotokoll  verzeichneten  Angaben  entsprächen  nicht  den 
Tatsachen  und  seien  nicht  von  ihm  geäußert  worden.  Der  Kapitän 
habe  gegen  diese  unsinnige  Aussage  schon  in  der  ersten  Instanz  pro- 
testiert; vermutlich  beruhe  sie  auf  einem  Mißverständnis  des  Dol- 
metschers. Aber  selbst  wenn  der  Kapitän  ausgesagt  haben  sollte,  er 
würde  nach  Nikolajewsk  gegangen  sein,  so  müsse  man  doch  angesichts 
klaren  Gegenbeweises,  der  darin  liege,  daß  er  tatsächlich  nach  Shanghai 
umgekehrt  sei,  nach  den  Orundsiitzen  der  Beweisaufnahme  diese  Tat- 
sachen als  Beweise  gelten  lassen  und  jene  Aus3age  verwerfen.  Dies  um 
so  mehr,  als  auch  in  dem  Schiffsjournal,  welches  nicht  unter  dem  Ver- 
dacht nachträglicher  Fälschung  stehen  könne,  da  es  von  dem  die  Auf- 
bringung bewirkenden  Offizier  beschlagnahmt  worden  sei,  sich  aus- 
drücklich die  Aufzeichnung  finde,  daß  die  Schiffsoffiziere  am  20.,  nach- 
mittags zwischen  5  und  8  Uhr,  Schiffsrat  abgehalten  und  einstimmig 
beschlossen  hätten,  nach  Shanghai  zu  gehen.  Von  einem  derartigen 
Beschluß  aber  könne  der  Kapitän,  falls  nicht  neue  Hindernisse  einträten, 
nicht  eigenmächtig  abgehen;  jedoch  einmal  angenommen,  daß  die  im 
Vernehmungsprotokoll  aufgezeichnete  Aussage  des  Kapitäns  durchaus 
beweiskräftig  sei,  so  könne  man,  wenn  man  die  ganze  Vernehmung  ge- 
nau lese,  sie  nur  in  dem  Sinne  interpretieren,  daß  die  Reise  nach  Niko- 
laiewsk  tatsächlich  aufgegeben  gewesen  sei.  Es  heiße  nämlich  in  dem 
Protokoll : 

falls  sich   die   Reparatur  in  Okinawa   hätte  bewerkstelligen 
lassen,  würde  man  nach  Nikolajewsk  gegangen  sein;  da  je- 
doch an  dem  Platz  kein  Schmied  ausfindig  zu  machen  ge- 
wesen sei,  so  habe  man  beschlossen,  nach  Nagasaki  zu  gehen. 
Diese  Worte  besagten  jedoch,  daß,  weil  die  Reparatur  in  Okinawa  nicht 
tunlich,  die  Reise  nach  Nikolajewsk  unmöglich  gewesen  sei.   Im  übrigen 
seien  .sie  eine  Antwort  auf  die  Frage  des  mit  dem   Fall  beauftragten 
Rats:  „was  er  zu  tun  beabsichtigt  habe,  wenn  die  Reparatur  in  Okinawa 
fertiggestellt  worden  wäre",  d.  h.  auf  eine  Frage,  die  einen  zukünftigen 
Fall  annehme.   Demnach  sei  die  Aussage,  sozusagen,  eine  bedingte  ge- 
wesen, die  nicht  geeignet  sei,  die  Tatsache  der  wirklich  angetretenen 
Fahrt  nach  Shanghai   und  die  in   dem   Schiffsjournal  aufgezeichneten 
Tatsachen  zu  entkräften. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  beim  Prisen- 
Bericht  zu  Sasebo,  Yamamoto  Tatsurokuro,  sind  folgende: 

Die  Angaben  des  Kapitäns  auf  die  Frage  des  mit  der  Untersuchung 
beauftragten  Rates  der  ersten  Instanz,  wie  er  beweisen  könne,  daß  die 
Fahrt  nach  Nikolajewsk  aufgegeben  gewesen  sei,  erbrächten  diesen  Be- 

877 


Abschnitt  Vl^b  Prisengerichtsentscheidungen :  „Lydia*^ 

weis  nicht  im  geringsten;  vielmehr  täten  sie  dar,  daß  die  Absicht  be-^ 
standen  habe,  den  Bestimmungshafen  Nikolajewsk  auf  die  eine  oder 
andere  Weise  zu  erreichen.  Was  die  Rückfahrt  nach  Shanghai  an- 
gehe, so  sei  es  klar,  daß  man  wegen  schweren  Unwetters  diesen  Hafen 
lediglich  vorübergehend  als  Nothafen  anlaufen,  nach  Ankunft  sofort  das 
Ruder  reparieren  und  die  Reise  haben  fortsetzen  wollen.  Demnach  sei 
die  Behauptung,  die  Reise  sei  aufgegeben  gewesen,  hinfällig. 
Der  Reklamant  behaupte  ferner, 

das  erstinstanzliche  Urteil  sei  ungesetzlich,  da  es  sich  auf 
die  im   Vernehmungsprotokoll  aufgezeichnete  Aussage   des 
Kapitäns  Reinhold  Richter  „wenn  sich  die  Reparatur 
des  Dampfers  in  Okinawa  hätte  bewerkstelligen  lassen,    so- 
^x^re  er  sogleich  nach  Nikolajewsk  gefahren"  stütze,  die  Tat- 
sache jedoch,  daß  das  Schiff  bereits  auf  dem  Wege  nach 
Shanghai  gewesen  sei,  völlig  außer  acht  lasse. 
Die  erste  Instanz  habe  jedoch  die  Tatsache,  daß  das  Schiff  nach  Shang- 
hai umgekehrt  sei,  nicht  verneint.    In  dem  Tatbestand  des  Urteils  heiße 
es  vielmehr: 

Vom  16.  desselben  Monats  sei  der  Dampfer  in  einen  Taifurr 
geraten,    infolgedessen    er   am   17.    sein   Ruder    gebrochen 
habe.    Während  der  Dampfer  auf  der  See  umhergetrieben 
sei,  habe  man  am  20,  ein  Notruder  fertiggestellt  und    be- 
schlossen, nach  Nagasaki  als  Nothafen  zu  fahren.    Da  aber 
das  Ruder  nicht,  wie  erwartet,  operiert  habe,  und  die  Fahrt 
nach  Nikolajewsk  nicht  möglich  gewesen  sei,  so  habe  man 
beschlossen,   Shanghai  als   Nothafen  anzulaufen.     Als    der 
Dampfer  am  23.  d.  M.  in  die  Nähe  der  Hauptinsel  Okinawa 
gekommen  sei,  habe  er  das  Ruder  wieder  gebrochen,  und 
das   Schiff   habe,   weil   es   bewegungsunfähig   gewesen    sei,- 
seine  Fahrt  nach  Shanghai  aufgegeben  und  die  Signalstatioa 
von  Kap  Kiamu  auf  der  genannten  Insel  um  Hilfe  angehen 
müssen  usw. 
Danach  habe  das  Urteil  wohl  anerkannt,  daß  das  Schiff  nach  Shang- 
hai umgekehrt  gewesen  sei.    Nicht  dagegen  habe  es  angenommen,  daß 
die  Fahrt  nach  Nikolajewsk  aufgegeben  gewesen  sei,  denn  der  Kapitän 
habe  über  diesen  Punkt  klar  ausgesagt,  daß  er,  wenn  die  Reparatur  des 
Ruders  ausgeführt  gewesen   wäre,   sogleich   nach   Nikolajewsk  weiter- 
gefahren wäre.    Man  könne  nicht  schlechthin,  wenn  ein  Schiff  auf  der 
Reise  einem  Taifun  begegne,  vorübergehend  wegen  Seenot  nach  dem 
nächsten  Hafen  umkehre  oder  von  einem  anderen  Schiffe  Beistand  er- 
bitte, unmöglich  die  Absicht  unterstellen,   daß  es  damit  die  Reise  nach 
seinem  Bestimmungshafen  aufgebe.    Im  Gegenteil  müsse  man  ganz  natur- 
gemäß die  Absicht  unterstellen,  daß    das  Schiff  nach  Beseitigung  der- 

878 


Prlsengerichtsentscheidungen :  ,,Lydia".  Abschnitt  VI&si^ 

Hindernisse  seine  Reise  wiederum  aufnehmen  wolle.     Infolgedessen  sei 
auch  dieser  Punkt  der  Berufung  hinfällig. 
Der  Reklamant  behauptet  ferner, 

wenn  man  die  Aussage  des  Kapitäns  „falls  sich  die  Reparatur 
in  Okinawa  hätte  bewerkstelligen  lassen,  würde  man  nach 
Nikolajewsk  gegangen  sein;  da  jedoch  an  dem  Platze  kein 
Schmied  ausfindig  zu  machen  gewesen  sei,  so  habe  man  be- 
schlossen,  nach   Nagasaki   zu   gehen",   prüfe,   und   erwäge,, 
daß   die   Reparatur  in   Okinawa  tatsächlich   unmöglich   ge- 
wesen sei,  so  besagten  die  Worte  des  Kapitäns,    daÖ  man 
nicht  nach  Nikolajewsk  habe  gehen  können.     Die  Aussage 
könne  daher  nur  in  dem  Sinne  interpretiert  werden,  daß  die 
Reise  nach  Nikolajewsk  tatsächlich  aufgegeben  gewesen  sei. 
Nach  den  Aufzeichnungen  im  Schiffstagebuche  und  den  Aussagen  des 
Kapitäns  und  der  Schiffsoffiziere  sei  dagegen  die  Sachlage  folgende  ge- 
wesen: Man   habe  in  einem   Sturme   Ruderhavarie  erlitten    und   nach 
Anbringung  eines  Notruders  im  nächsten  Hafen,  nämlich  Nagasaki,  Zu- 
flucht suchen  wollen,   habe  jedoch  infolge  der  Wetterverhältnisse  diese 
Absicht  aufgegeben.     Sodann   habe   man   beschlossen,   nach  Shanghai 
zu  gehen,    habe  jedoch  unterwegs  von  neuem  an  dem  Ruder  Havarie 
erlitten  und  infolgedessen,  da  man  weder  vorwärts  noch  rückwärts  weiter 
konnte,  nunmehr  auch  diese  Reise  aufgegeben.    Darauf  habe  man  bei 
Kap  Kiamu  um  Beistand  gebeten,  sei  von  der  „Futami  Maru"  in  den 
Hafen  von  Naha  eingeschleppt  worden   und   habe  beabsichtigt,   nach 
Reparatur  des  Ruders  nach  Nikolajewsk  zu  gehen.   Da  jedoch  an  dem 
genannten  Platze  ein  für  die  Ruderreparatur  geeigneter  Schmiedehand- 
werker nicht  ausfindig  zu  machen  gewesen  sei,  so  habe  der  Kapitän 
erwogen,  ob  er  nach  Nagasaki  gehen  und  dort  die  Reparatur  vornehmen 
lassen  solle.   Während  er  sich  mit  diesem  Plane  getragen  habe,  sei  das 
Schiff  aufgebracht  worden.     In   Ansehung  dieser  Tatsachen   stehe  es 
ganz  außer  Zweifel,  daß  das  Schiff  unverzüglich  die  ursprünglich  beab- 
sichtigte  Reise  fortgesetzt   haben   würde,  wenn  es  gelungen   wäre,   in 
Nagasaki  das  Ruder  reparieren  zu  lassen.    Von  welcher  Seite  man  auch 
immer  die  Sache  ansehe,  so  müsse  man  doch  als  feststehende  Tatsache 
erkennen,   daß   zur  Zeit  der  Aufbringung  des   Dampfers  die   Absicht 
bestanden  habe,  die  ursprünglich  geplante  Reise  auszuführen,  und  daß 
diese  Reise  nur  vorübergehend  unterbrochen  gewesen  sei.    Wenn  da- 
her die  erste  Instanz  entschieden  habe, 

daß  ein  bei  dem  Transport  von  Kriegskonterbande  betroffenes 
Schiff,  falls  es  zur  Zeit  der  Aufbringung  seine  Absicht  nicht 
absolut  aufgegeben  habe,  einzuziehen  sei,  und  zwar  zufolge 
einer  allgemein  anerkannten  Regel  des  Völkerrechts  usw., 
so  besteht  diese  Entscheidung  völlig  zu  Recht.   Da  somit  die  Berufung 

87^ 


Abschnitt  VI  Üb  Prisengerichtsentscheidungen:  „Lydia". 

auch    in   diesem   Punkte   der  Begründung  entbehre,  so   beantrage   er 
Abweisung  derselben. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 
Nikolajewsk  befindet  sich  im  Mündungsgebiet  des  Amur-Flusses 
und  ist  gleich  wie  Wladiwostok  einer  der  wichtigsten  Stützpunkte  im 
Rücken  der  Verteidigungslinie  der  die  Mandschurei  besetzt  haltenden 
russischen  Armee  gewesen.  Von  dem  Zeitpunkt  an,  wo  die  Kaiser- 
liche Marine  den  Seeverkehr  nach  Wladiwostok  vollständig  abgeschnitten 
hatte,  wurde  Nikolajewsk  zum  Einfuhrort  für  den  gesamten  russischen 
Kriegsbedarf.  Dazu  kommt,  daß  Nikolajewsk  befestigt  war  und  daß 
Kanonenboote  und  Torpedoboote  dort  stationiert  waren.  Ferner  waren 
in  Nikolajewsk  Landtruppen  stationiert  und  es  wurde  tatsächlich  energisch 
in  Verteidigungszustand  gesetzt.  Unter  diesen  Umständen  ist  es  klar, 
daß  die  Ladung  des  Dampfers  „Lydia",  unter  welcher  sich  Material  für 
den  Bau  und  die  Ausrüstung  von  Kriegs-  und  anderen  Schiffen,  Ma- 
schinenöl, Zylinderöl,  Wagenschmieröl,  Madiafett,  Essigsäure,  Schmier- 
kannen, Zwischenlegescheiben,  Bandeisen,  Treibriemen,  Schmirgel,  Hanf- 
garn —  alles  Gebrauchsartikel  für  solche  Schiffe  —  und  Proviant,  wie 
z.  B.  Tafel-  und  anderes  Salz,  befand,  dem  Feind  für  dessen  Kriegsbedarf 
zugeführt  werden  sollte  und  dementsprechend  als  Kriegskonterbande 
anzusehen  ist.  Was  die  übrigen  Waren  anlangt,  so  sind  sie  zwar  nicht 
Kriegskonterbande,  da  sie  jedoch,  ausweislich  des  Lademanifestes,  ebenso 
wie  die  oben  angeführte  Konterbande,  im  Eigentum  der  Firma  Noebel 
&  C  o.  stehen,  so  unterliegen  die  sämtlichen  zur  Verhandlung  stehenden 
Güter  der  Wegnahme. 

Der  Reklamant  behauptet,  das  Schiff  „Lydia",  das  mit  den  frag- 
lichen Gütern  befrachtet  war,  sei  nicht  auf  der  Reise  nach  Nikolajewsk 
aufgebracht  worden,  vielmehr  habe  es  infolge  eines  Taifuns  einen  Schaden 
am  Steuer  erlitten,  der  es  veranlaßt  habe,  seine  Absicht,  nach  Niko- 
lajewsk zu  fahren,  aufzugeben.  Als  es  aber  auf  der  Rückfahrt  nach 
Shanghai  schon  etwa  250  Seemeilen  zurückgelegt  gehabt  habe,  sei  es 
neuen  Schwierigkeiten  begegnet,  habe  daher  Hülfe  angerufen,  um  den 
Hafen  von  Naha  anlaufen  zu  können,  und  sei,  als  es  in  diesem  Hafen 
verankert  gewesen  sei,  beschlagnahmt  worden.  Selbst  wenn  daher  an- 
zunehmen wäre,  daß  es  ursprünglich  mit  der  Absicht  der  Beförderung 
von  Kriegskonterbande  ausgefahren  sei,  so  habe  es  doch  jedenfalls  diese 
Absicht  aufgegeben  und  die  Beschlagnahme  des  Schiffes  nach  Auf- 
gabe der  Absicht  sei  rechtlich  unbegründet.  Aber  in  dem  zum  Beweise 
dieser  Behauptung  eingezogenen  Schiffsjournal  steht  nur,  das  Schiff  habe 
wegen  des  Taifuns  und  wegen  des  erlittenen  Ruderschadens  Shanghai 
als  Nothafen  anzulaufen  und  daher  den  Kurs  zu  ändern  beschlossen. 
Es  fehlt  aber  nicht  nur  an  irgend  einer  anderen  Angabe,  aus  welcher 
hervorgeht,  daß  das  Schiff  die  Absicht,  nach  Nikolajewsk  zu  fahren, 

880 


Priaangerichtsentscheidungen:  „Aiistralia".  Abschnitt  VIN 

aufgegeben  hätte;  vielmehr  ist  gerade  nach  dieser  Eintragung  an- 
zunehmen, daß  das  Schiff  beabsichtigte,  seinen  Schaden  in  Shanghai 
reparieren  zu  lassen,  und  daß  es  doch  noch  rechtzeitig  genug  aus 
Shanghai  wieder  auslaufen  zu  können  hoffte,  um  meinen  Bestimmungs- 
hafen Nikolajewsk  vor  dem  Zufrieren  zu  erreichen.  Es  kann  also  nicht 
behauptet  werden,  daß  das  Schiff  infolge  erlittenen  Seeschadens  seine 
Absicht,  Kriegskonterbande  zu  befördern,  aufgegeben  hat. 

Daß  auch  neutrale  Schiffe,  wenn  sie  eine  Einfuhr  von  Kriegskonter- 
bande vorgehabt  haben,  zusammen  mit  der  Kriegskonterbande  weg- 
genommen werden  können,  ist  von  der  völkerrechtlichen  Wissenschaft 
anerkannt.  ^)  Da  bei  der  in  Frage  stehenden  Reise  außerdem  auch  noch  in 
der  oben  dargestellten  Weise  betrügerische  Handlungen  begangen  sind, 
so  ist  es  gerechtfertigt,  daß  das  Urteil  der  ersten  Instanz  auf  Einziehung 
der  zur  Verhandlung  stehenden  Güter  erkannt  hat,  und  die  Berufung 
ist  unbegründet 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  12.  März  1906  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


Reklamanten:  Oceanic  Steamship  Company,  Vereinigte  Staaten  von 
Nordamerika,  San  Francisco,  vertreten  durch  den  Kapitän  des  Dampfers 
„Australia",  James  Rennie,  und  Lloyd,  England,  London,  vertreten 
durch  A.  G.  MoreyWeale,  Angehörigen  der  Firma  Cornes&Co., 
Yokohama,  Yamashitacho  Nr.  40. 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  Sato  Hakuai,  Yokohama, 
Honcho,  Sanchomo  Nr.  40. 

In  der  Prisensache,  betreffend  den  nordamerikanischen  Dampfer 
„Australia",  wird  nach  Beendigung  der  Untersuchung,  wie  folgt,  ent- 
schieden : 

Urteilsformel: 

Es  wird  auf  Wegnahme  des  nordamerikanischen  Dampfers  „Au- 
stralia"  und  der  auf  ihm  verschifften  Ladung  (ungefähr  1400  Sack 
Weizenmehl  und  200  Kisten  sonstige  Lebensmittel  und  Webwaren  so- 
wie gemischte  Güter)  erkannt. 

~        3)  Anders  die  japanische  Seeprisenordnung,  §§  43,  44  (V)  und  Ihre  Gnindlage, 
das  englische  Manual  of  Naval  Prize  Law,  Art.  82  bis  85. 

Mftratrftnd-Meohlenburff,  Daa  jApanisohe  Prlsenrecht.  (56)  ool 


Abschnitt  VIM  Prisengerlchtsentscheiduiigeii :  „Australia". 

Tatbestand  und  Gründe: 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „Austraha"  hat  seinen 
Heiniatshafen  in  San  Francisco,  Vereinigte  Staaten  von  Nordamerika, 
und  ist  ein  Handelsschiff,  welches  die  Flagge  dieses  Staates  fuhrt.  Er- 
wurde am  10.  April  1905  auf  Grund  eines  auf  den  Namen  der  russischen 
Kamtschatka-Handels-  und  Industriegesellschaft  abgeschlossenen  Miets- 
vertrags für  etwa  4  Monate  vermietet,  um  dazu  zu  dienen,  die  Aufgabe 
der  russischen  Regierung  auszuführen,  welche  darin  bestand,  für  das 
Etatjahr  1905  die  amtlichen  und  privaten  Bedarfsgegenstände  nach  den 
verschiedenen  Küsten  platzen  des  Ochotskischen  Meers  und  des  Bering- 
meers zu  schaffen. 

Zur  Ausführung  der  Lieferung  der  genannten  Bedarfsgegenstände- 
wurde  der  Rat  des  Ministeriums  des  Innern,  Nikolai  Alexandre- 
witsch  Grebnitzki,  zum  Oberlieferungskommissar  ernannt.  Dieser 
Beamte  übernahm  die  Lieferungsgeschäfte  und  das  allgemeine  offizielle 
und  private  Nachrichtenwesen  an  der  Küste  des  fernen  Ostens.  Daneben 
erhielt  er  Befehl,  die  Lage  der  Küstenplätze  zu  untersuchen.  In  San 
Francisco  schaffte  er  über  100  Kolli  Lebensmittel,  Schießpulver,  Blei- 
stangen und  -Barren,  Webwaren  und  andere  gemischte  Güter  zusammen,, 
verlud  dieselben  auf  dem  zur  Verhandlung  stehenden  Schiff,  auf  dem 
er  sich  auch  selber  einschiffte,  und  fuhr  am  25.  Mai  d.  J.  von  San' 
Francisco  ab.  Der  Dampfer  lief  unter  Leitung  des  genannten  Beamten 
über  die  Commandorski-Inseln  und  den  Hafen  Petropawlowsk  die  ver- 
schiedenen Häfen  des  Ochotskischen  Meeres  an,  verteilte  einen  großen 
Teil  seiner  Ladung  und  kehrte  nach  Ausübung  der  Nachrichtengeschäfte 
wieder  nach  Petropawlowsk  zurück.  Als  er  dort  im  Begriff  war,  zur 
Erledigung  der  noch  übrigen  Geschäfte  Vorbereitungen  zu  emer  neuen 
Reise  nach  den  Küstenplätzen  des  Ochotskischen  Meeres  zu  treffen, 
wurde  er  am  13.  August  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Suma"  be- 
schlagnahmt. 

Zur  Zeit  der  Beschlagnahme  befanden  sich  an  Bord  außer  den  der 
russischen  Regierung  gehörigen  Sachen  feindliche  Güter,  welche  von 
der  in  Petropawlowsk  niederlässigen  Kamtschatka  Handels-  und  Indu- 
striegesellschaft nach  verschiedenen  Küstenplätzen  des  Ochotskischen 
Meeres  versandt  werden  sollten. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Vertreters  des  Kommandanten  des  Kriegsschiffs  „Suma",  Kapitän leutnants 
Ominato  Naotaro,  die  Vernehmungsprotokolle  des  Genannten,  des 
Kapitäns  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs,  James  Rennie, 
des  mitreisenden  Rats  des  russischen  Ministeriums  des  Innern,  Nikolai 
Alexandrowitsch  Grebnitzki,  der  Angestellten  den .  Kamt- 
schatka-Handels- und  Industriegesellschaft  A.  Kantor  und  Peter 
Upman  und  des  ersten  Offiziers  H.  Caughell,  durch  die  Abschrift 

882 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Australia'S  Abschnitt  VI» 

d€S  Vernehmungsprotokolls  mit  Qrebnitzki  in  der  Prisensache,  be- 
treffend den  Dampfer  „Montara",  i)  die  Abschrift  der  Instruktion  der 
russischen  Regierung  an  den  Kommissar  für  die  Lieferungen  an  die 
Küsstenplätze  des  Ochotskischen  und  Beringmeers  im  Rechnungsjahr 
J905,  das  Schiffszertifikät,  den  Chartervertrag,  das  Tagebuch,  das  Privat- 
schiffsjournal, das  Ladungsverzeichnis  und  das  Verzeichnis  der  vor- 
gefundenen Güter. 

Die  Hauptpunkte  der  Reklamation  sind  folgende: 

L  Der  Dampfer  „Australia''  gehöre  dem  Reklamanten,  der  Oceanic 
Steamship  Company,  und  sei  ein  neutrales  Schiff,  welches  am  Ort  der 
Niederlassung  der  Gesellschaft,  San  Francisco,  ordnungsmäßig  ein- 
getragen sei.  Der  Reklamant  habe  im  April  dieses  Jahres  mit  der 
Kamtschatka-Handels-  und  Industriegesellschaft  einen  Chartervertrag  ab- 
geschlossen, nach  welchem  das  Schiff  derselben,  zur  Fahrt  bei  Kam- 
tschatka und  der  Umgegend  davon,  für  ungefähr  4  Monate  vermietet 
worden  sei.  Die  Bestimmungen  dieses  Vertrages  entsprächen  alle  dem 
Gebräuchlichen.  Ferner  seien  während  der  Ausübung  des  genannten 
Vertrages  keine  falschen  Schiffspapiere  angefertigt  oder  falsche  Ein- 
tragungen vorgenommen  worden.  Diese  Tatsachen  bewiesen  mehr  als 
genug,  daß  weder  der  Reeder  noch  der  Kapitän  eine  Verletzung  der 
Neutralität  geplant  hätten. 

In  Fällen  wie  dem  vorliegenden,  wo  das  Schiff  im  ganzen  der 
Gegenstand  des  Chartervertrages  sei,  entspreche  es  dem  allgemeinen 
Brauch,  daß  während  der  Reise  die  Bestimmung  über  Löschen  und 
Laden  von  Gütern  dem  Vertreter  des  Charterers  zustehe.  Es  sei  daher 
natürlich,  daß  der  Kapitän  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  da- 
von, daß  unter  der  Ladung,  der  russischen  Regierung  gehörige,  Güter 
gewesen  seien,  keine  Kenntnis  gehabt  habe.  Da  ferner  der  mitgereiste 
russische  Beamte  ihm  als  Passagier  vorgestellt  sei,  so  liege  kein  Grund 
vor,  weshalb  er  über  die  Amtsbefugnis  des  Genannten  hätte  unterrichtet 
sein  sollen.  Es  könne  demnach  nicht  angenommen  werden,  daß  der 
Reeder  oder  der  Kapitän  die  Absicht  gehabt  hätten,  das  Schiff  unter  die 
Order  der  russischen  Regierung  zu  stellen  und  daß  folglich  der  neu- 
trale Charakter  des  Schiffs  eine  Veränderung  erfahren  habe. 

Überdies  sei  der  in  Frage  stehende  Transport  ^durchaus  eme  Handelsr 
transaktion  des  Charterers,  und  wenn  auch  ein  Teil  dieser  Transaktion 
sich  auf  einen  Transportkontrakt  von  Regierungsgütern  beziehe,  so  müsse 
doch  eine  Entscheidung,  daß  dadurch  das  Schiff  ein  im  Dienste  der 
Regierung  stehendes  Schiff  werde,  als  unberechtigt  erklärt  werden.  Eine 
solche  Entscheidung  könne  nur,  wenn  man  annehme,  daß  der  vor- 
liegende Chartervertrag  nur  ein  Schein  vertrag  und  daß  in  Wahrheit 
der  eine  der  kontrahierenden  Teile  die  russische  Regierung  selbst  sei,  ab- 

»)  VI.  58. 

(56*)  883 


Abschnitt  VI»  Prisengerichtsentscheidungen:  „Australia''. 

gegeben  werden.  Da  ferner  der  auf  dem  Schiff  mitgereiste  Beamte 
sich  nur  eingeschifft  habe,  weil  er  die  Aufgabe  gehabt  habe,  dafür  zu 
sorgen,  daß  ein  Teil  der  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs 
nach  verschiedenen  Plätzen  geschafft  und  verteilt  werde,  so  könne  das 
nicht  zum  Beweis  bei  Entscheidung  über  die  Frage  dienen,  ob  de^- 
Chartervertrag  wahr  oder  unwahr  sei;  dies  um  so  weniger,  als  der 
Genannte  seine  Aufgabe  bereits  erfüllt  gehabt  und  wegen  Krankheit 
im  Hospital  in  Petropawlowsk  gelegen  habe,  wo  er  auf  die  Rückkehr 
des  Schiffs  von  einer  Reise  nach  verschiedenen  Plätzen  gewartet  habe, 
um  auf  demselben  in  die  Heimat  zurückzukehren.  Daraus  gehe  hervor, 
daß  die  Beziehungen  zwischen  dem  Genannten  und  dem  zur  Verhandlung 
stehenden  Schiff  schon  vollständig  abgebrochen  gewesen  seien. 

2.  Wenn  ein  Schiff  in  einen  ausländischen  Hafen  einlaufe,  so  ent- 
spreche es  einem  bei  Handelsschiffen  allgemeinen  Gebrauch,  daß  im 
Vormast  die  Flagge  des  betreffenden  Landes  geheißt  werde.  Wenn 
daher  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  bei  seiner  Einfahrt  in  Petro- 
pawlowsk im  Vormast  die  russische  Flagge  geführt  habe,  so  habe  es 
sich  darin  nur  nach  den  allgemeinen  Gebräuchen  gerichtet.  Man  könne 
daher,  da  das  Schiff  die  von  ihm  zu  führende  Flagge,  nämlich  die 
amerikanische  Landesflagge,  nicht  gestrichen  gehabt  habe,  nicht  auf 
Grund  der  obigen  Tatsache  behaupten  wollen,  daß  das  zur  Verhandlung 
stehende   Schiff   unter  russischer   Flagge   gefahren  sei. 

3.  Der  von  dem  Charterer  übernommene  Transport  von  Lebens- 
mitteln stehe  weder  direkt  noch  indirekt  in  Beziehung  zu  den  Zwecken 
des  Krieges.  Die  Bevölkerung  von  Kamtschatka  habe,  weil  es  an  Wegen 
zur  Versorgung  mit  Lebensmitteln  gefehlt  habe,  in  entsetzlicher  Weise 
Hunger  gelitten.  Es  sei  von  völkerrechtlichen  Präzedenzen  anerkannt, 
daß,  wenn  eine  Reise  dem  Zweck  der  Wohlfahrt  der  Menschheit  diene 
und  keine  Beziehung  zu  den  Zwecken  der  Kriegsführung  habe,  selbst 
ein  feindliches  Regierungsschiff  von  der  Aufbringung  frei  sein  müsse. 
Auch  Schiffe,  welche  wissenschaftliche,  wohltätige  oder  religiöse  Zwecke 
verfolgten,  fielen  alle  unter  diese  Ausnahmebestimmung.  Wieviel  mehr 
müsse  das  gelten  von  dem  in  Frage  stehenden  Vorhaben,  welches  eine 
hunger leidende  Bevöllcerung  mit  Lebensmitteln  habe  versorgen  wollen 
und  mit  welchem  sich  die  gewöhnliche  Wohltätigkeit  an  humanitärer  Be- 
deutung nicht  vergleichen  könne. 

4.  Die  Charterer  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  hätten 
von  jeher  die  Proviantversorgungstätigkeit  nicht  ausschließlich  mit  Schif- 
fen ihres  eigenen  Landes  betrieben,  vielmehr  lägen  eine  Menge  Bei- 
spiele vor,  wo  sie  ausländische  Schiffe  gechartert  hätten.  Einmal  an- 
genommen, es  sei  wahr,  wie  Grebnitzki  ausgesagt  habe,  daß  auf  den 
Commandorski-Inseln  schon  seit  lange  der  Handelsverkehr  mit  aus- 
ländischen Schiffen  aufgehört  habe,  so  sei  das  nur  das  Resultat  der 

884 


Prisengerichtseiitscheidungen :  „Australia".  Abschnitt  VI« 

Monopolisierung  der  Geschäfte  durch  die  Kamtschatka-Handels-  und 
Industriegesellschaft;  mit  anderen  Worten:  es  gründe  sich  auf  einem 
speziellen  Vertrag,  der  nur  die  Beziehungen  der  russischen  Regierung 
und  der  genannten  Gesellschaft  berühre;  habe  indes  nicht  seinen  Grund* 
darin,  daß  der  Küstenhandel  durch  russisches  Gesetz  verboten  sei.  Wenn 
man  ferner  einmal  eine  derartige  Abmachung  beziehungsweise  Instruk- 
tion für  die  Kamtschatka-Handels-  und  Industriegesellschaft  als  russisches 
Gesetz  ansehe,  so  betreffe  dies  doch  nur  die  Beziehungen  zwischen! 
der  Regierung  und  der  Gesellschaft,  und  wenn  auch  die  russische  Re- 
gierung die  alten  Bedingungen  abgeändert  habe  und  die  Gesellschaft 
ausländische  Schiffe  brauchen  lasse,  so  könne  man  deshalb  doch  nicht 
annehmen,  daß  gecharterte  ausländische  Schiffe  mit  spezieller  Erlaub- 
nis der  russischen  Regierung  führen. 

Was  der  §  6  der  gegenwärtigen  japanischen  Seeprisenordnung*) 
als  „Schiffe,  welche  mit  besonderer  Erlaubnis  des  feindlichen  Staats 
fahren''  bezeichne,  sei  dasselbe,  was  die  alte  Seeprisenordnung  als 
„Schiffe,  welche  einen  Reisepaß  des  feindlichen  Staats  besitzen  oder  auf 
Grund  einer  Erlaubnis  des  feindlichen  Staats  fahren"  bezeichne.  Es 
seien  also  Schiffe  gemeint,  welche  selbst  eine  besondere  Erlaubnis  er- 
halten hätten.  Wenn  man  demnach  diese  Bestimmung  auf  den  gegen- 
wärtigen Fall  anwenden  wolle,  so  sei  das  nicht  nur  eine  Verletzung 
des  Sinnes  der  Seeprisen  Ordnung,  sondern  stehe  auch  mit  den  Präce- 
denzen  und  dem  Sinn  des  Völkerrechts  nicht  im  Einklang.  Man  könne 
daher  nicht  behaupten,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  mit 
einer  besonderen  Erlaubnis  der  russischen  Regierung  fahre. 

5.  Die  Wegnahme  von  Privateigentum  zur  See  sei  ein  Überbleibsel 
aus  barbarischen  Zeiten  Europas,  welches  man  im  Einklang  mit  dem 
Fortschritt  der  Zivilisation  ausschließlich  auf  Fälle,  wo  ihre  Vornahme 
im  Kriegsinteresse  des  Staats  notwendig  sei,  zu  beschränken  und  von 
der  Seeräuberei  zu  unterscheiden  bestrebt  sei.  Daher  müsse  das  See- 
prisenwesen mit  Wiederherstellung  des  Friedens  sein  Ende  nehmen, 
und  es  sei  selbstverständlich,  daß  Prisen,  welche  noch  nicht  abge- 
urteilt seien,  freigegeben  werden  müßten.  Das  bezeugten  auch  die  Bei- 
spiele des  französisch-mexikanischen  Kriegs  vom  Jahre  1856  (wahr- 
scheinlich irrtümlich  für  1865),  der  Kriege  zwischen  Österreich  gegen 
Frankreich  und  Piemont  vom  Jahre  1859,  zwischen  Dänemark  und 
Preußen  und  Österreich  vom  Jahre  1864  und  des  letzten  Teils  des 
preußisch-französischen  Kriegs. 

Bezüglich  der  gegenseitigen  Prisen  der  kriegführenden  Staaten  könn- 
ten diese  Fragen  entweder  durch  Vertrag  oder  nach  dem  Prinzip  der 
Gegenseitigkeit  geregelt  werden;  neutrale  Schiffe  und  Güter  brauchten 
sich  jedoch  von  Wiederherstellung  des  Friedens  an  nicht  mehr  der  Ent- 

885 


Abschnitt  VI»  Prisengerichtsentscheidungen:  „Australia^'. 

Scheidung  der  Prisengerichtshöfe  der  kriegführenden  Staaten  zu  unter- 
werfen. Daher  müsse  in  dem  vorliegenden  Falle  unfraglich  auf  Frei- 
gabe entschieden  werden. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Nach  der  obengenannten  Instruktion  der  russischen  Regierung  an 
den  Oberkommissar  G  r  e  b  n  i  t  z  k  i  und  nach  dem  Vernehmungsprotokoll 
mit  demselben,  hat  die  russische  Regierung  früher  durch  die  Gou- 
verneure der  Küstenprovinz  jährlich  auf  Schiffen  der  freiwilligen  Flotte 
oder  direkt  von  der  Regierung  gecharterten  Fahrzeugen  Lebensmittel 
und  allerhand  Waren  nach  dem  Ochotskischen  und  dem  Beringsmeer 
geschickt.  Die  Regierungsgüter  wurden  direkt  an  die  Regierungsdepots 
der  verschiedenen  Plätze  ausgeantwortet.  Die  Privatartikel  ließ  die  Re- 
gierung in  der  Regel  durch  die  Landräte  an  die  Kaufleute  und  die 
allgemeine  Bevölkerung  verkaufen.  Infolge  des  japanisch-russischen 
Kriegs  hörte  jedoch  der  Verkehr  nach  den  verschiedenen  Küstenplätzen 
auf,  und  man  konnte  schließlich  die  Verteilung  von  Bedarfsgegenständen 
durch  die  Gouverneure  nicht  mehr  durchführen  lassen.  Daher  ent- 
sandte die  Zentralregierung  direkt  den  obengenannten  Oberkommissar 
für  die  Lieferung  von  Bedarfsartikeln  nach  dem  fernen  Osten.  Das 
zur  Verhandlung  stehende  Schiff  erfüllte  diese  Aufgaben  und  erledigte 
die  Obliegenheiten,  welche  früher  den  Schiffen  der  freiwilligen  Flotte 
oder  den  direkt  von  der  Regierung  gecharterten  Fahrzeugen  zuge- 
fallen waren.  Es  ist  daher  klar,  daß  der  wirkliche  Zweck  des  zur  Ver- 
handlung stehenden  Schiffes  der  war,  zum  Gebrauch  russischer  Be- 
hörden zu  dienen.  Das  Schiff  ist  speziell  von  der  russischen  Regierung 
durch  die  Kamtschatka-Handels-  und  Industriegesellschaft  gemietet 
worden,  und  Grebnitzki  hatte  selbst  die  Vollmacht,  über  dasselbe 
zu  bestimmen,  und  wenn  auch  der  Versicherungsvertrag  über  das  Schiff 
zwischen  einer  Londoner  Versicherungsgesellschaft  und  der  Kamtschatka- 
Handels-  und  Industriegesellschaft  abgeschlossen  worden  ist,  so  hat 
doch  Grebnitzki  gesagt,  daß  die  russische  Regierung  die  Versiche- 
rungsprämie bezahle.  Wenn  man  nur  die  Abfassung  des  Charter- 
vertrags über  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  betrachtet,  so  ist 
freilich  der  Charterer  des  Schiffes  die  Kamtschatka-Handels-  und  Industrie- 
gesellschaft und  es  hat  den  Anschein,  als  ob  diese  Gesellschaft  auf 
Grund  eines  besonderen  Vertrages  mit  der  russischen  Regierung  die 
Beförderung  der  Regierungsgüter  übernommen  habe  und  als  ob  sie 
das  Schiff  für  ihre  eigenen  Handelsgeschäfte  benutze.  Tatsächlich  ist 
es  aber  unzweifelhaft,  daß  man  das  Schiff  als  ein  im  Dienst  der  russi- 
schen Regierung  stehendes  Fahrzeug  ansehen  muß. 

Der  Reklamant  führt  aus: 

Weder  der  Reeder  noch  der  Kapitän  habe  einen  Neutralitäts- 
bruch vorgehabt.   Sie  hätten  nicht  gewußt,  daß  es  sich  um 

886 


Piisengertchtsentscheidungen:  „Au8tralia".  Abschnitt  VI« 

einen  Transport  von  Regierungsgütern  handele  und  daß  der 
mitreisende  russische  Beamte  die  Aufgabe  gehabt  habe,  die 
Bedarfsartikel  zu  verteilen.  Daher  hätten  sie  nicht  die  Ab- 
sicht gehabt,  das  Schiff  unter  die  Order  der  russischen  Re- 
gierung zu  stellen; 
ferner : 

Der  Oberkommissar  habe  seine  Aufgabe  bereits  erfüllt  ge- 
habt und  habe  wegen  Krankheit  im  Hospital  in  Petropawlowsk 
gelegen.    Daraus  gehe  hervor,  daß  die  Beziehungen  zwischen 
dem  Genannten  und  dem  zur  Verhandlung  stehenden  Schiff 
schon  vollständig  abgebrochen   gewesen   seien. 
Die  Frage,  ob  das  Schiff  zum  Gebrauch  der^Behörden  gedient 
hat,  muß  nach  der  Art  der  tatsächlichen  Verwendung  entschieden  werden 
und   hat  nichts  mit  der  Absicht  des  Reeders   oder  des   Kapitäns  zu 
tun.    Als  das  Schiff  aufgebracht  wurde,  war  die  Charterfrist  noch  nicht 
-abgelaufen,  und  Gründe,  welche  darauf  schließen  lassen,  daß  eine  Ände- 
rung gegen   die  bisherige  Verwendung  eingetreten  war,    liegen  nicht 
vor.    Da  es  zudem  schon  bestimmt  war,  daß  das  Schiff,  um  die  noch 
übrigen   Aufgaben   zu  erledigen,   noch  eine   Reise  an   der   Küste  des 
Ochotskischen  Meeres  machen  sollte,  so  kann  auch  die  Landung  des 
Oberkommissars  auf  die  Eigenschaft  des  Schiffs  als  eines  Regierungs- 
fahrzeugs keinerlei  Wirkung  haben. 

Der   Reklamant  behauptet  weiter: 

Es  habe  zurzeit  an  Mitteln  und  Wegen  zur  Versorgung  von 
Kamtschatka  mit  Lebensmitteln  gefehlt,  und  die  Bevölkerung 
habe  schon  schrecklich  von  Hungersnot  gelitten.     Bei  Er- 
wägung der  Humanität  und  Wohltätigkeit  müsse  das  zur 
Verhandlung  stehende  Schiff  von   der  Wegnahme    befreit 
werden. 
Nach  der  oben  erwähnten  Instruktion  der  russischen  Regierung  kann 
man  aber  nicht  behaupten,  daß  die  Reise  zu  Zwecken  der  Hilfeleistung 
und  Wohltätigkeit  unternommen  worden  sei.     In  russischen  offiziellen 
Schriftstücken,  welche  das  Kaiserliche  Kriegsschiff  „Suma"  im   Hafen 
von  Petropawlowsk  beschlagnahmt  hat,  heißt  es,  daß  die  Dorfbewohner 
jener  Gegend  der  Einberufung  von  Freiwilligenabteilungen  eifrig  nach- 
_gekommen  seien  und  daß  am  29.  Mai  russischen  Stils  Grebnitzki  mit 
Lohn  und  Proviant  für  300  Freiwillige  für  3  Monate  eingetroffen  sei. 
Das  deutet  an,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  Proviant  usw. 
an   die  in   den   verschiedenen   Küstenplätzen   lagernden   Truppen   und 
freiwilligen  geliefert  hat.    Daher  ist  die  Argumentation  des  Reklamanten 
unbegründet. 

Weiter  bringt  der  Reklamant  vor, 

das  Seeprisenwesen   müsse  mit  der  Wiederherstellung  des 

887 


Abschnitt  VI»  Prisengerichtsenttcheldungeii:  „Aiiatralia'^ 

Friedens  sein  Ende  nehmen.     Daher  sei  es  selbstverständ- 
lich, daß  Prisen,  welche  noch  nicht  abgeurteilt  seien,  frei- 
gegeben werden  müßten.   Neutrale  Schiffe  und  Güter  brauch- 
ten sich  von  Wiederherstellung  des  Friedens  an  nicht  mehr 
der  Entscheidung  der  Prisengerichtshöfe  der  kriegführenden 
Staaten  zu  unterwerfen.   Daher  müsse  unfraglich  auf  Freigabe 
entschieden  werden. 
Was  die  hierfür  angeführten  Beispiele  angeht,  so  haben  dort  entweder 
die  kriegführenden  Staaten  in  einem  besonderen  Vertrag  die  gegen- 
seitigen Beziehungen  geregelt  oder  es  handelt  sich  nur  um   Freigabe 
einer  bestimmten  Art  feindlicher  Schiffe  auf  Grund  besonderer  gesetz- 
licher Vorschriften^  Als  Präcedenzen  auf  den  vorliegenden  Fall  können 
sie  indes  nicht  angesehen  werden. 

Wenn  auch  im  allgemeinen  das  Recht,  Prisen  zu  nehmen,  mit 
der  Wiederherstellung  des  Friedens  aufhört,  so  werden  doch  bereits 
geschehene  Aufbringungen  dadurch  nicht  annulliert.  Die  Handlung 
der  Aufbringung  und  die  Handlung,  welche  über  die  Rechtmäßigkeit 
der  Aufbringung  entscheidet,  sind  zwei  ganz  verschiedene  Sachen.  Daher 
können  die  Prisengerichte,  abgesehen  wo  sie  durch  besonderen  Ver- 
trag oder  durch  Gesetz  gebunden  sind,  gleichviel  ob  es  sich  um  neu- 
trale Schiffe  handelt  oder  nicht,  auch  nach  Wiederherstellung  des  Frie- 
dens die  Untersuchung  fortsetzen  und  entscheiden,  ob  Wegnahme  er- 
folgen soll  oder  nicht.  Dies  ist  von  der  Präcedenzentschieidung  be- 
treffend die  „Yeesung"  aus  dem  japanisch-chinesischen  Krieg  der  Jahre 
1894/95  und  von  der  sonstigen  völkerrechtlichen  Praxis  und  Wissen- 
schaft in  gleicher  Weise  anerkannt. 

Kurz,  wenn  auch  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  ein  neu- 
trales ist,  so  hat  es  doch,  weil  es  zurzeit  zum  Gebrauch  der  russischen 
Regierung  gedient  hat,  feindlichen  Charakter  s)  und  kann  nach  dem 
Völkerrecht  der  Einziehung  nicht  entgehen.*)  Da  ferner  die  Ladung 
des  Schiffes  der  russischen  Regierung  und  feindlichen  Personen*)  ge- 
hört, so  muß  sie  das  Schicksal  des  Schiffes  teilen. 

Da  aus  den  obigen  Gründen  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff 
und  seine  Ladung  einzuziehen  sind,  so  erübrigt  es  sich,  auf  die  wei- 
teren Ausführungen  des  Reklamanten  einzugehen. 

Es  wird  daher,  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  4.  November  1905  im  Prisengericht  zu  Yokosuka 
im  Beisein  des  Staatsanwalts  beim  Prisengericht  zu  Yokosuka,  U  c  h  i  d  a 
Shigenari. 

(Unterschriften.) 


»)  V.  §  6, 1.  -  ♦)  V.  §  40, 1.  -  *)  V.  §  40, 2. 
888 


PriSMigerichtsentscheldungeii:  „Au«tralia''.  Abschnitt  VI» 

Reklamanten:  Oceanic  Steamship  Company,  Vereinigte  Staaten  von 
Nordamerika,  San  Francisco,  vertreten  durch  den  Kapitän  des  Dampfers 
„Australia'S  James  Rennie,  und  Lloyd,  England,  London,  vertreten 
durch  A.  D.  Morey  Weale,  Angehörigen  der  Firma  Cornes  & 
Co.  in  Yokohama,  Yamashitacho  Nr.  50. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Sato  Hakuai,  Yokohama, 
Honcho,  Sanchome  Nr.  40. 

Am  4.  November  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Yokosuka  in  der 
Prisensache,  betreffend  den  nordamerikanischen  Dampfer  „Australia"  und 
seine  Ladung  (etwa  1400  Sack  Weizenmehl,  etwa  200  Kisten  sonstige 
Lebensmittel  und  Webwaren  sowie  gemischte  Güter),  welche  am 
13.  August  1905  im  Hafen  von  Petropawlowsk  von  dem  Kaiserlichen 
Kriegsschiff  „Suma"  beschlagnahmt  worden  sind,  ein  Urteil  gefällt,  in 
welchem  auf  Wegnahme  des  nordamerikanischen  Dampfers  „Australia" 
und  seiner  Ladung  entschieden  worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  haben  James  Rennie  als  Vertreter  des 
Reklamanten,  der  Oceanic  Steamship  Company,  und  A.  D.  Morey 
Weale  als  Vertreter  des  Reklamanten,  Lloyd,  durch  den  Rechtsanwalt 
Sato  Hakuai  als  Prozeß  Vertreter  die  Berufung  eingelegt,  welche  im 
Beisein  der  Staatsanwälte  Tsutsuki  Keiroku  und  Dr.  jur.  I s h i - 
watari  Binichi  beim  Oberprisengericht  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptberuf ungspunkte  des  Vertreters  der  Reklamation,  Sato 
Hakuai,  und  deren  Gründe  sind  folgende: 

1.  Die  reklamierende  Oceanic  Steamship  Company  habe  ihr  Haupt- 
geschäft in  San  Francisco,  Amerika.  Durch  Vermittlung  der  Firma  Ros- 
bram  &  Co.  daselbst  sei  der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer 
„Australia"  von  der  russischen  Kamtschatka-Handels-  und  Industrie- 
gesellschaft  gemietet  worden.  Dies  sei  eine  ganz  alltägliche,N  gewöhn- 
liche Handelstransaktion  gewesen,  die  selber  in  keiner  direkten  Be- 
ziehung zu  der  russischen  Regierung  stehe.  Daß  die  von  Rosbram 
&  Co.  vertretene  Kamtschatka-Handels-  und  Industriegesellschaft  mit 
der  russischen  Regierung  irgendwelchen  Vertrag  abgeschlossen  habe^ 
sei  durchaus  unbekannt  gewesen.  Sowohl  nach  dem  Willen  wie  den 
Handlungen  des  Reklamanten  sei  der  andere  Teil  bei  dem  Vertrag  die 
Kamtschatka-Handels-  und  Industriegesellschaft,  und  nur  ihr  gegen- 
über sei  der  Vertrag  ausgeführt  und  die  Verbindlichkeit  übernommen. 
Nach  Ankunft  des  Schiffes  in  Petropawlowsk  habe  der  Generalprokurist 
der  Kamtschatka-Handels-  und  Industriegesellschaft  den  A.  Kantor 
sich  auf  demselben  einschiffen  lassen  und  ihm  die  allgemeine  Leitung 
beim  Sammeln  und  Verteilen  der  Ladung  übertragen.  Die  unmittelbare 
Hantierung  der  Ladung  beim  Einnehmen  und  Löschen  habe,  wie  aus 
dessen  Vernehmungsprotokolle  hervorgehe,  dem  Upman  obgelegen^ 
der  unter  Order  von  Kantor  zu  handeln  gehabt  habe.     Da  so  die 

889 


Abschnitt  VI»  Prisengerichtsentscheldiumeii :  ,Australia'\ 

Charterer  ihre  Rechte  als  solche  selbst  ausgeübt  hätten,  so  habe  das 
Urteil  erster  Instanz,  welche  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  als 
im  Gebrauch  der  russischen  Regierung  stehend  betrachtet  habe,  den 
Tatbestand  falsch  aufgefaßt.  Wenn  auch  der  Oberkommissar  für  die 
Lebensbedürfnisse  und  Rat  im  russischen  Ministerium  des  Inneren, 
Qrebnitzki,  auf  dem  Schiff  mitgefahren  sei,  so  könne  man  doch  aus 
den  Vernehmungsprotokollen  des  Kapitäns  und  Kantors  entnehmen, 
daß  Qrebnitzki  dem  Kapitän  als  Passagier  und  Gouverneur  der 
Kommandorski-Inselgruppe  vorgestellt  worden  sei  und  daß  die  Kamt- 
schatka-Handels- und  Industriegesellschaft  ihn  gegen  Zahlung  der 
Passage  an  Bord  genommen  habe.  Danach  sei  es  offenbar,  daß  Greb- 
nitzki  das  Schiff  nicht  in  der  Stellung  eines  Charterers  unter  seinem 
Befehl  gehabt  habe.  Wenn  auch  die  russische  Regierung  die  Char- 
terer des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  mit  dem  Transport,  dem 
Ansammeln  und  der  Verteilung  von  Lebensbedürfnissen  zur  Versorgung 
ihrer  Untertanen  im  fernen  Osten  beauftragt  habe  und  wenn  auch 
tatsächlich  die  der  russischen  Regierung  gehörigen  Güter  unter  der 
von  den  Charterern  verschifften  Ladung  mehr  als  die  Hälfte  ausgemacht 
hätten,  so  könne  man  doch  deshalb  das  zur  Verhandlung  stehende 
Schiff  nicht  als  im  Gebrauch  der  russischen  Behörden  stehend  an- 
sehen. Dies  um  so  weniger,  als  die  andere  Hälfte  unzweifelhaft  Handels- 
waren der  Gesellschaft  sei  und  diese  so  zugleich  neben  der  Ausführung 
ihrer  Aufgabe  gegenüber  der  russischen  Regierung  ihre  eigenen  Handels- 
geschäfte betrieben  habe.  Freilich  habe  Grebnitzki  wirklich,  mit 
Bezug  auf  das  Ansammeln  und  die  Verteilung  der  amtlichen  Handels- 
güter, die  Anordnungen  getroffen.  Indes  hätten  sich  die  Anordnungen 
auf  den  Vertreter  der  Charterer  beschränkt  und,  wie  schon  gesagt, 
habe  der  Kapitän  seine  Weisungen  nur  von  dem  Vertreter  der  Charterer 
erhalten.  In  einem  Falle,  wo  viele  Güter  einem  Schiffe  übergeben 
würden,  um  an  verschiedenen  Orten  verteilt  zu  werden^  sei  es  ganz 
alltägliche  Regel  und  gebe  zu  keinerlei  Verdacht  Grund,  daß  ein  Ver- 
treter des  Ladungseigentümers  zur  Erteilung  der  nötigen  Anweisungen 
an  Bord  sei.  Die  Charterer  hätten  nach  ihrem  Lieferungskontrakt  die 
Pflicht  gehabt,  bezüglich  des  Ansammeins  und  Verteilens  der  Re- 
gierungswaren den  Anordnungen  des  Regierungsvertreters  Grebnitzki 
zu  folgen;  und  der  Kapitän  habe  in  Erfüllung  des  Chartervertrags  sich 
den  Orders  Kantors  zu  unterwerfen  gehabt.  So  habe  es  äußerlich 
den  Anschein  gehabt,  als  ob  Grebnitzki  bezüglich  der  Ansammlung 
und  Verteilung  der  Regierungsgüter  an  Bord  die  Weisungen  erteilt 
habe.  Dies  habe  sich  aber  nur  zufällig  durch  die  Ausführung  des 
Vertrags  ergeben,  und  man  könne  deshalb  nicht  annehmen,  daß  Greb- 
nitzki das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  unter  seiner  Order  gehabt 

890 


Prisengerichtsentscheidungen :  nAustralia".  Abschnitt  VI^ 

habe.    Auch  könne  man  es  nicht  so  auslegen,  als  ob  die  Reeder  oder 
der  Kapitän  das  Schiff  unter  seine  Order  gestellt  hätten. 

Die  Ansammlung  und  Verteilung  sei  bereits  vollendet  gewesen; 
nur.  ein  wenig  Tabak  und  Zucker  sei  nachgeblieben,  deren  Verteilung 
G  r  e  b  n  i  t  z  k  i  jedoch  gänzlich  dem  Vertreter  der  Charterer  überlassen 
gehabt  habe.  Während  er  selbst  von  Bord  und  zur  Pflege  in  das  Hospital 
von  Petropawlowsk  gegangen  sei,  hätten  die  Charterer  die  Verteilung 
ihrer  eigenen  und  der  noch  übrigen  Regierungswaren  beendigt.  Qreb- 
nitzki  habe  die  Rückkehr  des  Dampfers  und  seine  Einschiffung  auf 
demselben,  um  nach  San  Francisco  zurückzufahren,  abgewartet.  Dies 
gehe  aus  seinen  Aussagen  klar  hervor,  und  es  widerspreche  daher  noch 
mehr  den  Tatsachen,  wenn  angenommen  worden  sei,  daß  das  Schiff 
zur  Zeit  der  Beschlagnahme  ein  im  Gebrauch  der  russischen  Behörden 
stehendes  Fahrzeug  gewesen  sei. 

Das  Urteil  erster  Instanz  führe  aus,  daß, 

als  das  Schiff  aufgebracht  worden  sei,  die  Charterfrist  noch 
nicht  abgelaufen  gewesen  sei  und  daß  Gründe,  welche 
darauf  schließen  ließen,  daß  eine  Änderung  in  der  bisherigen 
Verwendung  eingetreten  sei,  nicht  vorgelegen  hätten.  Da 
es  zudem  schon  bestimmt  gewesen  sei,  daß  das  Schiff,  um 
die  noch  übrigen  Aufgaben  zu  erledigen,  noch  eine  Reise 
an  der  Küste  des  Ochotskischen  Meers  habe  machen  sollen, 
so  könne  die  Landung  des  Oberkommissars  auf  die  Eigen- 
schaft des  Schiffes  als  eines  Regierungsfahrzeugs  keinerlei 
Wirkung  haben. 
Grebnitzki  habe  aber  ausgesagt,  daß 

zur  Zeit  seines  Verlassens  des  Schiffs  die  Verteilung  der  Re- 
gierungsgüter fast  vollendet  gewesen  und  die  Verteilung  des 
wenigen    noch    übrigen    Tabaks    und    Weizenmehls    dem 
Charterer  ganz  überlassen  worden  sei.     Die  Güter,   außer 
diesem   Tabak   und   Weizenmehl,   seien    Handelswaren    der 
Charterer  gewesen. 
Der  Genannte  habe  bei  der  Vernehmung,  obwohl  er  an  der  Aufbringung 
des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  in  keiner  Weise  interessiert  ge- 
wesen sei,  von  selbst  die  Instruktion  für  ihn  als  Oberkommissar  gezeigt 
und  ausgesagt,  daß  die  Versicherung  für  das  zur  Verhandlung  stehende 
Schiff  der  russischen  Regierung  obgelegen  habe.  Man  müsse  annehmen, 
daß  er  dies  nur  in  dem  Wunsche  getan  habe,  den  Fortgang  der  Unter- 
suchung durch  den  mit  dem  Fall  beauftragten  Rat  zu  unterstützen  und 
dadurch  schnell  von  der  Detention  freizukommen.    Daher  könne  man 
die  Wahrheit  der  Aussagen   des  Genannten   über  diese  Punkte  nicht 
anzweifeln.    Selbst   wenn    man    daher   einmal   annehme,    daß    das    zur 
Verhandlung  stehende  Schiff  anfangs  ein  im  Gebrauch  der  russischen 

891 


Abschnitt  VIM  Prisengerichtsentscheidungen:  „Australia". 

Behörden  stehendes  Fahrzeug  gewesen  sei,  so  könne  man  bezüglich 
der  Zeit  der  Beschlagnahme  doch  nur  annehmen,  daß  es  damals  völlig 
den  Anordnungen  der  Charterer  unterstanden  habe. 

Wenn  auch  zur  Zeit  der  Beschlagnahme  die  Charterfrist  noch 
nicht  abgelaufen  gewesen  sei,  so  sei  doch  der  Mietsvertrag  von  An- 
fang an  ein  Vertrag  zwischen  den  Charterern  und  dem  Reeder  gewesen, 
und  wenn  man  auch  einmal,  wie  das  Urteil  erster  Instanz,  annehme,  daR 
das  Schiff  zum  Gebrauch  der  russsichen  Behörden  gedient  habe,  so 
beruhe  das  auf  einer  Handlung  der  Charterer  und  es  sei  selbst- 
verständlich, daß  das  Schiff  von  der  Zeit  an,  wo  die  Charterer  auf- 
gehört hätten,  es  den  russischen  Behörden  zum  Gebrauch  zu  stellen^ 
nicht  mehr  ein  im  Gebrauch  der  russischen  Behörden  stehendes  Fahr- 
zeug gewesen  sei.  Die  Frage,  ob  die  Charterfrist  abgelaufen  gewesen 
sei  oder  nicht,  sei  daher  ohne  Belang. 

Wenn  es  auch  wahr  sei,  daß  die  eigentlich  dem  Charterer  ob- 
liegende Verpflichtung  zur  Zahlung  der  Versicherung  der  russischen 
Regierung  auferlegt  worden  sei,  so  berühre  das  nur  interne  Verhält- 
nisse, welche  auf  einem  Übereinkommen  zwischen  den  Charterern  und 
der  russischen  Regierung  beruhten.  In  Fällen,  wo  der  Reeder  den 
Versicherungsvertrag  abschließe,  werde  die  Versicherungsprämie  beim 
Chartergeld  in  Anrechnung  gebracht  und  falle  so  dem  Charterer  zur 
Last.  Außerdem  gebe  es  auch  Fälle,  wo  der  Charterer  die  Versicherung 
trage  und  das  Chartergeld  sich  um  einen  dementsprechenden  Betrag 
verringere.  Diese  Erwägung  gelte  auch  für  die  Beziehungen  dieser 
Art  zwischen  Charterer  und  Ladungseigentümer.  Da  über  die  Hälfte 
der  Ladung  der  russischen  Regierung  gehöre,  so  müsse  der  größte 
Teil  der  Versicherungsprämie,  welche  die  Charterer  bezahlt  hätten,  in 
der  Fracht  eingeschlossen  sein  und  somit  der  russischen  Regierung 
als  Ladungseigentümer  zur  Last  fallen.  Wenn  dagegen  die  russische 
Regierung  die  Versicherungsprämie  gezahlt  habe,  so  könne  man  das 
nur  als  einen  Abzug  von  der  Fracht  auffassen.  Auch  sei  es  ganz 
natürlich,  daß  die  russische  Regierung  im  Kriege,  wo  der  Seetransport 
schwierig  sei,  einen  für  die  Charterer  günstigen  Vertrag  habe  schließen 
müssen.  Man  könne  daraus,  daß  der  Ladungseigentümer  für  den 
Charterer  die  Versicherung  trage,  nicht  ableiten  wollen,  daß  der  wahre 
Kontrahent  bei  dem  Chartervertrag  der  Ladungseigentümer  sei. 

Wenn  man  übrigens  annehmen  wolle,  daß  die  russische  Regierung 
selber  der  wahre  Charterer  und  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff 
ein  im  Gebrauch  dieser  Regierung  stehendes  Fahrzeug  sei,  so  könne 
man  die  Stellung  der  Kamtschatka -Handels-  und  Industriegesellschaft 
wohl  kaum  erklären,  welche  neben  den  Regierungsgütern  auf  ihre  eigene 
Rechnung  das  Geschäft  betrieben  habe. 

Kurz,  es  fehle  an  ausreichenden  Beweisen  dafür,  daß  das  zur  Ver- 

892 


Prlsengerichtsentscheidungen:  „Australia".  Abschnitt  VI» 

handlung  stehende  Schiff  als  ein  im  Gebrauch  der  russischen  Behörden 
stehendes  Fahrzeug  anzusehen  sei. 

2.  Die  von  den  Chartenern,  der  Kamtschatka  -  Handels-  und 
Industriegesellschaft,  der  russischen  Regierung  gegenüber  übernommenen 
Proviantlieferungsgeschäfte  hätten  weder  mittelbar  noch  unmittelbar  mit 
dem  Krieg  etwas  zu  tun.  Da  der  Dampfer  „Maniola",  welcher  im  Juni 
1904  zwecks  Lieferung  von  Lebensmitteln  nach  Kamtschatka  abgefahren 
sei;  unterwegs  Schiffbruch  erlitten  habe,  wobei  die  ganze  Ladung  ver- 
loren gegangen  sei,  so  hätten  die  Landleute  und  Fischer  auf  Kamtschatka 
tatsächlich  Hungersnot  gelitten.  Als  das  zur  Verhandlung  stehende 
Schiff  seine  Ladung  an  den  verschiedenen  Plätzen  gelöscht  habe,  seien 
die  dort  zusammengekommenen  Landleute  und  Fischer  durch  den 
Mangel  an  Lebensmitteln  sehr  entkräftet  gewesen,  bei  vielen  habe  die 
Sehkraft  fast  bis  zur  Blindheit  abgenommen  gehabt,  und  ihre  Pelz- 
kleider seien  zerlöchert  und  Arme  und  Beine  entblößt  gewesen.  Es 
habe  Plätze  gegeben,  welche  schon  seit  zwei  Jahren  keine  Lebensmittel 
geliefert  erhalten  hätten.  (Die  von  dem  Reklamanten  in  der  ersten 
Instanz  zur  Klarstellung  dieser  Tatsachen  beantragte  Aufnahme  von 
Beweisen  sei  abgewiesen  worden.  Es  sei  daher  billig,  das  anzunehmen, 
was  zugunsten  des  Reklamanten  sein  würde.) 

Die  Warenlieferung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  habe 
das  Bedürfnis,  das  in  jenen  Gegenden  bestanden  habe,  noch  nicht  be- 
friedigen können.  Auch  noch  zur  Zeit  des  am  18.  September  1905 
zwischen  der  russischen  und  japanischen  Marine  abgeschlossenen  Waffen- 
stillstands habe  der  Konteradmiral  Essen  als  Vertreter  Rußlands  die 
dringende  Bitte  gestellt,  man  möge,  da  nach  zwei  Wochen  der  See- 
verkehr nach  Petropawlowsk  aufhöre,  die  Entsendung  eines  Transport- 
schiffs von  Wladiwostok  nach  dorthin  aus  Menschlichkeit  gestatten,  da 
sonst  die  Bevölkerung  an  Hunger  sterben  müsse.  Diesem  Gesuch  habe 
der  Konteradmiral  Shimamura  als  Vertreter  des  Oberstkomman- 
dierenden der  vereinigten  Flotte,  Togo,  weil  die  Umstände  sehr  drängten, 
zugestimmt  und  er  habe  einen  besonderen  Paß  erteilt.  Die  völker- 
rechtliche Praxis  stehe  auf  dem  Standpunkt,  daß  auf  einer  Reise,  welche 
Pflichten  der  humanen  Wohltätigkeit  diene  und  mit  den  Zwecken  des 
Krieges  nicht  in  Beziehung  stehe,  auch  ein  feindliches  Regierungsschiff 
nicht  weggenommen  werden  könne,  sondern  unter  die,  für  wissen- 
schaftliche, wohltätige  und  religiöse  Zwecke  bestehende  allgemeine  Aus- 
nahme falle.«)  Wieviel  mehr  müsse  das  für  das  zur  Verhandlung 
stehende  Schiff  gelten,  welches  die  Aufgabe  gehabt  habe,  an  die  Land- 
ieute  und  Fischer  auf  Kamtschatka,  welche  während  des  Winters  keine 
Kleidung  und  Nahrung  erhalten  könnten,  wenn  nach  1  bis  2  Monaten  der 
Seeverkehr  aufgehört  habe,  und  welche  dann  dem   Hungerstode  ver- 

•)  V.  §  35,2. 

893 


Abschnitt  VI^  Prisengerichtsentscheidungen:  ,,Australia". 

fallen  müßten,  Lebensmittel  zu  liefern.  Mit  diesem  Akt  der  iMensch- 
lichkeit  könne  sich  die  gewöhnliche  Wohltätigkeit  gar  nicht  vergleichen. 

Wenn  die  russische  Regierung  unter  Darlegung  der  dortigen  Ver- 
hältnisse offiziell  mit  der  japanischen  Regierung  verhandelt  hätte,  so 
würde  die  japanische  Regierung,  welche  in  jeder  Beziehung  die  völker- 
rechtlichen und  menschlichen  Grundsätze  achte,  auch  einem  russischen 
Schiff,  welchem  die  Aufgabe  dieser  Versorgung  obgelegen  hätte,  gerade 
wie  der  Vertreter  ihrer  Marine  entschieden  habe,  zweifellos  die  Erlaubnis 
erteilt  haben. 

Der  Reeder  und  der  Kapitän  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Schiffes  hätte  dasselbe  nicht  unter  die  Order  der  russischen  Regierung 
gestellt,  auch  selbst  nicht  eine  solche  Absicht  gehabt.  Der  von  den 
Charterern,  der  Kamtschatka-Handels-  und  Industriegesellschaft,  über- 
nommene Auftrag  des  Transports  von  Regierungsgütern  sei  eine  An- 
gelegenheit, welche  die  russische  Regierung  aus  Menschlichkeit  auch 
nicht  einen  Tag  lang  habe  vernachlässigen  dürfen.  Aucji  stehe  es  zu 
den  Kriegsinteressen  des  japanischen  Staats  in  keiner  Beziehung,  daß 
die  Bevölkerung  Kamtschatkas  Hungers  sterbe.  Daher  müsse  der  zur 
Verhandlung  stehende  Fall  unbestreitbar  unter  die  Ausnahmen  von  der 
Beschlagnahme  feindlicher  Schiffe  fallen. 

3.  Das  Urteil  erster  Instanz  habe  angenommen,  daß  in  den  von 
dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Suma''  im  Hafen  von  Petropawlowsk 
beschlagnahmten  Telegrammentwürfen  Spuren  dafür  vorhanden  seien, 
daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  den  freiwilligen  Truppen 
Lebensmittel  geliefert  habe.  Es  gehe  indes  aus  dem  Geschriebenen 
hervor,  daß  es  der  Entwurf  zu  einem  am  12.  Mai  russischen  Stils, 
also  am  25.  Mai,  von  dem  Provinzialchef  von  Petropawlowsk  irgend- 
wohin abgesandten  Telegramm  sei.  Da  indes  der  25.  Mai  der  Tag 
gewesen  sei,  an  welchem  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  von  San 
Francisco  abgefahren  sei,  so  könne  der  Inhalt  des  Telegramms  nicht 
geglaubt  werden.  Wahrscheinlich  habe  die  russische  Behörde,  um  ihren 
Vorgesetzten  zu  gefallen,  wie  das  ihre  Art  sei,  einen  übertriebenen 
Bericht  gemacht  oder  das  Telegramm  nur  in  dieser  Form  abgeschickt, 
weil  sie  genötigt  gewesen  sei,  die  aufgebrachte  Bevölkerung  zu  beruhigen. 

4.  Die  Wegnahme  von  Privateigentum  zur  See,  welches  zum  Kriege 
in  keiner  Beziehung  stehe,  sei  dasselbe  wie  das  Beutewesen  des  Land- 
kriegs in  alter  Zeit,  und  eine  solche  Plünderung  des  Eigentums  von  Privat- 
personen sei  eine  Schädigung  der  eigenen  Staatsehre.  Man  behaupte 
dabei  freilich,  dies  sei  ein  vom  Völkerrecht  zugestandenes  Recht.  Aber 
nach  ge|wöhnlicher  Vernunft  stimme  es  mit  echter  Humanität  nicht 
zusammen.  Mit  dem  Fortschritt  der  Zivilisation  seien  daher  allerhand 
Beschränkungen  und  Ausnahmen  entstanden,  und  es  werde  jetzt  viel 
verfochten,    daß   die   bei  Wiederherstellung  des   Friedens   noch   nicht 

894 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Australia".  Abschnitt  VI^ 

abgeurteilten  Prisen  freizugeben  seien  und  daß  die  Befugnisse  der 
Prisengerichtshöfe  mit  dem  Schluß  des  Krieges  ihr  Ende  finden 
müßten.  Unter  den  großen  Gelehrten  des  europäischen  Kontinents 
seien  nicht  wenige,  welche  auf  selten  dieser  Ansicht  stünden.  Als 
Präcedenzen  hierfür  seien  die  Vorfälle  bei  Beendigung  des  Krieges 
zwischen  Frankreich  und  Mexiko  im  Jahre  1865,  zwischen  Österreich 
einerseits  und  Frankreich  und  Piemont  andererseits  im  Jahre  1859, 
zwischen  Dänemark  einerseits  und  Preußen  und  Österreich  anderer- 
seits im  Jahre  1864  sowie  zwischen  Preußen  und  Frankreich  zum  Ver- 
gleich anzuziehen. 

Das  Urteil  erster  Instanz  behaupte  freilich,  daß 

solche  Vorfälle  sich  auf  besonderen  Vertrag  oder  besondere 
Gesetze  gründeten  und  keine  Beispiele  für  den  vorliegenden 
Fall  abgeben  könnten. 
Daß  aber  bei  Anwendung  eines  so  dehnbaren  Rechts  wie  des  Völker- 
rechts das  Bedürfnis  empfunden  worden  sei,  das,  was  die  Vernunft 
oder  die  Praxis  anerkenne,  vertraglich  festzulegen  oder  gesetzlich  zu 
fixieren,  sei  ganz  natürlich  und  das  Vorhandensein  solcher  Verträge 
oder  Gesetzesbestimmungen  könne  nicht  zur  Unterstützung  der  gegen- 
teiligen Ansicht  des  Gerichts  dienen.  Auch  sei  es  der  gewöhnliche 
Verlauf,  daß  Rechtsgrundsätze,  welche  zuerst  in  Verträgen  oder  gesetz- 
lichen Bestimmungen  erschienen,  durch  nachfolgende  Anerkennung 
mehrerer  Staaten  sich  zum  natürlichen  Rechtsgrundsatz  des  Völker- 
rechts umgestalteten.  Dies  sei  der  Grund,  weshalb  mit  der  Entwicklung 
der  menschlichen  Zivilisation  auch  das  Völkerrecht  sich  fortentwickle. 
Im  Jahre  1897  habe  ein  italienisches  Prisengericht  in  der  „Doel- 
wyck"-Sache  entschieden,  daß  das  Recht,  Prisen  zu  machen,  auf  dem 
Recht  beruhe,  Handlungen  zu  verbieten,  durch  welche  der  feindliche 
Staat  in  seiner  Widerstandfähigkeit  verstärkt  werden  würde.  Daher  stehe 
ein  nach  Wiederherstellung  des  Friedens  abgegebenes  Urteil  auf  Ein- 
ziehung in  Widerspruch  zu  der  Herstellung  der  friedlichen  Beziehungen. 
Das  Urteil  habe  es  für  unrecht  erklärt,  fremdem  Eigentumsrecht 
Schranken  aufzuerlegen,  welche  nicht  als  durch  die  tatsächliche  Not- 
wendigkeit gerechtfertigt  anerkannt  werden  könnten  und  habe  daher 
auf  Freisprechung  entschieden. 

Da  es,  gleichviel  ob  dies  im  Gesetz  ausgesprochen  sei  oder  nicht, 
ein  allgemeiner  Grundsatz  des  Straf  rechts  der  zivilisierten  Staaten  sei, 
daß,  wenn  nach  einem  nach  Begehung  einer  strafbaren  Handlung  er- 
lassenen Gesetz,  die  Strafe  aufgehoben  werde,  das  Recht  der  öffent- 
lichen Klage  erlösche,  so  müsse  man  sagen,  daß  das  Entscheid ungs- 
beispiel  des  italienischen  Prisengerichts  in  Übereinstimmung  mit  diesem 
Grundsatz  vernunftgemäß  entschieden  habe.  Wenn  es  Staaten  gäbe, 
welche  nach  Aufhebung  einer  Strafe  eine  vor  dieser  Aufhebung  be- 

895 


Wenn  man  nur  die  Abtassung  des  C  ; 
zur  Verhandlung  stehende  Schiff  im    i 
lieh  der  Charterer  des  zur  Verhandl  i 
die  Kamtschatka-Handels-  und  Indus  : 
habe  den   Anschein,  als  ob  diese  C  : 
eines  besonderen   Vertrages   mit   der 
die  Beförderung  der  Regierungsgüter 
als  ob  sie  das  Schiff  für  ihre  eigener 
nutze.    Tatsächlich  sei  es  aber  unzw 
Schiff  als  ein  russisches  Regierungsfal 
Der  Reklamant  führe  zur  Unterstützung  der  E  : 
Beweise  vorlägen,   daß   das   zur  Verhandlung  s1 : 
im  Dienste  der  russischen  Regierung  stehendes  f  ; 
sei,  in  der  Hauptsache  aus,  daß 

sowohl   nach   dem   Willen   als   nach   < 
Reeders  und  des  Kapitäns  der  andere 
die  Kamtschatka-Handels-  und  Indust 
sei  und  daß  nur  ihr  gegenüber  der  \  i 
die  Verbindlichkeit  übernommen  worc  i 
Sammeins  und  der  Verteilung  der  L ; 
treter  der  Gesellschaft  A.  Kantor  di( 
aber  Qrebnitzki.    Wenn  es  auch 
haben  möge,  als  ob  Qrebnitzki  b : 
lung  und  Verteilung  der  Regierungsgi 
Weisungen  zu  erteilen  gehabt  habe,  s( 
durch  die  Ausführung  des  zwischen  dei 
und  der  Kamtschatka  Handels-  und  In 
geschlossenen  Vertrages   hervorgerufci 
letztere  bei  der  gegenüber  der  Regieruii 
Sammlung  und  Verteilung  der  Regier, 
nungen    des   Regierungs Vertreters   zu 
Daraus  könne  man  nicht  folgern,  daß  : 
Verhandlung  stehende  Schiff  unter  sein 
Auch  könne  man  es  nicht  so  auslegen,  ; 
der  Kapitän   das  Schiff   unter  seine  ' 
Selbst  wenn   man  einmal  annehr 
handlung  stehende  Schiff  anfangs  ein  i 
sehen   Regierung  stehendes   Fahrzeug 
doch  zu  der  Zeit  der  Beschlagnahme 
Verteilung  der  amtlichen  Waren   bere 
und  wenn  auch  noch  ein  wenig  Tab 
geblieben  gewesen  seien,  so  habe  doch 
Verteilung  gänzlich  dem  Vertreter  dei 

51ar8tr*nd-Meohleiiburg,  Das  Japanische  Prisenrecht. 


Abschnitt  VI  M  Prisengerichtsentscheidungen :  „ Australiä"» 

gehabt.    Da  Orebnitzki  das  Schiff  bereits  verlassen  ge- 
habt habe,  so  könne  man  doch  wohl  nur  annehmen,  daß  es 
völlig  den  Anordnungen  der  Charterer  unterstanden  habe. 
Denn  wenn  das  Schiff  den  russischen  Behörden  zum  Ge« 
brauch   zur  Verfügung  gestellt  worden  sei,  so  müsse  das 
eine  Handlung  der  Charterer  sein,  und  es  sei  selbstverständ- 
lich, daß  das  Schiff  von  der  Zeit  an,  wo  die  Charterer  auf- 
gehört hätten,  es  den  russischen  Behörden  zum  Gebrauch  zu 
stellen,  nicht  mehr  ein  im  Gebrauch  der  Behörden  stehendes 
Schiff  gewesen  sei.     Die  Frage,  ob  die  Charterfrist  abge- 
laufen gewesen  sei  oder  nicht,  sei  daher  ohne  Belang,  und 
es  widerspreche  aus  diesem  Grunde  noch  mehr  den  Tat- 
sachen, wenn  angenommen  worden  sei,  daß  das  Schiff  zur 
Zeit  der  Beschlagnahme  ein  im   Gebrauch   der  russischen 
Behörden  stehendes  Fahrzeug  gewesen  sei. 
Wie  aber  oben  ausgeführt,  sei  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff 
tatsächlich  von  der  russischen  Regierung  gemietet  worden,  und  nach 
den  eigenen  Aussagen  des  Oberkommissars  Grebnitzki  stehe  es  außer 
Zweifel,  daß  die  Bewegungen  des  Schiffes  durchaus  nach  seinen  An- 
ordnungen zu  erfolgen  gehabt  hätten.    Wenn  auch  anzunehmen  sei, 
daß  Grebnitzki  hin  und  wieder  die  Bewegungen  durch  den  Ver- 
treter der  Gesellschaft  habe  anordnen  lassen,  so  sei  das  nur  geschehen, 
um   formell   die  Anordnungen   durch   den  angeblichen   Charterer  ge- 
schehen zu  lassen.    Darum  könne  man  aber  nicht  sagen,  daß  Greb- 
nitzki nicht  das  Schiff  unter  seiner  Order  gehabt  habe. 

Auch  dafür,  daß  zur  Zeit  der  Beschlagnahme  des  zur  Verhandlung 
stehenden  Schiffs  die  Beziehungen  der  russischen  Regierung  und  der 
Handels-  und  Industriegesellschaft  bezüglich  des  Schiffs  als  bereits  auf- 
gehoben zu  betrachten  gewesen  seien,  lägen  keine  Gründe  vor.  Da 
vielmehr  tatsächlich  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff,  wie  vorher,, 
als  Charterschiff  der  russischen  Regierung  im  Begriff  gewesen  sei,  sich 
zur  Ausführung  der  Lieferungsgeschäfte  für  die  Küstenplätze  des- 
Ochotskischen  Meers  zu  einer  zweiten  Reise  zu  rüsten,  so  könne  man 
daraus,  daß  Grebnitzki  wegen  Krankheit  vorübergehend  an  Land 
gegangen  gewesen  sei,  nicht  folgern,  daß  das  Schiff  aufgehört  gehabt 
habe,  im  Dienst  der  Behörden  zu  stehen. 

Kurz,  die  Behauptung  des  Reklamanten,  es  lägen  keine  aus- 
reichenden Beweise  vor,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  im 
Dienst  der  russischen  Behörden  gestanden  habe,  sei  unbegründet. 

2.  Aus  der  Instruktion  des  russischen  Ministeriums  des  Inneren 
an  Grebnitzki  als  Oberkommissar  der  Lieferungen  für  das  Etats- 
jahr 1905  und  aus  den  Aussagen  Grebnitzkis  ergebe  sich  folgendes: 
Die  Lieferungsgeschäfte  für  die   Küstenplätze  im   fernen  Osten   seien 

898 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Australia".  Abschnitt  Vis* 

derart,  daß  die  Regierungsgüter  (Weizenmehl,  gequetschte  Gerste,  Salz, 
Schießpulver  und  Blei)  direkt  an  die  amtlichen  Magazine  abgeführt, 
die  übrigen  privaten  Güter  an  dortige  Kaufleute  gegen  bares  Geld  oder 
gemäß  den  Zahlungsbestimmungen  gegen  Tierpelze  geliefert  würden. 
Wenn  ein  Gegenwert  nicht  vereinnahmt  werden  könne,  so  würden  sie 
an  die  Landräte  überwiesen,  welche  sie  an  die  Kaufleute  und  die  all- 
gemeine Bevölkerung  verkauften.  Der  erstliche  Verkaufspreis  werde, 
wenn  die  Landräte  die  Güter  übernommen  hätten,  um  8Vo  erhöht 
und  je  nach  den  Fällen  in  bar  eingenommen  oder  unter  der  Ver- 
antwortung der  Landräte  Zahlung  in  Pelzen  erlaubt. 

Ferner  habe  dem  Oberkommissar  allgemein  das  Nachrichtenwesen 
für  die  Kästenplätze  obgelegen,  und  daneben  habe  er  Auftrag  gehabt, 
die  Lage  der  Küstenplätze  zu  untersuchen. 

Danach  könne  man  schließen,  daß  das  Schiff  der  Aufgabe  habe 
dienen  sollen,  den  an  den  Küsten  des  fernen  Ostens  befindlichen  Militär- 
behörden die  von  ihnen  gebrauchten  Güter  zu  liefern,  und  daß  es 
daneben  der  Beförderung  und  dem  Verkauf  von  privaten  Materialien 
obgelegen  und  außerdem  die  allgemeine  amtliche  und  private  Post- 
beförderung und  Untersuchung  verschiedenartiger  Verhältnisse  zu  er- 
ledigen gehabt  habe.  In  seinen  Aufgaben  seien  wohltätige  Zwecke 
durchaus  nicht  zu  ersehen.  Vielmehr  lasse  sich  aus  der  im  Urteil 
erster  Instanz  angezogenen,  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Suma" 
in  Petropawlowsk  beschlagnahmte  Abschrift  eines  Telegramms  des  Pro- 
vinzialgouverneurs  an  den  Militärgouverneur  der  Küstenprovinz  ent- 
nehmen, daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  den  in  den  Küsten- 
plätzen lagernden  regulären  und  freiwilligen  Truppen  Lebensmittel  ge- 
liefert habe.  Daß  das  Telegramm  am  12.  Mai  russischen  Stils  abge- 
schickt sei,  stehe  in  dem  russischen  Original  nicht.  Dies  sei,  wie  aus 
dem  urtextlichen  Entwurf  des  Telegramms  hervorgehe,  nur  eine  Be- 
merkung des  Obersetzers,  welche  dieser  nach  seiner  Vorstellung  von 
dem  Sinn  des  Originals  hinzugefügt  habe.  Da  in  dem  Telegramm 
stehe,  daß  Grebnitzki  am  29.  Mai  die  Löhnung  von  300  freiwilligen 
Mannschaften  für  3  Monate  und  eine  gleiche  Menge  Lebensmittel  ein- 
geführt habe,  so  könne  man  daraus  sehen,  daß  es  nach  dem  29.  Mai 
abgesandt  sei.  Demnach  sei  die  Behauptung  des  Reklamanten,  das 
zur  Verhandlung  stehende  Schiff  müsse  als  ein  zu  wohltätigen  Zwecken 
reisendes  Fahrzeug  von  der  Beschlagnahme  frei  sein,  unbegründet. 

3.  Es  sei  von  vielen  Gelehrten  sowie  von  der  völkerrechtlichen 
Praxis  anerkannt,  daß  die  Prisengerichte  auch  nach  Wiederherstellung 
des  Friedens  das  Untersuchungsverfahren  fortsetzen  und  in  ihren  Ur- 
teilen auf  Einziehung  erkennen  könnten.  Wenn  auch  mit  Wieder- 
herstellung des  Friedens  das  Prisenrecht  aufhöre  und  es  daher  un- 
rechtmäßig sei,  danach  Aufbringungen  auszuführen,  so  sei  es  doch  im 

(67*)  899 


Abschnitt  VIM  Prisengerichtsentscheldungea :  .Australia*. 

Interesse  der  Unparteilichkeit  recht  und  nötig,  die  Rechtmäßigkeit  von 
früher  ausgeführten  Aufbringungen  zu  untersuchen  und  zu  entscheiden. 
Das  Recht  der  Beschlagnahme  und  das  der  gerichtlichen  Aburteilung 
seien  durchaus  zu  unterscheiden.  Das  Recht  einer  kriegführendea 
Macht,  Prisen  abzuurteilen  und  einzuziehen,  sei  schon  mit  der  Zeit 
der  Aufbringung  entstanden  und  die  Aburteilung  und  Einziehung  sei 
nur  eine  Formalität,  durch  welche  die  Wirkung  der  Beschlagnahme 
realisiert  werde.  Diese  Formalität  sei  keine  Kriegshandlung,  sondern 
eine  Maßnahme  zur  Ausführung  eines  durch  eine  Kriegshandlung  er- 
worbenen Rechtes.  Wenn  daher  bei  Beendigung  des  Krieges  gelegent- 
lich die  Zeit  zur  Vollendung  dieser  Formalität  nicht  gereicht  habe, 
so  könne  das  nicht  als  Grund  für  den  Untergang  des  schon  ent- 
standenen Rechts  geltend  gemacht  werden.  Die  von  dem  Reklamanten 
für  die  Freigabe  von  Prisen  bei  Wiederherstellung  des  Friedens  vor- 
gebrachten Beispiele  beschränkten  sich  auf  Fälle,  wo  die  kriegführenden 
Parteien  im  Friedensvertrag  die  gegenseitigen  Beziehungen  so  festgelegt 
hätten  oder  wo  aus  politischen  Gründen  auf  Grund  besonderer  gesetz- 
licher Bestimmungen  eine  bestimmte  Art  von  feindlichen  Schiffen  frei- 
gelassen worden  sei.  Das  reiche  indes  nicht  aus,  um  daraus  eine  all- 
gemeine Bestimmung  oder  Praxis  zu  konstruieren. 

Was  ferner  die  vom  Reklamanten  angezogene  Entscheidung  eines 
italienischen  Prisengerichts  über  die  „Dodwyck''  aus  dem  Jahre  1897 
angehe,  so  sei  sie  allerdings  ein  .Beispiel,  welches  die  Freigabe  des 
aufgebrachten  Schiffes  mit  der  Begründung,  daß  der  Frieden  wieder 
hergestellt  sei,  für  rechtmäßig  erkläre;  dies  Urteil  sei  indes  vernunft- 
widrig, wie  auch  der  Präsident  der  Gesellschaft  für  Völkerrecht  B  r  u  s  a 
es  in  vorzüglicher  Weise  angegriffen  und  als  eine  Verletzung  sowohl 
des  Völkerrechts  als  auch  der  Verfassung  verschrieen  habe.  Danach 
könne  dieses  Urteil  keinenfalls  als  ein  zu  befolgendes  rechtmäßiges  Bei- 
spiel anerkannt  werden. 

Kurz,  das  Urteil  erster  Instanz  sei  in  seiner  Formel  und  seinen 
Gründen  zutreffend  und  die  Berufung  in  allen  Punkten  unbegründet 
und  zu  verwerfen. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

Die  russische  Regierung  hat  seit  langer  Zeit  jährlich  durch  die 
Gouverneure  der  Küstenprovinz  auf  Schiffen  der  freiwilligen  Flotte  oder 
auf  Fahrzeugen,  welche  direkt  von  der  Regierung  gechartert  wurden, 
Lebensmittel  und  gemischte  Güter  nach  den  Küsten  des  Ochotskischen 
und  des  Beringmeers  schaffen  lassen.  Die  Regierungsgüter  wurden 
direkt  in  die  Regierungsdepots  der  verschiedenen  Plätze  abgeführt  und 
in  der  Regel  wurden  die  zum  Privatgebrauch  bestimmten  Güter  durch 
die  Landräte  entsprechend  dem  Bedarf  an  die  Kaufleute  und  die  all- 
gemeine Bevölkerung  verkauft.     Da  aber  seit  dem  japanisch-russischen 

900 


Prisengertchtsentscheidungen :  .Australia*.  Abschnitt  Vis^ 

Krieg  der  Verkehr  mit  den  Küstenplätzen  zum  Stillstand  kam,  so  ent- 
sandte die  Zentralregierung  einen  besonderen  Oberkommissar  für  die 
Lieferung  von  Bedarfsartikeln  nach  den  Küsten  des  fernen  Ostens  und 
hierzu  würde  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  verwandt.  Daß 
dasselbe  so  zum  Gebrauch  der  russischen  Behörden  gedient  hat,  geht 
hervor  aus  der  dem  Oberkommissar  für  die  Lieferungen  von  Bedarfs- 
artikeln von  der  russischen  Regierung  gegebenen  schriftlichen  Instruk- 
tion und  dem  Protokoll  über  die  Vernehmung  des  Genannten  durch  den 
mit  diesem  Fa^l  beauftragten  Rat  des  Prisengerichts  zu  Vokosuka. 

Der  Reklamant  behauptet  im  Punkt  1  der  Berufung,  daß  das 
zur  Verhandlung  stehende  Schiff  von  der  Kamtschatka-Handels-  und 
Industriegesellschaft  gemietet  sei  und  daß  ein  Vertreter  dieser  Gesell- 
schaft an  Bord  gewesen  sei  und  die  ganzen  Anordnungen  bei  der 
Ansammlung  und  Verteilung  der  Ladung  in  der  Hand  gehabt  habe. 
Der  Oberkommissar  für  die  Lieferung  der  Bedarfsartikel,  G  r  e  b  n  i  t  z  k  i , 
sei  als  Fahrgast  mitgefahren,  habe  aber  nicht  die  Order  über  das  Schiff 
gehabt.  Selbst  wenn  man  aber  annehme,  das  Schiff  sei  anfangs  zum 
Gebrauch  der  Behörden  bereitgestellt  worden,  so  sei  es  doch  zur  Zeit 
der  Beschlagnahme  durchaus  in  Order  der  Charterer  gewesen.  Wenn 
ferner  auch  der  größte  Teil  der  Ladung  des  Schiffes  der  russischen 
Regierung  gehöre,  so  hätten  doch  die  Charterer  auch  eigene  Handels- 
waren verladen  gehabt  und  durch  ihren  an  Bord  befindlichen  Ver- 
treter auf  eigene  Rechnung  Handelsgeschäfte  "betrieben.  Danach  sei 
das  Schiff  nicht  zum  Gebrauch  der  russischen  Behörden  gestellt  worden. 

In  dem  Vernehmungsprotokoll  Grebnitzkis  steht  folgende  Aus- 
sage: die  Regierung  habe  das  Schiff  durch  die  Gesellschaft  gechartert, 
daher  habe  ihr  das  Verfügungsrecht  und  die  Bestimmung  der  Plätze, 
wo  die  Ladung  verteilt  werden  sollte,  und  die  Anordnung  bei  Verteilung 
derselben  selber  zugestanden. 

Wenn  auch  G  r  e  b  n  i  t  z  k  i  zur  Zeit  der  Beschlagnahme  im  Hospital 
war,  so  waren  doch  seine  Geschäfte  bei  der  Lieferung  der  Bedarfs-, 
artikel  noch  nicht  erledigt,  so  daß  er  dieselben  einem  Vertreter  der 
Charterer  anvertraute.  Nach  diesen  Tatsachen  sowie  dem  Inhalt  der 
oben  genannten  Instruktion  der  russischen  Regierung  ist  der  erste  Teil 
des  Punktes  1   der  Berufung  unbegründet. 

Die  Tatsache,  daß  neben  der  Verwendung  des  zur  Verhandlung 
stehenden  Schiffs  für  die  Proviantlieferungsgeschäfte  der  russischen  Re- 
gierung die  Charterer  eigene  Handelsgüter  geladen,  einen  Vertreter  an 
Bord  gehabt  und  ihre  eigenen  Geschäfte  betrieben  haben,  ändert  nichts 
an  dem  Charakter  des  Schiffes  als  eines  im  Gebrauch  der  Behörden 
stehenden  Fahrzeugs.  Daher  ist  auch  der  letzte  Teil  des  ersten  Be- 
rufungspunktes  unbegründet. 

901 


Abschnitt  VI^  Prisengericbtsentschei düngen:  „Australia". 

Im  zweiten  Punkte  der  Berufung  heißt  es,  die  Lieferung  der  Lebens- 
Tnittel  habe  weder  direkt  noch  indirekt  mit  dem  Kriege  zu  tun,  sondern 
sei  lediglich  ein  Akt  der  Wohltätigkeit  gewesen.  Daher  müsse  das 
5chiff,  welches  dabei  verwandt  sei,  unter  die  für  feindliche  Schiffe  be- 
stehende Ausnahme  von  der  Beschlagnahme  fallen.  Ein  feindliches  Fahr- 
zeug kann  aber  auch,  wenn  es  zu  dem  Kriege  nicht  in  Beziehung 
steht,  trotzdem  weggenommen  werden.  Überdies  geht  es  aus  'der  oben 
genannten  Instruktion  der  russischen  Regierung  hervor,  daß  das  zur 
Verhandlung  stehende  Schiff  keine  Aufgaben  der  Wohltätigkeit  hatte, 
und  ein  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Suma''  in  Petropawlowsk 
beschlagnahmter  Telegrammentwurf  berechtigt  zu  der  Annahme,  daß 
das  Schiff  Proviant  und  dergleichen  an  die  Truppen  geliefert  hat.  Sonach 
ist  Punkt  2  der  Berufung  unbegründet. 

Der  Reklamant  sagt,  dieses  Telegramm  sei  nicht  glaubwürdig,  weil 
es  am  12.  Mai  russischen  Stils  abgeschickt  sei,  d.  h.  am  Tage,  wo  das 
zur  Verhandlung  stehende  Schiff  von  San  Francisco  abgefahren  sei.  Aber 
in  dem  russischen  Originalentwurf  des  Telegramms  steht  das  Abgangs- 
datum gar  nicht  verzeichnet.  Da  in  dem  Telegramm  steht,  daß  Qreb- 
nitzki  am  29.  Mai  Löhnung  für  300  Freiwillige  für  3  Monate  und 
eine  entsprechende  Menge  Proviant  gebracht  habe,  so  ist  es  klar,  daß 
das  Telegramm  nach  dem  29.  Mai  abgesandt  worden  ist,  und  der  dritte 
Punkt  der  Berufung  ist  grundlos. 

Im  Punkt  4  wird  (behauptet,  daß  die  zur  Zeit  der  Wiederherstellung 
des  Friedens  noch  nicht  abgeurteilten  Prisen  freizugeben  seien.  Es 
ist  aber  von  völkerrechtlichen  Präcedenzen  anerkannt,  daß  Prisengerichte 
auch  nach  Wiederherstellung  des  Friedens  Prisenuntersuchungen  vor- 
nehmen und  Entscheidungen  auf  Einziehung  erlassen  können.  Das 
Oberprisengericht  ist  der  Ansicht,  daß  dies  den  Verhältnissen  gerecht 
wird.    Demnach  ist  auch  Punkt  4  der  Berufung  unbegründet. 

Nach  dem  oben  Ausgeführten  ist  es  somit  zu  recht  geschehen, 
daß  das  Gericht  erster  Instanz  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  als 
feindlich  angesehen  und  seine  sowie  seiner  feindlichen  Ladung  Weg- 
nahme verfügt  hat. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  13.  Februar  1906  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.)  , 


902 


Pri8engerichtsent8cheidungen :  Antlope,  Abschnitt  VI^^ 

Reklamanten:  R.  C.  Brook,  Vizedirektor  der  Reederei  Barque 
Antiope  Company  Ltd.  in  Victoria,  Britisch  Columbien,  Canada,  Nord- 
amerika, Wharf  Street  Nr.  63,  vertreten  durch  P.  O.  R.  Matheson, 
Kapitän  des  Segelschiffes  „Antiope"  und  das  Seetransportgeschäft  Barne- 
5on,Hibbard&Co.  in  San  Francisco,  California,  Nordamerika,  Mont- 
gomery  Street  Nr.  456,  vertreten  durch  den  Direktor  JohnBarneson. 

ProzeBvertreter:  Rechtsanwalt  Deura  Rikio,  Regierungs- 
bezirk Kanagawa,  Yokohama,  Yamashitacho  Nr.  193. 

In  der  Prisensache,  betreffend  das  englische  Segelschiff  „An- 
liope"  wird  nach  Beendigung  der  Untersuchung,  wie  folgt,  entschieden: 

Urteilsformel: 
Es  wird  auf  Freigabe  des  englischen  Segelschiffs  „Antiope"  und 
auf  Wegnahme  der  Ladung  von  etwa  1800  Tons  Salz  erkannt. 

Tatbestand  und  Gründe: 
Das   zur  Verhandlung  stehende  Segelschiff  „Antiope"   steht  im 
Eigentum  des  Reklamanten,  der  Barque  Antiope  Company  in  Victoria, 
Britisch  Columbien,  sein  Heimatshafen  ist  Victoria  und  es  ist  ein  Handels- 
schiff, welches  unter  britischer  Flagge  fährt. 

Es  lud  auf  Grund  eines  zwischen  dem  Reklamanten  der  Firma 
Barneson,  Hibbard  &  Co.  in  San  Francisco  und  dem  Vertreter 
der  Reederei,  Charles  Nelson  &  Co.  in  San  Francisco,  ab- 
geschlossenen Chartervertrags  etwas  mehr  als  1800  Tons  halb  raffi- 
niertes Steinsalz,  einen  Teil  von  ungefähr  9000  Tons,  welche  von 
M.  Ruri  in  Nikolajewsk  eingekauft  waren,  um  sie  an  diesen  und  an 
•die  am  gleichen  Orte  niederlässige  Filiale  der  russisch-chinesischen  Bank 
zu  befördern.  Das  Schiff  verließ  am  21.  Juni  d.  J.  San  Francisco  und 
wurde  auf  seiner  Reise  nach  dem  Bestimmungsort  am  13.  August,  9  Uhr 
vormittags,  auf  53  ^  52'  n.  Br.  und  141  ^  29'  ö.  L.  von  dem  Kaiser- 
lichen Kriegsschiff  „Tainan  Maru"  gesichtet  und,  weil  es  Kriegs- 
konterbande beförderte,  aufgebracht. 

Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  des 
Vertreters  des  Kommandanten  der  „Tainan  Maru",  Kapitänleutnants  Abe 
Tsuneo,  die  Vernehmungsprotokolle  des  Genannten,  des  Marine- 
leutnants Ohara  Shunji,  des  Kapitäns  der  „Antiope"  P.  G.  R. 
Matheson  und  des  ersten  Offiziers  R.  M.  Reed,  das  Schiffszertifi- 
kat, das  Inventar,  die  Musterrolle,  das  Konnossement,  den  Ausklarierungs- 
schein von  San  Francisco,  das  Ladungsverzeichnis,  einen  Brief  von 
Charles  Nelson  an  den  Kapitän,  das  Tagebuch  und  das  Privat- 
schiffsjournal. 

Die  Hauptpunkte  der  Reklamation  sind  folgende: 

903 


Abschnitt  VI^^  Prisenoerichtsentscheidttogen:  „Antiope''^ 

Das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  stehe  im  Eigentum  des  vor- 
erwähnten Reklamanten,  der  englischen  Firma  Barque  Antiope 
Company  und  sei  ein  englisches  Handelsschiff.  Es  habe  auf  Grund 
eines  zwischen  den  Vertretern  der  genannten  englischen  Firma,  der  ameri- 
kanischen Firma  The  Charles  Nelson  Company  and  dem  oben 
erwähnten  Reklamanten,  der  Firma  Barneson,  Hibbard  &  Co., 
abgeschlossenen  Chartervertrags  in  San  Francisco  1800  Tons  halbraffi- 
niertes Steinsalz  geladen,  einen  Teil  von  4000  Tons,  welche  der  russische 
Staatsangehörige  M.  Ruri  eingekauft  gehabt  habe,  um  sie  nach  Niko- 
lajewsk  in  Sibirien  zu  befördern.  Am  20.  Juni  d.  J.  sei  das  Schiff  von 
San  Francisco  abgefahren  und  auf  der  Reise  nach  Nikolajewsk  von  dem 
Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Taiwan  Maru''  unter  dem  Verdacht,  Konter- 
bande zu  befördern,  aufgebracht  worden.  Es  habe  aber  durchaus  keine 
Konterbande  an  Bord  genommen,  sondern  nur  Salz  für  das  Fischerei- 
gewerbe befördert.  Daher  könne  es  nicht  mit  der  Ladung  zusammen 
weggenommen  werden,  und  zwar  aus  folgenden  Gründen: 

1.  Das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  sei  ein  neutrales  Fahr- 
zeug, und  weder  die  Reederei,  noch  deren  Vertreter,  The  Charles 
Nelson  Company,  noch  der  Kapitän  und  die  sonstige  Besatzung 
des  Schiffes  hätten  Kenntnis  davon  gehabt,  daß  die  Ladung  des  zur 
Verhandlung  stehenden  Schiffs  von  der  russischen  Regierung,  bzw.  von 
der  Armee  oder  Marine  eingekauft  worden  sei,  noch  davon,  daß  sie 
befördert  worden  sei,  um  zum  Gebrauch  der  russischen  Truppen  ge- 
liefert zu  werden. 

Selbst  einmal  zugegeben,  der  Einkäufer  M.  Ruri  habe  nur  das 
Fischereigewerbe  vorgeschützt  und  in  Wirklichkeit  die  Ladung  zum 
Zwecke,  sie  an  die  russischen  Truppen  zu  liefern,  einführen  wollen, 
so  falle  doch  dem  Schiff  nicht  die  Verantwortung  für  den  Konterbande- 
transport zu. 

2.  Weder  der  Kapitän  noch  sonst  jemand  von  der  Besatzung  habe 
sich  der  Aufbringung  widersetzt,  noch  Fluchtversuch  gemacht. 

3.  Die  an  Bord  befindlichen  Schiffspapiere  seien  vollständig  und 
erhielten  keinerlei  betrügerische  Angaben.  Auch  habe  die  Besatzung 
keine   der  erforderlichen   Papiere  vernichtet  oder  verborgen. 

4.  Da  der  Bestimmungsort  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes, 
Nikolajewsk  in  Rußland,  nicht  von  japanischen  Kriegsschiffen  öffent- 
lich blockiert  worden  sei,  so  liege  in  der  beabsichtigten  Reise  dorthin 
kein  Blockadebruch. 

5.  Die  Ladung  bestehe  nur  aus  Salz  und  außerdem  seien  keine 
Konterbandegüter  noch  Konterbandepersonen  an  Bord  gewesen. 

Daß  die  Ladung  keine  Konterbande  sei,  werde,  wie  folgt,  begründet: 

l.    Das  in  Frage  stehende  Salz  sei  halbraffiniertes  amerikanisches 

Steinsalz,  welches  ohne  weitere  Bearbeitung  durch  Menschenhand  nicht 

904 


Prlsengerichtsentscheidungen:  •Antiope*.  Abschnitt  Vis^ 

als  Speisesalz  verwandt  werden  könne.  Da  es  so  seiner  Art  nach  Salz 
sei,  wie  es  zum  Salzen  oder  Einlegen  von  Fischen  diene,  so  falle  es 
nicht  unter  die  Nahrungsmittel.  Freilich  sei  es  für  gewöhnliche  ge- 
salzene Fische  etwas  zu  gut,  man  könne  aber  mit  einem  so  vortrefflichen 
Material  auch  wiederum  einen  schmackhaften  Salzfisch  herstellen  und 
einen  höheren  Preis  für  denselben  erzielen.  Daher  sei  es  natürlich,, 
daß  die  betreffenden  Gewerbetreibenden  lieber  eine  gute  Qualität,  wie 
das  hiei  in  Frage  stehende  Salz,  wählten.  Man  könne  daher  daraus, 
daß  das  Salz  für  das  Fischereigewerbe  zu  gut  sei,  nicht  schließen,  daß 
es  nicht  dazu  habe  dienen  sollen. 

Die  Ziffer  2  der  Instruktion  des  Marineministeriums  Nr.  1 1)  meine 
mit  dem  Ausdruck  Nahrungsmittel,  Güter,  welche  direkt  als  Speisen 
dienen  könnten.  Da  aber  das  in  Frage  stehende  Salz  von  der  Art  sei, 
wie  es  zum  Salzen  oder  Einlegen  von  Fischen  verwandt  werde,  nicht 
aber  ohne  weiteres  als  Speisemittel  dienen  könne,  so  falle  es  nicht  unter 
den  Ausdruck  „Nahrungsmittel"  der  genannten  Instruktion.  Es  sei  daher 
klar,  daß  das  Salz  selbst  im  Falle,  daß  es  für  die  feindliche  Armee  oder 
Marine  bestimmt  sei  oder  nach  einem  Platz  in  Feindesland  gehe,  nach 
dessen  Verhältnissen  angenommen  werden  müsse,  daß  es  zum  Gebrauch 
der  feindlichen  Armee  oder  Marme  dienen  würde,  keine  Konterbande  sei. 
Dieses  müsse  um  so  mehr  gelten  in  dem  vorliegenden  Falle,  wo  es  nicht 
für  die  feindliche  Armee  oder  Marine  bestimmt  sei,  sondern  nach  dem, 
freilich  feindlichen,  Platz  Nikolajewsk  gehe,  nach  dessen  Verhältnissen 
nicht  angenommen  werden  könne,  daß  es  zum  Gebrauch  der  feindlichen 
Armee  oder  Marine  dienen  werde. 

2.  Es  möge  den  Anschein  haben,  daß  das  Salz  zur  Verwendung 
im  Fischereibetriebe  der  Gegend  des  Amur  in  Sibirien  nach  seinem  Menge 
nach  viel  zu  viel  sei.  Dem  sei  aber  nicht  so.  Es  sei  erstaunlich, 
welche  Mengen  von  Salz  jährlich  im  Fischereibetrieb  jener  Gegenden 
benötigt  werde.  Besonders  seitdem  durch  den  japanisch-russischen  Krieg 
die  Einfuhr  von  Japan  völlig  gefehlt  habe,  sei  es  nicht  zu  verwundern, 
daß  man  gezwungen  gewesen  sei,  einen  großen  Import  von  Amerika 
zu  beziehen.  Wenn  man  dagegen  einmal  die  Frage  betrachte,  ob  das 
Salz  zum  Gebrauch  der  russischen  Truppen  habe  dienen  sollen,  so  sei  im 
Gegenteil  seine  Menge  viel  zu  bedeutend.  Denn  mit  4000  Tons  Speise- 
salz könne  man  mehr  als  600  000  Mann  6  Monate  lang  versorgen.  Weder 
in  Nikolajewsk  noch  in  seiner  Umgegend  hätten  aber  so  viele  russische 
Truppen  gelegen.  Auch  könne  man  sich  schließlich  nicht  vorstellen,  daß 
die  russische  Regierung,  obwohl  ihr  der  Inlandsweg  zur  Verfügung  ge- 
standen habe,  viel  Geld  wegwerfen  und  die  teure  Fracht  bezahlen  und 
noch  dazu  die  Gefahr  laufen  würde,  welche  einem  Kriegskonterbande- 
transport durch  Aufbringung  seitens  der  japanischen  Kriegsschiffe  ge- 

905 


Abschnitt  VIST  Prisengerichtsentscheidungen:  Aiiti0p0. 

droht  habe.    Also  wenn  man  mit  der  Menge  argumentiere,  könne  da? 
Salz  keine  Kriegskonterbande  sein. 

3.  Nikolajewsk,  der  Bestimmungsort  des  in  Frage  stehenden  Salzes, 
sei  weder  Kriegshafen  noch  Festung,  noch  gebe  e*s  dort  Kasernen,  noch 
sei  es  ein  Bereich,  welcher  von  den  japanischen  Kriegsschiffen  blockiert 
sei.  Daher  sei  in  der  Einfuhr  gewöhnlicher  Handelsware  nach  dorthin 
durchaus  nichts  Verdächtiges  zu  ersehen.  Das  Salz  diene  aber  keinem 
anderen  Zwecke  als  eine  gewöhnliche  Handelsware  tue. 

4.  Freilich  sei  es  erwiesen,  daß  die  russisch-chinesische  Bank  bei 
der  Transaktion  des  Salzes  beteiligt  sei,  ihre  Teilnahme  sei  indes  nur 
veranlaßt,  um  die  Zahlung  des  Preises  sicherzustellen.  Ferner  erscheine 
freilich  die  genannte  Bank  als  Käufer  von  600  Tons  der  Ladung.  Da 
aber  die  Bank  niemals  Warenhandel  treibe,  so  sei  sie  tatsächlich  nicht 
der  Käufer,  und  selbst  wenn  man  annehme,  die  Bank  habe  Auftrag 
von  der  russischen  Regierung  gehabt,  so  könne  man  daraus  nicht  ohne 
weiteres  schließen,  daß  die  Ware  von  der  russischen  Regierung  ein- 
gekauft sei. 

5.  Der  Grund,  weshalb  die  Fracht  für  die  in  Frage  stehende  Ladung 
so  hoch  sei,  liege  darin,  daß  Schiffe,  welche  Güter  nach  Nikolajewsk 
beförderten,  keine  Rückfracht  bekämen,  vielmehr  in  der  unvorteilhaften 
Lage  seien,  dort  für  die  Rückreise  Ballast  zu  kaufen. 

6  Selbst  wenn  man  annehme,  der  Käufer  der  Ladung,  M.  Ruri, 
habe  offenbar  das  Fischereigewerbe  nur  vorgeschützt,  tatsächlich  aber 
einen  Vertrag  gehabt,  nach  welchem  er  Salz  zum  Verkauf  an  die  russische 
Regierung  oder  die  russischen  Truppen  einkaufen  sollte,  so  habe  doch 
der  Reklamant  und  Ladungsherr  hieran  keinen  Anteil  gehabt  und  auch 
nicht  darum  gewußt,  so  daß  er  an  der  Verantwortung  hierfür  nicht  mit 
zu  tragen  habe.  Auch  habe  der  Reklamant  und  Ladungsherr  klar  aus- 
gesprochen, daß  er  die  Ladung  in  der  Überzeugung  abgesandt  habe, 
daß  sie  keine  Konterbande  sei. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Die  Einfuhr  von  Salz  nach  Nikolajewsk  in  Friedenszeiten  außer  von 
Japan  beträgt  nach  der  Statistik  der  letzten  Jahre  (Nummer  2  der  monat- 
lichen Statistik  der  statistischen  Vereinigung  der  Küstenprovinz  vom 
Februai*  1903)  nicht  mehr  als  jährlich  140  000  bis  170  000  Pud.  (Das 
von  Japan  eingeführte  gesamte  Salz  wird  nach  Aussage  des  Zeugen 
1 1  a  n  i  I  c  h  i  j  i  r  o  zur  Fabrikation  der  nach  Japan  gehenden  gesalzenen 
Fische  verbraucht;  es  trete  wohl  gelegentlich  ein  Mangel  auf,  doch  komme 
ein  Überschuß  nicht  vor.  Heute  aber,  wo  die  Ein-  und  Ausfuhr  fehlt, 
braucht  das  japanische  Salz  nicht  in  Rechnung  gezogen  zu  werden.) 
Wenn  trotzdem  M.  R uri,  der  Empfänger  der  auf  dem  zur  Verhandlung 
stehenden  Schiff  beförderten  Ladung,  für  sich  allein  einen  so  großen 
Import  wie  4000  Tons  (1  Ton  =  63  Pud)  macht  und  man  ferner  die 

906 


Prisengerichtsentscheldaiig^^*  ^ntlope.  Abschnitt  VI  »7 

Menge  zusammenzieht,  welche  die  ,,Barracouta"  (ungefähr  1600  Tons 
Salz),  die  „CentenniaV*  (ungefähr  1200  Tons  Salz)  und  andere  Schiffe  zu 
befördern  vorhatten,  so  kann  man  schon  aus  dem  tatsächlich  von  der 
japanischen  Marine  aufgebrachten  Schiffe  allein  den  außerordentlichen 
Betrag  erkennen. 

Das  Verhältnis  des  zum  Einsalzen  von  Fischen  gebrauchten  Salzes 
ist  das,  daß  auf  5  Pud  Fisch  1  Pud  Salz  gebraucht  wird.  Dies  wird 
erwiesen  durch  die  von  dem  russischen  Finanzministerium  am  20.  Juli 
1905  veröffentlichte  Zeitschrift  für  Handel  und  Industrie.  Nach  der 
^oßen  Menge  Einfuhrsalzes  muß  man  annehmen,  daß  die  verarbeiteten 
gesalzenen  Fische  eine  enorme  Menge  erreichen.  Bisher  ist  aber  die 
Möglichkeit,  die  verarbeiteten  Salzfische  in  Rußland  selbst  zu  verkaufen, 
sehr  gering  gewesen.  Der  einzige  Markt  für  den  Konsum  des  größten 
Teils  der  gesalzenen  Fische  ist  Japan.  In  letzter  Zeit  hat  freilich  der 
Wunsch  bestanden,  die  Fische  nach  dem  europäischen  Rußland  zu 
exportieren.  Dies  ist  jedoch  noch  nicht  zur  Ausführung  gelangt.  Das 
ergibt  sich  aus  den  Angaben  der  Verhandlungsprotokolle  der  vierten 
Stadtversammlung  von  Chabarowsk  vom  Jahre  1903  und  deren  Material- 
quellen 

Nachdem  heute,  infolge  des  japanisch-russischen  Krieges,  die  Aus- 
fuhr nach  Japan  vollkommen  aufgehört  hat,  so  ist  es  eine  von  selbst  klare 
Tatsache,  daß  das  Salz  in  der  dünn  bewohnten  Küstenprovinz  als  ge- 
wöhnliche Handelsware  unmöglich  aufgebraucht  werden  kann.  Ebenso 
ist  es  allgemein  bekannt,  daß  von  jeher  die  Hauptkonsumenten  in  Ruß- 
land selbst  die  in  Wladiwostok  und  der  Mandschurei  lagernden  Truppen 
gewesen  sind.  Auch  ergibt  sich  dies  aus  dem  Bericht  der  statistischen 
Kommission  für  die  Küstenprovinz  aus  dem  Etatsjahr  1901,  wo  ver- 
zeichnet ist,  daß  das  Intendanturamt  des  Amurschen  Armeebezirks  im 
Etatsjahre  1900  zur  Verpflegung  der  sibirischen  Truppen  und  der 
mandschurischen  Besatzungstruppen  von  den  Fischern  der  Küsten- 
provinz direkt  114  500  Pud  gesalzenen  Lachs  eingekauft  hat.  Daß  be- 
sonders auch  im  Kriege  die  Menge  des  Bedarfs  für  die  Truppen  noch 
gestiegen  ist,  beweisen  auch  die  oben  genannten  „Neuen  Mitteilungen 
über  Handel  and  Industrie",  in  welchen  es  heißt:  wenn  auch  im  Kriege 
der  Verkehr  mit  dem  Auslande  mehr  oder  weniger  zum  Stillstand  ge- 
kommen sei,  so  nehme  deshalb  die  Nachfrage  nach  gesalzenem  Lachs 
nicht  nur  nicht  ab,  sondern  steige  vielmehr  in  hervorragendem  Maße. 
Die  Truppen  kauften  diesen  für  hohe  Preise 

Da  gewöhnlich  Kaufleute,  deren  Zweck  der  Verdienst  ist,  kaum 
planen  werden,  besonders  wo  noch  das  Kriegsrisiko  vorliegt,  eine  größere 
Menge  Salzfisch  herzustellen,  als  die  Bevölkerung  der  Küstenprovinz 
nötig  hat,  so  entspricht  es  nicht  den  gewöhnlichen  Zwecken  des  Handels, 
daß  M.  Ruri(?)  selbst  nach  Amerika  gehen  und  für  sich  allein  eine  den 

907 


Abschnitt  Vis^  Prisengerichtsentscheidungen:  .Antiope*. 

Friedensbedarf  übersteigende  Menge  Salz  einkaufen  sollte,  um  es  zur 
Fabrikation  von  Salzfisch  zu  verwenden.  Man  muß  daher  annehmen^ 
daß  er  es  den  russischen  Truppen  als  Nahrungsmittel  hat  liefern  wollen. 

Der  Vertreter  der  Reklamation  behauptet,  daß  das  Wort  „Nahrungs- 
mittel'' nur  Güter  andeute,  welche  direkt  als  Speisemittel  dienen  könnten. 
Man  kann  dagegen  als  Nahrungsmittel  alle  Sachen  bezeichnen,  sowohl 
solche,  welche  schon  von  Natur  allein  genossen  und  daher  ohne  weiteres 
verwandt  werden  können,  als  auch  solche,  welche  erst  mit  anderen 
gemischt  und  zubereitet  werden  müssen.  Wenn  daher  auch  das  in 
Frage  stehende  Salz  nicht  direkt  als  Speise  dient,  so  steht  doch  nichts 
entgegen,  es,  wenn  es  zur  Zubereitung  von  Salzfisch  verwandt  wird,  als 
Lebensmittel  zu  betrachten. 

Ob  ein  Gut  Konterbande  ist  oder  nicht,  bestimmt  sich  nach  seiner 
Natur  und  Verwendungsart.  Ob  der  Absender  dies  weiß  oder  nicht,  ist 
ohne  Belang.  Wenn  auch,  wie  oben  gesagt,  die  in  Frage  stehende 
Ladung  nach  dem  Hafen  von  Nikolajewsk  abgesandt  worden  ist,  so  ist 
doch  klar,  daß  sie  zum  Gebrauch  der  feindlichen  Truppen  gedient 
haben  würde.  Sie  ist  daher  als  Kriegskonterbande  zu  bezeichnen.^) 
Da  sie  aber  Konterbande  ist,  so  ist  sie  nach  übereinstimmender  An- 
erkennung der  Wissenschaft  und  der  Praxis  des  Völkerrechts  einzu- 
ziehen 3),  und  die  übrigen  Punkte  des  Reklamanten  bedürfen  keiner 
Erörterung. 

Der  Staatsanwalt  sagt  bezüglich  des  Schiffs,  daß  die  Vertreter  der 
Reederei  desselben  die  Eigenschaft  der  Ladung  als  Konterbande  ge- 
kanntf  aber  trotzdem  den  Transport  derselben  übernommen  hätten.  Da 
die  ganze  Ladung  Konterbande  sei,  so  sei  das  Schiff  einzuziehen. 

Es  ist  indes  nach  den  obigen  Tatsachen  schwer  anzunehmen,  daR 
die  Reeder  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  oder  deren  Ver- 
treter gewußt  haben,  daß  es  sich  um  einen  Konterbandetransport  han- 
delte. Ferner  kann  ein  Schiff,  selbst  wenn,  wie  im  vorliegenden  Falle, 
die  ganze  Ladung  Kriegskonterbande  ist,  wenn  nicht  Anwendung  be- 
trügerischer Mittel  oder  sonst  irgendwelche  Gründe  dafür  vorhanden 
sind,  nicht  eingezogen  werden.  Freilich  liegen  völkerrechtliche  Theorien 
und  Gebräuche  vor,  nach  denen  lediglich  aus  dem  einen  Grunde,  daß. 
die  ganze  Ladung  Konterbande  ist,  auch  das  Schiff  einzuziehen  ist. 
Es  gibt  aber  tatsächlich  viele  Stimmen  dagegen,  und  auch  unsere  See- 
prisenordnung hat  dieses  Prinzip  nicht  angenommen.*)  Das  unter- 
zeichnete Prisengericht  hält  dies  gleichfalls  nicht  für  der  Billigkeit  ent- 
sprechend und  hat  es  auch  niemals  anerkannt.  Daher  kann  es  dem 
letzten  Satze  der  Argumentation  des  Staatsanwalts  nicht  beipflichten. 
Das  Schiff  ist  daher,  weil  auch  sonst  keine  Gründe  für  seine  Ein- 
ziehung vorliegen,  freizugeben. 

2)ir  Ziffer  2.  —  »)  V.  §  43.  —  *)  §  43,  44. 

908 


Prisengerichtsentscheldunoen-  .^ntiope«*.  Abschnitt  VIS7 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  30.  November  1905  im  Prisengericht  zu  Yoko- 
suka  im  Beisein  des  Staatsanwalts  beim  Prisengericht  zu  Yokosuka, 
Yanagita  Kunio. 

(Unterschriften.) 


Reklamanten:  R.  C.  Brook,  Vizedirektor  der  Reederei  Barque 
Antiope  Company  Ltd.  in  Victoria,  Britisch  Columbien,  Canada,  Wharf 
Street  Nr.  63,  vertreten  durch  P.  O.  R.  Matheson,  Kapitän  des 
Segelschiffes  „Antiope''. 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  Deura  Rikio,  Regierungs- 
bezirk Kangawa,  Yokohama,  Yamashitacho  Nr.   193. 

Am  30.  November  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Yokosuka  in  der 
Prisensache  betreffend  das  am  13.  August  1905  auf  53^52'  n.  Br. 
und  141^29'  ö.  L.  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Tainan  Maru" 
aufgebrachte  englische  Segelschiff  „Antiope"  ein  Urteil  gefällt,  in  wel- 
chem auf  Freigabe  des  englischen  Segelschiffs  „Antiope"  erkannt 
worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  haben  die  Staatsanwälte  beim  Prisengericht  zu 
Yokosuka,  KobayashiYoshio,  UchidaShigenari  und  Yana- 
gita Kunio,  die  Berufung  eingelegt,  welche  im  Beisein  der  Staats- 
anwälte Tsutsuki  Keiroku  und  Dr.  jur.  Ishiwatari  Binichi 
beim  Oberprisengericht  geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  der  Staatsanwälte  beim  Prisengericht 
zu  Yokosuka,  Kobayashi  Yoshio,  Uchida  Shigenari  und 
Yanagita  Kunio,  sind  folgende: 

Es  werde  Aufhebung  des  Urteils  erster  Instanz  auf  Freigabe  des 
englischen  Segelschiffs  „Antiope"  und  Erlaß  einer  Entscheidung  auf 
Einziehung  desselben  beantragt,  und  zwar  aus  folgenden  Gründen: 

1.  Obwohl  das  Gericht  erster  Instanz  die  Ladung  des  zur  Ver- 
handlung stehenden  Schiffes  deutlich  als  Konterbande  ansehe,  sage  es, 
daß  dies  die  Einziehung  des  Schiffes  nicht  begründen  könne,  weil  man 
nicht  annehmen  könne,  daß  die  Reeder  des  Schiffes  oder  deren  Ver- 
treter gewußt  hätten,  daß  es  sich  um  einen  Konterbandetransport  handele. 

a)  Nach  dem  Chartervertrag  hatten  die  Vertreter  der  Reeder  genau 
gewußt,  zu  welchem  Zweck  das  Schiff  gechartert  worden  sei. 

b)  Auf  Wunsch  des  Ladungseigentümers  seien  zwei  getrennte  Kon- 
nossemente hergestellt  worden.  Für  das  Salz  des  einen  derselben  sei 
von  dem  Kontrahenten  des  Chartervertrags  eine  Fracht  von  5  Dollar 

909 


Abschnitt  VI^^  Prisengerichtsentscheidungen:  Antiope. 

empfangen  worden,  und  dieses  Salz  habe,  ohne  durch  die  Hände  des 
in  den;  Chartervertrag  erscheinenden  Käufers  M.  Ruri(?)  zu  gehen,, 
direkt  an  die  russisch-chinesische  Bank  abgeliefert  werden  sollen.  Wenn 
man  annehmen  wolle,  daß  die  Reeder  von  den  Tatsachen,  welche  nicht 
in  den  Schiffspapieren  verzeichnet  seien,  keinerlei  Kenntnis  gehabt  hätten,, 
weshalb  hätte  der  Ladungseigentümer  sich  dann  die  Last  aufladen  sollen,, 
noch  über  den  Vertrag  hinaus  Fracht  zu  zahlen?  Danach  zu  urteilen,, 
sei  sicher  zwischen  dem  Reeder  und  dem  Ladungseigentümer  eine  be- 
sondere Abmachung  vorhanden  gewesen,  und  der  Reklamant  habe 
schließlich  nicht  den  Nachweis  erbringen  können,  daß  diese  Abmachung 
nicht  bestanden,  noch  daß  dieselbe  eine  offene  und  rechtmäßige  ge- 
wesen sei. 

c)  Die  Reeder  hätten  selbst  dem  amerikanischen  Ministerium  für 
Handel  und  Industrie  angezeigt,  sie  beförderten  jährlich  3alz  nach  Niko- 
lajewsk  und  hätten  eine  Bescheinigung  erhalten,  daß  derartiges  Salz  nach 
Ansicht  der  japanischen  Regierung  nicht  als  Konterbande  gelte.  Wenn 
ein  derartiges  Verfahren  für  notwendig  erachtet  werde,  so  hätte  der 
Ladungseigentümer  es  zu  machen.  Die  Reeder  hätten  aber  ihrerseits- 
diese  Aufgabe  übernommen  und  dem  Ladungseigentümer  bei  dieser  Dar- 
legung geholfen.  Außerdem  werde  tatsächlich  nicht  jährlich  Salz  von 
Amerika  nach  Nikolajewsk  befördert.  Es  habe  auch  kein  Grund  vor- 
gelegen, weshalb  die  Reeder  dies  hätten  glauben  sollen.  Trotzdem  hätten 
sie  sich  schleunig  auf  telegraphischem  Wege  eine  öffentlich  beglaubigte 
Bescheinigung  verschafft,  um  im  voraus  auf  einen  anderen  Tag  vor- 
bereitet zu  sein. 

Wenn  man  alles  dies  zusammenhalte,  so  könne  man  schließen, 
daß  sie  nicht  nur  von  einem  Vorhaben,  das  Salz  zu  befördern,  ge- 
hört hätten,  sondern  auch  über  die  beabsichtigte  Verwendung  wohl 
unterrichtet  gewesen  seien  und,  um  diesen  Zweck  zu  erreichen,  über 
ihre  Pflicht  hinaus  ihre  Unterstützung  gewährt  hätten. 

Alle  diese  Tatsachen  habe  das  Gericht  erster  Instanz  nicht  in 
Erwägung  gezogen  und  demgemäß  die  sich  daraus  ergebenden  richtigen 
Vermutungen  außer  acht  gelassen.  Daher  könne  das  Urteil  auf  keinen 
Fall  gutgeheißen  werden. 

2.  Das  Gericht  erster  Instanz  habe  weiter  gesagt,  daß 

obwohl  im  vorliegenden  Fall  die  ganze  Ladung  Konterbande 
sei,  lediglich  daraufhin  nicht  auf  Wegnahme  des  Schiffes  ent- 
schieden werden  könne. 
Es  finde  sich  aber  in  der  völkerrechtlichen  Praxis,  daß  nicht  nur,  wenn 
die  ganze  Ladung  Konterbande  sei,  sondern  wenn  auch  ein  Teil  Nicht- 
konterbande  darunter  gemischt  sei,  das  betreffende  Schiff  eingezogen 
werden  könne,  wenn  es  klar  erwiesen  sei,  daß  der  Zweck  der  Reise 
der  Transport  von  Konterbande  sei.    Wenn  auch  zufällig  in  der,  eine 

910 


Prfsengerichtsentscheidungen :  Antiope.  Abschnitt  VI^^ 

Instruktion  für. das  Ressort  der  Marine  darstellenden  Seeprisenordnung 
dies  nicht  aufgestellt  sei,  so  könne  man  doch  nicht  behaupten,  daß 
Japan  diesen  Grundsatz  verneint  habe,  wie  aus  Beispielen  des  dies- 
maligen Krieges  wie  der  „Powderham''-*)  und  „Scotsman''-ß)Sache  hin- 
reichend erwiesen  werde.  Es  müsse  daher  als  unrechtmäßig  bezeichnet 
werden,  wenn  das  Gericht  erster  Instanz  allein  diesen  Grundsatz  ver- 
neint und  auf  Freigabe  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  er- 
kannt habe. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Vertreters  der  Reklamation, 
Deura  Rikio,  sind  folgende: 

Es  werde  Venx^erf ung  der  eingelegten  Berufung  beantragt,  und  zwar 
aus  folgenden   Gründen: 

1.  Da  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  keinen  Konterbande- 
transport ausgeführt  habe,  so  sei  es  rechtmäßig,  daß  das  Urteil  erster 
Instanz  seine  Freigabe  verfügt  habe. 

Selbst  wenn  man  annehme,  daß  die  Ladung  des  zur  Verhandlung 
stehenden  Schiffs  Konterbande  sei,  so  hätten  doch  die  Reeder  und  die 
Vertreter  derselben  keine  Kenntnis  davon  gehabt,  daß  es  sich  um  einen 
Kriegskonterbandetransport  gehandelt  habe  und  brauchten  daher  die 
Strafe  der  Einziehung  nicht  zu  tragen.  Da  ferner  auch  sonstige  Gründe, 
welche  es  unmöglich  machten,  dieser  Strafe  zu  entgehen,  wie  bös- 
gläubige, ungesetzliche  oder  unrechtmäßige  Handlungen,  nicht  vorlägen, 
so  bestehe  kein  Grund  für  die  Einziehung,  und  an  der  Entscheidung  auf 
Freigabe  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  sei  nichts  auszusetzen. 
Trotzdem  hätten  die  Staatsanwälte  das  Urteil  für  unrechtmäßig  an- 
gesehen und  die  Berufung  eingelegt.  Die  Gründe  derselben  könnten  zwar 
alle  nicht  anerkannt  werden,  sollten  aber  der  Sorgfalt  halber  hier  noch 
einmal  besprochen  werden. 

a)  Wie  in  dem  Chartervertrag  klar  angegeben  sei,  hätten  die  Ver- 
treter der  Reeder  das  Schiff  zum  Transport  von  ungefähr  1800  Tons 
Salz  von  San  Francisco  nach  Nikolajewsk  verchartert  und  nur  gewußt, 
daß  das  Salz  zum  Fischereibetrieb  und  Handel  an  den  Küsten  des 
Amurdistrikts  geliefert  werden  sollte.  Selbst  wenn  man  aber  annehme, 
daß  der  Chartervertrag  geschlossen  sei  mit  der  Absicht,  Salz  zu  befördern, 
welches  für  die  russische  Regierung  oder  die  russischen  Truppen  be- 
stimmt gewesen  sei  oder  ihnen  zum  Gebrauch  habe  geliefert  werden 
sollen,  oder  welches  zur  Fabrikation  von  Salzfischen  habe  dienen  sollen, 
welche  den  Truppen  zu  liefern  gewesen  seien,  so  hätten  doch  die  ge- 
nannten Vertreter  davon  keine  Ahnung  gehabt.  Es  sei  aber  unmög- 
lich, auf  Einziehung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  zu  er- 
kennen mit  der  Begründung,  daß  sie  gewußt  hätten,  daß  das  Schiff  zum 


*)  VI.  40a.  —  6)  VI.  28a. 

911 


Abschnitt  VI'^  Prisengerichtsentscheidungen:  „Antfope*^^ 

für  die  Lachsfischerei.  Seit  jeher  ist  mehr  als.  die  Hälfte  des  produ- 
zierten gesalzenen  Lachses  in  Japan  konsujmiert  worden.  Unter  den 
Russen  hat  seit  vielen  Jahren  der  Wunsch  bestanden,  die  Nachfrage 
danach  im  europäischen  Rußland  zu  steigern;  dies  ist  aber  noch  nicht 
gelungen.  Trotzdem  nun  seit  dem  japanisch-russischen  Krieg  der  Ver- 
kehr zwischen  dort  und  Japan  vollständig  aufgehört  hat  und  die  Nach- 
frage nach  Lachs  verloren  gegangen  ist,  hat  sich  das  Bedürfnis  da- 
nach für  die  Truppen  gesteigert.  Daß  diese  außerordentliche  Lebhaftig- 
keit der  dortigen  Nachfrage  bestand,  wird  dargetan  durch  die  Zeit- 
schrift für  Handel  und  Industrie  des  russischen  Finanzoninisteriums  vom 
20.  Juli  1905  sowie  durch  die  Sitzungsprotokolle  der  vierten  Stadt- 
versaimmlung  von  Chabarowsk  im  Jahre  1903. 

Wenn  nun  zu  der  hier  in  Frage  stehenden  Zeit  ein  für  ein  Mal 
so  großer  Transport  nach  dorthin  stattgefunden  hat,  so  muß  man  an- 
nehmen, daß  dieses  Salz  zur  Fabrikation  von  gesalzenen  Fischen  dienen 
sollte,  welche  zur  Verpflegung  der  feindlichen  Truppen  bestimmt  waren. 
Es  ist  daher  zutreffend,  wenn  das  Gericht  erster  Instanz  angenommen 
hat,  daß  die  Salzladung  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  nach 
dem  feindlichen  Gebiet  bestimmt  war  und  als  Nahrungsmittel  für  die 
feindliche  Armee  oder  Marina  dienen  sollte  und  daher  Kriegskonter- 
bande ist. 

2.  Es  kann  aus  den  obigen  Gründen  nicht  angenommen  werden^ 
daß  das  nach  Nikolajewsk  verschiffte  Salz  im  gewöhnlichen  Handels- 
verkehr verschifft  worden  ist.  Wenn  man  dazu  die  Tatsache  in  Be- 
tracht zieht,  daß  die  ganze  Ladung  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Schiffes  Kriegskonterbande  ist,  so  muß  man  zu  der  Annahme  gelangen, 
daß  der  Zweck  der  Reise  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffes  der 
Transport  von  Konterbande  gewesen  ist. 

Das  Völkerrecht  erkennt  aber  an,  daß  Schiffe,  deren  Reisezweck^ 
wie  im  vorliegenden  Falle,  der  Transport  von  Konterbande  ist,  eingezogen 
werden  können.  Das  Oberprisengericht  ist  der  Ansicht,  daß  dies  den 
Verhältnissen  gerecht  wird. ') 

Nach  dem  in  den  obigen  Punkten  1  und  2  Ausgeführten  ist  das 
Urteil  erster  Instanz,  welches  die  Freigabe  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Schiffes  ausgesprochen  hat,  unzutreffend. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 

Das  Urteil  erster  Instanz  wird  aufgehoben. 
Das  Segelschiff  „Antiope"  wird  weggenommen. 

Am  12.  März  1906  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 

')  Abweichend  von  den  Bestimmungen  der  §§  43,  44  der  japanischen  Seeprisen- 
ordnimg  (V)  und  der  Artikel  82  bis  85  des  ihr  zu  Grunde  liegenden  englischen  Manual 
of  Naval  Prize  Law. 

9U 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Antiope"^  Abschnitt  VI  st 

Reklamant:  Barneson,  Hibbard&Co.,  Vereinigte  Staaten- 
von  Nordamerika,  Californien,  San  Francisco,  Montgomery  Street  456,- 
vertreten  durch  den  Direktor  John  Barneson. 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  Deura  Rikio,  Regierungs- 
bezirk Kanagawa,  Yokohama,  Yamashitacho  Nr.  193. 

Am  30.  November  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Yokosuka  in  der 
Prisensache,  .betreffend  die  Ladung  des  englischen  Segelschiffs  „Anti- 
ope'',  welches  am  13.  August  1905  auf  53  o  52'  n.  Br.  und  141  o  29' 
ö.  L.  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Tainan  Maru"  aufgebracht 
worden  ist,  ein  Urteil  gefällt,  in  welchem  auf  Wegnahme  der  auf  dem 
englischen  Segelschiff  „Antiope"  verladenen  ungefähr  1800  Tons  Salz 
erkannt  worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  John  Barneson  in  Vertretung  des 
Reklamanten,  der  Firma  Barneson,  Hibbard  &  Co.,  durch  den 
Rechtsanwalt  Deura  Rikio  als  Prozeßvertreter  die  Berufung  eingelegt, 
welche  im  Beisein  der  Staatsanwälte  beim  Oberprisengericht,  Tsut- 
suki  Keiroku  und  Dr.  jur.  Ishiwatari  Binichi,  geprüft 
worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Vertreters  der  Reklamation, 
Deura  Rikio,  sind  folgende: 

Es  werde  Aufhebung  des  Urteils  erster  Instanz  auf  Wegnahme 
der  Ladung  von   1800  Tons  Salz  und  Erlaß  einer  Entscheidung    auf 
Freigabe  derselben  beantragt,  und  zwar  aus  folgenden  Gründen : 
1.  Das  Urteil  erster  Instanz  behaupte,  daß 

das  zur  Verhandlung  stehende  Salz  eingekauft  worden  sei, 
um   zur  Herstellung  von   eingesalzenem  Lachs  zu   dienen, 
welcher  an  die  russischen  Truppen  habe  geliefert  werden 
sollen.    Wenn  der  Lachs,  zu  dessen  Herstellung  das  Salz 
habe  gebraucht  werden  sollen,  ein  Nahrungsmittel  sei,  so 
stehe  nichts  im  Wege,  auch  das  hierzu  verwandte  Salz  als 
Nahrungsmittel  zu  bezeichnen.    Da  das  Salz  dem  gesalzenen 
Lachs  den  Geschmack  gebe,  so  müsse  das  zu  diesem  Zweck 
eingekaufte  Salz  als  Kriegskonterbande  gelten  und  aus  diesem 
Grunde  eingezogen  werden. 
Das  Salz,  welches  zum  Einsalzen  von  Lachs  verwandt  werde,  sei  kein 
erstklassiges  Tafelsalz,  sondern  ein  ganz  gewöhnliches  Salz.   Der  Zweck, 
weshalb  man  den  Lachs  in  Salzwasser  einlege  oder  dem  Lachs  Salz  bei- 
füge, sei  nicht  der,  durch  das  Salz  dem  Lachs  einen  salzigen  Geschmack 
zu  geben,  sondern  dies  diene  nur  dazu,  um  das  Verfaulen  des  Fleisches 
zu  verhüten.    Mit  anderen  Worten,  gesalzener  Lachs  sei  nicht  ein  Lachs, 
dem  durch  das  Salz  Geschmack  gegeben  werde,  sondern  ein  Lachs, 
welcher  dadurch  vor  dem  Verfaulen  geschützt  werde.    Wenn  die  Ab- 
sicht die  sei,  Geschmack  zu  geben,  so  werde  wohl  niemand  das  amerika- 

(58*)  915 


Abschnitt  VI>7  Prisengerichtsentscheidungeii:  „Anti€»pe^. 

nische  Steinsalz  oder  ein  Salz  schlechter  Qualität  verwenden,  welches 
die  Zunge  reize  und  bitter  schmecke.  Tatsächlich  werde  selbst  der  in 
Japan  hergestellte  gesalzene  Lachs  erst  nach  Entfernung  des  Salzes 
als  Nahrungsmittel  genießbar.  Das  russische  Fabrikat  aber,  so  wie  es 
in  Tokio  verkauft  werde,  müsse  erst  drei  oder  vier  Mal  mit  heißem 
(Wasser  übergössen  oder  zwei  bis  drei  Tage  in  reines  Wasser  gelegt 
werden,  um  das  Salz  zu  entfernen  und  selbst  dann  werde  es  erst  ge- 
nießbar, wenn  man  ihm  einen  anderen  Geschmack  zusetze.  Da  dem  so 
sei,  so  sei  es  klar,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Salz  nicht  den 
Zweck  habe,  mit  dem  Lachs  zusammen  als  Nahrungsmittel  zu  dienen, 
sondern  nur  bezwecke,  das  Verfaulen  eines  Nahrungsmittels  zu  ver- 
hindern. Das  sei  dasselbe,  als  wenn  man  Spirituosen  mit  Salizylsäure 
mische,  um  ihr  Verderben  zu  verhüten.  Niemand  werde  behaupten 
wollen,  daß  Salizylsäure,  welche  befördert  werde,  um  geistigen  Ge- 
tränken zugesetzt  zu  werden,  ein  Getränk  sei. 

Daher    könne    solches    Salz    keinenfalls    unter    den    Begriff    der 
„Nahrungsmittel''  der  Instruktion  des  Marineministeriums  fallen. 

2.  Das  Urteil  erster  Instanz  habe  angenommen,  daß 

das  zur  Verhandlung  stehende  Salz,  weil  es  zur  Fabrikation 
von  gesalzenem  Lachs  dienen  solle,  welcher  an  die  rassischen 
Truppen  geliefert  werden  solle  und  so  mit  dem  Lachs  zu- 
sammen gebraucht  werde,  ein  Nahrungsmittel,  d.  h.  Kriegs- 
konterbande sei. 
Wenn  man  so  argumentiere,  dann  komme  man  dahin,  daß  auch  das 
zur  Herstellung  von  geräuchertem  Lachs  in  Sibirien  eingeführte  Brenn- 
material oder  der  zum   Ackerbau  eingeführte  Dünger  als  Nahrungs- 
mittel betrachtet  und  als  Kriegskonterbande  eingezogen  werden  könne. 
Denn  dann  würde  das  Brennmaterial,  vc^lches  verbrannt  werde,   um  den 
Lachs  zu  räuchern,  zusammen  mit  dem  Lachs  verbraucht.    Ebenso  werde 
mit  dem  Dünger  Weizen  kultiviert,  aus  dem  Brot  gemacht  werde,  so 
daß  also  der  Dünger  mit  dem  Weizenmehl  zusammen  verbraucht  werde 
und  so  als  Nahrung  bezeichnet  werden  könne. 

Selbst  aber  einmal  zugegeben,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende 
Salz  mit  dem  Lachs  zusammen  als  Nahrung  benutzt  werde  und  so 
ein  Nahrungsmittel  darstelle,  so  beschränke  sich  doch  der  Konsum  des 
mit  diesem  Salz  zubereiteten  Lachses  nicht  unbedingt  auf  die  russischen 
Truppen,  sondern  er  könne  auch  nach  Rußland  und  ins  Ausland  ex- 
portiert werden.  Die  Annahme  des  Urteils  erster  Instanz,  daß  der  Lachs 
nur  zum  Truppengebrauch  habe  geliefert  werden  sollen,  sei  gänzlich 
unbewiesen  und  unzutreffend. 

3.  Das  Gericht  erster  Instanz  sage, 

nach  der  monatlichen  Statistik  des  statistischen  Vereins  der 
russischen  Küstenprovinz  sei  die  Menge  des  von  den  Fischern 

916 


Prisengericliisdxiiaelielciimgdli:  »Anüope".  Abschnitt  Vl'^ 

der  Küstetiprovinz  in  einem  Jahre  verbrauchten  Salzes  fest- 
gestellt worden,   und  damit  verglichen  sei  die  Menge  des- 
zur  Verhandlung  stehenden  Salzes  übermäßig  groß.    Daher 
sei  anzunehmen,   daß   es   zur   Herstellung  von   gesalzenem 
Lachs  habe  dienen  sollen,  welcher  an  die  Truppen  zu  lieferrt 
gewesen  sei. 
Diese  Statistik  sei  jedoch  unglaubwürdig  und  wertlos,  da  sie  in  Ruß" 
land  erschienen  sei,  einem   Land,  wo  die  Beamten  ganz  offen   Geld 
empfingen  und  die  gesetzliche  Disziplin  sehr  in  Unordnung  sei.    Man 
könne  daher  nicht  wissen,   ob  nicht  der  Verbrauch  von  Salz  seitens 
der  Fischer  der  Küstenprovinz  in  Wirklichkeit  ein  Mehrfaches   des  dort 
Berichteten  betrage.    Der  Reklamant  sei  daher  im  höchsten  Grade  em- 
pört,   daß   er   ein    Urteil   erhalte,    welches   sich    auf   einer    derartigen 
Publikation  gründe. 

Überdies  habe  die  Abreise  des  fraglichen  Schiffes  von  Amerika 
nach  Vernichtung  der  haltischen  Flotte  in  der  Straße  von  Tsushima 
stattgefunden.  Wenn  geplant  worden  sei,  zu  dieser  Zeit  das  Salz  mit 
einem  langsam  fahrenden  Segelschiff  zu  befördern,  dann  nach  und 
nach  den  Lachs  einzusalzen  und  ihn  an  die  russischen  Truppen  zu 
liefern,  so  würde  zur  Zeit  seiner  Fertigstellung  Wladiwostok  schon  ge- 
fallen und  die  ganze  Mandschurei  von  den  japanischen  Truppen  be- 
setzt gewesen  sein.  Wenn  die  Russen  auch  dumm  seien,  so  müsse  doch 
jeder  diese  Verhältnisse  haben  übersehen  können.  Wer  wisse,  ob  nicht 
die  Russen  nach  dem  Tage,  wo  die  Japaner  die  Besetzung  ausgeführt 
hätten,  ihre  nach  und  nach  hergestellten  gesalzenen  Fische  an  die  japa- 
nischen Truppen  verkauft  und  versucht  hätten,  so  einen  großen  Ver- 
dienst zu  erzielen? 

Wenn  man  nach  dem  Urteil  erster  Instanz  rechne,  so  betrage  das 
zur  Prise  gemachte  Salz  über  6800  Tons,  d.  h.  über  428  400  Pud,  $o 
daß  man  also  2142  000  Pud  gesalzenen  Laclis  hätte  herstellen  können. 
Im  Etatsjahr  1900  habe  die  Menge  des  von  den  russischen  Truppen  in 
Sibirien  und  dem  mandschurischen  Okkupationsgebiet  gekauften  ge- 
salzenen Lachses  114  500  Pud  betragen.  Wenn  man  nun  die  Gesamt- 
stärke der  damaligen  russischen  Truppen  als  100000  annehme,  so  könne 
man  mit  dem  zur  Verhandlung  stehenden  Salz  soviel  Lachs  herstellen^ 
daß  man  ein  Jahr  lang  2  Millionen  russische  Truppen  damit  versorgen 
könne.  Ein  solches  Vorhaben  müsse  man  doch  wohl  als  zu  töricht  be- 
zeichnen. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  beim  Prisen- 
gericht zu  Yokosuka,  Yanagita  Kunio,  sind  folgende: 

1.  Es  stimme  nicht  mit  der  Wirklichkeit,  wenn  der  Reklamant 
behaupte,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Speisesalz  minderwertiges 
Salz  sei,  welches  nicht  zum   Essen   dienen   könne.    Das  Salz  sei  von 

917 


Abschnitt  VI>7  Prisengerichtsentscheidungen:  „Antiope'% 

erster  Qualität  und  könne  durch  Zerkleinerung  zum  Speisegebrauch 
hergerichtet  werden.  Wenn  daher  der  Reklamant  behaupte,  daß  schon 
nach  seiner  großen  Menge  beurteilt  das  Salz  zur  Herstellung  von  ge- 
salzenen Fischen  habe  dienen  müssen,  so  könne  das  nur  für  einen  Teil 
desselben  anerkannt  werden. 

Daß  Speisesalz  neben  der  Aufgabe,  daß  es  Geschmack  verleihen 
solle,  zugleich  auch,  wie  der  Reklamant  sage,  dem  Zwecke  der  Kon- 
servierung diene,  sei  eine  Tatsache,  welche  die  Staatsanwälte  aus  der 
täglichen  Küche  selber  sehr  wohl  kannten  und  die  sich  keineswegs 
auf  die  Fabrikation  von  Salzfisch  beschränke.  Man  könne  aber  nicht 
diese  eine  Seite  herausgreifen  und,  weil  es  zum  Konservieren  diene,  be- 
haupten, daß  das  Salz  kein  Speisemittel  sei. 

2.  Wenn  auch  Brennmaterial  und  Dünger  indirekt  zur  Herstellung 
von  Speisewaren  dienten,  so  müsse  man  es  doch  als  verkehrt  bezeichnen, 
wenn  sie  mit  Speisemitteln  verglichen  würden.  Wenn  man  aber  schon 
das  auf  der  „Antiope"  verladene  Speisesalz  als  eine  Art  Nahrungsmittel 
ansehe,  so  sei  es  selbstverständlich,  daß  man  an  diesem  seinen  natür- 
lichen Charakter  eines  Nahrungsmittels  nicht  ändern  könne,  selbst  wenn 
man  einmal  annehme,  daß  durch  seine  Verbindung  mit  einem  anderen 
Nahrungsmittel  ein  für  hohen  Preis  verkäufliches  neues  Nahrungs- 
mittel hergestellt  werde. 

3.  Die  Behauptung  des  Reklamanten,  daß  die  monatliche  Statistik 
unglaubwürdig  sei,  sei  überaus  grob. 

Bezüglich  der  Abreise  der  „Antiope"  behaupte  der  Reklamant, 
daß  sie  nach  dem  großen  Seesieg  im  japanischen  Meer  stattgefunden 
habe,  aber  sowohl  die  Zeit  der  Abreise  M.  Ruris  von  seiner  Heimat, 
um  das  Salz  einzukaufen,  wie  auch  der  Abschluß  des  Kaufvertrags  in 
Amerika  lägen  vor  der  Seeschlacht  im  japanischen  Meer.  Außerdem  sei, 
nachdem  die  Russen  die  Herrschaft  zur  See  verloren  und  die  Verkehrs- 
schwierigkeiten sich  sehr  gesteigert  gehabt  hätten,  das  Bedürfnis  nach 
der  Ansammlung  solcher  Kriegsbedarfsartikel  noch  viel  dringender  ge- 
worden. Diese  Tatsachen  seien  also  durchaus  nicht  geeignet,  um  als 
Begründung  zugunsten  des  Reklamanten  dienen  zu  können. 

Aus  diesen  Gründen  müßten  die  neuen  Streitpunkte,  die  der  Re- 
klamant anführe,  auch  wieder  alle  für  unzutreffend  angesehen  und  die 
Berufung  abgewiesen  werden. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 
Der  Reklamant  sagt:  Salz  wie  das  zur  Verhandlung  stehende  sei 
minderwertige  Ware,  welche  zum  Speisegebrauch  nicht  dienen  könne. 
Es  sei  lediglich  dazu  bestimrnt,  Lachs  einzusalzen  oder  in  Salzlake  ein- 
zulegen, um  ihn  vor  dem  Verderben  zu  bewahren.  Da  es  demnach 
den  Lachs  nicht  schmackhaft  zu  machen  und  so  als  Nahrungsmittel 

918 


.l^risengerichtsentscheidungen :  „Antiope'^  Abschnitt  VI^^ 

^u  dienen  bestimmt  sei,  so  falle  es  nicht  unter  den  Ausdruck  „Nahrungs- 
mittel" der  Instruktion  des  japanischen  Marineministeriums. 

Die  Frage,  ob  Salz  Nahrungsmittel  ist  oder  nicht,  bestimmt  sich 

.a.ber  nicht  nach  der  Feinheit  der  Qualität.     Der  Hauptsache  nach  ist 

-alles  das  Kochsalz,  was  wegen  seines  charakteristischen  Geschmacks 
verwandt  wird.  Wenn  daher  auch  das  zur  Verhandlung  stehende  Salz 
minderwertige  Ware  wäre,  so  würde  das  seiner  Eigenschaft  als  Koch- 
salz nicht  entgegenstehen;  wieviel  weniger,  wo  nach  sachverständigem 
Urteil  erwiesen  ist,  daß  es  nach  Trocknen  und  Zerkleinern  eine  erst- 
klassige Ware  abgeben  v^ürde,  welche  sehr  wohl  als  Kochsalz  dienen 
könnte. 

Wenn  es  aber  Kochsalz  ist,  so  verliert  es  diesen  seinen  eigenen 

•Charakter  als  Nahrungsmittel  nicht  dadurch,  daß  es  mit  anderen 
Nahrungsmitteln  vermischt  wird.  Man  kann  es  nicht  mit  richtigen 
Konservierungsmitteln  von  Getränken  oder  mit  Brennmaterial  zum  Fisch- 
räuchern oder  mit  Dünger  für  Weizen,  welche  keine  Nahrungsmittel 
■sind,  auf  eine  Stufe  stellen.  Dies  besonders,  weil  Kochsalz  nicht  nur  bei 
der  Zubereitung  von  Fischen,  sondern  auch  in  der  täglichen  Küche  neben 
•<ier  würzenden  auch  eine  konservierende  Wirkung  hat.  Nur  die  eine 
Seite  seiner  Wirkung  ins  Auge  zu  fassen  und  zu  behaupten,  es  sei  kein 
Nahrungsmittel,  da  es  zur  Konservierung  diene,  kann  nur  als  unbillig 
bezeichnet  werden. 

Der  Bestimmungsort  des  zur  Verhandlung  stehenden  Salzes,  Niko- 
lajewsk,  liegt  in  der  Nähe  der  Amurmündung  und  nimmt  in  der  Küsten- 
provinz eine  sehr  wichtige  Stellung  ein.  Durch  Vermittlung  des  am 
•Oberlauf  des  Amur  gelegenen  Chabarowsk  steht  es  auf  dem  Wasser- 
wege oder  durch  die  Eisenbahn  mit  militärisch  wichtigen  Plätzen  in  Ver- 
bindung. Diese  Gegend  ist  die  bedeutendste  für  die  Lachsfischerei. 
Seit  jeher  ist  mehr  als  die  Hälfte  des  produzierten  gesalzenen  Lachses 
in  Japan  konsumiert  worden.  Unter  den  Russen  hat  seit  vielen  Jahren 
der  Wunsch  bestanden,  die  Nachfrage  danach  im  europäischen  Rußland 
zu  steigern;  dies  ist  aber  noch  nicht  gelungen.  Trotzdem  nun  seit  dem 
japanisch-russischen  Krieg  der  Verkehr  zwischen  dort  und  Japan  voll- 
ständig aufgehört  hat  und  die  Nachfrage  nach  Lachs  verloren  gegangen 
ist,  hat  sich  das  Bedürfnis  danach  für  die  Truppen  gesteigert.  Daß  diese 
außerordentliche  Lebhaftigkeit  der  Nachfrage  bestand,  wird  dargetan 
durch  die  Zeitschrift  für  Handel  und  Industrie  des  russischen  Finanz- 
ministeriums vom  20.  Juli  1905  sowie  auch  durch  die  Sitzungsprotokolle 
der  vierten  Stadtversammlung  von  Chabarowsk  im  Jahre  1903. 

Wenn  nun  zu  der  in  Frage  stehenden  Zeit  ein  für  einmal  so  großer 
Transport  von  Salz  nach  dorthin  stattgefunden  hat,  so  muß  man  an- 
nehmen, daß  dieses  Salz  zur  Fabrikation  von  gesalzenen  Fischen  dienen 
sollte,  welche  zur  Verpflegung  der  feindlichen  Truppen  bestimmt  waren. 

919 


Abschnitt  Viw  Prisengerichtsentscheidungen :  MMontara^'. 

Das  zur  Verhandlung  stehende  Salz  ist  demnach,  weil  es  nach  feind- 
lichem Gebiet  bestimmt  war  und  als  Nahrungsmittel  für  die  feindliche 
Armee  oder  Marine  dienen  sollte,  Kriegskonterbande. 

Es  ist  aber  völkerrechtlicher  Grundsatz,  daß  Konterbande  schlecht- 
hin eingezogen  werden  kann.  Da  es  danach  durchaus  rechtmäßig  ist, 
wenn  das  Urteil  erster  Instanz  es  für  gute  Prise  erklärt  hat,  so  er- 
übrigt es  sich,  auf  die  einzelnen  Punkte  der  Berufung  besonders  ein- 
zugehen. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Am  12.  März  1906  im  Oberprisengericht. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Pacific  Coast  Steamship  Company,  Vereinigte  Staa- 
ten von  Nordamerika,  San  Francisco,  vertreten  durch  den  Kapitän  des 
Dampfers  „Montara",  Thomas  Reilly,  und  Lloyd,  England,  London, 
vertreten  durch  A.  Q.  MoreyWeale,  Angehörigen  der  Firma  Cor  nes 
&  Co.,  Yokohama,  Yamashitacho  Nr.  50. 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  Sato  Hakuai,  Yokohama, 
Honcho  Sanchome  Nr.  40. 

In  der  Prisensache,  betreffend  den  nordamerikanischen  Dampfer 
„Montara",  wird  nach  Beendigung  der  Untersuchung,  wie  folgt,  ent- 
schieden : 

Urteilsformel: 

Es  wird  auf  Wegnahme  des  nordamerikanischen  Dampfers  „Mon- 
tara"  und  der  auf  diesem  verschifften  Güter,  nämlich  25  Sack  Tabak- 
blätter; 11  Kisten  Tabak;  17  Kisten  Zucker;  1  Dampf boot;  2  kleine 
Leuchter;  ein  Quantum  Brennholz;  ungefähr  4000  gesalzene  Seehunds-^ 
feile;  Robbenfelle,  schwarze  Dachsfelle,  Rotfuchsfelle,  Fischotterfelle, 
Vielfraßfelle,  Hermelinfelle  und  Bärenfelle,  zusammen  etwa  30  Stück, 
erkannt. 

Tatbestand   und  Gründe: 

Der  zur  Verhandlung  stehende  Dampfer  „Montara''  steht  im  Eigen-^ 
tum  des  Reklamanten,  der  Pacific  Coast  Steamship  Company,  sein  Hei- 
matshafen ist  San  Francisco  in  den  Vereinigten  Staaten  von  Nordamerika, 
und  er  ist  ein  Handelsschiff,  welches  die  nordamerikanische  Flagge 
führt.  Der  Dampfer  wurde  durch  den  Chartervertrag,  welcher  am 
22.  März  1905  zwischen  der  Agentur  der  Kamtschatka-Handels-  und  In- 

920 


Prisengerichtsentscheidungeii :  „Montara".  Abschnitt  Vis* 

dustrkgesellschaft  Rosbram  &  Co.  und  der  Reederei  abgeschlossen 
wurd«,  um  die  von  der  genannten  Gesellschaft  der  russischen  Regierung 
gegenüber   übernommene  Aufgabe   der  Lieferung  von    Lebensbedürf- 
nissen nach  den  Commandorski-Inseln  zu  erfüllen,  für  ungefähr  5  Mo- 
nate   vom   l.  Mai  d.  J.  ab  an  die  genannte  Handels-  und  Industrie- 
gesellschaft vermietet.    Der  genannte  Dampfer  lud  demgemäß  als  Lebens- 
bedarf für  die  Bevölkerung  der  Commandorski-Inseln  Lebensmittel,  land- 
'wirtschaftliche  Geräte  und  den  obengenannten  Zucker  und  Tabak,  im 
ganzen  etwa  200  Tons.    Am  9.  Juli  1905  fuhr  der  Dampfer  von  San 
Francisco  ab  und  reiste  direkt  nach  Kamtschatka  in  Rußland.     Er  lief 
die  Koppe-Insel,  Bering-Insel,  Petropawlowsk  und  West-Kamtschatka  an, 
löschte  an  den  verschiedenen  Plätzen  gewisse  Mengen  seiner  Ladung, 
lud  dort  Güter  der  Gesellschaft  und  eingekaufte  Pelze,  und  ikam  wieder 
nach  der  Bering-Insel,  wo  er,  als  er  den  Rest  der  beförderten  Ladung 
löschte,  am  16.  August  1905  nach  2  Uhr  nachmittags  auf  seinem  Anker- 
platz bei  Nikolsk  auf  dieser  Insel  von  dem   Kaiserlichen   Kriegsschiff 
„Izumi"  gesichtet  wurde.    Als  Ergebnis  der  Visitierung  wurde  der  Damp- 
fer, weil  im  Gebrauch  der  russischen  Regierung  stehend  und  weil  er 
Konterbande  befördere,  beschlagnahmt. 

Für  gewöhnlich  können  ausländische  Schiffe  auf  den  Commandorski- 
Inseln  nicht  verkehren  und  Handel  treiben.    Aber  seit  dem  japanisch- 
russischen Krieg  hat  die  russische  Regierung  für  Schiffe,  welche  vort 
der   Kamtschatka-Handels-   und   Industriegesellschaft   und   der  Ostsibi- 
rischen Compagnie  gechartert  würden,  eine  besondere  Erlaubnis  zum 
Verkehr  in  den  genannten  Gegenden  erteilt.    Daraufhin  verkehrte  das 
zur  Verhandlung  stehende  Schiff,  obwohl  es  ein  ausländisches  Fahr- 
zeug ist,  unter  der  Vergünstigung  jener  Erlaubnis  auf  den  Commandorski- 
Inseln.    Die  in  der  Urteilsformel  aufgeführten  Güter,  nämiich  die  noch 
zu  löschenden  Waren,  die  neueingekauften  Pelze,  das  Dampfboot  usw. 
gehören  der  russischen  Kamtschatka-Handels-  und  Industriegesellschaft. 
Diese  Tatsachen  werden  bewiesen  durch  die  Aussageschrift  und 
das  Güterverzeichnis  des  Vertreters  des  Kommandanten  des  Kaiserlichen 
Kriegsschiffs  „Izumi",  Oberleutnants  zur  See,  Ikaku  Kizo,  die  Ver- 
nehmungsprotokolle des  Kapitäns  der  „Montara",  Thomas  Reilly, 
des  ersten  Offiziers  James  Bowen,  des  Bootsmanns  M.  Büke,  des 
genannten  Ikaku  Kizo,  des  Vertreters  der  russischen  Kamtschatka-^ 
Handels-   und   Industriegesellschaft  Nikolai   Bruggen,   des  Ober- 
kommissars für  die  Lieferungen  nach  den  Plätzen  des  Ochotskischen 
Meers  und  des  Beringsmeers  für  das  Etatsjahr  1905,  Rats  des  Ministeriums 
des    Inneren,    Nikolai    Alexandrowitsch    Grebnitzki,    das 
Schiffszertifikat,     den     Chartervertrag,     6     Konnossemente,     die     Aus- 
klarierungsbescheinigung von  San  Francisco,  das  Privatschiffsjournal,  das 
Tagebuch,  die  Abschrift  des  Vernehmungsprotokolls  mit  dem  genannten 

921 


Abschnitt  VI»  Prisengerichtsentscheidungen :  „Montara*'. 

Orebnitzki  aus  den  Akten  der  Prisensache  betreffend  den  amerika- 
nischen  Dampfer  „Australia''   und   die   Abschrift  der   Instruktion    der 
russischen  Regierung  an  den  Oberlieferungskommissar. 
Die  Hauptpunkte  der  Reklamation  sind  folgende: 
Der   Dampfer  „Montara''   gehöre  schon  seit  der  Zeit  vor    dem 
japanisch-russischen  Krieg  dem  Reklamanten,  der  Pacific  Coast  Steamship 
Company,  sei  in  San  Francisco  eingetragen  und  sei  ein  neutrales  Handels- 
schiff amerikanischer  Nationalität.     Im  März  1905  habe  die  genannte 
Dampfergesellschaft  mit  der  Kamtschatka-Handels-  und  Industriegesell- 
schaft einen   Chartervertrag  abgeschlossen,   nach   welchem   das   Schiff 
zur  Fahrt  in  dem  Ochotskischen  Meer  bei  Kamtschatka  und  der   Um- 
gegend davon,  für  ungefähr  5  Monate  vermietet  worden  sei.  Der  Charter- 
vertrag entspreche  den  gewöhnlichen  Gebräuchen,  und  das  verwandte 
Dokument  sei  von  der  allgemein  verwandten  gedruckten  Art.   Während 
Ausübung  des  Vertrages  seien  weder  falsche  Schiffspapiere  angefertigt 
noch   falsche   Eintragungen   vorgenommen  worden.     Das    zeige,     daß 
weder  der  Reeder  noch  der  Kapitän  eine  Verletzung  der  Neutralität 
geplant  hätten.     Der  Dampfer  habe  in  San  Francisco  Tabak,  Zucker, 
landwirtschaftliche  Geräte,  Eisen,  andere  Lebensmittel  und  dergleichen, 
alles  Bedarfsartikel,  welche  für  die  Bevölkerung  von  Kamtschatka  und 
den  benachbarten  Inseln  notwendig  seien,  geladen.    Am  9.  Juli  d.   J. 
sei   der  Dampfer  von  dem  genannten  Hafen  abgereist,  habe  Koppe- 
Insel,    Petropawlowsk    und    West-Kamtschatka   angelaiufen,    dort   seine 
Ladung  gelöscht  und  solche  zur  Beförderung  nach  San  Francisco  ein- 
genommen.   Auf  der  Rückfahrt  sei  er  wieder  bei  der  Beringinsel  an- 
gekommen und  habe  auf  dem  Ankerplatz  von  Nikolsk  geankert.     Am 
16.  August  d.  J.,  nachmittags,  als  bereits  die  dort  zu  löschende  Ladung 
von  Bord  des  zur  Verhandlung  stehenden  Schiffs  genommen  gewesen 
sei,    und  das  Schiff  vorgehabt  hat,  denselben  Abend  seine  Reise  nach 
San  Francisco  anzutreten,  sei  das  Schiff,  weil  ein  Teil  seiner  Ladung 
als   Kriegskonterbande   und   das  Schiff  mit  der  Begründung,  daß    die 
Charterer  unter  der  Gewalt  und  dem  Schutz  der  russischen  Regierung 
stünden,  als  ein  im  Gebrauch  dieser  Regierung  stehendes  Schiff  angesehen 
worden  sei,  beschlagnahmt  worden. 

1.  Das  Schiff  habe  durchaus  keine  Konterbande  an  Bord  gehabt. 
Wenn  man  aber  seine  Ladung  für  solche  halte,  so  sei  doch  die  Auf- 
bringung erst  nach  Löschung  derselben  geschehen  und  die  völkerrecht- 
liche Wissenschaft  und  Praxis  verböten* Wegnahme  des  Schiffs. 

2.  Die  Charterer  hätten  freilich  von  der  russischen  Regierung  das 
Monopol  des  Pelzeinkaufshandels  auf  den  Commandorski-Inseln  ein- 
geräumt erhalten.  Dadurch  sei  aber  ihre  Eigenschaft  als  einer  privaten 
Gesellschaft  nicht  verändert  worden,  und  man  könne  folglich  das  zur 
Verhandlung  stehende  Schiff  nicht  nur  daraufhin,  daß  es  von  der  ge- 

922 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Montara**.  Abschnitt  VI» 

nannten    Gesellschaft    gemietet    worden    sei,    als    ein    im    Gebrauch 
-der  russischen  Regierung  stehendes  Schiff  betrachten. 

3.  Wenn  der  Verkehr  ausländischer  Schiffe  im  nördlichen  Kam- 
tschatka verboten  würde,  so  würde  das  Rußland  nur  zum  Nachteil 
:gereichen  und  daher  hätten  auch  vor  dem  japanisch-russischen  Krieg 
-ausländische  Schiffe  dort  verkehren  können.  Aber  selbst  angenommen, 
<iies  sei  besonders  für  die  Kriegszeit  erlaubt  worden,  so  sei  diese  Erlaub- 
nis doch  nicht  nur  den  Charterern  des  zur  Verhandlung  stehenden 
Schiffes  bewiHigt,  sondern  das  Verbot  sei  vielmehr  allgemein  aufgehoben. 
Aber  auch  wenn  man  diese  Erlaubnis  als  ein  vereinzeltes,  außer- 
ordentliches Vorrecht  ansehen  wolle,  so  berühre  sie  doch  die  recht- 
lichen Beziehungen  der  genannten  Gesellschaft  mit  der  russischen  Re- 
gierung und  sei  keine  besondere  von  diesem  Schiff  erhaltene  Erlaubnis. 
Die  in  der  Seeprisenordnung ^)  im  §  6  genannten  „Schiffe,  welche  mit 
besonderer  Erlaubnis  des  feindlichen  Staats  fahren",  seien  notwendig 
solche,  welche  für  sich  selbst  die  besondere  Erlaubnis  erhalten  hätten. 
Aber  selbst  wenn  eine  solche  besondere  Erlaubnis  vorliege,  so  könne  doch 
das  Schiff,  nachdem  es  bereits  die  Löschung  seiner  Ladjung  vollendet  ge- 
habt habe,  nicht  wegen  Neutralitätsbruchs  zur  Verantwortung  gezogen 
werden. 

4.  Die  japanische  Seeprisenordnung  sei  nur  für  die  betreffenden 
militärischen  Behörden  erlassen,  und  könne,  soweit  sie  nicht  mit  den 
Präcedenzen  und  dem  Sinne  des  Völkerrechts  übereinstimme,  außer  auf 
die  Schiffe  des  eigenen  Landes  und  den  Bereich  der  eigenen  Hoheits- 
gewässer keine  Anwendung  finden. 

5.  Die  zur  Verhandlung  stehende  Ladung  sei  dazu  bestimmt  ge- 
wesen, die  hungerleidende  Bevölkerung  entlegener  Inseln  zu  unter- 
stützen.    Der  Transport  diene  also  der  Menschlichkeit.^) 

6.  Das  Prisenwesen  habe  als  Grundlage  das  militärische  Bedürf- 
nis und  müsse  daher  mit  Wiederherstellung  des  Friedens  vollständig 
aufhören.  Es  sei  daher  selbstverständlich,  daß  Prisen,  welche  noch 
nicht  abgeurteilt  seien,  freigegeben  werden  müßten.  Das  bezeugten 
auch  die  Beispiele  des  französisch-mexikanischen  Kriegs  vom  Jahre  1856 
(wahrscheinlich  irrtümlich  für  1865),  der  Kriege  Österreichs  gegen  Frank- 
reich und  Piemont  vom  Jahre  1859,  Dänemarks  gegen  Preußen  und 
Österreich  vom  Jahre  1864  und  des  letzten  Teils  des  französisch- 
preußischen   Krieges. 

Bezüglich  der  gegenseitigen  Prisen  der  kriegführenden  Staaten 
könnten  diese  Fragen  entweder  durch  Vertrag  oder  nach  dem  Prinzip 
der  Gegenseitigkeit  geregelt  werden;  neutrale  Schiffe  und  Güter  brauch- 
ten sich  jedoch  von  Wiederherstellung  de;s  Friedens  an  nicht  mehr 
der  Entscheidung  der  Prisengerichtshöfe  der  kriegführenden  Staaten  zu 

1)  V.   -  2)  V.  §  35,2. 

923 


Abschnitt  VI»  Prisengerichtsentscheidongen:  „ffontara'^ 

unterwerfen.     Daher  müsse  in  dem  vorliegenden  Falle  unfraglich   auf 
Freigabe  entschieden  werden. 

Zum  Beweis  der  Behauptungen  des  Punktes  3  der  Reklamation 
ist  der  japanische  Staatsanzeiger  vom  12.  März  1902:  Verkehr  japa- 
nischer Schiffe  in  Wladiwostok;  desgleichen  vom  14.  Oktober  1903: 
Schiffsverkehr  in  Wladiwostok;  und  das  Beiblatt  8  der  Monatsschrift 
des  Zollamts:  Bericht  der  Beamten  Yashiro  und  Kuraoka  vor- 
gelegt worden. 

Das  Gericht  ist  folgender  Ansicht: 

Wenn  der  feindliche  Staat  für  Orte,  wo  in  Friedenszeiten  der 
Handelsverkehr  ausländischer  Schiffe  verboten  ist,  diesen  Verkehr  wäh- 
rend der  Kriegszeit  für  gewisse  Schiffe  besonders  erlaubt,  so  erwerben 
auch  neutrale  Schiffe,  die  auf  Grund  dieser  besonderen  Erlaubnis. 
Handelsverkehr  betreiben,  feindlichen  Charakter  3)  und  unterliegen  der 
Wegnahme.*)  Auch  die  auf  solchen  Schiffen  verladenen,  feindlichen 
Personen  gehörigen  Güter  sind  einzuziehen.^)  Das  ist  von  der  Wissen- 
schaft und  Praxis  des  Völkerrechts  anerkannt. 

Die  Commandorski-Inseln,  wohin  das  zur  Verhandlung  stehende 
Schiff  gereist  ist,  sind  von  jeher  von  d^m  Handelsverkehr  ausländischer 
Schiffe  ausgeschlossen  gewesen.  Da  aber  seit  dem  Krieg  mit  Japan 
die  russische  Regierung  die  Versorgung  dieser  Inseln  auf  eigenen  Schiffen 
nicht  mehr  durchführen  konnte,  so  erteilte  sie  ausschließlich  der  Kam- 
tschatka-Handels-  und  Industriegesellschaft  und  der  ostsibirischen  Com- 
pagnie  die  Erlaubnis,  von  ihnen  gecharterte  ausländische  Schiffe  dort 
verkehren   zu  lassen. 

Da  sich  aus  den  Aussagen  des  oben  genannten  Grebnitzki 
ergibt,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  auf  Grund  des  Vor- 
zugs dieser  besonderen  Erlaubnis  bei  den  Commandorski-Inseln  ver- 
kehrt hat,  und  da  das  Schiff  tatsächlich,  während  es  auf  dem  Anker- 
platz von  Nikolsk  auf  der  Commandorski-Insel  lag,  beschlagnahmt  worden 
ist,  so  muß  es  als  feindliches  Schiff  betrachtet  werden. 

Da  ferner  die  ganze  Ladung  den  Charterern  des  Schiffs,  der  russi- 
schen Kamtschatka-Handels-  und  Industriegesellschaft,  gehört,  so  ist  sie 
als  Feindesgut  anzusehen  und  zusammen  mit  dem  Schiff  wegzunehmen. 

1.  Der  Reklamant  macht  als  Grund  für  die  Freigabe  geltend,  da& 
weder  der  Reeder  noch  der  Kapitän  einen  Neutralitätsbruch  geplant 
habe.  Da  aber  die  Frage,  ob  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  auf 
Grund  einer  besonderen  Erlaubnis  Handelsschiffahrt  getrieben  hat,  sich 
nach  den  tatsächlichen  Handlungen  des  Schiffs  entscheidet,  so  kommt 
die  Absicht  des  Reeders  oder  des  Kapitäns  dafür  nicht  in  Betracht. 

2.  Der  Reklamant  behauptet,  daß  auch  vor  dem  japanisch-russischen 
Krieg  Verkehr  ausländischer  Schiffe  in  der  Gegend  von  Commandorski 

»)  V.  §  6,2.  -  *)  V.  §  40,1.  -  ")  V.  §  40,2. 

921 


Prisengerichtsentscheidungen:  ,,Montara".  Abschnitt  Vis^ 

stattgefunden  hat  und  hat  zum  Beweis  hierfür  zwei  Notizen  aus  dem 
•Staatsanzeiger  und  eine  Beilage  der  Monatsschrift  des  Zollamts  ein- 
igereicht. Daraus  kann  man  aber  nicht  die  Tatsache  folgern,  daß  aus- 
ländische Schiffe  ohne  Erlaubnis  der  russischen  Regierung  frei  Handels- 
schiffahrt in  der  Gegend  von  Commandorski  getrieben  haben;  und  die 
Aussagen  des  früheren  Gouverneurs  von  Commandorski  und  Ober- 
lieferungskommissars für  die  Küsten  des  Beringmeers  für  das  Etats- 
jahr    1905,   Grebnitzki,   können   dadurch    nicht  widerlegt  werden. 

3.  Der  Reklamant  führt  aus,  wenn  man  auch  annehme,  daß  die 
Handelsschiffahrt  fremder  Schiffe  in  der  Gegend  von  Commandorski 
für   die  Kriegszeit  besonders  gestattet  worden  sei,  so  sei  das  doch  nicht 
eine     besondere    Erlaubnis    für    die    Charterer   des   zur  Verhandlung 
stehenden  Schiffes,  sondern  das  Verbot  sei  vielmehr  allgemein  aufgehoben 
^'orden ;  und  selbst  wenn  man  diese  Erlaubnis  als  ein  vereinzeltes  außer- 
ordentliches Vorrecht  ansehen   wolle,   so  stehe   dies   doch    der   Kam- 
tschatka-Handels-  und   Industriegesellschaft,  nicht  aber  dem   zur  Ver- 
handlung stehenden  Schiff  zu. 

Es  geht  indessen  aus  den  Aussagen  Grebnitzkis  klar  hervor, 
daß  diese  Erlaubnis  nur  der  Kamtschatka-Handels-  und  Industriegesell- 
schaft und  noch  einer  Handelsgesellschaft  für  die  von  ihnen  gecharterten 
Schiffe  erteilt  worden  ist  und  daß  andere  ausländische  Schiffe,  wenn 
sie  die  in  Frage  stehenden  Plätze  anlaufen  würden,  sich  der  Verletzung 
eines  russischen  Staatsverbots  schuldig  machen  würden.     Daher  kann 
man  von  einer  allgemeinen  Aufhebung  des  Verbots  nicht  sprechen.  Und 
auch  wenn  man  annimmt,  die  Erlaubnis  sei  den  Charterern  des  zur  Ver- 
handlung stehenden  Schiffes  und  nicht  dem  Schiff  selbst  erteilt,  so  hat 
doch,  wie  oben  ausgeführt,  das  Schiff  auf  Grund  dieser  Erlaubnis  in 
dem  verbotenen  Bereich  Handelsschiffahrt  betrieben  und  damit  feind- 
lichen Charakter  erworben. 

4.  Wenn  der  Reklamant  vorbringt,  die  Reise  des  zur  Verhandlung 
stehenden  Schiffes  sei  aus  Menschlichkeit  gemacht  worden  und  daher 
könne  das  Schiff  nicht  weggenommen  werden,  so  steht  dem  entgegen, 
daß,  wie  oben  gesagt,  die  Reise  nur  in  Ausführung  der  gewöhnlichen 
Lieferungsaufgaben  als  eine  besondere  Art  von  Handel  seitens  der  Kam- 
tschatka Handels-  und  Industriegesellschaft  gemacht  worden  ist  und  in 
keiner  Weise  auf  Zwecke  der  Wohltätigkeit  und  Menschlichkeit  hindeutet. 

6.  Der  Reklamant  behauptet  unter  Anführung  von  Beispielen,  daß 
Prisen  nach  Wiederherstellung  des  Friedens  nicht  mehr  gemacht  werden 
könnten,  daß  weder  das  Schiff  noch  seine  Ladung  von  Wiederherstellung 
des  Friedens  an  sich  der  Entscheidung  des  Prisengerichts  zu  unter- 
werfen brauchten.  Daher  seien  sie  selbstredend  freizugeben.  Was  die 
angeführten  Beispiele  angeht,  so  haben  dort  entweder  die  kriegführenden 
Staaten   in  einem   besonderen  Vertrag  die  gegenseitigen   Beziehungen 

925 


Abschnitt  Vin  Prisengerichtsentschef düngen :  „Montara^'. 

geregelt  oder  es  handelt  sich  nur  um  Freigabe  einer  bestimmten  Art 
feindlicher  Schiffe  auf  Grund  besonderer  gesetzlicher  Vorschriften.  Als 
Präcedenzen  auf  den  vorliegenden  Fall  können  sie  indes  nicht  ange- 
sehen werden. 

Wenn  auch  im  allgemeinen  das  Recht,  Prisen  zu  machen  mit  der 
Wiederherstellung  des  Friedens  aufhört,  so  werden  doch  bereits  ge- 
schehene Aufbringungen  dadurch  nicht  annulliert.  Die  Handlung  der 
Aufbringung  und  die  Handlung,  welche  über  die  Rechtmäßigkeit  der 
Aufbringung  entscheidet,  sind  zwei  ganz  verschiedene  Sachen.  Daher 
können  die  Prisengerichte,  außer  wo  sie  durch  Vertrag  oder  Gesetz 
gebunden  sind,  gleichviel  ob  es  sich  um  neutrale  Schiffe  handelt  oder 
nicht,  auch  nach  Wiederherstellung  des  Friedens  die  Untersuchung  fort- 
setzen und  entscheiden,  ob  Wegnahme  erfolgen  soll  oder  nicht.  Dies 
ist  von  der  Präcedenzentscheidung,  betreffend  die  „Yeesung"  aus  dem 
japanisch-chinesischen  Krieg  der  Jahre  1894/95  und  von  der  sonstigen 
völkerrechtlichen  Praxis  und  Wissenschaft  in  gleicher  Weise  anerkannt. 

Da  aus  den  obigen  Gründen  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff 
und  seine  Ladung  einzuziehen  sind,  so  erübrigt  es  sich,  auf  die  wei- 
teren Ausführungen  des  Reklamanten  besonders  einzugehen. 

Es  wird  daher  wie  in  der  Urteilsformel  entschieden. 

Verkündet  am  4.  November  1905  im  Prisengericht  zu  Yokosuka  im 
Beisein  des  Staatsanwalts  beim  Prisengericht  zu  Yokosuka,  U  c  h  i  d  a 
Shigenari. 

(Unterschriften.) 


Reklamant:  Pacific  Coast  Steamship  Company,  Vereinigte  Staa- 
ten von  Nordamerika,  San  Francisco,  vertreten  durch  den  Kapitän  der 
„Montara'',  Thomas  Reilly,  und  Lloyd,  England,  London,  ver- 
treten durch  A.  G.  Morey  Weale,  Angehörigen  der  Firma  Cornes 
&  Co.,  Yokohama,  Yamashitacho  Nr.  50. 

Prozeßvertreter:  Rechtsanwalt  Sato  Hakuai,  Yokohama,, 
Honcho,  Sanchome  Nr.  40. 

Am  4.  November  1905  hat  das  Prisengericht  zu  Yokosuka  in  der 
Prisensache,  betreffend  den  amerikanischen  Dampfer  „Montara"  und 
seine  Ladung,  welche  am  16.  August  1905  auf  dem  Ankerplatz  von 
Nikolsk  auf  der  Beringinsel  von  dem  Kaiserlichen  Kriegsschiff  „Izumi'* 
beschlagnahmt  worden  sind,  ein  Urteil  gefällt,  in  welchem  auf  Ein- 
ziehung des  nordamerikanischen  Dampfers  „Montara"  und  der  auf  ihm 
verladenen  25  Sack  Blattabak,  11  Kisten  Tabak,  17  Kisten  Zucker,  eines 
Dampfboots,  zwei  kleiner  Leichter,  eines  Quantums  Brennholz,  unge- 
fähr 4000  gesalzener  Seehundsfelle',  Robbenfelle,  schwarzer  Dachsfelle^ 

926 


Prisengerichtsentscheidungen :  ,,Montara".  Abschnitt  VI  s» 

Rotfuchsfelle,  Fischotterfelle,  Vielfraßfelle,  Hermelinfelle  und  Bärenfelle, 
zusammen  etwa  30  Stück,  erkannt  worden  ist. 

Gegen  dieses  Urteil  hat  der  Vertreter  der  Pacific  Steamship  Com- 
pany, Thomas  Reilly,  und  der  Vertreter  des  Lloyd,  A.  G.  iMorey 
Weale,  durch  den  Rechtsanwalt  Sato  Hakuai  als  Prozeß  Vertreter 
die  Berufung  eingelegt,  welche  im  Beisein  der  Staatsanwälte  Tsutsuki 
K  e  i  r  o  k  u  und  Dr.  jur.  I  s  h  i  w  a  t  a  r  i  B  i  n  i  c  h  i  beim  Oberprisengericht 
geprüft  worden  ist. 

Die  Hauptpunkte  der  Berufung  des  Vertreters  der  Reklamation,. 
Sato  Hakuai,  und  deren  Gründe  sind  folgende: 

1.  Daß  Rußland  auch  vor  dem  Kriege  in  der  Küstenprovinz  und  an 
der  Küste  von  Kamtschatka  den  Verkehr  japanischer  und  sonstiger  aus- 
ländischer Schiffe  gestattet  habe,  gehe  hervor  aus  den  von  dem  Rekla- 
manten dem  Gericht  erster  Instanz  vorgelegten  Beweisstücken  AI,  dem 
Staatsanzeiger  vom  12.  März  1902  (Bericht  des  Handelsagenten  Kawa* 
kami  in  Wladiwostok);  A2,  dem  Staatsanzeiger  vom  14.  Oktober  1903 
(Bericht  des  genannten  Beamten) ;  A  3,  Beiblatt  8  der  Monatsschrift  des. 
Zollamts  zu  Yokohama  (Bericht  der  Beamten  Y  a  s  h  i  r  o  und  K  u  r  a  o  k  a 
über  ihre  Dienstreise  nach  Kamtschatka).  Wenn  man  einmal  annehme, 
daß  die  Aussage  Grebnitzkis,  daß  auf  den  Commandorski-Inseln 
der  Verkehr  ausländischer  Schiffe  verboten  sei,  wahr  sei,  so  ergebe  sich 
das  doch  nur  aus  dem  der  Kamtschatka-Handels-  und  Industriegespll- 
schaft  eingeräumten  Monopolrecht.  Man  könne  dagegen  die  Sache  nicht 
so  ansehen,  als  ob  der  Küstenhandel  verboten  sei. 

Da,  wie  der  Vertreter  der  Kamtschatka-Handels-  und  Industrie- 
gesellschaft, Bruggen,  ausgesagt  habe,  diese  Gesellschaft  von  der 
Regierung  das  ausschließliche  Recht  erhalten  habe,  die  Jagdbeute  der 
Commandorski-Inseln  allein  anzukaufen  und  den  Inselbewohnern  die 
täglichen  Lebensbedarfsartikel  zu  liefern,  so  könne  man  daraus  ent- 
nehmen, daß  keine  Schiffe,  einerlei  ob  russische  oder  ausländische,  so- 
fern sie  nicht  im  Eigentum,  bzw.  in  Charter,  der  Kamtschatka-Handels- 
und Industriegesellschaft  stünden,  auf  den  Commandorski-Inseln 
Handelsverträge  treiben  dürften.  Wenn  daher  auch,  wie  Grebnitzki 
ausgesagt  habe,  die  genannte  Gesellschaft  vor  dem  Kriege  zum  Handels- 
verkehr auf  den  Commandorski-Inseln  ausländische  Schiffe  nicht  habe 
mieten  können,  so  sei  das  doch  nur  eine  Bedingung  der  russischen  Re- 
gierung in  ihrer  Instruktion  gegenüber  dieser  Gesellschaft.  Diese  Be- 
dingung sei  indessen  nach  der  Kriegseröffnung  weggefallen,  und  die 
Gesellschaft  habe  dann  die  Freiheit  zur  Miete  und  zum  Gebrauch  aus- 
ländischer Schiffe  erhalten.  Aber  darum  könne  man  gecharterte  aus- 
ländische Schiffe  nicht  als  solche  bezeichnen,  wjelche  mit  besonderer 
Erlaubnis  der  russischen  Regierung  führen.  Denn  die  Handels-  und 
Industriegesellschaft  könne  jede  Art  von  Schiffen,  gleichgültig  welcher 

92T 


Abschnitt  VI»  Prisengericht^entscheldung^n :  „Montara*'. 

Nationalität,  chartern.  Daß  diese  Gesellschaft  diese  Freiheit  erhalten 
habe,  gleichgültig  was  für  Schiffe  und  welcher  Nationalität  chartern 
zu  können,  könne  man  nicht  als  die  „Besondere  Erlaubnis" «)  auffassen. 
Um  diesem  Einwurf  zu  entgehen,  habe  das  Urteil  erster  Instanz  ab- 
sichtlich die  dunkle  Erklärung  gegeben,  daß  das  Schiff  auf  Grund  des 
Vorzugs  der  besonderen  Erlaubnis,  welche  die  Kamtschatka-Handels- 
und Industriegesellschaft  erhalten  habe,  gefahren  sei.  Die  in  der  In- 
struktion der  genannten  Gesellschaft  enthaltene  „Aufhebung  der  Be- 
schränkung'' oder,  wie  das  Urteil  erster  Instanz  sage,  „besondere  Er- 
laubnis'', könne  man  nicht  als  die  für  ein  bestimmtes  Schiff  besonders 
gewährte  „besondere  Erlaubnis"  auffassen.  Da  ferner  ein  Vorzug, 
welchen  jedes  Schiff  haben  könne,  nicht  den  Charakter  des  Besonderen 
habe,  so  stimme  auf  ihn  nicht  die  im  Eingang  der  Urteilsbegründung 
gegebene  Voraussetzung,  nämlich,  daß 

wenn  der  feindliche  Staat  für  Orte,  wo  in  Friedenszeiten  der 
Handelsverkehr  ausländischer  Schiffe  verboten   sei,    diesen 
Verkehr  für  die  Kriegszeit  für  gewisse  Schiffe  besonders  er- 
laube, auch  neutrale  Schiffe,  die  auf  Grund  dieser  besonderen 
Erlaubnis   Handelsverkehr   betrieben,   feindlichen   Charakter 
erwürben  und  der  Wegnahme  unterlägen. 
Kurz,  die  besondere  Erlaubnis,  auf  Grund  deren  man  neutralen 
Schiffen  feindlichen  Charakter  beilegen  könne,  bedinge,  daß  ein  Schiff 
eine  Erlaubnis  von  dem  feindlichen  Staat  erhalten  habe,  oder  die  Er- 
laubnis erhalten  habe,  die  Flagge  desselben  zu  führen,  oder  Steuerfreiheit 
oder  sonstige  Unterstützung  genieße;  auf  alle  Fälle  sei  es  nötig,  daß 
ein  besonders  bestimmtes  Schiff  eine  besondere  Vergünstigung  oder  Be- 
handlung empfange. 

Einfach  aus  dem  geringfügigen  Grunde,  daß  es  einen  zur  Friedens- 
zeit verbotenen  Handel  getrieben  habe,  einem  Schiff  eines  befreundeten 
Staats  feindlichen  Charakter  beizulegen,  sei  eine  zu  strenge  Entscheidung, 
welche  in  der  Neuzeit  keine  Beispiele  finde.  Dieses  sei  ein  Grund, 
aus  welchem  dem  Urteil  widersprochen  werde. 

2.  Da  die  Kamtschatka-Handels-  und  Industriegesellschaft  jedes 
ausländische  Schiff  zu  chartern  die  Freiheit  habe,  so  sei,  wie  schon 
im  vorigen  Punkt  dargetan,  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  in 
Charter  der  genannten  Gesellschaft  auf  den  Commandorski-Inseln  ver- 
kehrt, ohne  daß  es  dazu  von  der  russischen  Regierung  irgendwelche 
besondere  Vergünstigung  oder  Behandlung  erfahren  habe. 

Daß  ein  neutrales  Schiff  auf  Grund  dessen,  daß  es  Handel  getrieben 
habe,  den  der  feindliche  Staat  zur  Friedenszeit  verbiete,  weggenommen 
werde,  erscheine,  soweit  der  Reklamant  wisse,  nicht  in  den  Bestimmungen 
der  Prisenordnungen  irgend  eines  modernen  Staats.   Zum  Beispiel  be- 

')  V.  §  6,2. 

•928 


Prlsengericbtsentscheldungen:  ,,Montara".  Abschnitt  VI^* 

schränkten  die  am  27.  Juni  des  Jahres  1900  von  dem  Marineministeriiim 
der  Vereinigten  Staaten  von  Nordamerika  erlassenen  Bestimmungen  über 
den  Seekrieg  die  Wegnahme  neutraler  Schiffe  auf  die  Fälle,  daß  ein 
Schiff  im  Dienst  der  feindlichen  Armee  oder  Marine  oder  unter  der  Auf- 
sicht des  Feindes  stehe  (Art.  16);  daß  es  Konterbande  führe,  daß  es 
Blockadebruch  versuche  (Art.  19);  oder  daß  es  zurzeit  im  Dienste  des 
Feindes  stehend  als  Nachrichtenboot  fahre  (Art.  20).  Obwohl  ferner 
die  Vereinigten  Staaten  die  Pariser  Deklaration  nicht  gezeichnet  hätten, 
erklärten  sie  doch,  daß  ein  neutrales  Schiff,  welches  feindliches  Gut 
führe,  mit  seiner  Ladung  der  Aufbringung  entgehen  müsse  (Art.  19).  Die 
Staaten  hätten  den  Artikel  2  der  Pariser  Deklaration  anerkannt,  ohne 
indes  seine  Ausnahme  anzunehmen.  Wenn  der  vorliegende  Fall  sich 
bei  den  Vereinigten  Staaten  ereignet  hätte,  so  sei  es  unzweifelhaft,  daß 
er  keine  Entscheidung  auf  Wegnahme  erhalten  haben  würde. 

In  der  russischen  Seeprisen  Ordnung  vom  27.  März  1895  be- 
schränkten sich  die  Fälle,  in  welchen  neutrale  Handelsschiffe  eingezogen 
werden  könnten,  auf  solche  Schiffe,  welche  Kriegskonterbande  oder 
feindliche  Truppen  transportierten  (Art.  11,  Absatz  1,  2,  und  3);  welche 
vorsätzlich  in  einen  blockierten  Hafen  einzudringen  versuchten;  welche 
sich  dem  Anhalten,  der  Besichtigung  und  der  Beschlagnahme  mit  Waffen- 
gewalt widersetzten;  und  welche  im  Interesse  des  Feindes  gegen  Ruß- 
land handelten  (Art.  11,  Ziffer  2,  3,  und  4).  Der  Fall,  daß  ein  Schiff 
nach  einem,  im  Frieden  nicht  geöffneten  Hafen  des  feindlichen  Staats 
Handel  getrieben  habe,  sei  außer  Frage  gelassen.  Dieses  könne  mit  einem 
tatsächlichen  Beispiel  belegt  werden,  nämlich  dem  Urteil  des  Prisen- 
gerichts zu  Wladiwostok  vom  24.  Juli  1904,  in  welchem  auf  Weg- 
nahme des  englischen  Dampfers  „Alanton"  erkannt  worden  sei.  Das 
Schiff  habe  Cardiffkohle  geladen  und  als  Bestimmungsorte  Hongkong 
oder  Sasebo  angegeben  gehabt.  Am  21.  Februar  1904  sei  es  von  Car- 
diff  abgefahren  und  um  das  Kap  der  Guten  Hoffnung  und  über  Hong- 
kong nach  Sasebo  gelangt.  Dort  habe  es  die  Ladung  gelöscht,  sei  nach 
Muroran  auf  Hokkaido  gefahren,  habe  wieder  Kohlen  geladen  und 
Singapore  zum  Bestimmungshafen  gemacht.  Auf  der  Fahrt  nach  dem 
Westen  sei  es  bei  Okinoshima  von  dem  gewalttätigen  russischen  Ge- 
schwader aufgebracht  worden.  Freilich  sei  Sasebo  Kriegshafen  und 
Muroran  kein  geöffneter  Hafen,')  und  die  japanische  Regierung  habe 
auch  während  des  Krieges  niemals  allgemein  das  Einfahren  für  aus- 
ländische Schiffe  gestattet.  Auch  habe  sie  nicht  einigen  einzelnen  Ge- 
sellschaften den  Gebrauch  ausländischer  Schiffe  freigestellt  und  den 
Verkehr  in  nicht  geöffneten  Häfen  gestattet,  s)  sondern  für  jedes  ein- 

^)  Tatsächlich  ist  Muroran  unter  anderem  für  Kohlenausfuhr  geöffnet. 

^)  Tatsächlich  wurde  ganz  allgemein  den  bereits  bestehenden,  in  Küstenschiff- 
fahrt  engagierten  japanischen  Reedereien  die  Verwendung  ausländischer  Charterschiffe 
hierzu  freigegeben. 

MarBtraod-Mechlenburg,  Das  japanische  Prisenreoht.  (59)  U^a 


Abschnitt  VIS*  Prisengerichtsentscheidangen :  „Montara''. 

zelne  Schiff  besonders  die  Erlaubnis  erteilt.  Wenn  es  möglich  wäre, 
daraufhin,  daß  ein  Schiff  auf  Grund  einer  Erlaubnis  des  Feindes  nach 
einem  im  Frieden  verbotenen  Hafen  gefahren  sei,  demselben  feindlichen 
Charakter  beizulegen,  so  wäre  es  nicht  so  schwer  gewesen,  die  Ent- 
scheidung auf  Wegnahme  des  Dampfers  „Alanton"  zu  begründen.  Da 
aber  ein  solcher  Grund  von  der  russischen  Prisenordnung  nicht  an- 
erkannt sei,  so  habe  das  Prisengericht  von  Wladiwostok  sehr  viel  Mühe 
gehabt^  eiae  Begründung  für  die  Wegnahme  aufzubauen  und  sich  haupt- 
sächlich darauf  gestützt,  daß  das  Schiff  seine  ausschließlich  aus  Konter- 
bande bestehende  Ladung  in  Sasebo  gelandet  habe,  obwohl  die  Haftung 
mit  der  Landung  aufhöre.  Wenn  die  „Alanton''  aber  nicht  Konter- 
bande befördert  gehabt  hätte,  so  würde  offenbar  das  Prisengericht  keinen 
Vorwand  für  die  Entscheidung  auf  Wegnahme  haben  finden  können. 
Wieviel  mehr  müsse  das  für  die  zur  Verhandlung  stehende  „Montara" 
gelten,  welche  für  sich  selbst  keinerlei  besondere  Erlaubnis  von  der 
russischen  Regierung  erhalten  habe. 

Auch  in  der  am  20.  Juni  1864  veröffentlichten  preußischen  See- 
prisenordnung sei  unter  den  im  §  7  aufgeführten,  als  Prisen  zu  be- 
handelnden Gegenständen  der  vorliegende  Fall  nicht  enthalten. 

Nach  dem  Handbuch  des  englischen  Prisenrechts  von  Holland, 
Abschnitt  9,  Artikel  141,  habe  man  bis  zum  Anfang  des  vorigen  Jahr- 
hunderts nach  den  Kriegsbestimmungen  vom  Jahre  1756  neutrale  Schiffe, 
welche  zu  einem,  im  Frieden  anderen  als  feindlichen  Schiffen  verbotenen, 
Handel  dienten,  aufbringen  können.  Wenn  auch  der  Handel  nach 
den  Kolonien  und  der  Küsten handel  während  einer  Zeit  gebräuchlicher- 
weise verboten  gewesen  sei,  so  sei  dieser  Handel  doch  zurzeit  für  aus- 
ländische Schiffe  allgemein  freigegeben,  so  daß  jene  Kriegsbestimmungen 
ihre  praktische  Anwendbarkeit  verloren  hätten.  Nach  Ziffer  2  der  Pariser 
Seerechtsdeklaration  vom  Jahre  1856  hätten  jene  Bestimmungen  in  dem 
Sinne  eine  Einschränkung  erfahren,  daß  dort  bestimmt  sei,  daß  die 
neutrale  Flagge  feindliches  Gut,  ausgenommen  Kriegskonterbande, 
schütze.  Aus  diesen  beiden  Rechtsquellen  ergebe  sich  klar,  daß  ein 
englischer  Kreuzerkommandant,  wenn  er  nicht  besondere  Instruktion 
habe,  jene  Kriegsbestimmungen  nicht  in  Ausführung  setzen  dürfe.  Die 
Kriegsbestimmungen  aus  dem  Jahre  1756,  welche  Schiffen,  die  Handel 
nach  Plätzen  trieben,  die  im  Frieden  für  ausländische  Schiffe  verboten 
seien,  feindlichen  Charakter  beilegten,  seien  eine  Gewohnheit,  welche 
nur  bis  zum  Anfang  des  vorigen  Jahrhunderts  in  Übung  gestanden 
habe.  Das  sei  der  Grund,  weshalb  in  den  seit  Mitte  des  vorigen  Jahr- 
hunderts bis  zur  Gegenwart  erlassenen  preußischen,  amerikanischen  und 
russischen  Prisenordnungen  jene  Bestimmung  nicht  mehr  zu  finden  sei. 
Ob  die  am  Anfang  des  vorigen  Jahrhunderts  in  Kraft  gewesenen  Kriegs- 
bestimmungen heutzutage  vollkommen  aufgehoben  seien,  sei  eine  Frage, 

930 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Montara".  Abschnitt  VI^ 

über  die  man  in  englischen  Juristenkreisen  noch  im  Zweifel  sei.  In  dem 
bei  dem  Obergericht  in  Hongkong  vorgekommenen  „Prometheus"-Fall 
sei  dieser  Punkt  in  Streit  gewesen  und  der  Kläger  habe  behauptet,  daß 
diese  Bestimmungen  in  Kraft  seien;  der  Beklagte  habe  dies  bestritten. 
Der  Vorsitzende  Richter  H.  S.  Berkeley  sei  der  Entscheidung  über 
diesen  Streitpunkt  aus  dem  Wege  gegangen  und  habe  entschieden,  daß, 
wenn  man  selbst  annehme,  daß  diese  Bestimmungen  noch  in  Kraft  seien, 
nach  den  anderen  Punkten  die  Forderung  des  Klägers  abzuwe^'sen  sei. 
Wenn  der  Richter  aber  diese  Kriegsbestimmungen  als  dem  Recht  ent- 
sprechend mit  der  völkerrechtlichen  Praxis  in  Einklang  stehend  und  als 
geltendes  englisches  Recht  habe  behandeln  wollen,  so  würde  er  das  Be- 
stehen dieses  Gesetzes  klar  haben  anerkennen  und  danach  entscheiden 
müssen.  Wenn  er  dagegen  durch  die  oben  erwähnte  Wendung  das 
Bestehen  desselben  nicht  klar  gestellt  habe,  so  könne  daraus  der  Wert 
dieser  Bestimmungen  ermessen  werden. 

Selbst  aber  wenn  man  annehme,  es  lägen  keine  Beweise  dafür  vor, 
daß  jene  Bestimmungen  in  England  völlig  aufgehoben  seien,  so  habe 
doch  ihre  Anwendung  notwendigerweise,  wie  Holland  ausführe,  seitdem 
England  die  Pariser  Deklaration  gezeichnet  habe,  eine  Beschränkung 
erfahren.  Denn  da  sie  offenbar  mit  Artikel  2  der  Deklaration  kollidierten, 
so  könnten  sie  nur  im  Falle  eines  Kriegs  mit  einem  Staat,  welcher  der 
Deklaration  nicht  beigetreten  sei,  zur  Anwendung  kommen.  Heutzutage 
seien  diejenigen  unter  den  zivilisierten  Staaten,  welche  der  Deklaration; 
nicht  beigetreten  seien,  nur  einige  wenige.  Die  Vereinigten  Staaten 
hätten  in  ihren  Verordnungen  über  den  Seekrieg,  wie  schon  angeführt, 
die  gleichen  Bestimmungen  getroffen,  wie  die  Pariser  Deklaration.  Man 
könne  daher  in  den  Beziehungen  zwischen  den  modernen  zivilisierten 
Staaten.  Bestimmungen  oder  Gebräuche  wie  die  alten  englischen  Kriegs- 
bestimmungen, tatsächlich  nicht  ausfindig  machen. 

Die  als  der  wahre  Ausdruck  des  Völkerrechts  zu  bezeichnende, 
von  dem  internationalen  Völkerrechtskongreß  beschlossene  Seeprisen- 
ordnung sei  auch  natürlich  frei  von  solchen  veralteten  Ideen  (Art.  23). 

Der  Ausdruck  der  neuen  japanischen  Seeprisenordnung ^)  (§  6, 
Ziffer  2):  „Schiffe,  welche  mit  einer  besonderen  Erlaubnis  des  feind- 
lichen Staats  fahren"  beziehe  sich  nur  auf  den  Fall,  wo  das  betreffende 
Schiff  selbst  die  besondere  Vergünstigung  und  Behandlung  seitens  der 
feindhchen  Regierung  genieße.  Diese  abstrakte  Bestimmung  sei  nur 
eine  Zusammenfassung  und  Vereinfachung  des  §  2,  Ziffer  2  und  Ziffer  3 
der  alten  Prisenordnung,  wo  es  heiße:  „Schiffe,  welche  einen  Reisepaß 
des  feindlichen  Staats  besitzen"  bzw.  „Schiffe,  welche  auf  Grund  eines 
Erlaubnisscheins  der  feindlichen  Regierung  fahren".  Die  alte  Be- 
stimmung habe  offenbar  nur  Anwendung  finden  können  auf  Schiffe, 

(59*)  931 


Abschnitt  VI^  PHsengerichtsentscheidungen :  „Montara'^ 

welche  einen  Reisepaß  des  feindlichen  Staats  besessen  hätten  oder  mit 
einem  Erlaubnisschein  der  feindlichen  Regierung  gereist  wären  oder  eine, 
möglicherweise  nach  Auslegung,  noch  hervorragendere  besondere  Ver- 
günstigung genossen  hätten.  Wenn  man  aber  daraus,  daß  in  der  neuen 
Bestimmung  jene  abstrakte  Wendung  gebraucht  sei,  schließen  wolle, 
daß  sie  auch  hoch  in  leichteren  Fällen,  als  die  alte  Bestimmung  vor- 
sehe, angewendet  werden  könne,  so  heiße  das  sich  dem  Strom  der 
zivilisierten  Welt  entgegenstemmen,  welche  in  Wissenschaft  and  Praxis 
jahraus  jahrein  den  Schutz  des  Privateigentums  zur  See,  soweit  es  mit 
dem  Kriege,  nicht  in  Beziehung  stehe,  zu  fördern  suche.  Dies  sei  aber 
selbstredend  nicht  die  Absicht  bei  Abänderung  der  alten  Bestimmung 
gewesen,  denn  die  japanische  Regierung  strebe  danach,  Menschlichkeit 
und  Zivilisation  in  ihrer  reinsten  Form  darzustellen  und  zu  verwirklichen. 

Freilich  könne  man  die  Prisenordnungen  der  verschiedenen  Staaten 
nicht  ohne  weiteres  als  Völkerrecht  ansehen  (die  alten  englischen  Kriegs- 
bestimmungen seien  natürlich  kein  jetzt  gültiges  Völkerrecht),  ihre  Quel- 
len seien  aber  die  Ideen  und  die  Praxis  des  Völkerrechts  und  sie  könnten 
daher  selbst  wiederum  als  eine  Quelle  des  Völkerrechts  gelten,  so  daß 
man  in  ihnen  dem  Bestehen  eines  völkerrechtlichen  Prinzips  nachspüren 
könne.  Was  aber  die  Begründung  des  Urteils  erster  Instanz  angehe, 
so  würde  es  wohl  schwer  sein,  die  Wurzeln  ^derselben  in  ihnen  zu  finden. 

Dies  sei  der  zweite  Grund,  weshalb  der  Reklamant  sich  mit  dem 
Urteil  erster  Instanz  nicht  bescheiden  könne. 

3.  Mit  dem  Fortschritt  der  Zivilisation  seien  die  Fälle,  in  welchen 
Privateigentum,  welches  zu  dem  Krieg  in  keiner  Beziehung  stehe,  weg- 
genommen werden  könne,  mehr  und  mehr  eingeschränkt  worden.  Wenn 
aber  die  letzten  Spuren  davon  noch  nicht  verschwunden  seien,  so  seien 
die  Reste  nur  alte  historische  Überlieferungen,  welche  in  ihrer  Grau- 
samkeit von  dem  Beutewesen  des  Landkriegs  alter  Zeit  nicht  verschieden 
seien.  Eine  solche  Plünderung  des  Eigentums  von  Privatpersonen  sei 
eine  Schädigung  der  eigenen  Staatsehre.  Daß  sie  aus  den  Kriegen  der 
zivilisierten  Welt  verschwinden  werde,  sei  nur  eine  Frage  der  Zeit. 

Es  sei  ein  Grundsatz  der  Auslegungslehre,  daß  Strafgesetze  streng 
ausgelegt  und  daß  ihr  Anwendungsbereich  eng  gezogen  werde.  Da 
das  Prisenrecht  eine  Art  des  Strafrechts  und  seine  Existenz  nur  schwach 
begründet  sei,  so  widerlaufe  eine  allzuweit  greifende  Anwendung  des- 
selben dem  Gedanken  des  Rechts  und  der  Menschlichkeit  und  es  sei 
richtig,  dasselbe  streng  auszulegen  und  seine  Anwendung  zu  beschränken. 
Wenn  daher  das  Urteil  erster  Instanz  bei  Auslegung  des  Prisenrechts 
vielmehr  allzu  frei  vorgegangen  sei  und  seinen  Geltungsbereich  er- 
weitert habe,  so  habe  es  jene  Grundlehre  der  Auslegung  nicht  beob- 
achtet und  sich  mit  den  Bestrebungen  der  fortschreitenden  Zivilisation 
in  Widerspruch  gesetzt.    Auch  sei  es  zu  bedauern,  daß  die  Entscheidung 

932 


Prisengerichtsentscheidungen:  „Montara*^  Abschnitt  VI^^ 

sich  nicht  eigne,  um  als  modernste  Präcedenz  für  die  zivilisierten  Mächte 
dienen  zu  können. 

Das  sei  der  dritte  Grund,  aus  dem  der  Reklamant  dem  Urteil  wider- 
spreche. 

Aus  diesen  Gründen  werde  Aufhebung  des  Urteils  erster  Instanz 
und  eine  Entscheidung  auf  Freigabe  des  zur  Verhandlung  stehlenden 
Dampfers  „Montara"  und  seiner  Ladung  beantragt. 

Die  Hauptpunkte  der  Erwiderung  des  Staatsanwalts  beim  Prisen- 
gericht zu  Yokosuka,  Kab.ashi  Yoshio,  sind  folgende: 

Seit  langer  Zeit  habe  die  russische  Regierung  die  Ausübung  der 
Handelsschiffahrt  zwischen  den  russischen  Commandorski-Inseln  und 
den  verschiedenen  in  der  Nähe  liegenden  Häfen  nur  der  Kamtschatka- 
Handels-  und  Industriegesellschaft  und  der  Ostsibirischen  Compagnie, 
und  zwar  ausschließlich  mit  russischen  Fahrzeugen  konzessioniert.  Als 
seit  dem  japanisch-russischen  Krieg  Mangel  an  russischen  Schiffen  ein- 
getreten sei,  sei  es  den  beiden  Gesellschaften  gestattet  worden,  aus- 
ländische Schiffe  zu  chartern  und  die  ihnen  konzessionierte,  oben  ge- 
nannte Handelsschiffahrt  mit  diesen  auszuüben.  Auf  Grund  dieser  Er- 
laubnis sei  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  von  der  Kamtschatka- 
Handels-  und  Industriegesellschaft  gechartert  worden  und  es  sei  in  Aus- 
übung dieser  Tätigkeit  beschlagnahmt  worden.  Diese  Tatsachen  er- 
gäben sich  aus  der  Aussage  des  Oberkommissars  für  die  Lieferungen  an 
die  genannten  Häfen,  des  Rats  im  Ministerium  des  Inneren  Grebnitzki. 

Das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  habe  also  Geschäfte,  deren 
Ausübung  neutralen  Schiffahrtsunternehmern,  ja  sogar  russischen  Staats- 
angehörigen, streng  untersagt  sei,  auf  Grund  einer  besonderen  Erlaub- 
nis der  russischen  Regierung  ausgeführt.  Es  sei  daher  zutreffend,  wenn 
die  erste  Instanz  angenommen  habe,  daß  das  zur  Verhandlung  stehende 
Schiff  eine  besondere  Erlaubnis  der  russischen  Regierung  gehabt  habe. 
Das  Völkerrecht  verleihe  einem  kriegführenden  Staat  das  Recht,  Schiffe, 
welche  auf  Grund  einer  besonderen  Erlaubnis  der  feindlichen  Regierung 
reisten,  als  feindliche  Schiffe  einzuziehen.  Daß  dies  Recht  auch  nach  der 
Pariser  Seerechtsdeklaration  vom  Jahre  1856  keine  Beschränkung  er- 
leide, gehe  aus  dem  Artikel  19,  Ziffer  2  des  von  dem  Vertreter  der 
Reklamation  angeführten  Handbuchs  des  englischen  Prisenrechts  von 
Holland  hervor. 

Kurz,  die  Entscheidung  der  ersten  Instanz  auf  Einziehung  des  zur 
Verhandlung  stehenden  Schiffs  sei  zutreffend  und  die  Berufung  un- 
begründet.   Daher  sei  dieselbe  abzuweisen. 

Das  vorliegende  Urteil  wird,  wie  folgt,  begründet: 

Die  russische  Regierung  hat  seit  langer  Zeit  die  Handelsschiffahrt 
auf  den  Commandorski-Inseln  für  ausländische  Schiffe  nicht  gestattet. 
Da  aber  seit  dem  japanisch-russischen  Krieg  Mangel  an  eigenen  Schiffen 

933 


Abschnitt  VI«  Prisengerichtsentscheldungen :  „Montara''. 

berichtet  wurde,  so  erteilte  die  russische  Regierung  der  Kamtschatka- 
Handels-  und  Industriegesellschaft  sowie  der  Ostsibirischen  Compagnie 
die  besondere  Erlaubnis,  ausländische  Schiffe  zu  chartern  und  in  der 
genannten  Gegend  verkehren  zu  lassen,  um  den  genannten  Gesell- 
schaften die  Ausführung  der  von  ihnen  der  Regierung  gegenüber  über- 
nommenen Lieferungen  von  Bedarfsartikeln  zu  erleichtern.  Das  zur 
Verhandlung  stehende  Schiff  ist  auf  Grund  dieser  besonderen  Erlaub- 
nis gereist.  Das  geht  hervor  aus  dem  Vernehmungsprotokoll  des  mit 
diesem  Fall  beauftragten  Rats  des  Prisengerichts  zu  Yokosuka  mit  dem 
Oberlieferungskommissar  für  die  Bedarfsartikel  Grebnitzki. 

Das  Völkerrecht  erkennt  in  Praxis  und  Theorie  an,  daß  neutrale 
Schiffe,  welche  so  auf  Grund  einer  besonderen  Erlaubnis  des  feindlichen 
Staats  fahren,  feindlichen  Charakter  erwerben  und  zusammen  mit  der 
feindlichen  Ladung  weggenommen  werden  können.  Das  Oberprisen- 
gericht ist  der  Ansicht,  daß  dies  den  Verhältnissen  gerecht  wird. 

Der  Reklamant  behauptet,  daß  Rußland  auch  vor  dem  Krieg  in 
der  Küstenprovinz  und  dem  Gebiet  von  Kamtschatka  den  Handels- 
verkehr von  ausländischen  Schiffen  erlaubt  habe  und  hat  zum  Be- 
weise hierfür  Abschriften  aus  zwei  Nummern  des  Staatsanzeigers  und 
eines  Beiblatts  der  Monatszeitschrift  des  Zollamts  eingereicht.  Aus  diesen 
Beweisstücken  kann  indes  nicht  ersehen  werden,  daß  ausländische  Schiffe 
in  der  Gegend  der  Commandorski-Inseln  zur  Handelsschiffahrt  verwandt 
worden  sind.  Daher  ist  der  Aussage  des  oben  genannten  Greb- 
nitzki Glauben  zu  schenken,  welche  in  seinem  Vernehmungsprotokoll, 
wie  folgt,  erscheint:  Im  allgemeinen  könnten  nur  russische  Schiffe 
gechartert  werden,  um  nach  den  Commandorski-Inseln  zu  fahren.  Aus 
Anlaß  des  jetzigen  Krieges  seien  jedoch  die  russischen  Schiffe  un- 
zureichend geworden,  so  daß  der  Gesellschaft  die  Charterung  von  aus- 
ländischen Schiffen  gestattet  worden  sei.  Wenn  man  von  besonderer 
Vergünstigung  reden  könne,  so  sei  dies  eine  besondere  Vergünstigung. 

Ferner,  sagt  der  Reklamant,  wenn  man  einmal  annehme,  die  Aus- 
sage Grebnitzkis,  daß  die  Handelsschiffahrt  für  ausländische  Schiffe 
in  den  bezeichneten  Gegenden  verboten  gewesen  sei  und  daß  die  Kam- 
tschatka-Handels- und  Industriegesellschaft  für  den  dortigen  Verkehr 
ausländische  Schiffe  nicht  hätte  chartern  können,  sei  wahr,  so  sei  das 
doch  nur  eine  Bedingung  der  russischen  Regierung  gegenüber  dieser 
Gesellschaft.  Diese  Bedingung  sei  indessen  nach  der  Kriegseröffnung 
aufgehoben  und  die  Charterung  ausländischer  Schiffe  sei  möglich  ge- 
worden. Da  jedes  ausländische  Fahrzeug  demnach  gechartert  werden 
könne,  so  könne  man  das  nicht  als  besondere  Erlaubnis  bezeichnen.  Die 
besondere  Erlaubnis  erfordere  unbedingt,  daß  ein  besonders  bestimmtes 
Schiff  eine  besondere  Vergünstigung  oder  Behandlung  empfange,  und  daß 
man  ein  neutrales  Schiff  aus  dem  Grunde,  daß  es  einen  vom  Feinde  im 

934 


Pri86iigerlcht8ent8Cheidungen:  „Montara".  Abschnitt  VI^s 

Frieden  verbotenen  Handel  betrieben  habe,  wegnehme,  finde  sich  in 
keiner  der  Prisenordnungen  der  modernen  Staaten  ausgesprochen.  Frei- 
lich könne  man  die  Prisen  Ordnungen  der  verschiedenen  Staaten  nicht 
ohne  weiteres  als  Völkerrecht  ansehen;  da  sie  aber  selbst  als  Quellen 
des  Völkerrechts  dienen  könnten,  so  könne  man  in  ihnen  dem  Be- 
stehen eines  völkerrechtlichen  Prinzips  durch  vergleichende  Forschung 
nachspüren.  Die  Wurzeln  der  Begründung  des  Urteils  der  ersten  In- 
stanz seien  in  ihnen  nicht  zu  finden. 

Zu  einer  besonderen  Erlaubnis  ist  es  indes  nicht  nötig,  daß  sie 
jedem  besonderen  Schiff  einzeln  erteilt  werde.  Eine  besondere  Erlaubnis 
für  die  Schiffe  einer  besonders  benannten  Gesellschaft,  eine  allgemein 
verbotene  Fahrt  zu  machen,  ist  eine  besondere  Erlaubnis  für  die  diese 
Fahrt  unternehmenden  Schiffe.  Die  Handelsschiffahrt  nach  der  Gegend 
der  Commandorski-Inseln  war  im  allgemeinen,  wie  oben  gesagt,  den 
ausländischen  Schiffen  verboten  und  war  nur  für  die  von  der  Kam- 
tschatka-Handels- und  Industriegesellschaft  und  noch  einer  anderen  Firma 
gecharterten  Schiffe  gestattet.  Es  ist  daher  außer  Zweifel,  daß  das  zur 
Verhandlung  stehende  Schiff,  welches  von  der  genannten  Gesellschaft 
gechartert  war,  auf  Grund  der  besonderen  Erlaubnis  der  russischen 
Regierung  gefahren  ist. 

Wie  aber  oben  schon  gesagt,  können  völkerrechtlich  neutrale  Schiffe, 
welche  auf  Grund  einer  besonderen  Erlaubnis  der  feindlichen  Regierung 
fahren,  weil  sie  feindlichen  Charakter  haben,  weggenommen  werden. 
Da  nun  das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  auf  Grund  einer  besonderen 
Erlaubnis  der  feindlichen  Regierung  gefahren  ist,  so  kann  es  nicht 
der  Wegnahme  entgehen,  weil  in  den  Prisenordnungen  Amerikas, 
Preußens  und  Rußlands  nicht  bestimmt  sei,  daß  Schiffe,  welche  zu 
einem  im  Frieden  von  dem  feindlichen  Staat  untersagten  Handelsverkehr 
gedient  hätten,  eingezogen  werden  könnten. 

Aus  diesen  Gründen  ist  es  zutreffend,  wenn  das  Urteil  erster  In- 
stanz das  zur  Verhandlung  stehende  Schiff  als  ein  Schiff  mit  feind- 
lichem Charakter  angesehen  und  auf  seine  sowie  seiner  feindlichen 
Ladung  Wegnahme  erkannt  hat.  Demnach  erübrigt  es  sich,  auf  die 
übrigen  Punkte  der  Berufung  noch  weiter  einzugehen. 

Es  wird  daher,  wie  folgt,  entschieden: 
Die  Berufung  wird  abgewiesen. 

Im  Oberprisengericht  am  13.  Februar  1906. 

(Unterschriften.) 


935 


Alphabetisch  nach  den  Namen  der  Schiffe  geordnete  Über- 
sicht über  die  Prisengerichtsentscheidungen. 


Seit« 

17.  „Aggi",  norwegisch 265 

6.  „Alexander**,  nissisch 199 

57.  „Antiope",  englisch 903 

46.  „Aphrodite",  englisch 780 

38   „Apollo",  englisch 701 

4.  „Argun",  russisch 129 

56.  „Australia",  amerikanisch 881 

30.  „Bawtry",  englisch .  569 

13.  „Bobrik",  russisch 231 

32.  „Burma",  österreichisch-ungarisch 625 

33.  „M.  S.  Dollar*',  englisch 640 

43.  „Easby  Abbey**,  englisch 742 

36.  „Eastry",  englisch .687 

1.  „Ekaterinoslav",  russisch 48 

22.  „Fuping",  deutsch 439 

20.  „George",  französisch 432 

49.  „Harberton",  englisch 80O 

51.  „Henry  Bolckow",  norwegisch 827 

11.  „Hermes",  norwegisch 228 

18.  „Hsi-Ping**,  englisch 266 

50.  „Industrie",  deutsch 818 

14.  „JuHade",  russisch 240 

25.  „King  Arthur**,  englisch 494 

9.  „Kotlk**,  russisch 219 

10.  „Lesnik**,  russisch 225 

27.  „Lethington**,  englisch 519 

52.  „Lincluden",  englisch 839 

55.  „Lydia**,  deutsch .  859 

5.  „Manschuria'*,  russsich <. 140 

15.  „Manschuria**,  russisch 242 

7.  „Michael*',  russisch 205 

58.  „Montara**,  amerikanisch 920 

2.  „Mukden**,  russisch 67 

12.  „Nadeschda**,  russisch 230 

8.  „Nikolai**,  russisch 212 

23.  „Nigretia**,  englisch     .  • 454 

31.  „Oakley**,  englisch      612 

54.  „Orel**,  russisch       855 

936 


Seite 

37.  „Faros",  deutsch 689 

19.  „Pei-Ping",  chinesisch 354 

40.  „Powderham",  englisch 723 

53.  „Quang-Nam".  französisch 841 

42.  „Romulus",  deutsch 739 

26.  „Roseley",  englisch 505 

3.  „Rossia**,  russisch 122 

47.  „Saxon  Prince",  englisch 789 

28.  „Scotsman",  englisch 533 

41.  „Severus",  deutsch      736 

35.  „Slam",  österreichisch-ungarisch 668 

21.  „Si-Shan",  englisch 437 

39.  „Sylviana",  englisch 710 

48,  „Tacoma",  amerikanisch 791 

16.  „Thalia",  russisch 246 

44.  „Vegga",  schwedisch 757 

45.  „Venus",  englisch 772 

24.  „Veteran",  deutsch      474 

29.  „Wilhelmina",  holländisch 558 

34.  „Wyefield",  englisch 655 


937 


E.  S.  Mittler  &  Sohn,  Berlin  SW..  Kochstr.  68—71. 


/ 


HARVARD  LAW  LIBRARY 


FROM  THE  LIBRARY 

OF 

RAMON  DE  DALMAÜ  Y  DE  OLIVART 

MARQUES  DE  OLIVART 


Received  Dec'ember  31,  191 1